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Haftung nach § 71 AO bei Steuerhinterziehung oder Teilnahme

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<strong>Haftung</strong> <strong>nach</strong> <strong>§</strong> <strong>71</strong> <strong>AO</strong> <strong>bei</strong> <strong>Steuerhinterziehung</strong> <strong>oder</strong> <strong>Teilnahme</strong><br />

Ein Steuerpflichtiger kann auch dann <strong>nach</strong> <strong>§</strong> <strong>71</strong> <strong>AO</strong> in <strong>Haftung</strong> genommen werden, wenn nicht feststeht,<br />

ob er Mittäter <strong>oder</strong> nur Teilnehmer (Gehilfe) einer <strong>Steuerhinterziehung</strong> durch einen Dritten ist.<br />

FG Münster, Urt. v. 24.11.2010 – 8 K 4132/07<br />

<strong>AO</strong> <strong>§</strong> <strong>71</strong>, <strong>§</strong> 370 Abs. 1 Nr. 1<br />

Der Kläger (K) hatte mit dem Finanzbeamten M im Jahr 2001 vereinbart, neben dem in einem Grundstückskaufvertrag<br />

über vier Wohnungen notariell beurkundeten Kaufpreis zusätzlich 35.000 DM zu zahlen. Sowohl M als<br />

auch der Makler H machten dem K deutlich, dass das Zustandekommen des Kaufvertrags von der „Schwarzzahlung“<br />

abhängig sei. K zahlte 35.000 DM in bar an H, der hiervon <strong>nach</strong> Abzug von 5.000 DM Provision 30.000 DM<br />

an M in bar zahlte. Dem K war bewusst, dass M diesen Betrag nicht versteuern wollte, was auch tatsächlich nicht<br />

geschah. M zahlte die im Anschluss an eine Außenprüfung für 2001 festgesetzte ESt, KiSt und SolZ und die gem.<br />

<strong>§</strong> 233a <strong>AO</strong> festgesetzten Zinsen nicht. Nach ergebnislosem Insolvenzverfahren über das Vermögen des M nahm<br />

das FA den K wegen der o.g. Steuern und Zinsen gem. <strong>§</strong> <strong>71</strong> <strong>AO</strong> in <strong>Haftung</strong>, da K Beihilfe zur <strong>Steuerhinterziehung</strong><br />

des M geleistet habe und die Inhaftungnahme ermessensgerecht sei. Das Strafverfahren gegen K wurde gem. <strong>§</strong><br />

153a StPO eingestellt. Auch H wurde im Rahmen des Auswahlermessens in <strong>Haftung</strong> genommen.<br />

Das FG hob den <strong>Haftung</strong>sbescheid nur teilweise auf; im Übrigen wies es die Klage als unbegründet zurück.<br />

Keine <strong>Haftung</strong> <strong>nach</strong> <strong>§</strong> <strong>71</strong> <strong>AO</strong> für Zinsen <strong>nach</strong> <strong>§</strong> 233a <strong>AO</strong>: Die <strong>Haftung</strong> <strong>nach</strong> <strong>§</strong> <strong>71</strong> <strong>AO</strong> erstreckt sich nicht auf<br />

Zinsen <strong>nach</strong> <strong>§</strong> 233a <strong>AO</strong>, sondern umfasst lediglich <strong>Steuerhinterziehung</strong>szinsen <strong>nach</strong> <strong>§</strong> 235 <strong>AO</strong>. Insoweit ist der<br />

<strong>Haftung</strong>sbescheid aufzuheben.<br />

Wahlfeststellung zwischen Täterschaft und Beihilfe möglich: M hat eine aktive <strong>Steuerhinterziehung</strong> des M<br />

<strong>nach</strong> <strong>§</strong> 370 Abs. 1 Nr. 1 <strong>AO</strong> begangen, indem er die als „Schwarzzahlung“ vereinnahmten Beträge in seiner Gewinnermittlung<br />

über den gewerblichen Grundstückshandel nicht berücksichtigt und dadurch Steuern verkürzt hat.<br />

Hieran hat sich K als Mittäter <strong>oder</strong> zumindest als vorsätzlich handelnder Gehilfe (Beihilfe) beteiligt. Es ist für die<br />

<strong>Haftung</strong> <strong>nach</strong> <strong>§</strong> <strong>71</strong> <strong>AO</strong> unerheblich, ob K Mittäter <strong>oder</strong> Hilfeleistender zur <strong>Steuerhinterziehung</strong> des M gewesen<br />

ist. Denn steuerhaftungsrechtlich reicht eine Wahlfeststellung zwischen Täterschaft und <strong>Teilnahme</strong> aus.<br />

Vorsätzliche Beihilfe: Es kann daher offen bleiben, ob K Mittäter der <strong>Steuerhinterziehung</strong> des M war, da K zu<br />

der vorsätzlichen Straftat des M jedenfalls Beihilfe geleistet hat, indem er die Her<strong>bei</strong>führung des Taterfolgs des<br />

Haupttäters M objektiv gefördert hat, ohne dass dies für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. K kannte die<br />

Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen und handelte in dem Bewusstsein, durch seine Beihilfe das Vorhaben<br />

des M zu fördern, ohne die Einzelheiten der Haupttat kennen zu müssen. K hat einen von der Haupttat losgelösten<br />

Beitrag dadurch geleistet, dass er dem M ein entscheidendes Tatmittel – hier die Barzahlung - willentlich an die<br />

Hand gab und damit bewusst das Risiko erhöht hat, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischerweise<br />

geförderte Haupttat verübt wird. Der Vorsatz ergibt sich aus der Bezeichnung des Barbetrags als „Schwarzzahlung“.<br />

Daran ändert auch nichts, dass es dem K im Wesentlichen auf die Verkürzung der GrESt ankam.<br />

K hatte den erforderlichen Doppelvorsatz, nämlich sowohl den Vorsatz bzgl. der Haupttat des M als auch hinsichtlich<br />

seiner Beihilfehandlung, da K billigend in Kauf nahm, dass M, mangels Nachweise, die vereinnahmten<br />

30.000 DM nicht der Besteuerung zuführen würde. Dem K war bewusst, dass M nur diejenigen Zahlungen in der<br />

Gewinnermittlung berücksichtigen werde, die sich aus dem Kaufvertrag ergeben. Das FA musste nicht umfassend<br />

feststellen, wer gegenüber wem mit welchem Tat<strong>bei</strong>trag Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den Verkauf der Wohnungen<br />

veranlasst bzw. sich daran beteiligt hat. Die strafrechtliche Verantwortung des K entfällt nicht dadurch,<br />

dass der Makler H möglicherweise einen gleichen <strong>oder</strong> anderen Tat<strong>bei</strong>trag zur <strong>Steuerhinterziehung</strong> des M geleistet<br />

hat. Auch ist es unerheblich, dass das Strafverfahren des K <strong>nach</strong> <strong>§</strong> 153a StPO eingestellt wurde, da die <strong>Haftung</strong>sinanspruchnahme<br />

unabhängig vom Ausgang das Strafverfahren erfolgt, wenn tatsächlich <strong>nach</strong> Überzeugung<br />

des Gerichts eine <strong>Steuerhinterziehung</strong> vorliegt.<br />

Ermessensgerechte Entscheidung: Das FA hat K auch unter Berücksichtigung des ihm eingeräumten Ermessens<br />

zu Recht als Haftenden gem. <strong>§</strong> <strong>71</strong> <strong>AO</strong> in Anspruch genommen (wird ausgeführt). Vollstreckungsmaßnahmen


gegen M waren infolge dessen Insolvenz nicht erforderlich. Vollstreckungsmaßnahmen gegen den ebenfalls in<br />

Anspruch genommenen H waren nicht möglich, da K den <strong>Haftung</strong>sbetrag gezahlt hat, wodurch die Steuerschuld<br />

erloschen war.<br />

Beraterhinweis: Die Inanspruchnahme als <strong>Haftung</strong>sschuldner gem. <strong>§</strong><strong>71</strong> <strong>AO</strong> kann <strong>nach</strong> den überzeugenden<br />

Gründen des Urteils nicht dadurch umgangen werden, dass nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob der <strong>Haftung</strong>sschuldner<br />

an der <strong>Steuerhinterziehung</strong> als Mittäter <strong>oder</strong> „nur“ als Teilnehmer (Gehilfe <strong>oder</strong> Anstifter) beteiligt<br />

war. Im Übrigen weist das FG darauf hin, dass das Vorliegen einer <strong>Steuerhinterziehung</strong> bzw. <strong>Teilnahme</strong> hieran<br />

die Ermessensentscheidung zur Inanspruchnahme „vorprägt“, so dass keine besonderen Ermessensgründe im<br />

<strong>Haftung</strong>sbescheid dargestellt werden müssen.<br />

Service: FG Münster, Urt. v. 24.11.2010 – 8 K 4132/07<br />

RD a.D., StB Michael Marfels, Nordkirchen

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