Mitteilungsblatt Thüringer Pfarrverein Jahresheft 2022
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Jahresheft 2022
Thüringer Pfarrverein
Jahresheft 2022
Nr. 1 | 12. Jahrgang 2022
3 Editorial
5 Information aus dem Bereich Soziales
6 Einladung zur Mitgliederversammlung
8 Mit Lutherpathos gegen Corona-Maßnahmen
11 Axel Noack: Luther und die Pest
21 Infos aus der Forschungsst.: Kirchliche Praxis in der DDR
25 Das Thüringer Pfarrerbuch - Ergänzungen
26 Gedenken an Pfarrer Ernst Otto
28 F. Steffensky: Pastorale Existenz in säkularen Zeiten
20,40 Rezensionen
Impressum
Thüringer Pfarrverein e.V.
Druck:
Gemeidebriefdruckerei
100% Recyclingpapier
Layout:
Stefan Arnold, Halle
Titelbild:
Philippuskirche Lohmen / Sachsen
Foto:
Gabriele Schmidt
2
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Editorial
von Parrerin i.R. Gabriele Schmidt aus Pirna,
ehem. Schriftleiterin des Thüriner Pfarrvereins
„Ja, ich will euch tragen bis zum
Alter hin. Und ihr sollt einst sagen,
dass ich gnädig bin.“ Jochen Klepper
in EG 380,1
Liebe Schwestern und Brüder,
zuallererst möchte ich heute mit diesen
Worten von Jochen Klepper aus dem
Gesangbuch an Kirchenrat i.R. Paul-
Gerhard Kiehne in Eisenach erinnern,
der am 28. Oktober 2022, so Gott will,
seinen 90. Geburtstag feiern wird. „Ja,
ich will euch tragen bis zum Alter hin.
Und ihr sollt einst sagen, dass ich gnädig
bin.“ Möge der Jubilar in die alten
Worte einstimmen können und sie ihn
voll Vertrauen in das neue Lebensjahr
begleiten! Der Vorstand ist ihm in diesen
Tagen in Gedanken, im Herzen und
im Gebet verbunden. Seit fast 30 Jahren
ist Bruder Kiehne im Ruhestand und
dem Verein bis heute eng verbunden
geblieben.
Er ist Ehrenmitglied im Thüringer Pfarrverein
und hat seit den 90-iger Jahren
bis 2003 den Thüringer Pfarrverein als
Vorsitzender geleitet. Die ihn kennen,
haben seine friedfertige und freundliche
Art, auch auf problematische und
konfliktbelastete Situationen zuzugehen,
geschätzt. Michael Thurm beschreibt
ihn als das „lebendige Archiv“
des Pfarrvereins.
Generationen von Vikar*innen hat er
für eine Mitgliedschaft im Pfarrverein
gewinnen können. Meinen Mann und
mich im Jahr 1994 auch. Daher möchte
ich ihm heute persönlich dafür meinen
Dank sagen. Als Vereinsmitglied ist es
für mich bleibend wichtig, die Zugehörigkeit
zur Pfarrerschaft in einem Berufsverband
zu gestalten. Ebenso wichtig
ist mir das Wissen darum, dass sich
im Vorstand Frauen und Männer finden,
an die ich mich bei Fragen rund um die
rechtlichen Grundlagen des Berufsstandes,
bei sozialen oder gesundheitlichen
Schwierigkeiten, zu einer Beratung und
Hilfestellung wenden kann. Vor ca. dreizehn
Jahren klingelte dann mein Telefon
und Paul-Gerhard Kiehne rief an und
fragte, ob ich Zeit und Lust hätte, für
den Pfarrverein ein eigenes Mitgliedsheft
zu entwickeln und mit Beiträgen zu
füllen. nach der Wende hatte das Hessi-
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 3
sche Pfarrerblatt die Informationen des
Thüringer Pfarrvereins mit abgedruckt
und versandt. Jetzt sollte der Thüringer
Pfarrverein in diesem Punkt auf eigene
Beine kommen. Heute möchte ich mich
nach zwölf Jahren der Schriftleitung von
den Mitgliedern des Thüringer Pfarrvereins
verabschieden. Mit meinem Mann
lebe ich seit neun Jahren in Pirna, wo
mir inzwischen viele neue Aufgaben zugewachsen
sind. Ich bedanke mich beim
Vorstand und den Mitgliedern für gute
Jahre der Zusammenarbeit und schöne
Begegnungen bei den Pfarrertagen in
Neudietendorf und Quedlinburg.
Ich wünsche dem Pfarrverein in
den kommenden Jahren engagierte
Mitstreiter*innen im Vorstand, welche
die aktuellen Themen aus Kirche und
Pfarrerschaft aufnehmen, mutig und
mit Feingefühl Kritikpunkte benennen,
mit Lob und Dank nicht sparen, und
kreativ an unserer Kirche weiterbauen.
Der Pfarrverein wünscht sich neue Vorstandsmitglieder!
Er wird sich verändern.
Ich lade Sie herzlich zur Mitgliederversammlung
am 23. November 22
nach Neudietendorf ein. Dort berichtet
der Vorstand auch über die aktuellen
Entwicklungen im Verein seit der Mitgliederversammlung
am 11. April 22 in
Neudietendorf.
Wir sind gemeinsam auf dem Weg. Wir
sind auf unterschiedliche Weise miteinander
im Kontakt. Lassen Sie uns im
Pfarrverein zusammenrücken. Wir sitzen
alle im gleichen Boot. Christus ist
der Steuermann.
In diesem Sinne möge Sie der Vers aus
dem Gesangbuchlied durch die kommende
Zeit begleiten: „Ja, ich will euch
tragen bis zum Alter hin. Und ihr sollt
einst sagen, dass ich gnädig bin.“
Bleiben Sie behütet! Ihre
Michaeliskirche Erfurt
Foto: Michaeliskirche Erfurt
4
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Information aus dem Bereich Soziales
im Thüringer Pfarrverein
Liebe Brüder und Schwestern,
als Verantwortliche für „Soziale Anliegen“
im Vorstand des Pfarrvereins,
möchte ich Sie angesichts zunehmend
schwierigerer werdender Zeiten fragen,
wie Sie Ihre momentane dienstliche Situation
einschätzen. Ich finde, wir dürfen
und sollten im Pfarrverein unsere
beruflichen Befindlichkeiten zu Gehör
bringen: Sind Sie z. B. mit Ihren aktuellen
Arbeitsbedingungen zufrieden? Wie
sieht es mit Ihrem tatsächlichen zeitlichen
Arbeitsumfang aus? Können Sie einen
freien Tag in der Woche tatsächlich
nehmen? Können Sie Ihren Urlaub nehmen
oder entgehen Ihnen Urlaubstage,
weil es an Vertretungen fehlt? Sehen Sie
der kommenden Heizperiode in Ihren
Dienstwohnungen gelassen entgegen?
Verfügen Sie bereits über einen Dienstcomputer,
ein Diensthandy und auch
schnelles Internet z. B. für die Datenfernsicherung?
Fragen über Fragen. Last
but not least möchte ich Sie fragen, wie
es Ihnen damit geht, dass wir MitarbeiterInnen
im Verkündigungsdienst in der
EKM immer noch nur 89% des tariflich
vereinbarten Gehaltes bekommen und
nach A13 eingruppiert sind und nicht
mit bestimmten Funktionen bzw. nach
bestimmten Dienstjahren nach A14, wie
das andernorts üblich ist. Hier sind wir,
verglichen mit den anderen Landeskirchen,
seit vielen Jahren Schlusslicht.
Vielleicht sehen Sie aber auch ganz andere
Probleme, mit denen wir uns als
Verein beschäftigen sollten.Mich würde
es sehr freuen, wenn ich von Ihnen dazu
ein Feedback bekomme, damit wir uns
im Pfarrverein gegebenenfalls für die
eine oder andere notwendige Veränderung
einsetzen können. Das ist unsere
Aufgabe!
Ich freue mich, mit Ihnen in zu unserer
Mitgliederversammlung am 2. November
dazu ins Gespräch zu kommen! Bitte
schreiben Sie mir oder Sie rufen mich
an!
Vielen Dank im Voraus!
Ihre Christin Ostritz
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 5
Einladung zur Ordentlichen Mitgliederversammlung
des Thüringer Pfarrverein e.V.
Mittwoch, dem 23. November 2022,
10 Uhr in Neudietendorf
Liebe Schwestern und Brüder im Thüringer Pfarrverein, das aufregende Jahr 2022
ist weit fortgeschritten, also wird es Zeit, Euch zur jährlichen Mitgliederversammlung
einzuladen. Wir treffen uns, so Gott will, am 23. November, 10 Uhr in Neudietendorf
im Zinzendorfhaus.
Ich lege Euch in diesen bewegten Zeiten die Arbeit des Thüringer Pfarrvereins
besonders ans Herz, macht ihn zu Eurer ureigenen Aufgabe und kommt zu dieser
wichtigen Mitgliederversammlung, damit er in Zukunft Gutes für die Schwestern
und Brüder in unserer Kirche und darüber hinaus in der Slowakei und Polen
bewirken kann. - Bedenkt bitte, ALLE, die sich aufmachen, mitdenken und wählen,
bestimmen den Weg des Vereins für die nächsten sechs Jahre. Das ist eine große
Verantwortung.
Folgende Punkte stehen an diesem Tag auf der Tagesordnung:
1. Andacht mit Gedenken der Verstorbenen
2. Begrüßung
3. Protokoll der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 11. April 2022
4. Bericht des Vorsitzenden und Aussprache
5. Bericht über den Stand der Gerichtsverhandlungen gegen den Verein
6. Bericht des stellvertretenden Vorsitzenden und Aussprache
7. Bericht über die sozialen Aufgaben
8. Bericht des Schatzmeisters und Aussprache
9. Vorstandswahl
10. eventuell notwendige Satzungsänderung (Sitz des Vereinssitzes)
11. Verschiedenes
12. Gebet und Segen
Wegen der immer noch aktuellen Infektionslage müssen wir uns eventuell auch
auf dann gültige Hygieneregeln einstellen. Wegen der Planung wäre uns eine Anmeldung
bis zum 09. November 2022 wichtig, Post per Fax (03672/4884458) oder
E-Mail (pfarrverein-buero@web.de oder thurm.michael@gmx.de).
Es grüßt Euch herzlich von Haus zu Haus
Michael Thurm, Vors. Thür. Pfarrvereins im Namen des gesamten Vorstandes
6
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Anmeldung
Hiermit melde ich mich zur
Mitgliederversammlung
des Thüringer Pfarrvereins
am 23. Nov. 2022, 10 Uhr, im Saal der
Brüdergemeinde in Neudietendorf an.
Name: ...............................................
Anschrift: ...............................................
Tel./Fax: ...............................................
E-Mail: ...............................................
Ort, Datum, Unterschrift
An:
Vorsitzender Pfr. i.R. Michael Thurm,
Teichstr. 3, 07407 Rudolstadt oder
E-Mail: pfarrverein-buero@web.de oder thurm.michael@gmx.de
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 7
Mit Lutherpathos
gegen Corona-Maßnahmen
Vorsitzender der VELKD-Pfarrergesamtvertretung
noch tragbar?
Gegen eine „Obrigkeit“, die Gott
zum Schweigen bringen wolle
müsse man Widerstand leisten.
Mit wuchtigen Verbalattacken gegen die
Verantwortlichen der derzeitigen Corona-Maßnahmen
ruft der Vorsitzende
der Pfarrergesamtvertretung der VELKD,
Pfr. Martin Michaelis, zum bürgerlichen
Ungehorsam aus Glaubensgründen auf.
Dokumentiert in einem öffentlichen Video
1 von der Sonneberger Lichterkette
am 5. Dezember beteiligt er sich mit einer
„Predigt“ bzw. „Andacht“ unter genauer
Angabe von Namen, Titel und deutschlandweiter
Funktion als „Betriebsrat
der Pfarrerschaft“ an der abendlichen
Kundgebung gegen die geltenden
Corona-Maßnahmen. Aufgerufen dazu
hat eine „Initiative der Heilberufe“.
Gott oder die Impfung - eine skurrile
Alternative
Die steile These, man wolle die Wahrheit
des Wortes Gottes unterdrücken, macht
er an der Aussetzung der Gottesdienste
an Ostern 2020 fest. Dies sei ein Gottesdienstverbot
gewesen. Zugleich sei damals
das „neue Heil“ verkündet worden,
das in einer Impfung bestehe. Die Bekanntgabe
sei in den ARD-Tagesthemen
erfolgt, wodurch er suggeriert, es handle
sich um eine staatliche Verlautbarung.
Den Versammelten bescheinigt er, dass
sie keineswegs „bescheppert“ seien,
was ihnen die Obrigkeit – die staatliche
und kirchliche – einreden wolle,
sondern klar denkende Menschen, die
selbstständig ihr Gewissen benutzen.
Als Opfer staatlicher Zwangsmaßnahmen
beschwört er das Auftreten Martin
Luthers auf dem Reichstag in Worms
herbei und ruft den Versammelten zu:
„Wir stehen hier, weil wir nicht anders
können, Gott helfe uns“ – und die Leute
skandieren mit „Amen.“ Die Angst
vor der Zerstörung des Lebens, der
Gesundheit, der Lebensgrundlagen,
der wirtschaftlichen Existenz durch die
Zwangsmaßnahmen, im persönlichen
und gesellschaftlichen Bereich, des
Vertrauens und des Zusammenhaltes
in der Gesellschaft sei berechtigt.
.Eine explizite Verleugnung der Corona-Pandemie
spricht er zwar nicht
aus, doch wird nebulös ein Konsens
vorausgesetzt: „Das muss ich euch
nicht erklären.“ Einige hätten ja auch
schon die Folgen kennengelernt. Mit
ähnlich unklaren Aussagen stellt er
die Wirksamkeit der Masken in Frage.
Opfer sind die der Freiheit Beraubten
Als gesellschaftlicher Schaden werden
ausschließlich die Folgen der „Zwangsmaßnahmen“
benannt: Vereinsamung,
Verängstigung, dass Kinder mit Masken
8
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
in die Schulbänke gezwungen werden,
dass die Politik den Abbau von Krankenhausbetten
finanziell belohne. In
dieser „Analyse“ kommt die Gefährdung
durch das Virus in keinem Satz vor.
Nachdem so der gesellschaftliche Schaden
bestimmt ist, fährt er mit Martin Luthers
Auslegung der zehn Gebote fort,
beginnend mit dem fünften: „Wir sollen
ja Gott fürchten und lieben und unserm
Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden
zufügen“. Dies geschehe aber, wenn
man den Bestimmungen folge. Michaelis
fährt mit Zitaten zum 7. und 8. Gebot
fort. Aus der Confessio Augustana,
Art. 16, zitiert er dann sinngemäß: Einer
Obrigkeit – wie er völlig undifferenziert
demokratisch Gewählte und offenbar
auch Kirchenleitende charakterisiert
– die etwas anordnet, das ohne Sünde
nicht befolgt werden kann; dieser
Obrigkeit dürfe ein Christ nicht gehorchen,
sondern es gilt: „Man muss Gott
mehr gehorchen als den Menschen.“
Was der selbsternannte Lutherkenner
aber völlig verkennt, ist, dass der Gegenstand
des Widerstands bei Martin
Luther ja die kirchlichen Bestimmungen
sind. Er wendet sich – auf seinem eigenen
Fachgebiet, der Theologie – gegen
kirchliche Satzungen, insbesondere die
Bußsatzung, sowie Zeremonien, die
nicht der Grundlage der heiligen Schrift
entsprächen, sondern durch kirchliche
Konzilien beschlossen worden sind.
Luther und die Pest: Drastische Maßnahmen
Völlig andere Töne schlägt derselbe
Martin Luther allerdings an, wo es um
die Bekämpfung einer Seuche wie der
Pest geht. Mit seiner 1527 erschienenen
Schrift „Ob man vor dem Sterben fliehen
möge“ beantwortet er eine Anfrage
der Breslauer Pfarrerschaft: Soll man
sich vor der Pest in Sicherheit bringen
– oder vor Ort bleiben, um seelsorgerlichen
Beistand zu gewährleisten.
Das ist die Frage – und Luther wende
sich in keinem Wort gegen die
überaus strengen Verordnungen des
städtischen Rats zu Bekämpfung der
Krankheit oder stellt die Sinnhaftigkeit
einzelner Bestimmungen in Frage
oder fordert dazu auf, sie zu überprüfen.
Wer in der Stadt bleibt, setzt sich
der Ansteckungsgefahr aus, das ist klar.
Um zu erörtern, was des Christen
Pflicht in dieser Lage ist, orientiert
sich Luther ausschließlich daran, ob
der Dienst für die Versorgung der (erkrankten)
Bevölkerung notwendig ist.
So sollten Seelsorger, Bürgermeister
und Amtsleute, Ärzte und Pflegende
in der Stadt bleiben, sofern ihr Dienst
notwendig gebraucht werde [228].
Gegebenenfalls könnten die Pfarrer
untereinander ausmachen, wer zur
Versorgung der Menschen bleibt und
wer sich in Sicherheit bringt [ebd.].
Da es sich bei der Pest um eine Strafe
Gottes handle, hält er diejenigen, die
stark im Glauben seien für weniger ansteckungsgefährdet
– und sollten sie
trotzdem den Tod erleiden, so tun sie
es im gottwohlgefälligen Dienst für
den Nächsten. Wer sich allerdings für
im Glauben stark und somit immun
gegen die Krankheit hält, wer aus diesem
Grund die Arznei verachtet und
Personen nicht meidet, die die Pest gehabt
haben oder von ihr genesen sind
– die also die Quarantäneregeln missachten
– die vertrauten nicht auf Gott,
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 9
sondern versuchten ihn[241]. Es gebe
Leute, die ihre „Kühnheit“ so beweisen
wollten und sprechen: Wenn es Gottes
Strafe sei, „so wolle Gott sie behüten, so
würde er’s wohl ohne alle Arznei tun.“
„Denn Gott habe die Arznei geschaffen
und uns Vernunft gegeben, dem Leib
vorzustehen und ihn zu pflegen, dass
er gesund sei und lebe. Wer sie nicht
braucht, die er wohl hat und ohne seines
Nächsten Schaden gebrauchen kann,
der vernachlässigt seinen Leib selbst
und sehe zu, dass der nicht vor Gott als Mörder
seiner selbst beurteilt werde.“ [ebd.]
Wenn das Haus brennt, muss man
löschen
Er vergleicht die Pest mit dem Brand
eines Hauses: „Denn was ist die Pest
anders als ein Feuer, das nicht Holz
und Stroh, sondern Leib und Leben
auffrisst?“[242] Wer eine Arznei verabscheut
und die üblichen Maßnahmen
wie das Ausräuchern des Hauses
und sich den Stätten nicht fernhält,
bei denen Ansteckung droht, der sie
wie einer, der ein Haus in der Stadt
brennen lässt und dem Feuer Raum
gibt, dass die ganze Stadt verderbe.
Noch ärger aber urteilt Luther über
diejenigen Menschen, die, wenn sie
die Pest heimlich haben, dennoch unter
Menschen gehen [243]. Die einen in
der irrigen Annahme, dass sie die Pest
dort loswerden würden – die anderen
aber weil sie es nicht ertrügen, dass
die Pest bei anderen nicht ist. Hier gibt
Luther den Rat, gegen sie mit den Mitteln
des Strafgesetzes vorzugehen, sie
nicht dem Arzt, sondern dem Henker
zu überantworten. Wenn Pfr. Michaelis
über verhängte Bußgelder jammert,
kennt er wohl seinen Luther zu wenig.
Luther lobt die ärztliche Kunst Luther
spricht sich als explizit dafür aus, der
Krankheit mit allen Mitteln der ärztlichen
Kunst zu begegnen und für drastische
staatliche Zwangsmaßnahmen für
die, die unverantwortlich mit ihr umgehen
und zur weiteren Ausbreitung
der Seuche beitragen. Natürlich kann
man darüber streiten, ob die Corona-
Pandemie mit der mittelalterlichen
Pest vergleichbar ist. Das ist sicher von
den Todeszahlen her nicht der Fall. Die
wirksamen Mittel der Seuchenbekämpfung
sind in jedem Fall sehr vergleich
bar: Abstandsregeln, Quarantänemaßnahmen,
Schutzkleidung und Atemschutzmaßnahmen.
Für die ärztliche
Versorgung haben wir inzwischen natürlich
ganz andere Möglichkeiten.
Was der ganzen „Predigt“ fehlt, ist jede
auch nur andeutungsweise Auseinandersetzung
mit den Auswirkungen einer
Corona-Erkrankung. Wer in dieser Ausschließlichkeit
dem Widerstande gegen
jegliche Hygienemaßnahmen das Wort
redet, kann die Erkrankung nur als nicht
existent oder harmlos bagatellisieren.
Und auch wenn er es nicht ausspricht,
so scheint er doch der Meinung zu sein,
es handle sich um eine Medieninszenierung.
Die mutmaßliche Bekanntgabe
der Impfkampagne in den ARD-
Tagesthemen weist in diese Richtung.
Dämonisierung
der mRNA-Impfstoffe
Für Luther ist es die Krankheit, mit der
der Teufel den Menschen Angst macht
und sie zu töten versucht. Michaelis sieht
10
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
in der Anwendung jeglicher Gentechnik
dämonische Kräfte am Wirken. Auf der
Sonneberger Demonstration führt er das
biblische Bild vom Baum der Erkenntnis
bzw. Baum des Lebens an, um davor
zu warnen, sich in irgendeiner Weise
am Blut und am Leben zu vergreifen.
Was dort merkwürdig aphoristisch in
die Predigt eingeführt wird, erläutert
er in einem Gespräch mit einem Musiker.
Unter Verweis auf die Heiligkeit
des Blutes im AT verurteilt er jeden
Eingriff in das Genmaterial als Einflüsterung
des Teufels bzw. „Zischen der
Schlange“, wie er es in Sonneberg ausdrückte,
dem es zu widerstehen gilt.
Bar jeglicher Sachkenntnis verteufelt
er damit auch eine (eher passive)
Anwendung der Gentechnik, wie
sie bei den mRNA-Impfstoffen angewandt
wird und suggeriert, dass es
sich um einen Eingriff in das menschliche
oder tierische Erbgut handelt.
Ein Verschwörungstheoretiker als
Vertrauensperson?
Eine ganz andere Frage muss sich die
VELKD-Pfarrergesamtvertretung stellen:
Ist dieser Vorsitzende, der sich im
Interview auch noch damit brüstet, Mitglied
der dienstrechtlichen Kommission
der EKD zu sein, in Ämtern noch tragbar,
die das Vertrauen der Vertretenen
erfordern?
Pfarrer Martin Müller, Hof
Der Beitrag erschien erstmalig im Korrespondenzblatt
des bayrischen Pfarrvereins
Nr. 2, Februar 2022.
„‘dass man das Leben zu erhalten suche
und den Tod fliehe, wo es ohne Nachteil
des Nächsten sein kann‘ – Martin Luther
gibt Orientierung zum Leben in
Pestzeiten“
Vortrag von Axel Noack vor dem SPD-Kulturforum
im Juni 2021 in Halle
Das gewählte Lutherzitat 1 in der
Überschrift ist zugleich eine gute Inhaltsangabe
für meinen Beitrag.
Martin Luther und sein Bezug zu aktuellen
Themen seiner Lebenszeit im
Spiegel seiner Texte und Briefe
Neben seinen zahlreichen Vorlesungen
als Universitätsprofessor, seinen Bibelauslegungen
im universitären Zusammenhang,
seinen vielen Predigten und
der riesigen Menge von Briefen gibt es
gedruckte Schriften (Bücher und Flugschriften)
zu tagesaktuellen Themen:
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 11
Manchmal sind „Die Not und Beschwerung,
die alle Stände der Christenheit“
bedrücken, der Anlass. (so etwa die 95
Thesen von 1517 oder die Adelsschrift
von 1520)
Einige der bedeutendsten dieser Schriften
entstanden auf dem Hintergrund
konkreter Anfragen, die an Luther gerichtet
wurden. Zuweilen tragen die erschienen
Bücher noch den Duktus der
Frage im Titel.
Die wohl bekannteste dieser Schriften
ist die berühmte Obrigkeitsschrift von
1523.2 Hintergrund: Die Übersetzung
des neuen Testamentes, die Luther 1521
- also vor genau 500 Jahren - auf der
Wartburg erarbeitet hatte, erschien im
September 1522
Lutter bucher zu lesen, dieselben zu keufen
oder verkeufen, noch sie bey sich zu haben,
unterstehen solte ... Darumb gepieten und
emphelhen wir euch allen und eynem yden
in Sonderheit hiermit ernstlich und wollen,
wir solche neue vordeutschte bucher in
eurn gewelden habet, das eyn yder in
das nechste unser amt, das ime gelegen
ist, unserm vorwalter des ends ubergebe
und antworte. Do wir haben dennoch aus
uberflus, damit sich derwegen nymands zu
beclagen, befolhen, ym sein ausgeleget gelt
dafür widerumb zu geben.“
(=“Septembertestament“) im Druck und
fand schnelle Verbreitung.
Kurze Zeit später, unter dem 6.11.1522,
lies der sächsische Herzog Georg („der
Bärtige, 1471-1539) ein „Mandat“ ausgehen,
das den Besitz solcher Neuen
Testamente und anderer Lutherschriften
unter Strafe stellte.3 Es wurde vom
Herzog gefordert, dass alle Bürger Lutherschriften
bis Weihnachten 1522 bei
den Amtsstellen abzugeben hätten. Die
Betroffen sollten darüber hinaus angeben,
von welchem Buchdrucker oder
Buchhändler sie die Schriften erworben
hätten. Allerdings sollten Ihnen ihre
Auslagen dafür erstattet werden.
Herzog Georg hat:
„mit besonderem Ernst geboten, das sich
nymands er were weyp oder man, Martini
_______________________________
1
Alle Zitate – wenn nicht anders ausgewiesen – sind der
Lutherschrift von 1527 „Ob man vor dem Sterben fliehen
möge“ entnommen. Diese Schrift [WA 23, 338–
372] wird zitiert nach der zehnbändigen Lutherausgabe
von Kurt Ahland in der digitalen Fassung der Digitalen
Bibliothek Band 63, Direktmedia, Berlin 2004, Seite 4141
– 4178.
2
Martin Luther: Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr
Gehorsam schuldig sei, [WA 11, 246–280] zitiert nach
Kurt Ahland (vgl.Anm. 1), Seite 4348 – 4423.
3
Text des Mandates in: Akten und Briefe zur Kirchenpolitik
Herzog Georgs von Sachsen / Erster Band 1517- 1524,
Reprint der Ausgabe von Leipzig 1905, in: Mitteldeutsche
Forschungen, Sonderreihe: Quellen und Darstellungen
in Nachdrucken, hersg. Von Reinhold Olesch, Roderich
Schmidt und Ludwig Erich Schmitt, Köln-Wien (Böhlau)
1985, Bd.1, Seite 386f.
12
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Ähnliche Regelungen galten im Kurfürstentum
Brandenburg und im Erzstift
Mageburg, also auch in Halle. Nur in
kursächsischen (ernestinischen) Gebieten
und in Anhalt konnten Lutherschriften
gedruckt und verkauft werden.
In diesem Zusammenhang erreichten
Luther etliche Anfragen, ob denn nun
die Bücher zurückgeben werden sollten.
Luther beantwortet diese konkrete
Frage in der benannten Schrift sehr
konkret: 4
„Hier sollen ihre Untertanen so tun: nicht ein
Blättlein, nicht einen Buchstaben sollen sie
überantworten, bei Verlust ihrer Seligkeit.
Denn wer es tut, der übergibt Christus dem
Herodes in die Hände.“
Luther geht das Thema auch gleich sehr
grundsätzlich an:5
„Denn Gott der Allmächtige hat unsere
Fürsten toll gemacht, dass sie nicht anders
meinen, als sie könnten ihren Untertanen
tun und gebieten, was sie nur wollen; und
auch die Untertanen irren, wenn sie meinen,
sie seien verpflichtet, dem allem so ganz
und gar zu folgen. Die Fürsten haben jetzt
angefangen, den Leuten zu gebieten, Bücher
auszuliefern und zu glauben und einzuhalten,
was sie angeben. Damit vermessen sie
sich, sogar auf Gottes Thron zu sitzen und
die Gewissen und den Glauben zu meistern
und nach ihrem tollen Gehirn den Heiligen
Geist wie einen Schüler zu behandeln.
Trotzdem verlangen sie, man dürfe ihnen
das nicht sagen und solle sie noch gnädige
Junker heißen.“
Ein anderes Beispiel ist die Anfrage des
christlichen Soldaten, Söldnerführer
und Feldoberst des ernestinischen Kurfürsten
Johann, Assa von Cramm (1490
– 1528). Auf ihn geht Luthers grundsätzliche
Schrift: „Ob Kriegsleute im seligen
Stand sein können?“6 zurück.
Für unser Thema von Bedeutung ist Luther
1527 erschiene Schrift: Ob man vor
dem Sterben fliehen möge?
Sie wurde veranlasst durch eine Frage
des schlesischen Reformators Johannes
Heß (g 23. September 1490; s 5. Januar
1547) aus Breslau, als in Breslau die Pest
wütete.
Luther scheint die Antwort auf die Anfrage
zunächst hinausgezögert zu haben.
Und wird wohl von Johannes Heß
gemahnt. Als dann auch in Wittenberg
im Jahre 1527 die Pest ausbrach, griff
er zur Feder. Er schrieb sein Büchlein in
den Sommermonaten 1527 und ergänzt
es im Herbst. In seinem Manuskript – so
die kundigen Lutherkenner – soll ein
Zettel oder Nachsatz gesteckt haben,
der leider im Manuskript verlorengegangen
ist, aber rekonstruiert werden
konnte und einige Aussagen zum Begräbnis
und zur Verlegung von Friedhöfen
in der Pestzeit enthielt.7
_________________________________
4
Wie Anm.2, Seite 4390f.
5
Wie Anm.2, Seite 4349.
6
Martin Luther: Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein
können, (1526), [WA 19, 623–662] ( vgl. Anm.1), S. 4423-
4488.
7
Vgl. den Abschnitt: Nachtrag zu den Friedhöfen
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 13
Zu der Schrift selbst:
Der Titel der Schrift: „Ob man vor dem
Sterben fliehen möge?“ ist so zu lesen,
dass das „möge“ im Sinne von „vermögen“
bzw. „dürfen“ zu verstehen ist.
Das Buch versteht sich direkt als Antwort
auf die Anfrage, wie die Anrede
erkennen lässt:
„Dem würdigen Herrn Doktor Johannes
Heß, Pfarrherrn zu Breslau, zusammen mit
seinen Mitdienern am Evangelium Christi.
Martinus Luther.
Gnade und Friede von Gott, unserem Vater,
und dem Herrn Jesus Christus. Eure Frage,
die ihr hierher nach Wittenberg zu uns geschickt
habt, nämlich, ob es einem Christenmenschen
gezieme, zu fliehen bei einem
allgemeinen Sterben, haben wir längst
empfangen, und wir sollten auch schon
längst darauf geantwortet haben.
Aber Gott der Allmächtige hat mich für
einige Zeit in der Zucht und unter der Rute
so hart gehalten, dass ich nicht viel lesen und
schreiben konnte. So habe ich auch gedacht:
Weil Gott der Vater aller Barmherzigkeit
euch so reichlich begabt hat mit allerlei
Verständnis und Wahrheit in Christus, würdet
ihr durch seinen Geist und seine Gnade
wohl allein und ohne unser Zutun solche
und wohl auch größere Fragen entscheiden
und richten.
Da ihr aber nicht ablasst zu drängen und
ihr euch so sehr demütigt, dass ihr auch
unsere Meinung hierüber zu wissen begehrt,
damit (wie St. Paulus überall lehrt) derselbe
Sinn und dieselbe Lehre bei uns allen gefundn
werden (1. Korinther 1, 10; 2. Korinther
13, 11; Philipper 2, 2), geben wir euch
hiermit unsere Meinung zu erkennen, soweit
Gott uns Gnade verleiht und wir begreifen.“
Zunächst setzt sich Luther mit der Frage
auseinander, ob nicht aus dem Glauben
heraus eine Schicksalsergebenheit angestrebt
werden müsse, und die Flucht
eben deshalb abzulehnen sei. Luther
widerspricht dem ausdrücklich nicht
und räumt ein: Die Starken im Glauben
können auch ein Seuche als eine Strafe
Gottes begreifen und annehmen.
„Aufs erste bestehen etliche fest darauf,
man dürfe und solle nicht in Sterbenszeiten
fliehen, sondern, weil das Sterben eine Strafe
Gottes ist, uns um unserer Sünde willen
zugeschickt, solle man Gott stille halten
und die Strafe geduldig in rechtem, festem
Glauben erwarten. Sie halten (das Fliehen)
schier für Unrecht und Mißglauben an Gott.
Die andern aber meinen, man dürfe wohl
fliehen, besonders die, welche nicht mit
Ämtern behaftet sind.“
Andererseits sei es eine bedeutsame
menschliche Eigenschaft, dass man am
Leben hänge und es mit allen Mitteln
zu erhalten suche, auch und gerade
in Zeiten der Krankheit. So sei es also
ganz natürlich, dass man vor dem Tode
fliehen will. Luther nennt zahlreiche biblische
Beispiele in denen deutlich wird,
dass schon die Väter im Alten Testament,
bei Abraham und Jakob angefangen,
fliehen, wenn sie verfolgt werden.
Mehrere Jahrhunderte galt die Flucht,
neben der Isolation der Infizierten, als
das gewiesene Mittel in Pestzeiten.
14
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Ganze Universitäten verlegten ihren
Vorlesungsbetrieb nach außerhalb,
wenn die Pest sich ausbreitete.
Also lautet die Quintessenz: Das Fluchtverhalten
ist natürlich und daher nicht
abzulehnen. Allerdings gibt es dabei
auch Ausnahmen:
Alle, die gebraucht werden dürfen nicht
fliehen. Ausdrücklich nennt Luther die
Pfarrer und die „Obrigkeit“. Die Seelsorge
und die Ordnung müssen aufrecht
erhalten bleiben.
„Demnach sind auch alle die, welche in
weltlichen Ämtern sind, wie Bürgermeister
und Richter und dergleichen, schuldig zu
bleiben. Denn da ist abermals Gottes Wort,
das die weltliche Obrigkeit einsetzt und befiehlt,
die Stadt und das Land zu regieren, zu
schützen und zu verwalten… Denn es ist eine
sehr große Sünde, eine ganze Gemeinde, die
jemand zu versehen befohlen ist, so ohne
Haupt und Regiment sitzen zu lassen, in aller
Gefahr, als da ist Feuer, Mörder, Aufruhr
und allerlei Unfall, den der Teufel zurichten
möchte, weil keine Ordnung da ist.“
Sehr pragmatisch mutet sein Ratschlag
an, dass die Pfarrer und die Regierenden
sich absprechen können. Es müssten
nicht alle bleiben, solange die Seelsorge
und die Aufrechterhaltung der
Ordnung gewährleistet seien.
„Denn auf diese Weise müssen wir und sind
wir schuldig, an unserm Nächsten auch in
allen andern Nöten und Gefahr zu handeln.
Brennt sein Haus, so heißt mich die Liebe
hinzulaufen und löschen helfen; ist sonst
Volks genug da, das löschen kann, kann ich
heimgehen oder da bleiben. Fällt er in ein
Wasser oder eine Grube, so darf ich nicht
weg-, sondern muss hinzulaufen, wie ich
kann, und ihm helfen; sind andere da, die es
tun, so bin ich frei.“
Luther weitet allerdings die Pflicht zum
Bleiben aus auf alle, die zur Pflege der
Kranken gebraucht werden. Das gilt
auch für Nachbarn und Freunde:
„Ja, es kann kein Nachbar vom andern
fliehen, wo sonst nicht (Menschen) sind, die
die Kranken an ihrer statt versorgen und
pflegen können. Denn in diesen Fällen ist vor
allen Dingen das Wort Christi Matth. 25, 43
zu fürchten: »Ich bin krank gewesen, und ihr
habt mich nicht besucht« usw. Durch dieses
Wort sind wir alle aneinander gebunden, daß
keines das andere in seinen Nöten verlassen
soll, sondern schuldig ist ihm beizustehen
und zu helfen, wie er wollte, daß ihm selber
geholfen würde.“
Luther streitet gewissermaßen an zwei
Fronten, die man mit „Hochmut“ und
„Verzagtheit“ bezeichnen könne. Gegen
beides seien die Menschen zu wappnen.
Da ist also einerseits der “Hochmut“.
Luther nennt diese Menschen „dummkühn“.
Dieser Hochmut will die Gefahr
nicht wahrhaben und lehnt auch Arzneimittel
ab:
„Nicht so, meine lieben Freunde, das ist nicht
fein getan. Sondern brauche die Arznei,
nimm zu dir, was dir helfen kann, räuchere
Haus, Hof und Gasse, meide auch Personen
und Stätten, da dein Nächster dein nicht
bedarf oder genesen ist, und stelle dich als
einer, der ein allgemeines Feuer gern dämpfen
helfen wollte. Denn was ist die Pestilenz
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 15
anders als ein Feuer, das nicht Holz und
Stroh, sondern Leib und Leben auffrißt?
Und denke so: Wohlan, der Feind hat uns
durch Gottes Verhängnis Gift und tödliche
Krankheit herein geschickt, so will ich zu
Gott bitten, daß er uns gnädig sei und wehre.
Danach will ich auch räuchern, die Luft
reinigen helfen, Arznei geben und nehmen.
Orte und Personen meiden, da man meiner
nicht bedarf, auf daß ich mich selbst nicht
verwahrlose und dazu durch mich vielleicht
viele andere vergiften und anstecken und
ihnen so durch meine Nachlässigkeit Ursache
des Todes sein möchte.“
Im Grunde streite Luther hier gewissermaßen
gegen „Pestleugner“ und „Impfverweigerer“.
Er vergleicht, nachlässig und hygienische
Unachtsamkeit mit einem Selbstmord:
„Wer die Arzenei nicht braucht, die er wohl
hat…, der verwahrlost seinen Leib selbst, und
sehe zu, dass er nicht vor Gott als Mörder
seiner selbst gefunden werde.“
Auf der anderen Seite setzt sich Luther
mit der „Verzagtheit“ auseinander und
formuliert:
„Wenn man sich so in einer Stadt verhielte,
dass man kühn im Glauben wäre, wo es der
Nächsten Not erfordert, und umgekehrt
vorsichtig, wo es nicht notwendig wäre,
und ein jeglicher dem Gift wehren hülfe,
womit man könnte, so sollte gewiss ein gnädiges
Sterben in solcher Stadt sein.
Aber wenns so zugeht, dass ein Teil allzu
verzagt ist und seinen Nächsten in der Not
flieht, der andere Teil allzu dummkühn und
hilft nicht wehren, sondern mehren, da hat
der Teufel gut machen und muss wohl das
Sterben groß werden.“
Besonders heftig streit Luther gegen
diejenigen, die sich schuldig machen
in dem sie die Pest – absichtlich oder
unbewusst – ausbreiten helfen. Er sieht
sogar eine Form des Aberglaubens in
einem solchen Verhalten:
„Über das hinaus sind etliche noch ärger,
welche, wenn sie die Pestilenz heimlich
haben, unter die Menschen ausgehen und
haben solchen Glauben: wo sie andere
Menschen damit beschmutzen und vergiften
könnten, so würden sie sie los und gesund. Sie
gehen also deshalb auf die Gassen und in die
Häuser, dass sie die Pestilenz andern, oder
ihren Kindern und dem Gesinde an den Hals
hängen und sich damit retten wollen.“
Unsicher ist sich Luther, ob es auch solches
Verhalten gibt vom dem er vom
Hörensagen Kenntnis hat:
„Auch lass ich mir sagen, dass etliche
so verzweifelt boshaftig sind, dass sie
mit der Pestilenz allein deshalb unter
die Menschen oder in die Häuser laufen,
dass es ihnen leid ist, dass die Pestilenz
nicht auch da ist, und wollen sie dahin
bringen, gerade als wäre die Sache ein
solcher Scherz, als wenn man jemand
zum Spaß Läuse in den Pelz oder Fliegen
in die Stube setzte. Ich weiß nicht, ob
ich´s glauben soll.“
In diesen Fällen rät Luther, dass sich
der Richter und der Henker mit solchen
Menschen befassen sollen.
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Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Luthers Fazit:
„Wo aber solche Notwendigkeit nicht
ist und sonst genug vorhanden sind, die
da pflegen und versorgen (es sei durch
ihre eigene Pflicht oder Willen oder auf
der Schwachgläubigen Veranlassung
bestellt), so daß man ihrer zu nichts bedarf,
und wenn es vor allem die Kranken
nicht haben wollen, sondern ablehnen,
da meine ich, es sei frei, zu fliehen oder
zu bleiben. Ist jemand so mutig und
stark im Glauben, der bleibe im Namen
Gottes, er sündigt dadurch gewiss nicht.
Ist aber jemand schwach und furchtsam,
der fliehe im Namen Gottes, weil er
solches ohne Vernachlässigung seiner
Pflicht gegen seinen Nächsten tut.“
Luther beschließt sein Büchlein mit einem
kurzen „Unterricht“ darüber, wie
man sich in Sterbenszeiten verhalten
solle und was den Menschen zu sagen
sei.
„Weil aber dieser Brief durch den Druck
ausgehen soll, daß auch die Unsern
denselben lesen sollen, so sehe ichs für
gut an, einen kurzen Unterricht daneben
zu stellen, wie man sich in solchen
Sterbenszeiten auch der Seelen willen
schicken und verhalten soll. Wie wir
es denn auch mündlich auf der Kanzel
getan (haben) und täglich tun, damit wir
auch unserm Amt genug tun, die wir zu
Seelsorgern berufen sind.“
Damit greift er ein Thema auf, das ihn in
vielfältiger Weise beschäftigt hat. Hier,
in der Schrift „Ob man vor dem Sterben
fliehen möge?“, gibt er drei Ratschläge.
Erstens
gilt es, die Leute zu ermahnen, dass sie
fleißig den Gottesdienst besuchen und
aus Gottes Wort lernen sollen, „wie sie
leben und sterben sollen“. Die Vorbereitung
auf das Sterben ist für Luther eine
Lebensaufgabe. Sie hat vor allem in Zeiten
des „Wohlergehen“ und nicht erst in
der Zeit der Not und Krankheit zu erfolgen
1 . Allerdings sieht die Realität etwas
anders aus:
„Man findet leider so viel unverschämten,
verstockten Pöbel, der weder im
Leben noch im Sterben für seine Seele
sorgt. Sie gehen hin und liegen, sterben
auch dahin wie die Klötze, in denen
weder Sinn noch Gedanken ist.“
Zum Zweiten
sei es nötig, sich auch ganz praktisch
und vor allem rechtzeitig mit dem Sterben
auseinanderzusetzen:
„…dass ein jeglicher sich selbst zeitlich
schicke und zum Sterben bereite mit
Beichten und Sakrament nehmen, alle
acht Tage oder vierzehn Tage einmal,
sich mit seinem Nächsten versöhne und
sein Testament mache, auf dass er, wenn
der Herr anklopft und er übereilt würde,
ehe denn Pfarrherr oder Kaplan dazu
kommen könnten, gleichwohl seine Seele
versorgt und nicht versäumt, sondern
Gott anbefohlen habe.“
1 In einer Tischrede (vgl. Anm.1) Seite 6203, sagt
Luther: „Zwei Dinge sind dem Satan eigen: das
erste, daß er uns sicher macht und daß wir Gott zur
Zeit des Wohlergehens nicht fürchten; das zweite,
daß er uns zur Zeit der Trübsal verzweifeln und vor
Gott fliehen lehrt.“
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 17
Denn gerade in den Zeiten „großen
Sterbens“ kann es gut sein, dass nicht
genügend Priester oder Kapläne da sind
die zu allen Kranken kommen können
„und einem jeglichen überhaupt erst
alle Dinge sagen und ihn lehren können,
was ein Christenmensch in Sterbensnöten
wissen soll.“
Die Menschen dürfen nicht damit rechnen,
dass an ihrem Sterbebett täglich
eine „Kanzel“ oder „Altar“ aufgerichtet
werden würde, „weil sie die allgemeine
Kanzel und den Altar so verachtet haben,
wozu sie Gott (doch) berufen und
gefordert hat.“
Zum Dritten – wiederum sehr praktisch
– rät er den Seelsorger rechtzeitig zu
rufen und die „Kranken beizeiten und
am Anfang anmelden, ehe die Krankheit
überhandnimmt, und (so lange) noch
Sinn und Vernunft da ist. Das sage ich
deshalb: denn es sind etliche so saumselig,
dass sie nicht eher (den Pfarrer)
fordern oder sich ihm anmelden lassen,
bis die Seele auf der Zunge sitzt und
sie nicht mehr reden können und wenig
Vernunft mehr da ist. Da bitten sie
denn: Lieber Herr, sagt ihm das Beste
vor usw. Aber vorher, als die Krankheit
anfing, wünschten sie nicht, dass man
zu ihnen käme; sondern sagten: Ei, es
hat nicht Not, ich hoffe, es soll besser
werden.“
Hier greift Luther seine Kritik am sogenannten
„Sterbesakrament“ der römisch
– katholischen Kirche auf, die er
schon sehr massiv in der 1520 erschienen
Schrift:
„ Von der baylonischen Gefangenschaft
der Kirche dargelegt hatte.2 Der apostolische
Ratschlag zur Krankensalbung3 sei
verfälscht worden zur „Letzten Ölung“
bzw. zum Sterbesakrament. Luther:
„Diesem Brauch, die Kranken zu ölen,
haben unsere Theologen zwei ihrer würdige
Zusätze angefügt: Einen, daß sie das
ein Sakrament nennen, den andern, daß
sie es zu einer »letzten« (Ölung) machen.
So soll es jetzt das »Sakrament der letzten
Ölung« sein, welches niemandem gegeben
werden darf, er liege denn in den
letzten Zügen.“ 4
Schon 1524 hatte Luther die mittelalterliche
Antiphon „Media Vita in morte
sumus“ in dem bekannten Lutherlied
„Mitten wir im Leben sind mit dem Tod
umfangen.“ aufgenommen. 5
Also auch: Mitten im Leben sollst du
Dein Sterben bedanken. Aber dann
wenn es wirklich an Sterben geht, sollst
Du gar nicht mehr daran denken, sondern
sollst es umkehren: Mitten im Sterben
sind wir vom Leben umfangen. 6
2 Martin Luther: Von der babylonischen
Gefangenschaft der Kirche (1520), [WA 6, 497-573]
(vgl. Anm.1), Seiten 1348-1465. Text „Vom
Sakrament der letzten Ölung“: Seite 1444ff.
3 Der Brief des Jakobus 5,13-16: „Ist jemand
unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der
Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben
mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet
des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der
Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden
getan hat, wird ihm vergeben werden.“
4 Ebd., Seite 1444.
5 Evangelisches Gesangbuch Nr. 518
6 Dazu ausführlich: Horst Hirschler: Wie ein Tod
den andern fraß - Luthers Bereitung zum Sterben,
in: Ders.: Luther ist uns weit voraus, Hannover
1996, Seite 173-234.
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Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Der Nachtrag zu den Friedhöfen
Zur damals diskutierten Frage, ob die
Friedhöfe – zur Vermeidung der Ansteckung
– nicht besser außerhalb der
Stadt angelegt werden sollten, betont
Luther, dass er dazu keine eigene Meinung
habe: 7
„Aufs erste lass ich das die Doktoren der
Arznei urteilen und alle, die des besser
erfahren sind, ob es gefährlich sei, dass
man mitten in der Stadt Kirchhöfe hat.
Denn ich weiß und verstehe mich nicht
darauf, ob aus den Gräbern Dunst und
Dampf gehe, der die Luft verrücke. Wo
dem aber so wäre, hat man aus obgesagter
Warnung Ursachen genug, dass
man den Kirchhof außerhalb der Stadt
habe. Denn wie wir gehört haben, sind
wir allesamt schuldig, dem Gift zu wehren,
womit man vermag. Denn Gott hat
uns befohlen, unseren Leib so zu pflegen,
daß wir ihn schonen und erhalten,
wenn er uns nicht eine Not zuschickt.
Andererseits hat uns Gott befohlen, den
Leib auch getrost dran zu wagen und
aufs Spiel zu setzen, wenn es die Not
erfordert. So sollen wir auf beides, seinen
Willen zum Leben und zum Sterben,
vorbereitet sein. Denn „niemand lebt
sich selber, niemand stirbt sich selbst“,
wie St. Paulus Römer 14, 7 sagt.“
(Es folgen noch einige Ausführungen
zum Thema Begräbnis.)
7 Dieser Nachtrag findet sich nicht in Ahland-
Ausgabe (vgl. Anm.1) er wird zitiert nach der
Ausgabe der Internetplattform „Glaubenstimme“:
Https://www.glaubensstimme.de/doku.
php?id=autoren:l:luther:o:ob_man_vor_
dem_sterben_fliehen_moege,
(zuletzt 30.9.2021)
Das Thema der Pest und auch die Frage
der Flucht hat Luther – in persönlicher
Betroffenheit – über viele Jahre
beschäftigt. Das wird an seinen Briefen
deutlich.
So schreibt er schon am 26.10.1516 an
den Erfurter Reformator und Freund Johannes
Lang (um 1487-1548): 8
„Ich werde morgen [die Vorlesung über]
den Brief an die Galater beginnen,
obwohl ich zweifle, die Pest werde die
Fortsetzung des Begonnenen erlauben.
Die Pest bei uns rafft höchstens (doch
noch nicht an jedem Tage) drei oder
zwei hinweg. Aber der Schmied, unser
Nachbar gegenüber, hat heute einen
Sohn begraben, der gestern noch gesund
war; der andere liegt angesteckt darnieder.
Was soll ich sagen? Sie ist da und
beginnt gar rauh und plötzlich, besonders
bei jüngeren Leuten. Und Du rätst
mir, und mit Dir Magister Bartholomäus,
zur Flucht! Wohin soll ich fliehen? Ich
hoffe, daß die Welt nicht zusammenstürzen
wird, wenn Bruder Martin stürzt. Die
Brüder freilich werde ich bei Ausweitung
der Pest in alle Lande zerstreuen. Ich bin
hierher gesetzt; aus Gehorsam steht es
mir nicht frei zu fliehen, bis der Gehorsam,
der da geboten hat, erneut gebietet.
Nicht, daß ich den Tod nicht fürchte
(denn ich bin nicht der Apostel Paulus,
sondern nur jemand, der Vorlesungen
über den Apostel Paulus hält). Aber ich
hoffe, der Herr wird mich aus meiner
Furcht herausreißen.“
Die meisten von Luthers Briefen zum
Thema Pest stammen aus dem Jahr
8 Martin Luther Gesammelte Werke (wie Anm.1)
Seite 7077.
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 19
1527, dem Jahr in dem er auch das
Büchlein „Ob man vor dem Sterben
fliehen möge“ verfasst hat. In diesem
Jahr war Luther verheiratet (Hochzeit im
Juni 1525) und seine Frau Katharina war
schwanger.
Aber noch im Jahr 1539 ist das Thema
für ihn nicht erledigt. Er schrieb unter
dem 26.10.1539 an den Nürnberger Prediger
Wenzelslaus Link (1483-1547) und
berichtet, wie die Pest in das Haus des
aus Nürnberg stammenden Universitätsprofessors
Sebald Münsterer (1495-
1539) eingebrochen war. Münsterer
und seine Frau (eine Schwester von der
Ehefrau Philipp Melanchthons) hatten
zwei erkrankte Nürnberger Studenten
in ihr Hausaufgenommen und sich angesteckt.
Neben diesem Bericht über den konkreten
Fall wird wiederum grundsätzlich: 9
„Aber es gibt noch eine andere, schlimmere
Pest, nämlich die Furcht: sie fliehen
nämlich so einer vor dem anderen,
daß man weder einen Aderlasser noch
einen Diener finden kann. Ich glaube,
der Teufel hat die Leute mit der rechten
Pestilenz besessen, daß sie so schändlich
erschrecken, daß ein Bruder den
andern, der Sohn die Eltern verläßt. Und
dies ist ohne Zweifel der Lohn für die
Verachtung des Evangeliums und das
Wüten der Habsucht. Ich habe die vier
Kinder des Sebald [Münsterer] zu mir
genommen. Lieber Gott, ein wie großes
Geschrei wird gegen mich (deswegen)
erhoben! Bete für uns mit Eurer Kirche.
Gehab Dich wohl in Christus!“
9 ebd., Seite 7515.
„Rechte Esoterik – Wenn sich alternatives
Denken und Extremismus gefährlich
vermischen“
Matthias Pöhlmann, Verlag Herder GmbH 2021,
303 Seiten, 22 Euro
Matthias Pöhlmann beobachtet und
analysiert in seinem Buch die mit Beginn
der Pandemie sich entwickelnde
rechtsextreme Szene. Damit einher
geht auch eine Verbindung der Corona-
Proteste mit dem bürgerlichen Milieu.
In seine Analyse fließen die Ergebnisse
aktueller politischer, wissenschaftlicher
und polizeibehördlicher Studien ebenso
ein, wie die Auswertung esoterischer
und verschwörungstheoretischer Publikationen
und deren Auswirkung in die
sozialen Bereiche. Es wird deutlich, dass
Verschwörungsmythen oft in Krisenund
Übergangszeiten an Bedeutung
gewinnen. Menschen, die sich schön
20
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
länger mit Esoterik und deren Praktiken
beschäftig haben, sind demnach eher
geneigt, beide Bereiche zu verbinden.
Dieser Aspekt macht deutlich, warum
auch Christ*innen gegen diese Einflüsse
nicht gefeit sind. In einigen Regionen
Deutschlands unterhalten Gruppen mit
esoterischen und rechtsextremen Gedankengut
eigene Kirchen und Bauernhöfe.
Das Buch bietet für genau diesen Bereich
eine breite und differenzierte
Übersicht zu rechtsesoterischen Strömungen
und Vernetzungen von Querdenkern
und Esoterikern in der Coronakrise.
Ebenso werden das Verlagswesen
und die Verbreitungswege o.g. Strukturen
dargestellt. Ausführliche Informationen
gibt es zu den Reichsbürgern, der
QAnon- und der Anastasia-Bewegung.
Der Autor legt am Ende des Buches eine
Einschätzung der Situation aus christlicher
Sicht vor. Die Werte des christlichen
Glaubens, wie z.B. gegenseitige
Rücksichtnahme in unserer Gesellschaft,
das Kreuz Christi als ein Zeichen der
Versöhnung und Botschaft gegen Hass
und Gewalt, werden herausgearbeitet.
Die Würde des Menschen ist zu respektieren.
Wichtig bleibt bei ihm, in allem
Wissen um den Menschen, dessen Ambivalenz:
„seine Gottesebenbildlichkeit,
aber auch seine gottfernen Abgründe“.
Für die Kirchen besteht die Aufgabe, der
schleichenden Entsolidarisierung der
Gesellschaft entgegenzuwirken. „Der
christliche Glaube betont die Haltung
eines gläubigen Realismus, der im Vertrauen
auf einen liebevoll zugewandten,
barmherzigen Gott gründet.“ Adressen
für weitere Informationen und Beratungsmöglichkeiten
schließen das Buch
ab.
Anwendung in der Praxis:
Ein wichtiges Fachbuch und Nachschlagewerk
für die pfarramtliche Hausbibliothek
in Zeiten von Corona und Verschwörungsmythen.
Dr. Matthias Pöhlmann ist u.a. Landeskirchlicher
Beauftragter für Sekten- und
Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Bayern.
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 21
Neues aus der Arbeit der Leipz. Forschungsstelle
„Kirchliche Praxis i. d. DDR.
Kirche sein in Diktatur und Minderheit“
von Landesbischöfin a. D.
Ilse Junkermann
Auch das Jahr 2021 war für die Forschungsstelle
von der Pandemie geprägt.
Wie gut, dass wir manches digital
beraten konnten.
Der erste Höhepunkt war das Schlussplenum
des digital gestreckten Studientags
zur Themen- und Terminplanung
für die weitere Arbeit der Forschungsstelle
(vgl. den Bericht im letzten Heft).
Insgesamt über 50 Personen hatten in
sieben Arbeitsgruppen über die künftigen
Expert:innen-Tagungen beraten.
Im Schlussplenum präsentierten sie ihre
Ergebnisse: Welches sollen jeweils die
Themenschwerpunkte sein? Mit welchen
praktisch-theologischen Leitfragen
im Horizont heutiger Fragen soll auf
diese Themen geblickt werden? Welche
Referent:innen und Teilnehmer:innen
sollen eingeladen werden?
Mit diesen Ergebnissen können nun
die weiteren Expert*innen-Tagungen
geplant werden. Dort sollen wesentliche
Grundlagen für Forschungsanträge
erarbeitet werden. Für 2022 fest
vorgesehen sind folgende Tagungen:
Im Februar die bereits dreimal verschobene
Tagung zum Thema Kirchenmusik
– Musik in der Kirche; im März ein
Studientag in Bethel in Kooperation
mit der dortigen Fachhochschule der
Diakonie zum Thema: „Diakonie und
Caritas in Ostdeutschland vor und nach
1990. Potentiale für Ost und West – Was
ist anders (geblieben), was soll anders
werden?“ (vgl. https://www.fh-diakonie.
de/.cms/725). Im September wird es in
Leipzig eine Tagung zum Themenbereich
Predigtforschung / Gottesdienstformen
/ Gottesdienst und Öffentlichkeit
geben und im November eine
Tagung in Kooperation mit der Ev. Akademie
Thüringen zum Thema „Kirche
und Gruppen“. Die weiteren Planungen
gehen von einer Verlängerung der Arbeit
der Forschungsstelle aufgrund der
Pandemie um ein Jahr bis August 2024
aus. Dies soll möglichst finanzneutral
erfolgen. Danach würden im Jahr
2023 Tagungen zu den Themen „Ekklesiologie
und Kirchentheorie“ (ggf. incl.
der Rezeption ökumenischer Impulse),
„Frauen- und Männerbilder (und -arbeit)
in Kirche und Gesellschaft“ sowie
ein Studientag zum christlich-jüdischen
Gespräch in der DDR“ stattfinden. Und
schließlich könnte im Frühjahr 2024 die
Tagung zum Bildungsverständnis und
im Sommer dann die Abschlusstagung
erfolgen.
Der zweite Höhepunkt in 2021 war die
Seelsorgetagung. Unter dem Thema
„Die Rezeption pastoralpsychologischer
Seelsorge und Seelsorgeausbildung
in den Kirchen der DDR“ fand sie vom
15. – 16.10.21 mit insgesamt 32 Personen
statt. Prof. em. Dr. Jürgen Ziemer
(Leipzig) machte unter dem Titel „Die
22
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
‚Transformation‘ des pastoralpsychologischen
Ausbildungsmodells für die
Seelsorge-Arbeit in der DDR. Einführende
Aspekte für ein geplantes Forschungsprojekt“
vier Aspekte einer
West-Ost-Transformation aus: Initiative
und Organisation der Ausbildung durch
Kirchenleitung / geistliche und theologische
Prägung der Kurse / weniger Differenzierung,
stärkeres Zusammenwirken
der pastoralpsychologischen Schulen
/ Gemeindebezug der Seelsorge.
Er schloss mit einem starken Plädoyer
für die Seelsorge heute: „ Mit der ‚Seelsorgebewegung‘
hat es angefangen. Sie
hat dazu geführt, dass wir viel gelernt
haben im Westen wie im Osten. Vielleicht
müssen wir jetzt wieder zu den
Anfängen zurück. „Bewegung“ würde
ich dann im doppelten Sinn verstehen:
Immer wieder neu eine Bereitschaft zum
Lernen im persönlichen und professionellen
Sinn, und so gestärkt: Seelsorge
als Aufbruch zu den Menschen inmitten
und am Rande unserer Gemeinden, heraus
aus der Talsohle, in der wir uns als
Kirche gegenwärtig befinden.“
Nach einer Response von Pfr. i. R. Günther
Eisele (Tübingen, einer der damaligen
Trainer aus dem Westen) mit einem
„Blick auf diesen Transformationsprozess
aus Westperspektive“ wurde in Arbeitsgruppen
das weite Panorama von
zehn Arbeitsfeldern pastoralpsychologischer
Seelsorge- und Seelsorgeausbildung
in der DDR in Kurzporträts und
Gespräch skizziert. Die weitere Gruppenarbeit
diskutierte die Forschungshypothese
am Beispiel der Profile pastoralpsychologischer
Ausbildung in den
Kirchen der DDR. Zum Abschluss dieses
ersten Tages stellte Pfarrer Michael
Böhme (Leipzig) seine umfassende Bibliographie
aller Titel zum Thema Seelsorge
vor, die in der DDR veröffentlicht
wurden – eine hervorragende Grundlage
für weitere Forschungsarbeiten!
Schon dieser erste Tag zeigte, dass das
Format der Tagung ‚Blick in die Geschichte
auf Potentiale gegenwärtiger
Herausforderungen hin‘ großen Sinn
macht.
Diesen methodischen Ansatz einer „historisch
informierten Praktischen Theologie“
(Wolfgang Ratzmann bei der Auftakttagung)
bekräftigte Prof. Dr. Maike
Schult (Marburg) – nach einer Morgenandacht
von Prof. Dr. Alexander Deeg
– in ihrem Vortrag am Samstagvormittag.
Eine Praktische Theologie, die praktisch-theologische
Zeitgenossenschaft
entwickeln und reflektieren will, könne
dies nicht ohne zeitgeschichtlichen Horizont.
Doch gerade dieser fehle in allen
aktuellen praktisch-theologischen Entwürfen.
Dabei konfrontiere die ‚Kooperation
mit Zeitgeschichte … die Arbeit
der Theologie mit den Schrecken des
20. Jahrhunderts‘, was zum ‚Ende theologischer
Harmlosigkeit‘ führe. So unterstrich
sie den methodischen Ansatz
der Forschungsstelle als einen längst
überfälligen. Im zweiten Abschnitt ihres
Vortrags „Praktisch-theologische
Leitfragen der (Seelsorge und) Seelsorgeausbildung
im 21. Jh.“ skizzierte sie
Seelsorgekompetenz als einen Prozess
lebenslangen Lernens der Person im
Kontext des jeweiligen Ortes und der
jeweiligen Zeit, der als sehr anspruchs-
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 23
volle und komplexe Tätigkeit hohe Professionalität
erfordert. Seelsorge müsse
„Fremdkörper“ im jeweiligen Getriebe
sein, ein Sich-dem-Andern-Nähern in
Absichtslosigkeit, in einer Gesellschaft
voller Absichten Lebenshilfe zweckfrei
anbieten.
Die anschließenden Gespräche in kleinen
Gruppen reflektierten alle Beiträge
der Tagung und trugen Potentiale für
die Kirche der Zukunft aus den DDR-Erfahrungen
mit pastoralpsychologischer
Seelsorge und Seelsorgeausbildung zusammen.
Damit sind gute Grundlagen
für weitere Forschungen gelegt, zwei
junge Forscher konnten an der Tagung
teil- und wichtige Aspekte für ihre Forschungen
mitnehmen.
Ein großer Dank gilt den Mitgliedern der
Vorbereitungsgruppe, Pfarrer Werner
Biskupski, Pfarrer Michael Böhme, Prof.
Dr. Alexander Deeg und Prof. em. Dr.
Ziemer! Sie haben ein entscheidendes
Fundament für die weitere Tagungsarbeit
der Forschungsstelle gelegt.
Die Tagung soll dokumentiert werden,
Näheres dann im nächsten Bericht.
Außer dieser Tagungsarbeit arbeitet die
Forschungsstelle weiter an der Bibliografie
und ihrer Rubrizierung, an einem
digitalen Format für ein Who’s Who
der Kirchen in der DDR (in Kooperation
mit den kirchlichen Zeitgeschichtlern
in Leipzig, Halle und Jena) sowie
mit in einem interdisziplinären Seminar
an der Theologischen Fakultät zu „Oral
history“. Außerdem wird eine Reihe mit
theologischen Texten aus der DDR als
kommentierte Quellensammlung vorbereitet.
Sehr förderlich für die Arbeit ist, dass
nach dem Umzug der gesamten Fakultät
in ein gemeinsames Haus in der
Beethovenstr. 25 die Forschungsstelle
nun ihren Raum auf der Etage der
Praktischen Theologie hat, so kann ihre
Arbeit über die nunmehr kurzen Wege
noch stärker dort eingebunden werden.
Arbeit in Gruppen – Prof. Dr. Peter Zimmerling,
stud.-theol. Kevin Silzebach, Dr.
Hanna Kasparick (v.li. n. re.)
Aussprache zu Vortrag und Respons –
Michael Böhme, Jürgen Ziemer, Günther
Eisele (v.li. n. re.)
24
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Das Thüringer Pfarrerbuch.
Ergänzungen und Berichtigungen:
Jetzt alle Dateien online.
Im Nachgang zu dem 2021 gedruckten
Artikel wird mitgeteilt, daß im März
2022 die letzte der sieben Ergänzungsdateien
zum Thüringer Pfarrerbuch online
gestellt wurde. Damit sind jetzt die
folgenden Dateien zugänglich:
Thüringer Pfarrerbuch Bd. 1: Herzogtum
Gotha: Ergänzungen und Berichtigungen,
Stand 2.6.2021
Thüringer Pfarrerbuch Bd. 2: Fürstentum
Schwarzburg-Sondershausen:
Ergänzungen und Berichtigungen,
Stand 21.4.2020
Thüringer Pfarrerbuch Bd. 3: Großherzogtum
Sachsen (Weimar-Eisenach)
- Landesteil Eisenach: Ergänzungen
und Berichtigungen, Stand
7.12.2021
Thüringer Pfarrerbuch Bd. 4: Die reußischen
Herrschaften: Ergänzungen
und Berichtigungen, Stand 22.6.2020
Thüringer Pfarrerbuch Bd. 5. Fürstentum
Schwarzburg-Rudolstadt:
Ergänzungen und Berichtigungen,
Stand: 3.4.2020
Thüringer Pfarrerbuch Bd. 6: Das
Herzogtum Sachsen-Altenburg: Ergänzungen
und Berichtigungen,
Stand: 28.10.2020
Thüringer Pfarrerbuch Bd. 7: Sachsen-Meiningen:
Ergänzungen und
Berichtigungen, Stand: 2.3.2022
Die Dateien sind zu finden auf der Internetseite
des Landeskirchenarchivs
Eisenach unter Bestände & Recherche
und dort unter Thüringer Pfarrerbuch,
(http://www.landeskirchenarchiveisenach.de/bestaende-und-recherche/Th%C3%BCringer_Pfarrerbuch/).
Für die künftige Einsendung von Ergänzungen
und Berichtigungen an das
Landeskirchenarchiv in Eisenach wird
jeweils um eine möglichst exakte Quellenangabe
gebeten, damit die Angaben
nachgeprüft und gewertet werden können.
Vorrang haben Primärquellen. Sekundärquellen
können zur Auffindung
von Primärquellen helfen und bis dahin
als deren Platzhalter verwendet werden.
Mitteilungen ohne Quellenangaben
sind wenig hilfreich. Zufallsfunde bei
fortlaufender Lektüre der Kirchenbücher
und von Akten bringen manche
Überraschungen ans Tageslicht. Die Gesellschaft
für Thüringische Kirchengeschichte
als Herausgeberin dankt allen
Mitarbeitern am Pfarrerbuch besonders,
die sich solcher Arbeit mit Akribie
hingeben.
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 25
Zum Gedenken an Pfarrer Ernst Otto
(dem späteren ersten Landesbischof der
Evang. Kirche in Thüringen) ordiniert.
Am 17. Februar 1941 verstarb im evangelischen
Heim „Hohe Grete“ bei Au im
Siegerland Pfarrer Ernst Otto. Anlässlich
seines 80. Todestages gedenken wir
an ihn und sein Wirken in der Zeit der
nationalsozialistischen Diktatur, der er
sich von Anfang an widersetzte. Geboren
wurde Ernst Otto am 12. September
1891 in Schmölln, in der Agnesstraße 3
(jetzige Clara-Zetkin-Straße). Seine Eltern
waren der Bäckermeister Emil Otto
und seine Frau Pauline. Er hatte vier
Geschwister, wuchs in Schmölln auf, besuchte
die hiesige Volksschule, danach
das Gymnasium in Altenburg. Nach erfolgreichem
Abitur 1911 studierte Ernst
Otto in Greifswald und Leipzig Theologie.
Von 1915 - 1917 war er im 1. Weltkrieg
Soldat an der russischen Front,
geriet im September 1917111 französische
Kriegsgefangenschaft. Aus der
Gefangenschaft zurückgekehrt wurde
er am 22. April 1920 in Altenburg durch
Generalsuperintendent D. Reichardt
Am 2. Juni heiratete er Martha Trebing.
Zum 28. Juli wurde er Pfarrer an der
Brüderkirche in Altenburg und wirkte
auch im Magdalenenstift als Pfarrer
und Lehrer. 1921 wurde die Tochter
Ursula geboren und 1924 Tochter Elisabeth.
Im Juni 1927iwurde er in den
„Volksdienst“ nach Eisenach berufen
und übernahm 1929 die Schriftleitung
unserer Kirchenzeitung „Glaube und
Heimat“. Er veröffentlichte ein Predigtsowie
ein Andachtsbuch und verschiedene
Broschüren. 1932 wurde Ernst
Otto Stadtpfarrer in Eisenach. - Im Januar
1933 wurde Ernst Otto Mitglied im
Landeskirchentag (Landessynode). Als
die Gleichschaltung der Kirchen durch
die Nazis erfolgte und die Rassengesetze
auch auf die Kirche angewendet
werden sollten, trat Pfarrer Ernst Otto
sofort dem „Pfarrernotbund“ bei, der
von Pfarrer Marin Niemöller gegründet
werden war. Die Thüringer Landeskirche
geriet mehr und mehr in die Hände der
„Deutschen Christen“, die den Nationalsozialisten
zujubelten.
Ernst Otto durfte nicht mehr in „Glaube
und Heimat“ veröffentlichen. Am 29.
Mai 1934 kam die Bekenntnis-Synode in
Barmen zusammen. Pfarrer Ernst Otto
war mit dabei. Die „Barmer Erklärung“
wurde beschlossen (nachzulesen in unserem
Gesangbuch, ab Seite 1577). Am
25. Juni erfolgte für Thüringen in Weimar
die Gründung der „Lutherischen
Bekenntnisgemeinschaft“. Pfarrer Ernst
Otto gehörte dem Landesbruderrat an,
26
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
der die geistliche Leitung des Landeskirchenrats
in Thüringen nicht mehr anerkannte.
1936 ordinierte Pfarrer Ernst
Otto fünf Vikare, deren Anstellung der
Landeskirchenrat aus politischen Gründen
verweigerte. Otto erhielt eine Ordnungsstrafe.
Am 1. November 1938 wurde
Pfarrer Ernst Otto in den Wartestand
versetzt, was ihn vor Verhaftung und KZ
bewahrte. In Thüringen durfte er nicht
mehr als Pfarrer tätig sein. So zog Otto
1939 mit seiner Familie nach Marburg,
dann nach Au an der Sieg. Hier übernahm
er die Seelsorge im christlichen
Erholungsheim „Hohe Grete“ und betreute
noch sieben Nachbargemeinden,
die kriegsbedingt keinen Pfarrer hatten.
1941 erlitt Otto einen Herzanfall und
verstarb am 17. Februar 1941.
Pfarrer Ernst Otto wurde in die Reihe
der Landesbischöfe der Evangelisch-
Lutherischen Kirche in Thüringen aufgenommen,
als Notbischof in der NS
Zeit. Sein Einstehen für die Würde des
Menschen war für Pfarrer Ernst Otto
Richtschnur und dem Evangelium gemäß
(siehe Artikel 1 unseres Grundgesetzes).
So gehorchte er nicht den
weltlichen Machthabern, sondern den
Worten Jesu Christi. Nachhaltig und für
ihn gefahrvoll stellte er sich gegen das
Nazi-Regime und einer Kirche, die sich
in die Naziideologie verstrickt hatte. Für
sein Denken, Reden und Handeln galt
der Satz aus der Apostelgeschichte 5,
29: „Man muss Gott mehr gehorchen
als den Menschen.“
Die Erinnerung an Personen der ehemaligen
Evangelisch-Lutherischen Kirche
in Thüringen ist wichtig, weil damit
einer um sich greifenden Geschichtsvergessenheit
gewehrt wird. Wir ehren
mit Pfarrer Ernst Otto ein Kind unserer
Stadt und der Kirchengemeinde
Schmölln. Anlässlich des 130. Geburtstages
von Pfarrer Ernst Otto, wird es
am Sonntag, d. 12. September 2021
eine Ehrung der Kirchengemeinde und
der Stadt Schmölln geben. Der Stadtrat
Schmölln hatte am 24. Oktober 2019
folgender Würdigung einstimmig zugestimmt:
Benennung der Gasse Markt
zum Kirchplatz in Ernst-0tto-Gasse und
eine Info-Tafel vor dem ehemaligen
Wohnhaus (Clara-Zetkin-Str. 3). Die Kirchengemeinde
wird mit einer Stifterfigur
an der Südfassade unserer Stadtkirche
(Gößnitzer Straße) Pfarrer Ernst
Otto würdigen.
Werner Blum, Superintendent i.R.,
Schmölln
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 27
Pastorale Existenz in säkularen Zeiten
Vortrag von Fulbert Steffensky auf der
Regionalkonferenz der Pfarrerinnen und Pfarrer
in Hannover 2016
Wir sind Kirche im Exil. Wir können uns
den Ort, die Zeit und die Gesellschaft
nicht aussuchen, in denen unsere Kirche
lebt und versucht, die alte Nachricht von
der Gnade Gottes und dem Recht der
Armen zu verbreiten. Ort und Zeit unserer
Kirche: eine säkulare Welt, die wir
sind und in der wir leben. Wir sind Kirche
im Exil, die konstantinische Zeit ist
vorbei. Wir sind in Babel und wir leben
in Babel. Der Prophet Jeremia schreibt
eine Art Dienstanweisung für die in Babel
exilierten Juden. Er schreibt: „Baut
Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten
und esst ihre Früchte! Nehmt euch
Frauen und zeugt Söhne und Töchter!“
Seine Anweisung: Werdet hiesige! Einen
anderen Ort als Babel habt ihr nicht und
habt ihr nicht zu erwarten. Zwar gibt es
Lügenpropheten unter euch, die behaupten,
Babel sei eine kurze Episode,
und bald sei man wieder im alten angestammten
Land. Jeremia zerstört diese
Illusion. 70 Jahre soll der Aufenthalt
in der Fremde dauern, ein Leben lang.
So lange soll das Volk heimisch in der
Fremde sein, Häuser bauen und Gärten
pflanzen.
Was braucht das Volk in der neuen
Welt Babylons, damit es nicht völlig ein
fremd und unbeheimatet bleibt? Was
ist nötigt, dass sie dort ihr eigenes und
der Stadt Bestes suchen können? Zunächst
eine gewisse Treuelosigkeit der
alten Welt gegenüber. Sie werden nie
Boden unter die Füße bekommen, wenn
sie ständig der alten Welt nachweinen.
„Ich vergesse, was hinter mir liegt, und
strecke mich aus nach dem was vor mir
ist.“ (Philipper 3, 13} Die alte und uns so
wohl gesonnene Welt hat kein Recht,
das Diktat unserer Erinnerung zu sein.
Sie hat kein Recht, sich als einzigartig
aufzuspielen. Die verklärte Erinnerung
an die alte Welt könnte sich als Feind
der neuen erweisen. Eine Weise, gänzlich
unbeheimatet im Neuen zu bleiben,
ist der Vergleich der beiden Welten, der
alten und der neuen. Vergleiche sind
immer bösartig und zerstörerisch, nicht
nur in diesem Fall.
Was brauchen wir als Tugend im Exil?
Zunächst die Kraft, die Illusion aufzugeben,
es sei früher in der konstantinischen
Zeit in der Kirche und für die
Kirche alles besser gewesen. Aber war
unsere abendländische Gesellschaft je
so christlich, wie wir vermuten? War es
wirklich unser Jerusalem, wie wir rückschauend
vermuten, oder war es auch
immer schon Babylon? Liegt ein Teil
unserer Depression nicht in der falschen
Annahme, es hätte einmal eine
Zeit gegeben, in der der Geist Christi
eine selbstverständliche Stätte in unserer
Gesellschaft gehabt hätte, heute
aber sei jener Geist verjagt und aufgegeben.
Ja, religiös war diese alte Welt.
28
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Man sieht es an ihren großen Kirchen,
die man gebaut hat. Aber war sie damit
schon christlich?
Vielleicht ertragen wir die Mühen des
Weges, der vor uns liegt, leichter, wenn
wir wahrnehmen, dass die alten Häuser
den Geist Christi viel weniger geborgen
haben, als wir annehmen. Was hat
die stählerne Pracht des Petersdoms in
Rom und die berühmte Kaufmannskirche
in Hamburg mit dem Geist Christi
zu tun? Was hat das sogenannte christliche
Abendland mit der merkwürdigen
Mischung aus Geist und Verrat, aus
Frömmigkeit und Machtgelüsten mit
dem armen Mann Gottes aus Nazareth
zu tun? Nein, jenes Abendland war weniger
christlich, als wir ihm unterstellen.
Ich war einmal im Petersdom in Rom,
neben mir ein englisches Ehepaar, das
sich nicht an der stählernen Schönheit
des Raumes erfreute. Die Frau sagte zu
ihrem Mann: Diese Kirche hätte nie gebaut
werden dürfen! Darum ist es ein
Glück und der Anfang einer neuen Freiheit,
dass wir nie mehr Kirchen bauen
können, wie wir sie gebaut haben; dass
wir von den Mächtigen des Landes nie
mehr hochgeachtet werden, wie wir
geachtet wurden, und dass die Kirchen
ihre alte Selbstverständlichkeit verloren
haben. Die Kirche ist kleiner geworden,
und die Kirche ist schöner geworden. Jeder
Auszug bedeutet Schmerz und Verlust,
besonders wenn man noch nicht
weiß, wohin man kommt. Aber es gibt
Verluste, die einen reicher machen, und
es gibt Schmerzen, die Geburtsschmerzen
sind. Je mehr Menschen überzeugt
sind von jener anderen Stadt, „deren
Baumeister Gott ist“ (Hbr. 2), und je faszinierter
sie von ihrer Vision sind, umso
ungerührter werden sie die Totenstädte
verlassen. „Gott hat etwas Besseres für
uns vorgesehen.” heißt es im Hebräerbrief.
Also können wir auf die eigene
Mutlosigkeit spotten. Dies brauchen wir
als Kirche im Exil: Wir müssen aufhören
unserer eigenen Vergangenheit , nachzuweinen.
Wir waren noch nie, die wir
sein sollten. Zu unserer Freiheit gehört
die Freiheit von Illusionen und die Kraft,
die Realität zu bejahen, in der wir leben.
Das heißt: Ja sagen zum Exil, wohl mit
Trauer, aber ohne Ressentiment. Wir
müssen hiesige werden, denn auch dies
ist eine von Gott geschenkte Zeit. Ich
will uns die Trauer darüber nicht ausreden,
dass wir kleiner werden und dass
Menschen in Scharen die Kirchen verlassen.
Ich will nur nicht, dass wir in dieser
Trauer erstarren. Wir sind nicht die
Herren der Zeit, in der wir leben. Gott ist
der Herr der Zeit.
Wir leben als Christen nicht nur in Babylon,
unsere Seelen haben Teil an Babylon.
Ich möchte im nächsten Teil nach
unserem Glauben und unserem Unglauben
fragen. Wir sind endliche Wesen,
endlich auch in unserer Fähigkeit zu
glauben. Ich frage zunächst nach dem
Kontext unserer Glaubensversuche. Sie
sind ja nicht unabhängig von den Zeiten,
in denen wir leben. Und von den
Menschen, mit denen wir leben.
Wir sind in unserer Welt atheismusfähig
geworden. Das waren die Menschen
in der Welt meiner Kindheit nicht. Sie
waren alle religiös. Religion hatte eine
unbefragte Praxis, z.B. im erwarteten
Gottesdienstbesuch. Religion verliert
ihre Selbstverständlichkeit, wo es keine
religiöse Praxis gibt. Unsere Religion
war einmalig. Am Ort meiner Kindheit
gab es eine einzige protestantische
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 29
Familie. Neben uns lebten keine Buddhisten,
Muslime oder gar Atheisten.
Heute ist Religion eine von mehreren
Optionen. Atheismus z.B. war als Option
in der Welt meiner Kindheit nicht
vorgegeben. Religion war öffentlich. Die
Welten waren religiös. Die Menschen
waren in traditionalen Zeiten wohl nicht
religiöser, als sie es heute sind. Aber die
Welten waren religiös. Menschen waren
von Religion umgeben, ob sie es wollten
oder nicht. Die Zeiten waren religiös
pointiert. Es gab die für alle verbindliche
Adventszeit, in der man nicht tanzen
ging und in der man nicht heiraten
sollte. Es gab die Fastenzeit, die sich mit
ihrer größeren Kargheit von anderen
Zeiten unterschied. Die Häuser hatten
oft religiöse Signaturen. Man hat das
Datum der Erbauung eingemeißelt und
den Psalmspruch: „Wenn der Herr das
Haus nicht erbaut, bauen die Bauleute
vergebens.“ Religion war nicht nur im
Herzen verankert, sie lag auch draußen
– in den heiligen Zeiten, Personen,
Orten und Bräuchen. Diese christlichen
Formenwelten sind verblasst, sie sind
nicht mehr Mode. In einer Welt, in der
alle religiös sind; in der es eine selbstverständliche
religiöse Praxis gibt; in
der man nur einen religiösen Entwurf
kennt und der Religion öffentlich ist, ist
es schwer, „gottlos“ zu sein. Es war eine
naive Religion, weil „alle Überzeugungen
in einem Kontext oder Rahmen des
Selbstverständlichen bleiben“. (Charles
Taylor: Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt
2009, S. 13) Man lebte unter dem
Dach „abgeschlossener Weltstrukturen“
(Taylor), geknechtet von ihnen und getröstet
von ihnen. In unserer heutigen
Situation kann der Glaube reiner und
verantworteter werden, aber auch der
große Zweifel ist möglich, zumindest
die Glaubensunsicherheit, auch für uns
Pfarrer und Pfarrerinnen.
Eine mühselige, aber menschenwürdige
Arbeit ist, dass wir die Inhalte unseres
Glaubens neu komponieren müssen.
In keiner Zeit vorher musste man es in
dieser Radikalität tun, außer vielleicht in
der Reformationszeit. Denken Sie an die
theologischen Diskussionen der letzten
Jahre! Der Streit um die Bibel, das Alte
Testament, die Christologie, um Kreuz
und Erlösung. Das Glaubensgut war
noch nie ein abgeschlossenes Paket,
unverändert von Generation zu Generation
zu überliefern. Wir sind gezwungen
und uns ist erlaubt, und uns neu darüber
zu verständigen, was gilt und was
nicht gilt. Ich habe oft in Pastoralkollegs
gearbeitet und hatte gelegentlich den
Eindruck, es gibt so viele Glaubensweisen;
so viele Protestantismen, wie es
Personen im Raum gibt. Das beklage
ich nicht. Wo der Glaube lebendig ist,
da verändert er sich. Da wird interpretiert.
Wir „müssen die Distanz akzeptieren,
die uns von toten Schriftstellern
oder Sprechern erst recht von einem
vergangenen Wort trennt.“ (M. De Certeau:
Glaubensschwachheit, S. 238). Den
Glauben haben wir an keiner Stelle anders
als immer schon interpretierten
Glauben, auch in der Bibel nicht. Protestanten
verstehen etwas vom Bilderverbot,
vom Geheimnis und der Ungreifbarkeit
Gottes. Ein Schimmer von ihm
ist in den Überlieferungen unserer Väter
und Mütter, in der Bibel zu begreifen,
aber nicht zu greifen. Nirgends gibt es
das Wort Gottes pur. Seine Interpretationen
im Lauf der Geschichte sind uns
fremd und sie sind uns nah. Nirgends
30
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
aber sind wir vom Schmerz und der
Freiheit entbunden, den Glauben vom
fremden Ufer an unser eigenes zu bringen.
So muss jede Zeit neu lernen, den
Namen Gottes neu zu entziffern und zu
entziffern, wer Christus ist. Unsere Zeit
muss es auf dramatische Weise. Neue
Last und neue Schönheit!
Neu müssen wir nicht nur unsere Glaubensinhalte
komponieren. Wir lernen
auch neu, wie wir unsere Gottesdienste
zu gestalten haben. Auch da viele Abschiede,
viele Versuche, viele Irrtümer
und Experimente; viel Streit und viele
Auseinandersetzung. Auch da neue Last
und neue Schönheit.
Wer sind wir als Pfarrer und Pfarrerinnen
in einer säkularen Welt? Wir sind
Menschen, die Größeres sagen, als ihr
Herz verantworten kann. Wer das Evangelium
verkündet, vertritt nicht nur sich
selbst und die Reichweite seines eigenen
Glaubens und Verstehens. Er vertritt
eine Sache, die älter ist als er selbst
und die grösser ist als das eigene Herz.
Wenn wir predigen, lehren, taufen, den
Segen im Gottesdienst sprechen, gehen
wir immer in Schuhen, die uns zu
groß sind. Wenn ich nur einen Gottesdienst
besuche und weiter keine Funktion
habe, habe ich es mit dem Glauben
relativ leicht. Ich bette mich in die großen
alten Versprechen der Psalmen, der
Lieder und des Evangeliums. Es singen,
beten und hören so viele mit mir; es haben
die Psalmen vor mir so viele meiner
Toten gesungen und gebetet. Die Stimmen
der Lebenden und der Toten sind
Zeugen der Wahrheit der alten Versprechen.
Man muss nicht so fürchterlich
authentisch sein, wenn man glaubt. Die
Kirche ist auch eine Glaubensverleihanstalt,
man schmuggelt sich dort in den
Glauben der lebenden und toten Geschwister
ein.
Viel schwieriger finde ich es, auf der
Kanzel zu stehen und den Glauben zu
predigen. Die Predigenden sind kleine
Leute, die in zu großen Schuhen gehen.
Sie haben ihren kleinen Glauben und
gelegentlich auch ihre großen Zweifel
und sollen von der Ganzheit des Lebens
erzählen. Die Gefahr dieses Berufes ist,
dass man gar nicht mehr merkt, dass
man nicht glaubt oder dass der eigene
Glaube karg ist. Das dauernde Reden
der hehren Worte hat diese geläufig
gemacht. Es könnte eine Redewelt entstehen,
in der die Worte ihre Gültigkeit
haben, weil sie dauernd gesprochen
werden, weniger darin, dass sie geglaubt
werden. Es besteht die Gefahr,
dass man eher an die Worte glaubt als
an Gott. Auch das ist ja eine Form des
Unglaubens. Die Wirklichkeit hat es gelegentlich
schwer, erkennbar zu werden
unter dem Horizont der immer schon
beredeten Welt und der verbrauchten
Geheimnisse. Ich gestehe: Je älter ich
werde und je mehr ich rede, umso mehr
erschrecke ich vor dem was ich sagen
muss. Eine gute theologische Sprache
ist eine schwere Sprache, die uns nicht
leicht von den Lippen geht.
Wer sind wir als Lehrer und Lehrerinnen
in unserem Verhältnis zu unseren
eigenen Texten? Wir sind Boten einer
fremden Nachricht. Das Bild verstehe
ich zunächst als eine Entlastung: wir
sind Boten. Wir sind nicht die Garanten
der Kraft und der Schönheit dieser Texte.
Ich bin ein Mensch, der eine schö-
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 31
ne Feder auf seine Handfläche legt und
sie in die Luft bläst. Ich bin weder für
die Schönheit der Feder verantwortlich
noch für den Blick, mit dem andere sie
sehen. Man kann lehren, wenn man diese
Leichtigkeit gelernt hat: ich bin nicht
der Macher. Die Schönheit der Feder
ist nicht mein Werk. Wir sind nicht die
Nachricht. Sie ist natürlich nicht völlig
von uns getrennt. Aber ich brauche meinen
Glauben nicht zum Maßstab dessen
zu machen, was ich sage. Wir sind
Menschen in schweren und schönen
Berufen. Vielen von uns fällt der Glaube
schwer, vielen fällt das Beten schwer.
Viele beten nur noch, wenn sie mit ihrer
Gemeinde zusammen im Gottesdienst
beten. Zum Glück: Ich verantworte die
Nachricht von der List der Gnade, von
der Auferstehung der Toten, vom Sieg
des Rechts nicht. Wenn man die alte
Botschaft sagt, nimmt man den Mund
immer zu voll, nicht erst heute. Die
Wahrheit der alten Geschichten und der
Hunger der Menschen nach ihnen lässt
uns Sätze sprechen, die größer sind als
unser Herz. Der Hunger der Menschen
baut am Glauben der Predigenden und
der Lehrenden. Dies ist nur für den
falsch, der in allen Stücken Meister seiner
selbst zu sein, gezwungen ist. Die
Authentizität der Lehrerenden besteht
nicht darin, mit seiner eigenen Kargheit
identisch zu sein. Manchmal besteht sie
weniger aus unserem Glauben als aus
unserer Sehnsucht danach, dass wahr
sei, was diese Nachricht verspricht: die
Bergung allen Lebens. Es ist nicht genug
für unsere Arbeit, daß wir nur aus
uns selber bestehen, aus unseren Überzeugungen,
aus unseren Sagbarkeiten
und aus den eigenen Reichweiten. Und
wenn unsere Hoffnung gering ist, so
spielen wir die Hoffenden, indem wir
unserer Gemeinde, den Kindern in der
Schule oder im Konfirmandenunterricht
die Geschichten der Hoffnung erzählen.
Was ist falsch daran? Die Größe unseres
eigenen Glaubens allein kann nicht der
Maßstab unserer Verkündigung sein.
Wo lernen wir lieben, was wir verkündigen?
Man kann auf Dauer nur etwas lehren,
man kann nur predigen, wenn man lieben
gelernt hat, was zu predigen ist;
wenn man charmant gefunden hat, was
zu sagen ist. Ich habe einen alten Missionar
nach seinem Selbstverständnis
gefragt, seine Antwort: „Wir Missionare
sind Bettelleute, die weitersagen, wo
es Brot gibt.“ Wir sind Bettelleute. Ich
erwarte von Pfarrern und Pfarrerinnen
nicht, dass sie unbenagten Glaubensfelsen
ihrer Gemeinde sind. Aber wir
könnten lernen, die alte Nachricht, die
wir zu sagen haben, schön zu finden. An
etwas glauben kann man auf Dauer nur,
wenn man es schön gefunden hat. Ein
merkwürdiges Wort: etwas schön finden!
Die Schönheit liegt nicht ohne weiteres
auf der Hand. Schönheiten muss
man suchen und entdecken. Darum die
Frage: wo suchst du? Oft übersehen gerade
die die Schönheit einer Sache, die
täglich damit umgehen. Nimmst du dir
Zeit für die Bibel, für die Meditation, für
die Losungen, für das Gebet? Das Gebet
ist die einzige Stelle, wo die Zweifel
verstummen, zumindest wo sie schwach
werden.
Kennen wir geistliche Übungen, die unsere
geistliche Freiheit befördern? Ich
habe das Bild des Balletts vor Augen,
32
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
ein Bild des freien Fluges und schwereloser
Schönheit. Aber haben Sie einer
Balletttruppe schon einmal beim Üben
zugesehen? Eine mühsame Knochenarbeit.
Stunden um Stunden wiederholen
die Tanzenden eine Einstellung, eine
Szene, eine Kombination, bis sie ihnen
zur zweiten Natur geworden sind und
bis es uns als pure Leichtigkeit und Mühelosigkeit
erscheint. Erst aus diesen
harten Übungen entsteht etwas Neues.
So ist es mit unsren geistlichen Übungen
und Sitten. Darum die Frage: gibt
es geistliche Sitten, die uns in glanzloser
und mühseliger Regelmäßigkeit vertraut
machen mit der Schönheit unserer
Tradition. Glanzlos nenne ich diese
Sitten. Denn alles, was man regelmäßig
tut, ist nicht aufregend, ist nicht bezaubernd,
ist oft genug langweilig und kein
Seelenbad. Aber solche Sitten bilden
unsere Herzen. Es sind köstliche Nutzlosigkeiten,
die uns langfristig machen.
Wenn wir dafür keine Zeit haben, leben
wir falsch. Wir brauchen Lebenssitten,
die uns vor der unfruchtbaren Mühe
befreien, ständig „authentisch“ zu sein.
Eine Sitte bindet mich nicht, sie gürtet
mich. (Es gibt aber auch Sitten die
fesseln). Ich liebe das Wort „Sitten“, es
hat nichts mit Moral zu tun. Es sind Verhaltensvorschläge
und Lebensregeln,
die von zermürbenden Entscheidungszwängen
befreien. Wo es Sitten gibt,
sind wir nicht nur auf die Kraft unseres
eigenen Herzens angewiesen. Sitten
sind geronnene Lebensweisheiten, die
mich von meiner eigenen Zufälligkeit
befreien. Sitten sind Selbstbegrenzungen,
die unsere Freiheit fördern und
nicht zerstören. Alles, was produktorientiert
ist, scheint seine Rechtfertigung
in sich selbst zu finden. Die Meditation
und das Gebet rechtfertigen sich nicht
durch ihre Ergebnisse. Wenn wir in
unserem Beruf keine Zeit für die wundervollen
Zwecklosigkeiten haben, keine
Zeit für die Lesung, die Meditation,
das Gebet, dann leben wir falsch. Dies
ist ein Plädoyer für die nichtverwertbaren
Schönheiten unserer Tradition.
Stefan Hessel, ein grosse alte Mann des
Widerstands, wurde gefragt, wie er im
hohen Alter trotz aller Niederlagen die
Hoffnung behalte. Er antwortete: Hört
Mozart, lest Hölderlin und Goethe. Bei
soviel Schönheit kann man die Hoffnung
nicht verlieren. Mir geht es nicht
darum, dass wir in unserem Beruf Meister
und Meisterinnen religiöser Erfahrungen
werden, sondern darum dass
wir unser Handwerk verstehen. Für unsere
geistige Konstitution ist nicht die
außerordentliche religiöse Erfahrung
wichtig, sondern die alltägliche, treue
und unaufgeregte geistige Arbeit: die
Lesung, die Vertiefung, die Übung. Darum
benutze ich solche einfachen Begriffe
wir Sitten, Arbeit und Handwerk.
Religiöse Höhepunkte mögen kommen
oder auch nicht. Maßgebend ist die unaufgeregte
geistliche Arbeit im Alltag.
Bemesst euch selbst nicht nur an Euren
Aktivitäten! Lasst Zeit für ihre geistliche
Bildung und zum Lesen! Eine meiner
Standartfragen in der Weiterbildung mit
Pfarrern hieß: Haben Sie in den letzten
drei Monaten ein theologisches Buch
ohne Verwendungsabsichten gelesen?
Diese Frage hat oft pure Heiterkeit ausgelöst.
Als ob uns dazu Luft bliebe, sagten
viele. Also verschaffen Sie sich Luft!
Damit komme ich zu der Frage: Tue ich
etwas, was ich nicht tun muss; was auch
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 33
andere tun können oder was unterbleiben
kann. Es gibt nicht nur die große
Arbeitsüberlastung in unseren Berufen.
Es gibt auch so etwas wie die lustvolle
Gejagtheit; die Selbstrechtfertigung
durch den übervollen Terminkalender.
Das Winken mit dem Terminkalender
als Potenzgebärde, die Angst vor dem
Innehalten und vor der Leere! Das Problem
ist, dass Sinn durch Aktivitäten
ersetzt wird. Ich habe einmal in einem
Pastoralkolleg Pfarrer sich selbst spielen
lassen. Eine Szene beim Mittagessen:
Die Pfarrerin kommt verspätet, weil sich
ein Termin bei der Friedhofsverwaltung
in die länge gezogen hat. Während des
Essens liegt ihr Handy bereit, als drittes
Besteck neben Messer und Gabel. Es
kommt der erste Anruf des Jagdpächters;
der zweite Anruf der Küsterin, die
nach den Blumen für den Sonntagsgottesdienst
fragt; der dritte Anruf des
Organisten. Figaro hier, Figaro da! Das
Selbstbild der Pfarrer und Pfarrerinnen
ist undeutlich geworden. In einem Pastoralkolleg
sollten die Teilnehmenden
die Probleme mit ihrem Amt auflisten.
Eine Gruppe schrieb: Ich weiß nicht, was
ich will; ich weiß nicht, was ich kann; ich
weiß nicht, was ich soll; ich weiß nicht,
was ich glaube. Je weniger wir wissen,
wer wir sind und was das Zentrum unserer
Arbeit ist, umso mehr retten wir uns
ins besinnungslose Werkeln; sind gequält
durch die dauernden Störungen
und sind dankbar, wenn uns jemand
stört. Es ist die Selbstrechtfertigung
durch die eigene Atemlosigkeit.
Was sind unsere geistlichen Sitten?
Was müssen wir nicht tun? habe ich gefragt.
Die andere Frage: Wo lernen wir,
wer wir selbst sind, wo lassen wir uns
in die Karten schauen und wo können
wir uns verbünden in unsren Berufen?
Ich lese bei der Philosophin Carolin Emcke:
„Nur in der Auseinandersetzung
mit anderen können wir den Faden
der personalen Identität aufnehmen
und flechten. In dieser Abhängigkeit
von anderen, durch die sich die eigene
Identität erst findet und immer wieder
neu ausrichtet, besteht unsere Verletzbarkeit
als sprachliche Wesen. “Wir mit
uns allein fabulieren uns unsere Selbstbilder.
„…jedes Selbstbild ist ein Konstrukt
von zweifelhafter Wahrhaftigkeit,
voll von Irrtümern, Selbstüberredungen
und Selbsttäuschungen.“ (Peter Bieri)
Selbstbilder voller Widerstand gegen
Veränderungen, damit Widerstand gegen
das Recht, ein anderer zu werden.
Ich sage damit etwas gegen die Gefahr
der individualistischen Selbstgenügsamkeit
in unseren Berufen. Ich höre an
vielen Stellen, die Patoralkollegs sind
schlecht besucht; die Pfarrkonvente
sind nicht beliebt; sie sind langweilig
und unerheblich. Unerheblich ist das,
was wir unerheblich sein lassen. Wir haben
kostbare Stellen in unserer Kirche,
an den wir unserer Einsamkeit und unserer
Selbstgenügsamkeit entkommen
können. Wir haben Stellen, an denen wir
uns vergewissern können, was wichtig
und was richtig ist. Man weiß nicht, wer
man ist, wenn man nur mit sich selbst
umgeht, und man weiß nicht, was man
tut, wenn man als Gesprächspartner
hauptsächlich sich selber hat. Vielleicht
kamen die Pfarrer und Pfarrerinnen in
früheren Zeiten mit sich selber aus, als
die Welten noch klarer waren; als man
Inhalt und Grenzen der zu verkündigenden
Lehre wusste; als das Christentum
34
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
einzigartig und unbefragt war; als die
Aufgaben des Pfarrers klar definiert
waren und die Kirchenleitungen autoritär.
Autoritäre Zeiten sind formal klare
Zeiten, wenn auch nicht Zeiten der Freiheit
und der Wahrheit. Noch vor 60, 70
Jahren lebten Pfarrer in einer definierten,
festen und sich nur wenig verändernden
Welten. Man fuhr immer nach
genauen Fahrplänen und exakten Landkarten
in diesen kirchlichen Landschaften.
Diese Zeiten sind vorbei, Gott sei
Dank! Wir wollen sie nicht zurück. Die
alten Landkarten und Fahrpläne taugen
wenig für eine Zeit des raschen Wechsels
und der dauernden Umbrüche. Wir
sind dauernd mit Fragen konfrontiert,
die man früher kaum kannte: Wer bin
ich als Pfarrer oder Pfarrerin in meiner
Gemeinde? Was ist in ihr wichtig? Was
ist meine Theologie? Die neuen Fragen
kann man sich nicht allein beantworten.
Man kann nicht bei sich selber Zuflucht
nehmen, denn die Wahrheit gibt es nur
im Dialog und im Zusammenhang mit
anderen. Es gibt sie nur für heute, wie
es das Manna in der Wüste nur für einen
Tag gegeben hat. Morgen ist die heute
gefundene Lösung vielleicht schon wieder
schief. Darum plädiere ich dafür, die
Orte nicht zu vernachlässigen, an denen
wir miteinander aushandeln, was richtig
und wichtig ist. Ich denke an einen so
bescheidenen Ort wie den Pfarrkonvent,
gegen die oft ein solcher Missmut
herrscht. Natürlich sind sie nicht
gerade Höhen der Erleuchtung, auch
ihnen gegenüber muss man seinen
Humor haben. Aber es können Stellen
sein, an denen man mit Geschwistern
zusammen einen halben Schritt weiter
kommt in der Wahrheit für heute; einen
halben Schritt weiter in der Vergewisserung
der Wege, die zu gehen sind. Weiter
kommen wir nur, wo wir zusammen
gehen. Wir sind bedürftige Wesen. Das
ist die Gnadenstruktur unserer Existenz
und keineswegs unser Mangel. In den
wichtigsten Angelegenheiten unserer
Existenz kommen wir nicht mit uns allein
aus. Wir können nicht allein klug
sein, wir können die Wahrheit nicht
allein finden, wir können uns nicht allein
korrigieren und unserer Blindheit
entkommen. Wir sind nicht autark, wir
sind angewiesen. Es ist eine unserer
Schönheiten, dass wir uns verdanken;
verdanken der Gnade Gottes und der
Gnade unserer Geschwister. Mir ist es
zu anstrengend autark zu sein und mit
der eigenen Kärglichkeit auskommen zu
müssen. Das heißt ja Kirche sein, dass
man nicht einsamer Meister seines Lebens
sein muss. Es könnte sein, dass der
Gedanke der Kirche bei uns Protestanten
unterbelichtet ist. Verbündet euch!
hat jener Stefan Hessel gerufen. Nur so
seid ihr stark und entkommt der Trostlosigkeit.
Allein bist du klein.
Wir sind Bettelleute, die weitersagen,
wo es Brot gibt.
In dem Brief des Propheten Jeremia lese
ich: „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich
euch habe wegführen lassen, und betet
für sie zum Herrn. Denn wenn es ihr
wohl geht, so geht es auch euch wohl.“
Wenn ich etwas von unserem Gott
verstanden habe; wenn ich etwas von
Christus verstehe, Gottes aufgedecktem
Gesicht, dann die Tatsache, dass er
sich selbst nicht Hauptthema und Ziel
war; dass es ihm nicht um seine eigene
Geltung ging. „Er nahm Knechtsgestalt
an“ und diente nicht sich selbst. Das ist
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 35
das Gesetz der Kirche. Sie ist nicht nur
Kirche in Babylon, sie ist Kirche für Babylon.
Kirche für Babylon ist zunächst eine
Erleichterung für die Kirche selber und
eine Befreiung von der Angst, um sich
selbst, um die eigene Identität und
das eigene Profil besorgt zu sein. Wir
sind eine Kirche der Freiheit, auch der
Freiheit vom Zwang, sich selbst Ziel zu
sein. Selbstbesorgungen wecken immer
Ängste. Identitätsängste sind kein
Zeichen von Mündigkeit, Gelassenheit
und Gottvertrauen. Vor allem sind die
Selbstbesorgten immer etwas komisch.
Das Reich Gottes soll wachsen, Recht
und Gerechtigkeit sollen wachsen, nicht
unbedingt die Kirche. Sie wird in absehbarer
Zeit in unseren Breiten nicht
wachsen. Wachstum ist zunächst ein
quantitativer Begriff, dessen Idee nicht
zu unserem Zwang werden soll. Es wäre
eine Befreiung für die Kirche, für die
Christen, für uns Pfarrer und Pfarrerinnen,
wenn wir uns mit Schmerz und in
Heiterkeit vom Zwang verabschiedeten,
wir müssten an Zahlen wachsen. Vielleicht
wachsen wir, wenn wir uns von
dem Zwangsgedanken verabschieden,
wir müssten wachsen.
Die Kirche dient Babylon zunächst damit,
dass wir die Nachricht über Gott
verbreiten und das Geheimnis seines
Namens nennen. Wir sollen den Namen
Gottes in die Öffentlichkeit tragen.
Wir selbst nähern uns dem Geheimnis
Gottes, wo wir öffentlich von seinem
Geheimnis erzählen. Christen lernen
Glauben, wenn sie von ihrem Glauben
erzählen. Man gewinnt Gesicht, indem
man Gesicht zeigt, und man wird sich
selbst deutlich, wenn man sich deutlich
zeigt. Jeder Glaube verblasst, wo er
die Öffentlichkeit scheut. Darum steckt
in jeder Lebensüberzeugung ein Stück
missionarischer Lust. Es steckt darin der
Wunsch wahrgenommen zu werden in
dem, was einem wichtig ist.
Es könnte sein, dass wir als Kirche, um
der Gesellschaft einzuleuchten, nur
noch das erzählen, was ihr sowieso einleuchtet.
Aber wir haben die schwere
Aufgabe, mit unserer schwachen Stimme
das Geheimnis Gottes zu sagen. Die
Gefahr ist, dass wir aus eigener Glaubensschwäche
bei den Sagbarkeiten
bleiben; bei den kleinen Wahrheiten,
die jedermann eingängig sind. Was
mich in den letzten Jahren zunehmend
stört, ist der geringe Mut zur großen
und ins Unsägliche ausgreifenden Sprache;
die Bescheidenheit, in der wir uns
darauf beschränken, das aus der Bibel
herauszulesen, was man mit menschlicher
Stimme sagen kann, ein bisschen
Moral und ein bisschen Menschlichkeit.
Moral und Menschlichkeit sind viel,
aber die Bibel ist das Buch der Unsagbarkeiten,
es ist das Buch, das Gott und
Christus nennt.
Auch unsere Gottesdienste und Gebete
sind nicht nur Orte der moralischen
Zurichtung. Sie sind auch das interessenfreie
Lob Gottes. Es ist gewagt und
missverstehbar was ich jetzt sage: Ich
habe gelegentlich Probleme damit,
dass moralische Absichten in unseren
Gottesdiensten die Überhand gewinnen
und ihnen alles unterworfen wird. Alles
bekommt einen moralisch-appellativen
Charakter: die Gebete, die Fürbitten,
die Präfation, der Segen am Ende. Alles
36
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
könnte den Charakter eines sozialpolitischen
„Avanti Populo!“ Werden. Mit der
Allgegenwart des moralisch-ethischen
zerstören wir die moralische Aufnahmefähigkeit.
Wir brauchen auch die
absichtslose Schönheit unserer Gebete
und Lieder; vor allem das absichtslose
Lob Gottes. Nicht jede Stelle unserer
Gottesdienste ist ethisch verwendbar.
Wenn wir das nicht beachten, enden wir
im moralischen Kitsch.
Wir sind Kirche für Babylon, indem wir
in prophetischer Deutlichkeit auf dem
Recht und auf der Tröstung der Lebensverletzten
bestehen. Damit sind
wir auch Kirche gegen das kalte, erbarmungslose
und gedächtnislose Babylon.
Wir sind als Kirche dem Geheimnis
Gottes nahe, wo wir uns dem Geheimnis
der Armen nähern. Oscar Romero, einer
der Grundzeugen und Märtyrer unserer
Zeit hat es so gesagt: „Wie du dich den
Armen näherst, mit Liebe oder mit Geringschätzung,
so näherst du dich Gott.“
Karl Rahner hat den Satz der Tradition
„Deus semper major“ – Gott ist jeweils
grösser – umgedreht: Deus semper minor
– Gott ist im Kleinsten und Verachtetsten
zu suchen. Das Mysterium Gottes
ist vom Mysterium der Armen nicht
zu trennen. „Der Hunger dieser Welt ist
der Ort Gottes.“, hat der in El Salvador
ermordete Jesuit Ignacio Ellacuria gesagt,
er fährt fort: „So müssen wir uns
als Kirche fragen: Was haben wir getan,
um die Armen ans Kreuz zu bringen?
Was tun wir, um sie vom Kreuz abzunehmen?
Was tun wir, um sie aufzuerwecken?“
Gott ist je kleiner: Er versteckt
sich im Schicksal der Geschlagenen. Er
wird bei uns sein bis zum Ende der Tage,
wie es verheißen ist. Er ist bei uns als
Trost und als Versprechen. Er ist bei uns
in allen Gestalten des Elends. Wenn die
Kirche das vergisst, dann man sie religiös
sein, aber christlich ist sie nicht.
Die Kirche in Babylon ist auch eine
Glaubensverleihanstalt. Eine der Aufgabe
der Kirche ist es, mit ihrer Sprache,
mit ihren Gesten, mit ihren Räumen und
Zeiten zur Verfügung zu stehen, wenn
Menschen uns brauchen. Zum Beginn
des Golfkrieges oder am 11. September
2001 oder bei der großen Flut in Asien
waren die Kirchen in Hamburg voll.
Menschen sind auf Zeit Gast in einem
Haus, das ihnen nicht gehört und in dem
sie nicht zuhause sind. Sie leihen sich
Sprache, Räume, Zeiten und Gesten für
die Not oder das Glück ihres Herzens.
Sie wollen in ein fremdes Haus gehen.
Vielleicht ist diese Sprache überhaupt
nur in ihrer Fremdheit für sie zu sprechen
und zu ertragen. Die Fremdheit
lässt ihnen Distanz und Ambivalenz. Sie
sind in einem Haus, und es schützt sie
auf Zeit, aber sie sind nicht zuhause und
sie wollen dort nicht zuhause sein.
Sie spielen die Clowns der Hoffnung
in einer fremden Sprache. Man kann
Fremdes manchmal besser verstehen
und annehmen als immer schon Verstandenes
und immer schon Gewusstes.
Wir sind nicht die Meister des Glaubens
dieser Menschen, aber wir können –
mit Paulus gesprochen – Diener in ihrer
Freude und in ihrem Unglück sein.
Mission heißt, Gastfreundschaft üben
und nicht neidisch darüber sein, dass
die Menschen nicht für immer bleiben
und Vollmitglieder sind. Es gibt andere
Wege des Geistes als unsere eigenen.
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 37
Ich vermute, je deutlicher wir selber
sind als Christen, umso eher können
wir undeutliche Gäste ertragen. Je mehr
wir unsere Traditionen nicht nur kennen,
sondern sie lieben gelernt haben
als Geschichten der Freiheit und der
Schönheit; je mehr wir sie uns angeeignet
haben und wir spirituelle Menschen
sind, umso mehr können wir furchtlos
verteilen, was wir haben, und zeigen,
wer wir sind.
Ich will ein Beispiel eines solchen Ausleihverfahrens
nennen. Das Theater in
Bremen führt „Die Zehn Gebote“ nach
Krzystof Kieslowski auf. Sie bitten darum,
dies im Bremer Dom tun zu können.
Es ist ein hartes, anklagendes und
hoffnungsarmes Stück. Die Domgemeinde
lehnt nach anfänglicher Zusage
und nach vielen Protesten ab. Der
Dom soll ein Ort des Trostes, der Stille
und der Anbetung bleiben. Schließlich
erklärt sich eine andere Kirche bereit,
den Schauspielern Gastrecht in ihrer
Kirche zu geben. Auch da kommt es
zu einem harten Konflikt. Ich frage einen
der Schauspieler, warum sie mit
ihrem Stück unbedingt in eine Kirche
wollen. Er: „Wir können nur entlarven
und anklagen. Eine andere Sprache haben
wir nicht. Aber wir brauchen eure
Kirche, damit sie uns widerspricht. Der
Raum der Kirche besteht darauf, dass
es mehr zu vermuten gibt, als wir sagen
können.“ Ein wundervoller Satz: Widersprecht
ihr Christen uns in unserer Hoffnungslosigkeit!
Tut es mit euren Räumen
und Gesten, mit euren Texten und
Liedern. Glaubt, und lasst uns zusehen,
wie ihr glaubt! Zu viel mehr bringen
wir es im Augenblick selber nicht. Aber
vielleicht können wir anfangen, euch
euren Glauben zu glauben. Das heißt
Zeugenschaft: den Fremden den eigenen
Glauben leihen, selbst wenn sie ihn
nur für Augenblicke oder Stunden ausleihen;
selbst, wenn sie sich nur Splitter
davon ausleihen. Wir haben kein Recht
auf dem „Alles oder nichts“, auf dem
„Ganz oder gar nicht“ zu bestehen. Wir
haben zur Verfügung zu stehen. Das ist
Mission.
Ich möchte, dass unsere Kirche Stolz
und Demut neu lernt. Stolz: Wo gibt es
Gruppen, die seit 2000 Jahren die Bergpredigt
in ihrem Gepäck haben? Wo
spricht man davon, dass die Armen die
ersten Adressaten der Aufmerksamkeit
sein sollen? Wo erzählt man sich die
Geschichten von der Vergebung? Wo
erzählt man sich von einem Gott, der
das menschliche Schicksal bis in den
Tod geteilt hat? Ja, es gibt radikalere
Gruppen als meine bürgerliche Kirchengemeinde.
Aber ich lobe die Institution
mit dem Elefantengedächtnis. Es muss
nicht nur gute Menschen geben, sondern
Institutionen, die lange Erinnerungen
haben; die sie zwar oft genug
verraten, aber doch nicht von ihnen
loskommen. Die Kirche wird ihre Bergpredigt
nicht los, sie wird ihren Jesus
nicht los. Der Schweizer Schriftsteller
Peter Bichsel sagte einmal in einem Gespräch
mit Dorothee Sölle: „Die Kirche
wird diesen Christus nicht loskriegen.
Das mag ich ihr gönnen. Ich finde das
so toll, dass sie das nicht kann. Denn
seit annähernd 2000 Jahren versucht sie
es. Sie weiß, wenn sie ihn loskriegt, gibt
es sie nicht mehr. Solange es sie gibt,
ist aber der Begründer der Kirche eine
ungemeine Belastung.“ Der Christus der
Bergpredigt – eine glückliche Last der
38
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Kirche und der Christen. Zur pastoralen
Existenz gehört der Stolz: Wir haben etwas
zu sagen, an etwas zu erinnern und
etwas einzuklagen, was in der Gesellschaft
so oft vergessen wird.
Demut ist das zweite, was ich uns wünsche.
Wir sind nicht die einzigen in unserer
Gesellschaft, die von Gott erzählen
und ihn verehren. Unsere Häuser
sind nicht die einzigen, in denen man
etwas vom Charme des Betens weiß.
Wir sind nicht die einzigen, die für den
Frieden eintreten und auf dem Recht
der Armen bestehen. Wir sind nicht
die einzigen, die große Erzählungen
der Rettung des Lebens weitersagen.
Mit anderen Menschen und Gruppen
leben, heißt sich von der eigenen Dominanz
verabschieden. Wir haben uns
lange für die Wichtigsten gehalten.
Wir sind es nicht. Wir sind Mitspieler
im großen Spiel der Humanität, nicht
Schiedsrichter und nicht Linienrichter.
Wir sind wichtig, und wir sind nicht alles.
Gott ist alles, und das genügt. Der Neid
und das scheele Auge auf die anderen
und ihre Begabungen kostet uns so viel
Kraft, die wir für Besseres brauchen. In
Konkurrenzen denken die, die von sich
selbst nicht überzeugt sind. Unsere Frage
kann nicht sein: Von wem grenzen
wir uns ab und bestätigen uns selbst mit
dem Mittel der Abgrenzung? Die Frage
ist vielmehr, mit wem zusammen spielen
wir das große Spiel der Humanität
und der Verehrung Gottes? Christus ist
der große Meister der Grenzüberschreitungen.
Er hat die Grenzen von Sünder
und Gerechten hinter sich gelassen, die
Abgrenzungen zwischen Frauen und
Männern; zwischen Angesehenen und
Verachteten; und schließlich sein größtes
Abenteuer: die Überwindung der
Grenze zwischen Gott und Mensch. Das
ist Freiheit, die er uns vermacht hat und
zu der er auffordert. Wie lächerlich, wie
erbärmlich, wie kleinkariert erscheint
die behauptete und verteidigte Grenze
zwischen Katholiken und Protestanten.
Es ist höchste Zeit, die Grenzwächter
abzusetzen. Wo wir auf die wirklichen
Fragen dieser Welt stoßen, da sterben
die kleinen Fragen ab. Sie werden nicht
gelöst, sie trocknen einfach aus.
Mein größter Wunsch für Sie, dass Sie
Ihre eigene Arbeit schätzen. Wir kennen
den Größenwahnsinn, der darin
besteht, sich selbst für bestens und für
unentbehrlich zu halten. Es gibt einen
anderen Größenwahn, in dem man sich
sagt: Ich sollte eigentlich der Beste sein,
aber ich bin es nicht. Meine Arbeit ist
zu gering, ich erreiche zu wenige Leute,
meine Predigten werden nicht gehört
und beachtet, die Gottesdienste sind
leer. Was soll diese meine Arbeit überhaupt?
Ich kann mir kaum einen wichtigeren
und schöneren Beruf vorstellen
als den Ihren mit seiner staubigen
Kärrnerarbeit. Sie arbeiten mit ihrem
Konfirmandenunterricht, am Krankenbett,
auf der Kanzel, mit Jugendlichen
an den inneren Bildern von Menschen.
Sie trösten ihre Seele und sorgen für ihr
Gewissen.
Ich möchte ein großes Wort sagen: Sie
arbeiten am Heil der Welt. Meistens
säen Sie nur und erleben die Früchte
Ihrer Saaten selten. So liegt die Sünde
der Mutlosigkeit nahe. Man verliert
die Hoffnung und die Kraft, wenn man
nur darauf starrt, was nicht ist und was
mangelt.
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 39
Man verliert die Hoffnung und die Kraft,
wenn man nur darauf starrt, was nicht
ist und was mangelt. Man lernt hoffen,
wenn man sieht, was jetzt schon blüht.
Sie arbeiten für eine Kirche und an einer
Kirche, die noch nie so schön war,
wie sie heute ist. Noch nie hat die Kirche
herrschenden Gewalten so wenig
gedient, wie sie es heute tut. Noch nie
war die Kirche so aufmerksam auf den
Frieden und auf das Recht der Armen,
wie sie es heute ist. Natürlich sagen wir
uns, wenn wir nicht verblendet sind: Es
ist nicht genug! Nein, genug ist es nicht.
Aber es ist viel. Wir sind blind, wenn wir
nur den Mangel sehen. Solange die Kirche
Gott verehrt und aufmerksam ist
auf jene Lebensverlorenen, so lange ist
sie selber nicht verloren und darf sie den
Namen Gottes anrufen. Eine Religion allerdings,
„die nicht den Mut hat, für die
Menschen zu sprechen, hat auch nicht
das Recht, von Gott zu reden.“ (Luis
Espinal). „Alles ist relativ außer Gott
und dem Hunger.“ (Pedro Casadaliga).
Ja, die Kirche ist ein widersprüchliches
Gebilde, wie sie es von Anfang an war.
Aber sie ist wenigstens widersprüchlich.
Und wenn man sie verließe: Wohin sollten
wir gehen?
„Ich träume von einer Kirche
der Hoffnung“
Monika Renz, Herder-Verlag 2020,
154 Seiten, 16 Euro
Monika Renz, Psychotherapeutin und
Theologin, verbindet ihre langjährigen
Erfahrungen aus der psychotherapeutischen
Praxis und der Sterbebegleitung
mit theologischen Themen, die ihr
wichtig sind, um der Kirche die geistliche
Qualität und die Chancen ihrer religiösen
Praxis neu zu verdeutlichen.
Hoffnung ist das zentrale Thema des
Buches. Dabei arbeitet sie das Thema
Hoffnung anhand von persönliches Einzelschicksalen
aus ihrer beruflichen Tätigkeit
so heraus, dass diese, wie auch
die Kirche als Institution, zuversichtlich
auf den nächsten Tag sehen und die Zukunft
gestalten können.
Es ist ein „persönliches Fachbuch“ entstanden.
Wesentliche Elemente aus
dem kirchlichen Leben, z.B. das Abendmahl,
werden aufgenommen und die
Feste und Zeiten des Kirchenjahres mit
den Augen der mystischen Tradition
des Christentums gedeutet. Monika
Renz bringt den Leser*innen das Kirchenjahr
als spirituellen Lebensraum
nahe. Existentielle Lebensthemen wie
z.B. die Erfahrung von Leid, der Verlust
der eignen Würde und die Entfremdung
von Gott berühren die Lebensgeschichte
vieler Menschen. Monika Renz bietet
konkrete Deutungshilfen an.
Man kann das Buch nicht lesen, ohne
selbst bei den aufgeworfenen Frage-
40
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
stellungen nach Antworten zu suchen.
Beantwortet werden die Themenkreise
ausschließlich von Jesus her. Die Erfahrungen
der Psychotherapeutin unterstützen
die Argumentation.
Das übersichtlich gegliederte Buch kann
bei der Vorbereitung von Gottesdiensten
und anderen Veranstaltungen zu
den Festzeiten im Kirchenjahr genutzt
werden, weil es den Horizont der kirchlichen
Feiertage in seiner mystischen
und existentiellen Tiefe zu interpretieren
neu anregt.
Viele Menschen im Umfeld unserer
Kirchgemeinden sehnen sich danach,
die Erfahrungen des Glaubens und
der Theologie in einer säkular geprägten
Zeit, zu verstehen. Die Autorin gibt
durch die Beispiele aus ihrem beruflichen
Alltag wichtige Anregungen für
die Seelsorge am Krankenbett und in
der Einzelbegleitung. Sie hat die Erfahrung
gemacht, dass Seelsorger*innen
teils unsicher sind, angesichts von
schwerem Leiden die Dimension
Gott anzusprechen. Sie wünscht sich
Seelsorger*innen, die selbst auf einen
geistlichen und therapeutischen Reifungsweg
sind und mutig den Weg
durch eigene innere Wüstenerfahrungen
gehen.
Gabriele Schmidt
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 41
„Mein neues Leben – Christus begegnet
Muslimen – Erfahrungsberichte“
Heidi Josua, Evangelische Verlagsanstalt
Leipzig 2019, 200 Seiten, 15 Euro
In unseren evangelischen Kirchengemeinden
suchen regelmäßig ehemalige
Flüchtlinge eine geistliche Heimat. Teils
sind sie als Christen aus Syrien, dem
Irak, Somalia oder anderen Ländern zu
uns gekommen, teils möchten sie mit
ihrem Start in ein neues Leben und einer
Zukunft in Deutschland auch den
christlichen Glauben kennenlernen, der
eine bessere Identifikation und Integration
mit den Orten, wo sie jetzt leben,
ermöglichen soll. Die meisten von ihnen
sind mit einer Religion aufgewachsen,
sind Muslime aus unterschiedlichen
muslimischen Strömungen, Jesiden o.a.
kulturellen Hintergründen.
Heidi Josua ist Religionspädagogin und
Orientalistin. Sie arbeitet als Referentin
des Evangelischen Salam-Centers und
als Kultur- und Sprachmittlerin Arabisch.
Am Beginn des Buches ist ein Kapitel
den Grundsatzfragen zur Konversion
gewidmet. Hintergründe dazu werden
von der Autorin nachvollziehbar dargestellt.
Ihre große berufliche Erfahrung
ist dabei erkennbar.
In dem gut und kurzweilig lesbaren
Buch finden sich zehn Erfahrungsberichte
ehemaliger Flüchtlinge. Es geht
um Erfahrungen, wie ihnen Christus
begegnet ist und welche Auswirkungen
diese Begegnungen für ihr Leben bis
heute haben. Einige Frauen und Männer
berichten von intensiven, sich wiederholenden
Träumen, in denen ihnen
Christus begegnet und sie eine Wegweisung
erfahren. Berührend ist immer,
mit welchem Vertrauen und welcher
direkten Verbindung sie die biblischen
Erzählungen in alle Lebensbereiche hinein
buchstabieren und mit den religiösen
und gesellschaftlichen Erfahrungen
mit ihren Heimatländern in Beziehung
setzen. Kein Glaubensweg verläuft geradlinig.
Oft wird von einem hin- und
her- gerissen sein berichtet. Von inneren
Kämpfen und Loyalitätsproblemen.
Oftmals wird durch eine Konversion die
Rückkehr ins Heimatland unmöglich
und der Kontakt zu Familie, Freunden
und anderen ehemaligen Flüchtlingen
wird erschwert. Am Anfang und am
Ende werden die Berichte von der Autorin
mit lebensgeschichtlichen Daten
ergänzt.
In großen deutschen Städten gibt es
christlich-arabische Gemeinden., in denen
die Frauen und Männer eine geistliche
Heimat finden können. In Sachsen
kennen wir meist Begegnungscafès und
integrieren die Einzelpersonen, Familien
und Kinder in unser Gemeindeleben.
Die unterschiedlichen Erfahrungen damit
können unseren Horizont erweitern.
42
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022
Den Schluss des Buches bilden Wünsche
und Reflexionen für unsere Gemeinden,
die aus den Folgen der Konversion abgeleitet
werden können: Vertieft euren
Glauben! Legt eure Ängste ab! Weitet
euren Glauben für andere Ausdrucksformen!
Öffnet eure Gemeinden!
Das Buch eignet sich hervorragend für
Kirchenvorstände und Menschen, die
sich in in der Arbeit mit Flüchtlingen engagieren.
Gabriele Schmidt
Mitteilungen aus dem Thüringer Pfarrverein Nr. 01-2022 43
Thüringer Pfarrverein e.V.
Ferienunterkünfte:
Caroline Kienitz, Syndikusanwältin
pfarrverein-buero@web.de
Vorstand:
pfarrverein-buero@web.de
www.thueringer-pfarrverein.de
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für Beihilfen sowie Aufnahmeanträge.
Beihilfen bitte an Pastorin Christin Ostritz richten!
Vorstand: Vorsitzender, PA Slowakei
Michael Thurm, Pfarrer i.R.
Teichstraße 3, 07407 Rudolstadt
Tel: 036 72 / 42 77 91 Fax: - 4884458
thurm.michael@gmx.de
Stellvertretender Vorsitzender
Dr. Tillmann Boelter, Pfr.z.A.
Hauptstraße 6, 07929 Saalburg-Ebersdorf
Tel: 03 66 51 / 87 138
tboelter@gmx.net
Ansprechpartner PA Polen
Max-Ulrich Keßler, Pfarrer
Kaulhügel 3, 97488 Stadtlauringen
OT Oberlauringen
Tel: 09724 / 618 Pfarramt
max-kessler@web.de
Schatzmeister
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Kaulhügel 3, 97488 Stadtlauringen
OT Oberlauringen
Tel: 09724 / 618 Pfarramt
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Emeritenvertreter
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Dorfstraße 13
07778 Hainichen
Tel. 036427/20721
ulrich.huppenbauer@online.de
Ansprechpartnerin für Beihilfen
Christin Ostritz, Pastorin
Käthe-Kruse-Straße 1, 06628 Bad Kösen
Telefon 03 44 63 / 60 27-1 | Fax -0
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