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Polymedikation bei alten Patienten - Adjutum

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poLymedIkATIoN Interdisziplinäres Schmerzmanagement<br />

6<br />

<strong>Patienten</strong>gut kann dies am besten durch einen multidisziplinären<br />

Therapieansatz unter Einschluss pharmakologischer,<br />

invasiver, bewegungstherapeutischer, pflegerischer und psychologischer<br />

Ansätze erreicht werden.<br />

In der Schmerztherapie überwiegt jedoch in der Praxis das<br />

auf Medikamenten basierende Vorgehen. Trotz großer Bereitschaft<br />

der Ärzteschaft zur adäquaten Behandlung bleiben<br />

falsch gewählte Analgetika, die nicht Beachtung der kalkulierbaren<br />

Nebenwirkungen und die potentiell gefährlichen Medikamentenkombinationen<br />

die gängigsten Fehler.<br />

Da nicht alle Schmerzen wirksam behandelt werden können,<br />

sind die Hierarchisierung der Probleme sowie Festsetzen realistischer<br />

Therapie mit individuell erstellten Therapiepfaden<br />

und genauer Überprüfung der Behandlungserfolge obligat<br />

(Abb. 2).<br />

physiologische Veränderungen im Alter<br />

Physiologisch kommt es im Alter zu mehreren Struktur- und<br />

Funktionsbeeinträchtigungen der Organe oder Organsysteme.<br />

Charakteristisch sind eine Atrophie der Muskulatur, der Knochen<br />

und Schleimhäute, eine Verminderung von Körperfettmasse<br />

und Körperwassergehalt, ein Niedergang der funktionsfähigen<br />

Nervenzellen, eine Abnahme vom Serumeiweiß,<br />

eine Einschränkung der Nieren- und Leberfunktion sowie des<br />

allgemeinen Stoffwechsels. Ein scheinbar normaler Kreatininwert<br />

ist <strong>bei</strong> <strong>alten</strong> Menschen kein sicherer Hinweis auf eine<br />

intakte Nierenfunktion.<br />

Durch die physiologischen Veränderungen im Alter sind auch<br />

die pharmakologischen Bedingungen anders, sodass Verteilung,<br />

Metabolisierung und Ausscheidung von Analgetika<br />

deutliche Unterschiede im Vergleich zum jüngeren Schmerzpatienten<br />

aufweisen können. Kumulation, längere Wirkdauer<br />

und potentere als erwartet Wirkung sind häufig.<br />

Diese Veränderungen erfordern einen besonders vorsichtigen<br />

Umgang mit medikamentösen Therapien im Alter (Tab. 2).<br />

Prozess<br />

Resorption<br />

Verteilung und<br />

Proteinbindung<br />

Renale<br />

Ausscheidung<br />

Hepatische<br />

Metabolisierung<br />

Physiologische<br />

Veränderungen<br />

Magen-pH �<br />

gastrointestinale<br />

Durchblutung �<br />

GI-Motilität �<br />

Geschwindigkeit<br />

Magenentleerung �<br />

Herzleistung �<br />

Körperwasser �<br />

Magermasse �<br />

Körperfett �<br />

Albumin �<br />

Nierenmasse �<br />

renaler Blutfluss �<br />

glomeruläre Filtrationsrate �<br />

tubuläre Sekretion �<br />

Normaler Kreatiniwert –<br />

kein sicherer Hinweis auf<br />

intakte Nierenfunktion<br />

Lebermasse �<br />

Enzymaktivität �<br />

Leberblutfluss �<br />

Pharmakokinetische<br />

Veränderungen<br />

Konzentration säurelabiler<br />

Arzneistoffe �<br />

Konzentration schwacher<br />

Säuren �<br />

verzögerte Resorption<br />

Verteilungsvolumen von<br />

Arzneistoffen, die sich<br />

überwiegend im Extrazellulärraum<br />

verteilen �<br />

Verteilungsvolumen von<br />

lipophilen Arzneistoffen �<br />

veränderter freier Anteil stark<br />

gebundener Arzneistoffe<br />

renale Clearance �<br />

Halbwertszeit �<br />

hepatische Clearance �<br />

Halbwertszeit �<br />

Tab. 2: Physiologische Veränderungen des Stoffwechsels im Alter<br />

polymedikation<br />

Die Anwendung von fünf oder mehr Medikamenten gleichzeitig<br />

wird als <strong>Polymedikation</strong> oder Polypharmazie bezeichnet.<br />

Die Hauptursache für <strong>Polymedikation</strong> liegt darin, dass ältere<br />

<strong>Patienten</strong> meist an mehreren chronischen Erkrankungen leiden,<br />

die dauerhaft mit Arzneimitteln behandelt werden. Ein<br />

Patient im Alter von > 65 Jahren hat im Durchschnitt Diagnosen<br />

in 5 Organsystemen und nimmt statistisch gesehen drei<br />

rezeptpflichtige und fast ebenso viele apothekenpflichtige Arzneimittel<br />

ein. Jeder Dritte zwischen 75 und 85 Jahren bekommt<br />

sogar mehr als acht Arzneimittel verordnet. Die Polypharmakologie,<br />

die ältere multimorbide Menschen benötigen, kann auch<br />

für den <strong>Patienten</strong> nachteilige Auswirkungen haben. Häufigere<br />

Nebenwirkungsraten und nicht immer vorhersagbare Wechselwirkungen<br />

der Arzneimittel sind die Folge (Abb. 3).<br />

Abb. 3: Wechselwirkungen der Analgetika<br />

Die unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) werden<br />

nicht immer als solche erkannt, sondern als neue Erkrankung<br />

gewertet und mit einem weiteren Arzneimittel behandelt.<br />

Lange »Verschreibungskaskaden« sind die Folge. Es kann ein<br />

Circulus vitiosus entstehen, da wiederum weitere UAW hervorrufen<br />

werden. Eine Abhilfe kann da<strong>bei</strong> der Fragebogen<br />

„Medication Appropriatness Index“ (MAI) bieten (Tab. 3).<br />

Medication Appropriateness Index (MAI) Tab. 3<br />

1. Gibt es eine Indikation für das Medikament?<br />

2. Ist das Medikament wirksam für die Indikation?<br />

3. Stimmt die Dosierung?<br />

4. Sind die Einnahmevorschriften korrekt?<br />

5. Gibt es klinisch relevante Interaktionen mit anderen Medikamenten?<br />

6. Gibt es klinisch relevante Interaktionen mit anderen Krankheiten/Zuständen?<br />

7. Sind die Anwendungsvorschriften für meinen <strong>Patienten</strong> praktikabel?<br />

8. Wurden unnötige Doppelverschreibung vermieden?<br />

9. Ist die Dauer der medikamentösen Therapie (seit wann verordnet) adäquat?<br />

10. Wurde die kostengünstige Alternative vergleichbarer<br />

Präparate ausgewählt?<br />

11. Funktionskontrollen: Ganganalyse, Mobilitätsscreening und Beobachtung<br />

kognitiver Störungen<br />

Die notwendige Pharmakotherapie des Schmerzes im Alter als<br />

ein Baustein im multimodalen Therapiekonzept muss sich nicht<br />

immer am Stufenplan der WHO orientieren.<br />

Die veränderte Pharmakokinetik und Pharmakodynamik erfordern<br />

manchmal Abgehen von dem medikamentösen Stufenplan<br />

zugunsten von sicheren Medikamenten, die gut toleriert werden<br />

und wenige Nebenwirkungen haben. Leider sind die Verordnung<br />

von Medikamenten mit einem hohen Nebenwirkungspotential,<br />

unsinniger und potentiell gefährlicher Medikamentenkombinationen,<br />

die Therapie nach Bedarf und Nichtbeachten von kalkulierbaren<br />

Nebenwirkungen noch immer nicht selten.

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