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ALSTER Magazin 03/23

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FOTOKUNST<br />

WANDERIN ZWISCHEN WELTEN<br />

Fortsetzung von S.53<br />

Fotokünstlerin<br />

mit eigener<br />

Galerie und<br />

großem Herz:<br />

Livia Lisboa, die<br />

in Brasilien und<br />

Hamburg aufgewachsen<br />

ist.<br />

Sie sind viel unterwegs und haben für das erste Klimawandel-Projekt<br />

ja auch die Arktis fotografiert – die eisigen Landschaften wirken fast<br />

meditativ. Was haben Sie empfunden, als sie dort waren?<br />

Ich wollte eigentlich nie in die Arktis, denn ich bin ein Kind Brasiliens - also der<br />

Wärme. Flensburg war hier für mich schon das höchste der Gefühle (lacht). Bis ich<br />

einmal von Freunden eingeladen wurde, mit ihnen nach Spitzbergen zu fahren.<br />

Ich bin wirklich nur ihretwegen mitgefahren. Dort angekommen war ich dann von<br />

der Landschaft völlig begeistert. So, so schön. Ich bin - und das hätte ich nie für<br />

möglich gehalten - eissüchtig geworden. Die Landschaft fasziniert, weil sie so eine<br />

lebensfremde und eigentlich stille Umwelt bildet, gleichzeitig ist sie aber voller<br />

Schönheit und Geräusche - seien es Vögel oder brechendes Eis. Für Fotografen<br />

ist es außerdem wegen des einmaligen sich überall brechenden Lichts ein echtes<br />

Highlight. Und ein krasser Kontrast zu meiner Heimat mit ihrer Schönheit der<br />

weichen Tropen. Im Eis ist alles abweisend, hart und spitz, aber die Arktis besitzt<br />

eine unfassbare Magie.<br />

Aktuell zeigen Sie Bilder der Serie „Wishful Minds“. Worum geht es?<br />

Ich kombiniere Tieraufnahmen aus Uganda mit Lithografien des Künstlers Johann<br />

Moritz Rugendas, der hier in Deutschland übrigens so gut wie unbekannt ist,<br />

obwohl er in Augsburg geboren wurde. In Brasilien kennt ihn jedes Kind, denn<br />

er war 1822 als wissenschaftlicher Zeichner auf der Südamerika-Expedition des<br />

Barons Georg Heinrich von Langesdorf tätig und hat als einer der ersten die<br />

Tier- und Pflanzenwelt des brasilianischen Urwaldes festgehalten. Dazu passen<br />

meine Tiere aus Afrika ganz gut, denn Brasilien ist tief verwurzelt mit Afrika –<br />

ethnologisch und geologisch. Es ist eine doppelte Hommage - an meine Heimat<br />

Brasilien und an die afrikanische Tierwelt, die mir am Herzen liegt und geschützt<br />

werden muss – vereint in einem Bild, als Collage, die eine Sehnsucht der Tiere<br />

nach einer intakten Natur suggeriert.<br />

Damit schlagen Sie eine Brücke zu Ihrer letzen Ausstellung „true<br />

fiction“, in der Sie den Klimawandel thematisiert haben. Sind Klima<br />

und Umwelt ein roter Faden in Ihren Werken und wie kommt es dazu?<br />

Nicht nur, ich habe in meiner ersten Ausstellung Hamburg Bilder gezeigt und<br />

mache auch gerne Architekturfotos. Das Thema Klima und Umwelt kam mir eines<br />

Tages beim Sichten meiner Bilder vom Amazonas. Ich musste plötzlich an Greta<br />

Tunberg und die Zerstörung der Urwälder Brasiliens denken und merkte, wie viel<br />

Potential meine Aufnahmen haben. Dann habe ich unter dem Aspekt Klimawandel<br />

eine Serie mit Bildern aus dem Eis und dem Dschungel gestartet. Kälte und Hitze<br />

- zwei Regionen der Welt, die niemals zusammenkommen können. Auf meinen<br />

Bildern sollen sie die Zerbrechlichkeit von Ökosystemen symbolisieren. Eines<br />

meiner Hobbys ist das Reisen und wenn man nach Jahren einen Ort zum zweiten<br />

oder dritten Mal besucht, wird einem leider teilweise die durch dem Klimawandel<br />

bedingte Veränderung bewusst.<br />

Gibt es ein konkretes Beispiel, das Ihnen besonders im Gedächtnis<br />

geblieben ist?<br />

Es ist keines aus der Vergangenheit, sondern aus der Zukunft. Ich wollte bei<br />

meinem nächsten Aufenthalt in der alten Heimat eine Küstenstraße bei Sao Paulo<br />

entlangfahren, die kürzlich bei einem Erdrutsch auf vielen Kilometern zerstört<br />

wurde. Es gab ein fürchterliches Unwetter mit ungewöhnlichem Starkregen, bei<br />

dem leider auch Menschen ums Leben gekommen sind. Es gab bei uns schon<br />

immer starke Regenfälle aber es ist schlimmer geworden. Natürlich gehört zur<br />

Wahrheit auch, dass Menschen Häuser bauen, wo sie nicht hingehören. So ist der<br />

Mensch auch ein bisschen selber Schuld daran, dass der Klimawandel Unglücksfälle<br />

wie diesen verschlimmert. Aber das ist ein komplexes Thema.<br />

Zu sehen sind die Werke in ihrer eigenen Galerie „Livia Lisboa<br />

Fotokunst“ in den Stadthöfen ...<br />

Richtig, die habe ich im September des vergangenen Jahres eröffnet und mir<br />

damit einen langgehegten Traum erfüllt. Ich hätte auch nur reisen können, mich<br />

aber mit 62 Jahre dann dazu entschieden, meine Komfortzone zu verlassen und<br />

Neues auszuprobieren. Ich hatte nach dem Tod meines Vater etwas Geld geerbt<br />

und entschieden es in eine Galerie zu investieren. Trotz der vielen Arbeit habe ich<br />

es bis jetzt noch nicht bereut.<br />

Sie stellen natürlich eigene Werke aus, möchten aber auch dem Nachwuchs<br />

eine Fläche zu Repräsentation bieten. Wie kam es dazu?<br />

Als ich vor etwas über zehn Jahren erstmals Arbeiten von mir ausstellen wollte,<br />

war es nicht leicht, eine passende Ausstellungsfläche zu finden. Ich hatte auch<br />

keine Lust, Klinken zu putzen und mich mit einer Mappe vorzustellen. Ich habe<br />

mir dann einen Raum gemietet und Freunde eingeladen. Etwas später hatte ich<br />

dann doch meine erste richtige Ausstellung mit Hamburg Collagen in der Fabrik<br />

der Künste. Weil es so schwierig ist Ausstellungsflächen zu finden, es aber so viele<br />

gute Hobbyfotografen gibt, die gerne ausstellen würden – namhafte Fotografen<br />

bekommen in jeder Galerie einen Platz –, habe ich beschlossen, ihnen eine Möglichkeit<br />

zu bieten. Eine Ausstellung lief schon und die nächste steht. Bewerbungen<br />

habe ich genug, ich bin gerade dabei eine Auswahl für kommende Ausstellungen<br />

zu treffen.<br />

Sie bezeichnen sich – ja auch im Namen der Galerie – als Fotokünstlerin<br />

– legen Sie den Fokus eher auf die Fotografie, oder auf die<br />

grafische Gestaltung?<br />

Oh, gute Frage (überlegt) es ist eine Mischung, da ich beides mache und schon<br />

seit meiner Kindheit fotografiere. Zumal ich auch Fotos zeige, die nicht grafisch<br />

verändert wurden. Was ich aber wirklich am liebsten mache, ist Fotos zu<br />

bearbeiten und neue Werke zu gestalten. Ich könnte stundenlang mit Bildern<br />

ausprobieren, den Kontrast verändern oder die Helligkeit. Also lautet die Antwort<br />

grafische Gestaltung. Das liegt wohl an meiner Vergangenheit, denn ich habe in<br />

Hamburg Grafik-Design studiert und lange in meinem Beruf in der Werbung gearbeitet<br />

… die Fotografie ist für mich ein Instrument, um diese neuen Bilder zu<br />

schaffen. Normalerweise kombiniere ich immer verschiedenste Reisefotografien,<br />

die ich selber aufgenommen habe. Bei „Wishful Minds“ gefällt mir vor allem auch<br />

die Kombination von meinen aktuellen Tierfotos mit den historischen Lithografien<br />

von Rugendas. Sie verdeutlicht den Wandel in den Zeiten.<br />

kw<br />

Mehr Informationen und weitere Bilder gibt es auf www.lisboa-fotodesign.de<br />

54 | <strong>ALSTER</strong>

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