2.7.1 Syphilis - Derma-Net-Online.de
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<strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
von <br />
Inhalt<br />
<strong>2.7.1</strong>.1 Einleitung und Epi<strong>de</strong>miologie<br />
<strong>2.7.1</strong>.2 Klinik: Primärstadium<br />
- Beson<strong>de</strong>rheiten bei Immun<strong>de</strong>fizienz/HIV-Infektion<br />
Sekundärstadium<br />
- Beson<strong>de</strong>rheiten bei Immun<strong>de</strong>fizienz/HIV-Infektion<br />
Tertiärstadium<br />
- Beson<strong>de</strong>rheiten bei Immun<strong>de</strong>fizienz/ HIV-Infektion<br />
Quartärsyphilis (Metasyphilis)<br />
Neurosyphilis<br />
<strong>Syphilis</strong> connata<br />
<strong>2.7.1</strong>.3 Diagnostik:<br />
<strong>2.7.1</strong>.4 Therapie<br />
<strong>2.7.1</strong>.5 Mel<strong>de</strong>pflicht<br />
<strong>2.7.1</strong>.6 Literatur<br />
Direkte Erregernachweise<br />
Serologie<br />
2. Infektionen 1<br />
Die <strong>Syphilis</strong> (Synonyme: venerische Treponematose, veraltet: Lues venerea, Morbus<br />
gallicus) ist eine sexuell übertragene Infektionskrankheit durch die Spirochaete<br />
Treponema pallidum. Unbehan<strong>de</strong>lt kann sie über mehrere Jahrzehnte und in vier<br />
klinischen Stadien bis zu Siechtum und Tod verlaufen o<strong>de</strong>r spontan ausheilen.<br />
Den ersten gut dokumentierten Ausbruch <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> datiert die Medizingeschichte<br />
auf das Jahr 1495. Dass die Ausbreitung dieser sexuell übertragenen Treponematose<br />
durch Treponema pallidum in <strong>de</strong>r Alten Welt tatsächlich erst nach <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung<br />
Amerikas mit <strong>de</strong>r Rückkehr <strong>de</strong>r Mannschaften <strong>de</strong>s Christopher Columbus im Jahre<br />
1493 begann, ist jedoch mittlerweile wi<strong>de</strong>rlegt. Vermutlich haben schon die Wikinger<br />
einige Jahrhun<strong>de</strong>rte früher Nordamerika erreicht und von dort erste <strong>Syphilis</strong>erkrankungen<br />
importiert. Analysen von Skeletten aus präkolumbianischer Zeit in England,<br />
aber auch in Griechenland, Pompeji und <strong>de</strong>r Türkei zeigen <strong>de</strong>utliche Spuren<br />
<strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong>erkrankung (von Hunnius 2006).<br />
Historisch belegt ist, dass sich 1495 von Neapel ausgehend erstmals eine große Epi<strong>de</strong>mie<br />
in verheeren<strong>de</strong>r Weise über weite Teile Europas ausbreitete und die <strong>Syphilis</strong><br />
damals einen sehr schweren, häufig letalen Verlauf nahm (Mortalitätsrate 20-40%).<br />
Phylogenetisch lässt sich <strong>de</strong>r Erreger dieser Epi<strong>de</strong>mie, Treponema pallidum, am<br />
ehesten auf <strong>de</strong>n in Südamerika und in Afrika heimischen Erreger von Yaws, einer<br />
nichtvenerischen Treponematose zurückführen (Harper 2008). Über mehrere Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />
folgten, häufig im Gefolge großer Kriege, weitere Epi<strong>de</strong>mien, die meist zu<br />
mehreren tausend Toten führten. In vielerlei Hinsicht erinnert die erste <strong>Syphilis</strong>epi<strong>de</strong>mie<br />
an die Ausbreitung <strong>de</strong>r HIV-Infektion/AIDS in <strong>de</strong>n Jahren nach 1980 in<br />
Nordamerika und Europa. Gemeinsamkeiten sind u.a. die sexuelle Übertragung <strong>de</strong>r<br />
Erreger, <strong>de</strong>r Verlauf in mehreren Stadien und die (über lange Zeit) fehlen<strong>de</strong> Therapierbarkeit.<br />
Über die Jahrhun<strong>de</strong>rte verlor <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong>erreger einen Teil seiner Virulenz.<br />
Unbehan<strong>de</strong>lt ist heute nur noch bei einem Viertel <strong>de</strong>r Infizierten mit <strong>de</strong>n<br />
schweren Endstadien <strong>de</strong>r Erkrankung zu rechnen.
2 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Mit <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Erregers (Schaudinn und Hoffmann 1905) und serologischer<br />
Nachweisreaktionen (Wassermann 1906) konnte die Erkrankung ab Beginn<br />
<strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts besser diagnostiziert wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r gleichen Zeit machte die<br />
Therapie mit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s noch sehr toxischen Salvarsans 1909 durch Paul<br />
Ehrlich und Sahachiro Hata einen großen Schritt voran, aber erst mit <strong>de</strong>r Einführung<br />
<strong>de</strong>s Penicillins 1943 konnte <strong>de</strong>r Erreger erfolgreich und sicher bekämpft wer<strong>de</strong>n.<br />
Bis heute ist es <strong>de</strong>n Treponemen nicht gelungen, eine Penicillinresistenz zu<br />
entwickeln.<br />
In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts verlor die <strong>Syphilis</strong> erheblich an Be<strong>de</strong>utung. Sie<br />
„verblasste“ in <strong>de</strong>n 80ziger Jahren neben <strong>de</strong>r zunächst überhaupt nicht behan<strong>de</strong>lbaren<br />
und auch heute noch durch ihre Komplikationen zum To<strong>de</strong> führen<strong>de</strong>n HIV-<br />
Infektion und ihrem Endstadium AIDS. Hinzu kam, dass die Angst vor einer Ansteckung<br />
mit <strong>de</strong>m HIV zu Verhaltensän<strong>de</strong>rungen (safer sex) und zunehmen<strong>de</strong>m Gebrauch<br />
von Kondomen führte, die auch vor Ansteckung mit <strong>de</strong>m Erreger <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong><br />
(und an<strong>de</strong>rer STI-Erkrankungen) schützen. So fiel die Inzi<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong>, die<br />
1977/78 in Deutschland noch bei 14/100.000 Einwohner/Jahr lag auf einen historischen<br />
Tiefstand von 1,4 Fällen/100.000 Einwohner/Jahr und blieb über ein ganzes<br />
Jahrzehnt auf diesem Niveau. Seit 2001 steigt die Zahl <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong>neuinfektionen in<br />
Nordamerika und Europa, beson<strong>de</strong>rs bei Männern, die Sex mit Männern haben, erheblich<br />
an (RKI 2007). Dabei zeigt sich, dass aktuell die außeror<strong>de</strong>ntlich vielfältige<br />
klinische Symptomatik dieser Erkrankung zu selten in differenzialdiagnostische<br />
Überlegungen einbezogen wird. Die Analyse aktueller Fälle <strong>de</strong>r Frankfurter Universitätshautklinik<br />
zeigt, dass in vielen Fällen <strong>de</strong>r syphilitische Primäraffekt mit traumatischen<br />
Ulzerationen, chronischen Fissuren o<strong>de</strong>r Herpesvirusinfektionen verwechselt<br />
wur<strong>de</strong> und die Exantheme <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis für Arzneimittelunverträglichkeitsreaktionen<br />
o<strong>de</strong>r Virusexantheme gehalten wur<strong>de</strong>n.<br />
Dass in <strong>de</strong>r aktuellen Epi<strong>de</strong>mie gera<strong>de</strong> Männer, die Sex mit Männern haben, beson<strong>de</strong>rs<br />
häufig an einer <strong>Syphilis</strong> erkranken, führt zu einer hohen Rate <strong>de</strong>r Komorbidität<br />
mit <strong>de</strong>r HIV-Infektion. Die assoziierte Immun<strong>de</strong>fizienz beeinflusst <strong>de</strong>n klinischen<br />
Verlauf, die Ergebnisse <strong>de</strong>r serologischen Nachweismetho<strong>de</strong>n und die Therapierbarkeit<br />
<strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong>. Diese Beson<strong>de</strong>rheiten wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n einzelnen Krankheitsstadien<br />
ergänzend besprochen.<br />
Tabelle 1: Stadien und klinische Formen <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> (Übersicht)<br />
Primär-<strong>Syphilis</strong> I Regionale Infektion: Primärkomplex<br />
Sekundär-<strong>Syphilis</strong> II Hämatogene Aussaat: Syphili<strong>de</strong>, Allgemeinsymptome<br />
<strong>Syphilis</strong> latens seropositiva<br />
Seropositivität mit Aktivitätszeichen (IgM, hohe Cardiolipin-AK-<br />
Titer), keine klinischen Symptome<br />
Tertiär-<strong>Syphilis</strong> III Hyperergie �Spontanheilung o<strong>de</strong>r<br />
�Tuberserpiginöse Syphili<strong>de</strong>, Gummen<br />
�Neurosyphilis (s.u.)<br />
�Kardiovaskuläre <strong>Syphilis</strong> (Aneurysmen etc.)<br />
Meta-<strong>Syphilis</strong> IV Hypergie/Anergie �Tabes dorsalis, Progressive Paralyse<br />
Neurosyphilis<br />
(Erkrankungen in <strong>de</strong>n<br />
Stadien II-IV)<br />
Asymptomatische/symptomatische meningovaskuläre <strong>Syphilis</strong><br />
Basiliarmeningitis, akute transverse Dorsalmyelitis<br />
Zerebrale Gummen, Progressive Paralyse, Tabes dorsalis<br />
<strong>Syphilis</strong> connata <strong>Syphilis</strong> connata praecox<br />
<strong>Syphilis</strong> connata tarda (ab 3. Lebensjahr), Stigmata
Abb. 1: Verlaufsschema <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> (Klinik, Serologie, Direktnachweise)<br />
Infektion<br />
Diagnostik<br />
(unbehan<strong>de</strong>lte<br />
<strong>Syphilis</strong>)<br />
Diagnostik nach<br />
Behandlung<br />
Legen<strong>de</strong><br />
3 Wochen 9-12 Wochen<br />
Primär-<br />
<strong>Syphilis</strong><br />
Sekundär-<br />
<strong>Syphilis</strong><br />
Inkubation I. Latenz II. Latenz<br />
Th.<br />
<strong>2.7.1</strong>.2 Klinik <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong><br />
3-40 Jahre<br />
2. Infektionen 3<br />
Quartär-<br />
Tertiär-<br />
<strong>Syphilis</strong><br />
Spontanheilung<br />
25%<br />
75%<br />
Dunkelfeld negativ nach erster Penicillingabe!<br />
IgM-AK negativ 6-12 (24) Monate nach Therapie<br />
Cardiolipin-AK Abfall um ≥ 2 Titerstufen 3-6<br />
Monate nach Therapie, negativ nach 6-12 Monaten<br />
IgG-AK-Rest-Titer persistiert meist lebenslang (Seronarbe)<br />
Direkte Erregernachweise (Dunkelfeld, DIF, PCR), = wenige Erreger<br />
IgM-Antikörper (19sIgM-FTA-Abs, Western Blot, ELISA), = niedriger Titer<br />
IgG-Antikörper (FTA-Abs, Western Blot, ELISA)<br />
Cardiolipin-Antikörper (KBR), = niedriger Titer<br />
HS_FFM<br />
Primärstadium<br />
Nach <strong>de</strong>r Übertragung <strong>de</strong>r Treponemen (T. pallidum), die in <strong>de</strong>r Regel von feuchter<br />
Schleimhaut auf feuchte Schleimhaut (genital, anal, oral), d.h. bei sexuellen Kontakten<br />
erfolgt, beginnt zunächst eine Inkubationszeit von im Mittel 3 Wochen (9 bis 90<br />
Tage). Am Infektionsort entsteht nach <strong>de</strong>r Inkubation zunächst eine meist solitäre,<br />
kleine rötliche Papel, die sehr rasch ulzeriert und zu einem nicht schmerzhaften Ulkus<br />
mit <strong>de</strong>rbem Randwall führt (Abb. 2). Bei diesem sogenannten Primäraffekt o<strong>de</strong>r<br />
harten Schanker (Ulcus durum) han<strong>de</strong>lt es sich zunächst um eine lokale Infektion am<br />
Eintrittsort <strong>de</strong>r Erreger. In etwa 5% aller Fälle (Buntin 1991) tritt <strong>de</strong>r Primäraffekt<br />
extragenital, meist an <strong>de</strong>n oralen Schleimhäuten, nur selten am äußeren Integument<br />
auf. Je nach sexuellen Verhaltensweisen wur<strong>de</strong>n peri- und enorale, aber auch an <strong>de</strong>n<br />
Fingern, Fußzehen o<strong>de</strong>r Mamillen lokalisierte Primäraffekte beschrieben. Auch für<br />
diese extragenitalen Her<strong>de</strong>, die ein großes Spektrum von Differenzialdiagnosen<br />
aufweisen, ist eine Ulzeration mit auffallen<strong>de</strong>r Indolenz charakteristisch. Die Umgebung<br />
kann ekzematöse Begleitreaktionen aufweisen. Die weitere Ausbreitung erfolgt<br />
zunächst lymphogen und löst in <strong>de</strong>n regionären Lymphknoten eine indolente<br />
Lympha<strong>de</strong>nitis aus (zusammen mit <strong>de</strong>m Primäraffekt = Primärkomplex). Nach im<br />
Mittel 2-3 Wochen kommt es zu einer spontanen Remission <strong>de</strong>s Primärkomplexes<br />
und die Patienten erscheinen für eine Latenzphase von 4 bis 6 Wochen klinisch gesund.<br />
Die Differenzialdiagnosen <strong>de</strong>s Primäraffektes sind in Tabelle 2 zusammengefaßt.
4 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Abb. 2: Primäraffekt (Ulcus durum) in <strong>de</strong>r Kranzfurche<br />
Zur Diagnostik <strong>de</strong>r primären <strong>Syphilis</strong> sind die Dunkelfeldmikroskopie, die direkte<br />
Immunfluoreszenzuntersuchung und <strong>de</strong>r PCR-Nachweis von Treponemen geeignet.<br />
Histologisch fin<strong>de</strong>n sich bei <strong>de</strong>r primären und sekundären <strong>Syphilis</strong> eine Schwellung<br />
und Proliferation von Endothelzellen sowie überwiegend perivaskulär angeordnete<br />
Infiltrate aus Lymphozyten und Plasmazellen.<br />
In <strong>de</strong>r Serologie zeigen sich initial nur spezifische IgM-Antikörper (19sIgM-Test,<br />
Western-Blot), die etwa mit <strong>de</strong>m Auftreten <strong>de</strong>s Ulcus durum nachweisbar wer<strong>de</strong>n.<br />
Etwa 4-6 Wochen post infectionem treten spezifische IgG-Antikörper (TPPA,<br />
TPHA, FTA-abs Test, ELISA, Western-Blot) und unspezifische Cardiolipinantikörper<br />
(z.B. im VDRL-Test) auf (s. Abb. 1).<br />
Primärstadium: Beson<strong>de</strong>rheiten bei Immun<strong>de</strong>fizienz/HIV-Infektion<br />
Da auch bei <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> die Erreger-/Wirtbeziehung eine be<strong>de</strong>utsame Rolle spielt,<br />
fin<strong>de</strong>n sich bei zellulärer Immun<strong>de</strong>fizienz in allen Stadien assoziiert mit <strong>de</strong>m<br />
Schweregrad <strong>de</strong>r Immun<strong>de</strong>fizienz klinische Beson<strong>de</strong>rheiten (Gregory 1990, Meurer<br />
1990, Schöfer 1996). Metzger et al. konnten bereits 1976 zeigen, dass mit fortschreiten<strong>de</strong>r<br />
zellulärer Immun<strong>de</strong>fizienz die Inkubationszeit <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> verkürzt sein kann<br />
und evtl. multiple und zur Dissemination neigen<strong>de</strong> Primäraffekte auftreten können.<br />
Auch die Abheilungszeit kann verlängert sein, die primären Ulzerationen können bis<br />
in das Sekundärstadium persistieren (Metzger 1976, Musher 1975). Es empfiehlt<br />
sich daher auch bei Patienten mit klinischem Verdacht auf eine Sekundärsyphilis,<br />
eine gründliche genitale und anale Inspektion durchzuführen.<br />
Perianale Primäraffekte können bei Immun<strong>de</strong>fizienz ungewöhnlich schmerzhaft<br />
sein. Bei homosexuellen Männern mit Immun<strong>de</strong>fizienz wer<strong>de</strong>n solche perianalen<br />
Ulzerationen daher leicht als akute o<strong>de</strong>r chronische Analfissur o<strong>de</strong>r persistieren<strong>de</strong>r
2. Infektionen 5<br />
Herpes analis exulcerans fehldiagnostiziert. Das gleichzeitige Auftreten weiterer<br />
STI-Erkrankungen wie z.B. Herpes simplex genitoanalis o<strong>de</strong>r einer Gonorrhoe kann<br />
das klinische Bild <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> erheblich verän<strong>de</strong>rn. Eine <strong>Syphilis</strong>serologie sollte<br />
daher bei allen auf STI-Erkrankungen hinweisen<strong>de</strong>n Symptomen obligat veranlasst<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Sekundärstadium<br />
Die sekundäre <strong>Syphilis</strong> ist charakterisiert durch eine Treponemen-Bakteriämie. Sie<br />
beginnt meist zwischen <strong>de</strong>r 7. und 12. Woche nach <strong>de</strong>r Infektion. Zu diesem Zeitpunkt<br />
hat sich <strong>de</strong>r Primärkomplex meist schon vollständig und ohne sichtbare Narbe<br />
zurückgebil<strong>de</strong>t, die Patienten scheinen aus völliger Gesundheit heraus zu erkranken.<br />
Es treten in unterschiedlicher Ausprägung auf:<br />
Klinische Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Krankheitsgefühl, leichtes Fieber,<br />
Halsschmerzen, generalisierte Lympha<strong>de</strong>nopathie (indolent, verschiebbar) sowie<br />
Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen mit auffälliger nächtlicher Betonung.<br />
Organbeteiligungen: Assoziierte Hepatitis, Periosteitis, Arthritis, Bursitis, Iridocyclitis,<br />
Taubheit, Sehstörungen o<strong>de</strong>r Meningitis sind möglich.<br />
Haut- und Schleimhautsymptome: Vielfältiges Spektrum von Krankheitssymptomen<br />
in unregelmäßiger Abfolge und Koinzi<strong>de</strong>nz (<strong>Syphilis</strong> als <strong>de</strong>r „große Imitator“):<br />
Roseola syphilitica: Blassrötliche, makulöse nicht jucken<strong>de</strong> Effloreszenzen am Abdomen<br />
von 0,5-1,5cm Durchmesser, häufig unbeachtet (Abb. 3).<br />
Abb. 3: Roseola syphilitica
6 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Abb. 4b: Sekundärsyphilis, Palmoplantarsyphilid<br />
Syphili<strong>de</strong>: Symmetrische, nicht<br />
jucken<strong>de</strong>, Exantheme, makulopapulös<br />
(häufigste Form, Abb. 4a),<br />
nodulär, pustulös o<strong>de</strong>r ulzerierend.<br />
Handinnenflächen und Fußsohlen<br />
sind beteiligt (Abb. 4b).<br />
Zusammen mit <strong>de</strong>n nichtjucken<strong>de</strong>n<br />
Exanthemen sind die palmoplantaren<br />
Effloreszenzen wichtigstes<br />
klinisch-diagnostisches Symptom<br />
<strong>de</strong>r sekundären <strong>Syphilis</strong>.<br />
Abb. 4a: Sekundärsyphilis, makulopapulöses<br />
Syphilid
2. Infektionen 7<br />
Diffuses Effluvium (mottenfraß-ähnlich, Alopecia specifica): Diffus verteilte Her<strong>de</strong>,<br />
unregelmäßig begrenzt (Abb. 5). Kürzlich wur<strong>de</strong> gezeigt, dass die Treponemen<br />
selbst bei <strong>de</strong>r Entzündung am Haarbalg beteiligt sind (Nam-Cha 2007).<br />
Angina specifica: Stimme auffallend heiser, Tonsillen und Rachenring gerötet.<br />
Plaques muqueuses: Ovale o<strong>de</strong>r serpiginöse, erythematöse o<strong>de</strong>r schmerzhaft ulzerieren<strong>de</strong><br />
Mundschleimhautläsionen (Abb. 6). An mechanisch nicht belasteten Stellen<br />
auch bläulich-weiß belegt (Plaques opalines).<br />
Condylomata lata: Erythematöse Papeln und Plaques in <strong>de</strong>r Genitoanalregion (Abb.<br />
7a, 7b) und an<strong>de</strong>ren Intertrigines (Abb. 7c). Weiterentwicklung zu breitbasig aufsitzen<strong>de</strong>n,<br />
kondylomatösen Wucherungen, sehr erregerreich, nässend, hochinfektös.<br />
Klinisch oft nur schwer von Condylomata acuminata (HPV-Infektion) zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />
Syphilitische Leuko<strong>de</strong>rme: Nach Abheilen <strong>de</strong>r Effloreszenzen <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis<br />
am Stamm (Abb. 8) o<strong>de</strong>r Hals-/Nachenbereich („Halsband <strong>de</strong>r Venus“) zurückbleiben<strong>de</strong><br />
makulöse Depigmentierungen.<br />
<strong>Syphilis</strong> maligna: Selten auftreten<strong>de</strong> Son<strong>de</strong>rform <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis, bevorzugt<br />
bei Immun<strong>de</strong>fizienz, HIV-Infektion, <strong>Syphilis</strong> in <strong>de</strong>r Vorgeschichte, männlichem<br />
Geschlecht und Homosexualität. Gekennzeichnet durch:<br />
� Ausgeprägte Allgemeinsymptome: Hohes Fieber, ausgeprägte Schwäche,<br />
Gewichtsverlust.<br />
� Ulzerieren<strong>de</strong>n Hautläsionen (Abb. 9a-c): Typisch sind aufgelagerte,<br />
austernschalenartig angeordnete Krusten (Rupia syphilitica) auf flachen<br />
Ulzerationen mit weichen Rän<strong>de</strong>rn (Abb. 9c).<br />
� Die genalisierte Lympha<strong>de</strong>nopathie <strong>de</strong>r sekundären <strong>Syphilis</strong> kann fehlen.<br />
Zeigen sich bei <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis persistieren<strong>de</strong> Effloreszenzen mit dichten granulomatösen<br />
Infiltraten in <strong>de</strong>r Histopathologie, so spricht dies für einen vorzeitigen<br />
Übergang in eine Tertiärsyphilis (s.d.).<br />
Nach wechselhaftem, auch rezidivieren<strong>de</strong>m Krankheitsverlauf können nach 4-12<br />
Monaten alle Symptome <strong>de</strong>r sekundären <strong>Syphilis</strong> verschwin<strong>de</strong>n. Die <strong>Syphilis</strong>erkrankung<br />
geht dann in eine lange zweite Latenz- o<strong>de</strong>r Abheilungsphase über.
8 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Abb. 5: Sekundärsyphilis, Plaques muqueuses<br />
Abb. 6: Sekundärsyphilis, Alopecia specifica („mottenfraßähnliche“ Alopezie)
Abb. 7: Sekundärsyphilis, Condylomata lata<br />
Abb. 7b: Sekundärsyphilis, Condylomata lata (perianal)<br />
2. Infektionen 9<br />
Abb. 7c: Sekundärsyphilis, Condylomata lata <strong>de</strong>r Zehenzwischenräume
10 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Abb. 8: Sekundärsyphilis, syphilitisches Leuko<strong>de</strong>rm<br />
Abb. 9 a-c: Sekundärsyphilis, <strong>Syphilis</strong> maligna (mit Rupia syphilitica Abb. 9 c)<br />
Abb. 9b<br />
Abb. 9c<br />
Sekundärstadium: Beson<strong>de</strong>rheiten bei Immun<strong>de</strong>fizienz/HIV-Infektion<br />
Bei einem relativ geringen Anteil HIV-infizierter Patienten weicht das klinische Bild<br />
<strong>de</strong>r Sekundärsyphilis vom gewohnten Muster ab. So berichten einige Patienten mit<br />
Syphili<strong>de</strong>n über mittleren bis starken Juckreiz und die sonst sehr selten ulzerieren<strong>de</strong>n<br />
Verlaufsformen mit schweren Allgemeinsymptomen (<strong>Syphilis</strong> maligna) wer<strong>de</strong>n<br />
häufiger beobachtet (Shulkin 1988). Im eigenen Patientenkollektiv hatten 4/60 (7%)<br />
HIV-Patienten mit <strong>Syphilis</strong> eine <strong>Syphilis</strong> maligna (Schöfer 1996). In <strong>de</strong>r medizinischen<br />
Literatur <strong>de</strong>r Vor-AIDS Ära wur<strong>de</strong> ihre Häufigkeit mit 0,12% angegeben<br />
(Kampmier 1943). HIV-Patienten haben damit ein mehr als 50x höheres Risiko, an<br />
einer <strong>Syphilis</strong> maligna zu erkranken. Eine weitere seltene Form <strong>de</strong>r späten Sekundärsyphilis,<br />
das korymbiforme Syphilid („Bombensyphilid“, Abb. 10) wird gelegentlich<br />
bei HIV-Infektion beobachtet.
2. Infektionen 11<br />
Abb. 10: Sekundärsyphilis, korymbiformes<br />
Syphilid („Bombensyphilid“)<br />
Auch die serologischen Befun<strong>de</strong> können<br />
vom Normalbefund abweichen. So wur<strong>de</strong>n<br />
Fälle komplett seronegativer Sekundärsyphilis<br />
beschrieben (Hicks 1987). Stimmen<br />
klinischer Befund und Serologie nicht überein,<br />
sollte versucht wer<strong>de</strong>n, die Erreger<br />
möglichst direkt nachzuweisen (Dunkelfeldmikroskopie,<br />
Histologie, PCR). Über<br />
einen beson<strong>de</strong>ren Verlauf <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis<br />
bei HIV-Infektion berichtete Glover<br />
(1992). Der Patient litt unter Fieber, Frösteln,<br />
Übelkeit und glänzen<strong>de</strong>n, indurierten<br />
und konfluieren<strong>de</strong>n Plaques v.a. im Gesicht<br />
und am Kapillitium. Die Läsionen führten<br />
zu einer extremen Straffheit <strong>de</strong>r Haut und<br />
zum Haarverlust am Kapillitium.<br />
Tertiärstadium<br />
Die kutanen, kardiovaskulären und neurologischen Spätformen <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> sind seit<br />
<strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s Penicillins in die Behandlung und vermutlich auch aufgrund<br />
nachlassen<strong>de</strong>r Virulenz <strong>de</strong>r Erreger sehr selten gewor<strong>de</strong>n. Etwa 75% aller unbehan<strong>de</strong>lten<br />
Syphilitiker heilen nach <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis spontan vollständig ab, nur ca.<br />
25% erkranken an einer Tertiärsyphilis. Charakteristisch für die Spätsyphilis sind<br />
hypererge Reaktionen auf die wenigen noch im Gewebe verbliebenen Erreger. Es<br />
kommt zu granulomatösen, aber auch zu gewebezerstören<strong>de</strong>n, ulzerieren<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen,<br />
die je nach betroffenen Hautschichten in kutane tuberöse Syphili<strong>de</strong> und<br />
subkutane Gummen unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Sie entstehen in <strong>de</strong>r Regel 3-5 (10) Jahre<br />
nach <strong>de</strong>m Abheilen <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis. Beson<strong>de</strong>rs schwere bis letale Verläufe<br />
sind bei kardiovaskulärer Beteiligung (z.B. Mesaortitis syphilitica, syphilitisches<br />
Aortenaneurysma) o<strong>de</strong>r beim Auftreten von Gummen in parenchymatösen Organen<br />
und im Gehirn möglich.<br />
Oberflächliche kutane Syphili<strong>de</strong>: Knotige mit Schuppung be<strong>de</strong>ckte (Abb. 11) o<strong>de</strong>r<br />
sich großflächig serpiginöse ausbreiten<strong>de</strong> Plaques (tuberoserpiginöse Syphili<strong>de</strong>). Die<br />
geschlängelt verlaufen<strong>de</strong>n Rän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Läsionen bestehen aus weichen, zur Ulzeration<br />
neigen<strong>de</strong>n entzündlichen Knoten, im Zentrum <strong>de</strong>r Plaques spontane Abheilung<br />
mit atrophen Narben.
12 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Abb. 11: Tertiärsyphilis, tubero- Abb. 12: Tertiärsyphilis, Gumma<br />
squamöses Syphilid (HIV - Patient)<br />
Gummen: Tief im Gewebe entstehen<strong>de</strong>, weiche entzündliche Knoten, die anschwellen<br />
und schließlich putri<strong>de</strong> einschmelzen (Abb. 12). Sie verdanken ihren Namen<br />
einem zähen, gummiartigen Sekret, dass sich mit einer Platinöse aus <strong>de</strong>n ekthymaartig<br />
ausgestanzten Ulzera ziehen lässt. Gummen sind bevorzugt an Nase, Gaumen<br />
o<strong>de</strong>r Zunge lokalisiert, bevorzugen die Medianlinie <strong>de</strong>s Körpers und hinterlassen<br />
nach Abheilung tiefe narbige Gewebs<strong>de</strong>fekte.<br />
Histologisch setzen sich die Granulome <strong>de</strong>r späten sekundären und tertiären <strong>Syphilis</strong><br />
aus Epitheloid- und Plasmazellen, Lymphozyten und mehrkernigen Riesenzellen<br />
zusammen. Sie können zentral nekrotisieren. Mit sensitiven Metho<strong>de</strong>n lassen sich<br />
zwar noch Treponemen in Gummen nachweisen, sie gelten jedoch nicht als infektiöse<br />
Läsionen (Handsfield 1983).<br />
Tertiärstadium: Beson<strong>de</strong>rheiten bei Immun<strong>de</strong>fizienz/HIV-Infektion<br />
In einigen Publikationen wird über das vorzeitige Auftreten <strong>de</strong>r Tertiärsyphilis bei<br />
HIV-Infizierten berichtet. Die zweite Latenzphase scheint verkürzt zu sein. So wur<strong>de</strong>n<br />
in einigen Fällen Gummen und tuberoserpiginöse Syphili<strong>de</strong> beschrieben, die<br />
gleichzeitig mit <strong>de</strong>n makulopapulösen Syphili<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis auftraten<br />
(Bari 1989, Dawson 1988). In einer Kasuistik berichten Hay et al (1990) über die<br />
Manifestation von Gummen nur 12 Monate nach einer adäquaten <strong>Syphilis</strong>therapie<br />
und ohne Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s VDRL-Titers nach <strong>de</strong>r Behandlung. Bei HIV-<br />
Infizierten können zerebrale Gummen die Ursache von Schlaganfällen sein (Berger<br />
1992).
2. Infektionen 13<br />
Quartärsyphilis (Metasyphilis)<br />
Bleibt eine <strong>Syphilis</strong> unbehan<strong>de</strong>lt, so können sich Jahrzehnte (4-30 Jahre) später bei<br />
etwa 15% <strong>de</strong>r Patienten schwere, unbehan<strong>de</strong>lt zu Siechtum und Tod führen<strong>de</strong> neurologische<br />
Spätmanifestationen einstellen. Die bei<strong>de</strong>n gut <strong>de</strong>finierten Krankheitsbil<strong>de</strong>r<br />
Tabes dorsalis und Progressive Paralyse wer<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>r Bezeichnung Metasyphilis<br />
zusammengefasst. Sie unterschei<strong>de</strong>t sich von <strong>de</strong>r Tertiärsyphilis (hypererge Reaktionslage,<br />
wenige Erreger, Granulombildung) durch eine hyperge, sehr erregerreiche<br />
Reaktionslage mit entzündlicher Destruktion und Degeneration neurologischer<br />
Strukturen.<br />
Tabes dorsalis: Entzündliche Degeneration <strong>de</strong>r Goll- und Burdach‘schen Hinterstränge<br />
<strong>de</strong>s Rückenmarks. Typisch sind starke, lanzinieren<strong>de</strong> (= lanzenstich-,<br />
blitzartig einschießen<strong>de</strong>) Schmerzen, <strong>de</strong>r Verlust von Eigenreflexen (Beginn an <strong>de</strong>n<br />
Beinen), Sensibilitätsstörungen, spinale Ataxie und reflektorische Pupillenstarre<br />
(Argyll-Robertson-Zeichen) sowie eine Atrophie <strong>de</strong>s Nervus opticus (Amaurosis).<br />
Progressive Paralyse: Folge einer massiven Invasion <strong>de</strong>s ZNS durch Treponemen,<br />
Jahrzehnte nach Beginn einer unbehan<strong>de</strong>lten <strong>Syphilis</strong>. Die Zerstörung <strong>de</strong>r Großhirnrin<strong>de</strong><br />
führt zu schleichend einsetzen<strong>de</strong>n Gedächtnis- und Sprachstörungen sowie<br />
einer auffallen<strong>de</strong>n Persönlichkeitsverän<strong>de</strong>rung. Mit einer rechtzeitig gegebenen<br />
hochdosierten Penicillintherapie lässt sich auch diese schwerste Form <strong>de</strong>r Neurosyphilis<br />
(unter Defektheilung!) stoppen. Unbehan<strong>de</strong>lt führt die progressive Paralyse<br />
jedoch zu schwerster Demenz, Paresen, Krampfanfällen und schließlich zum Tod.<br />
Sie kann bei unerkannt gebliebener <strong>Syphilis</strong> connata auch schon im jungen Erwachsenenalter<br />
auftreten. Weitere Lektüre zur Metasyphilis: Lehrbücher <strong>de</strong>r Neurologie,<br />
Übersichtsarbeiten (Scheck 1994, Marra 2004).<br />
Neurosyphilis<br />
Nicht nur im Rahmen <strong>de</strong>r Metasyphilis, son<strong>de</strong>rn schon wesentlich früher, nämlich<br />
bei <strong>de</strong>r Bakteriämie <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis, können Treponemen die Bluthirnschranke<br />
überschreiten und neurologische Symptome auslösen. Bei Immun<strong>de</strong>fizienz/HIV-<br />
Infektion besteht hierfür ein beson<strong>de</strong>rs hohes Risiko, jedoch wur<strong>de</strong>n schon lange vor<br />
<strong>de</strong>r AIDS-Ära Treponemen im Liquorraum bei Patienten mit Frühsyphilis nachgewiesen<br />
(Merritt 1946, Mills 1927, Moore 1930). Bei fast einem Drittel aller <strong>Syphilis</strong>patienten<br />
können Treponemen aus <strong>de</strong>m Liquor angezüchtet wer<strong>de</strong>n (Lukehart<br />
1988). Meist han<strong>de</strong>lt es sich dabei um eine asymptomatische meningovaskuläre <strong>Syphilis</strong>.<br />
Mit Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit können jedoch auch klinische<br />
Symptome einer Basiliarmeningitis und in seltenen Fällen auch eine schwere Neuromeningitis<br />
mit akuter transverser Dorsalmyelitis und permanenter Paraplegie auftreten.<br />
Neben meningitischen Symptomen können sich auch kognitive Dysfunktionen,<br />
Hör- und Sehstörungen, Hirnnervenlähmungen, motorische und sensorische<br />
Ausfälle manifestieren. Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Tertiärsyphilis können eine<br />
symptomatische meningovaskuläre Entzündung und im Stadium <strong>de</strong>r Metasyphilis<br />
die bereits beschriebenen Symptome <strong>de</strong>r progressiven Paralyse und <strong>de</strong>r Tabes dorsalis<br />
auftreten. Weitere Details zu diesen neurologischen Erkrankungen s.a. Leitlinie<br />
„Neurosyphilis“ <strong>de</strong>r Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Lehrbücher <strong>de</strong>r Neurologie<br />
und Übersichtsarbeiten (Scheck 1994, Marra 2004).
14 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Beson<strong>de</strong>rheiten bei Immun<strong>de</strong>fizienz und HIV-Infektion.<br />
Eine 1988 veröffentlichte Studie zur Neurosyphilis zeigte bei min<strong>de</strong>stens 16 von 40<br />
(25 HIV - , 15 HIV + ) Patienten mit unbehan<strong>de</strong>lter symptomatischer primärer o<strong>de</strong>r<br />
sekundärer <strong>Syphilis</strong> eine Beteiligung <strong>de</strong>s ZNS (Nachweis lebensfähiger Treponemen<br />
o<strong>de</strong>r reaktive Serologie im Liquor). Interessanterweise bestand zwischen HIV + - und<br />
HIV - -<strong>Syphilis</strong>patienten kein signifikanter Unterschied: 13% <strong>de</strong>r HIV + - bzw. 16%<br />
<strong>de</strong>r HIV - -Patienten waren neurologisch auffällig (Lukehart 1988). Schwere neurologische<br />
Manifestationen wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r frühen Phase <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> nicht beobachtet.<br />
Symptomfreie Patienten mit einer <strong>Syphilis</strong> latens seropositiva hatten in bei<strong>de</strong>n Patientengruppen<br />
(HIV + - bzw. HIV - ) keine lebensfähigen Treponemen im Liquor.<br />
Da bei unbehan<strong>de</strong>lten HIV-Infizierten gehäuft Meningiti<strong>de</strong>n (durch diverse Erreger,<br />
evtl. auch durch HIV) auftreten, wird diskutiert, dass die dadurch bestehen<strong>de</strong>n entzündlichen<br />
Verän<strong>de</strong>rungen das Vordringen <strong>de</strong>r Treponemen ins ZNS begünstigen<br />
könnten.<br />
In <strong>de</strong>n neurologischen Lehrbüchern wird für die Manifestation einer meningovaskulären<br />
Neurosyphilis eine Latenz von 3-12 Jahren angegeben. Diese Latenzzeit<br />
scheint bei HIV-Infektion erheblich verkürzt zu sein. Held (1989) und Johns (1987)<br />
berichten über meningovaskuläre Neurosyphilis bei HIV-Infektion nur 1-4 Monate<br />
nach <strong>de</strong>r Infektion. Jedoch wur<strong>de</strong> auch schon 1946 (Merritt et al.) über kurze Latenzzeiten<br />
von nur 4 Monaten in Einzelfällen berichtet.<br />
Die Angaben über die Häufigkeit <strong>de</strong>r Neurosyphilis bei unbehan<strong>de</strong>lten Patienten<br />
ohne HIV-Infektion schwanken zwischen 10% nach 7-30 Jahren (Gjestland 1955)<br />
und 30% nach 7 Jahren (Merritt 1946).<br />
Auch die beson<strong>de</strong>re Verlaufsform <strong>de</strong>r akuten syphilitischen Meningitis 2-10 Monate<br />
nach Beginn einer unbehan<strong>de</strong>lten Frühsyphilis (MMWR 2007) war – wie<strong>de</strong>rum in<br />
Einzelfällen – schon in <strong>de</strong>r Ära vor AIDS bekannt (Merritt 1946). Neurologische<br />
Symptome bis zum Schlaganfall können in seltenen Fällen auch durch zerebrale<br />
Gummen ausgelöst wer<strong>de</strong>n (Weinert 2008). Epileptische Anfälle (bis zum Status<br />
epilepticus) bei Neurosyphilis sind selten. Sie wur<strong>de</strong>n jedoch mehrfach als Begleitsymptome<br />
einer Jarisch-Herxheimer Reaktion (Gürses 2007) o<strong>de</strong>r als Folge entzündlicher<br />
Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Gehirns beschrieben (Li 2006).<br />
<strong>Syphilis</strong> connata<br />
Bei <strong>de</strong>r Übertragung <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> auf <strong>de</strong>n Feten spielt <strong>de</strong>r Infektionszeitpunkt <strong>de</strong>r<br />
Mutter und damit das Stadium ihrer Erkrankung während <strong>de</strong>r Schwangerschaft eine<br />
wichtige Rolle. Grundsätzlich kann eine Mutter schon vor <strong>de</strong>r Schwangerschaft an<br />
einer unbehan<strong>de</strong>lten <strong>Syphilis</strong> lei<strong>de</strong>n, sie kann aber auch bei <strong>de</strong>r Zeugung o<strong>de</strong>r später<br />
im Verlauf <strong>de</strong>r Schwangerschaft infiziert wer<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>n Feten können die<br />
Treponehmen frühestens mit <strong>de</strong>m Abschluss <strong>de</strong>r Plazentareifung, d.h. etwa ab <strong>de</strong>r<br />
17. Schwangerschaftswoche übergehen. Besteht zu diesem Zeitpunkt eine ausgeprägte<br />
Treponemen-Bakteriämie, wer<strong>de</strong>n Plazenta und Fetus massiv von Erregern<br />
befallen. Stark entzündliche Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Plazenta und eine Totgeburt im 7.<br />
o<strong>de</strong>r 8. Schwangerschaftsmonat sind die Folge.<br />
<strong>Syphilis</strong> connata praecox<br />
Befin<strong>de</strong>n sich aufgrund einer längere Zeit zurückliegen<strong>de</strong>n Infektion nur wenige<br />
Erreger im mütterlichen Blut, kommt es zwar zu einer symptomatischen Infektion<br />
<strong>de</strong>s Feten, eine Lebendgeburt ist jedoch möglich. Solche Kin<strong>de</strong>r weisen bei <strong>de</strong>r Ge-
2. Infektionen 15<br />
burt die Symptome <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> connata praecox auf. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich im Wesentlichen<br />
um die Erscheinungen einer Sekundärsyphilis. Zusätzlich wirken die<br />
Kin<strong>de</strong>r atrophisch. Sie sind untergewichtig und weisen neben einer generalisierten<br />
Lympha<strong>de</strong>nitis auch eine ausgeprägte Hepatosplenomegalie („Trommelbauch“) auf.<br />
Die Haut kann bei <strong>de</strong>r Geburt durch Blässe (Anämie) und Schlaffheit greisenhaft<br />
wirken, aber auch sämtliche Variationen <strong>de</strong>r Sekundärsyphili<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Erwachsenenalters<br />
mit Schleimhautbeteiligung (Plaques muqueuses) sind möglich (s.o.).<br />
Durch subepi<strong>de</strong>rmale Spaltbildungen kann es zu großblasigen Ablösungen <strong>de</strong>r Haut<br />
vor allem an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n und Füßen kommen (Abb. 13). Diese beson<strong>de</strong>re Variante<br />
<strong>de</strong>r Syphili<strong>de</strong> tritt ausschließlich im Säuglingsalter auf. Unabhängig davon kann mit<br />
<strong>de</strong>r Geburt o<strong>de</strong>r auch Tage später ein nahezu pathognomonischer blutiger Schnupfen<br />
auftreten (Rhinitis o<strong>de</strong>r Coryza syphilitica, Abb. 14). Diagnostisch be<strong>de</strong>utsam ist<br />
auch eine, durch eine syphilitische Osteochondritis ausgelöste Epiphysenlösung an<br />
<strong>de</strong>r Ulna: Der Unterarm hängt schlaff nach innen torquiert herunter und kann nicht<br />
aktiv bewegt wer<strong>de</strong>n (Parrot’sche Pseudoparalyse). Im weiteren Verlauf entstehen<br />
bei vorgeschädigter Haut <strong>de</strong>r Mundumgebung durch das regelmäßige Saugen entzündliche<br />
Infiltrate (Hochsinger’sche Infiltrate), die später unter Hinterlassung radiärer<br />
Furchen abheilen (Parrot’sche Furchen).<br />
Archivbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Uni-Hautklinik Frankfurt/M<br />
Abb.13: <strong>Syphilis</strong> connata Abb. 14: Syphils connata praecox: Coryza<br />
syphilitica<br />
<strong>Syphilis</strong> connata tarda<br />
Bei mitigiert verlaufen<strong>de</strong>r, unbehan<strong>de</strong>lter <strong>Syphilis</strong> connata entstehen im späteren<br />
Kin<strong>de</strong>salter die klinischen Zeichen <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> connata tarda. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich<br />
um:
16 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
� Parrot’sche Furchen (s.o.).<br />
� Hutchinson-Trias (Keratitis parenchymatosa, Innenohrschwerhörigkeit<br />
und Zahnanomalie (Tonnenzähne, Hutchinson-Zähne).<br />
� Sattelnase im Erwachsenenalter (<strong>de</strong>r blutige syphilitische Schnupfen<br />
<strong>de</strong>s Säuglingsalters führt zu einer ulzerieren<strong>de</strong>n Destruktion <strong>de</strong>r Nasenschei<strong>de</strong>wand<br />
und <strong>de</strong>s Nasenknorpels). (Abb. 15).<br />
� Weitere, weniger „beweiskräftige“ Stigmata: Olympierstirn, Caput<br />
natiforme, Säbelschei<strong>de</strong>ntibia, Higoumenakis-Klavikula-Zeichen, hoher,<br />
enger „gotischer“ Gaumen.<br />
Alle diese klinischen Stigmata sind Residuen <strong>de</strong>r syphilitischen Osteochondritis. Als<br />
Einzelmerkmale sind sie wenig hilfreich, in ihrer klinischen Gesamtschau jedoch<br />
beweisend für eine <strong>Syphilis</strong> connata tarda. Eine weiterführen<strong>de</strong> aktuelle Übersicht<br />
zur <strong>Syphilis</strong> connata fin<strong>de</strong>t sich bei Walker&Walker 2002.<br />
Zur Prophylaxe <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> connata ist die Durchführung eines <strong>Syphilis</strong>-Suchtests<br />
obligater Bestandteil <strong>de</strong>r Schwangerschaftsvorsorge im ersten Trimenon.<br />
Abb. 15: <strong>Syphilis</strong> connata tarda (Sattelnase)<br />
Latente <strong>Syphilis</strong><br />
Im Verlauf <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> gibt es mehrere Phasen einer latenten („verborgenen“) Infektion:<br />
Erhöhte spezifische IgG-Antikörper und Aktivitätsparameter wie hohe Cardiolipinantikörper-Titer<br />
sowie ein positiver IgM-Titer weisen trotz komplett fehlen<strong>de</strong>r<br />
klinischer Symptome auf eine behandlungsbedürftige Infektion hin. Bei unbehan<strong>de</strong>lter<br />
<strong>Syphilis</strong> wer<strong>de</strong>n die Inkubationsphase und zwei Latenzphasen unterschie<strong>de</strong>n:
2. Infektionen 17<br />
Inkubationsphase: Vom Tag <strong>de</strong>r Ansteckung bis zum Auftreten <strong>de</strong>s Primäraffektes.<br />
Dauer im Mittel 3 Wochen (9-90 Tage), beschleunigter Verlauf bei Immun<strong>de</strong>fizienz<br />
möglich. In <strong>de</strong>r Zeit vor <strong>de</strong>r Serokoversion sind alle serologischen Tests noch negativ.<br />
Erste Latzenzphase: Nach <strong>de</strong>r Abheilung <strong>de</strong>s Primärkomplexes bis zum Auftreten<br />
<strong>de</strong>r Sekundärsyphilis. Dauer im Mittel 3-8 Wochen, beschleunigter Verlauf (Auftreten<br />
<strong>de</strong>r Symptome <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis bei noch bestehen<strong>de</strong>m Primärkomplex) bei<br />
Immun<strong>de</strong>fizienz möglich. Diagnose nur serologisch möglich.<br />
Zweite Latenzphase: Vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis bis zum Auftreten <strong>de</strong>r tertiären/und<br />
o<strong>de</strong>r quartären <strong>Syphilis</strong>. Diagnose nur serologisch möglich. Dauer 3-5 (10)<br />
Jahre für die Tertiärsyphilis (Verkürzung auf wenige Monate bei Immun<strong>de</strong>fizienz<br />
möglich), bis zu 30 Jahre für die Quartärsyphilis. Die zweite Latenzphase kann lebenslang<br />
bestehen o<strong>de</strong>r zu einer Spontanheilung <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> führen (ca. 3/4 aller<br />
Patienten).<br />
Tabelle 2: Klinische Differenzialdiagnose <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong><br />
Primäraffekt (Ulcus durum)<br />
Sekundäre <strong>Syphilis</strong><br />
Tertiäre <strong>Syphilis</strong><br />
Genitoanal:<br />
Herpes simplex genitalis, traumatische Wun<strong>de</strong>n, Ulcus<br />
molle (Chancroid), Lymphogranuloma venereum, Ulzera bei<br />
sekundärer und tertiärer <strong>Syphilis</strong>, erosive Balanitis, Tuberculosis<br />
cutis, maligne Tumoren (Plattenepithelkarzinome<br />
etc.)<br />
Oral/perioral:<br />
Lippenfurunkel, Lippenkarzinom, Riesenaphthe, Herpes<br />
exulcerans, CMV-Ulkus, Vegetieren<strong>de</strong> Pyo<strong>de</strong>rmie<br />
Exantheme:<br />
Arzneimittelexantheme, Virusexantheme (Masern), disseminierte<br />
Lymphome, Kaposi-Sarkome, Vaskuliti<strong>de</strong>n, Pityriasis<br />
lichenoi<strong>de</strong>s chronica, Lichen ruber generalisatus<br />
Genitoanal/intertriginös (Condylomata lata):<br />
Condylomata acuminata, Morbus Bowen, Bowenoi<strong>de</strong> Papulose,<br />
Plattenepithelkarzinome<br />
Mundschleimhaut:<br />
Angina tonsillaris, Diphtherie, Aphthen,<br />
Angina Plaut-Vincenti, Perleche<br />
Kapillitium:<br />
Alopecia areata/diffusa, Impetigo contagiosa<br />
Tuberoserpiginöse Syphili<strong>de</strong>:<br />
Lupus vulgaris, kutane Sarkoidose, Tinea corporis, Erythema<br />
necrolyticum migrans, kutane Histoplasmose, Mycosis<br />
fungoi<strong>de</strong>s<br />
Gummen:<br />
Furunkel/Karbunkel, Abszesse, septische Metastasen, Pannikuliti<strong>de</strong>n,<br />
Aktinomykose, Erythema induratum Bazin, Tuberculosis<br />
cutis colliquativa, Lupus erythemato<strong>de</strong>s profundus
18 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Diagnostik<br />
Zum Nachweis <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> wer<strong>de</strong>n abhängig vom klinischen Befund und Stadium<br />
<strong>de</strong>r Erkrankung direkte Erregernachweise und/o<strong>de</strong>r serologische Tests eingesetzt.<br />
Direkte Erregernachweise<br />
Der <strong>Syphilis</strong>erreger (T. pallidum) ist ein 0,2µm dickes und 5-15µm großes, spiralig<br />
aufgebautes gramnegatives Bakterium (Spirochaete), das sich mittels gängiger Färbemetho<strong>de</strong>n<br />
nicht anfärben lässt (pallidus = blass). Es bedarf daher einer speziellen<br />
Mikroskopiertechnik (Dunkelfeldmikroskopie) o<strong>de</strong>r Spezialfärbungen, um die Erreger<br />
sichtbar zu machen. Da hierfür eine spezielle Ausrüstung (Dunkelfeldkon<strong>de</strong>nsor<br />
am Mikroskop) und Erfahrung notwendig sind, gibt es heute nur noch wenige Spezialisten,<br />
die die Dunkelfeldmikroskopie beherrschen.<br />
Technik <strong>de</strong>r Dunkelfeldmikroskopie<br />
Zum Nachweis <strong>de</strong>r Treponemen sind die erregerreichen Rän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Primäraffekte<br />
und die nässen<strong>de</strong>n Papeln (Condylomata lata) <strong>de</strong>r Sekundärsyphilis am besten geeignet.<br />
In Mundhöhle und Analkanal fin<strong>de</strong>n sich an<strong>de</strong>re, leicht verwechselbare saprophytäre<br />
Spirochätenarten, Material hieraus ist für die Dunkelfeldiagnostik nicht<br />
verwertbar. Auch das erregerarme Gewebe <strong>de</strong>r Spätsyphilis ist nicht geeignet. Die<br />
Punktion von Lymphknoten (z.B. nach Abheilen <strong>de</strong>s Primäraffektes) zur Dunkelfeldmikroskopie<br />
wird heute nicht mehr durchgeführt.<br />
Um Blut-, Bakterien- o<strong>de</strong>r Eiterbeimengungen zu vermei<strong>de</strong>n, wird zunächst die<br />
Oberfläche <strong>de</strong>r Läsion mit einer in physiologischer Kochsalzlösung getränkten<br />
Kompresse gesäubert. Da die Spirochäten im Gewebe sitzen, wird anschließend<br />
durch manuelles Ausquetschen <strong>de</strong>s Gewebes o<strong>de</strong>r durch Auflage einer ätherhaltigen<br />
(schmerzhaft!) Kompresse ein Reizsekret aus <strong>de</strong>n genannten Läsionen gewonnen,<br />
durch Kontakt mit einem Objektträger aufgenommen und möglichst direkt („patientenwarm“)<br />
mikroskopiert. Das Reizsekret muss klar sein und in dünner Schicht zwischen<br />
Objektträger und Deckgläschen verteilt sein. Je ein Tropfen Immersionsöl<br />
wird auf <strong>de</strong>n Kon<strong>de</strong>nsor sowie auf die Unterseite <strong>de</strong>s Objektträgers und auf das<br />
Deckgläschen aufgebracht. Schließlich wird das Ölimmersionsobjektiv vorsichtig in<br />
<strong>de</strong>n Öltropfen auf <strong>de</strong>m Deckgläschen eingetaucht und <strong>de</strong>r Lichtstrahl aus <strong>de</strong>m Dunkelfeldkon<strong>de</strong>nsor<br />
auf das Objekt konzentriert. Im typischen Fall lassen sich nun vor<br />
<strong>de</strong>m schwarzen Hintergrund <strong>de</strong>s Dunkelfeldmikroskops sich drehen<strong>de</strong> und an <strong>de</strong>n<br />
1/3 Stellen abknicken<strong>de</strong> leben<strong>de</strong> Spirochaeten darstellen, die sich v.a. durch die Regelmäßigkeit<br />
ihrer Spiralform und das Bewegungsmuster (Dreh- und Abknickbewegung<br />
nur auf <strong>de</strong>r Stelle) von an<strong>de</strong>ren, apathogenen Spirochaeten unterschei<strong>de</strong>n lassen.<br />
Zur Technik <strong>de</strong>r Dunkelfeldmikroskopie s.a. http://www.mikroskopie.<strong>de</strong>/kurse/<br />
dunkelfeld/ dfkimmers.htm<br />
Weitere Techniken zum direkten Erregernachweis sind <strong>de</strong>r direkte Immunfluoreszenztest<br />
auf T. pallidum (Cummings 1995) und Nukleinsäureamplikationsverfahren<br />
(Buffet 2007, Kouznetsov 2005).<br />
Serologische Erregernachweise<br />
Etwa 3 Wochen nach <strong>de</strong>r Infektion setzt mit <strong>de</strong>m Auftreten von ersten treponemenspezifischen<br />
IgM-Antikörpern die Serokonversion ein. Wenige Tage später wer<strong>de</strong>n<br />
auch die IgG Antikörper und schließlich die unspezifischen Cardiolipinantikörper<br />
reaktiv (s. Abb. 1).
2. Infektionen 19<br />
Für <strong>de</strong>n klinischen Alltag unterschei<strong>de</strong>t man 3 verschie<strong>de</strong>ne Arten von serologischen<br />
<strong>Syphilis</strong>tests:<br />
1. Suchtests<br />
2. Bestätigungstests<br />
3. Tests zur Überprüfung <strong>de</strong>r Behandlungsbedürftigkeit<br />
1. Suchtests: Hochspezifische und hochsensible treponemale Tests (Häufig in<br />
Kombination mit einem nichttreponemalen Test). Einsatz bei klinischem Verdacht<br />
auf eine <strong>Syphilis</strong> und in <strong>de</strong>r Schwangerschaftsvorsorge. Zeigen aktuelle o<strong>de</strong>r frühere<br />
Infektion mit Treponemen an, geben keine Auskunft über Behandlungsbedürftigkeit,<br />
bleiben auch nach Therapie meist lebenslang reaktiv.<br />
� TPPA: Treponema Pallidum Particle Agglutination Test<br />
(früher: TPHA, Haemagglutinationstest)<br />
� FTA-ABS: Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest<br />
� MHA-TP: Mikrohämagglutinations-Assay Treponema pallidum<br />
� Polyvalenter <strong>Syphilis</strong>-ELISA (IgG- und IgM-Nachweis)<br />
Nichttreponemale Tests (Nachweis von unspezifischen Cardiolipin-Antikörpern,<br />
sind als alleinige Suchtests nicht geeignet, da sie bei verschie<strong>de</strong>nen<br />
Autoimmunerkrankungen, z.B. Lupus erythemato<strong>de</strong>s und in <strong>de</strong>r Schwangerschaft<br />
falsch positiv sein können):<br />
� VDRL: Venereal Disease Research Laboratory Test<br />
� RPR: Rapi<strong>de</strong> Plasma Reagin Test<br />
2. Bestätigungstests: Bestätigung eines positiven Suchtests durch eine zweite spezifische<br />
Testmetho<strong>de</strong> (im Prinzip ist je<strong>de</strong>r nicht eingesetzte Suchtest geeignet):<br />
� IgG-FTA-ABS-Test<br />
� IgM-Nachweise<br />
3. Tests zur Überprüfung <strong>de</strong>r Behandlungsbedürftigkeit: Eine <strong>de</strong>r häufigen Fragen<br />
beim serologischen Nachweis einer <strong>Syphilis</strong> ist die nach <strong>de</strong>r Behandlungsbedürfigkeit.<br />
Eine unbehan<strong>de</strong>lte <strong>Syphilis</strong> kann zu weiteren Übertragungen <strong>de</strong>s Erregers<br />
und zu gefährlichen Komplikationen führen. Eine überflüssige Behandlung (z.B. bei<br />
einer Seronarbe) kann an<strong>de</strong>rerseits von schweren Unverträglichkeiten o<strong>de</strong>r Allergien<br />
auf die verwen<strong>de</strong>ten Antibiotika begleitet sein, erhebliche soziale Folgen haben<br />
(Hospitalisierung bei iv-Therapie, Verlust <strong>de</strong>s Arbeitsplatzes, Beeinträchtigung <strong>de</strong>r<br />
Partnerbeziehung etc.) und sich ökonomisch auswirken (Behandlungskosten, Verdienstausfall<br />
etc.). Bei leerer Anamnese bezüglich einer früheren o<strong>de</strong>r kürzlich behan<strong>de</strong>lten<br />
<strong>Syphilis</strong> sind v.a. <strong>de</strong>r Nachweis spezifischer IgM-AK und die Höhe <strong>de</strong>r<br />
Cardiolipin-AK von Relevanz:<br />
� 19s-IgM-FTA-ABS-Test, IgM-Westernblot, IgM-ELISA: Reaktiv?<br />
� VDRL-Titer: Reaktiv? (Bei bekannter Vorerkrankung ≥1:4?)<br />
Überprüfung <strong>de</strong>s Therapieerfolges: Vielfach bestehen bei <strong>de</strong>r Therapie einer <strong>Syphilis</strong><br />
keine klinischen Symptome (<strong>Syphilis</strong> latens seropositiva non satis curata),<br />
o<strong>de</strong>r diese befin<strong>de</strong>n sich bei <strong>de</strong>r primären o<strong>de</strong>r sekundären <strong>Syphilis</strong> in spontaner<br />
Rückbildung. Daher sind serologische Kontrollen zur Überprüfung <strong>de</strong>s Therapieerfolges<br />
unerläßlich. Vor allem die unspezifischen Cardiolipin-AK korrelieren mit <strong>de</strong>r
20 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Krankheitsaktivität. Sie reagieren rasch auf eine erfolgreiche Behandlung: � Rückgang<br />
<strong>de</strong>r Titer/Seronegativität. Da die Cardiolipin-AK gegenüber <strong>de</strong>m Ausgangsbefund<br />
vor <strong>de</strong>r Therapie unter <strong>de</strong>r Behandlung zunächst noch weiter ansteigen können,<br />
empfiehlt sich eine Kontrolle <strong>de</strong>s VDRL-Titers am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Behandlung und Verwendung<br />
dieses Wertes als Ausgangswert für die Therapiekontrolle. Da die spezifischen<br />
IgG-AK-Titer (z.B. im quantitativen TPPA-Test) nicht mit <strong>de</strong>r Krankheitsaktivität<br />
korrelieren, sind sie zur Beurteilung eines Therapieerfolges nicht verwendbar.<br />
Die spezifischen IgM-AK zeigen einen Therapieerfolg erst sehr spät (nach 6-12<br />
Monaten, bei Immun<strong>de</strong>fizienz evtl.erst nach 2 Jahren) an. Serologisch wird eine<br />
<strong>Syphilis</strong>therapie als erfolgreich eingestuft, wenn folgen<strong>de</strong> Titerverän<strong>de</strong>rungen eingetreten<br />
sind:<br />
� VDRL-Test: Titerabfall um ≥2 Verdünnungsstufen<br />
� RPR-Test: Titerabfall um ≥2 Verdünnungsstufen<br />
� IgM-Tests: Seronegativität nach 6-12 (24) Monaten<br />
Nachsorge: Es wird empfohlen, die titrierbaren Cardiolipin-AK-Titer in ¼ jährlichen<br />
Abstän<strong>de</strong>n bis 1 Jahr nach Therapieen<strong>de</strong> zu kontrollieren, bei immun<strong>de</strong>fizienten<br />
(HIV-) Patienten wegen verzögerter Antikörper-Rückbildung über 2 Jahre. Die<br />
Kontrolle <strong>de</strong>r jeweils gleichen Parameter im gleichen Labor erhöht die Beurteilbarkeit<br />
<strong>de</strong>r Testergebnisse. Beson<strong>de</strong>rs bei früher Therapie <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> können 15-25%<br />
<strong>de</strong>r Patienten nach 2-3 Jahren komplett seronegativ wer<strong>de</strong>n (Romanowski 1991).<br />
An<strong>de</strong>rerseits wird in Einzelfällen ein Persistieren von Cardiolipin-Ak auf niedrigem<br />
Niveau (z.B. VDRL 1:2) über mehrere Jahre beobachtet. Wichtig ist in solchen Fällen,<br />
dass es nicht zu einem weiteren Ansteigen dieser Werte kommt (� Rezidiv?<br />
Neuinfektion?).<br />
Rezidivdiagnostik: Die <strong>Syphilis</strong> hinterlässt keine Immunität! Bei Therapieversagen<br />
o<strong>de</strong>r erneuter Infektion (lassen sich serologisch nicht unterschei<strong>de</strong>n) wer<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong><br />
serologische Verän<strong>de</strong>rungen auffällig:<br />
� IgM-Tests: Nach Therapie verschwun<strong>de</strong>ne IgM-AK treten wie<strong>de</strong>r auf<br />
� VDRL-Test: Rascher Anstieg <strong>de</strong>s Titers um ≥2 Verdünnungsstufen<br />
Untersuchung auf Neurosyphilis<br />
Hinweis auf das Vorliegen einer Neurosyphilis kann neben klinischen Symptomen<br />
<strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>ranstieg serologischer Aktivitätsparameter nach vorübergehen<strong>de</strong>m (therapiebedingtem)<br />
Abfall sein (z.B. VDRL-Titeranstieg um ≥2 Verdünnungsstufen,<br />
Wie<strong>de</strong>rauftreten von IgM-Ak). Zum sicheren Ausschluss bzw. zur Bestätigung <strong>de</strong>r<br />
Diagnose ist eine Liquordiagnostik unumgänglich. Dabei wer<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>n Leitlinien<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Gesellschaft für Neurologie folgen<strong>de</strong> Liquorparameter untersucht:<br />
Zellzahl, Gesamtprotein, Laktat, <strong>Syphilis</strong>-Liquorserologie. Von beson<strong>de</strong>rer<br />
Be<strong>de</strong>utung ist <strong>de</strong>r Vergleich <strong>de</strong>r synchronen Liquor-/Serumkonzentrationen von<br />
Albumin und treponemenspezifischen IgG-, IgA- und IgM-Werten, aus <strong>de</strong>nen ein<br />
Antikörperin<strong>de</strong>x für Treponemenantikörper errechnet wird (z. B. ITpA-In<strong>de</strong>x nach<br />
Müller und Prange).<br />
Die Überprüfung <strong>de</strong>r Behandlungsbedürftigkeit im Liquor (Aktivität <strong>de</strong>r Erkrankung)<br />
basiert auf <strong>de</strong>m Nachweis von:<br />
� Treponemenspezifischem IgM im Serum (ohne Therapie einer <strong>Syphilis</strong><br />
in <strong>de</strong>n letzten 12 Monaten).<br />
� Mononukleärer Pleozytose im Liquor.
2. Infektionen 21<br />
� Hohen Antikörpertitern in Serum und Liquor (z. B. Liquor-VDRL reaktiv).<br />
� Klinisch: Progredienz neurosyphilistypischer Symptome wie kognitiver<br />
Defizite, lanzinieren<strong>de</strong>r Schmerzen, Hinterstrangataxie.<br />
<strong>Syphilis</strong>serologie bei Immun<strong>de</strong>fizienz/HIV-Infektion<br />
Die Mehrzahl aller HIV-Infizierten mit <strong>Syphilis</strong> zeigt krankheitstypische serologische<br />
Befun<strong>de</strong> und die zu erwarten<strong>de</strong>n Titerverläufe in <strong>de</strong>r Verlaufskontrolle nach<br />
Therapie. In Einzelfällen kommt es jedoch zu atypischen Serologiebefun<strong>de</strong>n (Schöfer<br />
1996, Rolfs 1996, Manavi 2007). Unter an<strong>de</strong>rem wur<strong>de</strong>n beschrieben:<br />
� Atypisch hohe o<strong>de</strong>r niedrige Antikörpertiter (in Korrelation zu Klinik<br />
<strong>de</strong>r Erkrankung).<br />
� Starke Schwankungen <strong>de</strong>r Titerhöhe im Krankheitsverlauf.<br />
� Komplett fehlen<strong>de</strong> Antikörperbildung bei <strong>de</strong>utlichen klinischen Symptomen<br />
(z.B. Primäraffekt mit positivem Erregernachweis).<br />
� Verzögertes Ansprechen <strong>de</strong>r serologischen Parameter auf die Therapie:<br />
Verzögerter Abfall <strong>de</strong>r VDRL-Titer (Manavi 2007, Rolfs 1996, Schöfer<br />
1996), Persistenz <strong>de</strong>s spezifischen IgM über 12 Monate hinaus.<br />
Besteht eine <strong>de</strong>utliche Diskrepanz zwischen <strong>de</strong>m klinischen Befund und <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />
serologischer Untersuchungen, sollte möglichst mittels direktem Erregernachweis<br />
(Dunkelfeld, direkte Immunfluoreszenz, PCR) eine Klärung herbeigeführt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Histologie<br />
Nur selten wird bei syphilistypischen Haut und Schleimhautbefun<strong>de</strong>n eine histopathologische<br />
Untersuchung durchgeführt, da sich diese Verdachtsdiagnose sehr<br />
schnell durch die Serologie klären läßt.<br />
Viel häufiger ist es so, dass ein unklarer Hautbefund zur weiteren Klärung biopsiert<br />
wird und histopathologische Auffälligkeiten (v.a. Plasmazellen!) auf die Differenzialdiagnose<br />
einer <strong>Syphilis</strong> hinweisen.<br />
Wird kein immunhistochemischer o<strong>de</strong>r PCR-Nachweis <strong>de</strong>r Treponemen im Gewebe<br />
angeschlossen, sind die histopathologischen Verän<strong>de</strong>rungen in allen Stadien <strong>de</strong>r<br />
Erkrankung unspezifisch (Details s.o unter Klinik <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> in <strong>de</strong>n einzelnen<br />
Krankheitsstadien).<br />
Therapie<br />
Penicillin ist seit <strong>de</strong>r Einführung in die <strong>Syphilis</strong>therapie im Jahre 1943 noch immer<br />
das Mittel <strong>de</strong>r Wahl zur Behandlung in allen Stadien <strong>de</strong>r Erkrankung. Eine Resistenzentwicklung<br />
wur<strong>de</strong> bis heute nicht beobachtet. Da sich T. pallidum nur sehr langsam<br />
teilt (ca. alle 30-33 Stun<strong>de</strong>n) müssen treponemizi<strong>de</strong> Konzentrationen im Serum<br />
über eine ausreichend lange Zeit (rechnerisch min<strong>de</strong>stens 7 Tage, Idsoe 1972) aufrechterhalten<br />
wer<strong>de</strong>n. Aus Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n empfehlen alle Leitlinien <strong>de</strong>utlich<br />
längere Behandlungszeiten (�10 Tage, meist 14 Tage). Dabei wird zwischen <strong>de</strong>r<br />
Frühsyphilis (alle klinischen Formen bis 1 Jahr post infectionem) und <strong>de</strong>r Spätsyphilis<br />
(alle klinischen Formen nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 1 Jahres post infectionem und alle<br />
Fälle unbekannter Erkrankungsdauer) unterschie<strong>de</strong>n. Da es in Tierversuchen Hin-
22 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
weise auf eine verlängerte Teilungszeit <strong>de</strong>r Treponemen in <strong>de</strong>r Spätsyphilis gab,<br />
wur<strong>de</strong>n die Behandlungsempfehlungen für die Spätsyphilis auf 21 (28) Tage verlängert.<br />
Dabei ist allerdings ungeklärt, ob diese Ergebnisse aus Tierversuchen auch auf<br />
<strong>de</strong>n Menschen zutreffen. Die grundlegen<strong>de</strong>n Untersuchungen zur Teilungszeit <strong>de</strong>r<br />
Treponemen stammen aus <strong>de</strong>m Jahre 1949 (Cumberland) und wur<strong>de</strong>n seither nicht<br />
überprüft. Nach <strong>de</strong>n Kriterien <strong>de</strong>r WHO (Eagle 1950) sind Penicillin-Serumspiegel<br />
>0,018µg/ml (0,03 IE/ml) sicher treponemizid. Ob dieser Grenzwert auch für <strong>de</strong>n<br />
Liquor cerebrospinalis gilt, ist bisher nicht gesichert. Ebensowenig ist klar, ob die<br />
infrage kommen<strong>de</strong>n Antibiotika die Blut-Hirn- Schranke in ausreichen<strong>de</strong>r Konzentration<br />
passieren können. Aus diesen Grün<strong>de</strong>n wird die Neurosyphilis sicherheitshalber<br />
<strong>de</strong>utlich höher dosiert und länger behan<strong>de</strong>lt. Wegen <strong>de</strong>r guten Liquorgängigkeit<br />
sind Benzylpenicillin Natrium- und Kaliumsalze (Penicillin G) zu bevorzugen. Läßt<br />
sich ein klinischer o<strong>de</strong>r serologischer Verdacht auf eine Neurosyphilis nicht ausschließen<br />
(zum Beispiel durch Verweigerung einer Liquorpunktion), so ist nach <strong>de</strong>m<br />
Therapieschema für die Neurosyphilis zu behan<strong>de</strong>ln.<br />
Da orale Penicilline nur zu etwa 30% resorbiert wer<strong>de</strong>n und bei vielen Patienten<br />
eine regelmäßige Einnahme nicht gewährleistet ist, gilt bei <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> generell eine<br />
Empfehlung zur parenteralen Applikation.<br />
Bei <strong>de</strong>r transplazentaren Infektion von Feten muss das Therapeutikum die Plazenta-<br />
Schranke in effektiver Konzentration überwin<strong>de</strong>n können. Diaplazentar erreichen<br />
nur etwa 25% <strong>de</strong>r mütterlichen Serumkonzentrationen <strong>de</strong>n Feten. Makroli<strong>de</strong> sind zur<br />
Behandlung in <strong>de</strong>r Schwangerschaft nicht geeignet, Tetrazykline kontraindiziert.<br />
Die HIV-Infektion mit erworbener zellulärer Immun<strong>de</strong>fizienz hat einen Einfluss auf<br />
Klinik und Therapierbarkeit <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong>. Über die therapeutischen Konsequenzen<br />
besteht mangels ausreichen<strong>de</strong>r klinischer Studien noch kein allgemeiner Konsens.<br />
Wichtig ist jedoch die Feststellung, dass es auf alle <strong>Syphilis</strong>therapeutika (auch bei<br />
immunkompetenten Patienten!) immer wie<strong>de</strong>r Einzelfälle von Therapieversagen<br />
gibt. Bei HIV-Infektion scheint es beson<strong>de</strong>rs häufig zum Versagen einer Benzathin-<br />
Benzylpenicillintherapie mit daraus resultieren<strong>de</strong>r Neurosyphilis und an<strong>de</strong>ren Komplikationen<br />
zu kommen (Walter 2007). Regelmäßige serologische Kontrollen <strong>de</strong>s<br />
Therapieerfolges sind daher unumgänglich.<br />
Die Therapieempfehlungen für die verschie<strong>de</strong>nen Stadien und klinischen Formen<br />
<strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> sind in Tabelle 3a, b, c zusammengefasst (s.a. DSTDG-Leitlinie).
Tabelle 3a: Therapie <strong>de</strong>r Frühsyphilis<br />
Klinik (Stadium) Antibiotikum Dosierung<br />
Primäre <strong>Syphilis</strong><br />
Sekundäre <strong>Syphilis</strong><br />
Latente <strong>Syphilis</strong> :<br />
Inkubation, I.+ frühe<br />
II. Latenzphase<br />
(s. Abb. 1)<br />
* = Off label use<br />
1. Benzathin – Benzylpenicillin<br />
(Pendysin®,Tardocillin®)<br />
2. Bei Penicillinallergie:<br />
2a. Doxycyclin<br />
2b. Erythromycin<br />
3. Alternativen:<br />
3a: Ceftriaxon<br />
3b: Tetrazykline<br />
3c: Azithromycin*<br />
2,4 Mio. I.E. i.m. gluteal<br />
li/re je 1,2<br />
Mio.I.E.<br />
2x 100mg/Tag p.o.<br />
4x 0,5g/Tag p.o.<br />
2g/Tag i.v., Kurzinfusion<br />
30min. o<strong>de</strong>r<br />
1g/Tag i.m.<br />
4x500mg/Tag p.o.<br />
1x8 Kps. à 250mg=<br />
2g p.o.<br />
Wie Primärsyphilis<br />
(wenn HIV- Infektion und Neurosyphilis ausgeschlossen)<br />
Wie Primärsyphilis<br />
Tabelle 3b: Therapie <strong>de</strong>r Spät- und Neurosyphilis<br />
Klinik (Stadium) Antibiotikum Dosierung<br />
Tertiäre <strong>Syphilis</strong><br />
Latente <strong>Syphilis</strong>:<br />
Unbekannte Dauer<br />
o<strong>de</strong>r späte II. Latenzphase<br />
Neurosyphilis<br />
(s.a. Leitlinie <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Gesellschaft<br />
für Neurologie)<br />
1. Benzathin – Benzylpenicillin<br />
(Pendysin®,Tardocillin®)<br />
2. Bei Penicillinallergie:<br />
2a. Doxycyclin<br />
2b. Erythromycin<br />
3. Alternativen<br />
3a Ceftriaxon<br />
Wie Spätsyphilis: s. u. Tertiär-<strong>Syphilis</strong><br />
(wenn Neurosyphilis ausgeschlossen)<br />
1a. Penicillin G, kristalloi<strong>de</strong><br />
Lösung<br />
1b. Ceftriaxon<br />
2. Bei Penicillinallergie:<br />
Ceftriaxon o<strong>de</strong>r Penicillin-<br />
Desensibilisierung (Chisholm<br />
1997)<br />
3. Wahl: Doxycyclin<br />
2,4 Mio. I.E. i.m. gluteal<br />
li/re je 1,2 Mio<br />
I.E.<br />
2x100mg/Tag p.o<br />
4x0,5g/Tag p.o<br />
2g/Tag i.v., Kurzinfusion<br />
30min o<strong>de</strong>r i.m.<br />
6x3-4 Mio IE/Tag i.v,<br />
o<strong>de</strong>r (gleichwertig)<br />
3x10 Mio IE/Tag i.v,<br />
o<strong>de</strong>r (gleichwertig)<br />
5x5 Mio IE/Tag i.v.<br />
2g/Tag i.v.<br />
(initial 4g)<br />
2x200mg/Tag<br />
2. Infektionen 23<br />
Therapiedauer<br />
Einmalig<br />
14 Tage<br />
14 Tage<br />
10 Tage<br />
14 Tage<br />
Einmalig<br />
Therapiedauer<br />
Tag 1, 8, 13<br />
28 Tage<br />
28 Tage<br />
14 Tage<br />
min<strong>de</strong>st.<br />
14 Tage<br />
14 Tage<br />
28 Tage
24 <strong>2.7.1</strong> <strong>Syphilis</strong><br />
Tabelle 3c: Therapie <strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong> in beson<strong>de</strong>ren Situationen<br />
Klinik (Stadium) Antibiotikum Dosierung<br />
<strong>Syphilis</strong> bei HIV-<br />
Infektion<br />
<strong>Syphilis</strong> in Schwangerschaft<br />
<strong>Syphilis</strong> connata Penicillin G<br />
1. Benzathin-Benzylpenicillin;Pendysin®,<br />
Tardocillin®<br />
Wenn Neurosyphilis nicht<br />
ausgeschlossen:<br />
Wie Neurosyphilis (s.d.)<br />
Stadiengerecht mit Penicillin<br />
1. Benzathin-Benzylpenicillin;<br />
Pendysin®, Tardocillin®<br />
2. Bei Penicillinallergie:<br />
Desensibilisierung<br />
3. Alternativen (nur in Ausnahmefällen):Erythromycin-Ethylsuccinat,E.-Stearat<br />
und E.-Glucoheptonat<br />
sowie Cephalosporine<br />
2,4 Mio. I.E. i.m. gluteal<br />
li/re je 1,2 Mio<br />
I.E.<br />
2,4 Mio. I.E. i.m. gluteal<br />
li/re je 1,2 Mio<br />
I.E.<br />
200.000-250.000 IE/kg<br />
i.v. Gesamttagesdosis!<br />
Neugeborene: 2ED<br />
Ab 2. Lebenswo.:3ED<br />
Ab 5. Lebenswo.:4ED<br />
Therapiedauer<br />
Tag 1, 8, 13<br />
Tag 1, 8, 13<br />
14 Tage<br />
(Bei HIV-<br />
Infektion<br />
evtl.länger)<br />
ED= Einzeldosen/Tag.<br />
Cave: Bei HIV-Infektion und Schwangerschaft: Beson<strong>de</strong>rs intensive Nachkontrollen<br />
<strong>de</strong>s Therapieerfolges wegen erhöhter Häufigkeit von Therapieversagen unbedingt<br />
erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Mel<strong>de</strong>pflicht und rechtliche Regelungen<br />
Die <strong>Syphilis</strong> gehört auch nach <strong>de</strong>m 2001 eingeführten Infektionsschutzgesetz (§ 7<br />
(3) IfSG). zu <strong>de</strong>n mel<strong>de</strong>pflichtigen Erkrankungen. Nicht behandlungsbedürftige o<strong>de</strong>r<br />
früher abgelaufene und ausgeheilte Infektionen („Seronarben“) fallen nicht unter die<br />
Mel<strong>de</strong>pflicht.Um die Anonymität <strong>de</strong>r Patienten zu wahren und Doppelmeldungen zu<br />
vermei<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> ein zweiteiliger Mel<strong>de</strong>bogen im Durchschreibeverfahren entwickelt.<br />
Die erste Hälfte <strong>de</strong>s Bogens wird vom Laborleiter mit Kenndaten <strong>de</strong>s Patienten,<br />
die keinen Rückschluss auf seine I<strong>de</strong>ntidät zulassen und <strong>de</strong>n Ergebnissen <strong>de</strong>r<br />
serologischen Tests ausgefüllt und direkt an das Robert-Koch-Institut in Berlin verschickt<br />
(Labormel<strong>de</strong>pflicht).<br />
Eine Durchschrift dieser Meldung geht mit <strong>de</strong>m Laborbefund an <strong>de</strong>n Arzt, <strong>de</strong>r die<br />
Untersuchung veranlasst hat. Dieser ergänzt <strong>de</strong>n Mel<strong>de</strong>bogen mit <strong>de</strong>mographischen<br />
und klinischen Daten <strong>de</strong>s Patienten sowie Angaben zum wahrscheinlichen Übertragungsweg<br />
und sen<strong>de</strong>t diesen ebenfalls direkt an das RKI. Bei<strong>de</strong> Blätter <strong>de</strong>s Bogens<br />
wer<strong>de</strong>n dort über eine gemeinsame Kenn-Nummer zusammengeführt.<br />
Die noch im Gesetz zur Bekämpfung <strong>de</strong>r Geschlechtskrankheiten (gültig bis En<strong>de</strong><br />
2000) enthaltenen Regelungen zur namentlichen Meldung und Vorführung <strong>de</strong>s Patienten<br />
bei verweigerter bzw. nicht erfolgter Behandlung sowie die Zwangsbehandlung<br />
wur<strong>de</strong>n nicht in das Infektionsschutzgesetz übernommen. Auch gibt es keine
2. Infektionen 25<br />
gesetzliche Grundlage zum sogenannten Partnertracing, d.h. keine gesetztliche Verpflichtung,<br />
<strong>de</strong>n/die Namen <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Sexualpartner bekannt zu geben. Erfolgt<br />
jedoch eine wissentliche Infektion eines Sexualpartners, besteht im Erkrankungsfall<br />
<strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r Körperverletzung. Um weitere Infektionsketten zu vermei<strong>de</strong>n<br />
(je<strong>de</strong>r <strong>Syphilis</strong>patient hat in seinem Umfeld min<strong>de</strong>stens einen weiteren <strong>Syphilis</strong>patienten:<br />
die Ansteckungsquelle!) ist eine möglichst umfassen<strong>de</strong> Partnererfassung und<br />
Untersuchung ärztlicherseits unbedingt erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Bei Patienten mit einer primären <strong>Syphilis</strong> sind möglichst alle Sexualpartner <strong>de</strong>r letzten<br />
90 Tage vor Krankheitsbeginn, bei einer sekundären <strong>Syphilis</strong> alle Sexualpartner<br />
<strong>de</strong>r letzten zwei Jahre klinisch und serologisch auf das Vorliegen einer <strong>Syphilis</strong> zu<br />
untersuchen. Bei Verdacht auf noch sehr frische Infektionen sind neben <strong>de</strong>r Standardsuchtests<br />
unbedingt auch IgM-Nachweise anzufor<strong>de</strong>rn. Bei negativen Tests,<br />
sollten nach 6 Wochen und 3 Monaten serologische Kontrollen durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Risiko die <strong>Syphilis</strong> von unbehan<strong>de</strong>lten Sexualpartnern erworben zu haben,<br />
liegt nach ungeschützten sexuellen Kontakten zwischen 40 und 60%.<br />
<strong>2.7.1</strong>.6 Literaturverzeichnis<br />
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BZgA: Infobroschüre <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale für Gesundheitliche Aufklärung für Jugendliche und<br />
Erwachsene (pdf-Datei): …ist da was?<br />
STI-Übersicht: siehe DNO-Kapitel 2.7<br />
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