11.02.2023 Aufrufe

Dokumentation BELICHTET

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BELICHTET

Konzeption

Die Idee

Weihnachten setzt die Welt ins rechte Licht. Nicht blendend wie der Schnee. Nicht grell

wie die Sonne am Tag. Sanft und behutsam berührt das Weihnachtslicht die Menschen. Es

belichtet die Seele mit so viel Licht wie gut tut. Mit so viel Licht, dass die Seele durch das

Dunkel der Nacht hindurchleben kann.

„Das wahre Licht scheint jetzt!“, sagt die Bibel. Und meint den Menschen Jesus, in dem

Gott sein freundliches Gesicht zeigt. Jedem von uns. Wie eine Verheißung begegnet darum

die Installation „BELICHTET“ mit vierhundert warm leuchtenden Cazadores-del-sol. Die

Sonnenfänger inszenieren das sanfte Weihnachtslicht der Freundlichkeit Gottes auf eindrucksvolle

Weise.

Der Ort

Der Fuggerpark befindet sich in unmittelbarer

Nähe zum Oberstdorfer Ortskern,

dem Kurpark, der Tourist-

Information und der evangelischen

Kirche. Das Sonnenfeld bot jedoch die

nötige Distanz zum geschäftigen Treiben,

um in aller Ruhe staunen, forschen,

fotografieren oder eigenen Gedanken

nachgehen zu können.

Urlauber und Einheimische nutzen den

Park als Durchgang in den Ortskern.

Das Sonnenfeld hat sich deshalb einer

enorm großen Laufkundschaft erfreut.


Der Designer René Hildebrand

und seine Vision

Mein Weg zur Entdeckung der Lebensfreude,

wie ich sie heute empfinde, ist

geprägt von vielen Stationen und zahlreichen

Experimenten. Dabei spielte

stets auch die Vielfalt der Dinge und

Materialien, mit denen ich mich umgeben

und befasst habe, eine große

Rolle. Die Gestaltungsmöglichkeiten,

die mir Kupfer, Plexiglas, Schrauben,

Kleber, Hitze, Strom, Licht und vieles

mehr ermöglichten, schienen unendlich.

Dann folgte die Reduktion auf das

Wesentliche. Sie spiegelt sich auch

wider im Cazador-del-sol, dem Sonnenfänger.

Nunmehr fiel dem einzelnen

Objekt die Aufgabe zu, sich zu

vermehren, weitergereicht zu werden.

Aus einem sollten viele werden. Die

Vision von einem Sonnenfeld, das sich

im Wind wiegt wie ein Kornfeld, war

geboren. Die Faszination des Lichts,

gepaart mit der schwingenden Bewegung

der Sonnenfänger erzeugt positive

Emotionen und versprüht Lebensfreude.

Ein eindrucksvolles Erlebnis.

Der fluoreszierende Cazador-del-sol

setzt die Lichtenergie um und leuchtet

so wie von selbst. Ganz umweltfreundlich

und energiesparend, ohne Elektrizität

oder andere Hilfsmittel. Ein Effekt, den wir gerade an Regentagen oder in der Dämmerung

noch stärker empfinden. Genau dann nämlich, wenn wir den Sonnenschein besonders

vermissen, leuchtet der Cazador-del-sol am intensivsten.

Befestigt auf einem biegsamen Schwingstab reagiert der Sonnenfänger sensibel auf die

leiseste Brise und wiegt sich so sanft im Wind. Durch das Zusammenspiel von warmem

Licht und geschmeidiger Bewegung erzeugt der Cazador-del-sol ein Gefühl von innerer

Ruhe und Harmonie.

Quelle: www.cazador-de-sol.de


Das Programm

Eröffnungsgottesdienst

Sonntag, 30.12.2012, 10.00 Uhr

Evang.-Luth. Christuskirche Oberstdorf

(Freiherr-von Brutscher-Str. 7)

Finissage im Gottesdienst

mit anschließendem Abverkauf der Installation

Sonntag, 13.01.2013, 10.00 Uhr

Evang.-Luth. Christuskirche Oberstdorf

(Freiherr-von Brutscher-Str. 7)

BELICHTUNGSZEIT

Sonntag,

Mittwoch,

Freitag,

Sonntag,

Dienstag,

Donnerstag,

Samstag,

30.12., 15.45 Uhr

02.01., 15.45 Uhr

04.01., 15.45 Uhr

06.01., 15.45 Uhr

08.01., 15.45 Uhr

10.01., 15.45 Uhr

12.01., 15.45 Uhr

Warum diese „krumme“ Uhrzeit? In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich eine Skischule.

Wir haben die Rückkehr der Skikurse aus den Skigebieten abgewartet, um die nötige

Ruhe für die Andacht zu haben. Zudem sollte die Andacht im schon dämmernden Licht

stattfinden, um die faszinierende Leuchtkraft der Cazadores wirken zu lassen.

An sonnigen Tagen hätten die Belichtungszeiten gern 30 Minuten später stattfinden dürfen,

was durch vorher bestehende Anschlusstermine nicht planbar war.


Kosten und Werbung

Kosten der Installation:

€ 5.236,- (400 Cazadores-del-sol).

100 Cazadores wurden vom Designer kostenlos hinzugegeben, um das finanzielle Risiko zu

minimieren und Diebstahl bzw. Beschädigungen im Sonnenfeld kompensieren zu können.

Finanzierung:

Die Finanzierung erfolgt ausschließlich aus Haushaltsmitteln. Sponsoren gibt es außer

dem Designer keine. Die Einnahmen resultieren ausschließlich aus dem Verkauf der Cazadores

im Rahmen der Gottesdienste und der „BELICHTUNGSZEIT“.

Kosten: € 25,- neu und nicht zusammengebaut | € 20,- aus der Installation

Oroginal kosten die Cazadores im shop von www.cazador-del-sol.de € 28,-.

Die Kosten konnten durch den Verkauf komplett gedeckt werden.

Werbung:

Die Werbung fiel aus organisatorischen Gründen eher knapp aus. Ursprünglich sollte die

Installation im Sommer im Rahmen des Deutschen Wandertages stattfinden oder in der

Osterzeit. Die Idee des Designers René Hildebrand, die Sonnenfänger doch im Schnee effektvoll

zu inszenieren, hatte einen Charme, der uns bezaubert hat. Zwischen der Ortsbegehung

mit Ausbrüten eines Titels für die Installation am 24. November 2012 und der

Eröffnung am 30. Dezember 2012 lagen noch zwei Wochen Urlaubszeit, in der nichts organisiert

werden konnte. Nicht optimal, aber ausreichend und letztlich erfolgreich.

Werbepostkarten und Ansichtsexemplare des Bildbandes „Sonnenschein für die Seele“

wurden von Cazador-del-sol.de unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Im Laufe der Installation

erschienen Artikel im Allgäuer Anzeigenblatt, Kreisboten und im Sonntagsblatt (epv,

siehe Pressespiegel)

An drei Sonnenfängern wurden Informationsfahnen (laminiert) angebracht, die die Passanten

über Veranstaltungen, die Idee hinter der Installation und technische Details informiert

haben.


Unsere Erfahrungen

Was wir mit und an den Cazadores erlebt haben, ist eingeflossen in die Predigt beim

Schlussgottesdienst. Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen haben wir die Belichtungszeiten

jeden zweiten Tag angeboten. Die kurzen Andachten mit 15 Minuten lichten

Gedanken für die Seele wurden im Schnitt von 23 Personen besucht. Einheimische und

Urlauber haben sich bewusst Zeit genommen. Manche nur ein Mal. Andere waren fast

jedes Mal anwesend. Für manche war die Andacht der Anziehungspunkt. Andere wollten

mehr über die Cazadores erfahren. Einige sind erschienen, um Cazadores zu kaufen und

haben die Andacht in Kauf genommen.

Die Ortswahl hat sich als ideal herausgestellt. Wir hätten uns den ganzen Tag im Fuggerpark

aufhalten können, um Passanten die Cazadores näher zu bringen. Besonders gefragt

waren technische Informationen, also warum die Cazadores leuchten.

Immer wieder hörten wir: „Ihr traut euch was. Ihr habt vielleicht Mut. Habt ihr keine

Angst, dass die Cazadores geklaut oder beschädigt werden?“ Ja. Die Angst haben wir gehabt.

In der Nacht nach dem Auftaktspringen der Vierschanzentournee und in der Silvesternacht

wurden in der Tat Cazadores zerstört und entwendet. Und sicherlich wurden auch

einige Cazadores gestohlen, ohne dass wir es bemerkt haben.

Und dennoch: wir würden die Installation immer wieder durchführen. Denn wo kämen wir

hin, wenn sich niemand mehr traut, schöne Veranstaltungen anzubieten oder schlichtweg

Menschen Licht und Freude zu schenken. Die zahlreichen Gespräche, die leuchtenden wie

staunenden Gesichter sind der Lohn für unsere Risikobereitschaft.


BELICHTET

Predigt zur Eröffnung der Installation

am 30. Dezember 2012

in der Evang.-Luth. Christuskirche Oberstdorf

Predigttext: Lukas 2, 25-35

Kaum sind die Geschenke ausgepackt, fliegen bei Ikea auch schon wieder die Bäume aus

dem Fenster. Es ist Zeit für "Knut". Bis einschließlich 13. Januar feiert die schwedische

Möbelhauskette ihren traditionellen Winterschlussverkauf nach Weihnachten. Eingeläutet

wird die Angebotssaison mit einer umfassenden Kommunikationskampagne.

Herzstück der Kampagne ist ein TV-Spot mit dem gewohnten Humor. Der Film zeigt einen

Mann, der den richtigen Zeitpunkt für das „Weihnachtsbaum-aus-dem-Fensterwerfen“

stets verpasst - mal ist er viel zu früh dran, mal eindeutig zu spät. Der Sprecher mit dem

charmanten schwedischen Akzent erklärt, dass genau jetzt der optimale Zeitpunkt sei, um

das Motto "Raus mit dem Alten. Rein mit dem Neuen." umzusetzen.

Der Weihnachtsbaum bleibt in unseren Breitengraden, wenn er es denn mit macht, bis

Mariä Lichtmess stehen. Aber der Slogan ist eine Steilvorlage, die ich nutzen will.

Es ist Zeit für Knut. "Raus mit dem Alten. Rein mit dem Neuen." Manches Weihnachtsgeschenk

hat Altes erneuert. Endlich eine neue Küchenmaschine, die nicht mehr so rumeiert.

Endlich ein neuer PC – ganz ohne Viren. Endlich neue Langlaufskier – mit der neuesten

Technik. Endlich: raus mit dem Alten.

Rein mit dem Neuen. An den guten Vorsätzen für 2013 wird schon fleißig getüftelt. Wir

sind schon eine drollige Spezies: wir glauben, dass wir von einem Tag auf den andern liebgewordene

Verhaltensweisen, lang antrainierte Schrulligkeiten einfach so rausschmeißen.

So einfach ist das nicht. Meist schon vor dem 13. Januar sind die guten Vorsätze passée.

Und auch das Glück über die neue Küchenmaschine, den PC oder die Langlaufskier weicht

irgendwann der gewöhnlichen Zufriedenheit. Deshalb ist es auch nicht wirklich Zeit für

Knut. Denn die Knut-Zeit ist nur etwas Äußerliches, Materielles, sie berührt mich nicht

wirklich. Und nicht lang.

Wenn ich wirklich möchte, dass in meinem Leben etwas neu wird, dass ich an meiner Seele

berührt werde, dann hilft mir Knut nicht viel weiter.

Was mich wirklich weiterbringt, lerne ich vom alten Simeon. Ein Leben lang lebt er von

einer unerfüllten Hoffnung: Zu Lebzeiten den Messias sehen. Den Menschen sehen, in dem

Gott sein Gesicht zeigt. Der den Frieden bringt. Einen Frieden, der mehr ist als das Schweigen

der Waffen. Einen Frieden, der ganz tief in der Seele verankert ist. Einen Frieden, der


sich versöhnt – mit all dem, was im eigenen Leben nicht stimmt, mit allem, was ich verbockt

habe, mit allem, was ich nicht kann und habe und niemals haben werde, mit allem,

was ich an Kratzern und Macken habe. Mit aller Traurigkeit, dass mein Leben endlich ist.

Die Hoffnung auf diesen tiefen Frieden, den Schalom, erfüllt Simeon – ein langes Menschenleben

lang. Und diese Hoffnung lebt er. Sie lässt seine Seele strahlen – das sieht man

ihm an.

Und jetzt am Ende seines Lebens schaut er der Sonne, die schon längst in ihm ihre Hoffnungsstrahlen

ausgebreitet hat, direkt ins Gesicht. „Herr, nun lässt du deinen Diener in

Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitest hast

allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.“

Ich habe Simeon vor Augen, wenn ich das Licht der cazadores-del-sol ansehe. Simeons

Leben ist BELICHTET – von der Hoffnung auf den Messias, die ihn am Leben hält. Es ist

BELICHTET von der Geburt des Heilands, wie er sagt. Ein Licht zu leuchten den Heiden. Sie

sind nach Simeons Meinung unterbelichtet. Das meint nicht dumm, sondern: nicht oder

noch nicht oder kaum belichtet von der Hoffnung des Simeon.

In den cazadores-del-sol sehe ich all die warmen, zärtlichen Strahlen, mit denen die

menschgewordene Hoffnung Jesus Christus seiner Umwelt begegnet. Mit Sanftmut. Mit

Geduld. Mit Hingabe. Mit Leidenschaft. Mit Liebe. Mit Friede. Deswegen herrscht in dieser

Welt, auch in meiner kleinen Welt, noch lange kein Friede. Aber die ersten Strahlen geben

meiner Hoffnung Nahrung. Ohne diese Hoffnung würde ich keinen Schritt auf den Frieden

zu machen und keine Hand für ihn rühren.

In den cazadores-del-sol sehe ich mich selbst. Als Jäger der Sonne oder Sonnenfänger.

Was beinahe mystisch klingt ist Sinn und Zweck der cazadores. Sie bewegen sich im

Grenzland zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren. So wie Paul Gerhardt gedichtet

hat: Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen; und weil ich nun nichts

weiter kann, bleib ich anbetend stehen. O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel

ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen!

Im Anblick der cazadores will ich meinen Blick nach innen richten. Will sehen, wie es um

das Licht in mir bestellt ist. Ob da wenigstens ein Funken Hoffnung für das neue Jahr und

alle meine Tage zu sehen ist. Ob da noch die Glut meiner Leidenschaft lodert – für meinen

Glauben, meine Ideale. Ob da ein Licht ist, das mir in finstren Zeiten die Seele wenigstens

dämmern lässt. Ob da eine Kraft ist, die das Restlicht in mir verstärkt – wie die cazadores

das Licht der Sonne, selbst wenn sie von Wolken verdeckt ist, selbst wenn sie am Ende des

Tages untergeht.

In den cazadores liegt jene Verheißung, die auch über dem Leben des Simeon und jedem

Leben liegt: das Licht leuchtet dann am stärksten, wenn meine Kraft abnimmt, ja sogar

dann, wenn meine Lebenstage abnehmen. Aber die Erfüllung dieser Verheißung werde ich

nur schauen, wenn ich mein Leben belichten lasse. Es ist nie zu früh dafür.

Angelus Silesius hat in seinem cherubinischen Wandersmann vor mehr als 350 Jahren

gedichtet:


Ist dieses Kind tausendmal in Bethlehem geboren und ist es nicht in Dir geboren, so ist es

nicht geboren. Das liebste Werk, das Gott so inniglich liegt an, ist, dass er seinen Sohn in

dir gebären kann. Nimm hin der Sonnen Licht: mein Jesus ist die Sonne, die meine Seel

erleucht´ und macht sie voller Wonne. Wem seine Sonne scheint, derselbe darf nicht gucken,

ob irgendwo der Mond und andre Sterne blicken. Ich selbst muss Sonne sein. Ich

muss mit meinen Strahlen das farbenlose Meer der ganzen Gottheit malen. Da Gott das

erste Mal hat seinen Sohn geborn, da hat er mich und dich zum Kindbett außerkorn.

„Raus mit dem Alten. Rein mit dem Neuen.“ Es ist Zeit. Weihnachtszeit. Zeit für das Kind

im Manne. Und in der Frau. Es will dein Leben belichten. Heute – und alle deine Tage.

Amen.


BELICHTUNGSZEIT

Lichtung

Willkommen bei den Cazadores, an der Installation „BELICHTET“.

BELICHTET ist für mich die Kurzform des Ausspruches: die Seele in die Sonne halten.

Das will man oft im Urlaub: die Seele baumeln lassen und die Seele in die Sonne

halten.

Mit dem ersten verbinde ich eher: mich nicht angehen lassen von dem, was meine

Seele sonst so beschäftigt. Die Spannung aus der Seele nehmen. Die kleinen und die

großen Sorgen vergessen.

Mit dem zweiten verbinde ich eher: die Seele auftanken, sie ins Sonnenlicht halten,

damit sie durchgewärmt wird und aufgehellt und leuchtend. Eben BELICHTET - wie

ein Film.

Ein Film - das war früher so ein Kunststoffstreifen in einer Fotokamera. Die hat beim

fotografieren einen Verschluss, die Blende, aufgemacht, und das einfallende Licht

hat während der Belichtungszeit ein Bild auf dem Kunststoffstreifen hinterlassen.

Wenn wir unsere Seele in die Sonne halten, wird sie hell. Wenn wir unsere Seele

aufmachen - und da reicht ein kurzer Moment der Belichtungszeit, dann hinterlässt

das einfallende Licht ein Bild. Wenn sie jetzt ihre Seele öffnen, dann hinterlassen die

Cazadores etwas in ihnen: ein Bild, einen Gedanken, ein Lächeln, das sie mitnehmen.

LICHTUNG

Vielleicht kann das jetzt, hier, im Moment geschehen, wo wir an dieser Installation

stehen. Wir stehen an ihrem Rand, wie an einer Lichtung. (Sie merken, ich spiele

gern mit den Worten.)

So ein heller Fleck zwischen Bäumen, ist für mich eine Art Lichtung. Laut Wörterbuch

ist eine Lichtung eine baumfreie Fläche inmitten eines Waldes. Man sagt dazu

auch Blöße (oder veraltet: eine Lichte oder eine Helle). Im Sinne des Bundeswaldgesetzes

gilt eine Lichtung als Wald.

Da geht man nun so unversehens durch den Wald, stiefelt vor sich hin. Wer an eine

Lichtung kommt, bleibt meistens erst mal stehen und schaut. Schaut wie weit der

Blick über das Gras reicht, der zwischen den immer gleichen Bäumen vorher nur auf

den Weg und den Boden gerichtet war. Auf der Lichtung kann ich das Haupt erheben,

vielleicht nach einem Plätzchen zum bleiben suchen, mich in die Sonne legen

und auch meine Seele hineinhalten. Kräfte sammeln. Wärme tanken. Durch das offene

Kronendach den Himmel genießen, bevor es wieder weitergeht, im Wald.


Die Cazadores mögen so eine Lichtung sein - fast hätte ich gesagt im Großstadtdschungel.

Sage ich lieber: im Alltag, auch im Urlaubsalltag.

Ein Ort, wo ich unvermittelt stehen bleiben muss und mich umschauen. Ein Ort, der

mich anzieht, weil er von weitem schon mir zuleuchtet. Wo ich das Haupt hebe, und

mir ein Lächeln auf die Lippen kommt und ein Staunen ins Gemüt. Wo ich spielen

möchten - alle einmal antippen - und zuschauen will, was passiert, wenn der Wind

hineinfährt. Wo ich mich losreißen muss, weil mein Weg, meine Aufgabe wieder

ruft.

Aber ich gehe anders weiter. Meine Seele trägt jetzt das Bild in sich von dieser

leuchtenden Lichtung. Sie trägt die Erinnerung an die Wärme mit, an den erwachten

Spieltrieb. Und das Rückgrat spürt noch eine ganze Weile, wie es ist, aufgerichtet zu

schauen.

Für richtige Forstwirte heißt es im Lehrbuch: "Soll auf Grund ökologisch wertvoller

Vorkommen oder nutzungsbedingter Notwendigkeit eine Lichtung erhalten werden,

so muss sie gepflegt werden. Der natürliche Entwicklungszyklus würde sonst durch

die am Rand der Lichtung stehenden Bäume wieder einen Wald entstehen lassen."

Für mich heißt das: Pass auf deine Lichtungen auf. Der alltägliche Wald greift sie

sich wieder und überwuchert alles. Halt dir Orte und Zeiten frei, wo du deine Seele

in die Sonne halten kannst. Der Wald lichtet sich nicht von alleine, außer durch

Stürme, Brände oder Krankheiten. Und das tut ihm weh.

Pflege deine Lichtungen. Damit das Licht auf deine Seele fallen kann. Gott will, dass

deine Seele hell ist. Halte sie ihm hin. Jetzt gleich, während du noch stillstehst und

staunst und vielleicht spielen möchtest.

Bleiben wir einen Moment ruhig stehen und halten Gott unsere Seele hin.

Gerhard Tersteegen dichtet 1729:

Du durchdringest alles;

lass dein schönstes Lichte,

Herr, berühren mein Gesichte.

Wie die zarten Blumen

willig sich entfalten

und der Sonne stille halten,

lass mich so

still und froh

deine Strahlen fassen

und dich wirken lassen. Amen.


Segen

So könnt ihr weiterziehen.

Gottes heller Segen begleitet euch wie ein Lichtschein.

Gott segne dich und behüte dich.

Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir

Gott erhebe sein Angesicht auf dich

und schenke dir Frieden.

Amen.


BELICHTUNGSZEIT

Leuchtende Gesichter

Willkommen an der Installation „BELICHTET“.

Willkommen zu einer kurzen BeLICHTungszeit,

ein paar Minuten Licht auf die Seele.

Wir stehen vor 400 Cazadores-del-sol.

Cazador-del-sol heißt Jäger der Sonne. Wir sagen Sonnenfänger, weil sie ja nicht nach der

Sonne jagen, sondern hier stehen und das unsichtbare UV-Licht einfangen und in sichtbares

Licht umwandeln. Das geschieht durch Fluoreszenz, den gleichen Stoff, der Insekten zu den

Blüten lockt.

Schön, dass sie sich haben anlocken lassen, um einen Lichtstrahl in Herz und Seele einzufangen.

Albert Einstein (1879–1955) sagt: „Das Schönste, was es in der Welt gibt, ist ein leuchtendes

Gesicht!“

Und ich sehe hier vor der Installation häufig leuchtende Gesichter. Die Leute schlendern

durch den Park oder sind eilig unterwegs zu einem wichtigen Urlaubstermin - aber keiner

geht vorbei, ohne nicht wenigstens einen Blick zu riskieren. Und alle wundern sich, was diese

leuchtenden Scheiben da zu bedeuten haben. Und wirklich, die allermeisten Gesichter

fangen auch an zu leuchten.

Das ist genau der Sinn dieser Installation: die Gesichter sollen leuchten. Denn: Das Schönste,

was es in der Welt gibt, ist ein leuchtendes Gesicht!

An sonnigen Tagen sind die Cazadores fast überflüssig. Da fällt genügend Sonnenschein auf

die Menschen, dass sie fröhlich sind. Aber wenn die Sonne fehlt, an bedeckten Tagen, wenn

Wolken die Sonne verdecken - oder in der Dämmerung, wenn die Sonne schon hinter dem

Horizont verschwunden ist und man sie nur noch ahnt hinter der schwarzen Silhouette der

Berge - dann leuchten die Cazadores besonders.

Sie nehmen das Restlicht auf, den kleinsten Rest UV-Licht nehmen sie und verstärken ihn in

der halbdunklen Umgebung. Sie sind eine Art Restlichtverstärker. Und machen dadurch die

Gesichter der Vorbeieilenden und Flaneure lachend und leuchtend. Beides gehört für mich

zusammen: lachen und leuchten. Ein Gesicht kann nicht lachen ohne zu leuchten, und kann

nicht leuchten ohne zu lachen.

Für mich sind die Cazadors ein wunderbares Symbol für das, was ich als Pfarrerin und wir

alle als Menschen tun können und sollen: für jemandem, für den sich der Himmel verdunkelt

hat, das unsichtbare Licht sichtbar machen. Wir müssen nicht selber leuchten und uns

dabei verzehren wie eine Kerze. Wir können ihm die Sonne einfangen, die uns noch lange

leuchtet. Nicht mit Fluoreszenz im Blick, aber mit einem Funken Liebe, die wir uns bei Gott

eingefangen haben. Mit der Liebe, die wir selber spüren, weil wir in Gottes Licht stehen, uns

von ihm gehalten und getragen wissen.


Wer diese Tragfähigkeit kennt - wer dem Leben vertrauen kann, dass es gut ausgeht - oder

in Kirchensprache gesagt: wer an Gott glaubt - der strahlt das auch aus für die, denen die

Sonne nicht scheint.

Solche Sonnenfänger-Leuchtmenschen gibt es. Ohne Worte sagen sie: Gott ist da, er wohnt

im menschlichen Herzen…

Wie sehr muss Jesus geleuchtet haben, dass die Menschen ihn Gottessohn nannten. In ihm

sahen sie erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 42,1-4):

»Siehe, das ist mein Knecht, den ich erwählt habe, und mein Geliebter, an dem meine Seele

Wohlgefallen hat; ich will meinen Geist auf ihn legen, und er soll den Heiden das Recht verkündigen.

Er wird nicht streiten noch schreien, und man wird seine Stimme nicht hören auf den Gassen;

das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht

auslöschen, bis er das Recht hinausführt zum Sieg; und die Heiden werden auf seinen Namen

hoffen.«

Jesus war und ist der große Sonnenfänger. Doch schon ein einziger kleiner Sonnenfänger

kann das Gesicht eines Betrachters zum Leuchten bringen. Jeder von uns kann das.

Hilde Domin (1909-2006) dichtet:

Vielleicht wird nichts verlangt

von uns

während wir hier sind,

als ein Gesicht

leuchten zu machen

bis es durchsichtig wird

Nur in einem widerspreche ich Hilde Domin: es wird nicht von uns verlangt. Es geschieht

von allein, wenn wir selber durchsichtig sind, wenn wir Sonnenfänger sind.


Mit Worten von Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) bete ich:

In mir ist es finster,

aber bei Dir ist das Licht;

ich bin einsam, aber Du verlässt mich nicht;

ich bin kleinmütig, aber bei Dir ist die Hilfe;

ich bin unruhig, aber bei Dir ist der Friede;

in mir ist Bitterkeit, aber bei Dir ist die Geduld;

ich verstehe Deine Wege nicht, aber

Du weißt den Weg für mich.

Amen.

Segen

So geht eure gottbekannten Wege.

Gottes heller Segen begleite euch wie ein Lichtschein.

Gott segne dich und behüte dich.

Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir

und sei dir gnädig.

Gott erhebe sein Angesicht auf dich

und schenke dir + Frieden.

Amen.


BELICHTUNGSZEIT

Geliebte kleine Seele

15 Minuten Licht auf die Seele.

Die Cazadores-del-sol tun der Seele gut. Ihr warmes Licht. Auch an Tagen, an denen es

eher trübe ist. Nein, gerade dann tun sie gut.

Wir haben vor Augen, was uns gut tut. Diese Lichtquelle. Aber darüber hinaus will ich fragen

und danach suchen, woher ich das Licht für meine Seele beziehe, was mir gut tut. Ich

habe eine entzückende kleine Geschichte gefunden, die mich anrührt. Immer wieder.

Wenn ich an den Freitagnachmittagen nach der Schule zu meinem Großvater zu Besuch

kam, dann war in der Küche seines Hauses bereits der Tisch zum Teetrinken gedeckt. Mein

Großvater hatte seine eigene Art, Tee zu servieren. Es gab bei ihm keine Teetassen, Untertassen

oder Schalen mit Zuckerstückchen oder Honig. Er füllte Teegläser direkt aus einem

silbernen Samowar. Man musste zuerst einen Teelöffel in das Glas stellen, denn sonst hätte

das dünne Glas zerspringen können. Mein Großvater trank seinen Tee auch nicht so, wie es

die Eltern meiner Freunde taten. Er nahm immer ein Stück Zucker zwischen die Zähne und

trank dann den ungesüßten heißen Tee aus dem Glas. Und ich machte es wie er. Diese Art,

Tee zu trinken, gefiel mir viel besser als die Art, auf die ich meinen Tee zu Hause trinken

musste.

Wenn wir unseren Tee ausgetrunken hatten, stellt mein Großvater stets zwei Kerzen auf den

Tisch und zündete sie an. Dann wechselte er auf Hebräisch einige Worte mit Gott. Manchmal

sprach er diese Worte laut aus, aber meist schloss er einfach die Augen und schwieg.

Dann wusste ich, dass er in seinem Herzen mit Gott sprach. Ich saß da und wartete geduldig,

denn ich wusste, jetzt würde gleich der beste Teil der Woche kommen.

Wenn Großvater damit fertig war, mit Gott zu sprechen, dann wandte er sich mir zu und

sagte: "Komm her, Neshumele." Ich baute mich dann vor ihm auf und er legte mir sanft die

Hände auf den Scheitel. Dann begann er stets, Gott dafür zu danken, dass es mich gab und

dass Er ihn zum Großvater gemacht hatte. Er sprach dann immer irgendwelche Dinge an,

mit denen ich mich im Verlauf der Woche herumgeschlagen hatte, und erzählte Gott etwas

Echtes über mich. Jede Woche wartete ich bereits darauf, zu erfahren, was es diesmal sein

würde. Wenn ich während der Woche irgendetwas angestellt hatte, dann lobte er meine

Ehrlichkeit, darüber die Wahrheit gesagt zu haben. Wenn mir etwas misslungen war, dann

brachte er seine Anerkennung dafür zum Ausdruck, wie sehr ich mich bemüht hatte. Wenn

ich auch nur kurze Zeit ohne das Licht meiner Nachttischlampe geschlafen hatte, dann pries

er meine Tapferkeit, im Dunkeln zu schlafen. Und dann gab er mir seinen Segen und bat die

Frauen aus ferner Vergangenheit, die ich aus seinen Geschichten kannte – Sara, Rahel, Rebekka

und Lea – , auf mich aufzupassen.

Diese kurzen Momente waren meiner ganzen Woche die einzige Zeit, in der ich mich völlig

sicher und in Frieden fühlte. In meiner Familie von Ärzten und Krankenschwestern rang man


unablässig darum, noch mehr zu lernen und noch mehr zu sein. Da gab es offenbar immer

noch etwas mehr, das man wissen musste. Es war nie genug. Wenn ich nach einer Klassenarbeit

mit einem Ergebnis von 98 von 100 Punkten nach Hause kam, dann fragte mein Vater:

„Und was ist mit den restlichen zwei Punkten?“ Während meiner gesamten Kindheit

rannte ich unablässig diesen zwei Punkten hinterher. Aber mein Großvater scherte sich

nicht um solche Dinge. Für ihn war mein Dasein allein schon genug. Und wenn ich bei ihm

war, dann wusste ich irgendwie mit absoluter Sicherheit, dass er Recht hatte.

Mein Großvater starb, als ich sieben Jahre alt war. Ich hatte bis dahin nie in einer Welt gelebt,

in der es ihn nicht gab, und es war schwer für mich, ohne ihn zu leben. Er hatte mich

auf eine Weise angesehen, wie es sonst niemand tat, und er hatte mich bei einem ganz besonderen

Namen genannt – „Neshumele", was „geliebte kleine Seele" bedeutet. Jetzt war

niemand mehr da, der mich so nannte. Zuerst hatte ich Angst, dass ich, wenn er mich nicht

mehr sehen und Gott erzählen würde, wer ich war, einfach verschwinden würde. Aber mit

der Zeit begann ich zu begreifen, dass ich auf irgendeine geheimnisvolle Weise gelernt hatte,

mich durch seine Augen zu sehen. Und dass einmal gesegnet worden zu sein heißt, für

immer gesegnet zu sein.

Viele Jahre später, als meine Mutter im hohen Alter überraschender Weise begann, selbst

Kerzen anzuzünden und mit Gott zu sprechen, erzählte ich ihr von diesen Segnungen und

was sie mir bedeutet hatten. Da lächelte sie traurig und sagte zu mir: „Ich habe dich an jedem

Tag deines Lebens gesegnet, Rachel. Ich habe nur nicht die Weisheit besessen, es laut

auszusprechen.“ Quelle: Rachel Naomi Remen, Aus Liebe zum Leben, Arbor, Freiburg 2002

Eine Geschichte, die mich anrührt. In meiner Seele. Weil sie mir mit dem Mädchen einen

kleinen Menschen vor Augen führt, der Sonnenstrahlen fängt. Die Kerzen beim Großvater

strahlen, aber vielmehr noch sein ganzes gütiges Wesen strahlt, dass Neshumele liebend

gern immer wieder zu ihm kommt, um sich mit Leib und Seele bei ihm zu wärmen. Du,

meine geliebte kleine Seele, bist so, wie du bist recht. Das ist ein Lichtpunkt auf der Seele.

Er steht denen gegenüber, die Schatten auf die Seele werfen. Diese zwei dunklen, nicht

erreichten Punkte zur Perfektion.

Ein anrührende Geschichte, von der ich mich anreizen lassen möchte. Ich möchte darauf

achten, ob ich Sonne verteile. Ob sich jemand an mir und meinem Wesen erwärmen kann.

Ich möchte lernen, meinen Mund und meine Augen und meine Hände zu öffnen, um zu

segnen. Ein zu viel kann es nicht geben. Amen.

Vaterunser

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns

unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die

Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.


Segen

Segen sei mit dir, der Segen strahlenden Lichtes,

Licht um dich her und innen in deinem Herzen.

Sonnenschein leuchte dir und erwärme dein Herz,

bis es zu glühen beginnt wie ein Torffeuer,

und der Fremde tritt näher,

um sich daran zu wärmen.

Aus deinen Augen strahle gesegnetes Licht wie zwei Kerzen

in den Fenstern deines Hauses,

die den Wanderer locken,

Schutz zu suchen dort drinnen vor der stürmischen Nacht.

Wem du auch begegnest,

wenn du über die Straße gehst,

ein freundlicher Blick von dir möge ihn treffen.

Irischer Segen


BELICHTUNGSZEIT

Sternenfunken

Willkommen bei den Cazadores-del-sol.

Die Sternsinger sind heute unterwegs. Der Titel Sternsinger beinhaltet für mich beides:

Die Weisen aus dem Morgenland, nach denen der heutige Tag im Volksmund Dreikönigstag

heißt, verbergen sich in dem Brauch. Und im Mittelpunkt der Aktion steht die Huldigung

an das Licht; das ist der Hintergrund von Epiphanias, wie der heutige Tag kirchlich

offiziell heißt.

Die Sternsinger heute Mittag an unserer Haustür haben mich auf die Gedanken für unsere

Belichtungszeit gebracht.

Licht, das in die Welt gekommen,

Sonne voller Glanz und Pracht,

Morgenstern, aus Gott entglommen,

treib hinweg die alte Nacht,

zieh in deinen Wunderschein

bald die ganze Welt hinein.

Komm erquick auch unsre Seelen,

mach die Augen hell und klar,

dass wir dich zum Lohn erwählen;

vor den Stolzen uns bewahr;

ja, lass deinen Himmelsschein

unsres Fußes Leuchte sein.

Text: Ewald Rudolf Stier 1827, EG 550, 1+5

Text: Als der Stern zersprang

Als die Weisen aus dem Morgenland Bethlehem wieder verließen, blickten sie von einer Anhöhe

nochmals auf die Stadt zurück.

Da sahen sie ein wunderbares Schauspiel: Der Stern, der sie zur Krippe geführt hatte, zersprang

in tausend und abertausend kleine Sterne, die sich über die ganze Erde verteilten.

Doch die Weisen wussten nicht, was das zu bedeuten hatte.

Auf ihrem weiteren Weg kamen sie an eine Kreuzung. Sie fragten einen Fremden nach dem

rechten Weg. Der gab ihnen freundlich eine hilfreiche Auskunft. Und er gab den Weisen ein

wenig Proviant mit für ihre weite Reise. Da sahen sie über dem Kopf des Fremden einen

kleinen Stern leuchten!


Stunden später stürzte einer der drei Weisen und verletzte sich am Bein. Eine Frau, die in der

Nähe wohnte und gerade des Weges kam, eilte zu ihrem Haus zurück, holte Salbe und Verbandszeug

und behandelte die blutende Wunde. Da sahen sie über dem Kopf der Frau einen

kleinen Stern leuchten!

Die Weisen konnten ihre Reise fortsetzen. Als es dunkel wurde, legten sie sich in der Nähe

eines Bauernhofes auf die Erde, um zu schlafen. Da fing es heftig an zu regnen. Der Bauer

kam nach draußen und bat die Weisen in sein Haus, bewirtete sie und gab ihnen einen trockenen

Schlafplatz. Da sahen sie über dem Kopf des Bauern einen kleinen Stern leuchten!

Jetzt begriffen die drei Weisen das Schauspiel, das sie auf der Anhöhe über Bethlehem erlebt

hatten: Überall, wo ein Wort der Liebe gesagt, eine Tat der Liebe getan wird, da leuchtet

der Stern von Bethlehem, ein kleiner Stern der Liebe.

Sternenfunken

Der Stern von Bethlehem ist nicht verschwunden, ist nicht verglüht, ist nicht untergegangen

nach seinem ersten Auftritt.

Nein. Er ist in Tausend Sternenfunken zersprungen, um überall da, wo die Liebe erscheint,

zu leuchten. Und das auch nach Weihnachten. Wo immer Menschen einander helfen, Obdach

gewähren, guten Rat und Orientierung bieten. Wo immer Menschen füreinander da

sind, sich einsetzen wie die Sternsinger heute an meiner Haustür. Überall da leuchtet ein

Funken des Weihnachtslichtes weiter.

Gebet

Komm, so sehr verheißenes Kind,

wir haben übers Jahr wieder vergessen

wie man empfängt.

Inwendig.

Komm ruhig zur halben Angst,

ehe uns morgen die Nacht austritt.

Komm, vielleicht lassen sie Dich gar nicht durch,

verkleide Dich lieber, kleines Stück Stern.

Komm und leucht in unsere Seele. Amen.


Sendung

Es leuchtet der Stern.

Viel kannst du nicht mitnehmen auf den Weg.

Und viel geht dir unterwegs verloren.

Lass es fahren.

Gold der Liebe,

Weihrauch der Sehnsucht,

Myrrhe der Schmerzen

hast du ja bei dir.

Er wird sie annehmen.

Karl Rahner

Segen

Und so segne dich

auf deinem Weg unter dem Licht

der gütige und barmherzige Gott,

der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.


BELICHTUNGSZEIT

Unerhörte Schönheit

Willkommen an diesen unerhört schönen Cazadors del Sol.

Sie haben ihre Schönheit nicht aus sich selbst, sondern durch das Licht, das sie aufnehmen

und weitergeben. Überall in der Schöpfung ist es so: sie spiegelt die Schönheit des Schöpfers

wider.

Simone Weil sagt es so: „Man hat recht, die Schönheit der Welt zu lieben, denn sie ist das

Zeichen eines Liebesaustausches zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung.

Die Schönheit ist für die Dinge, was die Heiligkeit für die Seele ist.“

Simone Weil (vor EG 504)

Unerhört schön

An einer U-Bahn-Haltestelle in Washington DC steht an einem kalten Januarmorgen 2007

ein Mann mit einer Violine. Er spielt Bach, auch Schubert.

Während dieser Zeit kommen im morgendlichen Berufsverkehr Hunderte von Menschen an

ihm vorbei. Es dauert ein paar Minuten, bis der erste Passant den Geiger bemerkt. Er verlangsamt

seinen Schritt für ein paar Sekunden. Aber er unterbricht seinen Weg nicht. Kurz

darauf wirft eine Frau den ersten Dollar in den Hut des Musikers, aber auch sie bleibt

nicht stehen. Ein junger Mann hält kurz inne um zuzuhören. Aber ein Blick auf seine Uhr

treibt ihn an weiterzugehen.

Dann nähert sich ein etwa dreijähriger Junge. Er möchte stehen bleiben, aber seine Mutter

zieht in an ihrer Hand weiter. Das Kind schaut im Gehen zurück, will der Musik weiter

zuhören. Die Mutter treibt es an.

Wie dieser Junge verhalten sich einige Kinder, aber ausnahmslos drängen ihre Eltern sie

zur Eile.

Der Geiger spielt ohne abzusetzen. Insgesamt sechs Menschen bleiben vor ihm stehen und

hören ihm für kurze Zeit zu. Vielleicht 20 Vorübergehende werfen ihm eine Münze in den

Hut.

Nach einer knappen Dreiviertelstunde beendet der Geiger sein Konzert. Es wird still. Aber

niemand nimmt davon Notiz, niemand applaudiert. 32 Dollar sind zusammengekommen.

Der Violinist war Joshua Bell, einer der besten Musiker der Welt. Er spielte unter anderem

eines der komplexesten und schwierigsten Musikstücke, die jemals geschrieben wurden:

die Chaconne in d-Moll von Johann Sebastian Bach. Die Geige, die er dafür verwendetet,

war 3,5 Millionen Dollar wert.


Zwei Tage davor hatte Joshua Bell vor einem ausverkauften Haus das gleiche Konzert gegeben.

Die Karten für dieses Ereignis kosteten durchschnittlich 100 Dollar.

Sein Auftritt in der U-Bahn-Station war ein Experiment. Die Zeitung Washington Post

hatte es in Auftrag gegeben. Die Redaktion interessierte die Frage, ob Menschen Schönheit

auch in einem unerwarteten Kontext erkennen. Und ob wir uns in unserem routinierten

Tagesablauf vom Augenblick berühren lassen.

Der andere Advent 2012/13 (Mi 02.01.)

Staunen über alltägliche Schönheit

Dies hier ist kein Experiment. Es gibt nirgends eine Kamera und Birgit Schrowange wird

um 22.15 Uhr sich nicht herablassen äußern über die Banausen, die vorbeigehen. Keine

Enthüllung wie eingefahren wir hier sind.

Nur die Frage, die jeder selbst sich stellen muss: Kann ich noch Schönheit wahrnehmen, in

meinem alltäglichen Umfeld?

Es ist nicht schwer vor den Cazadors stehenzubleiben; ist ja auch nicht unser alltägliches

Umfeld. Wer hier vorbeikommt ist im Urlaub oder macht einen Spaziergang. Es ist keine

U-Bahn-Station, die von der engen Taktung des Fahrplans regiert wird. Hier lässt man sich

leichter von etwas berühren, weil man von vornherein mehr Zeit mitbringt.

Aber so im routinierten Tagesablauf - berührt uns da etwas? Können wir da den Kopf heben

und die Wolken bestaunen, während wir an der Fußgängerampel warten? Oder einen

Löwenzahn, der sich an meiner Hausmauer durch die Steine schiebt? Oder die Gelassenheit

der Schneeflocken bei Windstille, wenn sie sinken und sinken, während ich räumen

muss? Die Schönheit im Gesicht eines x-beliebigen Menschen, der zufällig an der Kasse

vor mir steht?

Kann ich staunen über Schönheit für die ich keinen Eintritt bezahlt habe? Kann denn das

was wert sein? Oder anders gefragt: was ist mir die Schönheit der Schöpfung wert?

Einen Augenblick meiner Zeit, den Verzicht auf Unkrautvertilger, eine Spende an den Umweltfonds,

ein freundliches Lächeln oder gar einen anderen Lebensstil?

Dass wir uns herausziehen lassen aus der engen Taktung unseres Alltags und staunen

können über Schönheit, für die wir mehr als einen Augenblick investieren, das ist wichtig

für uns persönlich und für die Welt.


Wunsch

Ich möchte von den Dingen die ich sehe

wie von dem Blitz

gespalten werden

Ich will nicht dass sie vorüberziehen

farblos bunte

sie schwimmen auf meiner Netzhaut

sie treiben vorbei

in die dunkle Stelle

am Ende der Erinnerung

Hilde Domin

Gebet

Wie schön leuchtet der Morgenstern

voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,

die süße Wurzel Jesse.

Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,

mein König und mein Bräutigam,

hast mir mein Herz besessen;

lieblich, freundlich,

schön und herrlich, groß und ehrlich,

reich an Gaben,

hoch und sehr prächtig erhaben.

Gieß sehr tief in das Herz hinein,

du leuchtend Kleinod, edler Stein,

mir deiner Liebe Flamme,

dass ich, o Herr, ein Gliedmaß bleib

an deinem auserwählten Leib,

ein Zweig an deinem Stamme.

Nach dir wallt mir

mein Gemüte, ewge Güte, bis es findet

dich, des Liebe mich entzündet. Amen.

Philipp Nicolai 1599


Segen

So könnt ihr weiterziehen.

Gottes heller Segen begleitet euch wie ein Lichtschein.

Gott segne dich und behüte dich.

Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir

Gott erhebe sein Angesicht auf dich

und schenke dir Frieden.

Amen.


BELICHTUNGSZEIT

Wenn die Sonne nicht mehr aufgeht

Es ist eine Binsenweisheit: Wer nicht auf Google zu finden ist, ist quasi nicht online - und

wer heute nicht mehr online ist, ist nicht mehr existent. So ist es auch dem kleinen Ort

mit dem schönen Namen „Sunrise“ in Florida ergangen.

Wer Sunrise im Kartendienst Google Maps eingab, wurde in die Irre geführt. Wollte jemand

Geschäfte, Anwaltskanzleien, Blumengeschäfte in der Gegend finden, wurde er hunderte

Kilometer weit weg geschickt. So richtig an einen Zufall mochte man in Sunrise

nicht mehr glauben, denn im Vorjahr war ihre Stadt schon zweimal aus der Suchmaschine

verschwunden. Es dauerte damals mehrere Wochen, bis Sunrise auch virtuell wieder stattfand.

Mike Blumenthal, ein Suchmaschinenspezialist aus Florida, ging der Sache nach - und

fand heraus, dass immer wieder Orte aus der Google-Welt verschwanden, darunter auch

das Dorf Woodstock im Staat New York, Namensgeber des berühmten Festivals. Der Experte

erklärte die Fehler mit Umstellungen bei den Karten, auf denen Google Maps basiert.

Dabei sei schon mal der eine oder andere Ort unter den virtuellen Tisch gefallen. Schwund

gäbe es immer.

Inzwischen hat Google Sunrise wieder auferstehen lassen und sich bei Bürgermeister Mike

Ryan entschuldigt. Diesmal würde die Stadt dauerhaft auf der Karte Floridas erhalten bleiben,

so das Versprechen. Immerhin konnte sich Sunrise so über ein wenig Aufmerksamkeit

in den nationalen Medien freuen.

Eigentlich eine amerikanische Provinzposse. Aber von großer Symbolkraft. Denn nicht auszudenken,

wenn die Sonne nicht mehr aufgehen würde… Ok, eine Sonnenfinsternis kann

man überstehen. Dauert nicht solange. Und fasziniert mehr, als dass sie erschrickt. Die

Welt ist auch nicht untergegangen. Die Sonne geht weiterhin jeden Morgen auf. Und jeden

Abend unter. Immer noch. Und immer wieder.

Erschreckender finde ich die Symbolkraft der Episode im Angesicht der Cazadores. Sie entfalten

ihre ganze Schönheit schon mit ganz wenig Sonnenlicht. Aber wenn die Sonne

nicht mehr ist, dann leuchten auch die Cazadores nicht. Das Licht, das am Tage gute Laune

verströmt, vergeht mit der Finsternis.

Für mein Leben wäre das eine Katastrophe. Wenn Tage sich verdunkeln… Wenn es finster

in meinem Herzen wird… Wenn Schatten auf meine Seele fallen… Und die Sonne ginge

nicht mehr auf… Und ich trüge die Sonne nicht in meinem Herzen… Hätte keinen Funken,

der mir meine Hoffnung am Leben erhält… Wie trostlos... Wie traurig… Jetzt. Mitten im

Leben. Und auch am Ende meiner Tage.


Jesus Christus hat einmal gesagt: „Niemand zündet ein Licht an und setzt es in einen

Winkel, auch nicht unter einen Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit, wer hineingeht,

das Licht sehe. Dein Auge ist das Licht des Leibes. Wenn nun dein Auge lauter ist, so ist

dein ganzer Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. So schaue darauf,

dass nicht das Licht in dir Finsternis sei. Wenn nun dein Leib ganz licht ist und kein

Teil an ihm finster ist, dann wird er ganz licht sein, wie wenn dich das Licht erleuchtet mit

hellem Schein. (Lukas 11, 33-36)

Im Anblick der Cazadores will ich mich selber prüfen, welche Lichtquelle ich in mir trage

und wie hell diese eigentlich leuchtet.

So erschreckend die Cazadores mir die unbeleuchtete Nacht meines Seelenlebens vor Augen

führen, so sehr geben sie mir aber auch Hoffnung.

Die Cazadores verstärken das Restlicht. Wie sogenannte Nachtsichtgeräte. Sie sind damit

ein wundervolles Symbol für Christus. Er will Lichtquelle in mir sein, um das Restlicht in

mir zu verstärken, um mich zum Leuchten zu bringen. Den glimmenden Docht wird er

nicht auslöschen (Jes. 42, 3). Damit ich mich gut orientieren kann in der Nacht. Und damit

sich andere an mir orientieren können. Beides ist Jesus wichtig. Was er sich wünscht für

diese Welt und die kommende Welt.

Marie-Luise Kaschnitz hat diesen Gedanken ihrem Gedicht Auferstehung wundervoll aufgenommen:

Manchmal stehen wir auf

Stehen wir zur Auferstehung auf

Mitten am Tage

Mit unserem lebendigen Haar

Mit unserer atmenden Haut.

Nur das Gewohnte ist um uns.

Keine Fata Morgana von Palmen

Mit weidenden Löwen

Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken

Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht

Und dennoch unverwundbar

Geordnet in geheimnisvolle Ordnung

Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.

Ein Haus aus Licht. Das ist Jesu Vorstellung für Gottes Haus, in dem viele Wohnungen

sind. Es soll hell erleuchtet sein. Mit Blick auf das Ende aller Tage sagt er: „Dann werden

die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich.“ (Mt. 13. 43) Amen.


Gebet

Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern! So sei nun Lob gesungen dem

hellen Morgenstern! Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern

bescheinet auch deine Angst und Pein.

Dem alle Engel dienen, wird nun ein Kind und Knecht. Gott selber ist erschienen zur Sühne

für sein Recht. Wer schuldig ist auf Erden, verhüll nicht mehr sein Haupt. Er soll errettet

werden, wenn er dem Kinde glaubt.

Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf! Ihr sollt das Heil dort finden,

das aller Zeiten Lauf von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah. Nun hat

sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah.

Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit

allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr,

von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.

Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt. Als wollte er belohnen, so richtet er

die Welt. Der sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht. Wer hier dem Sohn vertraute,

kommt dort aus dem Gericht.

Jochen Klepper

Segen

Gott segne dich und behüte dich.

Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir

und sei dir gnädig.

Gott erhebe sein Angesicht auf dich

und schenke dir + Frieden.

Amen.


BELICHTUNGSZEIT

Dämmerung

Willkommen bei den Cazadores.

Inzwischen sind es schon weniger als 400 Cazadores del Sol. Sonnenfänger.

Die Plexiglasscheiben leuchten, weil sie unsichtbares UV-Licht in sichtbares umwandeln.

Weil sie das bisschen, das noch da ist, verstärken.

In der prallen Sonne sieht man davon nicht viel. Im Stockfinsteren ist kein Sonnenstrahl

da, den sie verstärken könnten. Am besten verrichten die Cazadores ihre Leuchtaufgabe

also in der Dämmerung oder an trüben und bedeckten Tagen. Da fangen sie mir die Sonne

ein. Licht für meine trübe Seele.

Mittagsgebet

Mitten am Tag

in den Himmel greifen

mit kurzen Armen

aber immerhin

ins Jenseits von Zeit Zweck und Ziel

ein flüchtiger Blick

immerhin

Mitten am Tag

das Andere gelten lassen

lachen und beten

mit eiligem Mund

aber immerhin

nach Carola Moosbach


Dämmerung

In der vergangenen Woche habe ich drei Tage in einem Seminarhaus am Schliersee verbracht.

Ich habe schlecht geschlafen. Mir gingen die Inhalte des Seminars durch den Kopf und

durch die Träume. Im Schlafen, im Wachen, im Halbschlaf, immerzu hat es gearbeitet.

Immer wieder bin ich aufgewacht und wieder eingedöst.

Mein Zimmer lag nach hinten zum Wald raus. Außerdem hat gleich hinter dem Haus ein

steiler Hang begonnen. Kein Lichtstrahl ist ins Zimmer gefallen, trotz offener Vorhänge.

Alle Stunde bin ich aufgewacht, habe nach dem Handy getastet, um auf die Uhr zu schauen:

immer noch nicht so weit.

Also wieder unter die Decke kriechen und in völliger Dunkelheit abwarten, dass es morgen

wird, und auf noch ein wenig Erholung im Dösen hoffen.

Als ich das nächste Mal die Augen aufmachte, hatte sich etwas verändert. Da war ein

schwacher Schein vom Fenster her zu sehen. Ich setzte mich auf und schaute gebannt

zum Fenster hinaus. Es hatte geschneit und auf den dunklen Fichtenzweigen lag ein heller

Schimmer.

Ich blieb sitzen und versuchte noch mehr zu erkennen. Das Dunkel war ein bisschen weniger

Dunkel geworden. Sehr langsam wurde die rabenschwarze Nacht immer grauer: anthrazit,

schiefergrau, dunkelgrau, braungrau. Der Schimmer war jetzt undeutlich aber tatsächlich

als dünne Schneeschicht auf den Ästen zu erkennen. Tannengrüngrau. Die Kontraste

wurden immer schärfer. Ich konnte einzelne Bäume unterscheiden und wenn ich

ganz an Fenster trat, hob sich jetzt schon die schwarze Silhouette vor dem rauchgrauen

Himmel ab.

Ich hockte mich in die Bettdecke gerollt ganz nah an die Heizung und meinte bald einen

zartroten Schein am Himmel zu entdecken. Die Verwandlung ging sehr langsam vonstatten.

Aber stetig. Es wurde immer heller.

Im Seminarhaus war es noch still. Die anderen schliefen. Und ich sah lange zu, wie die

Dunkelheit vor dem Licht zurückwich.

Bis die Sonne tatsächlich über die Berge kam dauerte in dem Talkessel noch lange. Da

waren wir längst wieder beim lernen und tagen.

Aber mir geht diese halbe Morgenstunde immer noch nicht aus dem Kopf. Sie hat in mir

wieder wach gerufen, dass ein Lichtschalter schnell betätigt werden kann, aber dass das

natürliche Licht nur allmählich erscheint.

In Mitteleuropa dauert es lange bis es Tag wird. Am Äquator geht es schneller und zu den

Polen hin dauert der Wechsel zwischen Tag und Nacht länger, je näher wir den Polen

kommen.

Es braucht seine Zeit, bis das Dunkel hell wird. Das lehrt mich die Dämmerung. Es geht

nicht schlagartig. Zwischen finster und hell erscheinen in der Dämmerung erst die Grautöne,

dann werden die Kontraste schärfer und die Dinge nehmen Farbe an.


Das passt so gut auf mein Leben - und auf viele Lebensgeschichten oder Lebensphasen,

von denen mir die Menschen erzählen.

Viele leben in der Dunkelheit. Und keiner knipst ihnen das Licht an. Die Sehnsucht danach

ist so groß. Und es fällt schwer, die Grautöne als Boten der Dämmerung anzuerkennen.

Das Warten auf den Morgen ist schwer, wenn man die Botschaft der Dämmerung nicht

hören kann.

Der Tagesanbruch braucht seine Zeit. Es dauert bis die Dunkelheit verschwunden ist. Es

dauert bis es hell ist. Das Werden dazwischen geht langsam vonstatten, fast unmerklich.

In diesem Werden leuchten unsere Sonnenfänger am hellsten. Heller als am Mittag. Sie

künden den Tag an. Sie künden die Nacht an. Ach, wenn es doch im Leben solche Indikatoren

gäbe: Pass auf, dein Leben verfinstert sich. Du kannst dagegen steuern.

Oder: Nicht mehr lange wird es dunkel sein. Der Tag zieht schon herauf.

Lebenssonnenfänger können wir uns nicht auf die Wiese, in den Garten stellen. Die müssen

wir uns suchen.

Diese Cazadores hier können uns allenfalls daran erinnern, wenn sie in der Dämmerung

leuchten: es ist ein Werden zwischen Tag und Nacht.

Dazwischen

weder Nacht

noch Tag

nicht mehr

dunkel

und noch nicht hell

vom einen

zum anderen

nichts

steht mehr

fest

alles

ist Wachsen

Übergang

Andrea Schwarz


In allen Übergängen dürfen wir Gottes Zusage hören:

Gott sagt:

In das Dunkel deiner Vergangenheit

und in das Ungewisse deiner Zukunft,

in den Segen deines Helfens

und in das Elend deiner Ohnmacht

lege ich meine Zusage:

ICH BIN DA.

In das Spiel deiner Gefühle

und in den Ernst deiner Gedanken,

in den Reichtum deines Schweigens

und in die Armut deiner Sprache

lege ich meine Zusage:

ICH BIN DA.

In die Fülle deiner Aufgaben

und in die Leere deiner Geschäftigkeit,

in die Vielzahl deiner Fähigkeiten

und in die Grenzen deiner Begabung

lege ich meine Zusage:

ICH BIN DA

In das Gelingen deiner Gespräche

und in die Langeweile deines Betens,

in die Freude deines Erfolges

und in den Schmerz deines Versagens

lege ich meine Zusage:

ICH BIN DA.

In die Enge deines Alltags

und in die Weite deiner Träume,

in die Schwäche deines Verstandes

und in die Kraft deines Herzens

lege ich meine Zusage:

ICH BIN DA.

(Unbekannt)

Segen

Mit Gottes Zusage könnt ihr weiterziehen.

Gottes heller Segen begleitet euch wie ein Lichtschein.

Gott segne dich und behüte dich.

Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir

Gott erhebe sein Angesicht auf dich

und schenke dir Frieden. Amen.


BELICHTTET

Predigt zur Beendigung der Installation

am 13. Januar 2013

in der Evang.-Luth. Christuskirche Oberstdorf

I. Heute ist St.-Knuts-Tag. Und der ist keine Erfindung von IKEA. Der St.-Knuts-Tag ist

ein traditioneller schwedischer Feiertag, der auf Knut IV., König von Dänemark, zurückgeht.

Er wird immer genau 20 Tage nach Weihnachten, am 13.01. eines Jahres gefeiert.

Am St.-Knuts-Tag wird in Schweden der Weihnachtsbaum entfernt. Die Kinder dürfen

zuvor die restlichen Süßigkeiten, mit denen der Baum geschmückt war, plündern.

Ich finde: Das ist ein guter Tag, um unsere Installation „BELICHTET“ zu beenden. Zwei Wochen

haben wir uns bezaubern lassen vom warmen Licht der Cazadores-del-sol, der Jäger

der Sonne oder auch Sonnenfänger. Zwei Wochen haben wir mit dem Sonnenfeld das

warme Licht der Weihnacht dem krachenden Jahreswechsel am Himmel gegenübergestellt.

Zwei Wochen lang haben wir lichte Gedanken auf die Seele ausgeteilt.

BELICHTUNGSZEIT. Auf dass wir das Weihnachtslicht für uns entdecken. Inwendig.

Zwei Wochen haben die Cazadores Oberstdorf belichtet. Und viele, viele Menschen haben

sich belichten lassen. Von ihnen wollen wir erzählen.

II. Wie die Weisen aus dem Morgenland…

Als die Weisen zum König Herodes kommen, weil sie dem Stern von Bethlehem gefolgt

sind, ist Herodes neugierig. Er hat nichts von einem neu geborenen König gehört. Herodes

fürchtet um seinen Thron. Und bittet die Weisen in mörderischer Absicht, fleißig nach dem

Kindlein zu forschen, damit auch er komme, um es anzubeten.

Wie die Weisen haben insbesondere die technikinteressierten Männer geforscht. Wie denn

die Cazadores funktionieren. Wie das Licht in sie hinein kommt und wie es ausstrahlt. Die

von uns so genannten Analysestäbe stehen dafür. Zwei Cazadores standen bald meist etwas

abseits der Installation. Vermutlich hat ein Forscher am unteren Ende nachschauen

wollen, wo denn das Kabel oder die Batterie ist.

Und forschet fleißig nach dem Kindlein… Diesen Forschergeist wünsche ich mir für mein

Christenleben. Forschen will ich, wie das geht mit diesem Kind in dieser Welt und in meinem

Leben. Mit seiner Liebe. Mit seiner Geduld. Mit seiner Sanftmut.

Forschen will ich, wie dieses Kindlein in mich hineinkommt und wie es dann ausstrahlt.

Darauf achten will ich, dass dieses Licht in mir nicht erlischt.


III. Den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen…

Im Alten Testament beim Propheten Jesaja lese ich am heutigen 1. Sonntag nach dem

Epiphaniasfest von der ganz großen Hoffnung, die in den Messias gesetzt wird: „Das geknickte

Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“

(Jes. 42, 3)

Menschen sind mir in den vergangenen Wochen begegnet, die mir wie ein geknicktes Rohr

erschienen. „Was soll das! Ich brauch´ das nicht!“ antwortet ein Mann barsch auf die Einladung,

sich 15 Minuten lichte Gedanken für die Seele zu gönnen. Finster blickt er drein.

Ich weiß nicht warum. Aber zu lachen hat er nichts. Das Licht tut ihm weh.

Jemand anderen erreicht das warme Licht der Cazadores. Es ist wie ein Symbol für so etwas

wie die eigene Auferstehung aus größten Nöten. Und dieser auferstandene, belichtete

Mensch erinnert sich an einen Freund, der ihm nahe stand und geleuchtet hat, damit der

glimmende Docht nicht auslöscht. Ein Cazador steht jetzt als leuchtendes Danke in einem

Garten.

Ein anderer Besucher findet die Scherben der sieben Scheiben, die nach dem Auftaktspringen

der Vierschanzentournee mutwillig zerbrochen wurden. Leuchtende Bruchstücke. Und

der Finder fragt, ob er die Bruchstücke bekommen kann, um daraus noch etwas zu machen.

Was, weiß er noch nicht. Ist das nicht ein wundervolles Bild? Wie ein Spiegel meines

Lebens. Da geht einiges zu Bruch. Aus Versehen. Ohne mein Zutun. Aus böser Absicht. Und

dann habe ich dieses zerbrochene Leben vor mir liegen. Dieses Leben, das ich liebe, das ich

nicht hergeben will und mit dem ich mich arrangieren will und muss. Ich will aus meinem

Leben noch etwas machen. Ich weiß noch nicht, was. Aber ich füge die Bruchstücke zusammen,

weil ich die Hoffnung auf ein gutes Ganzes habe. Und dass dieses neue Ganze

leuchten wird.

IV. „Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen

Herzen“ (Ps. 97, 11), sagt ein Psalmbeter.

Wir brauchen Licht und Freude für unser Leben. Licht macht gute Laune. Macht fröhlich.

Und bewegt. Wie einen älteren Herrn, der extra etwas früher zur Belichtungszeit kommt.

Schon vorher kauft er drei Cazadores. Er kommt so früh, weil er nach der Andacht gleich

gehen muss. Denn er hat sich unter einem Vorwand aus dem Hotel davongestohlen. „Ich

hab´ nicht viel Zeit“, sagt er. „Meine Frau weiß nicht, wo ich bin. Und ich will ihr doch

eine Freude machen. Ich will ihr einen großen Blumenstrauß mit den warmen Sonnenblumen

mitbringen!“ Die Cazadores haben ihn angezogen und die Liebe zu seiner Frau hat

ihn bewegt. Romantisch! Schön!

Berührend ein Ehepaar, das eine gefühlte halbe Stunde Eherat abhält, ob es nun acht oder

zehn Cazadores kaufen sollen. Sie entscheiden sich für zehn. Und als alle Cazadores verpackt

waren, sagt mir die Frau mit leuchtenden Augen: „Wissen Sie: wir sammeln unterm

Jahr alles Kleingeld, das so rumliegt zu Hause und die kleinen Lottogewinne in einem

Sparschwein. Und irgendwann schlachten wir das Schwein für etwas besonders Schönes.


Und jetzt gönnen wir uns dieses Licht.“ Ich halte die Hände auf und bekomme ganz vielen

2- und1-Euro-Münzen.

Viele Menschen gönnen sich dieses Licht. Mit einem Schmunzeln und auch ein wenig mit

Ehrfurcht habe ich gesehen, welche Anstrengungen manche unternommen haben, um das

Licht nach Hause mitnehmen zu können.

„Wie lange sind sie noch hier? Mein Mann geht schnell zur Bank!“ Wir haben gern Stellung

gehalten.

„Wie bekomme ich die Cazadores nur in mein Auto?“ Ich sage: „Wo Skier Platz haben, ist

auch noch Raum für Licht.“ Und ich denke mir bei denen, die die Cazadores im ICE mitnehmen:

Ihr werdet wunderbare Gespräche haben unterwegs. So ist das, wenn sich das

Licht ausbreitet.

Und jetzt ist es aus Oberstdorf unterwegs in deutsche Lande, aber auch nach Holland,

nach Sardinien, nach Südafrika und bald auch Richtung Malaysia.

V. Geschichten von belichteten Menschen. Sie haben sich berühren lassen vom Licht

der Cazadores. Sie haben sich an ihrer Seele berühren lassen durch die Botschaft, die wir

mit der Installation vermitteln wollten. Das ganze Leben ist BELICHTUNGSZEIT, nicht nur

die Weihnacht. Wie ich das verstehen kann, höre ich aus dem Evangelium für den heutigen

Sonntag. Matthäus erzählt von der Taufe Jesu. Gegen Ende der Taufhandlung tut sich

der Himmel auf. Ein neuer Horizont. Eine neue Perspektive. Die in Worte gefasst, so klingt:

„Du bist mein geliebter Sohn. An dir habe ich Wohlgefallen.“ Mit jeder Taufe, die wir heutzutage

feiern, öffnet sich der Himmel. Und wir sprechen aus, was Gott über Jesus ausgesprochen

hat. „Du bist mein geliebtes Kind. An dir habe ich Wohlgefallen!“ Ich will mir das

immer wieder bewusst machen. Über mein Leben hat Gott gesagt. „Ich hab dich lieb. Du

bist mir recht.“ Das ist das Licht, das mein Leben belichtet und von dem ich zehren kann,

mein Leben lang. Der Himmel ist offen.

Eine Dame hat das am Sonnenfeld erlebt. Sie kam ganz aufgewühlt abends zu einer Veranstaltung

und sagte immer wieder: „Das hätten Sie sehen sollen. Der Himmel war über

den Cazadores offen. Und es sah aus, als ragten sie in den Himmel.“ Eine Verheißung, die

über jedem Leben steht.

VI. Heute ist St.-Knuts-Tag. Zeit zum Plündern des Weihnachtsschmucks. Wir plündern

nach dem Gottesdienst die Installation. Oder besser: wir pflücken uns Licht und Freude,

damit wir uns übers ganze Jahr belichten lassen können. Und uns daran erinnern, welche

Lichtquelle inwendig leuchtet. Jesus Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt, wer mir

nachfolgt wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

So sei es. Amen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!