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bundestagswahl 2009 - Stadt Löningen

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SEITE 6 NORDWEST-ZEITUNG NR. 226 HINTERGRUND<br />

MONTAG, 28. SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />

RASCHE EINIGUNG Kleine Parteien in der Summe stark wie nie zuvor<br />

Bundeskanzlerin Angela<br />

Merkel (CDU) und FDP-<br />

Chef Guido Westerwelle<br />

rechnen mit einer raschen<br />

Verständigung bei<br />

den vereinbarten<br />

schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen.<br />

Auch<br />

der Chef der CSU-Landesgruppe<br />

im Bundestag,<br />

Peter Ramsauer, äußerte<br />

sich am Sonntagabend<br />

„sehr zuversichtlich“,<br />

dass es „sehr bald“ eine<br />

Einigung geben wird.<br />

Über einige Punkte<br />

werde man mit der FDP<br />

streiten müssen, sagte<br />

Merkel. Die Bürger könnten<br />

aber davon ausgehen,<br />

dass Union und Liberale<br />

„schnell verhandeln<br />

werden“.<br />

Westerwelle sagte, es<br />

werde sicherlich auch<br />

Meinungsunterschiede<br />

geben. Die FDP werde<br />

aber mit der Union „zusammenfinden“<br />

und zu<br />

einem guten Ergebnis<br />

kommen.<br />

Bei den Grünen gibt es<br />

Katzenjammer über das<br />

SPD-Ergebnis. Die<br />

Linke hat eine „Schallmauer“<br />

durchbrochen.<br />

VON A. HERHOLZ, C. SLANGEN<br />

UND R. BUCHSTEINER<br />

BERLIN – Wo ist sie? Wann<br />

kommt sie? Die Siegerin lässt<br />

sich lange bitten. Warten auf<br />

die Kanzlerin. „Angie, Angie,<br />

Angie!“, skandieren die jungen<br />

Frauen und Männer in<br />

den orangefarbenen Hemden<br />

des „Teams Deutschland“.<br />

Ein Hauch von Popkonzert:<br />

Der Star kommt spät, die<br />

Stimmung im Publikum<br />

steigt. Um 19.06 Uhr öffnet<br />

sich die Tür im Konrad-Adenauer-Haus.<br />

Tosender Jubel.<br />

Die CDU-Fans feiern ihre<br />

Kanzlerin. Minutenlanger Applaus<br />

und immer wieder Angie-Rufe.<br />

„Liebe Freunde“, setzt Angela<br />

Merkel oben auf der<br />

Bühne immer wieder an.<br />

Doch das Parteivolk will erst<br />

einmal feiern. Ein Strauß Gerbera<br />

und Rosen für die CDU-<br />

Vorsitzende. Küsschen von<br />

Generalsekretär Ronald Pofalla.<br />

Schwarz/Gelb hat die<br />

Bundestagswahl gewonnen,<br />

die Balken der ersten Hochrechnungen<br />

auf den Monitoren<br />

sprechen eine klare Sprache.<br />

Das Zittern hat ein Ende.<br />

Erleichterung steht Merkel<br />

ins Gesicht geschrieben. „Wir<br />

haben was Tolles geschafft“,<br />

ruft Merkel den Wahlhelfern<br />

im Saal zu.<br />

Wahlziel erreicht – dass sie<br />

für die Union das zweitschlechteste<br />

Ergebnis in der<br />

Geschichte der Bundesrepublik<br />

eingefahren hat, darüber<br />

verliert jetzt keiner in der<br />

CDU-Führung ein Wort.<br />

Hauptsache „eine stabile<br />

Mehrheit“ von CDU, CSU<br />

und FDP. Ende des Kapitels<br />

Große Koalition.<br />

„Sie sind glücklich, ich bin<br />

es auch“, sagt Merkel, strahlt,<br />

wirkt gelöst und gibt sich<br />

gleich wieder staatsmännisch:<br />

„Mein Verständnis war<br />

es und mein Verständnis ist<br />

es, dass ich die Bundeskanzle-<br />

BUNDESTAGSWAHL Analyse der Forschungsgruppe Wahlen – Kanzlerin kompensiert Vertrauensverluste<br />

MANNHEIM/EB – Die Union<br />

wird trotz Verlusten mit klarem<br />

Abstand stärkste Partei,<br />

die SPD fällt auf ihr schlechtestes<br />

Ergebnis überhaupt.<br />

Aber Gewinner der Bundestagswahl<br />

sind durchweg die<br />

kleineren Parteien, die in der<br />

Summe so stark sind wie niemals<br />

zuvor in der Geschichte<br />

der Republik. Das geht aus einer<br />

ersten Analyse der Mannheimer<br />

Forschungsgruppe<br />

Wahlen für diese Zeitung hervor.<br />

FDP, Grüne und Linke<br />

seien ausnahmslos auf dem<br />

Weg zu Rekordergebnissen.<br />

Die zentralen Elemente<br />

des Wahlsieges der Union<br />

sind laut der Analyse ihre Leistungsbilanz,<br />

ihr Parteiansehen<br />

und primär eine Kanzlerin,<br />

die mit guter Arbeit und<br />

bester Reputation die teils erheblichen<br />

Vertrauensverluste<br />

in die Sachkompetenzen der<br />

C-Parteien kompensiert. Vor<br />

allem aber kann Merkel ihren<br />

SPD-Herausforderer Frank-<br />

Walter Steinmeier in der<br />

K-Frage klar distanzieren.<br />

Die SPD, im Kabinett wie<br />

als Partei besser bewertet als<br />

2005, hatte ein strategisches<br />

rin aller Deutschen sein<br />

möchte“, macht sie klar, dass<br />

sie auch in Zukunft nicht spalten<br />

und polarisieren wolle.<br />

Lob für die Helfer, Dank an<br />

die Wähler, „schöne Party!“,<br />

wünscht Merkel.<br />

Gelb-blauer Taumel<br />

Erleichterung auch bei den<br />

Liberalen. Geschafft! Rekordergebnis,Regierungsbeteiligung<br />

– es hat gereicht für die<br />

Liberalen. Guido Westerwelle<br />

sieht sich am Ziel. Frenetischer<br />

Jubel hier bei der FDP-<br />

Wahlparty, wo die Liberalen<br />

das Ende von elf Jahren Opposition<br />

feiern. Der FDP-Chef<br />

und seine Führungsmannschaft<br />

im Rampenlicht. Stakkato-Applaus,<br />

Beifall, Euphorie.<br />

Gelb-blauer Siegestaumel.<br />

„So sehen Sieger aus“,<br />

singen die Liberalen, feiern<br />

sich und ihren Erfolg. Hier in<br />

den „Römische Höfen“, einem<br />

früheren Luxushotel im<br />

hs-Grafik<br />

55%<br />

31,0<br />

29,2<br />

11,9<br />

Dilemma: Neben einer stärker<br />

in die Mitte gerückten<br />

Union verliert sie nach links<br />

Wähler, deren Wünsche sie<br />

als Regierungspartei nicht bedienen<br />

kann. Hinzu kommt<br />

die gesunkene Wahlbeteiligung,<br />

die nach einem themenarmen,<br />

nicht polarisierenden<br />

Wahlkampf auf ein signifikan-<br />

Rosen und Küsschen für die Kanzlerin<br />

BUNDESTAGSWAHL Freude bei Union und FDP – Alle Alpträume der Sozialdemokraten werden wahr<br />

Pure Freude herrschte bei den Anhängern der CDU im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen.<br />

Das Wahlziel war erreicht: Die erwünschte schwarz-gelbe Koalition kann gebildet werden. BILDER: DDP<br />

Herzen der Hauptstadt, kennt<br />

die liberale Freude keine<br />

Grenzen; nach elf bitteren Jahren<br />

in der Opposition steht<br />

die Partei vor der Rückkehr in<br />

die Regierungsverantwortung.<br />

Manch einer hier hat<br />

Tränen in den Augen, so groß<br />

ist die Erleichterung. „Wir<br />

wollen jetzt Deutschland mitregieren“,<br />

sagt Westerwelle<br />

auf dem Podium, als sich der<br />

Jubel erst einmal gelegt hat.<br />

Die schwarz-gelbe Krawatte,<br />

die der FDP-Chef an diesem<br />

Abend trägt – sie soll auch<br />

ein Signal sein. „Wir wir bleiben<br />

auf dem Teppich“, versichert<br />

Westerwelle, fast schon<br />

ein wenig staatstragend.<br />

Trotziger Beifall<br />

Der Jubel im Willy-Brandt-<br />

Haus klingt nach Sieg. Doch<br />

es ist nur Trotz. Alle SPD-Alpträume<br />

sind an diesem<br />

Abend wahr geworden. Und<br />

in die bleichen Gesichter der<br />

Die Ergebnisse der Bundestagswahlen<br />

Hochrechnung von 22:46 Uhr / Alle Angaben: Zweitstimmen in Prozent<br />

8,1<br />

1,5 2,4<br />

1949 1953 1957 1961 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 <strong>2009</strong><br />

0%<br />

tes Mobilisierungsdefizit der<br />

SPD verweist.<br />

Für den großen Erfolg der<br />

kleineren Parteien ist zunächst<br />

deren stark gestiegenes<br />

Ansehen verantwortlich.<br />

Nochmals erheblich besser<br />

als das Ansehen der C-Parteien<br />

ist aber der persönliche<br />

Imagewert Angela Merkels.<br />

beiden da vorne auf dem Podium<br />

ist die Niederlage eingegraben:<br />

„Ein bitterer Tag für<br />

die Sozialdemokratie“, sagt<br />

Frank-Walter Steinmeier, der<br />

Kanzlerkandidat, der das<br />

schlechteste SPD-Nachkriegsergebnis<br />

eingefahren hat.<br />

Franz Müntefering an Steinmeiers<br />

linker Seite lässt die<br />

Augen verloren über die<br />

Köpfe schweifen, hat die<br />

Hände vor sich aufs Rednerpult<br />

gelegt. Denkt er über<br />

Rücktritt nach? Wer zieht die<br />

Konsequenzen?<br />

Auf den Tag elf Jahre nachdem<br />

Gerhard Schröders Wahlsieg<br />

1998 die Sozialdemokraten<br />

nach 16 Jahren Opposition<br />

wieder ins Kanzleramt<br />

führte, nun der Marsch in die<br />

Opposition. „Wir werden darüber<br />

nicht zur Tagesordnung<br />

übergehen können“, sagt der<br />

geschlagene Kanzlerkandidat<br />

unheilsschwanger. Keine Zeit<br />

verlieren, Pflöcke einram-<br />

Die Bundestagswahl markiert<br />

einen historischen Tiefpunkt<br />

für eine SPD, die sich<br />

zum Erhalt einer realistischen<br />

Machtoption jenseits der<br />

C-Parteien neu ausrichten<br />

muss. Damit wird sich auf nationaler<br />

Ebene eine Neujustierung<br />

im Parteienwettbewerb<br />

beschleunigen. Für die CDU/<br />

men. Der 69-jährige SPD-<br />

Chef, der vor der Wahl stets<br />

betont hatte, er werde am 14.<br />

November beim Parteitag wieder<br />

kandidieren, schweigt zur<br />

eigenen Zukunft. Die Parteilinke<br />

eröffnet derweil die<br />

Schlacht: „Inhaltlich und strategisch<br />

neu aufstellen“ müsse<br />

die Partei sich, fordert Juso-<br />

Chefin Franziska Drohsel.<br />

Grüner Katzenjammer<br />

Katzenjammer und Häme<br />

über die SPD bei den Grünen,<br />

die sich an diesem Wahlabend<br />

allerdings zunächst<br />

über das beste Abschneiden<br />

ihrer Geschichte im Bund<br />

freuen. „Selbst supergute<br />

Grüne können das Desaster<br />

bei der SPD nicht kompensieren“,<br />

mokiert sich Spitzenmann<br />

Jürgen Trittin über die<br />

Schwäche der Sozialdemokraten.<br />

Aus der Traum vom Regieren,<br />

die letzte Hoffnung<br />

auf eine Ampel-Koalition.<br />

35,2<br />

34,2<br />

8,1<br />

8,7<br />

CSU, die trotz des SPD-Einbruchs<br />

leichte Verluste hat,<br />

dürfte die Lage ebenfalls<br />

schwieriger werden. Nach<br />

vier Jahren Großer Koalition<br />

bringt das Ergebnis eine Wiederbelebung<br />

der klassischen<br />

Lagerorientierung auch im<br />

Verhältnis von Regierungsund<br />

Oppositionsparteien.<br />

Nur glücklich: FDP-Chef<br />

Guido Westerwelle<br />

Große Enttäuschung: Frank-<br />

Walter Steinmeier (SPD)<br />

Für Grünen-Spitzenkandidatin<br />

Renate Künast ist das<br />

zweistellige Ergebnis ihrer Partei<br />

ein „Arbeitsauftrag“. Es<br />

gehe nun darum, Verbündete<br />

zu suchen, um eine Laufzeitverlängerung<br />

für Atomkraftwerke<br />

zu verhindern.<br />

Durchmarsch geschafft<br />

33,7<br />

23,1<br />

14,6<br />

12,0<br />

10,1<br />

Die Linkspartei jubelt über<br />

ihren Durchmarsch bei der<br />

Bundestagswahl: „Wir haben<br />

heute ein historisches Ereignis<br />

erlebt“, so Gregor Gysi.<br />

Erstmals in der Geschichte<br />

der Bundesrepublik sei eine<br />

Partei links der SPD mit einem<br />

zweistelligen Ergebnis in<br />

den Bundestag eingezogen.<br />

Die „Schallmauer“ durchbrochen,<br />

freut sich Parteichef Lothar<br />

Bisky. Und Ex-SPD-Chef<br />

Oskar Lafontaine gibt sich<br />

zum Ergebnis seiner Ex-Partei<br />

betont ohne Schadenfreude:<br />

„Es kann sich niemand<br />

recht darüber freuen.“

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