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(§ 33 KJHG) Die richterliche Regulation von Pflegekindschafts

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Universität Konstanz<br />

Sozialwissenschaftliche Fakultät<br />

Forschungsschwerpunkt »Gesellschaft und Familie«<br />

Vormundschaftsgericht und Pflegekindschaft<br />

(<strong>§</strong> <strong>33</strong> <strong>KJHG</strong>)<br />

<strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen<br />

und ihre Verknüpfung mit dem jugendamtlichen<br />

Verfahren<br />

Hans Hoch<br />

Arbeitspapier Nr. 25.3<br />

März 1997


Hans Hoch<br />

Vormundschaftsgericht und Pflegekindschaft (<strong>§</strong> <strong>33</strong> <strong>KJHG</strong>)<br />

<strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen und ihre<br />

Verknüpfung mit dem jugendamtlichen Verfahren<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Zusammenfassung<br />

Summary<br />

1. Einleitung: <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Pflegekindverhältnissen...............1<br />

2. Fragestellung und empirische Basis der Untersuchung .....................................2<br />

3. Rechtliche Rahmenbedingungen der vormundschafts<strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong>:<br />

materielles Recht (GG, BGB, <strong>KJHG</strong>) und Verfahrensrecht (FGG) ..................3<br />

4. Stand der Forschung.........................................................................................16<br />

5. Ergebnisse der Expertengespräche...................................................................20<br />

5.1 Zuständigkeiten der Vormundschaftsrichter ..............................................20<br />

5.2 Richterliche Verfahrensspielarten ..............................................................21<br />

5.3 Einschätzung der Herkunftsfamilie............................................................25<br />

5.4 <strong>Die</strong> Anhörungen der Beteiligten.................................................................30<br />

5.5 Rechtsgüterabwägung <strong>von</strong> Elternrecht und Kindeswohl ...........................35<br />

5.6 Richterliche Entscheidung..........................................................................39<br />

5.7 Reformbedarf - Anwalt des Kindes?..........................................................45<br />

5.8 Randbedingungen der <strong>richterliche</strong>n Arbeit ................................................48<br />

5.9 Richterliche Handlungsfiguren und Handlungsstile in Sorgerechts-<br />

verfahren ....................................................................................................50<br />

6. Schlußfolgerungen............................................................................................56<br />

Literatur ................................................................................................................61<br />

Anhang .................................................................................................................67


Vorwort<br />

Am Forschungsschwerpunkt "Gesellschaft und Familie" an der Sozialwissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität Konstanz wird dem familialen Wandel und<br />

den familialen Generationenbeziehungen in theoretischer wie empirischer Hinsicht<br />

große Aufmerksamkeit geschenkt. Ein zentrales Forschungsinteresse<br />

kommt darin zum Ausdruck, die Pluralität <strong>von</strong> Familie und die Veränderungen in<br />

den intergenerationellen Beziehungen zu analysieren. <strong>Die</strong>ses Analyseinteresse<br />

realisiert sich dabei auf eine differentielle Weise in den einzelnen Projekten des<br />

Schwerpunktes.<br />

Im Rahmen der empirischen Untersuchung <strong>von</strong> differentiellen Generationenbeziehungen<br />

wird dabei der Gestaltungsfunktion des Rechts zunehmend Beachtung<br />

geschenkt. Hier wurde federführend durch Wolfgang Walter das Forschungsprojekt<br />

<strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Generationenbeziehungen durch Verfahren. Auslegung des<br />

Rechts und Modelle der Generationenbeziehungen in den Bereichen Unterhaltsrecht<br />

und Pflegekindschaft konzipiert, das <strong>von</strong> Jutta Eckert-Schirmer, Frank<br />

Ziegler und Hans Hoch (Projektleitung) durchgeführt wird. Das durch die<br />

Volkswagen-Stiftung geförderte Projekt untersucht den im Rahmen <strong>von</strong> unterhaltsrechtlichen<br />

bzw. jugendhilferechtlichen Verfahren institutionalisierten<br />

Prozeß der Beeinflussung <strong>von</strong> Generationenbeziehungen durch rechtlich legitimierte,<br />

administrative und <strong>richterliche</strong> Akteure.<br />

Dabei spielen familien- und rechtssoziologische, sowie im Rahmen der Interpretation<br />

des Rechts vor allem wissenssoziologische Gesichtspunkte eine zentrale<br />

Rolle. Aus rechtssoziologischer Perspektive steht die Wirksamkeit rechtlicher<br />

Normen beim Zusammenwirken der relevanten Akteure und damit die empirische<br />

Rechtstatsachenforschung im Zentrum. Aus familiensoziologischer Perspektive<br />

steht die Untersuchung des Wandels familialer Generationenbeziehungen im<br />

Vordergrund und die Frage, wie dieser Prozeß rechtlich behindert oder gefördert<br />

wird.<br />

<strong>Die</strong> Forschungsgruppe hat sich zunächst dem Teilprojekt zur <strong>Regulation</strong> der<br />

Pflegekindschaft (<strong>§</strong> <strong>33</strong> <strong>KJHG</strong>) zugewandt. Für dieses Teilprojekt liegen jetzt<br />

Ergebnisse vor, die in drei Arbeitspapieren des Schwerpunktes veröffentlicht<br />

sind. <strong>Die</strong> Ergebnisse aus den Expertengesprächen mit Sozialarbeiterinnen und<br />

Sozialarbeitern sind in dem <strong>von</strong> Jutta Eckert-Schirmer verantworteten Beitrag


mit dem Titel Einbahnstraße Pflegefamilie? Zur (Un)Bedeutung fachlicher<br />

Konzepte in der Pflegekinderarbeit in Arbeitspapier Nr. 25.1 des Schwerpunktes<br />

veröffentlicht. Sie unterscheidet dabei zwischen einem inklusiven und exklusiven<br />

Konzept in der Pflegekinderarbeit. Frank Ziegler hat die Befunde aus einer<br />

Aktenanalyse <strong>von</strong> Jugendamtsakten in seinem Beitrag Jugendamtliche Handlungsmuster<br />

und das Zustandekommen <strong>von</strong> Besuchskontakten (Arbeitspapier<br />

25.2) dokumentiert und unterschiedliche Orientierungen in der fachlichen Arbeit<br />

der Jugendämter festgestellt. Speziell der vormundschafts<strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong><br />

<strong>von</strong> "streitigen <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen" widmet sich der Beitrag <strong>von</strong><br />

Hans Hoch mit dem Titel Vormundschaftsgericht und Pflegekindschaft (<strong>§</strong> <strong>33</strong><br />

<strong>KJHG</strong>). <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen und ihre<br />

Verknüpfung mit dem jugendamtlichen Verfahren, der in diesem Arbeitspapier<br />

des Schwerpunktes veröffentlicht ist.<br />

Unser Dank gilt Herrn Prof. Dr. Salgo für seinen wertvollen juristischen Rat<br />

sowie Wolfgang Walter für die fachliche Begleitung des "<strong>Regulation</strong>sprojekts".<br />

Weiterhin zu danken ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Forschungsschwerpunktes<br />

für kritische Kommentare und den wissenschaftlichen Hilfskräften<br />

für ihren Einsatz.<br />

Besonderer Dank gilt der Volkswagen-Stiftung, ohne deren Förderung das<br />

Forschungsprojekt nicht durchgeführt werden könnte.<br />

Konstanz, im März 1997 Kurt Lüscher


Zusammenfassung<br />

Im Rahmen der öffentlichen Hilfen zur Erziehung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />

(<strong>KJHG</strong>) stellt die Vollzeitpflege nach <strong>§</strong> <strong>33</strong> <strong>KJHG</strong> eine zentrale<br />

Maßnahme in einem umfassenderen System flexibler Erziehungshilfen für<br />

Familien dar. Als Erziehungshilfe soll sie pädagogisch notwendig und geeignet<br />

sein. <strong>Die</strong> Vollzeitpflege oder Pflegekindschaft zählt dabei neben der Heimunterbringung<br />

<strong>von</strong> Kindern zu den im <strong>KJHG</strong> vorgesehenen stationären Maßnahmen.<br />

Sieht das Jugendamt nach einer qualifizierten Beurteilung der familialen Situation<br />

die Inpflegegabe eines Kindes als eine erforderliche Hilfe an, so soll das<br />

<strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnis im Zusammenwirken mit den leiblichen Eltern<br />

angebahnt und durchgeführt werden.<br />

Dabei können bei der Gestaltung des <strong>Pflegekindschafts</strong>prozesses zwischen den<br />

Herkunftseltern und dem Jugendamt bzw. den Pflegeeltern Konflikte entstehen,<br />

die sich meist an konträren Auffassungen über das Wohl des Kindes entzünden.<br />

In solchen streitigen Fällen kann sich an das jugendamtliche Verfahren ein<br />

vormundschaftsgerichtliches Verfahren anschließen, in welchem meist über<br />

sorgerechtliche Fragen gemäß <strong>§</strong> 1666 BGB, in manchen Fällen auch über ein<br />

Herausgabeverlangen der leiblichen Eltern, die ihr Kind <strong>von</strong> den Pflegeeltern<br />

zurückfordern (<strong>§</strong> 1632 IV Abs. 4 BGB), eine <strong>richterliche</strong> Entscheidung zu treffen<br />

ist.<br />

Im Zentrum steht die Frage, wie die Vormundschaftsrichter/Innen im Spannungsfeld<br />

<strong>von</strong> Elternrecht und Kindeswohl geltendes Recht interpretieren, den Prozeß<br />

der Rechtsgüterabwägung gestalten und welches Wissen bzw. welche Handlungsorientierungen<br />

die <strong>richterliche</strong> Entscheidung bestimmen. Hierzu wurden<br />

Expertengespräche mit Richter/Innen an sieben Amtsgerichten der Bundesländer<br />

Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Sachsen durchgeführt.<br />

<strong>Die</strong> Analysen verdeutlichen den engen Zusammenhang zwischen dem jugendamtlichen<br />

und gerichtlichen Verfahren und damit die Zentralität der jugendamtlichen<br />

Fallbeurteilung für die <strong>richterliche</strong> Entscheidung. <strong>Die</strong>se Interdependenz der<br />

jugendamtlichen und <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> schlägt sich auf der Ebene <strong>richterliche</strong>r<br />

Handlungsstile nieder, die sich entlang dreier Handlungsfiguren ausdifferenzieren<br />

in eine (1) "affirmative", (2) moderierende und (3) korrigierende


ichterliche <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft. <strong>Die</strong> drei Modi der <strong>Regulation</strong><br />

beziehen sich auf den <strong>richterliche</strong>n Umgang mit dem Antrag des Jugendamtes,<br />

den leiblichen Eltern das Sorgerecht zu entziehen, um eine Gefährdung des<br />

Kindeswohls abwenden zu können. Eine "affirmative" vormundschafts<strong>richterliche</strong><br />

<strong>Regulation</strong> des <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnisses folgt dabei im wesentlichen<br />

den Vorgaben des Jugendamtes, während eine "moderierende" <strong>richterliche</strong><br />

<strong>Regulation</strong> versucht ist, zwischen den streitenden Parteien eine neue Konsensbildung<br />

zu fördern. Dagegen profiliert sich eine "korrigierende" <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong><br />

entlang eher konträr zu den jugendamtlichen Empfehlungen liegenden<br />

<strong>richterliche</strong>n Entscheidungen. Dabei kann nicht gesagt werden, daß jedem<br />

Richter nur ein ganz bestimmter Handlungsstil zugeordnet werden könnte,<br />

sondern sie bringen die unterschiedlichen Handlungsfiguren in einer individuell<br />

geprägten "Komposition" zum Einsatz.<br />

Da es zwischen <strong>richterliche</strong>m und jugendamtlichen Handeln bei der <strong>Regulation</strong><br />

der Pflegekindschaft eine strukturelle Interdependenz gibt, können sich die<br />

beiden Regel- und Handlungssysteme rekursiv beeinflussen. Dabei erscheint die<br />

moderierende <strong>Regulation</strong> als das zu präferierende Konfliktlösungsmodell.<br />

Vor allem die <strong>von</strong> den Richtern angeführte Arbeitsbelastung läßt vermuten, daß<br />

mit zunehmender Arbeitsüberlastung eine eher affirmative <strong>Regulation</strong>spraxis<br />

einhergeht. Sozialpädagogisches, psychologisches oder speziell entwicklungspsychologisches<br />

Grundlagenwissen, Methoden der Gesprächsführung und der<br />

Konfliktregulation sind bei den Richtern meist in der Form mehr oder weniger<br />

autodidaktischer Aneignung vorhanden, Fortbildung ist so gut wie nicht institutionalisiert.<br />

Andererseits findet eine Qualifizierung des <strong>richterliche</strong>n Verfahrens<br />

durch das Institut eines "Anwalts des Kindes" bei den befragten Richter/Innen<br />

wenig Unterstützung. Dagegen gibt ein Richter zu erwägen, ob in vormundschafts<strong>richterliche</strong>n<br />

Verfahren dieser Tragweite das Modell des Einzelrichters<br />

nicht ersetzt werden soll durch eine <strong>von</strong> zwei Richtern getragene Entscheidungsfindung.


Summary<br />

With respect to public assistance for families, the most important law is the Child<br />

and Youth Welfare Act (Kinder- und Jugendhilfegesetz, <strong>KJHG</strong>), which became<br />

effective on January 1, 1991. One important task for welfare offices is to support<br />

parents in raising their child(ren). A special kind of public assistance is the<br />

placement of children in foster families in order to provide full-time foster care.<br />

The youth welfare office is responsible for such professional service and works<br />

with the biological and foster families.<br />

The enforcement of this regulation (<strong>KJHG</strong>) gives rise to numerous conflicts<br />

between the different parties involved. If, e.g., problems occur because of differing<br />

views of the parents on the one side and the youth welfare office on the other<br />

side, the youth welfare office may decide to remove children from parental<br />

custody and will then apply for a court order to authorize this. However, the<br />

biological parents may also appeal to the courts in order to get their child(ren)<br />

back from the foster family. In both cases, the courts must decide.<br />

The main question of this study is: How do the courts interpret the law, i.e., how<br />

are custody disputes handled in practice? In this study, the findings of 9 interviews<br />

with experts (judges dealing with this special law) in the federal states of<br />

Baden-Württemberg, North-Rhine Westphalia, Bremen und Saxony are presented.<br />

The findings show the close connection and interdependence of administrative<br />

proceedings between welfare offices and courts. After a welfare office appeals to<br />

the courts in an effort to have children removed from the custody of their biological<br />

parents, the courts have three options: In response to the petition of the<br />

welfare office, the judges may regulate the proceedings in an (1) „affirmative“,<br />

(2) „mediatorial“ or (3) „corrective“ (remedial) way.<br />

„Affirmative“ judicial proceedings mostly follow the recommendations of the<br />

welfare office, while „mediatorial" judicial proceedings try to achieve a new<br />

consensus among the persons involved and tend to avoid terminating the biological<br />

parents’ custody. As compared to these types of judicial regulation, judges


choosing „corrective“ judicial proceedings oppose the views/recommendations of<br />

the welfare office.<br />

These different options for judicially ruling on family problems are at the disposal<br />

of every judge. It seems, however, that the „mediatorial“ type of judicial<br />

regulation is preferable as a conflict resolution model, since it may further new<br />

agreements and arrangements among the biological parents, the welfare office<br />

and the foster family.<br />

In particular, the extent of the work-load claimed by judges is related to the type<br />

of ruling they favor. If they have a heavy work-load they will tend to give the<br />

proceedings an „affirmative" character, i.e., the judges will then usually follow<br />

the recommendations of the welfare office.<br />

Judges usually have more or less on their own acquired whatever basic knowledge<br />

of social pedadogics, (developmental) psychology, methods of discussion<br />

and conflict regulation they have - these topics are largely absent from the formal<br />

legal education of judges.<br />

The proposal to modify judicial custody proceedings by introducing an „attorney<br />

for the child“ received little support from the judges surveyed. One judge, however,<br />

suggested that the single judge in parental custody related cases should be<br />

replaced by two judges.


- 1 -<br />

1. Einleitung: <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Pflegekindverhältnissen 1<br />

Im Rahmen der öffentlichen Hilfen zur Erziehung stellt die Vollzeitpflege nach <strong>§</strong><br />

<strong>33</strong> <strong>KJHG</strong> eine zentrale Maßnahme in einem umfassenderen System flexibler<br />

Erziehungshilfen 2<br />

für Familien dar. <strong>Die</strong> Vollzeitpflege oder Pflegekindschaft<br />

zählt dabei neben der Heimunterbringung <strong>von</strong> Kindern zu den im Kinder- und<br />

Jugendhilfegesetz (<strong>KJHG</strong>) vorgesehenen stationären Maßnahmen. Als Erziehungshilfe<br />

soll sie notwendig und geeignet sein, d.h. die Hilfemaßnahme "Vollzeitpflege<br />

des Kindes bei einer Pflegefamilie" soll - gemäß den Intentionen des<br />

<strong>KJHG</strong> - nach einer qualifizierten Beurteilung der familialen Situation durch<br />

Fachkräfte des Jugendamtes und anderer professioneller Institutionen als erforderliche<br />

Hilfe für Familie und Kind erkannt und mit Unterstützung wie im<br />

Zusammenwirken mit den Eltern angebahnt und durchgeführt werden. <strong>Die</strong>ser<br />

"<strong>Pflegekindschafts</strong>prozeß" hat verständlicherweise auch seine eigene "Dramaturgie",<br />

deren Ausgangspunkt in der Fragilität der herkunftsfamilialen Verfassung<br />

liegt, und deren Endpunkt durchaus auch wieder in einer restabilisierten herkunftsfamilialen<br />

Lage und damit Rückführung des Kindes liegen kann. Letzteres<br />

jedoch, die Rückführung des Kindes in seine leibliche Familie nach einer Zeit<br />

des Aufenthalts bei einer Pflegefamilie, ist rein statistisch gesehen eher selten.<br />

<strong>Die</strong> Ursachen und bewirkenden Faktoren sind dabei sehr vielschichtig. Hier<br />

spielen die Schwere und Tragweite familialer Problemlagen, sozialpädagogische<br />

Konzepte der betreuenden Instanzen, gewachsene Hilfestrukturen wie rechtliche<br />

Vorgaben eine wichtige Rolle.<br />

Ein zentraler Akteur bei der sozialpädagogischen wie rechtlichen "<strong>Regulation</strong> der<br />

Pflegekindschaft" ist das Jugendamt. Im Rahmen des hier vorgestellten Forschungsprojektes<br />

wurde die Tätigkeit des Jugendamtes über Expertengespräche<br />

mit Jugendamtsmitarbeiter/Innen und Aktenanalysen <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>vor-<br />

1 <strong>Die</strong> Arbeit ist Teil des durch die Volkswagenstiftung geförderten Projekts "<strong>Regulation</strong> <strong>von</strong><br />

Generationenbeziehungen durch Verfahren. Auslegung des Rechts und Modelle der Generationenbeziehungen<br />

in den Bereichen Unterhaltsrecht und Pflegekindschaft". Das federführend<br />

durch Wolfgang Walter (Walter 1995) konzipierte Projekt wird an der Universität<br />

Konstanz im Rahmen des Forschungsschwerpunkts "Gesellschaft und Familie" (Leitung<br />

Prof. Kurt Lüscher) durchgeführt. Für wertvolle Anregungen danke ich Kurt Lüscher und<br />

Wolfgang Walter. Jutta Eckert-Schirmer und Frank Ziegler schulde ich großen Dank für<br />

ihre engagierte und inspirierende Mitarbeit im Projekt, sowie den studentischen MitarbeiterInnen<br />

Michael Kaiser, Matthias Barth und Birgit Fehr.<br />

2 Vgl. <strong>§</strong><strong>§</strong> 27 ff <strong>KJHG</strong> in Schellhorn 1991.


- 2 -<br />

gängen untersucht. <strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Teiluntersuchung sind in weiteren<br />

Berichten 3<br />

zusammengefaßt.<br />

Der folgende Beitrag legt den Schwerpunkt auf die Untersuchung der vormundschafts<strong>richterliche</strong>n<br />

Befassung mit Vorgängen der Pflegekindschaft, die meist<br />

dann erforderlich wird, wenn sich Herkunftsfamilie, Jugendamt und ggf. auch die<br />

Pflegefamilie nicht mehr auf gemeinsame Positionen bei der <strong>Regulation</strong> oder<br />

schon bei der Einsetzung der Maßnahme der Pflegekindschaft einigen können,<br />

und Konflikte eskalieren.<strong>Die</strong> dann einsetzende <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> der<br />

Pflegekindschaft wurde gleichfalls über Expertengespräche mit Richtern und<br />

Aktenanalysen <strong>von</strong> vormundschafts<strong>richterliche</strong>n <strong>Pflegekindschafts</strong>verfahren<br />

untersucht.<br />

Im Rahmen dieses Beitrages wird auf die Ergebnisse der Expertengespräche mit<br />

Vormundschaftsrichtern eingegangen. Der Richterin und den Richtern, die sich<br />

für die Gespräche zur Verfügung gestellt haben, sei an dieser Stelle ganz herzlich<br />

für ihren Beitrag gedankt.<br />

2. Fragestellung und empirische Basis der Untersuchung<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung an das <strong>richterliche</strong> Verfahren kann als eine abgeleitete oder<br />

spezifizierte Fragestellung aus den leitenden Fragestellungen des Gesamtprojekts<br />

verstanden werden. 4<br />

Das Analyseinteresse ist dabei auf die <strong>richterliche</strong> Interpretation<br />

und Anwendung geltenden Rechts in den Rechtsbereichen des Grundgesetzes<br />

und des Bürgerlichen Gesetzbuches ausgerichtet, unter Berücksichtigung<br />

der engen Verknüpfung und Koordination der <strong>richterliche</strong>n mit der jugendamtlichen<br />

<strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen. Dabei spielen auf der<br />

Ebene der <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> die sorgerechtlichen Normierungen <strong>von</strong> <strong>§</strong><br />

1666 BGB sowie Herausgabeverfahren nach <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB unter besonderer<br />

Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Grundsätze wie dem Recht der<br />

Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 Abs. 2 GG), dem Schutz der<br />

Menschenwürde (Art. 1 GG) und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit<br />

(Art. 2 GG) eine zentrale Rolle.<br />

3 Vgl. Eckert-Schirmer 1997 und Ziegler 1997.<br />

4 Walter 1995.


- 3 -<br />

Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Vormundschaftsrichter im Spannungsfeld<br />

<strong>von</strong> Elternrecht und Kindeswohl bei einem Antrag auf Entzug der elterlichen<br />

Sorge (<strong>§</strong> 1666 BGB) oder einem Herausgabeverlangen (<strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB)<br />

geltendes Recht interpretieren, den Prozeß der Rechtsgüterabwägung gestalten<br />

und welchen Einflüssen sie dabei ausgesetzt sind, d.h. welches Wissen bzw.<br />

welche Handlungsorientierungen die <strong>richterliche</strong> Entscheidung bestimmen. <strong>Die</strong><br />

Hypothese dabei ist, daß die Vormundschaftsrichter trotz einheitlicher Rechtsgrundlage<br />

einen Interpretationsspielraum im Verfahren haben, der sich entlang<br />

<strong>von</strong> niederschwelligen bis höherschwelligen Kriterien bspw. für den Entzug der<br />

elterlichen Sorge ausdifferenziert. Es erschien deshalb sinnvoll, eine "Clusterung"<br />

nach Richtertypen bzw. <strong>richterliche</strong>n Handlungsstilen und Handlungsorientierungen<br />

zu versuchen. Eine weitergehende Frageperspektive des Projekts, die<br />

im Rahmen der analytischen Durchdringung der Gesamtergebnisse angestrebt<br />

wird, ist es, Bausteine für eine Theorie der rechtlichen <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> familialen<br />

Generationenbeziehungen zu gewinnen.<br />

Dazu wurden Expertengespräche mit 9 Vormundschaftsrichtern an 7 Amtsgerichten<br />

der Bundesländer Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bremen<br />

und Sachsen auf der Basis eines Leitfadens durchgeführt. <strong>Die</strong> Interviews wurden<br />

auf Tonträger aufgenommen und transkribiert 5<br />

. <strong>Die</strong> Expertengespräche wurden<br />

im Zeitraum <strong>von</strong> Juni bis Oktober 1996 jeweils vor Ort durchgeführt. Für die<br />

Auswertung der Experteninterviews wurden Methoden der interpretativen Sozialforschung<br />

zugrundegelegt. 6<br />

3. Rechtliche Rahmenbedingungen der vormundschafts<strong>richterliche</strong>n<br />

<strong>Regulation</strong>: materielles Recht (GG, BGB, <strong>KJHG</strong>) und Verfahrensrecht<br />

(FGG)<br />

Zur Bearbeitung der spezifizierten Fragestellung müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

und hier insbesondere die rechtlichen Regelkreise des Grundgesetzes,<br />

des BGB und des <strong>KJHG</strong> in einen forschungsrelevanten Zusammenhang<br />

gesetzt werden (Abb. 1). Wichtig ist hier vor allem die Frage, wie unter dem<br />

Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung und der hierarchischen Ordnung<br />

5 Ein Richter äußerte nicht auszuräumende Bedenken gegen eine Aufnahme des Gesprächs,<br />

so daß das Interview handschriftlich aufgezeichnet wurde.<br />

6 Vgl. dazu Flick 1995; Meinefeld 1995; Kelle 1994; König/Zedler 1995.


- 4 -<br />

der unterschiedlichen Teilrechtssysteme insbesondere die zentralen Verfassungsgrundsätze<br />

auf die konkreten Teilrechtsordnungen des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

und des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (<strong>KJHG</strong>) wirken und Normierungen<br />

des <strong>KJHG</strong> sich auf das bürgerlich-rechtliche Teilrechtssystem auswirken.<br />

<strong>Die</strong>se Fragen sind Gegenstand einer rechtstheoretischen wie rechtspolitischen<br />

Diskussion, die im folgenden umrissen wird. 7<br />

Im Vordergrund vormundschafts<strong>richterliche</strong>r Befassung bei der <strong>Regulation</strong> der<br />

Pflegekindschaft (<strong>§</strong> <strong>33</strong> <strong>KJHG</strong>) stehen Fragen des vorübergehenden oder definitiven,<br />

teilweisen oder gänzlichen Sorgerechtsentzuges der leiblichen Eltern für ihr<br />

Kind. Sorgerechtsverfahren nach <strong>§</strong> 1666 BGB 8<br />

können dabei in unterschiedlichen<br />

Phasen der Pflegekindschaft (Vorphase, Plazierungsphase, Durchführungsphase)<br />

eingeleitet werden; sie stehen häufig am Beginn der jugendamtlichen<br />

Aktivitäten (Vorphase) oder sie werden seitens des Jugendamtes auch in der<br />

Plazierungsphase des Kindes bei den Pflegeeltern eingeleitet, in der Form eines<br />

Antrages an das Vormundschaftsgericht, bspw. den Herkunftseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />

zu entziehen 9<br />

und so eine Inpflegegabe des Kindes ohne<br />

7 Siehe dazu auch die einschlägigen Kommentare zu den <strong>§</strong><strong>§</strong> 1666 und 1632 Abs. 4 BGB bei<br />

Staudinger 1992, Palandt 1995. Vgl. desweiteren Lakies 1996a sowie Niemeyer 1996, Fricke<br />

1993; Siedhoff 1995.<br />

8 "<strong>§</strong> 1666 BGB Gefährdung des Kindeswohls<br />

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch mißbräuchliche<br />

Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes<br />

Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Vormundschaftsgericht,<br />

wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr<br />

abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das<br />

Gericht kann auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.<br />

(2) Das Gericht kann Erklärungen der Eltern oder eines Elternteils ersetzen.<br />

(3) Das Gericht kann einem Elternteil auch die Vermögenssorge entziehen, wenn er das<br />

Recht des Kindes auf Gewährung <strong>von</strong> Unterhalt verletzt hat und für die Zukunft eine Gefährdung<br />

des Unterhalts zu besorgen ist."<br />

Damit unmittelbar im Zusammenhang steht die Norm nach <strong>§</strong> 1666a BGB:<br />

"<strong>§</strong> 1666a BGB Trennung des Kindes <strong>von</strong> der elterlichen Familie; Entziehung der Personensorge<br />

insgesamt.<br />

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes <strong>von</strong> der elterlichen Familie verbunden<br />

ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche<br />

Hilfen, begegnet werden kann.<br />

(2) <strong>Die</strong> gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos<br />

geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, daß sie zur Abwendung der Gefahr nicht<br />

ausreichen."<br />

9 So waren in rd. 20,6 % (n=2484) der im Jahre 1992 in der Bundesrepublik begonnenen<br />

n=12072 Vollzeitpflegen in einer Pflegefamilie den leiblichen Eltern das Sorgerecht entzo-


- 5 -<br />

Einwilligung <strong>von</strong> Eltern auf der Basis eines vormundschafts<strong>richterliche</strong>n Beschlusses<br />

durchführen oder perpetuieren zu können. 10<br />

Auch Salgo unterstreicht,<br />

daß in 30 % - 50 % und damit "bei einem nicht geringen Anteil der Pflegekinder"<br />

die Fremdplazierung mit einer vormundschafts<strong>richterliche</strong>n Entscheidung einhergeht.<br />

11<br />

gen. Vgl. Fachserie 13, Reihe 6.1.2, Jugendhilfe - Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses<br />

1992, des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden, Tab. 5.2, S. 27. <strong>Die</strong> entsprechende<br />

Quote lag 1994 bei 23,8 % der insgesamt n=11453 begonnenen Vollzeitpflegen<br />

(vgl. entsprechende Fachserie für das Jahr 1994). Vgl. entsprechende Tabellen im Anhang.<br />

10 <strong>Die</strong>se Vorgehensweise der Jugendämter hebt auch Fricke (1993, 285) hervor.<br />

11 Salgo 1996a: 138. Siehe dazu auch die entsprechenden Tabellen zu "Sorgerechtsentzug bei<br />

Beginn der Maßnahme Vollzeitpflege (<strong>§</strong> <strong>33</strong> <strong>KJHG</strong>)" im Anhang, die auf Jahresdaten des<br />

Statistischen Bundesamtes beruhen.


- 6 -<br />

Abbildung 1: Rechtliche Rahmenbedingungen der <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong>,<br />

Normenkreise und normative Interdependenz<br />

<strong>KJHG</strong><br />

<strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>33</strong>, 36, 37,<br />

42, 50<br />

Normenkreise und normative Interdependenz<br />

GG<br />

Art. 6<br />

Art. 1, 2, 103<br />

FGG<br />

<strong>§</strong><strong>§</strong> 50 a, b c<br />

GG: Grundgesetz<br />

BGB: Bürgerliches Gesetzbuch<br />

<strong>KJHG</strong>: Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />

FGG: Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Geric htsbarkeit<br />

BGB<br />

<strong>§</strong><strong>§</strong> 1666, 1632 Abs. 4<br />

Ist eine Fremdplazierung des Kindes bei einer Pflegefamilie erfolgt und kommt<br />

es in der Gestaltungsphase des Pflegeverhältnisses zu einem Herausgabeverlangen<br />

der leiblichen Eltern gemäß <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB 12<br />

, so kann über einen<br />

12 "<strong>§</strong> 1632 BGB Anspruch auf Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Wegnahme<br />

<strong>von</strong> der Pflegeperson.<br />

(1) <strong>Die</strong> Personensorge umfaßt das Recht, die Herausgabe des Kindes <strong>von</strong> jedem zu verlangen,<br />

der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.<br />

(2) <strong>Die</strong> Personensorge umfaßt ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung<br />

für und gegen Dritte zu bestimmen.<br />

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet<br />

das Vormundschaftsgericht auf Antrag eines Elternteils; verlangt ein Elternteil die Herausgabe<br />

des Kindes <strong>von</strong> dem anderen Elternteil, so entscheidet hierüber das Familiengericht.


- 7 -<br />

vormundschafts<strong>richterliche</strong>n Beschluß eine Rückführungs- oder eine Verbleibensanordnung<br />

erfolgen und über letztere wiederum eine weitere Absicherung<br />

des Verbleibens des Kindes bei der Pflegefamilie. Der Verbleib des Kindes kann<br />

dabei flankierend durch einen (teilweisen) Sorgerechtsentzug im Wege eines<br />

Verfahrens nach <strong>§</strong> 1666 BGB zusätzlich abgesichert werden. 13<br />

Konflikte zwischen<br />

den Beteiligten bei der <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft können also unter<br />

Einschaltung des Vormundschaftsgerichts im Rahmen eines Herausgabeverfahrens<br />

nach <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB oder im Wege eines Sorgerechtsverfahrens gemäß<br />

<strong>§</strong> 1666 BGB sowie in Verknüpfung beider Verfahren ausgetragen werden.<br />

Herausgabeverfahren nach der seit 1.1.1980 geltenden Regelung des <strong>§</strong> 1632 Abs.<br />

4 BGB bei der <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen stellen jedoch eher<br />

eine relative Ausnahme dar. 14<br />

<strong>Die</strong> vormundschafts<strong>richterliche</strong> Prüfung des<br />

Herausgabeverlangens ist gemäß der Abfassung dieser Norm untrennbar mit<br />

einer Prüfung auf Tatbestandsmäßigkeit <strong>von</strong> <strong>§</strong> 1666 BGB verknüpft.<br />

Lakies/Münder betonen die Funktion des <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB als eine "Schutzvorschrift<br />

zugunsten des Pflegekindes" und führen weiter aus: "Das Kind, das<br />

seit längerem mit erwachsenen Bezugspersonen zusammenlebt, welche nicht<br />

seine Eltern sind, mit denen sich aber faktisch eine Eltern-Kind-Beziehung<br />

entwickelt hat, soll davor geschützt werden, durch eine Herausnahme aus diesem<br />

Sozialisationsfeld in seinem psychischen und physischen Wohlbefinden gefährdet<br />

zu werden". 15<br />

Als "klare Linie" der Rechtsprechung habe sich herauskristallisiert, daß ein<br />

Herausgabeverlangen eine "mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge" 16<br />

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind <strong>von</strong><br />

der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Vormundschaftsgericht <strong>von</strong> Amts wegen oder<br />

auf Antrag der Pflegeperson anordnen, daß das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn<br />

und solange für eine solche Anordnung die Voraussetzungen des <strong>§</strong> 1666 Abs. 1 Satz 1 insbesondere<br />

im Hinblick auf Anlaß oder Dauer der Familienpflege gegeben sind".<br />

13 So hält bspw. Lakies (1996, 38) "bei einem Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern eine<br />

sorgerechtliche Absicherung über die Möglichkeit der Verbleibensanordnung nach <strong>§</strong> 1632<br />

Abs. 4 BGB hinaus für wünschenswert", wenngleich er andererseits eine "Intervention<br />

nach <strong>§</strong> 1666 BGB" aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />

als prinzipiell erschwert ansieht.<br />

14 Siehe Punkt 5. Ergebnisteil.<br />

15 Lakies/Münder 1996, 139.<br />

16 Münder/Lakies (1996, 139) verweisen hier insbesondere auf einen Spruch des BayObLG<br />

vom 2.6.1987, Breg. 1 Z 25/87, NJW 1988,2381=NJW-RR 1988, 125, 1479.


- 8 -<br />

darstellen muß, aus der eine Gefährdung des Kindeswohls durch unvermittelte<br />

Herausnahme aus dem pflegefamilialen Lebensort resultieren würde, um eine<br />

<strong>richterliche</strong> Verbleibensanordnung verfügen zu können.<br />

Aufgabe des Gerichts ist folglich, bzgl. der Herkunftsfamilie zu klären, "ob und<br />

inwieweit die tatsächliche oder mutmaßliche Veränderung der Lebenssituation<br />

insbesondere in Hinblick auf das Wohl des Kindes tatsächlich `ausreichend'<br />

ist". 17<br />

Lakies betont ausdrücklich, daß leibliche Eltern, insoweit sie Personensorgeberechtigte<br />

sind, auch "Anspruchsinhaber des Rechtsanspruchs auf Hilfe zur<br />

Erziehung" seien, und gemäß <strong>§</strong> 5 Satz 3 <strong>KJHG</strong> der "Wahl und den Wünschen"<br />

der Herkunftseltern nach Möglichkeit seitens des Jugendamtes "zwingend" zu<br />

entsprechen sei. 18<br />

Auch Bergmann führt aus, daß demnach die Eltern "bestimmen<br />

können, ob ihr Kind in eine Pflegefamilie kommt". 19<br />

Zentral erscheint in<br />

diesem Zusammenhang folgende Feststellung <strong>von</strong> Lakies:<br />

"Das Jugendamt (als Sozialleistungsbehörde) hat keine eigenständige Befugnis,<br />

gegen den Willen der Personensorgeberechtigten zu handeln; insoweit ist eine<br />

gerichtliche Entscheidung nach <strong>§</strong> 1666 BGB erforderlich. [...] Hält das Jugendamt<br />

zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung das Tätigwerden des Gerichts<br />

für erforderlich, so hat es gemäß <strong>§</strong> 50 Abs 3 <strong>KJHG</strong> das Gericht anzurufen". 20<br />

Schon auf der Ebene der jugendamtlichen <strong>Regulation</strong> der Vollzeitpflege wird der<br />

wesentliche Einfluß der Personensorgeberechtigten, aber auch des Kindes bzw.<br />

Jugendlichen - entsprechend seinem Entwicklungsstand 21<br />

- bei der Hilfeplanung<br />

17 Münder/Lakies 1996, 147.<br />

18 Vgl. Lakies 1996, 31. Lakies führt an dieser Stelle weiter aus, daß die leiblichen Eltern<br />

auch über den Aufenthalt des Minderjährigen nach <strong>§</strong><strong>§</strong> 1626, 1631 BGB bestimmen, solange<br />

sie das Personensorgerecht innehaben und dies im Rahmen der Anwendung des <strong>KJHG</strong><br />

durch das Jugendamt zu berücksichtigen sei: "Wenn und soweit aber die leiblichen Eltern<br />

das Personensorgerecht innehaben, sind sie - unabhängig <strong>von</strong> den Festlegungen des <strong>§</strong> 36<br />

<strong>KJHG</strong> - nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zwingend bei der Entscheidung über<br />

eine `Fremdplazierung' ihres Kindes zu beteiligen, weil ein Vorgehen gegen ihren Willen<br />

ein Eingriff in ihr Personensorgerecht darstellen würde und damit rechtlich nicht zulässig<br />

ist".<br />

19 Bergmann 1996, 283.<br />

20 Lakies 1996, 31; siehe auch Beres 1984, 264.<br />

21 <strong>§</strong> 8 <strong>KJHG</strong>, Satz 1, der lautet: "Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungstand<br />

an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen.<br />

Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Ver-


- 9 -<br />

gemäß <strong>§</strong> 36 <strong>KJHG</strong> beteiligt zu werden, betont. Lakies hebt hier das Erfordernis<br />

eines qualifizierten Zusammenwirkens mehrerer Fachkräfte hervor, wie die<br />

Verpflichtung des Jugendamtes, zur Ermöglichung der Mitwirkung der Beteiligten<br />

"die äußeren Rahmenbedingungen" kooperativ zu gestalten und "die Betroffenen<br />

(zu) befähigen, daß diese ihre Interessen vorbringen und selbstbewußt<br />

vertreten können". 22<br />

Der Entzug des Sorgerechts bedeutet einen schweren Eingriff in die familialen<br />

Generationenbeziehungen, weil er die bisher personensorgeberechtigten leiblichen<br />

Eltern ihres Rechts auf eine autonome "Pflege und Erziehung" ihres Kindes<br />

benimmt. Der Eingriff ist zudem über die verfassungsmäßigen Grundsätze an<br />

hohe Voraussetzungen gebunden. Das verfassungsrechtlich garantierte Elternrecht<br />

auf Erziehung der Kinder (Art. 6 II GG) stellt ein hohes Rechtsgut dar, das<br />

nicht aus "niederschwelligen Gründen" verletzt werden darf. Es müssen weitreichende<br />

Gründe vorliegen, damit der Staat in die Autonomie der Eltern eingreifen<br />

darf. Das Elternrecht, so Barabas/Erler ist ein "absolutes Recht" und gewährt den<br />

Sorgeberechtigten einen Herausgabeanspruch nach <strong>§</strong> 1632 BGB gegen jeden, der<br />

den Eltern das Kind widerrechtlich vorenthält. 23<br />

Das Bundes-verfassungsgericht<br />

stellt dazu fest: "<strong>Die</strong> Maßnahme der Trennung eines Kindes <strong>von</strong> seiner Familie<br />

ist als stärkster Eingriff in das Elternrecht nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes<br />

der Verhältnismäßigkeit mit dem Grundgesetz vereinbar". 24<br />

Auch Salgo<br />

hebt den Verfassungsrang <strong>von</strong> Sorgerechts-entscheidungen hervor, wenn er<br />

konstatiert:<br />

"Verfassungsrechtliche Vorgaben und deshalb die höchsten Standards der Staatsintervention<br />

bestimmen den Umgang mit den verfassungsrechtlich geschützten<br />

Rechtsgütern wie Kindeswohl und Elternrecht. Hierbei darf in der Praxis der<br />

Kinder- und Jugendbehörden wie der Fachgerichte nicht übersehen werden, daß<br />

fahren vor dem Vormundschaftsgericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen". Vgl.<br />

Schellhorn 1995, 60. Lakies (1996, 32), hebt in diesem Zusammenhang grundsätzlich das<br />

Kind als "Träger <strong>von</strong> Grundrechten" hervor und verweist auf Art. 1 und 2 des Grundgesetzes,<br />

die die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit formulieren.<br />

22 Lakies 1996, 32.<br />

23 Barabas/Erler 1994, 149.<br />

24 Leitsatz 2 der Entscheidung des BVerfG vom 17.2.82, FamRZ 82, 567.


- 10 -<br />

nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts letztlich das Kindeswohl<br />

bestimmend sein muß". 25<br />

Für die exponierte Position des Richters bedeutet dies, einen äußerst schwierigen<br />

Abwägungsprozeß vorzunehmen, inwieweit durch das (auch unverschuldete)<br />

Verhalten der Eltern das Elternrecht "verwirkt" ist und Entscheidungen mehr<br />

oder weniger ausschließlich vom Kindeswohl her zu treffen sind.<br />

Ein Eingriff in die Elternrechte kann also nur "begründet" erfolgen. Hier setzen<br />

die <strong>§</strong><strong>§</strong> 1666 und 1666a BGB die rechtlichen Maßstäbe für die Eingriffsmöglichkeiten<br />

in das Elternrecht seitens des Staates sowohl generell, wie auch mit Bezug<br />

auf die "<strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft". Der <strong>richterliche</strong>n Entscheidung in<br />

Sorgerechtsfragen kommt auch insoweit eine gesteigerte Bedeutung bei, als<br />

"Juristen, insbesondere Richter [...] historisch zu Hütern des Rechtsbegriffs" 26<br />

geworden sind, d.h. <strong>von</strong> dieser Instanz auf der Basis ausführlicher Sachverhaltsermittlung<br />

substantiierte Gründe für eine Entscheidung auf Entzug der elterlichen<br />

Sorge geltend gemacht werden müssen. Von Bedeutung ist folglich, die <strong>richterliche</strong>n<br />

Kriterien, die Ermittlungshandlungen und die <strong>richterliche</strong> Entscheidungsfindung<br />

in Sorgerechtsverfahren nach <strong>§</strong> 1666 BGB zu verobjektivieren und den<br />

Prozeß der <strong>richterliche</strong>n Rechtsgüterabwägung zwischen Elternrecht und Kindeswohl<br />

- auch unter dem Aspekt <strong>von</strong> Veränderungen in diesem Abwägungsprozeß<br />

seit der Einführung des <strong>KJHG</strong> 27<br />

- zu rekonstruieren. So konstatiert bspw.<br />

Salgo im Blick auf entsprechende Normierungen im <strong>KJHG</strong>: "Ob das <strong>KJHG</strong> die<br />

prekäre Balance zwischen Elternrecht und Kindeswohl richtig akzentuiert hat,<br />

25 Salgo 1996, 21.<br />

26 Rottleuthner, Hubert. (1973, S. XI)<br />

27 Auf der Seite der jugendamtlichen <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft werden heterogene<br />

Einschätzungen über den Implementationsstand des Kinder- und Jugendhilfegesetzes nach<br />

5 Jahren Jugendhilfepraxis abgegeben sowie "Implementationsdefizite" diagnostiziert. Vgl.<br />

Salgo (1996, 22), der weiter ausführt: "<strong>Die</strong> eindeutigsten Belege für diese Implementationsdefizite<br />

sind: Fehlende oder mangelhafte Hilfeplanung; Versäumnisse bei der - oft sicherlich<br />

schwierigen - Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen; Verharren im `Glaubenskrieg'<br />

um Ergänzungs- versus Ersatzfamilie; Unehrlichkeit und mangelnde Transparenz<br />

Eltern, Pflegeeltern sowie Kindern und Jugendlichen gegenüber; Offenhaltenlassenwollen<br />

<strong>von</strong> Optionen über aus kindlicher Zeitperspektive nicht mehr erträglichen Zeiträumen;<br />

Unkenntnis oder Fehlinterpretation der gesetzlichen Vorgaben. Es gibt aber auch falsche<br />

Erwartungen oder überzogene Hoffnungen hinsichtlich der Reichweite der <strong>KJHG</strong>-<br />

Regelungen zur Pflegekindschaft".


- 11 -<br />

wurde immer wieder gefragt". 28<br />

Ob hier Einflüsse der Implementation des <strong>KJHG</strong><br />

auch im vormundschafts<strong>richterliche</strong>n Verfahren festzustellen sind, ist folglich<br />

eine wichtige Frage. Denn die <strong>richterliche</strong> Entscheidung in Fragen des Sorgerechts,<br />

die zum Einsatz gebrachten rechtlichen und außerrechtlichen Maßstäbe<br />

und Orientierungen für die Indikation einer Gefährdung des Kindeswohls, haben<br />

wesentlichen Einfluß auf die weitere <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft. Sie bestätigen<br />

oder verändern die Grundlagen für die Fortsetzung der <strong>Regulation</strong> des<br />

Verfahrens auf der jugendamtlichen Ebene und setzen ein Signal für die Gestaltungsmöglichkeiten<br />

des Pflegekindverhältnisses und die Zuordnung der beiden<br />

familialen Systeme der Herkunfts- und Pflegefamilie. Hier hebt vor allem Lakies<br />

dezidiert hervor, daß auch ein Entzug der elterlichen Sorge das Kooperationsgebot<br />

gemäß <strong>§</strong> 37 Abs. 1 <strong>KJHG</strong> nicht außer Kraft setzen würde und betont:<br />

"Den Fachkräften der Jugendhilfe kommt hier eine besondere Verantwortung zu,<br />

es bedarf ihrer vermittelnden, moderierenden und konfliktschlichtenden Aktivitäten".<br />

29<br />

Dabei gilt in der Regel der Grundsatz der Freiwilligkeit, d.h., so Lakies: "Eine<br />

Sozialleistung kann niemandem gegen seinen Willen aufgezwungen werden. <strong>Die</strong><br />

Leistungen nach den <strong>§</strong><strong>§</strong> 27 ff <strong>KJHG</strong> sind damit <strong>von</strong> der Zustimmung, <strong>von</strong> der<br />

positiven Entscheidung der Personensorgeberechtigten, abhängig. Sind die<br />

Personensorgeberechtigten nicht bereit, der Hilfe zuzustimmen, muß zunächst<br />

versucht werden, durch Gespräche Einvernehmen dahin zu erreichen, daß die für<br />

notwendig gehaltene Hilfe eingeleitet werden kann. Scheitern solche Gespräche<br />

oder läßt eine akute Gefahr für den Minderjährigen solche nicht zu, sind Maßnahmen<br />

des Vormundschaftsgerichts einzuleiten, notfalls zunächst im Wege der<br />

vorläufigen Anordnung". 30<br />

28 Salgo 1996, 22.<br />

29 Lakies 1996, 35, der wenig später an anderer Stelle mit Verweis auf eine entsprechende<br />

Formulierung in BT-Drs. 11/5948, 75, einschränkend ausführt: "Gelingt eine einvernehmliche<br />

Regelung mit den leiblichen Eltern nicht, so ist ggf. das Vormundschaftsgericht einzuschalten".<br />

Vgl. Lakies 1996, 36.<br />

30 Lakies (1996a, 297), der hier auf das entsprechende Gutachten des Deutschen Vereins vom<br />

26.4.1994 (G 100/92), NDV 1995, S. 168, 169, verweist. Siehe zusätzlich auch Schellhorn/Wienandt<br />

1991, Rz. 15 betr. <strong>§</strong> 27 <strong>KJHG</strong>.


- 12 -<br />

Es bedarf folglich dann der vormundschaftsgerichtlichen Intervention, insoweit<br />

eine seitens des Jugendamtes für notwendig und geeignet erachtete Hilfe bei den<br />

Personensorgeberechtigten auf Ablehnung stößt, da eine `Fremdplazierung' ohne<br />

die Einwilligung der personensorgeberechtigten Eltern rechtlich nicht möglich<br />

ist. Werden dem Jugendamt Vorgänge der Kindeswohlgefährdung bekannt bei<br />

gleichzeitiger Verweigerung bzw. Ablehnung <strong>von</strong> Hilfeangeboten durch die<br />

personensorgeberechtigten Eltern, muß, so Lakies, "das Jugendamt das Vormundschaftgericht<br />

anrufen" gemäß <strong>§</strong> 50 Abs. 3 <strong>KJHG</strong>, da "nur die staatlichen<br />

Gerichte" befugt sind, "in das Elternrecht einzugreifen". 31<br />

Zu den Kriterien und der Vorgehensweise des Jugendamtes bei (Verdacht auf)<br />

Kindeswohlgefährdung gibt es eine ausführliche Literatur, auf die an dieser<br />

Stelle nur verwiesen werden kann. 32<br />

<strong>Die</strong> Verzahnung und strukturelle Interdependenz<br />

des jugendamtlichen und vormundschafts<strong>richterliche</strong>n Verfahrens bei<br />

der <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft wird somit über den zu prüfenden Tatbestand<br />

der Kindeswohlgefährdung hergestellt.<br />

Sowohl im Bereich der jugendamtlichen wie der gerichtlichen <strong>Regulation</strong> der<br />

Pflegekindschaft, deren strukturelle Interdependenz im Ergebnisteil (Abb. 2)<br />

dargestellt ist, geht es darum, daß die "Standards für eine gelingende Sozialisation<br />

rechtlich gesichert werden - soweit dies mit dem Instrumentarium `Recht'<br />

möglich ist". <strong>33</strong><br />

Hier hebt gerade auch Salgo die Probleme des Rechts mit "einem<br />

dynamischen `Regelungsgegenstand' wie einem Kind" hervor und fordert "kindspezifische<br />

Regelungen, insbesondere auch auf dem Gebiet des Verfahrensrechts".<br />

34<br />

<strong>Die</strong>ses Postulat läßt sich sowohl auf das jugendamtliche wie gerichtli-<br />

31 Lakies 1996a, 297.<br />

32 Oberloskamp/Adams (1996, 270, 271), die in ihrem einschlägigen Kommentar ausführen,<br />

daß die Inanspruchnahme einer notwendigen Hilfe nicht daran scheitern darf, daß die Eltern<br />

sie ablehnen, und konstatieren: "Vielmehr ist der Staat aufgrund seines Wächteramtes<br />

(Art. 6 II 2 GG) aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, daß der Minderjährige die erforderliche<br />

Hilfe erhält. [...] Das Tätigwerden des Gerichts ist dann erforderlich, wenn das JA ein Ziel<br />

anstrebt, das es selber nicht herbeiführen kann. <strong>Die</strong>s trifft in der Regel dann zu, wenn in<br />

das elterliche Sorgerecht eingegriffen werden soll." Zu Fragen der Einschaltung der Vormundschaftsgerichte<br />

durch die Jugendhilfe, siehe zum Ganzen auch Kunkel 1995; Kron-<br />

Kles 1996 sowie Harnach-Beck 1996.<br />

<strong>33</strong> Münder 1990, 50.<br />

34 Salgo 1990, 61. Mit Formen der Anhörung des Kindes im Rahmen <strong>von</strong> Strafverfahren und<br />

familien- wie vormundschaftsgerichtlichen Verfahren befaßt sich eingehend das <strong>von</strong> Salgo


- 13 -<br />

che Verfahren anwenden und prüfen, für das letztere insbesondere im Blick auf<br />

die nach dem FGG 35<br />

vorgesehenen Anhörungen der Eltern (<strong>§</strong> 50 a FGG), des<br />

Kindes (<strong>§</strong> 50 b FGG) und ggf. der Pflegeeltern (<strong>§</strong> 50 c FGG).<br />

Wie die Richter mitteilen, ist es gewöhnlich das Jugendamt, das an die Vormundschaftsrichter<br />

mit dem Antrag auf Entzug des Sorgerechts herantritt, diesen<br />

Antrag durch die Formulierung <strong>von</strong> Tatbeständen begründet und dem Richter<br />

i.d.R. einen ausführlichen Bericht über unternommene bzw. fehlgeschlagene<br />

Hilfen in der Sache unterbreitet.<br />

<strong>Die</strong> Berufung auf <strong>§</strong> 1666 I 1 BGB setzt voraus, daß eine körperliche, seelische<br />

und/oder geistige Gefährdung des Kindes zu befürchten ist und ein elterliches<br />

Fehlverhalten, bspw. durch Mißbrauch oder Vernachlässigung oder auch unverschuldetes<br />

Versagen als Verursachungshintergrund der Gefährdung des Kindes<br />

festgestellt werden kann. Hinzu kommt die Unfähigkeit oder Unwilligkeit der<br />

leiblichen Eltern - denen zunächst das Gefahrabwendungsprimat zusteht - mitzuhelfen,<br />

die Gefahr für das Kind abzuwenden. Natürlich muß in diesem Stadium<br />

seitens des Jugendamtes auch geprüft werden, ob es keine andere Konfliktregulierungsmöglichkeit<br />

mehr gibt, als diejenige über das Vormundschaftsgericht. 36<br />

Oberloskamp/Adams stellen fest, daß das Jugendamt "die Tatbestandsmerkmale<br />

des <strong>§</strong> 1666 BGB sorgfältig zu prüfen" hat und diese in ihrer Stellungnahme an<br />

das Gericht "eingehend erläutert und überzeugend belegt" darlegen soll. 37<br />

<strong>Die</strong> "Rechtsfolge", so Oberloskamp/Adams, "die das Gericht ausspricht, wird<br />

mindestens so weit gehen, daß das Kind die nötige Hilfe erhalten kann". Der<br />

1995 herausgegeben Buch "Vom Umgang der Justiz mit Minderjährigen. Auf dem Weg<br />

zum Anwalt des Kindes".<br />

35 Zum Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG), vgl.<br />

Bassenge 1995.<br />

36 Röhl (1987: 482) betont den "Filterungsprozeß", in dem "die große Masse der Konflikte"<br />

auf vorgerichtlicher Stufe "hängen bleibt" und ein Streit "entweder gar nicht oder nur zwischen<br />

den Parteien oder jedenfalls außerhalb der Gerichte ausgetragen wird".<br />

37 Oberloskamp/Adams 1996, 270, 271. Daß dies in der Praxis der Sozialarbeit mitunter<br />

äußerst schwer zu realisieren ist, betont Stiels-Glenn (1996, 13) in seinem Hinweis, die Sozialarbeiter/innen<br />

hätten "viele problematische Familien zu betreuen, der Arbeitsdruck ist<br />

hoch. Personalausstattung und Sachmittel waren und sind knapp und wurden <strong>von</strong> Anstellungsträgern<br />

noch zusammengestrichen. Für Supervision und regelmäßige Fallbesprechungen<br />

gibt es kaum Geld und Raum".


- 14 -<br />

Richter muß erwägen, ob es gerechtfertigt erscheint, den Eltern das Recht der<br />

Inanspruchnahme einer durch sie bestimmten Hilfe zur Erziehung zu entziehen.<br />

Er hat ggf. weiterhin zu prüfen, inwieweit das Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />

einzuschränken ist, damit die seitens des Jugendamtes als zur Abwendung der<br />

Gefahr notwendig erkannte Hilfe durchgeführt werden kann, und darüber hinaus<br />

weitere Bestandteile der Personensorge einzuschränken sind, "damit sich die<br />

Eltern nicht negativ in die Hilfe einschalten können". 38<br />

Lakies stellt jedoch<br />

ausdrücklich fest:<br />

"Auch im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren ist also wiederum zu prüfen,<br />

ob nicht die freiwillige Inanspruchnahme etwa der Hilfe zur Erziehung `Vollzeitpflege'<br />

gemäß <strong>§</strong> <strong>33</strong> <strong>KJHG</strong> durch die Eltern ausreichend ist, die Kindeswohlgefährdung<br />

abzuwenden. Summarische Ausführungen des Gerichts hierzu reichen<br />

nicht, vielmehr muß im einzelnen und konkret geprüft werden, welche anderen<br />

Maßnahmen eine Trennung des Kindes <strong>von</strong> den Eltern erübrigen könnten." 39<br />

Inwieweit im Rahmen <strong>von</strong> vormundschafts<strong>richterliche</strong>n Verfahren nach <strong>§</strong> 1666<br />

BGB das Gericht befugt ist, konkrete Handlungsanweisungen für das Jugendamt<br />

beim Einsatz <strong>von</strong> Erziehungshilfen vorzugeben, ist in der rechtspolitischen<br />

Diskussion umstritten. 40<br />

38 Vgl. Oberloskamp/Adams 1996, 271. Dabei führen sie an dieser Stelle zum betreffenden<br />

Punkt weiter aus: "<strong>Die</strong> Anwendung <strong>von</strong> Rechtsnormen im psychosozialen Bereich geschieht<br />

nur nach einem Wägen, nicht aufgrund <strong>von</strong> Messen! [...] Das Ausfüllen <strong>von</strong> Tatbestandsmerkmalen,<br />

die unbestimmte Rechtsbegriffe beinhalten, läßt sich nicht durch ein<br />

Subsumieren im handwerklich-technischen Sinne vornehmen, sondern nur durch ein Abwägen<br />

unter Einbeziehung <strong>von</strong> Fachwissen (Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Sozialmedizin<br />

[...]). Dabei ist die Berücksichtigung des Sachverhalts unumgänglich. Nur wenn er<br />

so weit wie möglich aufgeklärt ist, [...] ist ein verantwortungsbewußtes Beurteilen und Entscheiden<br />

möglich. Bei den einzelnen zu prüfenden Tatbestandsmerkmalen ist daher zunächst<br />

immer zu fragen, was sie theoretisch beinhalten. Dann ist aus dem Sachverhalt herauszuholen,<br />

was er ohne Pressen hergibt (evtl. Auflisten <strong>von</strong> Fakten). Schließlich ist zu<br />

fragen, ob bei Zugrundelegung dieses Sachverhaltes und unter Einbeziehung <strong>von</strong> Erkenntnissen<br />

aus anderen Wissenschaften das Tatbestandsmerkmal als erfüllt angesehen werden<br />

kann (= Subsumtion)."<br />

39 Lakies (1996a, 299) verweist hier in seiner Fn 110 ausdrücklich auf eine entsprechende<br />

Formulierung des BayObLG, dokmentiert in FamRZ 1991, 1218, 1220; bzw. NJW 1992,<br />

121,122. Eingehend dazu auch Fricke 1993, 284 ff. Vgl. desweiteren Staudingers Kommentar<br />

zum BGB 1992, sowie Palandt BGB-Kommentar 1995.<br />

40 Positiv zur Bindungswirkung vormundschaftsgerichtlicher Vorgaben an das Jugendamt<br />

stellt sich das OLG Frankfurt/M, nach dessen Entscheidung das Vormundschaftsgericht


- 15 -<br />

Für die jugendamtliche <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft stellt Harnach Beck fest:<br />

"Zunächst muß <strong>von</strong> seiten der öffentlichen Jugendhilfe alles getan werden, um<br />

die Eltern zu befähigen, ihre Pflege- und Erziehungsverantwortung wahrzunehmen<br />

oder, wenn dies nicht zu realisieren ist, zumindest kompensierende Angebote<br />

akzeptieren zu können. Hilfe geht vor Eingriff. Vor überstürzten Interventionen<br />

ist demnach nicht nur bei Mißhandlung zu warnen, wie dies <strong>von</strong> den Mitarbeitern<br />

des Berliner Kinderschutzzentrums immer wieder getan wurde, sondern<br />

bei allen Arten <strong>von</strong> Kindeswohlgefährdung. Zu schnelles Eingreifen kann u.U.<br />

die Hilfe erschweren oder unmöglich machen. Außerdem darf das Vormundschaftsgericht<br />

nur dann das Sorgerecht entziehen, wenn die Tatsachen, aus denen<br />

auf die Gefährdung des Kindes geschlossen wird, erwiesen sind. [...] Das kann<br />

aber auf der anderen Seite nicht heißen, daß ein Eingriff ins Sorgerecht tabu sein<br />

muß. Und es darf nicht so interpretiert werden, daß man sich mit Kontrolle und<br />

Eingriff beliebig lange Zeit lassen kann. [...] Grundsätzlich gibt es vier Entscheidungsmöglichkeiten,<br />

<strong>von</strong> denen zwei richtig und zwei falsch sind. Richtig wären<br />

die beiden folgenden Entscheidungen: 1. Das Kind ist gefährdet, und es erfolgt<br />

ein Eingriff; oder aber 2. es erfolgt kein Eingriff, weil das Kind nicht gefährdet<br />

ist. Falsch sind die Entscheidungen: 3. keinen Eingriff vorzubereiten, obwohl das<br />

Kind gefährdet ist, und 4. einen Eingriff vorzubereiten, ohne daß eine Gefährdung<br />

vorliegt". Fehler seien bei "nicht völlig eindeutigen" Situation nicht zu<br />

vermeiden, "können aber ernsthafte negative Konsequenzen haben". 41<br />

Dabei wird es aus der Position jugendamtlicher <strong>Regulation</strong> als schwerwiegender<br />

angesehen, ein Kind im Gefährdungsmilieu zu belassen, d.h., kein Eingriff<br />

vorzunehmen, obgleich das Kind gefährdet ist. Gerade um negative Konsequenzen<br />

für das Kind zu vermeiden, riskiert das Jugendamt dann, so Harnach Beck,<br />

auch eher den Fehler, "das Vormundschaftsgericht irrtümlich anzurufen". 42<br />

Auch<br />

diese Überlegungen lassen es relevant erscheinen, die <strong>richterliche</strong>n Handlungsorientierungen<br />

in den meist <strong>von</strong> Jugendämtern angestoßenen vormundschaftsgerichtlichen<br />

Verfahren näher zu beleuchten.<br />

befugt ist "Jugendhilfemaßnahmen mit Bindungswirkung für das Jugendamt anzuordnen".<br />

Vgl. Beschluß d. OLG Frankfurt/M v. 3.11.92 - 20 W 71/93. In: ZfJ 11/93, 561. Zustimmend<br />

auch Staudinger 1992, 321; dagegen halten Fieseler/Herborth (1996, 128) das Gericht<br />

nicht zu Anordnungen gegenüber dem Jugendamt befugt.<br />

41 Harnach Beck 1996, 26, 27.<br />

42 Harnach Beck 1996, 27.


4. Stand der Forschung<br />

- 16 -<br />

<strong>Die</strong> empirische Forschung auf dem Gebiet der <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen<br />

wird <strong>von</strong> Salgo nach wie vor als "defizitär" eingeschätzt:<br />

"Ein repräsentatives Bild über die Lebenswirklichkeit des Pflegekindes, seiner<br />

Herkunfts- und Pflegefamilie sowie über den Behördenalltag haben wir nicht; die<br />

Forschungslage ist völlig defizitär". 43<br />

Expertengespräche mit Vormundschaftsrichtern speziell über die vormundschafts<strong>richterliche</strong><br />

<strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen wurden ersichtlich<br />

außer in der Untersuchung <strong>von</strong> Lempp u.a. 44<br />

keine weiteren durchgeführt.<br />

Insoweit empirische Untersuchungen zur <strong>richterliche</strong>n Befassung mit<br />

<strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen durchgeführt wurden, beziehen sich diese auf<br />

eine Analyse der Rechtsprechung der Fachgerichte in Sorgerechtsverfahren (<strong>§</strong><br />

1666 BGB) und Herausgabeverfahren (<strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB).<br />

<strong>Die</strong> Studie <strong>von</strong> Lempp u.a. widmet sich spezifisch der Analyse des am 1.1.1980<br />

eingeführten <strong>§</strong> 50 b FGG der "Anhörung <strong>von</strong> Kindern und Mündeln". <strong>Die</strong> Einführung<br />

dieses Paragraphen habe, so die Autoren mit Bezug auf Erkenntnisse des<br />

Bundesjustizministeriums, "vielfach zu einer Verunsicherung der Familien- und<br />

Vormundschaftsrichter geführt. Insbesondere wurde die Besorgnis laut, die<br />

Anhörung könnte zu einer psychischen Belastung des Kindes werden, vor allem,<br />

wenn es sich um kleinere Kinder handelt", die vor "unzumutbaren Belastungen"<br />

und schädlichen Folgewirkungen geschützt werden sollten. 45<br />

Lempp u.a. haben im Rahmen dieser größeren Untersuchung auch Anhörungen<br />

<strong>von</strong> Kindern in 6 Verfahren nach <strong>§</strong> 1666 BGB beobachtet und stellten fest, daß<br />

gerade hier "das Kind <strong>von</strong> der Familienproblematik meist besonders stark betroffen"<br />

sei; sie konstatieren, daß der Streit zwischen Pflegeeltern und leiblichen<br />

Eltern für das Kind als sehr belastend empfunden wird. 46<br />

Als ein wichtiges<br />

Resultat führen sie auf, daß <strong>von</strong> den Richterinnen und Richtern die Möglichkeit<br />

43 Salgo 1996, 20. Zustimmend dazu auch Balloff (1995, 255), der empirische Studien zur<br />

jugendamtlichen und <strong>richterliche</strong>n Praxis seit Inkrafttreten des <strong>KJHG</strong> vermißt.<br />

44 Lempp u.a. 1987.<br />

45 Lempp u.a. 1987, 9.<br />

46 Lempp u.a. 1987, 92.


- 17 -<br />

des Gesprächs mit dem Kinde noch keineswegs "in seiner Vielfalt erkannt und<br />

genutzt wird." 47<br />

Lempp u.a. führen weiter aus, daß der Richter in familien- wie vormundschaftsrechtlichen<br />

Verfahren die "Aufgabe eines Anwalts des Kindes" in Wahrnehmung<br />

des staatlichen Wächteramtes gem. Art. 36 Abs. 2 Satz 2 GG übernehmen würde.<br />

48<br />

Sie betonen jedoch, daß gerade Vormundschaftsrichter, im Unterschied zu<br />

den Familienrichtern, mit entsprechenden Verfahren nur wenig befaßt seien, so<br />

"daß sie gar nicht in der Lage sind, die für eine Anhörung notwendige Erfahrung<br />

zu sammeln". 49<br />

Sie äußern sich insoweit auch skeptisch über die Möglichkeit<br />

<strong>von</strong> Richtern, die Rolle eines Anwalts des Kindes übernehmen zu können. Das<br />

korrespondiert mit der Auffassung <strong>von</strong> Salgo, der feststellt, daß selbst eine<br />

"gelingende Kindesanhörung im gerichtlichen Verfahren" nicht die "eigenständige<br />

Kindesvertretung" ersetzen könne: "Es geht um nichts Geringeres als um die<br />

Sicherung der höchstmöglichen rechtsstaatlichen und fachlichen Standards <strong>von</strong><br />

Interventionen, zu denen der Staat aus der <strong>von</strong> der Verfassung ihm zugeschriebenen<br />

Wächteramtsfunktion verpflichtet sein kann. Eigenständige Kindesvertretung<br />

richtet sich also nicht gegen Eltern, Behörden oder gar Gerichte, sie hat vielmehr<br />

wegen der strukturellen Unterlegenheit des Minderjährigen die Funktion eines<br />

zusätzlichen Sicherheitsnetzes". 50<br />

Vor diesem Hintergrund erscheint es wichtig,<br />

die Expertengespräche im Hinblick auf die Ausführungen der Richter zu den<br />

Anhörungen näher zu analysieren.<br />

<strong>Die</strong> <strong>von</strong> Münder/Lakies mittels systematischer Analyse in Fachzeitschriften für<br />

den Zeitraum 1980 bis 1989 untersuchten gerichtlichen Entscheidungen betrafen<br />

sämtliche dort dokumentierte Verfahren bzw. Entscheidungen "zu den <strong>§</strong><strong>§</strong> 1666<br />

und 1632 Abs. 4 BGB bzw. zu den Stichwörtern Kindesherausgabe / Kindeswohl<br />

47 Lempp u.a. 1987, 102.<br />

48 Lempp u.a. 1987, 105. Weiterhin streichen Lempp u.a. (1987, 105) die Bedeutung der<br />

Anhörungen für das Kind hervor: "Für das Kind bedeutet die Anhörung insofern eine entscheidende<br />

Chance, als der <strong>§</strong> 50 b FGG erstmals dem Kind in einem rechtlichen Verfahren<br />

den Status eines nicht vertretbaren Verfahrensbeteiligten verschafft und damit die Voraussetzungen<br />

erfüllt, daß seine Wünsche und Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Berücksichtigung<br />

des Kindeswohls auch Beachtung erfahren".<br />

49 Lempp u.a. 1987, 109.<br />

50 Salgo 1993, 289.


- 18 -<br />

/ Pflegekinder / Sorgerecht", 51<br />

erhebt jedoch aufgrund der sehr selektiven Dokumentation<br />

solcher Gerichtsentscheidungen keinen Anspruch auf Repräsentativität.<br />

<strong>Die</strong> Fragerichtung der Forscher, die sich auf Basis des vorgefundenen insgesamt<br />

n=80 Entscheidungen umfassenden Aktenmaterials mit "Gründe und<br />

Folgen der Beendigung <strong>von</strong> Pflegeverhältnissen" befaßten, ist mit der unsrigen<br />

Fragestellungen jedoch nicht identisch.<br />

In gerichtlichen Vorgängen, die Herausgabeverlangen betrafen, war der Anlaß<br />

durch eine tatsächliche oder vermeintliche "Änderung der Lebenssituation der<br />

leiblichen Eltern" bspw. durch eine inzwischen erfolgte Stabilisierung einer<br />

Partnerbeziehung und/oder bspw. Wohn(umfeld)verbesserungen gegeben. 52<br />

Hier<br />

galt es, so die Autoren, vor Gericht deutlich zu machen, daß eine Änderung der<br />

seinerzeit zur Fremdplazierung Anlaß gebenden herkunftsfamilialen Lebenssituation<br />

eingetreten sei.<br />

Münder/Lakies konstatieren die bekannte Tatsache, daß für die <strong>richterliche</strong><br />

Entscheidung dabei die Dauer der Familienpflege eine zentrale Rolle spiele,<br />

gegenüber der "andere Gesichtspunkte" zurückreten, ohne sich dabei jedoch an<br />

fixen Fristen zu orientieren und stattdessen eher auf Einzelfallprüfung abzuheben.<br />

53<br />

Dennoch ist festzustellen, daß bei einem zwei und mehr Jahre andauernden<br />

Aufenthalt des Kindes in einer Pflegefamilie eine Herausnahme des Kindes<br />

in den meisten Fällen durch das Gericht abgelehnt wird. Dabei ist der gerichtliche<br />

Verweis auf die Dauer des Pflegeverhältnisses argumentativ mit Aussagen<br />

über daraus resultierende "Bindungen des Kindes" verbunden. 54 Richter, so<br />

Münder/Lakies, versuchten hier bisweilen, "den Willen des Kindes aus ihrer<br />

Sicht mehr oder weniger intensiv `authentisch' zu interpretieren", wobei jedoch<br />

auf Grundlage der durchgeführten Analysen offen bleiben müsse, ob es sich bei<br />

der zwingend nach <strong>§</strong> 50 b FGG vorgeschriebenen Anhörung des Kindes "um<br />

eine rein technische Berücksichtigung einer formalen Verfahrensvorschrift<br />

handelt oder ob die Anhörung verstanden wird als Chance, sich einen persönlichen<br />

Eindruck <strong>von</strong> den Beteiligten, <strong>von</strong> den sozialen Situationen, vom Willen<br />

51 Münder/Lakies 1996, 140. <strong>Die</strong>se Untersuchung wurde bereits einem vorhergehenden<br />

Artikel <strong>von</strong> Münder/Lakies 1990 mit weitgehender Übereinstimmung in Resultat und Darstellung<br />

zugrundegelegt.<br />

52 Münder/Lakies 1996, 145, 146.<br />

53 Münder/Lakies 1996, 149, 150.<br />

54 Münder/Lakies 1996, 152.


- 19 -<br />

der Kinder, <strong>von</strong> den Bedingungen usw. zu verschaffen". 55 Weiter betonen die<br />

Autoren einen Einfluß des Jugendamtes insbesondere, "wenn es um Verfahren<br />

im Kontext <strong>von</strong> <strong>§</strong> 1666 BGB geht". Hier ist aus der rechtssoziologischen Forschung<br />

bekannt, daß allein bereits die Andeutung der Initiierung eines gerichtlichen<br />

Verfahrens "ein wichtiges Element in Aushandlungsprozeduren sein" und<br />

"zur Disziplinierung <strong>von</strong> Individuen beitragen" kann. 56<br />

Bzgl. der Herausgabeverfahren wird <strong>von</strong> ihnen hervorgehoben, daß insbesondere<br />

im Falle einer Verbleibensanordnung des Kindes in der Pflegefamilie, bei der die<br />

Personensorge jedoch bei den leiblichen Eltern verbleibt, Friktionen zwischen<br />

"Sorgerechtsinhaberschaft und tatsächlichem Lebensmittelpunkt" entstehen,<br />

denen einige Gerichte dadurch begegnen, daß sie "den Eltern auch das Sorgerecht<br />

oder Teile dessen entziehen", was die Autoren jedoch angesichts "der<br />

deutlichen Betonung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor allem durch das<br />

Bundesverfassungsgericht" als zweifelhaft ansehen. 57<br />

Stattdessen plädieren sie<br />

reformatorisch für ein Antragsrecht auch der Pflegeeltern auf Übertragung <strong>von</strong><br />

Angelegenheiten der elterlichen Sorge nach <strong>§</strong> 1630 Abs. 3 BGB, das bisher nur<br />

den leiblichen Eltern zusteht.<br />

Unter dem Punkt "Entwicklungstrends" diagnostizieren die Autoren:<br />

"Erkennbar ist [...], daß die Rechtsprechung weniger nach der rechtlichen Qualität<br />

der Beziehungen zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen fragt,<br />

sondern danach, ob das Kind in dem Zusammenleben mit seinen erwachsenen<br />

Bezugspersonen seine soziale Bezugswelt gefunden hat. Abgestellt wird mithin<br />

mehr auf die faktische als auf die rechtliche Qualität der Beziehungskonstellation<br />

zwischen Kind und Erwachsenen". 58<br />

55 Münder/Lakies 1996, 155.<br />

56 Rottleuthner 1987, 86.<br />

57 Münder/Lakies 1996, 167. Eine Verbleibensanordnung nach <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB, so<br />

Münder/Lakies stelle eine weniger einschneidende Maßnahme dar als der (teilweise) Entzug<br />

der elterlichen Sorge gemäß <strong>§</strong> 1666 BGB. Sie schließen daraus gemäß des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes:<br />

"Besteht der Sorgerechtsmißbrauch nur im (möglichen) Herausgabeverlangen,<br />

so rechtfertige dies nur eine Verbleibensanordnung, nicht aber eine Maßnahme<br />

nach <strong>§</strong> 1666 BGB" (ebd. S. 171).<br />

58 Münder/Lakies 1996, 169.


- 20 -<br />

Auch Niemeyer 59<br />

hebt in ihrer Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />

bei <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen die schwache Rechtsposition<br />

der Pflegefamilie auch nach erfolgter gerichtlicher Verbleibensanordnung hervor<br />

und spricht sich für eine Stärkung der rechtlichen Stellung der Pflegefamilie aus.<br />

Sie geht damit weitgehend konform mit der auch <strong>von</strong> Münder/Lakies angeregten<br />

Stärkung der rechtlichen Position der Pflegeeltern.<br />

5. Ergebnisse der Expertengespräche<br />

5.1 Zuständigkeiten der Vormundschaftsrichter<br />

Alle Richter/Innen mit denen Gespräche geführt wurden, gaben an, für das<br />

gesamte Betreuungsrecht 60<br />

zuständig - und hier zum Teil auch mit Betreuungssachen<br />

überlastet zu sein. Betreuungssachen betreffen hauptsächlich ältere Menschen,<br />

auch psychisch Kranke und solche Personen, die aufgrund ihrer geistigen<br />

und/oder körperlichen Behinderungen nicht mehr in der Lage sind, "ihre Angelegenheiten<br />

oder Teile ihrer Angelegenheiten selbst zu regeln" (1:2) 61<br />

, so daß<br />

ihnen vom Vormundschaftsrichter ein Betreuer gestellt wird, der sich bspw. um<br />

finanzielle Angelegenheiten oder Wohnungsprobleme und die Gesundheitsfürsorge<br />

kümmert. Ein Richter konstatiert: "Und diese Arbeit, - die nimmt immer<br />

mehr zu, und (verzeichnet) gewaltige Steigerungen, insbesondere auch jetzt<br />

durch die Pflegeversicherung" (2:2). 62<br />

Nur ein Richter vermerkt, inzwischen <strong>von</strong><br />

Betreuungssachen entlastet worden zu sein. "Betreuungssachen" für ältere, meist<br />

pflegebedürftige Menschen nehmen anteilsmäßig zwischen 70 % - 90 % der<br />

59 Niemeyer 1996, 324.<br />

60 Als Betreuungsrecht wird das Vormundschaftsrecht für Erwachsene bezeichnet. Es handelt<br />

sich hier um die Regelung "des Rechts der Entmündigung, der Vormundschaft über Volljährige<br />

und der Gebrechlichkeitspflegschaft". Vgl. Holzhauer/Reinicke 1993, VI. Zum<br />

Ganzen weiter Jürgens 1995.<br />

61 <strong>Die</strong> in Klammern gesetzten Angaben dienen der Lokalisierung der Zitate in den Experteninterviews<br />

und haben keine inhaltliche Bedeutung.<br />

62 Ein Richter führt zum <strong>richterliche</strong>n Aufwand, den diese Betreuungssachen erfordern, noch<br />

näher aus: "[...] für die Pflegeversicherung müssen Anträge gestellt werden, und viele alte<br />

Leute in Heimen sind dazu nicht mehr in der Lage. Das heißt, sie brauchen einen gesetzlichen<br />

Vertreter dafür. [...] Und die meisten oder - also Leute, die die Gelder beziehen wollen,<br />

sind nicht - nicht mehr in der Lage, ein Girokonto aufzumachen. Da muß also ein Betreuer<br />

(lacht) gestellt werden, nur dafür. Das macht unglaublich viel Arbeit, aber, - es ist<br />

eigentlich nicht viel zu machen." (2:3).


- 21 -<br />

<strong>richterliche</strong>n Arbeit in Anspruch, der Rest (10 % - 30 %) sind "Personenstandsachen"<br />

und darunter streitige Fälle in <strong>Pflegekindschafts</strong>angelegenheiten.<br />

Hier dürften bundeseinheitliche oder ländereinheitlich koordinierte Zuständigkeitsregelungen<br />

in den einzelnen Amtsgerichten zum Tragen kommen. Das<br />

bedeutet jedoch, daß die <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen und<br />

darunter speziell diese betreffende Sorgerechtsverfahren nach <strong>§</strong> 1666 BGB oder<br />

Herausgabeverfahren nach <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB nur zu einem sehr geringen<br />

Anteil, schätzungsweise um 5 % und darunter, Gegenstand der vormundschafts<strong>richterliche</strong>n<br />

Tätigkeit sind.<br />

5.2 Richterliche Verfahrensspielarten<br />

In der Hauptsache befassen sich Vormundschaftsrichter mit der <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong><br />

Pflegeverhältnissen im Wege <strong>von</strong> Sorgerechtsverfahren nach <strong>§</strong> 1666 BGB. Erst<br />

in zweiter Linie sind nach Angaben aller Richter solche Verfahren zu verzeichnen,<br />

in denen über ein Herausgabeverlangen des Kindes aus der Pflegefamilie<br />

seitens der Herkunftseltern verhandelt wird (<strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB). Letztere<br />

Verfahren werden <strong>von</strong> den befragten Richtern äußerst selten durchgeführt, kein<br />

Richter - außer einem, der angibt, vier bis sechs solche Fälle pro Jahr zu bearbeiten<br />

- hatte zum Zeitpunkt der Expertengespräche ein solches Verfahren laufen. 63<br />

Ein Richter nimmt dazu wie folgt Stellung:<br />

"Ich habe mehrere Verfahren nach 1666 laufen. [...] Aber keinen einzigen Fall -<br />

kein einziges Verfahren nach 1632 Abs. 4. Und wenn ich jetzt so überlege, wann<br />

ich die letzte Entscheidung nach 1632 Abs. 4 getroffen habe, dann muß ich<br />

sagen, das liegt bestimmt 7, 8 Jahre zurück. [...] Ja. Ich habe also krampfhaft<br />

versucht, da noch irgendwelche Akten zu finden und mich zu erinnern" (2:4). 64<br />

63 So waren im Amtsgericht Bremen pro Vormundschaftsrichterdezernat im Schnitt pro Jahr<br />

je ein Verfahren nach <strong>§</strong> 1632 IV BGB zu registrieren, ein weiterer Richter berichtet, innerhalb<br />

der letzten 3 Jahre ein Herausgabeverfahren bearbeitet zu haben (3:2).<br />

64 Der Richter bemerkt desweiteren: "Ja, ich habe bei den Kollegen noch nachgefragt, auch<br />

bei denen, die Sie nicht angesprochen haben. Und die sehen das auch so. Es ist also ganz,<br />

ganz minimal" (2:5).


- 22 -<br />

Nach seiner Auffassung werden Herausgabeverfahren gemäß <strong>§</strong> 1632 Abs. 4<br />

BGB "verdrängt durch den 1666" (2:5). Generell sind somit zwei vormundschafts<strong>richterliche</strong><br />

Verfahrenssubtypen, die nach Aussagen der Richter am<br />

häufigsten vorkommen, zu unterscheiden: Sorgerechtsverfahren und Herausgabeverfahren.<br />

Das <strong>richterliche</strong> Verfahren in diesen beiden Varianten kann dabei<br />

als ein Anschlußverfahren an die jugendamtliche <strong>Regulation</strong> und damit als eine<br />

Transformation des jugendamtlichen Verfahrens begriffen werden (Abb. 2).<br />

(A) Sorgerechtsverfahren nach <strong>§</strong> 1666 BGB:<br />

<strong>Die</strong>ser Verfahrenssubtyp wird oft mobilisiert, wenn das Jugendamt die Vollzeitpflege<br />

als notwendige und geeignete Hilfe für das Kind und seine Herkunftsfamilie<br />

ansieht, die Eltern jedoch in eine Fremdplazierung ihres Kindes nicht einwilligen.<br />

Hier kann das Jugendamt über den Antrag auf Entzug der elterlichen Sorge<br />

gem. <strong>§</strong> 1666 BGB ein vormundschafts<strong>richterliche</strong>s Verfahren einleiten.<br />

(B) Herausgabeverfahren nach <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB:<br />

Solchen Verfahren liegen Fälle zugrunde, in denen bereits eine Fremdplazierung<br />

des Kindes erfolgt ist und die nach wie vor sorgeberechtigten Herkunftseltern<br />

nach einer gewissen Zeit ihre Zustimmung zur Fremdplazierung zurückziehen<br />

und das Kind zurückhaben möchten. Jugendamt bzw. Pflegeeltern können auf ein<br />

solches Herausgabeverlangen der Herkunftseltern gem. <strong>§</strong> 1632 IV BGB mit der<br />

Anrufung des Vormundschaftsgerichts reagieren, das daraufhin eine Rückführung<br />

oder Verbleibensanordnung treffen kann. Voraussetzung eines Herausgabeverlangens<br />

seitens der Herkunftseltern ist jedoch, daß diese, oder zumindest ein<br />

Elternteil im Besitz der Personensorge sind. Ist dies nicht der Fall, so müßten<br />

Eltern erst die vormundschafts<strong>richterliche</strong> Rückgängigmachung des Sorgerechtsentzugs<br />

erfolgreich beantragen, und damit die rechtlichen Voraussetzungen<br />

schaffen, ein Herausgabeverlangen vor Gericht stellen zu können.<br />

Beide Verfahrenssubtypen können verbunden sein dadurch, daß das Vormundschaftsgericht<br />

auf ein Herausgabeverlangen der Herkunftseltern nicht nur mit<br />

einer Verbleibensanordnung reagiert, sondern möglicherweise darüber hinaus<br />

den Herkunftseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzieht. Ein Richter führt<br />

hierzu exemplarisch aus, daß er auf ein Herausgabeverlangen fallspezifisch auch<br />

mit einem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts reagieren würde und


- 23 -<br />

dadurch sei "für das Kind wieder die Sicherheit da" (2:12). Ein Richter betont im<br />

Blick auf Sorgerechtsverfahren nach <strong>§</strong> 1666 BGB wie Herausgabeverfahren<br />

gemäß <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB:<br />

"Naja, ich meine, der Grundgedanke in den Vorschriften ist ja überall derselbe,<br />

nicht. [...] Wenn das Kindeswohl gefährdet ist [...] durch die Eltern, muß<br />

man es den Eltern wegnehmen. [...] Wenn das Kindeswohl gefährdet ist dadurch,<br />

daß die Eltern es <strong>von</strong> der Pflegeperson wieder haben, muß man das<br />

verhindern. [...] Und - im Grunde genommen sind die, Gedankengänge da<br />

eigentlich identisch, auch das, was über Kindeswohl verstanden werden muß,<br />

ist natürlich - naturgemäß in beiden Fragestellungen gleich" (1:26).


- 24 -<br />

Abbildung 2: Rekursives Modell der jugendamtlichen und vormundschaftlichen<br />

<strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft


- 25 -<br />

Das heißt nichts anderes, als daß in beiden Verfahrenssubtypen das Kindeswohl<br />

für die <strong>richterliche</strong> Entscheidung maßgebend ist und im <strong>richterliche</strong>n Verfahren<br />

beiden Typs auf den Tatbestand der Kindeswohlgefährdung geprüft wird.<br />

Bzgl. <strong>von</strong> Herausgabeverfahren gemäß <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB äußert ein Richter,<br />

daß sich hier eine "Verbleibensanordnung" auf Dauer alleine als "selbständiges<br />

Verfahren" kaum eigne:<br />

"[...] denn das würde voraussetzen, daß der Sorgeberechtigte oder die Sorgeberechtigten<br />

irgendwo diese Entscheidung akzeptieren könnten und hätten<br />

dann noch die Fähigkeit zum Wohle des Kindes alle anderen Entscheidungen,<br />

die ja nun auch noch zu treffen sind, mitzutragen. Und leider ist das<br />

meist nicht der Fall, nicht. Äh, also man muß ja sehen, daß - diese Verbleibensanordnung<br />

ist ja noch schwächer als der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts"<br />

(6:3).<br />

Ähnlich argumentiert auch Salgo, der es im Falle des Scheiterns der Rückkehroption<br />

für "angemessen" hält, über eine "bloße Verbleibensanordnung" hinaus<br />

weitere Eingriffe ins Sorgerecht zu vollführen. 65<br />

<strong>Die</strong>s macht auf die relativ schwache Position der Herkunftseltern auch bei einem<br />

Herausgabeverlangen aufmerksam, dem gerichtlich in mehrfacher Weise begegnet<br />

werden kann, sowohl durch eine <strong>richterliche</strong> Verbleibensanordnung wie<br />

durch die weiterreichende Möglichkeit des (teilweisen) Entzugs der elterlichen<br />

Sorge.<br />

5.3 Einschätzung der Herkunftsfamilie<br />

<strong>Die</strong> Richter betonen, daß es häufig sehr viele Probleme sind, die die Herkunftsfamilie<br />

belasten und es sich in der Regel um "keine kompletten Familien" handele:<br />

65 Salgo 1996a, 140. Insoweit ein Eingriff in das Personensorgerecht im Rahmen eines<br />

Sorgerechtsverfahrens nach <strong>§</strong> 1666 BGB oder eines Herausgabeverfahrens gemäß <strong>§</strong> 1623<br />

Abs. 4 BGB etwa durch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder eine Verbleibensanordnung<br />

erfolgte, hält es Salgo für erforderlich, daß das Vormundschaftsgericht die<br />

weitere personensorgerechtliche Zuständigkeiten präzise abklärt.


- 26 -<br />

"<strong>Die</strong> häufigsten Fälle, mit denen wir tatsächlich konfrontiert sind, sind nichtehelich<br />

geborene Kinder, wo eigentlich nur die Mutter da ist, und da häufig<br />

mit Suchtproblematiken verbunden", [...] so daß, "wenn es zu uns kommt [...]<br />

in der Regel [...] schon noch sehr desolate Zustände da sind" (7:6).<br />

Insbesondere sei, so die Richter, "die Erziehungsunfähigkeit" der Herkunftsmutter<br />

oder der Herkunftseltern "eigentlich relativ offensichtlich", verbunden mit<br />

Suchtproblemen und "Verwahrlosungserscheinungen". <strong>Die</strong> Äußerungen der<br />

Richter verweisen folglich auf eine bestimmte schichtspezifische Lagerung der<br />

Herkunftsfamilie, wie sie in folgender Problemschilderung eines Richters ihren<br />

Ausdruck findet:<br />

"[...] ein ganz großer Teil der Verfahren sind sicher, ja, soziale Randschichten,<br />

soziale Randfamilien, also die in Problembezirken wohnen. Gerade in -<br />

in K. gibt es natürlich solche Problembezirke auch, äh, also mit, äh, Familien,<br />

in denen also kein geregeltes Einkommen da ist, - in denen Arbeitslosigkeit<br />

herrscht, die Sozialhilfeempfänger sind, Familien, die oft auch, äh, dann<br />

auch zwangsgeräumt wurden und in - dann in Unterkünften, die <strong>von</strong> der<br />

Stadt zugewiesen sind und so, leben. Das ist also die eine Gruppe. Äh, dann<br />

gibt es eine Gruppe, das habe ich in den letzten Jahren vermehrt erlebt, äh,<br />

Familien, in denen einer oder beide Elternteile, äh, ich sage jetzt mal - mit<br />

dem Sammelbegriff, psychisch krank ist, also irgendwo, äh, Defizite hat,<br />

Persönlichkeitsdefizite hat. Äh, also die - die psychisch kranke Mutter, die es<br />

einfach nicht schafft, hm, ihren - ihren Haushalt so zu organisieren, und der<br />

also total verwahrlost und in dem also dann drei kleine Kinder vor lauter<br />

Müll, äh, nicht mehr leben können. Oder die alkoholkranke Mutter, die - oder<br />

sonst irgendwie psychisch kranke Mutter, das sind eigentlich so die - die<br />

generellen Beschreibungen. Und dann, hm, dann natürlich die ganz gravierenden<br />

Fälle, die Mißhandlungsfälle" (3:5).<br />

Ein anderer Richter führt die "Erziehungsmängel" auf den familiengeschichtlichen<br />

Hintergrund zurück:<br />

"Es ist [...] die Herkunft. Das [...] Problem der Familie passiert [...], sagen<br />

wir, zwei Generationen früher. Ich habe so viele Fälle über mehrere Generationen,<br />

wo, sagen wir mal, die Mütter in asozialen Verhältnissen aufgewachsen<br />

sind und nicht das seelische Potential mitgekriegt haben, um später ihre<br />

eigenen Kinder entsprechend zu versorgen. <strong>Die</strong> sind schlecht erzogen worden,<br />

die sind nicht erziehungsfähig, und da geht es <strong>von</strong> Generation zu Generation<br />

weiter" (4:19).


- 27 -<br />

Ein Richter charakterisiert die möglichen familialen Ausgangssituationen bei<br />

vormundschafts<strong>richterliche</strong>r Befassung mit Pflegekindschaft wie folgt:<br />

"Für mich kommen hauptsächlich darunter die Fälle also einer Mißhandlung,<br />

aber auch psychische Mißhandlung, nicht rein körperliche Mißhandlung, und<br />

in vielen Fällen eben der Mißbrauch, ne. Das kommt oft. Was wir auch häufiger<br />

haben, ist einfach, daß, äh, jetzt mal ohne Bewertung, daß die Eltern<br />

einfach zu dumm sind, um ein Kind zu erziehen, ja. Das ist keine böse Absicht,<br />

im Gegenteil, das sind oft ganz, ganz liebe Personen, äh, die wirklich<br />

alles versuchen für das Kind, aber es einfach nicht schaffen, weil die Kapazität<br />

nicht da ist. Und das sind die Fälle auch, die - wo ich sagen muß, die dem<br />

Richter leid tun. Aber, äh, da kann man den Eltern nichts vorwerfen, aber ist<br />

ein sogenanntes unverschuldetes Versagen. <strong>Die</strong> sind sogar recht häufig, diese<br />

Fälle" (2:6,7).<br />

Gerade diejenigen Eltern, denen die Personensorge schon entzogen worden sei,<br />

so der Richter, kämen immer wieder:<br />

"[...] die schaffen es nie richtig, es gibt immer und immer wieder Probleme.<br />

[...] (Manche) Mütter, die sagen uns da auch, sie können uns ruhig das Kind<br />

wegnehmen, in einem Jahr habe ich ein neues. Und da - da haben wir viele<br />

Fälle, ja. Und die kommen immer wieder und schaffen es nicht und meinen,<br />

sie schaffen es, und dann schaffen sie es doch nicht" (2:14).<br />

Vor dem Hintergrund der Einschätzung der herkunftsfamilialen Situation vor<br />

Inpflegegabe äußert sich dieser Richter auch kritisch über die vorausgegangenen<br />

jugendamtlichen Aktivitäten:<br />

"<strong>Die</strong> Mutter war nicht in der Lage, ihr Kind zum Kindergarten anzumelden,<br />

also hat das ein Vertreter des Jugendamtes gemacht. <strong>Die</strong> Mutter war nicht in<br />

der Lage, ihr Kind morgens zum Kindergarten zu bringen, also ist das Kind<br />

morgens abgeholt worden und hingefahren worden. An Elterngesprächen<br />

konnte sie nicht teilnehmen, weil sie nicht rechtzeitig aufgestanden ist, also<br />

hat man sie abgeholt. Man hat das Kind nachmittags nach Hause zurückgefahren,<br />

selbst da war die Mutter nicht in der Lage, da auch immer zu Hause<br />

zu sein. Ach, und da wurden auch Hilfen angegeben und wurde gesagt, gut,<br />

dann versuchen wir es nochmal, wurde - ist man zwei bis drei Mal hingefahren.<br />

Ich meine, daß man in solchen Situationen mit diesen massiven Hilfen<br />

den Kindern keinen Gefallen tut. <strong>Die</strong> Mutter - die Mütter werden nicht selbständiger,<br />

und da wäre aus meiner Sicht heraus sinnvoller, man würde die<br />

Mütter, ich sage es mal ganz deutlich, ganz einfach einmal in den Mist reinrasseln<br />

lassen, damit man mal klar sieht, die können nichts, als daß ich da


- 28 -<br />

stehe und sage, ja, und sie wurschteln sich so eben durch - so eben durch mit<br />

massivsten Hilfen, die auch nicht richtig klappen, aber eben so mal - so<br />

wurschtelt sie sich durch, daß bei dem Kind keine gravierenden Auffälligkeiten<br />

festzustellen sind. <strong>Die</strong> sind nicht festzustellen, weil der Kindergarten eine<br />

Kinder- - äh, -tagesstätte ist und da massiv geholfen wird, ne, nur deshalb.<br />

Aber das ist für mich keine Alternative für die Kinder" (2:14,15).<br />

Durch solche "massiven Hilfen", so der Richter, ginge es dann immer "so ganz<br />

eben am Sorgerechtsentzug vorbei". <strong>Die</strong>ser Richter ist also eher skeptisch gegenüber<br />

dem Nutzen der vielfältig angebotenen und einer Fremdplazierung vorgelagerten<br />

Hilfen. Nur in wenigen Einzelfällen sieht er Erfolg in Richtung auf eine<br />

Restabilisierung der Herkunftsfamilie. Auch die anderen Richter führen aus, daß<br />

in den Fällen, in denen sie tätig werden, sehr oft bereits sozialpädagogische<br />

Hilfen 66<br />

vorausgegangen seien. Ein Richter stellt dazu fest:<br />

"Erfahrungsgemäß bringt die Unterstützung mit sozialpädagogischen Hilfen<br />

häufig nicht so sehr viel. Das ist jedenfalls meine Erfahrung in den Akten,<br />

die ich hier bearbeitet habe. Äh, Sie haben ja angesprochen Multiproblemfamilie,<br />

daß die eben - sozialhilfebezogene Arbeitslosigkeit zentral, daß das -<br />

häufig so Partnerschaftskonflikte, daß die damit häufig ja auch verbunden<br />

sind mit dieser gesamten wirtschaftlichen und ökonomischen Situation. Äh,<br />

da hat das Jugendamt präventive Hilfen eigentlich nicht zur Verfügung, und<br />

das sind, äh, ganz andere politische Bereiche, wo das Jugendamt eigentlich<br />

präventiv nicht tätig werden kann. Da müßte man noch ganz andere - Präventivmaßnahmen<br />

im weitesten Sinne ergreifen, indem man die Familien eben<br />

auch in ihrer wirtschaftlichen und ökonomischen Kompetenz stärkt" (7:6).<br />

Der Richter verweist hier also auch auf Grenzen der Aktivitäten des Jugendamtes<br />

sowie auf den zentralen Aspekt der Prävention und artikuliert damit ein Problembewußtsein<br />

bzgl. der regulativen Möglichkeiten. In den Fällen, die er bearbeitet,<br />

erkennt er jedoch offensichtlich, daß "erfahrungsgemäß" die Unterstützung der<br />

Familie mit sozialpädagogischen Hilfen kaum weiterhelfe und folglich keine<br />

geeignete Maßnahme mehr darstelle. Er betont, daß <strong>von</strong> seiten des Jugendamtes<br />

in den Fällen, die er zu verhandeln habe, "beobachtbar" gewesen sei:<br />

"[...], daß es jedenfalls dem Wohl des Kindes nicht sehr zuträglich war, wenn<br />

über einen sehr langen Zeitraum immer wieder Hilfemaßnahmen eingesetzt<br />

66 Der Richter hebt hier u.a. auf die sozialpädagogische Familienhilfe (<strong>§</strong> 31 <strong>KJHG</strong>) ab.


- 29 -<br />

werden, die nicht angenommen werden, die nicht angenommen werden können<br />

oder gar wirklich abgelehnt werden, und, äh, das Kind im Prinzip, äh, da<br />

droht, in den Brunnen zu fallen. [...] Und da denke ich mir, wäre es manchmal<br />

vielleicht wirklich angezeigt, schneller zu einer Entscheidung zu kommen<br />

und zu sagen, das geht nicht mit der Familie" (7:7).<br />

Aus diesen Ausagen der Richter läßt sich ableiten, daß diese das Jugendamt nicht<br />

als vorschnellen Akteur der Fremdplazierung <strong>von</strong> Kindern betrachten und daß<br />

manche Richter unter dem Aspekt des Kindeswohls wohl schon früher vorgelagerte<br />

Hilfeversuche beenden und das Institut der Vollzeitpflege einsetzen würden.<br />

<strong>Die</strong> Aussagen der Richter verdeutlichen die äußerst selektive Befassung der<br />

Vormundschaftsrichter mit der <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft durch Begrenzung<br />

auf die "streitigen Fälle". <strong>Die</strong>se kleinere Untermenge an <strong>Pflegekindschafts</strong>angelegenheiten<br />

weist gesteigert eine Charakteristik derart auf, daß die Jugendämter<br />

aus den unterschiedlichsten Gründen nicht (mehr) kooperativ mit den<br />

Herkunftseltern verfahren können, die meist die Zustimmung zu Hilfemaßnahmen<br />

nicht erteilen wollen.<br />

Streitige Fälle, so ein Richter, sind dadurch gekennzeichnet, daß "das Jugendamt<br />

an uns herantritt, wenn eine Kooperation mit den Herkunftseltern nicht möglich<br />

ist, mit dem Ziel, ein Kind herauszunehmen [...] und dann in eine Pflegefamilie<br />

zu geben" (7:4).<br />

<strong>Die</strong>se äußerst selektive Befassung der Richter mit der <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen<br />

muß hier dezidiert hervorgehoben werden. Kein Richter<br />

kennt den Umfang und die Qualität der <strong>von</strong> den Jugendämtern geregelten Gesamtheit<br />

der <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnisse, d.h., die Richter können sich über die<br />

nicht <strong>von</strong> ihnen bearbeiteten Sachverhalte auch kein konkretes Bild machen. Den<br />

Richtern werden in überwiegender Zahl Fälle zur Kenntnis gebracht, die bereits<br />

auf der Ebene der jugendamtlichen <strong>Regulation</strong> konfliktive Phasen durchlaufen<br />

haben und in denen sich jugendamtliche Maßnahmeerforderlichkeiten für Familie<br />

und Kind nicht (mehr) in Abstimmung und Kooperation mit den Herkunftseltern<br />

durchführen lassen. Es liegt folglich eine rein sektorale, wenn nicht residuale<br />

<strong>richterliche</strong> Befassung mit der <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft vor, die jedoch<br />

nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß gerade vormundschafts<strong>richterliche</strong><br />

<strong>Pflegekindschafts</strong>verfahren <strong>von</strong> den Richtern als sehr belastend angesehen


- 30 -<br />

werden. Als häufigsten Grund, der zur <strong>richterliche</strong>n Befassung führe, nennen alle<br />

Richter eine i.d.R. verschuldensfrei zu konstatierende Erziehungsunfähigkeit der<br />

Eltern als eine Art "Auffangtatbestand", der zu einer objektiven Kindesgefährdung<br />

führe, subjektiv so aber <strong>von</strong> den Eltern meist nicht wahrgenommen werde.<br />

5.4 <strong>Die</strong> Anhörungen der Beteiligten<br />

Für das vormundschafts<strong>richterliche</strong> Verfahren ist die Anhörung der Beteiligten<br />

gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 50 a,b (c) FGG zwingend vorgeschrieben. Als Beteiligte gelten dabei<br />

diejenigen, die materiell in ihren Rechten betroffen sind. Geladen werden also<br />

die Eltern und "der, der was anderes will, also in der Regel die Jugendbehörde"<br />

(6:10).<br />

Eine zentrale Grundlage, auf deren Basis sich die Richter in <strong>Pflegekindschafts</strong>vorgänge<br />

einarbeiten und die <strong>richterliche</strong>n Anhörungen gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 50 a, b (c)<br />

FGG durchführen, ist der jugendamtliche Bericht, der, so Staudinger, den Richter<br />

jedoch nicht <strong>von</strong> eigener Ermittlungsarbeit und Ermittlungspflicht entbindet. 67<br />

Ein Richter, der betont, daß er nach Möglichkeit die Anhörung der Verfahrensbeteiligten<br />

"relativ zügig" durchführen wolle, führt dazu weiter aus:<br />

"Wenn wir so umfassende Berichte (des Jugendamtes) haben, dann kommt es<br />

eigentlich sehr schnell zu einer Anhörung der Beteiligten, in dem Fall der Eltern,<br />

wenn die Kinder etwas älter sind, natürlich auch der Kinder. In den Fällen,<br />

wo - wo uns das nicht ausreicht, versuchen wir dann, über das Jugendamt<br />

eventuell Ansprechpartner noch rauszufinden, um da weitere Ermittlungen<br />

anzustellen. Also daß wir tatsächlich an die Schulen rangehen, an die<br />

Kindergärten rangehen und dort, äh, die betreuenden Personen befragen, was<br />

es an - an Problemen dort - wo die manifest werden die Probleme bei dem<br />

Kind, was <strong>von</strong> ihnen betreut wird" (7:8).<br />

Bei bereits bestehendem Pflegeverhältnis werden "natürlich die Pflegeeltern"<br />

(7:8) auch angehört. Das bedeutet, daß dieser Richter auf einer erweiterten<br />

Informationsgrundlage sich ein Bild über die Gesamtsituation machen will. In<br />

diesem Bild spielen viele andere Akteure als nur das Jugendamt eine Rolle:<br />

Herkunftsfamilie, Kind und Pflegefamilie; der Richter rekurriert im Rahmen der<br />

Anhörungen auf das soziale Feld bzw. Netzwerk der Herkunftsfamilie und die<br />

67 Staudinger 1992, 328.


- 31 -<br />

involvierten Sozialisationsinstanzen, um das Bild über die familiale Situation des<br />

Kindes zu komplettieren und konzentriert sich nicht nur auf die Stellungnahmen<br />

des Jugendamtes. Das gilt in ähnlichem Umfang auch für zwei weitere Richter.<br />

<strong>Die</strong> Richter machen den Umfang der Anhörungen <strong>von</strong> der "Intensität dieses<br />

Streites" (1:16) abhängig, den Herkunftseltern mit den Pflegeeltern und ggf. dem<br />

Jugendamt haben. Im Rahmen der Anhörungen berichten mehrere Richter <strong>von</strong><br />

schwerwiegenden Konflikten, die die Beteiligten untereinander austragen. Mit<br />

Blick auf charakteristische Positionen <strong>von</strong> Herkunftseltern führt ein Richter aus:<br />

"Wir haben hier die Fälle, wo die Eltern voll Emotionen sind und - und - und<br />

Ärger, daß wir ihnen das Kind weggenommen haben, und - und sie wollen<br />

das Kind zurück haben, und sie möchten - sie bestreiten alle ihre - ihre, äh,<br />

äh, grauen und schwarzen Seiten und sie denken nicht, äh, was sie dem Kind<br />

antun, wenn sie es jetzt aus der Pflegestelle rausnehmen" (4:12). [...] "[...] ich<br />

sehe die Leute vor mir. [...] Ich, ja, ich empfinde - versuche, mit denen mitzuempfinden"<br />

(4:32,<strong>33</strong>). [...] "[...] den leidgeprüften (Eltern) gerecht werden"<br />

(4:40).<br />

Ein anderer Richter schildert eine mögliche Situation im Vorfeld <strong>von</strong> Anhörungen,<br />

in der ein Jugendamtsmitarbeiter auf ihn zukomme und fordert, daß sofort<br />

etwas zu geschehen habe:<br />

"Dann trägt der (Mitarbeiter des Jugendamtes) irgendwas vor, und würde also<br />

jetzt so ein Pflegschaftskindschaftsverhältnis vortragen, und da steht<br />

schon die Mutter mit dem Anwalt oder meinetwegen auch mit ihrem Freund<br />

und einem großen Kampfhund und sagt, raus damit, sonst geht es hier rund,<br />

ja. Dann sage ich, gut, was wirklich los ist, weiß ich alles noch nicht, aber so<br />

geht es jedenfalls auch nicht (lacht), ja. Und würde also jetzt erstmal zu Papier<br />

bringen, so, Termin ist, weiß ich nicht, nächste Woche Mittwoch, ja,<br />

dann wollen wir uns das Ganze mal ordentlich anhören, und jetzt bleibt das<br />

Kind erstmal da. [...] Damit ist gleichzeitig auch, ich würde jetzt sagen, Beschränkung<br />

des Aufenthaltsbestimmungsrechts, äh, mit drin. [...] Wobei, das<br />

darf ich vielleicht noch ergänzen, das eine Situation ist, so wie ich sie gerade<br />

schilderte, die bis 1991 eigentlich relativ häufig vorkam. [...] Und seit 1991<br />

ist ja durch die Möglichkeit der Inobhutnahme nach dem Kinder- und Jugendhilferecht<br />

die Jugendbehörde - da ein bißchen die Luft raus" (6:8).<br />

In solchen emotionsgeladenen Anhörungsterminen versuchen die Richter zunächst,<br />

"daß da die Luft rauskommt, daß man überhaupt mal wieder einen Kontakt<br />

[...] zu diesen Personen aufnehmen kann" (6:11). <strong>Die</strong> Richter haben sich


- 32 -<br />

nach eigenem Selbstverständnis im Rahmen der Anhörungen damit zu befassen,<br />

"was nicht in Ordnung ist" und inwieweit auf herkunftsfamilialer Seite "Erziehungsmängel"<br />

zu konstatieren und dadurch die Kinder gefährdet sind. Je nach<br />

Problematik führen die Richter die Anhörungen der Beteiligten getrennt durch.<br />

Ein Richter führt bzgl. des Verlaufs der Anhörungen aus:<br />

"[...] es gibt keine ganz einheitliche Linie. Es ist also - kann durchaus <strong>von</strong><br />

Fall zu Fall verschieden sein. Aber die Regel ist so, daß ich die Eltern anhöre,<br />

oder den Elternteil, um den es geht, im Beisein des Sozialarbeiters des Jugendamtes.<br />

Und dann in einem zweiten Termin die Pflegeeltern, und je nach<br />

Situation, - gegebenenfalls gesondert auch in einem weiteren Termin das<br />

Kind. Also es ist dann schon eine recht aufwendige - jetzt <strong>von</strong> - <strong>von</strong> den<br />

Terminen her recht aufwendige Sache." (3:9,10).<br />

<strong>Die</strong>ser Richter bezeichnet die Moderation zwischen den Beteiligten als "Hauptzweck"<br />

der Anhörungstermine, in denen er eine Konfliktlösung zwischen den<br />

Parteien versuche. Dafür dürften diese jedoch nicht zu sehr zerstritten sein. In<br />

komplexeren Fallkonstellationen kann es in der Folge auch zu drei bis vier<br />

Anhörungsterminen kommen, "und zusätzlich noch zu Gesprächen mit den<br />

Kindern" (7:29). Hier können sich Verfahren dann über ein halbes Jahr und<br />

länger hinziehen.<br />

Speziell die Anhörung des Kindes dient nach Staudinger dazu, das Kind wie<br />

seine Neigungen und Bindungen kennenzulernen und seinen Willen zu ermitteln<br />

68<br />

. Hier wird <strong>von</strong> den Richtern betont, daß sie der Anhörung des Kindes<br />

großes Gewicht beimessen und eine altersorientierte Form der Anhörung desselben<br />

wählen würden. Ein Richter führt aus, das Kind möglichst früh zu beteiligen<br />

und es auch an einem neutralen Ort aufzusuchen, um "zumindest einen Eindruck<br />

<strong>von</strong> dem Kind zu gewinnen" (7:9). So führt er bspw. auch aufsuchende Anhörungen<br />

durch, dadurch, "daß ich auch in Kindergärten fahre und dort mir die<br />

Kinder anhöre" (7:9). Er führt weiter aus:<br />

"Anhörungen hier im Gericht halte ich für nicht - bei kleineren Kindern für<br />

nicht so sehr angebracht, das ist einfach eine zu hohe abstrakte und auch vielleicht<br />

zu belastende Situation für so ein kleines Kind" (7:9).<br />

68 Vgl. Staudinger 1992, 328 f.


- <strong>33</strong> -<br />

Bereits im "Vorschulalter", so der Richter, ließen sich auch Fragen an das Kind<br />

etwa derart stellen, ob das Kind mit Mami und Papi zufrieden sei, worüber das<br />

Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern geprüft werden könne (7:9). <strong>Die</strong>ser<br />

Richter demonstriert im Gespräch eine hohe Sensibilität bei der Anhörung des<br />

Kindes. Er verweist jedoch auch auf die Aufgabe des Jugendamtes, mit dem<br />

Kind zu sprechen und macht seine Gesprächsbemühungen ein "stückweit" auch<br />

da<strong>von</strong> abhängig, was im Bericht des Jugendamtes über das Kind mitgeteilt wird.<br />

Ein anderer Richter äußert bzgl. der Anhörung bzw. Beobachtung des Kindes:<br />

"Aber wie das Kind sich zu den Pflegeeltern verhält und wie es sich zu den<br />

leiblichen Eltern verhält, indem sie z.B. dann, - sich an die Pflegeeltern<br />

klammert und dergleichen, - das sind irrsinnige Eindrücke. Und die sind wesentlich"<br />

(4:34).<br />

Ein weiterer Richter betont die Abhängigkeit der Anhörungen <strong>von</strong> der Schwere -<br />

und auch <strong>von</strong> der Publizität - des Vorganges. So schildert er in einem konfliktiven<br />

und durch die Presse gegangenen Fall:<br />

"<strong>Die</strong>ser Fall war für mich eben, weil ich auch wußte, daß auf beiden Seiten<br />

sehr hohe Ansprüche gestellt wurden und es um viel ging, habe ich die Kinder<br />

wirklich den ganzen Nachmittag über angehört, habe mit denen da alles<br />

mögliche gemacht, und bin zu dem Ergebnis gekommen damals, daß das<br />

Mädchen auf keinen Fall zu dem Vater wollte, und der Junge war bereit, über<br />

Weihnachten zum Vater zu gehen für eine gewisse Zeit. Der hatte auch die<br />

große Hoffnung, eine Eisenbahn zu bekommen, nicht, spielte eine gewisse<br />

Rolle dafür, nicht" (1:18). "(Hier) spielte die Anhörung der Kinder [...] durch<br />

mich eine ganz entscheidende Rolle. Das lag daran, die waren zwar erst<br />

sechs Jahre alt, insofern eigentlich [...] wenig auskunftsfähig, vom Alter her,<br />

aber diese beiden Kinder waren es eben. Und das hat mich damals sehr überzeugt,<br />

was die gesagt haben, die haben es auch ohne Eifer [...] sondern sehr -<br />

sehr vernünftig eigentlich sich geäußert" (1:22). Und in diesem Zusammenhang<br />

fährt er fort: " [...] ich bin im Grunde mit dieser Bewertung dieser Anhörung<br />

durch das Gutachten bestätigt worden" (1:22).<br />

Dabei betont er, wie ein zweiter Richter auch, daß die weiteren Beteiligten<br />

versuchen würden, "legal oder illegal auf die Pflegekinder einzuwirken" (1:18)<br />

und sie im eigenen Interesse zu beeinflussen. Ein weiterer Richter schildert<br />

folgende Variante einer spontanen Anhörung: Anhörungen können in der Weise<br />

beginnen, daß


- 34 -<br />

"[...] ein Lehrer und/oder ein Vertreter des Jugendamtes mit einem Kind hier<br />

einfach erscheint", das mißbraucht wurde. In solchen Fällen würde er die<br />

Kinder "gleich sehr ausführlich" anhören. (2:20) Hat der Richter "den Eindruck<br />

[...], das Kind hat die Wahrheit gesagt, dann erlassen wir eine einstweilige<br />

Anordnung, in der ich eventuell nur anordne, daß sich das Kind bis<br />

zu einer Entscheidung über [...] einen Entzug <strong>von</strong> Teilen der elterlichen Sorge,<br />

sagen wir mal, - in dem und dem Kinderheim aufzuhalten hat, mehr<br />

nicht" (2:21).<br />

Gleichzeitig erkundige er sich bei dem Vertreter des Jugendamtes nach der<br />

familiären Situation:<br />

"[...] und dann setze ich gleichzeitig auch einen Termin an zur Anhörung der<br />

Eltern. Und das ist meistens so, je nachdem, eine knappe Woche später. [...]<br />

Ja, und dann (wird) - mit den Eltern gesprochen, ein ausführliches Gespräch,<br />

und dann kommt es zu einer Hauptsacheentscheidung. Und die heißt dann<br />

vielleicht Entzug des Personensorgerechtes, im Einzelfall auch mal Entzug<br />

des Aufenthaltsbestimmungsrechtes. Wobei ich persönlich allerdings - eher<br />

dazu neige, nicht nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, sondern<br />

eher etwas schon auf das Personensorgerecht gehe, weil noch, - etliche<br />

andere Entscheidungen zu treffen sind" (2:21).<br />

Der Richter führt aus, hier gehe es z.B. auch um ärztliche Untersuchung und<br />

Therapie für das Kind, bei dessen Behandlung er dann den Eltern kein Mitspracherecht<br />

einräumen möchte und deshalb den Umfang des Entzugs der Personensorge<br />

ausweitet. Genau diese Position vertreten auch weitere Richter. Intensität<br />

und Art und Weise der Anhörungen hängen damit wesentlich <strong>von</strong> der Beurteilung<br />

der Schwere und Tragweite des Falles und den mehr oder weniger ausführlichen<br />

Vorinformationen des Richters durch den jugendamtlichen Bericht ab,<br />

dessen Falldarstellung der Richter durch die persönliche Anhörung in Einzel- wie<br />

Gruppengesprächen auch gegenprüfen kann. Dabei läßt sich kein Standardtyp<br />

der Anhörung erkennen, sondern eine situative Variation. Gerade gemeinsame<br />

Anhörungen ermöglichen, die Reaktionen der Beteiligten auf unterschiedliche<br />

Stellungnahmen verfolgen zu können, erschwerten andererseits aber auch "das zu<br />

strukturieren" (6:11). <strong>Die</strong> Richter scheinen im Rahmen der Anhörungen sehr<br />

stark das Kind einzubeziehen und aus der Perspektive des Kindes heraus die<br />

weiteren Positionen der anderen Beteiligten abzuwägen und zu strukturieren.<br />

Dabei werden Kinder ab drei Jahren verbal und nicht nur beobachtend in den<br />

Anhörungstermin einbezogen. Eine deutliche Tendenz dabei ist, dem Kind nicht


- 35 -<br />

gegen seinen Willen "aufzuzwingen", wo es zu leben habe, sich andererseits aber<br />

auch nicht alleine auf die Aussagen des Kindes bei der Beurteilung der Situation<br />

festzulegen. Ein Richter bringt dies wie folgt zum Ausdruck:<br />

"Ja. Also für mich spielt das Kind, ich sage jetzt mal, eine sehr wichtige Rolle.<br />

Entscheidend will ich deshalb nicht sagen, weil man dann, glaube ich, ein<br />

Kind überfordert" (6:16).<br />

Es müßte jedoch, so ein anderer Richter, viele objektive Gründe geben, um<br />

gegen den Willen eines Kindes zu entscheiden. Das Kindeswohl wird dabei<br />

"evaluiert" über "Eindrücke" aus Gesprächen und Beobachtungen und anschließende<br />

Apperzeptionen, wobei der sozialpädagogische und psychologische<br />

Wissenshintergrund der Richter weitgehend autodidaktisch geprägt scheint. Der<br />

Wille und die Möglichkeit nach Situationsveränderung der Eltern wird im Verfahren<br />

im Rahmen der Anhörungen abgetastet. Hier wird ausgelotet, welche<br />

Möglichkeiten mit den Herkunftseltern bestehen, und ob sich die Stellungnahme<br />

des Jugendamtes bestätigt. Von den meisten Richtern wird der Einsatz <strong>von</strong><br />

Rechtsanwälten im Verfahren eher skeptisch bewertet. So führt ein Richter mit<br />

Blick auf die Arbeit <strong>von</strong> Anwälten in Sorgerechts- oder Herausgabeverfahren<br />

exemplarisch aus:<br />

"[...] der hat also nur Öl ins Feuer gegossen, und der hat genau das gemacht,<br />

was ich Anwälten immer abrate, die in FGG-Verfahren tätig werden, das ist<br />

nicht ein Prozeß, in dem es Gewinner und nicht - und Verlierer gibt, sondern<br />

alle zusammen sollten versuchen, etwas für das Kindeswohl zu tun" (1:21).<br />

Ähnlich argumentieren zwei weitere Richter, die die "Strafverteidigermentalität"<br />

(6:23) <strong>von</strong> Anwälten in <strong>Pflegekindschafts</strong>verfahren kritisieren.<br />

5.5 Rechtsgüterabwägung <strong>von</strong> Elternrecht und Kindeswohl<br />

In der <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft sind die zentralen - in den<br />

Normen der <strong>§</strong><strong>§</strong> 1666 wie 1632 BGB verankerten - unbestimmten Rechtsbegriffe<br />

das "Wohl des Kindes" und das "Elternrecht". In allen Äußerungen der Richter<br />

wird deutlich, daß diese artikulieren, fast ausschließlich vom Wohle des Kindes<br />

her zu denken und Fragen der Gefährdung des Kindes, die es im Verfahren zu<br />

prüfen gilt, im Vordergrund stehen. Sachverhalts- und Tatbestandsprüfung unter<br />

dem zentralen Aspekt einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls, wie


- 36 -<br />

schließlich die Bestimmung der Rechtsfolge, sind wegweisend für das <strong>richterliche</strong><br />

Handeln. Hier erscheint die folgende Position eine Richters charakteristisch:<br />

"Meine Überlegungen sind meistens in der Richtung, ich - biete den Eltern<br />

die Möglichkeit an, selbst etwas zu tun, also selbst - Gefährdung abzuwenden,<br />

so wie es im 1666er beschrieben ist. Wenn ich feststelle, das gelingt<br />

nicht, steht für mich - die Entscheidung pro Kind obenan. Also es ist - es ist<br />

solange, - ein Schwanken - für mich als Richter, solange die Entscheidung<br />

noch nicht gefallen ist. Da kann es durchaus sein, daß ich auch mal gegenüber<br />

einem Jugendamt dann sage, wir müßten das oder das nochmal versuchen,<br />

oder gibt es noch die und die Möglichkeit, haben sie das und das ausprobiert,<br />

wo - daß die Eltern - daß das Elternrecht mehr zum Zuge kommen<br />

kann. Aber wenn diese Möglichkeiten erschöpft sind, dann, - schlägt das<br />

Pendel nach der anderen Seite" (3:12).<br />

Eine obere Grenzlinie der Interpretation des Kindeswohls sieht dieser Richter<br />

durch die obergerichtliche Rechtsprechung gezogen:<br />

"Das Verfassungsgericht hat mindestens einmal gesagt, es ist ein Stück Lebensschicksal<br />

eines Kindes, in welche Familie es geboren ist. Und es nicht<br />

Aufgabe des Staates, dem Kind die optimalen Entwicklungsbedingungen zu<br />

bieten. Und, hm, solange es in seiner Herkunftsfamilie eben nicht gefährdet<br />

ist, sondern eben nur die - die schlechteren Chancen hat, äh, als irgendwo<br />

anders, äh, reicht es für einen Eingriff ins Elternrecht nicht aus" (3:30).<br />

Ein anderer Richter führt dazu kritisch aus, daß entsprechend den gesetzlichen<br />

Regelungen folglich bei den Herkunftseltern gerade ein "Mindeststandard" an<br />

gewährleisteten Erziehungsbedingungen in der Familie erforderlich sein müsse<br />

und sieht hierin eine zu starke Akzentuierung elterlicher Interessen. <strong>Die</strong> Versuche<br />

des Zusammenwirkens aller Beteiligten würden das Kindeswohl oft zu wenig<br />

berücksichtigen:<br />

"Also - die Versuche dürfen nicht zu Lasten des Kindes gehen. [...] Und das<br />

Elternrecht wird viel zu stark noch betont, würde ich sagen. Das Kindeswohl<br />

kommt zu kurz" (4:28).<br />

Genau dieser Richter sieht überdurchschnittlich auch Fallkonstellationen in<br />

seinem <strong>Regulation</strong>sbereich, in denen Besuchskontakte, die de lege lata "zelebriert"<br />

werden, dem Kindeswohl gerade nicht dienlich seien. Ein weiterer Richter


- 37 -<br />

verdeutlicht die Komplexität der Rechtsgüterabwägung <strong>von</strong> Elternrecht und<br />

Kindeswohl wie folgt:<br />

"Also grundsätzlich würde ich sagen, äh, ist so meine Position, das Kindeswohl<br />

hat immer den Vorrang gegenüber dem [...] - Elternrecht, wenn es da<br />

zu gravierenden Interessenkonflikten kommt. Daß, äh, das - der Vorrang des<br />

Kindeswohls würde ich bei mir schon sehen, bei meinen Ent- - bei meiner<br />

Entscheidungsfindung. (Pause) Also es ist einfach schwierig, es ist ein ganz<br />

schwieriger Abwägungsprozeß im einzelnen, äh, zu sagen, da endet das - das<br />

Elternrecht, äh, da ist das Elternrecht ein Stückweit verwirkt, äh, da ist eben<br />

nur noch für das Kind zu denken dann. - Aber wenn entsprechende Feststellungen<br />

getroffen sind, daß eine Gefährdung des Kindes wohl da ist, daß es<br />

dem Kind wirklich nicht gut geht in der Herkunftsfamilie, dann habe ich<br />

auch keine Scheu, zu sagen, gut, in diesem Konfliktfeld geht das Kindeswohl<br />

immer vor" (7:15).<br />

Und im Blick auf ein Herausgabeverlangen fügt er hinzu:<br />

"Äh, natürlich kann das Kindeswohl auch gefährdet sein bei einer Rückführung,<br />

wenn in der Herkunftsfamilie die Situation sich stabilisiert (hat), alleine<br />

auf - aufgrund der Dauer des Pflegeverhältnisses und der da entstandenen<br />

Bindung" (7:25).<br />

Ein weiterer Richter hebt - hier mit Bezug auf ein Herausgabeverfahren - hervor,<br />

es spreche nicht gegen einen Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern, wenn dies<br />

der Wille des Kindes sei, auch wenn sich die Erziehungsbedingungen auf Seiten<br />

der Herkunftseltern verbessert haben und erwähnt mit Blick auf ein Herausgabeverlangen<br />

eines leiblichen Vaters:<br />

"Also so <strong>von</strong> der Erziehungseignung oder -fähigkeit, da war natürlich auch<br />

bei dem Vater eigentlich kein Zweifel, nicht. Es war zwar so, der hatte eine<br />

Lebensgefährtin dann, hat er sich aus A. mitgebracht, und die mochten die<br />

Kinder schon gar nicht. Aber die war natürlich auch keine - keine Asoziale,<br />

selbstverständlich, sondern höchstens - die war bestimmt eine ganz normale<br />

Frau, die vielleicht den Kindern nicht so recht lag, aber mehr konnte man gegen<br />

die sicherlich nicht sagen, ne" (1:21).<br />

<strong>Die</strong> Voraussetzungen des <strong>§</strong> 1666 einer Gefährdung des Kindeswohls werden als<br />

schwammig angesehen, ein Richter stellt dazu exemplarisch fest:


- 38 -<br />

"Vernachlässigung des Kindeswohls, äh, Mißhandlung oder unverschuldetes<br />

Versagen, ne. Das ist alles schwammig. Der eine Richter wird das darunter<br />

fassen, der andere Richter wird das darunter fassen. Für mich kommen<br />

hauptsächlich darunter die Fälle also einer Mißhandlung, aber auch psychische<br />

Mißhandlung, nicht rein körperliche Mißhandlung, und in vielen Fällen<br />

eben der Mißbrauch, ne." (2:6,7).<br />

Vor dem Hintergrund dieser Position äußert er jedoch dezidiert:<br />

"Also für mich ist einfach, äh, es kommt auf das Wohl des Kindes an. Es<br />

kommt wirklich, und das ist die alleroberste Prämisse, es kommt nicht auf<br />

das Wohl der Eltern an, sondern auf das Wohl des Kindes, und da rauszufinden,<br />

was das wirklich ist, ja, das ist oft schwierig. Aber dazu gehört auch,<br />

eventuell mal gegen den Willen des Kindes zu entscheiden" (2:30). Der<br />

Richter erwähnt: "[...] in den meisten Fällen ist es ja auch so, selbst ein mißhandeltes<br />

Kind will oft zu den Eltern zurück, weil es eben nichts anderes<br />

kennt, ne, - es hat eine Bindung zu den Eltern und will dann dahin wieder zurück"<br />

(2:30).<br />

Eben dieser Richter erklärt aber auch, daß er im Interesse des Kindeswohls<br />

gerade in Fällen sexuellen Mißbrauchs Besuchskontakte des Kindes zu seinen<br />

Eltern zunächst einmal unterbindet, um einer weiteren Gefährdung vorzubeugen.<br />

Hier erscheint es schwierig, allein auf Basis der Experteninterviews abzuleiten,<br />

wie sich für den einzelnen Richter im Einzelfall das Kindeswohl konkretisiert.<br />

<strong>Die</strong> einzelfallspezifische Rechtskonkretisierung erscheint dabei durch Handlungsroutinen<br />

und Regelbeispiele abgesichert. <strong>Die</strong> justizielle Praxis differiert<br />

dabei <strong>von</strong> einer methodologisch-wissenschaftlich fundierten Vorgehensweise. Es<br />

zeigt sich jedoch die Tendenz bei den Richtern, bspw. erfolglose Moderation<br />

zwischen den Beteiligten als ein Indiz zu sehen, daß gefahrenabwendende Maßnahmen<br />

nicht ohne sorgerechtlichen Eingriff erfolgen können. Eine als kindgefährdend<br />

eingeschätzte Kooperationsverweigerung der Herkunftseltern wird als<br />

Indikator gewertet, das Elternrecht zu relativieren und den staatlichen Rechtsschutz<br />

des Kindes auszulösen, um die Situation des Kindes zu stabilisieren,<br />

sprich Diskontinuität und destabilisierende Erziehungsverhältnisse zu beenden.<br />

Dabei dürfte bei der <strong>richterliche</strong>n Beurteilung der soziokulturellen Unterschichtslage<br />

der Herkunftsfamilie die aus der Forschung bekannte Mittelschichtorientierung<br />

der Richter dominieren, die deren Wertmaßstäbe bestimmen, das Kindes-


- 39 -<br />

wohl also in Orientierung an mittelschichtadäquaten Wertmaßstäben interpretiert<br />

werden. 69<br />

5.6 Richterliche Entscheidung<br />

Richterliches Handeln zielt in Ausführung eines rechtlichen Konditionalprogramms<br />

darauf ab, eine "bestimmte Rechtsfolge" zu verhängen, "wenn ein<br />

gesetzlicher Tatbestand erfüllt ist". 70<br />

<strong>Die</strong>se Rechtsfolge ist de jure auf Basis einer<br />

"genauen Analyse des sozialen Sachverhaltes" 71<br />

zu bestimmen. Damit wird eine<br />

Entscheidung im je verhandelten Rechtsstreit konstruiert, die auf die konkreten<br />

Lebensverhältnisse zurückwirkt (vgl. auch Abb. 2). In einigen - nicht eindeutig<br />

quantifizierbaren aber bedeutsamen Fällen - wird auf Basis der jugendamtlichen<br />

Sachverhaltsdarstellung eine <strong>richterliche</strong> Entscheidung als Eilmaßnahme im<br />

Wege einer "einstweiligen Anordnung" getroffen, um den Schutz des Kindes<br />

sicherzustellen. <strong>Die</strong>ses inzwischen "gewohnheitsrechtlich" praktizierte Institut<br />

wird <strong>von</strong> Salgo gerade im "grundrechtsrelevanten Bereich der Eltern-Kind-<br />

Beziehung" als "bedenklich" angesehen. 72<br />

In den Expertengesprächen konnte eine überraschende Tendenz dahingehend<br />

festgestellt werden, daß einige Richter den gesetzlichen Tatbestand der "Gefährdung<br />

des Kindeswohls" de facto als manifest ansehen, jedoch im Verfahren (de<br />

jure) auf Reversibilität bzw. Rückgängigmachung oder Minimierung prüfen und<br />

damit die Chancen ausloten, im <strong>richterliche</strong>n Verfahren den Tatbestand rückzubauen,<br />

um damit die Rechtsfolge des Sorgerechtsentzugs nicht eintreten zu<br />

lassen. <strong>Die</strong>ses <strong>richterliche</strong> Handeln wird im weiteren als "moderierendes Handeln"<br />

zur Konfliktlösung im Verfahren charakterisiert. Mehrere Richter weisen<br />

darauf hin, daß es eigentlich das Hauptziel des vormundschafts<strong>richterliche</strong>n<br />

Verfahrens sei, auf eine gütliche Einigung zwischen den streitenden Parteien<br />

hinzuarbeiten und insoweit auch eine moderierende Position im Verfahren<br />

einzunehmen. Im Verfahren gehe es zunächst einmal darum, "auf das Jugendamt<br />

(zu) hören", und dann zu versuchen, "auf dieser Basis zu einer Einigung zu<br />

kommen oder eben [...] einer gerichtlichen Entscheidung" (1:16):<br />

69 Vgl. dazu etwa Fieseler/Herborth 1996, 137 f.<br />

70 Rottleuthner 1987, 79.<br />

71 Rehbinder 1995, 201.<br />

72 Salgo 1996a: 139.


- 40 -<br />

"Das ist das Hauptziel. Also die Entscheidung, - ja, soll ja lieber ausbleiben,<br />

nicht, am besten, nicht. Am besten, man entscheidet gar nicht. Äh, also es<br />

gibt die Sachen, - gehört auch ein bißchen hier rein, daß ich also einem die<br />

einstweilige Anordnung, z.B. das Sorgerecht entziehe. Das mache ich ja<br />

manchmal, wenn es ganz eilig ist, nicht" (1:34).<br />

<strong>Die</strong>s unterstreicht auch ein weiterer Richter, der - mit überwiegender Bezugnahme<br />

auf Sorgerechtsverfahren - ausführt, daß manche Verfahren mit kooperativer<br />

Absprache enden. Er versucht eine Abwendung des Sorgerechtsentzuges dadurch<br />

zu erreichen, daß er beide Parteien wieder auf Kooperation verpflichten will:<br />

"Also die Verfahren, äh, die dann bei uns angelangen, die enden ja auch<br />

nicht immer -. Ich kann die Prozentzahlen schlecht sagen, aber sie werden sicherlich<br />

nicht immer in einer Entscheidung <strong>von</strong> hier aus, daß ein Sorgerechtsentzug<br />

erfolgt, sondern in einer kooperativen Absprache, daß dann<br />

letztlich, äh, Eltern - Mütter häufiger, äh, mich hier, vielleicht auch vor der<br />

Autorität des Gerichtes, ich weiß es nicht, äh, letztlich dann doch, äh, eher zu<br />

einer Kooperation mit dem Jugendamt bereit sind [...], wobei durchaus, ein<br />

Vergleich kann man schlecht sagen, im prozessualen Sinn ist es natürlich<br />

kein Vergleich, aber es ist eine - schon eine Situation eines Vergleiches, weil<br />

das Jugendamt zum Teil auch Abstriche in seinen Vorstellungen macht, ne.<br />

[...] Sie werden dann über diese Situation, wenn wir nicht zum Sorgerechtsentzug<br />

kommen, ein Stückweit ja auch gezwungen, auch künftig mehr mit<br />

den Herkunftseltern zu kooperieren, weil das Sorgerecht bei den Herkunftseltern<br />

bleibt. Wenn es dann in eine Pflegefamilie geht, hilft zwar der <strong>§</strong> 38<br />

<strong>KJHG</strong> ja, um bestimmte tatsächliche Sorgerechtsmaßnahmen bei dem -<br />

durch die Pflegeeltern durchzuführen, aber die Kooperation mit den Herkunftseltern<br />

ist notwendig, man kann sie nicht ganz raushalten" (7:10-11).<br />

Der Richter schildert diese Vermeidungsstrategie so, daß er versucht ist, beide<br />

Teile dazu zu bewegen, Abstriche zu machen und auf einen "Vergleich" hinzuarbeiten.<br />

<strong>Die</strong>s bedeutet, daß im Rahmen einer tendenziell konsensuellen Konfliktschlichtung<br />

z.B. die leibliche Mutter, "vielleicht auch vor der Autorität des<br />

Gerichts, ich weiß es nicht" (7:10), sich kooperativ zeigt, aber auch "das Jugendamt<br />

zum Teil auch Abstriche in seinen Vorstellungen macht." 73<br />

Insbesondere bei<br />

73 Aus der Fachliteratur ist bekannt, daß die leiblichen Eltern sich ggf. vor einem Entzug der<br />

elterlichen Sorge dann eher `freiwillig' auf eine <strong>von</strong> ihnen (zunächst) nicht gut geheißene<br />

Hilfe zur Erziehung einlassen. Lakies (1996a, 297) stellt hierzu fest: "Bisweilen wird die<br />

Freiwilligkeit durch `Hinweis' auf eine sonst drohende gerichtliche Intervention `herbeigeführt'".


- 41 -<br />

diesem Richter wird deutlich, daß er im Verlaufe des Verfahrens prüft, inwieweit<br />

sich auf seiten der Herkunftseltern noch Kooperationsreserven finden bzw.<br />

herausarbeiten lassen, die im jugendamtlichen Verfahren (noch) nicht mobilisiert<br />

werden konnten. Der Richter folgt hier offensichtlich auch dem in <strong>§</strong> 1666 BGB<br />

enthaltenen Passus, auszuloten, inwieweit die Eltern bereit sind, "die zur Abwendung<br />

der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen". Er stellt dezidiert fest:<br />

"Also <strong>richterliche</strong> Strategie ist sicherlich erstmal, auf eine einvernehmliche<br />

Lösung hinzuwirken, insofern einen Sorgerechtsentzug schon zu vermeiden"<br />

(7:11).<br />

<strong>Die</strong>s konvergiert mit der <strong>von</strong> Münder/Lakies oben unter Punkt 3 skizzierten<br />

Position. Ein dritter Richter führt aus, daß er bereits im Vorfeld auf das Jugendamt<br />

dahingehend hinwirke, Sorgerechtsverfahren zu vermeiden:<br />

"Oder aber, es ist auch in E. so, daß, ja, eigentlich eine recht gute Zusammenarbeit<br />

ist zwischen den Ämtern und dem Gericht. Und, äh, viele Fälle<br />

werden auch einfach telefonisch abgeklärt. Da ruft jemand <strong>von</strong> - auch wenn<br />

wir mal keinen Vorgang haben, dann ruft jemand vom Jugendamt an und<br />

sagt, ja, ich habe den und den Fall jetzt, ne. Dann wird der besprochen, und<br />

dann wird also möglichst versucht, da eine Lösung herbeizuführen, ja, unterhalb<br />

eines Gerichtsverfahrens. Das ist also dann schon häufig mit mir besprochen"<br />

(2:14).<br />

Obgleich also einerseits die meisten Richter solche sorgerechtsentzugsvermeidenden<br />

Handlungsorientierungen hervorheben, kommt es jedoch faktisch zu<br />

Sorgerechtsentzügen. Der mit am stärksten aushandlungsorientierte Richter<br />

betont hier, daß er im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens Möglichkeiten einer<br />

Vermeidung des Entzugs der elterlichen Sorge im Wege einer neuen Konsensbildung<br />

auslotet, er stellt jedoch auch gleichzeitig fest, daß, insoweit er sich für<br />

einen Sorgerechtsentzug entscheidet, den Herkunftseltern meist mehr als nur das<br />

Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen sei, denn:<br />

"[...] wenn die Situation so verhärtet - zu verfestigt ist, daß überhaupt keine<br />

Möglichkeit ist, äh, mit den Herkunftseltern eine einvernehmliche Lösung zu<br />

erreichen, dann ist es auch in - nach einer - einem Entzug vom Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />

besonders schwierig, mit den Eltern weiter zu kooperie-


- 42 -<br />

ren. Es ist einfach so. [...] Dann wird das elterliche Sorgerecht in der Regel<br />

insgesamt entzogen" 74<br />

(7:11).<br />

Er betont, daß er diese Praxis zunehmend verfolge. Ähnlich verfahren in Bezug<br />

auf den Umfang des Entzugs der Personensorge auch weitere Richter. Damit<br />

wird also auch im <strong>richterliche</strong>n Verfahren ein Punkt erreicht, ab dem an die<br />

Stelle mißlungener Kooperation ein <strong>richterliche</strong>r Eingriff in Bestandteile der<br />

Personensorge meist über den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts hinaus<br />

erfolgt, um eine als notwendig angesehene Hilfe für das Kind durchführen zu<br />

können. <strong>Die</strong>se Praxis wird <strong>von</strong> Münder/Lakies eher als problematisch angesehen,<br />

dagegen <strong>von</strong> Fricke als realistische Konsequenz eingeschätzt. 75<br />

Man könnte das auch so formulieren, daß wenn die Konsensbildungsmöglichkeiten<br />

(auch) auf der <strong>richterliche</strong>n Verfahrensebene erschöpft sind, eine eingriffslegitimierende<br />

Situation geschaffen ist und der Entzug der Personensorge beginnt,<br />

wobei die Richter in unterschiedlicher Intensität versuchen, solche Konsensbildungen<br />

auszuloten und den Konfliktverlauf zu beeinflussen und zu transformieren<br />

versuchen. <strong>Die</strong> Eingriffsschwelle in das elterliche Sorgerecht ist mit durch<br />

deren Kooperationsbereitschaft bei der Abwendung einer Kindeswohlgefährdung<br />

und Art, Umfang und Erfolg bereits vorausgegangener Hilfemaßnahmen bestimmt.<br />

Einige Richter, die zuvor in einem moderierenden Verfahren nach einer einvernehmlichen<br />

Lösung gesucht haben, neigen beim Scheitern einer solchen dann<br />

dazu, den Eltern nicht nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht, sondern weitere<br />

Teile der Personensorge zu entziehen, um ihren weiteren Einfluß auf die Gestaltung<br />

des Pflegekindverhältnisses einzuschränken. Bedenkt man, daß rechtssoziologische<br />

Forschungen ergeben, daß Unterschichtpopulationen gegenüber Angehörigen<br />

der Mittelschicht ohnehin schlechtere "Erfolgschancen" haben 76<br />

, da sie<br />

74 Gemeint ist hier die "Personensorge", nicht die "Vermögenssorge".<br />

75 Münder/Lakies (1996, 167) hinterfragen diese Praxis, Fricke (1993, 288) äußert sich dazu<br />

bestätigend, ebenso Staudinger 1992, 322: "Ist die Trennung des Kindes <strong>von</strong> den Eltern<br />

voraussichtlich endgültig, so genügt der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, selbst<br />

wenn er durch einzelne Erziehungsrechte ergänzt wird, vor allem bei kleineren Kindern regelmäßig<br />

nicht deren Interessenwahrung. [...] Geboten ist also nicht nur die faktische, sondern<br />

auch die rechtliche Eingliederung des Kindes in eine Ersatzfamilie".<br />

76 So Rottleuthner 1987, 119.


- 43 -<br />

weniger Expertenwissen ins Verfahren einbringen können, kann jedoch im Blick<br />

auf die Expertengespräche nicht explizit <strong>von</strong> einer durchgängigen Benachteiligung<br />

<strong>von</strong> Herkunftseltern im Verfahren gesprochen werden. Es ist hier sicher<br />

keine eindeutige "Konflikterledigung" durch Sorgerechtsentzug zu konstatieren.<br />

Hervorzuheben ist auch der Beitrag der Richter zu einer versuchsweise außergerichtlichen<br />

Konfliktregulierung. Gerade in diesem Zusammenhang ist die Auslotung<br />

zusätzlicher Ressourcen auf der Ebene jugendamtlicher <strong>Regulation</strong> relevant:<br />

Je qualifizierter ein jugendamtliches Verfahren gestaltet wird, desto weniger<br />

erfolgt eine Thematisierung des Falles auf einer gerichtlichen Verfahrensstufe.<br />

Von den Gerichten kann hier erwartet werden, daß sie auf der vormundschafts<strong>richterliche</strong>n<br />

Verfahrensebene qualifiziert die im Einzelfall gestaltete Ausführung<br />

des Hilfeplans (<strong>§</strong> 36 <strong>KJHG</strong>) und das Zusammenwirken der Beteiligten (<strong>§</strong> 37<br />

<strong>KJHG</strong>) prüfen und die im <strong>KJHG</strong> intendierte Praxis der kooperativen <strong>Regulation</strong><br />

im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ausloten. <strong>Die</strong>s bedeutet auch, daß die<br />

vorläufigen gerichtlichen Entscheidungen im Wege einer einstweiligen Anordnung<br />

das Hauptverfahren nicht zu lange substituieren dürfen. <strong>Die</strong>ser Verfahrenslogik<br />

entsprechend wären gleichfalls die nach <strong>§</strong> 1696 BGB geforderten periodischen<br />

Überprüfungen zu entroutinisieren, ggf. zu verkürzen und zu qualifizieren.<br />

<strong>Die</strong> Richter an den größeren Amtsgerichten äußern, sie würden in der Phase der<br />

Entscheidungsfindung auf einer informellen Ebene mit ihren Kolleg/innen<br />

diskutieren, wobei in der überwiegenden Zahl der vom Jugendamt an das Gericht<br />

gegebenen Fälle die Entscheidungsfindung eigentlich klar sei. An den kleineren<br />

Gerichten ist das Gespräch allerdings erschwert. Ein an einem kleineren Amtsgericht<br />

arbeitender Richter erwähnt hier beispielhaft:<br />

"Das Besondere der Vormundschaftsrichter ist ja, daß sie meistens alleine<br />

sind dann hier am Gericht, <strong>von</strong> ganz großen Gerichten abgesehen. Man hat<br />

also als Vormundschaftsrichter, im Gegensatz zum Strafrichter, meistens keinen<br />

Kollegen. Und diese Probleme sind auch so speziell, daß man also sachkundig<br />

eigentlich nicht mit einem Strafrichter unbedingt darüber spricht,<br />

denn der - der ist da wie ein Laie. [...] Also da war ich schon alleine, weitgehend<br />

dann" (1:26).<br />

Nur in einem Viertel bis einem Drittel der <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen<br />

sehen sich die Richter veranlaßt, ein Gutachten einzuho-


- 44 -<br />

len. <strong>Die</strong>se Schätzquote erscheint angesichts der durchweg "streitigen Verfahren"<br />

nicht sehr hoch. 77<br />

<strong>Die</strong> Richter konzentrieren sich folglich überwiegend auf die<br />

Berichte des Jugendamtes und die Anhörungen als Grundlage ihrer Entscheidung.<br />

Zudem scheint die Erfahrung einiger Richter mit Sachverständigen diese<br />

eher zur Zurückhaltung bzgl. der Auftragserteilung <strong>von</strong> Gutachten zu motivieren<br />

78<br />

, was durch das folgende Zitat verdeutlicht wird:<br />

"Also ich selbst hole in meinen Verfahren öfter Gutachten mal ein, ja, ich<br />

muß allerdings sagen, daß ich mit den psychologischen Gutachten, so wie sie<br />

erstattet werden, oft nicht zufrieden bin, weil die Gutachten zu Lösungen<br />

kommen, die irreal sind teilweise, also die sind - wirklich absolut irreal [...]<br />

dann kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, ja, diese Mutter ist - ist<br />

erziehungsfähig unter den Bedingungen a), b), c), d). Und dann nennt er Bedingungen,<br />

die die Mutter nie erfüllt, z.B. sich in psychiatrische Behandlung<br />

zu begeben, das Kind alle drei Monate in einer psychiatrischen Klinik selbst<br />

zur Untersuchung vorzustellen, damit man feststellen kann, ob inzwischen -<br />

ob inzwischen Schäden bei dem Kind da sind, damit man dann handeln<br />

kann, ja. Das sind für mich Dinge, da kann ich den Kopf nur darüber schütteln,<br />

ne, und da brauche ich kein - psychologisches Gutachten" (2:16).<br />

<strong>Die</strong>s verdeutlicht eine mitunter auftretende Divergenz <strong>von</strong> <strong>richterliche</strong>m Sachverstand<br />

und gutachterlichen Empfehlungen, wobei es jedoch nach Aussagen der<br />

Richter nicht leicht ist, fachwissenschaftliche Gutachten zu ignorieren und<br />

Entscheidungen zu treffen, die in wesentlichen Punkten <strong>von</strong> den Empfehlungen<br />

eines Gutachtens abweichen. 79<br />

77 Auch Koechel (1995, 1) konstatiert für Sorgerechtsverfahren vor Familiengerichten eine<br />

geringe Quote an <strong>von</strong> Familienrichtern in Auftrag gegebenen Gutachten und führt aus:<br />

"Geht man da<strong>von</strong> aus, daß zumindest bei streitigen Verfahren die Sachkunde <strong>von</strong> Behörden<br />

und Gerichten nicht ausreicht, weil die Beantwortung wesentlicher, das Kindeswohl berührende<br />

Fragen, die Erhebung psychologischer Befunde und deren Auswertung in einem<br />

(entwicklungs-) psychologischen Kontext voraussetzt, überrascht es, daß Familienrichter<br />

nicht häufiger Gutachten einholen".<br />

78 Gleiches stellt auch Koechel (1995, 1) bei Familienrichtern fest, die "wenig wichtige und<br />

notwendige Aufschlüsse" <strong>von</strong> Gutachten erwarten würden.<br />

79 Auch Koechel (1995, 20) konstatiert, "daß sich Richter bei ihrer Entscheidung nahezu<br />

ausnahmslos an der Empfehlung des Gutachters orientieren". Ein Abweichen <strong>von</strong> den gutachterlichen<br />

Empfehlungen bedürft zudem einer ausführlichen Begründung durch den<br />

Richter.


- 45 -<br />

5.7 Reformbedarf - Anwalt des Kindes?<br />

Gerade in den streitigen, vor Gericht verhandelten Fällen, können sich die Belastungen<br />

der Verfahrensbeteiligten steigern, sowie die Neigung, die eigenen<br />

Interessen mit wenig Rücksicht zu vertreten. <strong>Die</strong> in Fachkreisen diskutierte, und<br />

vor allem durch Salgo 80<br />

in die rechtspolitische Diskussion eingebrachte, Institutionalisierung<br />

eines "Anwalts des Kindes", der die alleinigen Interessen des<br />

Kindes vertritt, konnte sich bisher nur in Ansätzen, bspw. in der Form eines<br />

Verfahrenspflegers, durchsetzen. Fegert jedoch hebt hervor, daß "der zukünftige<br />

`Anwalt des Kindes' oder ein Verfahrenspfleger [...] neben seinen juristischen<br />

Kenntnissen auch entsprechendes Grundlagenwissen über Entwicklungspsychologie<br />

und Entwicklungspsychopathologie zur Gesprächsführung und zum Einsatz<br />

qualifizierter Konfliktlösungsmöglichkeiten erlernt haben" sollte. 81<br />

<strong>Die</strong> befragten Richter reagieren auf die Frage nach einer eigenständigen Interessenvertretung<br />

des Kindes durch einen "Anwalt des Kindes" jedoch überwiegend<br />

skeptisch. Bedingt positiv spricht sich nur ein Richter für die Institutionalisierung<br />

eines "Anwalts des Kindes" aus:<br />

"Doch, würde ich als hilfreich ansehen. Äh, wir machen das zum Teil auch<br />

jetzt schon, [...] Ergänzungspflege, über die Wortwahl kann man sich streiten,<br />

über die rechtliche Konstruktion [...] kann man sich auch streiten. Wir<br />

machen es aber in Einzelfällen jetzt schon. Wo<strong>von</strong> ich nichts halten würde,<br />

ist, wenn man es verpflichtend macht, daß es in - für jedes Verfahren gemacht<br />

wird. Also ich denke, man muß es genau ankucken, ob es erforderlich<br />

ist, äh, im Interesse des Kindes, und, äh, dann sollte das im <strong>richterliche</strong>n Ermessen<br />

stehen, daß in dem Verfahrensweg oder in dem - also den Anwalt des<br />

Kindes zu bestellen" (7:26).<br />

<strong>Die</strong> weiteren Richter äußern dagegen eher Bedenken gegen einen "Anwalt des<br />

Kindes":<br />

"Also - ist ein schöner - schöner Ausdruck, aber ich kann damit nicht so viel<br />

anfangen. Ich meine, daß das Jugendamt beispielsweise, wenn es in der Wei-<br />

80 Salgo 1993, 1995.<br />

81 Fegert 1995, 312. Forschungsbefunde zur Resilience zeigen, daß Kind nicht gleich Kind<br />

ist.


- 46 -<br />

se tätig wird, wie es jetzt besprochen ist, da ist diese Funktion schon vollständig<br />

absolut" (1:<strong>33</strong>).<br />

Andererseits relativiert dieser Richter wenig später auch das Jugendamt als<br />

"Anwalt des Kindes":<br />

"Und wenn man dann das Jugendamt zum Anwalt des Kindes ernennt, äh,<br />

wird sich die Qualität, äh, seiner Arbeit auch nach der Qualität des einzelnen<br />

Sachbearbeiters richten. Also auch, wenn der einzelne Sachbearbeiter dann<br />

Anwalt - als Anwalt des Kindes tätig wird, wird das auch nicht viel besser<br />

sein, wenn er sonst schon nicht so besonders gut ist, nicht. Also da<strong>von</strong> halte<br />

ich eigentlich nicht so viel. Nur ich sehe in dem ganzen Bereich keinen - keinen<br />

Reformbedarf [...]". 82<br />

Ein weiterer Richter bezweifelt, daß eine solche Funktion realisierbar ist und<br />

lehnt die Einführung eines Anwalts des Kindes mit folgender Begründung ab:<br />

"Soll ich ganz ehrlich sagen? [...] Dann sage ich es ganz deutlich, das ist für<br />

mich der größte Quatsch, den man sich vorstellen kann. [...] Es gibt keine -<br />

oder wenige Rechtsanwälte, die sich für Vormundschaftssachen und Kindschaftssachen<br />

interessieren. [...] Und man muß auch sagen, es gibt auch viele<br />

Anwälte, die sich absichtlich keine Mühe geben in so einem Verfahren. Der<br />

Streitwert beträgt im Regelfall 5000 Mark. Und für 5000 Mark Streitwert, ja,<br />

da bekommt ein Anwalt nicht viel. Und in ganz vielen Fällen sind dann auch<br />

noch Prozeßkostenhilfeverfahren, wo er noch weniger kriegt. Das heißt also,<br />

die Einsatzbereitschaft der Rechtsanwälte ist nicht übermäßig hoch, weil sie<br />

nichts verdienen oder wenig verdienen, ne. Insofern - unter diesem Gesichtspunkt<br />

sehe ich das also schon mal sehr skeptisch" (2:23,24).<br />

Der Richter begründet seine Haltung damit, daß weder ein Psychologe noch ein<br />

Rechtsanwalt allein diese Anwaltsfunktion ausfüllen könnte. Speziell der Einsatz<br />

eines Psychologen oder eines Sozialarbeiters als Anwalt des Kindes wäre mit<br />

dem Nachteil verbunden, "daß er die prozessualen Zusammenhänge nicht so<br />

versteht, - so daß es dann vielleicht zu ganz unsinnigen Anträgen käme" (2:24).<br />

Auch seien Anwälte Einigungen eher hinderlich, da man sich mit den Eltern<br />

82 Dabei betont der Richter jedoch gleichzeitig: "[...] ich sehe bei vielen anderen Gesetzen<br />

einen ungeheuren Reformbedarf, eben z.B. bei meinem Hauptarbeitsgebiet, dem Betreuungsrecht,<br />

ja" (1:<strong>33</strong>).


- 47 -<br />

alleine oft besser über Auflagen einigen könne und durch Anwälte oftmals eine<br />

"besondere Schärfe" ins Verfahren gebracht werde. <strong>Die</strong>ser Richter fürchtet weiter<br />

um die "Gesprächsbereitschaft der Kinder", je mehr Beteiligte bei den Anhörungen<br />

anwesend sind. Letztlich wäre nur eine zusätzliche Person anwesend, die<br />

wiederum den Willen des Kindes auszulegen versuche.<br />

<strong>Die</strong> anderen Richter führen an, ein solches Rechtsinstitut würde die "Dinge nur<br />

verkomplizieren", und das Verfahren durch Multiprofessionalisierung komplexer<br />

werden, appellative Aufforderungen an die Beteiligten, das Wohl des Kindes zu<br />

beachten, dürften genügen, und ein weiterer konstatiert abschließend:<br />

"<strong>Die</strong>se Diskussion um den Anwalt des Kindes haben wir schon 1978 und '79<br />

auf Tagungen in Bad Boll geführt. [...] Ich habe mich in diesen Diskussionen<br />

immer dagegen ausgesprochen, und zwar deswegen, weil ich denke, das ist<br />

eine nicht notwendige Erschwernis für das Verfahren. Voraussetzung ist allerdings,<br />

daß sowohl das Jugendamt, also die professionellen Leute, als auch<br />

der Richter sich die Mühe machen, die Interessen des Kindes auch wahrzunehmen<br />

und zu vertreten. Dann braucht man keinen Anwalt des Kindes. Äh,<br />

weil ich denke, das bringt nur einen neuen - eher Konfliktstoffe mit rein.<br />

Dann müssen sich die Eltern oder die Pflegeeltern wieder mit diesem Anwalt<br />

auseinandersetzen, der, - wenn er nicht geschult ist, - ja, er kennt auch das<br />

Kind nicht gleich. - Er kann im Grunde genommen nur - nur Allgemeinplätze<br />

reinbringen. Also ich bin dagegen" (3:32,<strong>33</strong>).<br />

<strong>Die</strong> Richter können sich offensichtlich einen Anwalt des Kindes, der sowohl die<br />

erforderlichen juristischen wie sozialpädagogischen Kompetenzen hat, nicht<br />

vorstellen, sie sehen in dieser Position keine sinnvolle weitere funktionale Differenzierung<br />

des Verfahrens 83<br />

, möglichweise aber auch die Funktion des Richters<br />

als "Herr des Verfahrens" beeinträchtigt.<br />

Ein Richter unterbreitet als Gegenvorschlag zu einem Anwalt des Kindes, daß in<br />

vormundschafts<strong>richterliche</strong>n Verfahren, in denen die <strong>richterliche</strong> Entscheidung<br />

sich zentral am Kindeswohl zu orientieren habe, aufgrund der Tragweite des<br />

Vorganges nicht ein Richter sondern mindestens zwei, ähnlich wie in landge-<br />

83 <strong>Die</strong>s deckt sich mit amerikanischen Erfahrungen mit einem Anwalt des Kindes, aus denen<br />

geschlossen werden kann, daß eine weitere parteiische Anwaltsfunktion wenig nützt. Hilfreich<br />

war ein solcher Anwalt nur, insoweit er im Verfahren schlichtende Funktionen übernahm.<br />

(vgl. Koechel 1995, 101).


- 48 -<br />

richtlichen und obergerichtlichen Verfahren, entscheiden sollten, konstatiert aber<br />

zugleich, daß sein Vorschlag in juristischen Kreisen bisher nicht auf Gehör<br />

gestoßen ist. Kritisch merkt er an, daß daran vielleicht auch abgelesen werden<br />

kann, welchen Stellenwert die Öffentlichkeit solchen vormundschaftsgerichtlichen<br />

Verfahren beimißt; in jeder Wirtschaftskammer, so der Richter, befänden<br />

mehrere Richter über die Sachlage, während man sorgerechtliche Fragen offensichtlich<br />

schon durch einen Richter genügend abgedeckt sehe.<br />

5.8 Randbedingungen der <strong>richterliche</strong>n Arbeit<br />

<strong>Die</strong> Expertengespräche zeigen, daß sich die Richter, insbesondere der großstädtischen<br />

Vormundschaftsgerichte, überlastet fühlen. Ein Richter eines großstädtischen<br />

Amtsgerichts führt aus, daß seine Arbeitsbelastung vor allem durch die<br />

ansteigenden Betreuungssachen gestiegen wäre, was zu einem "deutlich stärkeren<br />

Arbeitsdruck" (7:28) als vor drei Jahren geführt habe. Bezgl. der Richterpensen<br />

konstatiert er:<br />

"Also die - die Pensen, die im Moment festgelegt sind, die allgemein Gültigkeit<br />

haben, die halte ich jedenfalls im Betreuungsrecht, äh, für unrealistisch.<br />

Damit kann man eigentlich das gesetzlich vorgegebene Verfahren nicht<br />

durchführen, da müßte man einfach - also das Verfahren - entgegen dem Gesetz<br />

deutlich verschlanken, sage ich einmal so. Äh, in dem anderen Bereich<br />

[...] Vormundschaftssachen [...] für Kinder und Jugendliche, das - würde ich<br />

es ein bißchen anders sehen. Aber da ist es auch, mit dem Pensum ganz<br />

schwierig heranzukommen. Das sind zum Teil Verfahren, die dann wirklich,<br />

wenn sie kommen, unheimlich zeitaufwendig sind, wo man wirklich, wenn<br />

man diese moderierende Rolle einnimmt, dann wirklich sehr viel Zeit investieren<br />

muß, ne" (7:28).<br />

Der Richter, der zuvor auch in anderen Abteilungen des Amtsgerichts tägig war,<br />

führt weiter aus:<br />

"[...] so vom Persönlichen her ist das sicherlich die belastendste <strong>richterliche</strong><br />

Tätigkeit, die ich bisher ausgeübt habe, diese vormundschaftsgerichtliche<br />

[...]. Das sind Sachen, die man tatsächlich mit nach Hause nimmt und wo<br />

man häufig noch lange darüber nachdenkt. Äh, wie man sie bewältigt?"<br />

(7:30).


- 49 -<br />

Eine überdurchschnittliche Arbeitsbelastung sehen auch die anderen Richter<br />

eines großstädtischen Amtsgerichts und einer äußert dezidiert:<br />

"Ich muß sagen, das Wasser steht uns bis zum Hals und es - mit steigender<br />

Tendenz, - mit deutlich steigender Tendenz. Wir haben hier im Augenblick<br />

eine Mangelquote <strong>von</strong> 1,5, d.h., also jeder Richter in Vormundschaftssachen<br />

muß die Arbeit <strong>von</strong> 1 1/2 Richtern machen. Das kann man eine gewisse Zeit<br />

durchziehen, aber irgendwann ist Schluß. Und es geht ganz klar auf Kosten<br />

der Qualität der Arbeit" (2:2).<br />

<strong>Die</strong>ser Richter schildert Vormundschaftssachen auch als Rechtsbereich "den<br />

keiner machen will" (2:34) und begründet dies u.a. wie folgt:<br />

"Man hat teilweise auch mit massiv gewalttätigen Eltern zu tun. [...] Wenn<br />

Sie im Gebäude rumfragen, wer bereit ist, hierhin zu gehen in diese Abteilung,<br />

werden Sie keinen finden" (2:34).<br />

Hauptgrund ist, daß es sich bei Vormundschaftssachen um eine "sehr sehr arbeitsintensive<br />

Abteilung" handelt, aber auch um eine "hochinteressante Tätigkeit"<br />

(2:34). Gerade diese Feststellungen sind bedenkenswert, angesichts der für<br />

das <strong>richterliche</strong> Verfahren erforderlichen zeitintensiven und interdisziplinären<br />

Rechtsgüterabwägung bei der <strong>richterliche</strong>n Entscheidungsfindung. Hier ist nicht<br />

auszuschließen, daß die Arbeitsbelastung der Richter eher Auswirkungen in<br />

Richtung auf affirmative <strong>Regulation</strong>stätigkeiten <strong>von</strong> Pflegekindsachen zeitigt<br />

(vgl. Punkt 5.9). Denn, je stärker der Richter eine moderierende Rolle im Verfahren<br />

einnimmt, desto zeitaufwendiger dürften dieselben werden. Alle Richter<br />

betonen die mit der <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Fremdplazierung verbundene<br />

überdurchschnittliche Belastung. Ein Richter konstatiert:<br />

"[...] daß - gerade diese Streitigkeiten um Kinder besonders belastend sind,<br />

also die Entscheidung über Streitigkeiten um Kinder. Denn meistens hat man<br />

es ja nicht mit einem Guten und einem Bösen zu tun, und (kann) sagen, der<br />

Gute hat recht, sondern es sind zwei Gute da" (1:31). Und er äußert weiter:<br />

"[...] es geht auch nicht nur um - um - um 5000 Mark, sondern es geht um die<br />

Kinder, nicht. [...] Also wenn man sich vorstellt, daß - daß man seine Kinder<br />

nicht kriegt, das ist ja auch eine furchtbare Sache nämlich. Insofern bin ich<br />

auch der Meinung, daß das mit zu den schwierigsten Verfahren mit gehört,<br />

die man hier so kennt" (1:32).


- 50 -<br />

5.9 Richterliche Handlungsfiguren und Handlungsstile in Sorgerechtsverfahren<br />

In dieser Untersuchung geht es um die Koordination und die strukturelle Interdependenz<br />

des jugendamtlichen und des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens<br />

in <strong>Pflegekindschafts</strong>angelegenheiten und damit um die Art, wie die beiden<br />

Verfahrenstypen sich in Verfahrenspraxis und Rechtsprechung verzahnen (vgl.<br />

Abb. 2). <strong>Die</strong> Analyse erfolgte dabei mit Konzentration auf die Aussagen der<br />

Richter bzgl. ihrer Vorgehensweise in Sorgerechtsverfahren gem. <strong>§</strong> 1666 <strong>KJHG</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Interdependenz der jugendamtlichen und <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> kann sich<br />

nach Analyse der Expertengespräche im <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong>skreis nach drei<br />

Modi einer kohärenten justiziellen Logik ausdifferenzieren: Richterliche Handlungsstile<br />

entfalten sich auf Basis des bisherigen Analysestandes entlang einer<br />

(1) "affirmativen", (2) moderierenden und (3) korrigierenden <strong>richterliche</strong>n<br />

<strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft. <strong>Die</strong> drei regulativen Typen beziehen sich dabei<br />

auf den <strong>richterliche</strong>n Umgang mit dem Antrag des Jugendamtes auf Entzug der<br />

elterlichen Sorge und die <strong>richterliche</strong> Reaktion auf die jugendamtliche Formulierung<br />

<strong>von</strong> Tatbeständen einer Gefährdung des Kindeswohls, wie die sich anschließende<br />

<strong>richterliche</strong> Verfahrensweise.<br />

<strong>Die</strong>se Handlungsfiguren stellen also im Rahmen des <strong>richterliche</strong>n pflichtgemäßen<br />

Ermessens je mögliche anschlußfähige <strong>richterliche</strong> Operationen an den<br />

Antrag des Jugendamtes auf Entzug der elterlichen Sorge dar. Dabei kann auf<br />

Basis der Expertengepräche nicht gesagt werden, daß jedem Richter nur ein ganz<br />

bestimmter Handlungsstil zugeordnet werden könnte, sondern es dürfte sich eher<br />

so verhalten, daß die Richter diese unterschiedlichen Handlungsstile in einer<br />

individuell und situativ geprägten Komposition zum Einsatz bringen. Folglich<br />

erscheint es adäquat, nicht <strong>von</strong> Handlungsstilen, sondern - analog zum Begriff<br />

der Argumentationsfigur - <strong>von</strong> Handlungsfiguren zu sprechen, die die Richter in<br />

unterschiedlichen Kompositionen zum Einsatz bringen, um das Verfahrensziel,<br />

die Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls, zu erreichen.<br />

(A) Affirmative (non-korrigierende) <strong>Regulation</strong>:<br />

<strong>Die</strong>se <strong>Regulation</strong>sfigur sanktioniert (bestätigt) den Antrag des Jugendamtes. <strong>Die</strong>s<br />

kann dabei durchaus auf einer Symmetrie der Einschätzungen zwischen Jugendamt<br />

und Richter beruhen, die dieser nach Durchsicht der jugendamtlichen Unterlagen<br />

festgestellt hat. Das Vormundschaftsgericht folgt damit dem Entschei-


- 51 -<br />

dungsvorschlag des Jugendamtes und führt mit seinem Beschluß auf (teilweisen)<br />

Sorgerechtsentzug eine Veränderung der herkunftsfamilialen Rechtslage herbei<br />

und überträgt Rechtstitel gewöhnlich auf das Jugendamt, auf dessen Basis dasselbe<br />

das Pflegekindverhältnis weiter reguliert (Abb. 2). In der Konsequenz<br />

dürfte dies zur Neugewichtung <strong>von</strong> Einfluß im familialen Regelsystem zuungunsten<br />

der Herkunftsfamilie führen. <strong>Die</strong> Zentralität des Jugendamtes wird<br />

dadurch unterstrichen. Affirmative <strong>Regulation</strong> kann auch Ausdruck der Ausbildung<br />

<strong>von</strong> <strong>richterliche</strong>n Handlungsroutinen sein.<br />

Eine (temporär) affirmative <strong>Regulation</strong> ist dann gegeben, wenn auf den jugendamtlichen<br />

Antrag auf Entzug der elterlichen Sorge eine unmittelbar entsprechende<br />

einstweilige Anordnung des Vormundschaftsgerichts folgt. Weiterhin können<br />

hinter einer affirmativen <strong>Regulation</strong> auch latent gebliebene <strong>Regulation</strong>skonflikte<br />

zwischen Jugendamt und Vormundschaftsgericht angesiedelt sein, die <strong>von</strong> seiten<br />

des letzteren, aus unterschiedlichen Gründen wie etwa bestehende Kapazitätsprobleme,<br />

nicht in Aushandlung gebracht werden. Bei "affirmativer" <strong>Regulation</strong><br />

werden Anhörungen erst im Nachhinein und zum Teil eher wenig ausführlich<br />

vorgenommen. Ein Beispiel "affirmativer <strong>Regulation</strong>" kommt in folgender<br />

Feststellung eines Richters zum Ausdruck:<br />

"Ich arbeite erstmal mit einer einstweiligen Anordnung. Und das heißt häufig<br />

Fremdunterbringung des Kindes halt. Entweder sie wird veranlaßt oder sie<br />

wird eben abgesegnet" (6:19).<br />

Ein anderer Richter äußert:<br />

"[...] dann kommen alle gemeinsam hierhin. Ist ein Vertreter vom Jugendamt<br />

da, spreche ich gleich mit dem, frage, - etwas zur familiären Situation. Ja,<br />

dann kommt die einstweilige Anordnung, vorläufige Unterbringung irgendwo,<br />

und dann setze ich gleichzeitig auch einen Termin an zur Anhörung der<br />

Eltern. Und das ist meistens so, je nachdem, eine knappe Woche später"<br />

(2:21).<br />

(B) Moderierende <strong>Regulation</strong>:<br />

Hier unterbreitet der Richter offensiv Vorschläge, wie sich die Prozeßparteien<br />

einigen und selbst neu arrangieren könnten. Folglich geht es um das Ausloten<br />

sozialer Kooperation zur Bewahrung oder Wiederherstellung des Kindeswohls


- 52 -<br />

und zur Vermeidung weitergehender rechtlicher Maßnahmen, um ein Arbeiten<br />

der streitenden Parteien an einer gemeinsamen Problemlösung.<br />

Eine moderierende <strong>Regulation</strong> legt großen Wert auf eine ausführliche Durchführung<br />

der Anhörungen und der Richter sieht sich veranlaßt, das gerichtliche<br />

Verfahren zu nutzen, um selbst nachforschend und vermittelnd tätig zu sein. Alle<br />

Verfahrensbeteiligten werden im <strong>richterliche</strong>n Verfahren im Rahmen der Anhörungen<br />

ausführlich in einer Variation <strong>von</strong> Einzel- bis Gruppengesprächen gehört.<br />

Der Richter bemüht sich ermittlungsintensiv authentisches eigenes Wissen über<br />

die familialen Verhältnisse zu gewinnen. Das Verfahren legt den Schwerpunkt<br />

auf die Interaktion der Beteiligten. Bei moderierender <strong>Regulation</strong> werden Anhörungen<br />

- insbesondere auch der Herkunftseltern - sehr differenziert und ausführlich<br />

vorgenommen, sehr differenzierte Anhörungsformen werden auch speziell<br />

beim Kind gewählt. <strong>Die</strong>se Form der <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> hat sorgerechtsvermeidenden<br />

Charakter, weil der Richter versucht ist, daß sich alle Beteiligten und<br />

das Jugendamt unterhalb der Notwendigkeit des Entzugs der elterlichen Sorge<br />

neu arrangieren.<br />

Beispiele einer moderierenden <strong>Regulation</strong> kommen in den folgenden Äußerungen<br />

<strong>von</strong> Richtern zum Ausdruck:<br />

"Also die Verfahren, äh, die dann bei uns angelangen, die enden ja auch<br />

nicht immer [...] in einer Entscheidung <strong>von</strong> hier aus, daß ein Sorgerechtsentzug<br />

erfolgt, sondern in einer kooperativen Absprache, daß dann letztlich Eltern<br />

- Mütter häufiger, [...] vielleicht auch vor der Autorität des Gerichtes, ich<br />

weiß es nicht, letztlich dann doch eher zu einer Kooperation mit dem Jugendamt<br />

bereit sind, wobei durchaus, ein Vergleich kann man schlecht sagen,<br />

im prozessualen Sinn ist es natürlich kein Vergleich, aber es ist - schon<br />

eine Situation eines Vergleiches, weil das Jugendamt zum Teil auch Abstriche<br />

in seinen Vorstellungen macht" (7:10). [...] "Also ich hole Gutachten<br />

nicht ausschließlich zur Absicherung meiner Entscheidung ein, sondern es<br />

kommt schon im Vorfeld, wenn ich die Anhörung habe, wo ich merke, daß<br />

das, was das Jugendamt in seinem Bericht hat, vielleicht doch nicht die endgültige<br />

Wahrheit ist, sage ich mal so, sondern wenn ich einen anderen Eindruck<br />

habe als das Jugendamt, (also) trotzdem meine, für das Kind sind bestimmt<br />

sicherlich bestimmte Maßnahmen auch erforderlich, die eben das Jugendamt<br />

vielleicht noch nicht gesehen hat, die mit den Eltern vielleicht im<br />

Moment auch nicht absprechbar sind, dann hole ich ein Gutachten ein. Aber<br />

nach so einer Anhörung [...] auch mit der Fragestellung, welche Hilfen sind<br />

für das Kind noch notwendig, um, dessen seelisches Wohl letztlich zu wah-


- 53 -<br />

ren, [...] welche Kooperationsmöglichkeiten sieht der Gutachter noch unter<br />

welchen Voraussetzungen mit den Herkunftseltern. Und wenn ich dann das<br />

Ergebnis des Gutachtens habe, versuche ich nochmal, so eine Art vermittelndes<br />

Gespräch zu machen" (7:14).<br />

Ein anderer Richter unterstreicht den Versuch einer Konsensbildung im <strong>richterliche</strong>n<br />

Verfahren wie folgt:<br />

"Und das ist - ist also eigentlich für mich [...] mit ein Hauptzweck des Termins,<br />

diese Moderation. Also, - wenn die, - Parteien, sage ich jetzt mal,<br />

nicht so sehr zerstritten sind, dann, - versuche ich das sehr stark, also auch in<br />

einem gemeinsamen Termin gegebenenfalls, hm, so eine Konfliktlösung herbeizuführen"<br />

(3:11).<br />

(C) Korrigierende (autoritative) <strong>Regulation</strong>:<br />

Hier kommt es im <strong>richterliche</strong>n Verfahren zu einer mehr oder weniger ausgeprägten<br />

asymmetrischen Einschätzung der Lage zwischen Jugendamt und Vormundschaftsgericht,<br />

die im <strong>richterliche</strong>n Verfahren nicht eingeebnet, sondern<br />

ausgetragen wird, wobei es durch divergente Perspektiven meist zu keiner<br />

Einigung kommen kann. <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> übt hier einen direkten<br />

Einfluß auf das jugendamtliche Verfahren dadurch aus, daß der Richter zumindest<br />

wesentliche Ermessensentscheidungen des Jugendamtes nicht oder nur<br />

eingeschränkt gutheißt und gezielte Anordungen 84<br />

erteilt, bspw. hinsichtlich des<br />

zu erstellenden oder zu korrigierenden Hilfeplans, der einzubeziehenden Fachkräfte<br />

oder der Besuchskontakte. Dabei kann die korrigierende <strong>Regulation</strong> zwei<br />

Ausprägungen oder zwei Richtungen annehmen:<br />

a) sie kann das jugendamtliche Verfahren stärker auf Kooperation mit allen<br />

Beteiligten festlegen und den Antrag des Jugendamtes gem, <strong>§</strong> 1666 BGB ablehnen,<br />

oder<br />

b) sie kann das jugendamtliche Verfahren auf eine invasivere, eingreifendere<br />

Orientierung festlegen wollen, indem der Richter das Jugendamt zu einer härte-<br />

84 Wobei eine Anordnungskompetenz des Vormundschaftsgerichts bzgl. der seitens des<br />

Jugendamtes einzusetzenden Hilfen der Erziehung fachlich umstritten ist.


- 54 -<br />

ren Gangart mit den Herkunftseltern auffordert, um das Kindeswohl nicht weiter<br />

zu gefährden.<br />

Typ a) der korrigierenden <strong>Regulation</strong> wird in folgendem Zitat der Meinung eines<br />

Richters verdeutlicht:<br />

"Da kann es durchaus sein, daß ich auch mal gegenüber einem Jugendamt<br />

dann sage, wir müßten das oder das nochmal versuchen, oder gibt es noch<br />

die und die Möglichkeit, haben sie das und das ausprobiert, äh, wo - daß die<br />

Eltern - daß das Elternrecht mehr zum Zuge kommen kann" (3:12). [...] "Ich<br />

kann vielleicht ergänzend noch dazu sagen, ich habe auch z.B. eine Verknüpfung<br />

gemacht, - schon mehrfach, daß ich in Verfahren nach 1666, die als<br />

solche bei mir gelaufen sind, als Maßnahme angeordnet oder angeregt habe,<br />

Maßnahmen nach dem <strong>KJHG</strong>. Also gar keine eigentlich vormundschaftsgerichtliche<br />

Maßnahme, sondern gesagt, ihr habt jetzt die und die, Maßnahme<br />

nach - Erziehungshilfe oder was auch immer, nach dem <strong>KJHG</strong>, soll durchgeführt<br />

werden" (3:21).<br />

Typ b) der korrigierenden <strong>Regulation</strong> kommt durch folgende kritische Äußerung<br />

eines Richters über die jugendamtliche Praxis zum Ausdruck:<br />

"Was ich ganz problematisch ansehe eigentlich, auch für unsere Arbeit, sind<br />

- das hört sich jetzt ganz böse an, ne, das sind die massiven Hilfen der Jugendämter<br />

und Verbände. <strong>Die</strong> führen dazu, daß man den Müttern eigentlich<br />

alles abnimmt. Ich habe jetzt einen Fall, da habe ich der Mutter nur Auflagen<br />

erteilen können. Vor drei Jahren waren ihr in der gleichen Situation auch<br />

Auflagen erteilt. Es reichte meiner Meinung nach nicht für einen Entzug, und<br />

zwar aus dem Grunde, daß der Mutter alles abgenommen wurde" (2:14,15).<br />

Da es zwischen <strong>richterliche</strong>m und jugendamtlichen Handeln bei der <strong>Regulation</strong><br />

<strong>von</strong> Pflegekindschaft eine strukturelle Interdependenz gibt, können sich die<br />

beiden Handlungssysteme wechselseitig bzw. rekursiv beeinflussen (Abb. 3).<br />

Dabei haben sich i.d.R. die beiden Handlungssysteme durch den sich kontinuierenden<br />

praktischen Prozeß der <strong>Regulation</strong> "assimiliert" bzw. verzahnt.<br />

Abbildung 3: Richterliche Handlungsfiguren bei der <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft


- 55 -<br />

Neue Assimilationsprozesse oder kritische Neubalancierungen finden hier statt,<br />

wenn Posten neu besetzt werden, bspw. im Jugendamt oder bei Gericht, oder<br />

wenn, wie in den neuen Bundesländern, die jugendamtlichen und vormundschafts<strong>richterliche</strong>n<br />

Institutionen sich erst aufbauen. Sowohl die moderierende<br />

wie erst recht die korrigierende <strong>Regulation</strong> können - z.T. auch über eine konfliktive<br />

Interdependenz der beiden Verfahrensysteme - Verhaltensänderungen in der<br />

jugendamtlichen <strong>Regulation</strong> bewirken, d.h. steuernd auf das jugendamtliche<br />

Verfahrenssystem wirken - und umgekehrt (Abb. 3, auch Abb. 2).<br />

In einer Phasierung der <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> erscheint die affirmative <strong>Regulation</strong><br />

als passagere, bspw. auf eine einstweilige Anordnung des Sorgerechtsentzugs<br />

ausgerichtete <strong>richterliche</strong> Entscheidungshandlung, an die sich eine konsensorientierte,<br />

moderierende <strong>Regulation</strong> anschließen kann. Kontradiktorisch 85<br />

akzentuierte Verfahren, wie sie durch korrigierende <strong>Regulation</strong>saktivitäten des<br />

Richters generiert werden, können zu einer Revision <strong>von</strong> Verhaltenserwartungen<br />

85 Den Begriff "kontradiktorisches Verfahren" verwendet Hehn (1996, 51) zur Beschreibung<br />

eines Verfahrenstyps, in denen die Parteien "konträre Positionen" beziehen. Im vormundschaftsgerichtlichen<br />

Verfahren ginge es im Rahmen einer moderierenden <strong>Regulation</strong> versuchsweise<br />

darum, ein kontradiktorisches Verfahren in ein konsensuelles zu transformieren.


- 56 -<br />

führen und zur Ausbildung neuer Verkehrsformen zwischen dem jugendamtlichen<br />

und dem <strong>richterliche</strong>n Verfahren geeignet sein. Dabei erscheint die moderierende<br />

<strong>Regulation</strong> als das zu präferierende Konfliktlösungsmodell, da sie im<br />

bürgerlich-rechtlichen Verfahren die im jugendamtlichen Verfahren vorgegebenen<br />

normativen Orientierungen des Zusammenwirkens revitalisiert und dahingehend<br />

verbesserte Voraussetzungen für die weitere Gestaltung des Pflegekindverhältnisses<br />

im jugendamtlichen Verfahren schaffen kann.<br />

6. Schlußfolgerungen<br />

<strong>Die</strong> Richter selbst lassen keinen Zweifel am Sinn des Instituts der Pflegekindschaft;<br />

zentrales Argument dafür ist, daß es Eltern gibt, die der Pflege und<br />

Erziehung ihrer Kinder vorübergehend oder für längere Zeit nicht ausreichend<br />

nachkommen und gewachsen sind, woraus eine Gefährdung des Kindeswohls<br />

resultiert.<br />

Der Einfluß der Gerichte auf die Arbeit mit den Herkunftseltern erscheint vor<br />

dem Hintergrund der Richtergespräche eher begrenzt, obgleich die Einsicht in<br />

die herkunftsfamilialen Problemlagen sehr ausgeprägt ist. Richterliche Entscheidungen,<br />

die auf eine Rückgewinnung der herkunftsfamilialen Handlungskompetenz<br />

ausgerichtet sind, sind eher selten. Hier gibt es zudem Auffassungsunterschiede<br />

über die Möglichkeit einer für Jugendämter verbindlichen Anordnungskompetenz<br />

der Vormundschaftsgerichte bzgl. seitens des Jugendamtes einzusetzender<br />

Erziehungshilfen. 86<br />

Aus der Summe der Pflegekindverhältnisse gelangen nahezu ausschließlich<br />

konfliktive Fallkonstellationen auf die <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong>sstufe. <strong>Die</strong> Zentralität<br />

des Jugendamtes als vorgelagerter <strong>Regulation</strong>sbehörde der Erziehungshilfen<br />

wird aus den <strong>richterliche</strong>n Gesprächen deutlich. Je stärker hier der jugendamtlichen<br />

<strong>Regulation</strong> ein kooperatives und qualifiziertes Zusammenwirken aller<br />

Beteiligten gelingt, desto weniger werden die Gerichte in die <strong>Regulation</strong> der<br />

Pflegekindschaft involviert. <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> ist also entscheidend auf<br />

die Qualifizierung des jugendamtlichen Verfahrens und die Fachlichkeit der<br />

öffentlichen Jugendhilfe angewiesen. Zwischen Jugendamt und Gericht besteht<br />

86 Carl 1995, 244.


- 57 -<br />

desweiteren eine Art <strong>von</strong> arbeitsteiliger Komplementarität der Sachverhaltsaufklärung,<br />

wobei die nahe am Problem operierende Sozialverwaltung einen Informationsvorsprung<br />

wie vermutlich auch einen größeren Vorrat an professionellem<br />

Spezialwissen besitzt, das im <strong>richterliche</strong>n Verfahren kompetent gegengeprüft<br />

werden müßte. Richterliche <strong>Regulation</strong> heißt insoweit auch Kontrolle der Sozialverwaltung<br />

und des jugendamtlichen Verfahrens auf dessen Qualifikation und<br />

Transparenz.<br />

Bei einigen Richtern sind deutlich sorgerechtsentzugsvermeidende Handlungsweisen<br />

zu erkennen und der Versuch, im gerichtlichen Verfahren evtl. noch<br />

vorhandene Ressourcen zur weiteren Zusammenarbeit auszuloten und das Verfahren<br />

unterhalb der Schwelle <strong>von</strong> <strong>§</strong> 1666 BGB zu beenden. Alle Richter betonen<br />

die Gerechtigkeitserwartungen der Beteiligten an das Gericht, auch den<br />

Respekt derselben vor dieser Institution. <strong>Die</strong>s schafft Voraussetzungen, bspw. im<br />

Rahmen eines moderierenden <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong>sstils die auf der Ebene der<br />

jugend-amtlichen <strong>Regulation</strong> nicht mobilisierten kooperativen Reserven auf<br />

gerichtlicher Ebene freizusetzen. <strong>Die</strong> Handlungsmaximen der Richter sind<br />

dadurch gekennzeichnet, daß es ihnen in Sorgerechts- wie Herausgabeverfahren<br />

zentral um eine Stabilisierung der kindlichen Beziehungsverhältnisse geht und<br />

dabei die Gesichtspunkte der Bindungen des Kindes im Zentrum stehen. <strong>Die</strong>s<br />

erfolgt vor dem Hintergrund einer Art <strong>von</strong> pragmatischer Rechtsgüterabwägung<br />

zwischen Elternrecht und Kindeswohl, in Orientierung an ungeschriebenen<br />

Regelbeispielen oder Präzedenzfällen, die eine gewisse Entscheidungssicherheit<br />

geben und die Stetigkeit der Rechtsprechung über Erfahrungssätze ermöglicht<br />

(nach dem Motto, so haben andere in einem ähnlich gelagerten Fall auch schon<br />

entschieden, oder, das entspricht auch den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts,<br />

des Oberlandesgerichts usw.). Hier ist die Frage nach dem ausgewogenen<br />

Verhältnis <strong>von</strong> Innovation und Routine gestellt. Handlungsroutinen und<br />

Aufwandsminimierung im <strong>richterliche</strong>n Verfahren dürften umso mehr Platz<br />

greifen, je stärker der Richter den Eindruck gewinnt, sich auf die jugendamtlichen<br />

meist umfangreichen Fallkenntnisse und Beurteilungen stützen zu können.<br />

Relativ stabile Interaktionsstrukturen und symmetrische Handlungsorientierungen<br />

zwischen Richter und Jugendamt erleichtern dabei das Verfahrensprocedere<br />

auf der Basis einer konsensuellen oder "affirmativen" <strong>Regulation</strong>spraxis.<br />

<strong>Die</strong> Analysen verdeutlichen den engen Zusammenhang zwischen dem jugendamtlichen<br />

und gerichtlichen Verfahren und damit die Zentralität der jugendamtli-


- 58 -<br />

chen Fallbeurteilung für die <strong>richterliche</strong> Entscheidung. <strong>Die</strong>se Interdependenz der<br />

jugendamtlichen und <strong>richterliche</strong>n <strong>Regulation</strong> schlägt sich auf der Ebene <strong>richterliche</strong>r<br />

Handlungsstile nieder, die sich entlang dreier Handlungsfiguren ausdifferenzieren<br />

in eine (1) "affirmative", (2) moderierende und (3) korrigierende<br />

<strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> der Pflegekindschaft. <strong>Die</strong> drei Modi der <strong>Regulation</strong><br />

beziehen sich auf den <strong>richterliche</strong>n Umgang mit dem Antrag des Jugendamtes,<br />

den leiblichen Eltern das Sorgerecht zu entziehen, um eine Gefährdung des<br />

Kindeswohls abwenden zu können. Eine "affirmative" vormundschafts<strong>richterliche</strong><br />

<strong>Regulation</strong> des <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnisses folgt dabei im wesentlichen<br />

den Vorgaben des Jugendamtes, während eine "moderierende" <strong>richterliche</strong><br />

<strong>Regulation</strong> versucht ist, zwischen den streitenden Parteien eine neue Konsensbildung<br />

zu fördern. Dagegen profiliert sich eine "korrigierende" <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong><br />

entlang eher konträr zu den jugendamtlichen Empfehlungen liegenden<br />

<strong>richterliche</strong>n Entscheidungen. Dabei kann nicht gesagt werden, daß jedem<br />

Richter nur ein ganz bestimmter Handlungsstil zugeordnet werden könnte,<br />

sondern sie bringen die unterschiedlichen Handlungsfiguren in einer individuell<br />

geprägten "Komposition" zum Einsatz.<br />

Vor allem der <strong>von</strong> den Richtern angeführte Arbeitsdruck läßt vermuten, daß, je<br />

stärker sich die Arbeitsbelastung im einzelnen ausweitet, diese mit eher selektiven<br />

Anhörungs- und Ermittlungstätigkeiten und einer eher affirmativen <strong>Regulation</strong>spraxis<br />

einhergeht.<br />

Eine Qualifizierung des <strong>richterliche</strong>n Verfahrens durch einen Anwalt des Kindes<br />

findet wenig Beachtung. In diesem Zusammenhang hält kaum ein Richter ein<br />

Plädoyer für einen Anwalt des Kindes, sie zweifeln am Erkenntnisgewinn, den<br />

ein weiterer Verfahrensbeteiligter bringen könnte. Hier wird auch weniger die<br />

Möglichkeit gesehen, daß ein solcher Anwalt im <strong>richterliche</strong>n Verfahren die<br />

notwendigen sozialpädagogischen Kompetenzen einbringen könnte, als das<br />

Problem der weiteren Verkomplizierung und Bürokratisierung des Verfahrens<br />

durch die Institutionalisierung eines weiteren Verfahrensbeteiligten. <strong>Die</strong>s deckt<br />

sich mit dem Befund <strong>von</strong> Salgo, (so Eberhard Carl), "daß auch heute noch nur<br />

eine kleine Minderheit <strong>von</strong> Vormundschafts- und FamilienrichterInnen <strong>von</strong> der


- 59 -<br />

Möglichkeit Gebrauch macht, eine eigenständige Kindesvertretung im Falle einer<br />

Interessenkollission anzuordnen". 87<br />

Sozialpädagogisches, psychologisches oder speziell entwicklungspsychologisches<br />

Grundlagenwissen, Methoden der Gesprächsführung und der Konfliktregulation<br />

sind bei den Richtern meist in der Form mehr oder weniger autodidaktischer<br />

Aneignung vorhanden, Fortbildung ist so gut wie nicht institutionalisiert<br />

und die "Beschaffung außerrechtlichen Wissens" 88<br />

weitgehend den individuellen<br />

Bemühungen des einzelnen Richters anheimgestellt. Richterliche <strong>Regulation</strong> ist<br />

somit auch - z.T. selbsteingestanden - "Handeln müssen unter Wissensdefizit". 89<br />

Das heißt auch, daß mögliche Wissensdefizite auf der Ebene der jugendamtlichen<br />

<strong>Regulation</strong> kaum kompensiert werden können. Auch Salgo unterstreicht hier, daß<br />

eine "interdisziplinäre Aus- und Fortbildung [...] zwar zugesagt und selbst vom<br />

Bundesverfassungsgericht gefordert, aber nicht eingelöst" wurde. 90<br />

<strong>Die</strong> Frage ist auch, ob das Modell des Einzelrichters beibehalten werden soll.<br />

Hier gibt einer der befragten Richter zu erwägen, ob in sorgerechtlichen Verfahren<br />

dieser Tragweite das Modell des Einzelrichters nicht ersetzt werden solle<br />

durch eine <strong>von</strong> zwei Richtern getragene Entscheidungsfindung.<br />

Als kontextuelles Problem könnten sich zudem die <strong>von</strong> den meisten befragten<br />

Richtern überwiegend bearbeiteten Betreuungsvorgänge erweisen, die rein<br />

zahlenmäßig die Sorgerechtsverfahren bei weitem übertreffen. <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong><br />

Arbeitszeit wird folglich bereits durch die Betreuungsverfahren weitgehend<br />

absorbiert, was andererseits die <strong>richterliche</strong> Belastung in Sorgerechts- oder<br />

Herausgabeverfahren gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 1666 bzw. 1632 Abs. 4 BGB deutlich erhöht.<br />

Aus der Perspektive der Richter ergibt sich zudem Handlungsbedarf bzgl. einer<br />

rechtlichen Besserstellung der Pflegefamilie, der bspw. das Antragsrecht auf<br />

Übertragung <strong>von</strong> Teilen der elterlichen Sorge gemäß <strong>§</strong> 1630 BGB eingeräumt<br />

werden solle.<br />

87 Carl 1995, 244.<br />

88 Rehbinder 1993, 221.<br />

89 Bäuerle 1983, 9.<br />

90 Salgo 1996a, 140. Das Bundesverfassungsgericht thematisiert den Bereich der <strong>richterliche</strong>n<br />

Fortbildung in BVerfGE 55, 171/180; vgl. auch BT-Drucks. 8/2788, S. 42.


- 60 -<br />

<strong>Die</strong> verkürzte und knappe Beschreibung der für alle Richter geltenden Handlungsmaxime<br />

lautet: Im Zweifel für das Kindeswohl - und die Bestätigung oder<br />

Einleitung der Fremdplazierung. <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> Handlungslogik hat ein mehr<br />

oder weniger elaboriertes "sozialpädagogisches Handwerkszeug" in die justizielle<br />

Berufspraxis inkorporiert, das zur Entscheidungsfindung "herangezogen" wird.<br />

Eine interdisziplinäre Kooperation <strong>von</strong> Justiz und sozialwissenschaftlichen<br />

Fachdisziplinen könnte hier durchaus zu einem Erkenntnisgewinn bei der <strong>Regulation</strong><br />

der Pflegekindschaft beitragen, wenngleich der Integration interdisziplinären<br />

Wissens im Rahmen der derzeitigen arbeitspraktischen Voraussetzungen<br />

der Richter/Innen deutliche Grenzen auferlegt sind.


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des Pflegekinderwesens (Hrsg.). (1996). 5 Jahre <strong>KJHG</strong> aus der Sicht des<br />

Pflegekinderwesens. Idstein, S. 295-308.<br />

Lakies, Thomas; Münder, Johannes. (1991). Der Schutz des Pflegekindes - Eine<br />

Untersuchung der Rechtsprechung seit 1980. In: Recht der Jugend und<br />

des Bildungswesens RdJB 4/91, S. 428 ff.<br />

Lempp, Reinhart; u.a. (1987). <strong>Die</strong> Anhörung des Kindes gemäß <strong>§</strong> 50 FGG. Köln.<br />

Lüscher, Kurt; Schultheis, Franz. (1995). Generationenbeziehungen in >>postmodernen


- 64 -<br />

Münder, Johannes; Lakies, Thomas. (1990). Der Schutz des Pflegekindes im<br />

Lichte der Rechtsprechung. Eine Untersuchung der Rechtsprechung seit<br />

1980. In: Friedhelm Güthoff u.a. (1990). Hamburger Pflegekinder Kongreß<br />

"Mut zur Vielfalt". Münster, S. 245-263.<br />

Münder, Johannes; Lakies, Thomas. (1996). Entwicklung in der Rechtsprechung<br />

(zu <strong>§</strong> 1632 Abs. 4 BGB). In: Gintzel, Ullrich. (Hg.). (1996). Erziehung<br />

in Pflegefamilien: auf der Suche nach einer Zukunft. Münster. S. 138-<br />

179.<br />

Niemeyer, Gisela. (1996). Pflegekinder aus verfassungsrechtlicher Sicht. <strong>Die</strong><br />

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konfliktlösung bei<br />

<strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen. In: Stiftung zum Wohl des Pflegekinderwesens<br />

(Hrsg.). (1996). 5 Jahre <strong>KJHG</strong> aus der Sicht des Pflegekinderwesens.<br />

Idstein, S. 309-328.<br />

Oberloskamp, Helga; Adams, Ursula. (1996). Jugendhilferechtliche Fälle für<br />

Studium und Praxis. 9. Aufl. Neuwied.<br />

Palandt. (1995). Bürgerliches Gesetzbuch. 54. Aufl. München.<br />

Rehbinder, Manfred. (1993). Rechtssoziologie. Berlin.<br />

Rehbinder, Manfred. (1995). Abhandlungen zur Rechtssoziologie. Berlin.<br />

Röhl, Klaus, F. (1987). Rechtssoziologie. Ein Lehrbuch. Köln.<br />

Rottleuthner, Hubert. (1973). Richterliches Handeln. Zur Kritik der juristischen<br />

Dogmatik. Ffm.<br />

Rottleuthner, Hubert. (1987). Einführung in die Rechtssoziologie. Darmstadt.<br />

Runhaar, Mieke; Wennersheide, Maria. (1996). 5 Jahre <strong>KJHG</strong> aus der Sicht des<br />

Bundesverbandes der Pflege- und Adoptiveltern e.V. In: Stiftung zum<br />

Wohl des Pflegekinderwesens (Hrsg.). (1996). 5 Jahre <strong>KJHG</strong> aus der<br />

Sicht des Pflegekinderwesens. Idstein, S. 268-273.<br />

Salgo, Ludwig (1990). Über den Beitrag des Rechts zur Pflegekindschaft. Was<br />

das Recht vermag und was es nicht kann. In: Friedhelm Güthoff; u.a.<br />

(1990). Hamburger Pflegekinder Kongreß "Mut zur Vielfalt". Münster,<br />

S. 54-61.<br />

Salgo, Ludwig. (1993). Der Anwalt des Kindes. <strong>Die</strong> Vertretung <strong>von</strong> Kindern in<br />

zivilrechtlichen Kindesschutzverfahren. Eine vergleichende Studie.<br />

Köln.


- 65 -<br />

Salgo, Ludwig. (1995). Vom Umgang der Justiz mit Minderjährigen. Auf dem<br />

Weg zum Anwalt des Kindes. Neuwied.<br />

Salgo, Ludwig. (1996). Vorwort in: Stiftung zum Wohl des Pflegekinderwesens<br />

(Hrsg.). (1996). 5 Jahre <strong>KJHG</strong> aus der Sicht des Pflegekinderwesens. Idstein,<br />

S. 20-23.<br />

Salgo, Ludwig. (1996a). <strong>Die</strong> Regelung der Familienpflege im Kinder- und<br />

Jugendhilfegesetz (<strong>KJHG</strong>). In: Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern.<br />

(1996). <strong>Die</strong> Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu<br />

Pflegekindern. Münster, S. 115-150.<br />

Schellhorn, Walter; Wienand, M. (1991). Kommentar zum <strong>KJHG</strong>. Neuwied.<br />

Siedhoff, Eckhardt. (1995). Konkurrenzprobleme zwischen <strong>§</strong> 1666 I S. 1 BGB<br />

und <strong>§</strong> 1632 IV BGB. In: FamRZ 1995, Heft 20, S. 1254-1256.<br />

Statistisches Bundesamt (Hrsg.). (1992). Fachserie 13, Reihe 6.1.2, Jugendhilfe -<br />

Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses 1992, Wiesbaden, Tab.<br />

5.2, S. 27.<br />

Statistisches Bundesamt (Hrsg.). (1994). Fachserie 13, Reihe 6.1.2, Jugendhilfe -<br />

Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses 1994, Wiesbaden, Tab.<br />

5.2, S. 27.<br />

Staudinger. (1992). Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. 12. Aufl. Berlin.<br />

Stiels-Glenn, Michael. (1996). Ohnmacht, Macht und Verantwortung in psychosozialen<br />

Berufen. In: Sozialmagazin, Heft 7-8/1996, 12-18.<br />

Walter, Wolfgang; (unter Mitarbeit <strong>von</strong> Eckert-Schirmer, Jutta; Lamm, Yvette;<br />

Lüscher, Kurt). (1995). <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Generationenbeziehungen durch<br />

Verfahren. Auslegung des Rechts und Modelle der Generationenbeziehungen<br />

in den Bereichen Unterhaltsrecht und Pflegekindschaft. Universität<br />

Konstanz; Forschungsschwerpunkt Gesellschaft und Familie; Arbeitspapier<br />

Nr. 14.<br />

Wolff, Reinhart. (1994). Warum Kinder vernachlässigt werden. Zu Situation,<br />

Struktur und Dynamik <strong>von</strong> Vernachlässigungsfamilien. In: Kürner, Peter;<br />

Nafroth, Ralf. (Hg.). (1994). <strong>Die</strong> vergessenen Kinder. Vernachlässigung<br />

und Armut in Deutschland. Köln, S. 21-30.


- 66 -<br />

Wolff, Reinhart. (1994a). Prävention ist die beste Hilfe. Hilfen für Vernachlässigungsfamilien.<br />

In: Kürner, Peter; Nafroth, Ralf. (Hg.). (1994). <strong>Die</strong> vergessenen<br />

Kinder. Vernachlässigung und Armut in Deutschland. Köln, S.<br />

95-99.<br />

Zentralblatt für Jugendrecht, ZfJ 11/93.<br />

Ziegler, Frank. (1997). Jugendamtliche Handlungsmuster und das Zustandekommen<br />

<strong>von</strong> Besuchskontakten. Universität Konstanz; Forschungsschwerpunkt<br />

Gesellschaft und Familie; Arbeitspapier Nr. 25.2.


- 67 -<br />

Anhang


- 68 -<br />

Tabelle 1: Sorgerechtsentzug bei der Hilfemaßnahme Vollzeitpflege (<strong>§</strong> <strong>33</strong><br />

<strong>KJHG</strong>) am Beginn der Maßnahme, für die Bundesrepublik Deutschland,<br />

Jahr 1991.<br />

männlich Insgesamt: Sorgerecht entzogen: Unterbringung mit<br />

vormundschaftlicher<br />

Entscheidung:<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 679 12,0% 161 23,7% 193 28,4%<br />

1 - 3 944 16,7% 197 20,9% 215 22,8%<br />

3 - 6 1007 17,8% 220 21,8% 209 20,8%<br />

6 - 9 839 14,9% 145 17,3% 148 17,6%<br />

9 - 12 749 13,3% 150 20,0% 145 19,4%<br />

12 - 15 762 13,5% 122 16,0% 145 19,0%<br />

15 - 18 601 10,6% 118 19,6% 112 18,6%<br />

18 - 21 61 1,1%<br />

21 und älter 4 0,1%<br />

insgesamt 5646 100,0% 1113 19,7% 1167 20,7%<br />

weiblich<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 621 10,9% 172 27,7% 199 32,0%<br />

1 - 3 823 14,4% 204 24,8% 187 22,7%<br />

3 - 6 1039 18,2% 221 21,3% 216 20,8%<br />

6 - 9 775 13,6% 182 23,5% 150 19,4%<br />

9 - 12 769 13,5% 145 18,9% 151 19,6%<br />

12 - 15 797 14,0% 161 20,2% 156 19,6%<br />

15 - 18 809 14,2% 156 19,3% 156 19,3%<br />

18 - 21 76 1,3%<br />

21 und älter 3 0,1%<br />

insgesamt 5712 100,2% 1241 21,7% 1215 21,3%<br />

insgesamt<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 1300 11,4% <strong>33</strong>3 25,6% 392 30,2%<br />

1 - 3 1767 15,6% 401 22,7% 402 22,8%<br />

3 - 6 2046 18,0% 441 21,6% 425 20,8%<br />

6 - 9 1614 14,2% 327 20,3% 298 18,5%<br />

9 - 12 1518 13,4% 295 19,4% 296 19,5%<br />

12 - 15 1559 13,7% 283 18,2% 301 19,3%<br />

15 - 18 1410 12,4% 274 19,4% 268 19,0%<br />

18 - 21 137 1,2%<br />

21 und älter 7 0,1%<br />

insgesamt 11358 100,0% 2354 20,7% 2382 21,0%


- 69 -<br />

Tabelle 2: Sorgerechtsentzug bei der Hilfemaßnahme Vollzeitpflege (<strong>§</strong> <strong>33</strong><br />

<strong>KJHG</strong>) am Beginn der Maßnahme, für die Bundesrepublik Deutschland,<br />

Jahr 1992.<br />

männlich Insgesamt: Sorgerecht entzogen: Unterbringung mit<br />

vormundschaftlicher<br />

Entscheidung:<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 685 11,5% 166 24,2% 185 27,0%<br />

1 - 3 1027 17,2% 235 22,9% 244 23,8%<br />

3 - 6 1180 19,8% 265 22,5% 256 21,7%<br />

6 - 9 867 14,5% 182 21,0% 186 21,5%<br />

9 - 12 812 13,6% 135 16,6% 150 18,5%<br />

12 - 15 707 11,9% 109 15,4% 136 19,2%<br />

15 - 18 619 10,4% 124 20,0% 112 18,1%<br />

18 - 21 67 1,1%<br />

21 und älter 1 0,0%<br />

insgesamt 5965 100,0% 1216 20,4% 1269 21,3%<br />

weiblich<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 669 11,0% 174 26,0% 209 31,2%<br />

1 - 3 939 15,4% 229 24,4% 224 23,9%<br />

3 - 6 1156 18,9% 265 22,9% 279 24,1%<br />

6 - 9 813 13,3% 164 20,2% 196 24,1%<br />

9 - 12 760 12,4% 165 21,7% 183 24,1%<br />

12 - 15 838 13,7% 125 14,9% 161 19,2%<br />

15 - 18 851 13,9% 146 17,2% 157 18,4%<br />

18 - 21 77 1,3%<br />

21 und älter 4 0,1%<br />

insgesamt 6107 100,0% 1268 20,8% 1409 23,1%<br />

insgesamt<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 1354 11,2% 340 25,1% 394 29,1%<br />

1 - 3 1966 16,3% 464 23,6% 468 23,8%<br />

3 - 6 2<strong>33</strong>6 19,4% 530 22,7% 535 22,9%<br />

6 - 9 1680 13,9% 346 20,6% 382 22,7%<br />

9 - 12 1572 13,0% 300 19,1% <strong>33</strong>3 21,2%<br />

12 - 15 1545 12,8% 234 15,1% 297 19,2%<br />

15 - 18 1470 12,2% 270 18,4% 269 18,3%<br />

18 - 21 144 1,2%<br />

21 und älter 5 0,0%<br />

insgesamt 12072 100,0% 2484 20,6% 2678 22,2%


- 70 -<br />

Tabelle 3: Sorgerechtsentzug bei der Hilfemaßnahme Vollzeitpflege (<strong>§</strong> <strong>33</strong><br />

<strong>KJHG</strong>) am Beginn der Maßnahme, für die Bundesrepublik Deutschland,<br />

Jahr 1993.<br />

männlich Insgesamt: Sorgerecht entzogen: Unterbringung mit<br />

vormundschaftlicher<br />

Entscheidung:<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 681 11,4% 169 24,8% 192 28,2%<br />

1 - 3 953 16,0% 205 21,5% 228 23,9%<br />

3 - 6 1128 18,9% 256 22,7% 262 23,2%<br />

6 - 9 893 15,0% 189 21,2% 195 21,8%<br />

9 - 12 809 13,6% 159 19,7% 163 20,1%<br />

12 - 15 811 13,6% 148 18,2% 176 21,7%<br />

15 - 18 617 10,3% 92 14,9% 108 17,5%<br />

18 - 21 69 1,2%<br />

21 und älter 4 0,1%<br />

insgesamt 5965 100,0% 1218 20,4% 1324 22,2%<br />

weiblich<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 606 9,9% 170 28,1% 184 30,4%<br />

1 - 3 824 13,5% 180 21,8% 205 24,9%<br />

3 - 6 1078 17,7% 271 25,1% 283 26,3%<br />

6 - 9 899 14,8% 216 24,0% 218 24,2%<br />

9 - 12 823 13,5% 194 23,6% 223 27,1%<br />

12 - 15 945 15,5% 178 18,8% 216 22,9%<br />

15 - 18 844 13,9% 139 16,5% 156 18,5%<br />

18 - 21 69 1,1%<br />

21 und älter 3 0,0%<br />

insgesamt 6091 100,0% 1348 22,1% 1485 24,4%<br />

insgesamt<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 1287 10,7% <strong>33</strong>9 26,3% 376 29,2%<br />

1 - 3 1777 14,7% 385 21,7% 4<strong>33</strong> 24,4%<br />

3 - 6 2206 18,3% 527 23,9% 545 24,7%<br />

6 - 9 1792 14,9% 405 22,6% 413 23,0%<br />

9 - 12 1632 13,5% 353 21,6% 386 23,7%<br />

12 - 15 1756 14,6% 326 18,6% 392 22,3%<br />

15 - 18 1461 12,1% 231 15,8% 264 18,1%<br />

18 - 21 138 1,1%<br />

21 und älter 7 0,1%<br />

insgesamt 12056 100,0% 2566 21,3% 2809 23,3%


- 71 -<br />

Tabelle 4: Sorgerechtsentzug bei der Hilfemaßnahme Vollzeitpflege (<strong>§</strong> <strong>33</strong><br />

<strong>KJHG</strong>) am Beginn der Maßnahme, für die Bundesrepublik Deutschland,<br />

Jahr 1994.<br />

männlich Insgesamt: Sorgerecht entzogen: Unterbringung mit<br />

vormundschaftlicher<br />

Entscheidung:<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 609 10,8% 174 28,6% 206 <strong>33</strong>,8%<br />

1 - 3 818 14,5% 193 23,6% 217 26,5%<br />

3 - 6 1117 19,8% 265 23,7% 252 22,6%<br />

6 - 9 910 16,1% 231 25,4% 199 21,9%<br />

9 - 12 780 13,8% 174 22,3% 163 20,9%<br />

12 - 15 772 13,7% 140 18,1% 126 16,3%<br />

15 - 18 590 10,4% 141 23,9% 130 22,0%<br />

18 - 21 54 1,0%<br />

21 und älter 2 0,0%<br />

insgesamt 5652 100,1% 1318 23,3% 1293 22,9%<br />

weiblich<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 568 9,8% 174 30,6% 193 34,0%<br />

1 - 3 738 12,7% 197 26,7% 208 28,2%<br />

3 - 6 1092 18,8% 283 25,9% 279 25,5%<br />

6 - 9 899 15,5% 222 24,7% 212 23,6%<br />

9 - 12 7<strong>33</strong> 12,6% 187 25,5% 177 24,1%<br />

12 - 15 919 15,8% 180 19,6% 178 19,4%<br />

15 - 18 783 13,5% 160 20,4% 156 19,9%<br />

18 - 21 66 1,1%<br />

21 und älter 3 0,1%<br />

insgesamt 5801 99,9% 1403 24,2% 1403 24,2%<br />

insgesamt<br />

Alter in Jahren n % n % n %<br />

unter 1 1177 10,3% 348 29,6% 399 <strong>33</strong>,9%<br />

1 - 3 1556 13,6% 390 25,1% 425 27,3%<br />

3 - 6 2209 19,3% 548 24,8% 531 24,0%<br />

6 - 9 1809 15,8% 453 25,0% 411 22,7%<br />

9 - 12 1513 13,2% 361 23,9% 340 22,5%<br />

12 - 15 1691 14,8% 320 18,9% 304 18,0%<br />

15 - 18 1373 12,0% 301 21,9% 286 20,8%<br />

18 - 21 120 1,0%<br />

21 und älter 5 0,0%<br />

insgesamt 11453 100,0% 2721 23,8% 2696 23,5%<br />

Quelle: Fachserie 13, Reihe 6.1.2, Tabelle 5.2 des Statistischen Bundesamtes


- 72 -<br />

Informationen zum Forschungsschwerpunkt<br />

Laufende Projekte und neuere Publikationen<br />

1. Allgemeine Soziologie der Familie und der Generationenbeziehungen<br />

(GFA)<br />

Projekt<br />

- <strong>Die</strong> Ambivalenz familialer Generationenbeziehungen (K. Lüscher, K. Pillemer).<br />

Publikationen:<br />

Lange, A.; Lüscher, K. (1996). Von der Form zum Prozeß? Ein konzeptueller<br />

Beitrag zur Frage nach der Bedeutung veränderter familialer Strukturen<br />

für das Aufwachsen <strong>von</strong> Kindern. In: Zeitschrift für Sozialisationsforschung<br />

und Erziehungssoziologie, 16, 3, S. 229-245.<br />

Lange, A. (1996). Wie geht's der Familienforschung? In: Sozialwissenschaftliche<br />

Literatur Rundschau, 19, 31/32, S. 93-105.<br />

Lüscher, K. (1996, in Druck). Postmoderne Herausforderungen an die Generationenbeziehungen.<br />

In: Krappmann, L.; Lepenies, A., Jung und alt.<br />

Lüscher, K.; Lange, A. (1996). Nach der postmodernen Familie. In: Buba, H.P.;<br />

Schneider N.F. (Hrsg.) Familie: Zwischen gesellschaftlicher Prägung<br />

und individuellem Design. Westdeutscher Verlag: Opladen. S. 23-36.<br />

Lüscher, K. (1995). Postmoderne Herausforderungen der Familie. In: Familiendynamik,<br />

20, 3, Stuttgart: Klett-Cotta, S. 2<strong>33</strong>-251.<br />

Lüscher, K. (1995). Homo interpretans. In: Moen, Ph.; Elder, Jr., G.; Lüscher, K.<br />

(Hrsg.) Examining lives in context. Washington: APA, S. 563-596.<br />

Lüscher, K. (1995). Familie und Postmoderne. In: Nauck, B.; Onnen-Isemann, C.<br />

(Hrsg.) Familie im Brennpunkt <strong>von</strong> Wissenschaft und Forschung. Rosemarie<br />

Nave-Herz zum 60. Geburtstag gewidmet. Neuwied: Luchterhand,<br />

S.3-15.<br />

2. Generationenbeziehungen, insbesondere familiale Generationenbeziehungen<br />

unter Erwachsenen (GFG)<br />

Projekt<br />

- Familien nach einer Scheidung (B. Pajung-Bilger, K. Lüscher).<br />

- Ambivalenz und Differenz in den Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen<br />

Kindern (K. Lüscher, K. Pillemer, B. Pajung-Bilger)


Publikationen<br />

- 73 -<br />

Pajung-Bilger, B.; Lüscher, K. (1994). Wie beeinflussen Partnerschaftsvorstellungen<br />

die Generationenbeziehungen nach einer Scheidung im mittleren<br />

Lebensalter. In: Zeitschrift für Familienforschung, 6, 3, S. 221-250.<br />

Moch, M. (1996) Geschiedene Väter und ihre Eltern: Zur sozialen Bedeutung der<br />

Herkunftsfamilie im Scheidungsfall. In: Familiendynamik, 21, 3, S. 268-<br />

283.<br />

Moch, M.; Lüscher, K. (1994). Bedeutung finanzieller Transfers zwischen geschiedenen<br />

Eltern und ihren erwachsenen Kindern. In: System Familie,<br />

7, 4, S. 234-244.<br />

Moch, M. (1994) Lebenslage Trennung und Scheidung - Was brauchen betroffene<br />

Familien? In: Zentralblatt für Jugendrecht, 81, 10, S. 401-448.<br />

3. Demographie, Lebensverläufe und Familiengenerationen (GFD)<br />

Projekt<br />

- Mehrgenerationenfamilien in gegenwärtigen Gesellschaften. Sozialstrukturelle<br />

Beziehungen des "Rhythmus der Generationen" (W. Lauterbach).<br />

Publikationen<br />

Klein, T.; Lauterbach, W. (1996). Wohnungswechsel und Wohnungszufriedenheit.<br />

In: Zapf, W.; Habich, R.; Schupp, J. (Hrsg.) Sozialberichterstattung<br />

im Längsschnitt, Reihe Sozio-ökonomische Daten und Analysen für die<br />

Bundesrepublik Deutschland, 7, Frankfurt a.M./New York: Campus, S.<br />

147-162.<br />

Lauterbach, W.; Lüscher, K. (1996). Erben und die Verbundenheit der Lebensverläufe<br />

<strong>von</strong> Familienmitgliedern. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie<br />

und Sozialpsychologie, 48, 1, S. 66-95.<br />

Lauterbach, W. (1996). Kindheit im familialen Generationenzusammenhang, Filiationslinien,<br />

Altersübergänge und gemeinsame Lebenszeit <strong>von</strong> Enkeln<br />

und Großeltern. In: 27. Deutscher Soziologentag in Halle a.d.S., Kongreßbericht<br />

im Druck.<br />

Lauterbach, W.; Klein, T. (1996). Altern im Generationenzusammenhang: <strong>Die</strong><br />

gemeinsame Lebenszeit <strong>von</strong> Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln.<br />

In: Mensel, J.; Rosenthal, G.; Tölke, A. (Hrsg.) Generationenbeziehungen<br />

und Generationenverhältnisse. Opladen: Leske & Budrich.<br />

Lauterbach, W. (1995). Lebensverläufe im Mehrgenerationenzusammenhang. In:<br />

Schneider, N. (Hrsg.) Familie und Familienprobleme im Wandel. Zeitschrift<br />

für Familienforschung, Sonderheft 1, 47, Bamberg, S. 135-145.


- 74 -<br />

Lauterbach, W.; Klein, T. (1995). Erwerbsunterbrechung <strong>von</strong> Müttern. In:<br />

Nauck, B.; Bertram, H. (Hrsg.) Kinder in Deutschland. Lebensverhältnisse<br />

<strong>von</strong> Kindern im Regionalvergleich. Opladen: Leske & Budrich, S.<br />

207-229.<br />

Lüscher, K.; Thierbach, R.; Coenen-Huther, J.; Goy, M.-F. (1996). Haushalte<br />

und Familien. <strong>Die</strong> Vielfalt der Lebensformen. In: Bundesamt für Statistik<br />

(Reihe Statistik der Schweiz). Bern.<br />

4. Rhetorik der Familie und der Familienwissenschaften (GFR)<br />

Projekt<br />

- Familienwissenschaftliche Rhetorik (B. Bräuninger; A. Lange; K. Lüscher)<br />

Publikationen<br />

Lange, A. (1996). Formen der Kindheitsrhetorik. In: Zeiher, H.; Büchner, P.;<br />

Zinnecker, J. (Hrsg.). Kinder als Außenseiter? Umbrüche in der gesellschaftlichen<br />

Wahrnehmung <strong>von</strong> Kindern und der Kindheit. Weinheim:<br />

Juventa, S. 75-95.<br />

Lüscher, K. (1995). Familienrhetorik im Jahr der Familie. In: Keil, S.; Langer, I.<br />

(Hrsg.) Familie morgen? Marburg: Schüren Presseverlag, S. 24-37.<br />

Lüscher, K. (1995). Was heißt heute Familie? Thesen zur Familienrhetorik. In:<br />

Gerhardt, U.; Hradil, S.; Lucke, D.; Nauck, B. (Hrsg.) Familie der Zukunft.<br />

Lebensbedingungen und Lebensform. Opladen: Leske & Budrich.<br />

5. <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Generationenbeziehungen durch Verfahren (GFV)<br />

Projekt<br />

- <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Generationenbeziehungen durch Verfahren in den Bereichen<br />

Unterhaltsrecht und Pflegekindschaft (J. Eckert-Schirmer, H. Hoch, F. Ziegler,<br />

K. Lüscher, W. Walter)<br />

Publikationen


- 75 -<br />

Eckert-Schirmer, J. (1995). <strong>Die</strong> <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Generationenbeziehungen in<br />

Pflegefamilien durch das Jugendhilferecht. In: Arbeitskreis zur Förderung<br />

<strong>von</strong> Pflegekindern e.V. (Hrsg.) Pflegekinder in einer veränderten<br />

Welt. Dokumentation der Europäischen IFCO-Konferenz 1994 in Berlin.<br />

Münster: Votum, S. 149-155.<br />

Eckert-Schirmer, J. (1996). Gemeinsames Sorgerecht nach Scheidung: Leitbild<br />

oder soziale Realität? In: Familie und Recht 3/1996, Neuwied: Luchterhand<br />

Verlag.<br />

Walter, W. (1996). Unterhaltsrecht und Generationenvertrag. Erscheint in: Mansel,<br />

J.; Rosenthal, G.; Tölke, A. (Hrsg.) Generationenbeziehungen und<br />

Generationenverhältnisse, Opladen: Leske & Budrich.<br />

Walter, W. (1996). Gesellschaftliche Bedingungen der Vaterrolle. Soziologische<br />

Anmerkungen zum ‘Verschwinden’ und ‘Wiederauftauchen’ des Vaters.<br />

Erscheint in: Walter H. (Hrsg.) Männer als Väter.<br />

6. Familienpolitik (GFP)<br />

Projekte<br />

- Der Wert <strong>von</strong> Familie; ein Vergleich zwischen Deutschland und den USA (W.<br />

Walter)<br />

- Allgemeine Soziologie der Familienpolitik (K. Lüscher)<br />

Publikationen<br />

Lüscher, K. (1994). Konturen eines neuen Forschungsfeldes: <strong>Die</strong> Soziologie der<br />

Familienpolitik. In: Vaskovics, L. (Hrsg.) Soziologie familialer Lebenswelten,<br />

Soziologische Revue,17 (Sonderheft 3), S. 364-374.<br />

Walter, W. (1996). The Family, the State, and the Public Debate.In: Recent Developments,<br />

3, 7-12.<br />

Walter, W. (1997). Subsidiarität und Selbstverantwortung. Individualsisierungsstrategien<br />

und Risikokonzeptionen in den Familienpolitiken der<br />

Bundesrepublik Deutschland und der USA. In: Hradil, S. (Hrsg.) Differenz<br />

und Integration. <strong>Die</strong> Zukunft moderner Gesellschaften, Frankfurt<br />

a.M./New York: Campus.<br />

7. Soziologie des Kindes und der Kinderpolitik (GFK)<br />

Publikationen<br />

Lange, A. (1995). Eckpfeiler der sozialwissenschaftlichen Analyse <strong>von</strong> Kindheit<br />

heute: Sozialer Konstruktivismus, Vermessung des Alltagslebens und


- 76 -<br />

politische Kontroversen. In: Sozialwissenschaftliche Literatur Rundschau,<br />

18, 30, S. 55-67.<br />

Lange, A. (1995). Medienkinder, verplante Kinder? In: Familiendynamik, 20, 3,<br />

Stuttgart: Klett-Cotta, S. 252-274.<br />

Lange, A. (1996). Kinderalltag in einer modernisierten Landgemeinde. Befunde<br />

und weiterführende Überlegungen zur Untersuchung der Lebensführung<br />

<strong>von</strong> Kindern. In: Honig, M.-S.; Leu, H.R.; Nissen, U. (Hrsg.) Kinder<br />

und Kindheit. Soziokulturelle Muster - Sozialisationstheoretische Perspektiven.<br />

München: Juventa, S. 77-87.<br />

Lange, A. (1996). Kindsein heute: Theoretische Konzepte und Befunde der sozialwissenschaftlichen<br />

Kindheitsforschung sowie eine Explorativuntersuchung<br />

zum Kinderalltag in einer bodenseenahen Gemeinde. Konstanz:<br />

Hartung-Gorre Verlag.<br />

Lüscher, K. (1996). Politik für Kinder - Politik mit Kindern. Konzeptuelle<br />

Überlegungen zu einem aktuellen Thema. In: Recht der Jugend und des<br />

Bildungswesens, 44, 4, S. 407-418.


Arbeitspapiere:<br />

- 77 -<br />

Nr. 1: Wolfgang Walter: "Ich bin nur mäßig enttäuscht darüber." Zur Interpretation<br />

der Familienberichterstattung und der Sachverständigen-<br />

Rolle im Lichte <strong>von</strong> Experteninterviews. Juni 1993.<br />

Nr. 2: Matthias Moch: Bedeutung des finanziellen Transfers für die Generationenbeziehungen<br />

nach einer Scheidung. Juni 1993.<br />

Nr. 3: Brigitte Pajung-Bilger: Bedingungen und Stellenwert einer neuen<br />

Partnerschaft <strong>von</strong> geschiedenen Eltern und deren Einfluß auf die Generationenbeziehungen.<br />

Juli 1993.<br />

Nr. 4: Yvette Lamm-Heß / Charlotte Wehrspaun: Frauen- und Müttererwerbstätigkeit<br />

im Dritten und Vierten Familienbericht. Juli 1993.<br />

Nr. 5: Wolfgang Walter: Vom Familienleitbild zur Familiendefinition. Familienberichte<br />

und die Entwicklung des familienpolitischen Diskurses.<br />

August 1993<br />

Nr. 6: Charlotte Wehrspaun und Kurt Lüscher: Familiengründung im Wandel:<br />

Das Beispiel 'später erster Mutterschaft'. August 1993.<br />

Nr. 7: Yvette Lamm-Heß: Familienberichte als Spiegelbild nationaler Familienpolitik<br />

- Frankreich und Deutschland im Vergleich. Dezember<br />

1993.<br />

Nr. 8: Matthias Moch: Generationenbeziehungen im Kontext der Entwicklung<br />

familialer Lebensformen in Deutschland 1950 - 1990. Dezember<br />

1993.<br />

Nr. 9: Andreas Lange: Veränderungen der Familie - Entwicklungen der Familienforschung:<br />

Ein Trendbericht, Oktober 1994.<br />

Nr. 10: Wolfgang Lauterbach: Lebenserwartung, Lebensverläufe und Generationenfolgen<br />

in Familien. Oktober 1994.<br />

Nr. 11. Annette Ringwald: Entmachtung durch Idealisierung. Amerikanische<br />

Familienrhetorik im 19. Jahrhundert. Dezember 1994.<br />

Nr. 12: Matthias Moch: Emotionale Beziehungen zwischen geschiedenen Vätern<br />

und ihren erwachsenen Töchtern. November 1994.<br />

Nr. 13: Kurt Lüscher: „Homo interpretans“. On the Relevance of Perspectives,<br />

Knowledge and Beliefs in the Ecology of Human Developement.<br />

Januar 1995.<br />

Nr. 14: Wolfgang Walter: <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> Generationenbeziehungen durch<br />

Verfahren. Auslegung des Rechts und Modelle der Generationenbeziehungen<br />

in den Bereichen Unterhaltsrecht und Pflegekindschaft. Januar<br />

1995<br />

Nr. 15: Jutta Eckert-Schirmer: Das Kindeswohl im Wandel sozialwissenschaftlicher<br />

Interpretation. Zur Bedeutung psychologischer Konzepte<br />

im Prozeß der Politikberatung. Mai 1995


- 78 -<br />

Nr. 16: Matthias Moch: "Es liegen noch immer Welten zwischen uns". Geschiedene<br />

Väter und ihre Eltern. Juni 1995<br />

Nr. 17: Wolfgang Lauterbach: Familiengenerationen in modernen Gesellschaften<br />

oder: Der Rhytmus der Generationen. August 1995<br />

Nr. 18: Wolfgang Lauterbach und Kurt Lüscher: Neue und alte Muster des<br />

Erbens gegen Ende des 20. Jahrhunderts. August 1995.<br />

Nr. 19: Andreas Lange: Kindheitsrhetorik und die Befunde der empirischen<br />

Forschung. Oktober 1995.<br />

Nr. 20: Bettina Bräuninger, Andreas Lange und Kurt Lüscher: Familienwissenschaftliche<br />

Rhetorik. Juli 1996.<br />

Nr. 21. Mathias Moch und Manuela Junker: Allegiance or Alienation. Beziehungen<br />

zwischen geschiedenen Vätern und ihren Eltern in den USA.<br />

Juli 1996.<br />

Nr. 22: Kurt Lüscher und Karl Pillemer: <strong>Die</strong> Ambivalenz familialer Generationenbeziehungen.<br />

Juli 1996.<br />

Nr. 23: Wolfgang Lauterbach und Karl Pillemer: Familien in späten Lebensphasen:<br />

Zerrissene Familienbande durch räumliche Trennung?<br />

Januar 1997<br />

Nr. 24: Andreas Lange und Wolfgang Lauterbach: Wie nahe wohnen Enkel<br />

bei ihren Großeltern? Aspekte der Mehrgenerationenfamilie heute.<br />

Januar 1997.<br />

Nr. 25.1: Jutta Eckert-Schirmer: Einbahnstraße Pflegefamilie? Zur (Un)Bedeutung<br />

fachlicher Konzepte in der Pflegekinderarbeit. März 1997.<br />

Nr. 25.2: Frank Ziegler: Jugendamtliche Handlungsmuster und das Zustandekommen<br />

<strong>von</strong> Besuchskontakten in <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen.<br />

März 1997.<br />

Nr. 25.3: Hans Hoch: Vormundschaftsgericht und Pflegekindschaft (<strong>§</strong> <strong>33</strong><br />

<strong>KJHG</strong>). <strong>Die</strong> <strong>richterliche</strong> <strong>Regulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Pflegekindschafts</strong>verhältnissen<br />

und ihre Verknüpfung mit dem jugendamtlichen Verfahren. März<br />

1997.


- 79 -<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Forschungsschwerpunktes<br />

Leitung: Prof. Dr. Kurt Lüscher<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:<br />

Bettina Bräuninger, M.A. soz.<br />

Jutta Eckert-Schirmer, Dipl.-Verw. Wiss.<br />

Hans J. Hoch, Dr. phil., M.A.<br />

Andreas Lange, Dr. rer. soc., M.A. soz.<br />

Wolfgang Lauterbach, Dr. phil., Dipl.-Soz.<br />

Brigitte Pajung-Bilger, M.A. soz.<br />

Wolfgang Walter, Dr. rer. soc., Dipl.-Soz.<br />

Frank Ziegler, Dipl.-Soz.<br />

Sekretariat<br />

Ingeborg Moosmann<br />

Studentische Hilfskräfte<br />

Matthias Barth, Susanne Beier, Guido Bunten, Frank Eisele, Michaela Fay,<br />

Regine Herbrik, Michael Kaiser, Gabriela Kruse-Niemann, Markus Wörz, David<br />

Wüest-Rudin<br />

Assoziiertes Projekt<br />

a) Historische Entwicklung und sozio-demographische Unterschiede der Familiengründung<br />

und -erweiterung in der Schweiz<br />

Heribert Engstler, M. A.<br />

Anschrift: Universität Konstanz, Sozialwissenschaftliche Fakultät,<br />

FG Soziologie, Fach , D-78457 Konstanz<br />

Tel: 07531/88-2670/2671, Fax: 07531/88-3038E-mail: Kurt.Luescher@unikonstanz.de

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