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FOTOKUNST<br />
WANDERIN ZWISCHEN WELTEN<br />
Fortsetzung von S.53<br />
Fotokünstlerin<br />
mit eigener<br />
Galerie und<br />
großem Herz:<br />
Livia Lisboa, die<br />
in Brasilien und<br />
Hamburg aufgewachsen<br />
ist.<br />
Sie sind viel unterwegs und haben für das erste Klimawandel-Projekt<br />
ja auch die Arktis fotografiert – die eisigen Landschaften wirken fast<br />
meditativ. Was haben Sie empfunden, als sie dort waren?<br />
Ich wollte eigentlich nie in die Arktis, denn ich bin ein Kind Brasiliens - also der<br />
Wärme. Flensburg war hier für mich schon das höchste der Gefühle (lacht). Bis ich<br />
einmal von Freunden eingeladen wurde, mit ihnen nach Spitzbergen zu fahren.<br />
Ich bin wirklich nur ihretwegen mitgefahren. Dort angekommen war ich dann von<br />
der Landschaft völlig begeistert. So, so schön. Ich bin - und das hätte ich nie für<br />
möglich gehalten - eissüchtig geworden. Die Landschaft fasziniert, weil sie so eine<br />
lebensfremde und eigentlich stille Umwelt bildet, gleichzeitig ist sie aber voller<br />
Schönheit und Geräusche - seien es Vögel oder brechendes Eis. Für Fotografen<br />
ist es außerdem wegen des einmaligen sich überall brechenden Lichts ein echtes<br />
Highlight. Und ein krasser Kontrast zu meiner Heimat mit ihrer Schönheit der<br />
weichen Tropen. Im Eis ist alles abweisend, hart und spitz, aber die Arktis besitzt<br />
eine unfassbare Magie.<br />
Aktuell zeigen Sie Bilder der Serie „Wishful Minds“. Worum geht es?<br />
Ich kombiniere Tieraufnahmen aus Uganda mit Lithografien des Künstlers Johann<br />
Moritz Rugendas, der hier in Deutschland übrigens so gut wie unbekannt ist,<br />
obwohl er in Augsburg geboren wurde. In Brasilien kennt ihn jedes Kind, denn<br />
er war 1822 als wissenschaftlicher Zeichner auf der Südamerika-Expedition des<br />
Barons Georg Heinrich von Langesdorf tätig und hat als einer der ersten die<br />
Tier- und Pflanzenwelt des brasilianischen Urwaldes festgehalten. Dazu passen<br />
meine Tiere aus Afrika ganz gut, denn Brasilien ist tief verwurzelt mit Afrika –<br />
ethnologisch und geologisch. Es ist eine doppelte Hommage - an meine Heimat<br />
Brasilien und an die afrikanische Tierwelt, die mir am Herzen liegt und geschützt<br />
werden muss – vereint in einem Bild, als Collage, die eine Sehnsucht der Tiere<br />
nach einer intakten Natur suggeriert.<br />
Damit schlagen Sie eine Brücke zu Ihrer letzen Ausstellung „true<br />
fiction“, in der Sie den Klimawandel thematisiert haben. Sind Klima<br />
und Umwelt ein roter Faden in Ihren Werken und wie kommt es dazu?<br />
Nicht nur, ich habe in meiner ersten Ausstellung Hamburg Bilder gezeigt und<br />
mache auch gerne Architekturfotos. Das Thema Klima und Umwelt kam mir eines<br />
Tages beim Sichten meiner Bilder vom Amazonas. Ich musste plötzlich an Greta<br />
Tunberg und die Zerstörung der Urwälder Brasiliens denken und merkte, wie viel<br />
Potential meine Aufnahmen haben. Dann habe ich unter dem Aspekt Klimawandel<br />
eine Serie mit Bildern aus dem Eis und dem Dschungel gestartet. Kälte und Hitze<br />
- zwei Regionen der Welt, die niemals zusammenkommen können. Auf meinen<br />
Bildern sollen sie die Zerbrechlichkeit von Ökosystemen symbolisieren. Eines<br />
meiner Hobbys ist das Reisen und wenn man nach Jahren einen Ort zum zweiten<br />
oder dritten Mal besucht, wird einem leider teilweise die durch dem Klimawandel<br />
bedingte Veränderung bewusst.<br />
Gibt es ein konkretes Beispiel, das Ihnen besonders im Gedächtnis<br />
geblieben ist?<br />
Es ist keines aus der Vergangenheit, sondern aus der Zukunft. Ich wollte bei<br />
meinem nächsten Aufenthalt in der alten Heimat eine Küstenstraße bei Sao Paulo<br />
entlangfahren, die kürzlich bei einem Erdrutsch auf vielen Kilometern zerstört<br />
wurde. Es gab ein fürchterliches Unwetter mit ungewöhnlichem Starkregen, bei<br />
dem leider auch Menschen ums Leben gekommen sind. Es gab bei uns schon<br />
immer starke Regenfälle aber es ist schlimmer geworden. Natürlich gehört zur<br />
Wahrheit auch, dass Menschen Häuser bauen, wo sie nicht hingehören. So ist der<br />
Mensch auch ein bisschen selber Schuld daran, dass der Klimawandel Unglücksfälle<br />
wie diesen verschlimmert. Aber das ist ein komplexes Thema.<br />
Zu sehen sind die Werke in ihrer eigenen Galerie „Livia Lisboa<br />
Fotokunst“ in den Stadthöfen ...<br />
Richtig, die habe ich im September des vergangenen Jahres eröffnet und mir<br />
damit einen langgehegten Traum erfüllt. Ich hätte auch nur reisen können, mich<br />
aber mit 62 Jahre dann dazu entschieden, meine Komfortzone zu verlassen und<br />
Neues auszuprobieren. Ich hatte nach dem Tod meines Vater etwas Geld geerbt<br />
und entschieden es in eine Galerie zu investieren. Trotz der vielen Arbeit habe ich<br />
es bis jetzt noch nicht bereut.<br />
Sie stellen natürlich eigene Werke aus, möchten aber auch dem Nachwuchs<br />
eine Fläche zu Repräsentation bieten. Wie kam es dazu?<br />
Als ich vor etwas über zehn Jahren erstmals Arbeiten von mir ausstellen wollte,<br />
war es nicht leicht, eine passende Ausstellungsfläche zu finden. Ich hatte auch<br />
keine Lust, Klinken zu putzen und mich mit einer Mappe vorzustellen. Ich habe<br />
mir dann einen Raum gemietet und Freunde eingeladen. Etwas später hatte ich<br />
dann doch meine erste richtige Ausstellung mit Hamburg Collagen in der Fabrik<br />
der Künste. Weil es so schwierig ist Ausstellungsflächen zu finden, es aber so viele<br />
gute Hobbyfotografen gibt, die gerne ausstellen würden – namhafte Fotografen<br />
bekommen in jeder Galerie einen Platz –, habe ich beschlossen, ihnen eine Möglichkeit<br />
zu bieten. Eine Ausstellung lief schon und die nächste steht. Bewerbungen<br />
habe ich genug, ich bin gerade dabei eine Auswahl für kommende Ausstellungen<br />
zu treffen.<br />
Sie bezeichnen sich – ja auch im Namen der Galerie – als Fotokünstlerin<br />
– legen Sie den Fokus eher auf die Fotografie, oder auf die<br />
grafische Gestaltung?<br />
Oh, gute Frage (überlegt) es ist eine Mischung, da ich beides mache und schon<br />
seit meiner Kindheit fotografiere. Zumal ich auch Fotos zeige, die nicht grafisch<br />
verändert wurden. Was ich aber wirklich am liebsten mache, ist Fotos zu<br />
bearbeiten und neue Werke zu gestalten. Ich könnte stundenlang mit Bildern<br />
ausprobieren, den Kontrast verändern oder die Helligkeit. Also lautet die Antwort<br />
grafische Gestaltung. Das liegt wohl an meiner Vergangenheit, denn ich habe in<br />
Hamburg Grafik-Design studiert und lange in meinem Beruf in der Werbung gearbeitet<br />
… die Fotografie ist für mich ein Instrument, um diese neuen Bilder zu<br />
schaffen. Normalerweise kombiniere ich immer verschiedenste Reisefotografien,<br />
die ich selber aufgenommen habe. Bei „Wishful Minds“ gefällt mir vor allem auch<br />
die Kombination von meinen aktuellen Tierfotos mit den historischen Lithografien<br />
von Rugendas. Sie verdeutlicht den Wandel in den Zeiten.<br />
kw<br />
Mehr Informationen und weitere Bilder gibt es auf www.lisboa-fotodesign.de<br />
54 | <strong>ALSTER</strong>