natur und mensch - Rheinaubund
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<strong>natur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>mensch</strong><br />
49. Jahrgang • Heftnummer 1 / 2007<br />
La <strong>natur</strong>e et l’homme<br />
La <strong>natur</strong>a e l’uomo<br />
La natira e l’uman<br />
Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften<br />
Der Rhein hat Zukunft<br />
Geothermie <strong>und</strong> Erdbeben<br />
Rheinaub<strong>und</strong>
<strong>natur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>mensch</strong><br />
49. Jahrgang • Heftnummer 1 / 2007<br />
Schweizerische Blätter<br />
für Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />
Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />
Redaktion:<br />
Günther Frauenlob (gf) Dipl. Geogr.<br />
Geschäftsstelle des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />
<strong>und</strong> Redaktion:<br />
Weinsteig 192<br />
Postfach 1157<br />
CH-8200 Schaffhausen<br />
Telefon: 052 625 26 58<br />
Telefon Redaktionsbüro:<br />
052 625 26 67<br />
Fax: 052 625 26 51<br />
E-mail: redaktion@rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />
www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />
Postcheck 82-3003-8 Schaffhausen<br />
Postbank Karlsruhe BLZ 660 100 75<br />
Konto 300 550 758<br />
Satz:<br />
flex-on.net<br />
Christoph Frauenlob<br />
Hunscheidtstr.5<br />
D-47533 Kleve<br />
Layout:<br />
Günther Frauenlob, Christoph Frauenlob<br />
Druck <strong>und</strong> Spedition:<br />
Ropress Genossenschaft<br />
Baslerstr. 106<br />
8048 Zürich<br />
Abonnementspreise 2007:<br />
Inland Fr. 45.–, Ausland € 31.–,<br />
Einzelheft Fr. 8.–<br />
ISSN 0466-5899<br />
Erscheinungsweise 6 x jährlich<br />
Nachdruck von Beiträgen aus<br />
«Natur <strong>und</strong> Mensch» werden gestattet unter<br />
Quellenangabe <strong>und</strong> Zusand von 2 Belegen.<br />
Die veröffentlichten Beiträge geben die<br />
Meinung der Autorinnen <strong>und</strong> Autoren wieder<br />
<strong>und</strong> müssen nicht immer der Auffassung des<br />
Rheinaub<strong>und</strong>es entsprechen.<br />
Assoziierte Organisationen:<br />
Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare<br />
AQUA VIVA<br />
IG Bielersee<br />
ARGE Pro Thur<br />
PROTÖSS<br />
Bodensee-Stiftung<br />
Verband zum Schutze des Greifensees<br />
Schweizerische Greina-Stiftung<br />
Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Inhalt<br />
Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />
2 Welt<strong>natur</strong>erbe Hohe Tauern <strong>und</strong> Donau-March-Thaya-Auen?<br />
Christian Schuhböck<br />
4 Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften – reicht der Schutz? Rolf Waldis<br />
Artenschutz<br />
8 Erfolgreiches Jahr des Eisvogels Christa Glauser<br />
10 40 Jahre internationale Wasservogelzählungen<br />
Verena Keller, Matthias Kestenholz<br />
11 Der Rhein – 20 Jahre nach Sandoz Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />
Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />
14 Verbandsbeschwerderecht – vorerst gerettet? Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />
16 Kantonales Verbandsbeschwerderecht in St. Gallen unter Beschuss<br />
Jürg Schmid<br />
Klimaschutz<br />
18 Verstärkt die globale Erwärmung Wirbelstürme?<br />
Huw Davies, Urs Neu<br />
Energie<br />
22 Geothermie <strong>und</strong> Erdbeben – Eine seismologische Betrachtung des<br />
Basler Bebens Stefan Baisch, Ralph Weidler<br />
Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />
25 Unser Geschäftsführer berichtet<br />
Mitteilungen<br />
27 Kurzinformationen aus dem Umweltbereich<br />
Buchbesprechungen<br />
30 um Welten – Poesie für den Alltag Günther Frauenlob<br />
30 Unsere Obstgärten – Mit Kindern die faszinierende Welt der Streuobstwiesen<br />
entdecken Agnes Michenfelder<br />
31 Moorlandschaft Habkern – Sörenberg Laurence Frauenlob<br />
31 Gr<strong>und</strong> zur Hoffnung Günther Frauenlob<br />
Leserbriefe<br />
32 Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz im Einklang Walter Schmied<br />
Letzte Seite<br />
33 Termine / Aktuelles
Editorial<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />
es ist mir eine grosse Freude, Sie heute zu einem neuen Jahrgang von <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />
begrüssen zu dürfen. Erinnern Sie sich noch? Ich hatte im letzten Heft bereits angekündigt,<br />
dass wir das Layout unserer Zeitschrift überarbeiten <strong>und</strong> anpassen wollten <strong>und</strong> ich denke, das<br />
neue Kleid passt unserer in die Jahre gekommenen Fre<strong>und</strong>in „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ wie angegossen.<br />
Bei gleichem inhaltlichen Umfang wie bisher sind die Artikel heller, fre<strong>und</strong>licher <strong>und</strong> grosszügiger<br />
gestaltet <strong>und</strong> – wie uns viele bereits bestätigt haben – besser lesbar. Denn schliesslich<br />
geht es uns ja um die Inhalte. Vielleicht ist es eine Krankheit unserer Zeit, viel zu viel Wert auf<br />
äussere Form <strong>und</strong> Gestaltung zu legen, aber<br />
auch wir können <strong>und</strong> wollen uns diesem<br />
Trend nicht verschliessen. Schliesslich geht<br />
es uns darum, die in „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ zum<br />
Ausdruck gebrachten Anliegen der Natur<br />
einem grösseren Publikum zugänglich zu<br />
machen.<br />
VivaRiva, das aktuelle Bildungsprogramm<br />
des Rheinaub<strong>und</strong>es schafft uns eine junge<br />
Öffentlichkeit, die wir mit unserer Zeitschrift<br />
ebenso erreichen wollen, wie unsere eingefleischten<br />
Leser, die schon seit Jahrzehnten<br />
unserem Blatt treu sind. Wir können auf niemanden<br />
verzichten <strong>und</strong> so hoffen wir sehr,<br />
dass ihnen allen unsere neue / alte Zeitschrift<br />
gefällt.<br />
Ein besonderes Augenmerk haben wir darauf<br />
gelegt, dass sich inhaltlich nichts ändert.<br />
Die fachlichen Artikel nehmen den gleichen<br />
Raum ein wie bisher <strong>und</strong> bleiben auf dem<br />
gewohnt hohen Niveau, denn es ist unser<br />
Markenzeichen, kompetent <strong>und</strong> sachlich<br />
über aktuelle Umweltthemen zu berichten.<br />
So auch in diesem Heft, für das sich einige Themen geradezu aufgedrängt haben. Zum einen<br />
ist da das zwanzigjährige Jubiläum des Moorschutzes, das wir mit einem aktuellen Interview<br />
mit Rolf Waldis vom BAFU erneut aufgreifen. Zum anderen der zwanzigste Jahrestag der<br />
Sandoz-Katastrophe in Schweizerhalle. Überraschend lesen wir heute, dass es möglicherweise<br />
diese Katastrophe war, die den Schutz des Rheins erst richtig initiiert hat.<br />
Ein weiteres Thema, das mir unausweichlich schien, ist die Geothermie <strong>und</strong> die Geschehnisse<br />
in Basel. Nur selten war in der Tagespresse so viel Unsinn zu lesen, wie nach den Erdstössen,<br />
die Basel im Dezember <strong>und</strong> Januar erschüttert haben. Wir wollen hier in einem ersten<br />
Fachartikel aufzeigen, wie alles wirklich zusammenhängt, <strong>und</strong> werden diesem Thema auch<br />
in Zukunft noch treu bleiben.<br />
Ich möchte schliessen mit einer Bitte. Wenn Ihnen unser Heft so gut gefällt wie uns,<br />
dann zeigen Sie es doch Ihren Nachbarn <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en. Wir freuen uns über jeden<br />
neuen Leser.<br />
Eine angenehme Lektüre wünscht Ihnen,<br />
Ihr Redaktor Günther Frauenlob<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Seite 1
Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />
Welt<strong>natur</strong>erbe Hohe Tauern <strong>und</strong><br />
Donau-March-Thaya-Auen?<br />
Österreich stellt sich gerne als Umweltmusterland dar. Trotzdem hat es<br />
kein einziges Welt<strong>natur</strong>erbe ausgewiesen. Das sollte sich nach Ansicht<br />
der Organisation „Alliance for Nature“ bald ändern, denn sowohl der<br />
Nationalpark Hohe Tauern als auch die March-Thaya-Auen erfüllen die<br />
Voraussetzungen, um als Welt<strong>natur</strong>erbe der UNESCO ausgewiesen zu<br />
werden.<br />
Christian Schuhböck<br />
Ursprünglich sollte der Nationalpark Hohen<br />
Tauern als gemischte Welt<strong>natur</strong>- <strong>und</strong> Kulturerbestätte<br />
nominiert werden – nämlich die<br />
Kernzone als Naturerbe <strong>und</strong> die Großglockner-Hochalpenstrasse<br />
als Kulturerbe. Letztendlich<br />
entschloss man sich, die Eintragung<br />
in zwei Etappen durchzuführen. Zuerst sollte<br />
die Kernzone des Nationalparks als Naturerbe<br />
in die UNESCO-Liste Eingang finden.<br />
Und dann sollte eine Erweiterung durch die<br />
Großglockner-Hochalpenstrasse als Kulturerbe<br />
erfolgen. Doch schon in der Begutachtungsphase<br />
zeigte sich, dass die Kernzone<br />
des Nationalparks nicht den Kriterien entsprechen<br />
würde. Denn bis zum Sommer<br />
2006 besass nur der Kärntner Anteil des<br />
Nationalparks Hohe Tauern die internationale<br />
Anerkennung der IUCN, während der Salzburger<br />
<strong>und</strong> Tiroler Anteil jeweils zu sehr<br />
anthropogen beeinflusst waren. Demzufolge<br />
wurde der Antrag von österreichischer Seite<br />
noch vor dem Beschluss des Welterbe-Komitees<br />
zurückgezogen. Denn im Falle eines<br />
Die einmalige<br />
Hochgebirgslandschaft r<strong>und</strong><br />
um den Großglockner.<br />
Seite 2 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Beschlusses der „Nichteintragung“ kann in<br />
der Regel eine nochmalige Anmeldung nicht<br />
vorgelegt werden.<br />
Hindernisse ausgeräumt<br />
Da die seinerzeitigen Hindernisse nun ausgeräumt<br />
sind, könnte jetzt eine nochmalige<br />
Nominierung dieser faszinierenden Hochgebirgslandschaft<br />
als potenzielle Welt<strong>natur</strong>erbestätte<br />
erfolgen. Seit einem halben<br />
Jahrzehnt hat die von Natur- <strong>und</strong> Kulturschätzen<br />
so reich gesegnete Alpenrepublik<br />
nichts mehr in das Erbe der Menschheit eingebracht<br />
<strong>und</strong> die Tatsache, dass Österreich,<br />
welches sich bisweilen auch gerne als Umweltmusterland<br />
bezeichnet, bis heute kein einziges<br />
Welt<strong>natur</strong>erbe ausgewiesen hat, ist ohnedies<br />
schon seltsam genug! Österreich hat bis<br />
dato nur Weltkulturerbestätten in das „Erbe<br />
der Menschheit“ eingebracht: Schloss <strong>und</strong><br />
Park von Schönbrunn, Altstadt von Salzburg,<br />
Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein/Salzkam<br />
mergut, Semmeringbahn mit umgebender<br />
Landschaft, Altstadt von Graz, Kulturlandschaft<br />
Wachau, historisches Zentrum<br />
von Wien, Kulturlandschaft Neusiedler See.<br />
ALLIANCE FOR NATURE ist gerne bereit, den<br />
B<strong>und</strong>esländern Kärnten, Salzburg <strong>und</strong> Tirol<br />
bei der Nominierung des Nationalparks Hohe<br />
Tauern als Welt<strong>natur</strong>erbe behilflich zu sein.<br />
Donau-March-Thaya-Auen samt<br />
Marchfeldschlösser<br />
Ein weiteres Welt<strong>natur</strong>erbe-Projekt wäre<br />
jenes an den Donau-March-Thaya-Auen.<br />
Niederösterreichs Landeshauptmann hat<br />
bereits das Kulturministerium ersucht, eine<br />
entsprechende Initiative der ALLIANCE FOR<br />
NATURE zu unterstützen. Der Nationalpark<br />
Donau-Auen besitzt seit längerem die IUCN-<br />
Anerkennung. Die Donau-March-Auen sind<br />
zudem gemäss Ramsar-Konvention ein für<br />
Wasser- <strong>und</strong> Watvögel international bedeutendes<br />
Feuchtgebiet. In Tschechien könnte<br />
das Welt<strong>natur</strong>erbe-Gebiet an die bereits<br />
bestehende Welterbe-Kulturlandschaft Lednice-Valtice<br />
„andocken“. Und gemeinsam mit<br />
der Slowakei könnte diese Region als<br />
trilaterales Welterbe-Gebiet ausgewiesen<br />
<strong>und</strong> als eine Art „Friedenspark“ in das Erbe<br />
der Menschheit eingebracht werden.<br />
Bislang haben sich die Beamten der NÖ<br />
Landesregierung jedoch geweigert, diese<br />
aussergewöhnliche Auenlandschaft auf die<br />
entsprechende Vorschlagsliste an die
UNESCO zu setzen. ALLIANCE FOR NATURE<br />
appelliert daher an die NÖ Landesregierung,<br />
endlich „grünes Licht“ für die Nominierung<br />
der Donau-March-Thaya-Auen zu geben.<br />
„Man könnte diese herrliche Auenlandschaft<br />
gemeinsam mit den Marchfeldschlössern als<br />
gemischtes Welt<strong>natur</strong>- <strong>und</strong> Weltkulturerbe<br />
nominieren“, schlägt ALLIANCE-Beirats vorsitzender<br />
Stefan Oberhauser zudem vor <strong>und</strong><br />
hofft auf die Unterstützung der Marchfeldschlösser-Betreiber.<br />
Die Donau-March-Thaya-<br />
Auen haben manche<br />
Überraschung zu bieten.<br />
Foto: March-Thaya-Auen /<br />
Spießmeier<br />
Österreichs Nationalparke als<br />
potenzielle Welterbestätten<br />
Die Hohen Tauern <strong>und</strong> die Donau-March-<br />
Thaya-Auen haben als recht gegensätzliche<br />
Landschaften in der österreichischen<br />
Geschichte des Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzes<br />
etwas Gemeinsames. Zum einen<br />
waren beide Regionen grossen Kraft werksplänen<br />
ausgesetzt. In den Hohen Tauern sollten<br />
sämtliche Gletscherbäche an der Südabdachung<br />
der Venediger- <strong>und</strong> Glocknergruppe<br />
in das Kraftwerk Dorfertal-Matrei, dem grössten<br />
in den Ostalpen geplanten Speicherkraftwerk,<br />
abgeleitet werden. In den<br />
Stopfenreuther Auen sollte das Kraftwerk<br />
Die Kernzone des<br />
Nationalparks Hohe Tauern<br />
sollte als Welt<strong>natur</strong>erbe<br />
ausgewiesen werden.<br />
Foto: ALLIANCE FOR NATURE<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Hainburg, das grösste Laufkraftwerk an der<br />
österreichischen Donau, errichtet werden.<br />
Beide Kraftwerksprojekte konnten dank<br />
engagierter Naturschützer <strong>und</strong> Umweltorganisationen<br />
verhindert <strong>und</strong> die betroffenen<br />
Naturschönheiten in Nationalparke<br />
überführt werden.<br />
Österreich würde mit der Eintragung der<br />
Hohen Tauern <strong>und</strong> der Donau-March-Thaya-<br />
Auen in die Welterbe-Liste das eklatante<br />
Ungleichgewicht zwischen dem europäischen<br />
Natur- <strong>und</strong> Kulturerbe verbessern.<br />
Denn in ganz Mitteleuropa gibt es, sieht man<br />
von den Fossilienlagerstätten ab, nur eine<br />
einzige „lebende“ Welt<strong>natur</strong>erbestätte – die<br />
Hochgebirgslandschaft in den Berner Alpen<br />
r<strong>und</strong> um Jungfrau, Mönch <strong>und</strong> Eiger samt<br />
Aletschgletscher.<br />
Christian Schuhböck<br />
Alliance for Nature<br />
Thaliastrasse 7<br />
A-1160 Wien<br />
Tel. 003 1 893 92 98<br />
office@AllianceForNature.at<br />
www.AllianceForNature.at<br />
Seite 3
Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />
Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften – reicht der Schutz?<br />
Kein anderer Lebensraum wurde in den letzten 150 Jahren derart dezimiert<br />
oder als wertlose Fläche behandelt wie die Moore. Heute zählen<br />
sie auch dank der Rothenthurminitiative zu den für die Natur wertvollsten<br />
Gebieten. Aus diesem Gr<strong>und</strong> stehen sie heute unter rigorosem<br />
Schutz. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, wie das aktuelle Interview mit<br />
Rolf Waldis von der BAFU-Sektion Arten <strong>und</strong> Biotope zeigt. Rolf Waldis<br />
Seite 4 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Herr Waldis, seit der Annahme der Rothenthurminitiative<br />
vor zwanzig Jahren unterstehen<br />
Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften von besonderer<br />
Schönheit <strong>und</strong> nationaler Bedeutung dem<br />
Schutz der B<strong>und</strong>esverfassung. Was ist seither<br />
geschehen?<br />
Seither ist sehr viel geschehen <strong>und</strong> es ist<br />
einiges in Bewegung geraten:<br />
Vorausgehend ist festzuhalten, dass die<br />
Ro then thurminitiative der Auslöser für etwas<br />
viel Umfassenderes war, nämlich die vom<br />
Parlament beschlossene Revision des Natur-<br />
<strong>und</strong> Heimatschutzgesetzes mit der Einfügung<br />
des neuen Biotopschutzartikels 18a ff. Dieser<br />
besagt, dass der B<strong>und</strong>esrat Biotope von nationaler<br />
Bedeutung samt deren Schutzzielen<br />
festlegen kann <strong>und</strong> die Umsetzung (Schutzlegung)<br />
– in Zusammenarbeit mit den Bewirtschaftern<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümern – gr<strong>und</strong>eigen<br />
tümerverbindlich sein soll. Im Weiteren<br />
erhält der Kanton für seine Aufwendungen<br />
für die nationalen Objekte einen gegenüber<br />
früher höheren Subventionssatz von 60 – 90<br />
Prozent.<br />
Der Beschluss zum neuen Biotopschutzartikel<br />
erfolgte bereits 1987, kurz vor dem Ja zur<br />
Rothenthurminitiative als indirekter Gegenvor<br />
schlag. Damit waren die Biotope im<br />
Allgemeinen besser geschützt als bisher <strong>und</strong><br />
die Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften im Speziellen<br />
erhielten einen durch die Verfassung<br />
direkt anwendbaren, absoluten Schutz.<br />
Solche Biotope von nationaler Bedeutung<br />
muss ten aber zuerst bezeichnet werden.<br />
Dazu brauchte es die Erarbeitung gesamtschwei<br />
zerisch gültiger Kriterien, was ein<br />
Flach moor oder eine Moorlandschaft ist <strong>und</strong><br />
Flachmoor mit Scheuchzers<br />
Wollgras (Eriophorum<br />
scheuchzeri) in der Moorlandschaft<br />
Val da Sett GR.<br />
Foto: BAFU
wie diese abzugrenzen sind. Schliesslich mussten<br />
die potentiellen Objekte im Feld kartiert<br />
werden. Erst nach Vorliegen einer ersten Inventur,<br />
konnten daraus – nach objektiven Kriterien<br />
– die besten als „national bedeutend“ vorgeschlagen<br />
werden. Damit lag ein Bun des in ventar<br />
als Entwurf vor, das samt der Verordnung<br />
den Kantonen, B<strong>und</strong>es ämtern <strong>und</strong> Organi sationen<br />
zur Anhörung vorgelegt wurde.<br />
Diese Bereinigungsarbeit war ein mehrjähriger<br />
Prozess, bei dem viele Akteure einbezogen<br />
wurden. Es reicht nicht aus, den Schutz<br />
von oben zu erlassen: Es braucht Klärung für<br />
das Verständnis <strong>und</strong> Lösungen für Interessenkonflikte.<br />
Das letzte Wort hatte jedoch<br />
der B<strong>und</strong>esrat, indem er das B<strong>und</strong>esinventar,<br />
respektive die Verordnung samt Inventar als<br />
Anhang, in Kraft setzte. Die Hochmoore, welche<br />
auf einem frühen Inventar beruhen <strong>und</strong><br />
wenig umstritten waren, wurden 1991 in<br />
Kraft gesetzt, die erste Serie der Flachmoore<br />
1994 (die 3. <strong>und</strong> letzte 1998) <strong>und</strong> die Moorlandschaften<br />
1996.<br />
Allein dadurch, dass die B<strong>und</strong>esinventare in<br />
Kraft <strong>und</strong> die Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften<br />
gar von der Verfassung her direkt geschützt<br />
sind, hat sich „draussen in der Landschaft“<br />
aber noch wenig bewegt. Die Kantone müssen<br />
nun die Bestimmungen des B<strong>und</strong>es mit<br />
ihren rechtlichen Instrumenten umsetzen,<br />
also in Form von Richt- <strong>und</strong> Schutz- <strong>und</strong><br />
Nutzungsplänen. Wir nennen dies die<br />
Umsetzung: Jeder Kanton hat seine eigenen<br />
Instrumente, unterschiedliche Behörden-<br />
<strong>und</strong> Politikstrukturen <strong>und</strong> unterschiedliche<br />
Anzahl <strong>und</strong> Flächen an nationalen Biotopen.<br />
Die Umsetzung, bei der jeder Gr<strong>und</strong> eigen-<br />
tümer <strong>und</strong> Bewirtschafter einbezogen wird,<br />
ist dabei der aufwändigste Prozess.<br />
Sind diese kantonalen Regelungen einmal<br />
festgelegt (die Schutzgebiete in Kraft) folgt<br />
erst die „Dauerphase“ des Vollzugs, der<br />
Courant normal, des Betriebes. Von der<br />
Qualität des Vollzugs hängt ab, ob der<br />
Biotopschutz auch langfristig erfolgreich ist.<br />
Es werden Bewirtschaftungsverträge mit<br />
Bauern gemacht, Behörden können Baugesuche<br />
beurteilen <strong>und</strong> Gelder ausbezahlen.<br />
Der Vollzug spielt sich auch innerhalb der<br />
B<strong>und</strong>esbehörden ab, indem die Tätigkeiten<br />
des B<strong>und</strong>es in seinem Wirken (z.B. Militär,<br />
Landwirtschaft, Verkehr) auf die Schutzbestimmungen<br />
abgestimmt werden. Dies<br />
erfolgt im Rahmen so genannter B<strong>und</strong>esaufgaben.<br />
Diese Prozesse müssen begleitet<br />
<strong>und</strong> die Akteure beraten <strong>und</strong> unterstützt<br />
werden. Das ist eine Aufgabe, zu welcher der<br />
B<strong>und</strong> – konkret das BAFU, vormals BUWAL –<br />
verpflichtet ist. Dazu gehört die Erarbeitung<br />
von Vollzugshilfen, die Durchführung von<br />
Vertiefungsstudien zu Fragen der Bewirtschaftung<br />
<strong>und</strong> des Ver haltens der Natur, die<br />
Förderung von Weiter bildungen, die objektbezogene<br />
Mitarbeit bei der Lösung von<br />
Konflikten.<br />
Wer Bestimmungen erlässt <strong>und</strong> Geld ausgibt,<br />
möchte auch wissen, ob die Ziele<br />
erreicht werden <strong>und</strong> wenn nicht, wo der<br />
Wurm liegt, was zu tun ist, was zu verbessern<br />
ist. Der B<strong>und</strong> hat vor 10 Jahren eine Erfolgskontrolle<br />
im Moorschutz aufgebaut, welche<br />
Vermutungen durch Fakten ersetzt. In diesem<br />
Herbst werden erstmals komplette<br />
Ergeb nisse publiziert. Aber auch die Kantone<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
praktizieren verschiedene Formen von<br />
Erfolgs kontrollen, hauptsächlich im Vollzug.<br />
Vor 10 Jahren ist die Moorlandschaftsverordnu<br />
ng in Kraft getreten. Haben die Kantone den<br />
Schutz der Moorlandschaften umgesetzt?<br />
Auf schätzungsweise 70-80 Prozent der<br />
Fläche der Moorlandschaften ist der Schutz<br />
umgesetzt. Zwar sind praktisch alle Objekte<br />
mittlerweile in den kantonalen Richtplänen<br />
eingetragen, doch die gr<strong>und</strong>eigentümerverbindliche<br />
Festlegung, sei es durch kantonale<br />
Schutzplanung oder Ortplanungsrevision ist<br />
noch nicht überall erfolgt. Genauere Angaben<br />
haben wir im Frühling 2007.<br />
Wie wird heute der gesetzliche Schutz der<br />
Moorlandschaften vollzogen?<br />
Die land- <strong>und</strong> alpwirtschaftliche Nutzung ist<br />
immer noch die verbreitetste Nutzungsform<br />
in Moorlandschaften <strong>und</strong> neue Infrastruk turen<br />
(Erschliessung, Ökonomiegebäude <strong>und</strong><br />
weitere) sind Gegenstand von B<strong>und</strong>es aufgaben.<br />
In gewissen Kantonen werden Vernetzungsprojekte<br />
in Moorlandschaften<br />
beson ders gefördert. In Moorlandschaften<br />
mit Naherholungs- <strong>und</strong> Freizeitdruck wird<br />
der Besucherlenkung vermehrt Beachtung<br />
geschenkt.<br />
Da der Vollzug betont Sache des Kantons ist,<br />
können wir im Moment (noch) nichts aussagen.<br />
So entzieht es sich beispielsweise unse-<br />
Viele Pflanzenarten sind an<br />
Moorlandschaften geb<strong>und</strong>en.<br />
Im Bild der R<strong>und</strong>blättrige<br />
Sonnentau (Drosera<br />
rot<strong>und</strong>ifolia) <strong>und</strong> die Zwerg-<br />
Birke (Betula nana).<br />
Foto: BAFU<br />
Flachmoor Alpe Gana TI: Im<br />
Alpenraum sind Flachmoore<br />
oft mosaikartig mit Wiesen<strong>und</strong><br />
Weideflächen ohne<br />
Moorvegetation verzahnt.<br />
Foto: BAFU<br />
Seite 5
Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />
rem Wissen, wie viele Bewilligungen nicht<br />
erteilt werden, weil es eine Moorlandschaft<br />
ist. Aufgr<strong>und</strong> von Ergebnissen aus den<br />
Wirkungskontrollen sollten wir aber in den<br />
nächsten Jahren in der Lage sein, mehr dazu<br />
sagen zu können.<br />
Wie sollte ihrer Meinung nach eine angepasste<br />
Nutzung <strong>und</strong> Pflege der Moorlandschaften<br />
aussehen?<br />
Abgesehen davon, dass keine neuen Bauten<br />
<strong>und</strong> Anlagen – ausser für Land- <strong>und</strong> Forst wirtschaft<br />
– erstellt <strong>und</strong> keine Geländeveränderungen<br />
vorgenommen werden dürfen,<br />
<strong>und</strong> überdies alle Biotope zu schützen sind,<br />
gibt es wenig, nur auf die Moorlandschaft<br />
gerichtete Regelungen. Vielmehr sollen „allgemeingültige“<br />
Prinzipien wie die Ver netzung,<br />
angepasste <strong>und</strong> nachhaltige Beweidung,<br />
sinnvolles Schnittregime, Biobetriebe,<br />
<strong>natur</strong>naher Waldbau <strong>und</strong> dergleichen<br />
Anwendung finden. In touristisch genutzen<br />
Flächen sollen dank klarer <strong>und</strong> konsequent<br />
angewendeter Besucherlenkung Mensch<br />
<strong>und</strong> Natur profitieren können.<br />
Durch Wiedervernässung<br />
ist häufig eine Moorregeneration<br />
möglich. Hochmoor<br />
Hagenholz/Hagenmoos ZH<br />
vor beginn der Regeneration<br />
(1981,oben) <strong>und</strong> zehn Jahre<br />
später (unten.)<br />
Foto: BAFU<br />
Seite 6 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Hat sich der Widerstand der Nutzer gegen den<br />
Schutz der Moore seit Annahme der Rothenthurminitiative<br />
gelegt?<br />
Der gr<strong>und</strong>sätzliche Widerstand hat sich<br />
gelegt, zumal die meisten Bewirtschafter<br />
profitieren. Moorschutz wird auch als Chance<br />
gesehen, wie dies das Biosphärenreservat<br />
Entlebuch zeigt.<br />
Aber auch die Neuaus richtung in der Landwirt<br />
schaft hat einiges dazu beigetragen.<br />
Natürlich gibt es immer wieder einmal in<br />
Einzelfällen Widerstand – <strong>und</strong> dies wird auch<br />
wohl immer so bleiben. Grösseres Konfliktpotential<br />
bietet aber noch die Freizeitnutzung.<br />
In den Konflikten mit der militärischen Nutzung<br />
wurden praktikable Lösungen gef<strong>und</strong>en.<br />
Es gibt Beispiele dafür, dass in manchen Kantonen<br />
der Moorschutz nicht richtig vollzogen<br />
(Bsp. Glaubenberg OW) wird. Wie stellt sich das<br />
BAFU zu diesem Problem? Kann der B<strong>und</strong> oder<br />
das BAFU Druck auf die Kantone ausüben?<br />
Wenn Probleme erkannt werden, kommt der<br />
B<strong>und</strong> auf den Kanton zu, um mit ihm die<br />
Sache zu bereinigen <strong>und</strong> das weitere Vorgehen<br />
gemeinsam festzulegen. Wo immer<br />
möglich <strong>und</strong> sinnvoll, unterstützt der B<strong>und</strong><br />
den Kanton in seiner Umsetzung <strong>und</strong> dem<br />
Vollzug. Die Angemessenheit des „Drucks“<br />
soll sich an den Konsequenzen auf das Objekt<br />
(das Moor, die Moorlandschaft) messen.<br />
Wenn beispielsweise eine Moorlandschaft<br />
noch keine Schutzverordnung hat, weil den<br />
Fachstellen Ressourcen fehlen oder der<br />
Prozess nun einfach mal viel Zeit benötigt,<br />
bleiben wir einfach achtsam, solange keine<br />
akute Gefährdung ersichtlich ist.<br />
Wie stellen Sie sich zu der gr<strong>und</strong>legenden Kritik<br />
von Pro Natura <strong>und</strong> anderen Umwelt organisationen,<br />
dass der Moorschutz noch erhebliche<br />
Lücken aufweist?<br />
Der Mooschutz hat sicher noch Lücken. Aber<br />
das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit.<br />
Erstens gibt es genau so viele Beispiele, wenn<br />
nicht mehr, wo die Sache gut funktioniert,<br />
zweitens braucht alles seine Zeit <strong>und</strong> drittens<br />
lassen sich immer Mängel finden. Dass<br />
die Umsetzungsfristen nicht eingehalten<br />
werden konnten, stimmt. Wir waren damals<br />
zu optimistisch. Es ist ein komplexes System<br />
<strong>und</strong> es sind überall Menschen am Werk <strong>und</strong><br />
keine Maschinen, die ein perfektes Teilchen<br />
produzieren.<br />
Welche Managementpläne sind nötig, damit<br />
der Moorschutz in Zukunft besser umgesetzt<br />
werden kann?<br />
Die langfristige Planung der Landnutzung<br />
mit Setzen von Prioritäten inklusive dem<br />
Vernetzen der Lebensräume über die politischen<br />
Grenzen hinaus, erachte ich persönlich<br />
als einen zentralen Ansatz.<br />
In Deutschland finden zur Zeit in einigen<br />
Regionen umfangreiche Moorre<strong>natur</strong>ierungen<br />
<strong>und</strong> Wiedervernässungen statt. Sind solche<br />
Projekte auch in der Schweiz geplant?<br />
Moorregenerationen, so besonders in den<br />
Hochmooren, sind auch bei uns seit einigen<br />
Jahren im Gang <strong>und</strong> gewinnen zunehmend<br />
an Wichtigkeit. Gr<strong>und</strong>sätzlich geht es darum,<br />
bei den Hochmooren die volle Funktionsfähigkeit<br />
(wie im Urzustand) wieder herzustellen<br />
<strong>und</strong> damit langfristig weniger<br />
Aufwand für die Pflege zu haben: Ein intaktes<br />
Hochmoor braucht keine Pflege, höchstens<br />
Schutz vor negativen Eingriffen. Wir haben<br />
allerdings nicht so grosse Regenerationsflächen<br />
wie in Deutschland – aber mindestens<br />
so viele technische <strong>und</strong> „sozioökonomische“<br />
Herausforderungen.<br />
Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz haben derzeit<br />
politisch <strong>und</strong> auch in den Köpfen der meisten<br />
Menschen einen schweren Stand. Dies wurde<br />
unter anderem auch in der Aufhebung des<br />
Lehrstuhls für Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />
an der ETH Zürich deutlich. Spüren Sie diese<br />
Tendenz auch in Ihrer Arbeit im BAFU?<br />
Ja. Allerdings höre ich nicht nur die lauten<br />
Kritiker, sondern sehe auch die für den Schutz<br />
der Natur engagierten Akteure. Persönliche<br />
bezweifle ich, dass die meisten Menschen<br />
Mühe mit dem Natur- <strong>und</strong> Landschaftschutz<br />
haben.<br />
Wird sich diese Entwicklung auch auf den<br />
Vollzug des Moorschutzes auswirken?<br />
Von der gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage her haben<br />
wir ein solides F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> wir – Behörden<br />
von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen, Nutzer, Organisationen<br />
– haben schon viel erreicht <strong>und</strong><br />
ein robustes Haus gebaut. Gesell schaft liche
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Gerade in der hochalpinen Region<br />
bilden Moore wichtige Land schaftselemente,<br />
Flach moor mit Schwingrasen<br />
in der Moor landschaft<br />
Grosse Scheidegg BE.<br />
Foto: BAFU<br />
Veränderung gibt es permanent <strong>und</strong> diese<br />
haben immer eine Auswirkung. Diese nehmen<br />
wir ernst <strong>und</strong> können mit dem bewährten<br />
Dialog unsere Chancen wahrnehmen.<br />
Unser Ziel ist vorgegeben – doch es sind oft<br />
verschiedene Wege möglich <strong>und</strong> nötig.<br />
Wie muss es mit dem Moorschutz in den nächsten<br />
Jahren weitergehen?<br />
Zunächst gilt es, die Schutzlegung, welche in<br />
einigen Kantonen noch im Gang ist, abzuschliessen,<br />
um sich dann dem Vollzug zu<br />
widmen. Darüber hinaus schliesse ich an der<br />
vorangegangenen Frage an <strong>und</strong> komme<br />
wieder zurück zum Anfang: Der Moorschutz<br />
kann nicht isoliert betrachtet werden. In der<br />
Landschaft ist er ein Teil eines grösseren,<br />
natürlichen <strong>und</strong> sozioökonomischen Sys tems,<br />
der zusammen mit weiteren Bioto pen ein<br />
zentraler Pfeiler zur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung<br />
der Biodiversität in unserem Land darstellt.<br />
Rothenthurm war „nur“ der Auslöser.<br />
Eigentlich müssten wir jetzt Rothenthurm<br />
vergessen <strong>und</strong> mit den bewährten Instrumenten<br />
<strong>und</strong> auf unseren solide erarbeiteten<br />
Gr<strong>und</strong>lagen weiter gehen zur „flächendeckenden<br />
Erhaltung der Biodiversität“. Opera tiv<br />
werden die „Biotop inventare“ im BAFU in<br />
Zukunft eine Einheit sein <strong>und</strong> organisatorisch<br />
sind wir mit weiteren Bereichen wie der<br />
Waldbiodiversität, der Jagd <strong>und</strong> Fischerei<br />
unter demselben Dach des Artenmanagements.<br />
Herr Waldis, wir danken Ihnen für dieses<br />
Gespräch1.<br />
Rolf Waldis<br />
Dr. phil. nat., Biologe<br />
B<strong>und</strong>esamt für Umwelt BAFU<br />
Abteilung Artenmanagement<br />
CH-3003 Bern<br />
Tel.: +41 (0)31 322 93 61<br />
E-Mail: rolf.waldis@<br />
bafu.admin.ch<br />
1 Das Interview mit Herrn Waldis führte Günther<br />
Frauenlob, Redaktion <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>.<br />
Seite 7
Artenschutz<br />
Erfolgreiches Jahr des Eisvogels<br />
Der Eisvogel, Vogel des Jahres 2006 des Schweizer Vogelschutzes SVS/<br />
BirdLife Schweiz, war ein Jahr lang Botschafter für die W<strong>und</strong>er der Natur.<br />
Der farbenprächtige Vertreter der heimischen Vogelwelt hat in diesem<br />
Jahr vieles bewirken können: dem Aufruf, Artenförderungsmassnahmen<br />
umzusetzen, folgten zahlreiche Natur- <strong>und</strong> Vogelschutzvereine, Privatpersonen<br />
<strong>und</strong> Gemeinden.<br />
Christa Glauser<br />
Der Eisvogel, Vogel des Jahres 2006, ist ein<br />
wahres Juwel unter den einheimischen<br />
Vogelarten. Die rot-orange Unterseite, der<br />
blau schillernde Rücken <strong>und</strong> Schwanz geben<br />
dem Eisvogel ein exotisches Aussehen.<br />
In der Schweiz besiedelt der Eisvogel mässig<br />
schnell fliessende Bäche <strong>und</strong> Flüsse sowie<br />
Teiche <strong>und</strong> Seen in den Niederungen. Er<br />
braucht einen reichen Kleinfischbestand als<br />
Nahrung, genügend Schilf, Büsche <strong>und</strong><br />
Bäume an den Ufern, von denen aus er jagen<br />
kann, <strong>und</strong> ungestörte, nicht bewachsene<br />
Steilwände im Uferbereich, in die er seine<br />
Brutröhre hinein gräbt.<br />
Sympathieträger Eisvogel<br />
Über 40 Presseartikel sowie 5 Radio- <strong>und</strong><br />
Fernsehsendungen, hatten in diesem Jahr in<br />
der Schweiz den Eisvogel zum Thema. Die<br />
zwei Eisvogelausstellungen in den SVS-<br />
Naturschutzzentren Neeracherried <strong>und</strong> La<br />
Sauge wurden mit 10‘000 respektive 14‘000<br />
Eintritten rege frequentiert. Viel Erfolg hatten<br />
insbesondere die Live-Beobachtungen<br />
der Eisvögel an ihrer Brutwand im SVS-<br />
Naturschutzzentrum La Sauge. Dieses Jahr<br />
konnte die Art dort zwei erfolgreiche Bruten<br />
durchführen <strong>und</strong> insgesamt zehn Junge aufziehen.<br />
Mit all diesen Aktivitäten gewann der<br />
Eisvogel viele neue Fre<strong>und</strong>e.<br />
Mangel an geeigneten<br />
Nistmöglichkeiten<br />
Vielerorts kämpft der Eisvogel aber mit einem<br />
Mangel an geeigneten Nistmöglichkeiten.<br />
Die Uferpartien der Flüsse sind oft verbaut<br />
oder weisen keine geeigneten Steilwände<br />
Künstliche Brutwände für den<br />
Eisvogel werden am besten in<br />
bestehende Hänge eingepasst.<br />
Foto: Georg Willi<br />
Seite 8 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
mehr auf. Zum Vogel des Jahres gab der<br />
Schweizer Vogelschutz SVS ein Faltblatt zum<br />
Bau von Eisvogelbrutwänden heraus. Erste<br />
Anlagen wurden bereits in diesem Jahr für<br />
den Eisvogel errichtet, wie zum Beispiel die<br />
zwei durch den Naturschutzverein Mumpf<br />
am Rheinufer in Stein errichteten Wände<br />
oder die neue Brutmöglichkeit am grossen<br />
Teich im Neeracherried. Weitere lokale Natur-<br />
<strong>und</strong> Vogelschutzvereine starteten im letzten<br />
Jahr Projekte für den Eisvogel, die in den<br />
nächsten Jahren realisiert werden.<br />
Unterdurchschnittlicher<br />
Bruterfolg<br />
Nach den zwei strengen Wintern 04/05 <strong>und</strong><br />
05/06, die der Eisvogelpopulation stark zugesetzt<br />
haben, folgten auch mit dem Frühjahr<br />
2006 ungünstige klimatische Bedingungen:<br />
der Frühling war überdurchschnittlich nass,<br />
was zu Hochwassern führte <strong>und</strong> die eine<br />
oder andere Bruthöhle unter Wasser setzte.<br />
Ausserdem bedingte das schlechte Wetter<br />
eine Verzögerung des Brutgeschäftes.<br />
Aus diesen Gründen brütete der Eisvo gel<br />
weniger, was vielerorts zu einem unterdurchschnittlichen<br />
Bruterfolg geführt hat.<br />
Bei günstigem Wetterverlauf kann der Eis-<br />
Überhängende Äste über dem<br />
Wasser gehören zu den Lebensraumansprüchen<br />
des Eisvogels.<br />
Foto: Carl Antonio Balzari/SVS<br />
vogel bis zu dreimal brüten <strong>und</strong> damit ein<br />
Bestandestief rasch überwinden.<br />
Botschafter für die biologische<br />
Vielfalt<br />
Der Eisvogel war im letzten Jahr nicht nur<br />
Botschafter für sich selbst <strong>und</strong> für seinen<br />
Lebensraum, sondern auch für die grosse<br />
biologische Vielfalt unseres Landes. In den<br />
letzten Jahrzehnten hat die Biodiversität in<br />
unserem Land, wie auch weltweit, kontinuierlich<br />
abgenommen. An der Konferenz von<br />
Rio haben sich die verschiedenen Landesregierungen<br />
verpflichtet, diesen Rückgang<br />
bis 2010 zu stoppen. Landschaftsschutz massnahmen,<br />
Re<strong>natur</strong>ierungen <strong>und</strong> konkrete<br />
Arten förderungsprogramme, wie sie unter<br />
anderem vom Schweizer Vogelschutz SVS/<br />
BirdLife Schweiz durchgeführt werden, leisten<br />
einen grossen Beitrag dazu.<br />
Christa Glauser<br />
Schweizer Vogelschutz<br />
SVS/BirdLife Schweiz<br />
Postfach<br />
8036 Zürich<br />
Tel: 044 457 70 24
Foto: photocase.de<br />
Aufmerksam sein.<br />
Entwicklungen verfolgen.<br />
Dahin plätschern lassen?<br />
Eingreifen. Lenken.<br />
Nicht frankieren<br />
Ne pas aff ranchir<br />
Non aff rancare<br />
Abonnementsbestellung / Anmeldung der Mitgliedschaft<br />
Ja, ich möchte<br />
Ein Jahresabonnement der Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ (Fr. 45.00)<br />
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c/o <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />
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CH-8200 Schaff hausen<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Ihr Engagement<br />
im Rheinaub<strong>und</strong><br />
bedeutet sehr viel,<br />
vielleicht mehr als<br />
Sie erwarten.<br />
Seite 9
Artenschutz<br />
40 Jahre internationale<br />
Wasservogelzählungen<br />
Eines der grössten Überwachungsprojekte in der Tierwelt feiert<br />
Geburtstag: Seit 40 Jahren zählen Tausende von Freiwilligen jeweils<br />
Mitte Januar in ganz Europa die Wasservögel. In der Schweiz werden so<br />
jedes Jahr eine halbe Million Enten, Taucher <strong>und</strong> Möwen registriert.<br />
Dank dieser Gr<strong>und</strong>lagen konnten Reservate ausgeschieden <strong>und</strong> die<br />
Jagd nachhaltig gestaltet werden.<br />
Verena Keller, Matthias Kestenholz<br />
Eigentlich beginnt die Geschichte der<br />
Wasservogelzählungen schon früher. Bereits<br />
Anfang der Fünfzigerjahre zählten engagierte<br />
Ornithologen die Wasservögel auf verschiedenen<br />
Gewässern in Europa. Aufgr<strong>und</strong><br />
dieser Erfahrungen wurden 1967 die internationalen<br />
Wasservogelzählungen auf Mitte<br />
Januar gelegt – das erste europaweite Programm<br />
zur Überwachung von Vogel beständen<br />
war geboren. Heute hat sich das<br />
Programm über Europa hinaus ausgedehnt.<br />
Auch in Afrika <strong>und</strong> Asien machen immer<br />
mehr Länder am Programm mit. Die Ergebnisse<br />
werden von Wetlands Interna tional, der<br />
internationalen Organisation zum Schutz<br />
der Feuchtgebiete, zentral verwaltet.<br />
Konzentrierte Erfassung<br />
Mitte Januar lassen sich die Wasservögel<br />
be son ders gut erfassen, weil sie sich im<br />
Winterquartier in grossen Schwärmen zu sam<strong>mensch</strong>liessen,<br />
wogegen sie sich zur Brutzeit<br />
auf unzählige Gewässer, oft in schwer zugänglichen<br />
Gebieten, verteilen. Die meisten Wasser-<br />
Seite 10 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
vögel, die wir im Winter in der Schweiz beobachten,<br />
stammen aus Nord- <strong>und</strong> Osteuropa.<br />
Die r<strong>und</strong> 150‘000 Reiherenten – in der Schweiz<br />
der häufigste Wintergast – kommen vorwiegend<br />
aus Russland, der weiteste F<strong>und</strong> einer<br />
beringten Reiherente stammt gar aus Ost si birien,<br />
8000 km von der Schweiz entfernt. Doch<br />
gibt es auch Arten, die den umgekehrten Weg<br />
wählen: Die meisten der 20‘000 bis 25‘000<br />
Kolbenenten kommen aus Spanien zu uns.<br />
Gr<strong>und</strong>lage für Schutz der<br />
Wasservögel<br />
In den vierzig Jahren hat sich viel verändert.<br />
Die Ausbreitung der Wandermuschel in den<br />
Siebzigerjahren lieferte Reiherente, Tafelente<br />
<strong>und</strong> Blässhuhn eine neue Nahrungsquelle,<br />
worauf ihre Bestände stark zunahmen. In<br />
den Neunzigerjahren nahm die Zahl der Kolbenenten<br />
rasant zu – eine Folge der Ver besserung<br />
der Wasserqualität in den Schweizer<br />
Seen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Ver mehrung<br />
der Armleuchteralgen, ihrer bevorzugten<br />
Nahrung. Stark zurückgegangen sind<br />
umgekehrt die Bestände des Zwergtauchers,<br />
die Gründe dafür sind noch unklar.<br />
Die Wasservogelzählungen lieferten die Basis<br />
für die Inventare der Wasservogelgebiete<br />
von internationaler <strong>und</strong> nationaler Bedeutung.<br />
Die wichtigsten davon wurden vom<br />
B<strong>und</strong> zu Reservaten erklärt. Der Schutz der<br />
Wasservögel hat in der Schweiz einen hohen<br />
Stand erreicht – die Wasservögel danken es<br />
Gemischter Tauchentenschwarm<br />
bei Cheyres VD:<br />
Die Schilfufer am<br />
Neuenburgersee gehören zu<br />
Europas bedeutendsten<br />
Rastplätzen für Wasservögel.<br />
Foto: V. Keller / Schweizerische<br />
Vogelwarte Sempach<br />
Wasservogelzählerin im Einsatz:<br />
Bei Wind <strong>und</strong> Wetter sind über<br />
300 Ehrenamtliche der Schweizerischen<br />
Vogelwarte Sempach<br />
unterwegs, um alle Wasservögel<br />
in der Schweiz zu zählen.<br />
Foto: M. Burkhardt / Schweizerische<br />
Vogelwarte Sempach<br />
mit stabilen bis steigenden Beständen. Auch<br />
im Zusammenhang mit der Vogelgrippe leisten<br />
die Daten über Wasservögel wertvolle<br />
Dienste. Das langfristig angelegte Projekt<br />
der Schweizerischen Vogelwarte Sempach<br />
hilft bei der Abschätzung von Risiken.<br />
Gemeinschaftswerk<br />
In der Schweiz beteiligen sich über 300 freiwillige<br />
Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter der<br />
Schweizerischen Vogelwarte Sempach an den<br />
Zählungen. Zusätzlich zur Januarzählung<br />
findet jeweils eine Zählung Mitte November<br />
statt, <strong>und</strong> in den Wasservogelreservaten<br />
von internationaler Bedeutung werden die<br />
Wasser vögel im Winterhalbjahr gar monatlich<br />
gezählt.<br />
Am diesjährigen Zähl-Wochenende vom<br />
13./14. Januar 2007 hatten die Zählerinnen<br />
<strong>und</strong> Zähler etwas weniger zu tun, als in den<br />
vergangenen Jahren, da einige der nordischen<br />
Arten wegen des milden Winters weniger<br />
zahlreich erschienen sind.<br />
Verena Keller<br />
Nationale Koordinatorin<br />
der Wasservogelzählungen<br />
Schweizerische Vogelwarte<br />
6204 Sempach<br />
Tel. 041 462 97 20<br />
verena.keller@vogelwarte.ch<br />
Matthias Kestenholz<br />
Leiter Kommunikation<br />
Schweizerische Vogelwarte<br />
6204 Sempach<br />
Tel. 041 462 97 45<br />
matthias.kestenholz@<br />
vogelwarte.ch
Der Rhein – 20 Jahre nach Sandoz<br />
20 Jahre nach Sandoz stellt sich die Frage, ob wir heute am Rhein<br />
ökologisch so weit wären, wenn es den Brandunfall in Schweizerhalle<br />
nicht gegeben hätte?<br />
Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />
Was geschah am 1. November 1986? Mit<br />
dem Löschwasser aus der Bekämpfung eines<br />
Lagerhallenbrandes der Firma Sandoz<br />
gelangten etwa 20 t Insektizide, Fungizide<br />
<strong>und</strong> Herbizide bei Basel in den Rhein. Diese<br />
akute Vergiftung führte zu einem massiven<br />
Fischsterben über H<strong>und</strong>erte von Kilometern,<br />
insbesondere Aale waren betroffen. Im<br />
Nahbereich der Löschwassereinleitung starb<br />
die komplette Wasserlebewelt. Die Trinkwasser<br />
entnahme aus Rhein nahen Trinkwasser<br />
brunnen <strong>und</strong> aus dem Rhein wurde<br />
bis in die Niederlande eingestellt. Die belasteten<br />
Sedimente im Unfallnahbereich mussten<br />
vollständig entfernt werden. Die Bevölkerung<br />
reagierte mit Menschenketten auf<br />
allen Rheinbrücken <strong>und</strong> zeigte so der Politik,<br />
dass rasches umweltpolitisches Handeln<br />
erforderlich war.<br />
Aus heutiger Sicht kann festgestellt werden:<br />
Der Sandoz – Brandunfall hat viel bewegt<br />
<strong>und</strong> einen deutlichen Paradigmenwechsel in<br />
der westeuropäischen Wasserwirtschaft eingeleitet.<br />
Dreimal innerhalb von elf Monaten<br />
trafen sich die für den Schutz des Rheins<br />
zuständigen Minister der Schweiz, Frankreichs,<br />
Deutschlands, Luxemburgs, der Nieder<br />
lande sowie der zuständige Kommissar<br />
der EG, um Ende September 1987 ein ehrgeiziges<br />
Sanierungsprojekt für den Rhein auf<br />
den Weg zu bringen, erstmals mit ökologischen<br />
Vorgaben für einen grossen Strom.<br />
Bekannt als „Lachs 2000“ sollten im Jahr 2000<br />
nicht nur wieder Lachse im Rhein schwimmen,<br />
sondern die Schadstoffbelastung des<br />
Rheinwassers sollte so massiv zurückgedrängt<br />
werden, dass die Trinkwasser ge winnung<br />
aus Rheinwasser gewährleistet werden<br />
konnte <strong>und</strong> die Verlagerung von Baggergut<br />
kein Umweltproblem mehr darstellte.<br />
Was war seinerzeit so neu? Bis in die 80er<br />
Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts konzentrierte<br />
sich die internationale Zusammenarbeit in<br />
der IKSR auf die Aufstellung eines chemischphysikalischen<br />
Überwachungsprogramms<br />
<strong>und</strong> - um Massnahmen in die Wege zu leiten<br />
– auf die Ausarbeitung völkerrechtlicher<br />
Übereinkommen, deren Ratifizierung <strong>und</strong><br />
Umsetzung viele Jahre in Anspruch nahmen.<br />
Zu nennen sind hier das Chemie- <strong>und</strong> Chloridübereinkommen.<br />
Das „Aktionsprogramm Rhein“<br />
<strong>und</strong> seine Erfolge<br />
Das Aktionsprogramm Rhein (APR) – wie der<br />
offizielle Name von „Lachs 2000“ lautete –<br />
enthielt erstmals zahlenmässige <strong>und</strong> damit<br />
nachprüfbare Ziele wie z.B. die klare Auff orde<br />
rung, im Zeitraum 1985-1995 die Schadstoffeinleitungen<br />
der sog. „prioritären“ Stoffe<br />
um 50% bzw. bei den Schwermetallen um<br />
70% zu reduzieren, um das Ökosystem wieder<br />
in einen Zustand zu versetzen, der Lach sen<br />
eine Rückkehr ermöglicht. Dabei handelte es<br />
sich um ein politisches Programm der Rheinanliegerstaaten,<br />
eine bindende rechtliche<br />
Verpflichtung zur Umsetzung gab es nicht.<br />
Das Aktionsprogramm Rhein liess den Mitgliedstaaten<br />
weitgehend Freiheit bei der<br />
Massnahmenwahl. Das öffentliche Interesse<br />
<strong>und</strong> das zu diesem Zeitpunkt in Westeuropa<br />
wieder aufgebaute Vertrauen zwischen den<br />
Anrainerstaaten ermöglichte ein solches<br />
Vorgehen. Eine Kontrolle über die Reali sierung<br />
der Massnahmen <strong>und</strong> deren Wirkung<br />
erfolgte über Berichtspflichten in der IKSR.<br />
Am Rhein wurden mit diesem Programm<br />
grosse Erfolge erzielt. Die gesetzten Redu zierungs<br />
ziele wurden mehr als erfüllt. Bereits<br />
früher <strong>und</strong> mit weit höheren Prozentsätzen<br />
als vorgesehen, wurden die Einleitungen aus<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Plenarsitzung: IKSR-Plenarsitzung,<br />
Metz, 20./21. Juni 2006<br />
Industrie <strong>und</strong> Kommunen – wie die Tabelle<br />
auf Seite 12 belegt – massiv zurückgedrängt<br />
oder waren im Jahr 2000 nicht mehr nachweisbar.<br />
1993 hat die IKSR im Rahmen des APR so<br />
genannte Zielvorgaben genehmigt, die bei<br />
der Bewertung der festgestellten Schadstoff<br />
– Konzentrationen an den Rhein - Messstellen<br />
helfen sollten.<br />
„Zielvorgabe erreicht“ heisst: Der Stoff hat<br />
einen festgelegten Höchstwert nicht überschritten.<br />
Die Höchstwerte berücksichtigen<br />
folgende schützenswerte Ressourcen <strong>und</strong><br />
deren Nutzung: Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt<br />
(NOEC – Werte = „no observed effect concentrations“),<br />
Fischerei, Trinkwasserversorgung,<br />
Schwebstoffe <strong>und</strong> Sedimente sowie die<br />
Meeres umwelt. Wie aus der Ergebnis-Tabelle<br />
der 66 Substanzen bzw. Substanzgruppen<br />
hervorgeht, haben nach Ablauf des Aktionsprogramms<br />
Rhein nach den Messun gen an<br />
den internationalen Mess-Stationen nur weni -<br />
ge Stoffe die Zielvorgaben der IKSR nicht<br />
erreicht. Die deutliche Abnahme der eingeleiteten<br />
Schadstoff men gen wirkte sich also auch<br />
positiv auf die Gewässerqualität aus. Die<br />
heute noch problematischen Stoffe werden<br />
vor allem diffus in den Rhein eingetragen.<br />
Und nachdem sich die Wasserqualität so<br />
deutlich verbessert hat: wie sieht es mit der<br />
Wiederansiedlung der Lachse im Rheinsystem<br />
aus? Nach der etwa 1993 begonnenen Lachswieder<br />
ansiedlung in verschiedenen Rheinnebenflüssen<br />
sind bis Ende Dezember 2005<br />
mehr als 3000 erwachsene Lachse nachweislich<br />
in das Rheinsystem zurückgekehrt, um<br />
sich in ihren „Heimatbächen“ zu vermehren.<br />
Ihre wirkliche Zahl liegt wesentlich höher, da<br />
nicht alle bei ihrer Rückreise in die Heimatbäche<br />
durch Kontrollen erfasst werden. Viele<br />
Nebenflüsse wie Sieg, Ahr, Saynbach, Alb,<br />
Murg, Ill, Kinzig u.a. bieten heute geeignete<br />
Lebensräume für Elterntiere <strong>und</strong> Junglachse.<br />
Seite 11
Gewässer<br />
Mitte 2000 wurde im Rhein selbst am Stauwehr<br />
Iff ezheim der erste grosse Fischpass im<br />
Oberrhein in Betrieb genommen <strong>und</strong> im<br />
April 2006 der zweite am Stauwehr Gambsheim.<br />
Die bisherigen Aufstiegs ergebnisse an<br />
diesen beiden Fischpässen sind erfreulich<br />
<strong>und</strong> das gilt nicht nur für Lachse, sondern<br />
auch für viele andere Fischarten, die diese<br />
Aufstiegsmöglichkeit nutzen. Für die Wiederherstellung<br />
der Fischpassierbarkeit des<br />
Rheins bis in die Region Basel liegt jetzt eine<br />
Machbarkeitsstudie vor.<br />
Aktionsplan Hochwasser <strong>und</strong><br />
seine Umsetzung<br />
1995 zeigte das zweite grosse Rheinhochwasser<br />
mit der Evakuierung von mehr als<br />
200.000 Menschen <strong>und</strong> einigen Millionen<br />
Tieren in den Niederlanden auf, dass auch<br />
Hochwasser niemals an von Menschen gezogenen<br />
Grenzen halt macht <strong>und</strong> die Einbeziehung<br />
des gesamten Rhein einzugsgebietes,<br />
also eine internationale Zusammenarbeit<br />
geradezu herausfordert. Das Weihnachtshochwasser<br />
1993 hatte den Deichen am<br />
Niederrhein <strong>und</strong> im Deltagebiet bereits stark<br />
zugesetzt <strong>und</strong> diese so stark durchfeuchtet,<br />
so dass knapp 13 Monate später im Januar<br />
2005 die Furcht vor Deichbrüchen gross war.<br />
Die Politik handelte wiederum unmittelbar.<br />
Die IKSR, die Saar-Mosel-Kommissionen <strong>und</strong><br />
die Maas kommission erhielten in der Erklärung<br />
der EU-Umweltminister von Arles<br />
(04.02.1995) den Auftrag, konkrete Aktionspläne<br />
zum Hochwasser aufzustellen. Die<br />
positiven Erfah rungen mit der Umsetzung<br />
des „politisch beschlossenen“ Aktionsprogramms<br />
Rhein sprachen also bereits für<br />
sich.<br />
Ursache für die Zunahme der Hochwasserbedrohung<br />
am Rhein ist u.a. der Rückgang<br />
der natürlichen Überschwemmungsgebiete<br />
nach Ausbau, Begradigung <strong>und</strong> Eindeichung<br />
um mehr als 85 %. Mit der intensiven Nutzung<br />
des Rheins <strong>und</strong> seiner Aue bzw. der<br />
Überschwemmungsgebiete ging in Ballungsgebieten<br />
eine rapide Zunahme der Bodenversiegelung<br />
<strong>und</strong> Bodenverdichtung einher.<br />
Diese Veränderungen führten zu einer anthro<br />
pogen bedingten deutlichen Beschleu nigung<br />
von Hochwasserwellen <strong>und</strong> zu einem<br />
Anstieg des Hochwasserscheitels. Hinzu<br />
Seite 12 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
kamen Überlagerungen mit Hoch wasser wellen<br />
aus Nebenfl üssen im Rhein sys tem wie<br />
z.B. aus dem Neckar.<br />
Gleichzeitig entwickelte sich eine dichte<br />
Besiedlung <strong>und</strong> intensive Nutzung in der<br />
Hochwasser gefährdeten Aue. Gerade diese<br />
Gebiete weisen teilweise extrem hohe<br />
Hochwasserschadenrisiken auf, die im Rhein<br />
Atlas 2001 der IKSR für überschwemmungsgefährdete<br />
Gebiete am Hauptstrom – auch<br />
hinter Deichen - verdeutlicht werden. Diese<br />
Entwicklungstendenz ist derzeit ungebrochen.<br />
Die Darstellung der möglichen Schäden<br />
bei Extremhochwasser in Gesamt höhe<br />
von etwa 165 Milliarden Euro zeigt die<br />
ökonomi sche Notwendigkeit der raschen<br />
Umsetzung des Aktionsplans Hochwasser<br />
mehr als deutlich auf. Die Umsetzungskosten<br />
bis 2020 wurden 1998 auf 12,3 Milliarden<br />
Euro geschätzt.<br />
Schutzmassnahmen in besiedelten, mit<br />
hohen Schadenpotenzialen versehenen Räumen<br />
sind jedoch nur möglich, wenn dem<br />
Rhein zur Hochwasserentlastung heute noch<br />
verfügbare freie oder landwirtschaftlich<br />
genutzte Flächen wieder als Über schwemmungsgebiete<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
Nur durch Hochwasser entlastung in<br />
Bereichen mit niedrigem Schadenpotenzial<br />
ist ein Hochwasserschutz in Ballungsräumen,<br />
also den dicht besiedelten Bereichen, möglich.<br />
Dieses geschieht zumeist durch den Bau<br />
von Hochwasserrückhalteräumen, die sich<br />
da durch wieder zu <strong>natur</strong>nahen Auen<br />
entwickeln können <strong>und</strong> entsprechende<br />
Massnah men im gesamten Gewässersystem,<br />
die den Wasserrückhalt fördern. Dabei geht<br />
es beispielsweise um Extensivierungen der<br />
Bodennutzung, um Laufverlängerungen der<br />
Nebenfl üsse <strong>und</strong> Auenreaktivierungen. Ein<br />
Teil dieser Massnahmen ist bereits realisiert,<br />
viele weitere befi nden sich derzeit in unterschiedlichen<br />
Planungsphasen. Viele der Massnahmen,<br />
die der Hochwasservorsorge <strong>und</strong><br />
dem Wasserrückhalt dienen, wirken sich<br />
gleichfalls positiv auf das Ökosystem insgesamt<br />
aus, häufi g kann hier von „Win-Win-<br />
Situationen“ gesprochen werden.<br />
Abnahme der punktförmigen Einleitungen von 1985 bis 2000
Lachsgewässer im Ill- Brûche-Gebiet (Elsass)<br />
Das IKSR-Programm<br />
„Rhein 2020“<br />
Im Jahr 2001 verabschiedeten die für den<br />
Gewässerschutz am Rhein zuständigen<br />
Minister „Rhein 2020 – das Programm zur<br />
nachhaltigen Entwicklung des Rheins“, mit<br />
dem die Verbesserungen fortgesetzt <strong>und</strong> die<br />
Bereiche Wasserqualität, Ökologie, Hochwasser<br />
vorsorge <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasserschutz eng<br />
miteinander verknüpft werden sollen. Das<br />
Programm „Rhein 2020“ wird in den EU-<br />
Staaten massgeblich durch die Umsetzung<br />
der EG – Wasserrahmenrichtlinie (22. Dezember<br />
2000), nach der alle Gewässer bis 2015<br />
einen guten Zustand aufweisen sollen, unterstützt.<br />
Es kann festgestellt werden, die internationalen<br />
Gewässerschutzarbeiten am Rhein<br />
wiesen auch der Wasserwirtschaft in Europa<br />
den Weg. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie<br />
sowie die Hochwasserrichtlinie, die kurz vor<br />
der Fertigstellung steht, stützen sich auf die<br />
grenzüberschreitende Koordination <strong>und</strong><br />
Vorarbeit der IKSR.<br />
Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied unterstützt<br />
die EU-Staaten bei der Koordinierung im<br />
Rheineinzugsgebiet auf der Gr<strong>und</strong>lage ihrer<br />
nationalen Gesetzgebung, wodurch sie ihren<br />
Willen zur Zusammenarbeit mit der Euro päischen<br />
Union auf dem Gebiet der Wasserpolitik<br />
ausdrückt.<br />
Fazit<br />
Der Brandunfall bei Sandoz in Schweizerhalle<br />
hatte die Politik <strong>und</strong> die Öff entlichkeit wach<br />
gerüttelt <strong>und</strong> sehr viel bewegt. Aus heutiger<br />
Sicht kann festgehalten werden: Ohne diesen<br />
„Unfall zur rechten Zeit“ <strong>und</strong> ohne die<br />
Rheinhochwasserereignisse 1993 <strong>und</strong> 1995<br />
wären die Entwicklungen weder im Gewässerschutz<br />
noch in der Hochwasser vorsorge<br />
am Rhein auf dem heutigen Stand. Der<br />
rechte Zeitpunkt war extrem wichtig.<br />
Ausschnitt Fischpass Gambsheim alle Fotos: IKSR, Koblenz<br />
Die Zielvorgaben für prioritäre Stoff e im Rheinwasser wurden ...<br />
Zum Vergleich: Eine störfallbedingte Endosulfan<br />
– Einleitung im Jahr 1969, die ein<br />
massi ves Fischsterben in Main <strong>und</strong> Rhein zur<br />
Folge nach sich zog, hatte seinerzeit noch<br />
keine um welt politischen Konsequenzen. Der<br />
San doz-Unfall im Tschernobyl- Jahr 1986 traf<br />
auf ein völlig anderes Umweltbewusstsein<br />
in West europa. Öff entlichkeit <strong>und</strong> Politik<br />
rea gier ten unmittelbar.<br />
Aus der in den 70er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
„grössten Kloake Europas“ ist heute<br />
ein lebendiger Strom geworden, in dem z.B.<br />
auch Lachse wieder leben. Dennoch sind<br />
längst nicht alle Probleme gelöst. Lachse<br />
schwimmen heute bis etwa Strassburg<br />
stromaufwärts, erreichen Basel wegen weiterer<br />
unüberwindbarer Staustufen jedoch noch<br />
nicht. Dafür sind weitere Aktionen vonnöten.<br />
Schwermetalle wie Zink, Kupfer <strong>und</strong> Cad-<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
mium, aber auch einige Pestizide <strong>und</strong> der<br />
Nähr stoff Stickstoff , die vorwiegend diff us in<br />
den Rhein gelangen, erfordern weiterhin<br />
grosse Aufmerksamkeit.<br />
Weitere Informationen: www.iksr.org<br />
Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />
Internationale Kommission<br />
zum Schutz des Rheins (IKSR)<br />
Stellvertretende<br />
Geschäftsführerin<br />
Postfach 200 253<br />
Kaiserin-Augusta-Anlagen 15<br />
D - 56002 Koblenz<br />
Tel. +49-(0)261-94252-19<br />
anne.schultewl@iksr.de<br />
Seite 13
Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />
Verbandsbeschwerderecht –<br />
vorerst gerettet?<br />
Das Verbandsbeschwerderecht steht seit Jahren unter politischem<br />
Beschuss. Jetzt mehren sich die Anzeichen dafür, dass es auf nationaler<br />
Ebene vorerst gerettet ist.<br />
Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />
Wer die parlamentarische Debatte über das<br />
Verbandsbeschwerderecht verfolgen wollte,<br />
musste einen langen Atem haben: Die parlamentarische<br />
Initiative «Vereinfachung der<br />
Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Verhin<br />
derung von Missbräuchen durch eine<br />
Präzisierung des Verbandsbeschwerderecht<br />
es» wurde von Ständerat Hans Hofmann am<br />
19. Juni 2002 eingereicht <strong>und</strong> 4 1/2 Jahre<br />
später am 14. Dezember 2006 abgeschlossen.<br />
Dazwischen lagen acht Plenardebatten,<br />
20 Kommissionssitzungen, zwei Hearings,<br />
eine Vernehmlassung zu einem Kommissionsbericht,<br />
Ämterkonsultationen <strong>und</strong> eine<br />
Stellung nahme des B<strong>und</strong>esrates. In diesem<br />
Zeitraum wurden 26 weitere Vorstösse zum<br />
Verbandsbeschwerderecht eingereicht <strong>und</strong><br />
bis Januar 2007 bis auf fünf alle erledigt. Am<br />
11. Mai 2006 reichte zudem der Zürcher<br />
Frei sinn zusammen mit 17 Kan tonal parteien<br />
die Initiative «Verbandsbeschwerderecht:<br />
Schluss mit der Ver hinde rungspolitik – Mehr<br />
Wachstum für die Schweiz» ein.<br />
Seite 14 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Die Initiative bezweckt nichts anderes als<br />
einen Maulkorb für die Umweltorganisationen<br />
bei sämtlichen mittleren <strong>und</strong> grösseren<br />
Bauprojekten. Zahlreiche prominente FDP-<br />
Mitglieder <strong>und</strong> bürgerliche Parlamentarier/<br />
innen äussern sich gegen diese Initiative.<br />
Gleiches tat am 13. September 2006 der<br />
Gesamtb<strong>und</strong>esrat. Er empfiehlt die Initiative<br />
zur Ablehnung. Dennoch wird in Zürich weiter<br />
an dieser <strong>und</strong>emokratischen, <strong>natur</strong>feindlichen<br />
<strong>und</strong> angesichts des derzeitigen Wirtschaftsbooms<br />
anachronistischen Initiative<br />
festgehalten.<br />
Kein Missbrauch des Verbandsbeschwerderechts<br />
Die ausgedehnte Beschäftigung mit dem<br />
Beschwerderecht von Umweltorganisationen<br />
<strong>und</strong> Natursportverbänden hat mehr mit<br />
Politik marketing als mit sachlicher Notwendigkeit<br />
zu tun. Die Argumente gegen das<br />
Beschwerderecht – bei aller Selbstkritik, die<br />
auch in unseren Kreisen zu üben ist – muteten<br />
grotesk an: Da wurde von nachweislich<br />
20 Milliarden blockierter Bausumme durch<br />
Verbandsbeschwerden gesprochen <strong>und</strong> man<br />
warf den Verbänden gar missbräuchliche<br />
Geld zahlungen <strong>und</strong> erpresserisches Ver halten<br />
in Verhandlungen vor. Auf die Frage nach<br />
konkreten Beweisen lösten sich die Vorwürfe<br />
rasch in Schall <strong>und</strong> Rauch auf. Weder die<br />
Rechtskommission des Ständerates noch der<br />
B<strong>und</strong>esrat konnten offensichtliche Missbräuche<br />
feststellen. Auch Rechts pro fessoren<br />
haben in Vorträgen, wissenschaftlichen<br />
Artikeln <strong>und</strong> Büchern immer wieder auf die<br />
Notwendigkeit, die Effizienz <strong>und</strong> die Erfolgsbilanz<br />
der Verbandsbeschwerdetätigkeit hingewiesen.<br />
Der 2003 angerollte Zug der parlamentarischen<br />
Initiative Hofmann, angetrieben 2004<br />
durch den «Fall Hardturmstadion», durch die<br />
Einkaufszentren-Debatte <strong>und</strong> einzelne unge<br />
schickt agierende Verbandsvertreter,<br />
konnte nicht mehr gestoppt werden. Im<br />
Sinne des konfuzianischen Spruches «Der<br />
Weg ist das Ziel» wurde seit 1990 praktisch in<br />
jedem Jahr das Verbandsbeschwerderecht<br />
auf die politische Traktandenliste gesetzt.<br />
Dieser Rebberg von Castel -<br />
rotto (Gemeinde Croglio TI)<br />
konnte dank der Beschwerde<br />
der SL vor der Überbauung<br />
gerettet werden.<br />
Foto: R. Rodewald
• Die Einsprachemöglichkeiten werden<br />
durch die Beschränkung des Rügebereiches<br />
der einzelnen Umwelt orga nisationen<br />
<strong>und</strong> durch den Auftrag an den<br />
B<strong>und</strong>esrat zur Neudefinition der UVPpflichtigen<br />
Bauten <strong>und</strong> Anlagen möglicherweise<br />
reduziert.<br />
• Umweltorganisationen, die es unterlassen<br />
haben, zulässige Rügen bereits in<br />
einem frühen Planungsverfahren vorzubringen,<br />
können dies in einem nachfolgenden<br />
Verfahren nicht mehr tun.<br />
• Die Verbände müssen Verfahrenskosten<br />
bezahlen, obwohl sie die Rechtsmittel<br />
nur stellvertretend für die Natur ergreifen.<br />
• Umweltschutzorganisationen können<br />
nur noch in jenen Rechtsbereichen<br />
Beschwerde führen, die sie seit 10 Jahren<br />
fachlich bearbeiten.<br />
• Ein vorzeitiger Baubeginn ist für Anlageteile<br />
zulässig, deren Ausführung durch<br />
den Ausgang des Verfahrens nicht<br />
beeinflusst werden kann.<br />
• Rechtsmittelbehörden müssen nicht auf<br />
Beschwerden eintreten, die sie als rechtsmissbräuchlich<br />
einstufen <strong>und</strong> unzulässige<br />
Leistungen einfordern.<br />
Die Natur braucht das<br />
Verbandsbeschwerderecht.<br />
Foto: Krömer-Butz SDW<br />
Neue gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Ständerat Hofmann hat sich nach Abschluss<br />
der Debatte seines Vorstosses im Dezember<br />
2006 befriedigt gezeigt. Seine Anliegen seien<br />
vollumfänglich aufgenommen worden. Aus<br />
der Sicht des Umwelt-, Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzes<br />
ein Fazit zu ziehen fällt nicht<br />
leicht. Die neuen gesetzlichen Gr<strong>und</strong> lagen<br />
von Verbandsbeschwerderecht <strong>und</strong> UVP<br />
müssen sich jetzt in der Praxis (Handhabung<br />
durch Behörden <strong>und</strong> Gerichte) bewähren.<br />
Für die SL bedeutet das neu geregelte<br />
Verbands beschwerderecht vor allem mehr<br />
Kosten, da künftig die unterlegene Partei die<br />
Verfahrens kosten zu übernehmen hat. Die<br />
Die Ergebnisse der parlamentarischen Initiative Hofmann:<br />
• Konventionalstrafen als Massnahme zur<br />
Sicherung einer Vereinbarung zwischen<br />
Gesuchstellern <strong>und</strong> Umwelt organisa tionen<br />
sind verboten.<br />
• Die beschwerdeberechtigten Organi sationen<br />
werden vom B<strong>und</strong>esrat aufgr<strong>und</strong><br />
des Umweltschutz- <strong>und</strong> Natur- <strong>und</strong> Heimat<br />
schutzgesetzes bezeichnet. Neu<br />
wird definiert, inwiefern eine Orga nisation<br />
auch wirtschaftlich tätig sein<br />
darf.<br />
• Die Beschwerdebefugnis steht neu nur<br />
noch dem obersten Exekutivorgan der<br />
Orga ni sation zu. Dieses kann ihre Unterorganisationen<br />
nur unter im Gesetz festgelegten<br />
Bedingungen zur Beschwerde<br />
ermächtigen.<br />
• Vorsorgeaspekte im Umweltverträglichkeitsbericht<br />
gehen verloren.<br />
• Vereinbarungen trotz heute für alle<br />
Seiten oft positiven Effekten dürften<br />
weniger attraktiv werden, da die Verbände<br />
damit den Entzug ihrer Beschwerde<br />
legitimation riskieren.<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Spielregeln bei Vereinbarungen werden klarer<br />
<strong>und</strong> die behördliche Übernahme der<br />
Verhandlungs ergebnisse wird zu einem zentralen<br />
Aspekt. Die SL sieht aber auch das<br />
Risiko, dass sie das Beschwerderecht im konkreten<br />
Fall bei unzulässigen Leistungs einforderungen<br />
verlieren kann <strong>und</strong> die zuständige<br />
Behörde eventuell nicht alle ausgehandelten<br />
Ergebnisse auch effektiv in ihre Bewilligung<br />
aufnimmt.<br />
Immerhin konnte dank der sehr effizient<br />
arbeitenden Steuergruppe der Umwelt verbände<br />
(mit Christof Dietler als hervorragendem<br />
Koordinator <strong>und</strong> Kommuni kator) <strong>und</strong><br />
engagierten Parlamentariern erheblich<br />
Schlimmeres verhindern werden. So wurde<br />
doch bis zuletzt gefordert, dass bei der Prüfung<br />
des Umweltverträglichkeits berich tes<br />
überproportional auch Volks- <strong>und</strong> parlamentarische<br />
Entscheide zu gewichten seien. Die<br />
beschwerdeberechtigten Organisationen<br />
gaben hierzu immer zu bedenken, dass auch<br />
die Umweltschutz-Gesetzgebung <strong>und</strong> beispiels<br />
weise auch der Moorschutz in einem<br />
demokratischen Prozess verabschiedet wurden.<br />
Die hängige Volksinitiative des Zürcher<br />
Freisinns, aber auch die weiteren parlamentarischen<br />
Vorstösse, die zum Teil (Vorstoss<br />
Schibli) wiederum eine Totalabschaffung des<br />
Verbandsbeschwerderechts fordern, werden<br />
dieses Thema wohl dennoch weiter auf der<br />
politischen Traktandenliste halten. Wie sagte<br />
es der Kommentartor in der Ausgabe der<br />
«Südostschweiz» vom 15. Dezember 2006:<br />
«Nur eine massive Niederlage an der Urne<br />
könnte dem unseligen Lamento um die<br />
Verbandsbeschwerde für lange Zeit ein Ende<br />
bereiten.»<br />
Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />
Dr. phil. Biol.,<br />
Geschäftsleiter SL-FP<br />
Stiftung Landschaftsschutz<br />
Schweiz (SL)<br />
Schwarzenburgstrasse 11<br />
CH-3007 Bern<br />
Tel: +41 (0)31 377 00 77<br />
r.rodewald@sl-fp.ch<br />
www.sl-fp.ch<br />
Seite 15
Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />
Kantonales Verbandsbeschwerderecht<br />
in St. Gallen unter Beschuss<br />
Das kantonale Verbandsbeschwerderecht ist auch auf kantonaler Ebene<br />
ein wichtiges Instrument zur Erhaltung von Natur <strong>und</strong> Umwelt. Es ist<br />
nötiger denn je. Seine Abschaffung wäre ein Rückschritt um fünfzig<br />
Jahre. Doch genau dies wird jetzt in St. Gallen angestrebt. Jürg Schmid<br />
Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter,<br />
pflegt der Volksm<strong>und</strong> zu sagen. Die Natur,<br />
Flora <strong>und</strong> Fauna, können selbst nicht klagen.<br />
Sie brauchen Menschen, die das für sie tun.<br />
Diese Aufgabe erfüllen bis heute die Naturschutzorganisationen<br />
auf lokaler, kantonaler<br />
<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esebene. Sie tun es mit Bedacht<br />
<strong>und</strong> Sachkenntnis <strong>und</strong> haben daher markant<br />
mehr Erfolg als die privaten Einsprecher.<br />
Dieses Recht wird Verbandsbeschwerderecht<br />
(VBR) genannt.<br />
Auf B<strong>und</strong>esebene ist das VBR im Natur- <strong>und</strong><br />
Heimatschutzgesetz <strong>und</strong> im Umweltschutzgesetz<br />
geregelt. Es beschränkt sich auf einen<br />
festgelegten Kreis von nationalen Verbänden.<br />
Ihr Einspracherecht steht ebenfalls unter<br />
Beschuss, wie vorangehender Artikel zeigt.<br />
Kantonale Bestimmungen sollen<br />
gestrichen werden<br />
In etlichen Kantonen wird versucht, die kantonalen<br />
Bestimmungen ebenfalls zu streichen.<br />
Eine Motion der FDP St. Gallen auf voll-<br />
Seite 16 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
ständige Streichung der Artikel im Gesetz<br />
hatte im Grossen Rat Erfolg. Das Einspracherecht<br />
der lokalen Natur- <strong>und</strong> Vogel schutz vereine,<br />
aber auch von Quartier- <strong>und</strong> Ortsver einen,<br />
soll ganz fallen. Betroffen ist ebenfalls<br />
der Heimatschutz, soweit es sich um Objekte<br />
im Baugebiet handelt. Gegen diesen Be -<br />
schluss haben die lokalen Natur- <strong>und</strong> Vogelschutzvereine<br />
<strong>und</strong> der Heimat schutz mit<br />
Unterstützung von Pro Natura, WWF <strong>und</strong><br />
VCS das Referendum ergriffen.<br />
Die politischen Befürworter der Abschaffung<br />
behaupten, es handle sich um einen alten<br />
Zopf, weil die Umweltschutzgesetzgebung<br />
in den letzten Jahren ja bedeutend ausgebaut<br />
worden sei. Genau hier liegt die Krux.<br />
Die schönsten Gesetze nützen nichts, wenn<br />
sie nicht eingehalten werden. Und genau<br />
hier hat sich in den letzten 50 Jahren wenig<br />
bis nichts geändert. Gewisse Gemeindebehörden<br />
kennen ihre minimalsten Pflichten<br />
nicht. Da werden am Lauf des Neckers massive<br />
Eingriffe vorgenommen oder in einem<br />
Moorschutzgebiet eine Wasserleitung auf<br />
schonungsloseste Weise „eingebuddelt“. Die<br />
betreffenden Gemeinden stellten sich<br />
zunächst auf den Standpunkt, eine Bewilligung<br />
sei nicht erforderlich. Sie mussten<br />
durch Rechtsmittel eines Besseren belehrt<br />
werden.<br />
Zahlreich sind die Gemeindebehörden, die<br />
bei der Behandlung der Gesuche keinen Sinn<br />
für die Belange der Natur <strong>und</strong> Umwelt haben.<br />
Es wird kritisiert (!), das VBR diene nur dazu,<br />
die Übereinstimmung eines Vorhabens mit<br />
den Gesetzesbestimmungen zu überprüfen.<br />
Nach Ansicht der Kritiker müssten die Be hörden<br />
zwischen den Interessen der Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> jenen des Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzes<br />
abwägen können. Nur zu gern würde man<br />
bei gewissen Projekten auf die „lästigen Einsprachen“<br />
verzichten. Auf welche Seite sich<br />
dann die Waage neigt, kann man sich leicht<br />
vorstellen. Ganz offen wird erklärt, dass im<br />
Standortwettbewerb mit anderen Kantonen<br />
durch das VBR ein Nachteil entstehen könne.<br />
Es könne auf Investoren eine abschreckende<br />
Wirkung haben, weil Zeitverzögerungen<br />
oder gar eine Schmälerung der Gesamtrendite<br />
durch zu erfüllende Auflagen in Kauf<br />
genommen werden müssen.<br />
Dabei wagt man es nicht, konkrete Vorschriften<br />
<strong>und</strong> Bestimmungen anzupassen.<br />
Sie sollen „nur“ abwägend von Fall zu Fall<br />
weniger streng gehandhabt werden können.<br />
Für den grossen Investor etwas weniger<br />
streng. Er bringt ja schliesslich viel Geld ins<br />
Dorf. Beim kleinen Mann <strong>und</strong> Gewerbler<br />
Einreichung: Über 9200 Unterschriften<br />
gegen die Abschaffung<br />
werden eingereicht. 4000 wären<br />
nötig gewesen.<br />
V.l.n.r. Jürg Schmid (Pro Natura),<br />
Robert Schmid (Naturschutzverein<br />
der Stadt St. Gallen),<br />
Urs Lanz (Heimatschutz SG/AI).<br />
Foto: Pro Natura
hingegen wird man beweisen, dass man<br />
die Vorschriften doch ernst nimmt. Für -<br />
wahr schöne Aussichten für unseren Rechtsstaat!<br />
Grosse Unterschiede zwischen<br />
den Gemeinden<br />
Viele Gemeindebehörden erfüllen ihre<br />
Pflicht. Zu viele andere nehmen es aber<br />
„etwas weniger streng“. So schreibt das<br />
Baugesetz seit 1972 vor, dass die Gemeinden<br />
Schutzverordnungen zu erlassen hätten. Es<br />
gibt noch heute Gemeinden ohne rechtsgültige<br />
Verordnung. Dabei sind in r<strong>und</strong> 30 Prozent<br />
der Gemeinden bereits die Über arbeitungen<br />
dieser Verordnungen fällig! Fast 40<br />
Gemeinden haben zudem den Moorschutz<br />
nicht oder nur teilweise umgesetzt.<br />
Auch der Kanton nimmt es locker. So besteht<br />
b<strong>und</strong>esweit ein Inventar der schützenswerten<br />
Ortsbilder der Schweiz (ISOS). Alle<br />
Kantone haben dieses Inventar rechtsver-<br />
bindlich umgesetzt. Mit einer Ausnahme:<br />
St. Gallen. Ausserdem: Im kantonalen<br />
Richtplan sind die ehemaligen Industrieareale<br />
bezeichnet, für welche die Schutzwürdigkeit<br />
abgeklärt werden sollte. Doch damit ist es<br />
nicht weit her. Wenn eines Tages ein Investor<br />
dasteht, der alles abreissen will, ist der<br />
Heimatschutz mit Sicherheit nur ein hinder-<br />
licher Bösewicht, wenn er auf der versprochenen<br />
Abklärung besteht.<br />
Manchmal braucht es auch einen<br />
Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />
Der seit langem stillgelegte Steinbruch<br />
Campiun oberhalb von Rans (Sevelen) sollte<br />
massiv erweitert werden. Durch den geplanten<br />
Abbau wäre ein zentraler Teil einer national<br />
bedeutenden Landschaft sowie ein<br />
wertvolles Lebensraummosaik aus Eichenwäldern<br />
<strong>und</strong> Magerwiesen zerstört worden.<br />
Eine Wiederherstellung der charakteristischen<br />
Landschaft <strong>und</strong> der Lebensräume<br />
wäre nicht mehr möglich gewesen. Gegen<br />
dieses Projekt bildete sich eine breite Front<br />
von Naturschützern <strong>und</strong> Einwohnern von<br />
Rans <strong>und</strong> Oberräfis. Trotzdem entschied die<br />
Kantonsregierung St. Gallen, dass das Schutzgebiet<br />
dem privaten Profit geopfert werden<br />
soll. Das B<strong>und</strong>esgericht aber wertete die<br />
öffentlichen Interessen am Schutz dieser<br />
Land schaft höher <strong>und</strong> korrigierte den Entscheid<br />
zugunsten der Natur.<br />
Im Durchschnitt mehrerer Jahre stammen im<br />
Kanton St. Gallen nur 3,5 Prozent der Rekurse<br />
von Natur-, Heimat- <strong>und</strong> Umwelt schutzverbänden.<br />
Es ist böswillig zu behaupten,<br />
damit würde die wirtschaftliche Entwicklung<br />
des Kantons verhindert oder verzögert.<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Campiun: Das wertvolle<br />
Le bensraummosaik aus<br />
Eichenwäldern <strong>und</strong> Magerwiesen<br />
ober halb von Rans<br />
(Sevelen) konnte durch den<br />
Einsatz der Natur- <strong>und</strong> Umweltschutzorganisationen<br />
gerettet werden.<br />
Foto: Pro Natura.<br />
Wenn schon müsste man das Einspracherecht<br />
der Privaten begrenzen. Diese Einsprachen<br />
sind nicht nur weitaus zahlreicher. Sie sind<br />
auch weniger erfolgreich <strong>und</strong> stellen für<br />
Bauwillige offenk<strong>und</strong>ig das grössere Hindernis<br />
dar.<br />
Die Abstimmung findet voraussichtlich am<br />
17. Juni statt. Wir danken allen Mitgliedern<br />
des Rheinaub<strong>und</strong>es wenn sie sich unserem<br />
Komitee anschliessen.<br />
Komitee für Natur <strong>und</strong> Heimat,<br />
Postcheckkonto 90-788788-7<br />
Raiffeisenbank St. Gallen, Konto 784.155.65<br />
Jürg Schmid<br />
Vorstandsmitglied<br />
Pro Natura St. Gallen<br />
Boppartstr. 21<br />
9014 St. Gallen<br />
juerg.schmid@infopur.ch<br />
Tel.: 071 277 45 55<br />
Seite 17
Klimaschutz<br />
Verstärkt die globale Erwärmung Wirbelstürme?<br />
Die Häufung von tropischen Wirbelstürmen im Atlantik in den letzten<br />
Jahren steht mindestens teilweise in Zusammenhang mit der <strong>mensch</strong>gemachten<br />
globalen Erwärmung. Zu dieser Aussage haben sich die wissenschaftlichen<br />
Hinweise in den letzten Monaten immer mehr<br />
verdichtet.<br />
Huw Davies, Urs Neu<br />
Auch wenn verschiedene Faktoren die Entstehung<br />
von Wirbelstürmen beeinflussen,<br />
scheint die aktuelle Zunahme vor allem in<br />
Verbindung mit den steigenden Meeresobe<br />
rflächentemperaturen zu stehen. Und diese<br />
Erwärmung ist mindestens teilweise auf die<br />
steigenden Treibhausgaskonzentrationen<br />
zurückzuführen. Die Hurrikan-Saison im Jahr<br />
2005 hat viele Rekorde gesetzt. Sie begann<br />
im Juni <strong>und</strong> endete ungewöhnlich spät,<br />
nämlich erst im Januar 2006. Acht <strong>und</strong>zwanzig<br />
getaufte tropi sche Wirbelstürme<br />
wurden beobachtet, davon entwickelten<br />
sich fünfzehn zu einem Hurrikan <strong>und</strong> sieben<br />
zu einem grossen Hurri kan (‚major hurricane‘)<br />
mit Wind geschwin digkeiten grösser<br />
als 178 km/h. Fünf dieser grossen Hurrikane<br />
trafen auf Land, unter anderem verursachten<br />
Rita <strong>und</strong> Katrina die bekannten grossen<br />
Schäden. Zum ersten Mal reichte die vorbereitete<br />
alphabetische Namensliste nicht für<br />
die Taufe der Stürme aus. Die sechs letzten<br />
Stürme der Saison wurden mit griechischen<br />
Buchstaben getauft, der letzte im Januar<br />
2006 auf den Namen ‚Zeta‘.<br />
Seite 18 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Zudem traf zum ersten Mal überhaupt<br />
ein tropischer Sturm, wenn auch in abgeschwächter<br />
Form, in Spanien auf europäisches<br />
Festland. Bereits die Saison im Jahr<br />
2004 im Atlantik hatte mit fünfzehn getauften<br />
Stürmen, neun Hurrikanen <strong>und</strong> sechs<br />
grossen Hurrikanen weit über dem Durchschnitt<br />
gelegen <strong>und</strong> den ersten tropischen<br />
Wirbelsturm im Südatlantik gebracht. Worauf<br />
ist diese Entwicklung zurückzuführen? Ist die<br />
globale Erwärmung schuld? Vor allem aus<br />
dem amerikanischen Hurrikan-Prognose-<br />
Zentrum war zu vernehmen, es handle sich<br />
lediglich um ein natürliches Phänomen, hervorgerufen<br />
durch langfristige Schwankungen<br />
der Meeresoberflächentemperaturen im<br />
Atlantik. Andere Wissenschafter betonten<br />
hingegen, dass sich in diesem Anstieg durchaus<br />
bereits ein Signal der <strong>mensch</strong>verursachten<br />
globalen Erwärmung abzeichnen könnte.<br />
In den letzten Monaten sind nun zahlreiche<br />
wissenschaftliche Arbei ten veröffentlicht<br />
worden, die praktisch ausnahmslos darauf<br />
hinweisen, dass bei diesem Anstieg unter<br />
anderem auch die Klimaer wär mung eine<br />
Rolle gespielt hat. Die Argumente für eine<br />
rein natürliche Ursache wer den immer<br />
schwächer. Was spricht nun für, was gegen<br />
einen <strong>mensch</strong>lichen Einfluss?<br />
Wärme aus dem Meer speist<br />
Hurrikane<br />
Die Entstehung von Wirbelstürmen ist an<br />
warme Ozeantemperaturen geb<strong>und</strong>en. Ein<br />
Wirbelsturm bezieht seine Energie zur Hauptsache<br />
aus der Kondensation von Wasserdampf,<br />
d.h. die bei der Bildung von Wolkentröpfchen<br />
freiwerdende Energie wird im<br />
Sturm in Bewegungsenergie umgewandelt.<br />
Über Landoberflächen verliert ein Wir belsturm<br />
rasch an Kraft. Nur über warmen<br />
Meeres oberflächen kann die Luft genügend<br />
Wasserdampf aufnehmen, um den Sturm mit<br />
Energie zu versorgen. Denn gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
gilt, je wärmer das Meerwasser unter einem<br />
Sturm, umso stärker kann der Sturm werden.<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser physikalischen Kenntnisse<br />
ist davon auszugehen, dass bei einem generellen<br />
Anstieg der Meeresober flächen temperaturen<br />
durch die globale Erwärmung die<br />
Wirbelstürme im Durchschnitt stärker werden.<br />
Es gibt jedoch noch andere Faktoren,<br />
welche die Entstehung <strong>und</strong> Stärke eines<br />
Sturmes beeinflussen (siehe Kasten), insbeson<br />
dere die höhenabhängige Verän derung<br />
von Temperatur <strong>und</strong> Windver hält nissen. Je<br />
stär ker die Temperatur abnimmt, umso<br />
schneller steigt die Luft auf <strong>und</strong> umso mehr<br />
Wasser kondensiert, was den Sturm stärker<br />
macht. Aufgr<strong>und</strong> der physikalischen Modellrechnungen<br />
wird erwartet, dass sich wegen<br />
des grösseren Treib hauseffektes die Troposphäre<br />
eher etwas stärker erwärmt als die Erdoberfläche,<br />
was demnach eine Ver ringe rung<br />
der möglichen Sturmstärke bedeu ten würde.<br />
Wirbelstürme gewinnen ihre<br />
zerstörerische Energie über<br />
den tropischen Ozeanen. Das<br />
Bild zeigt eine Strasse in<br />
Gulf port nach dem Durchzug<br />
des Hurrikans Katrina.
Dieser Effekt wird jedoch als geringer eingeschätzt<br />
als die Wirkung der höheren Ozeantemperaturen.<br />
Die Auswir kungen der Klimaerwär<br />
mung auf den dritten entscheidenden<br />
Faktor, die Windverhältnisse, sind unklar. Bisher<br />
zeichnen sich dazu keine klaren Verän derungen<br />
ab.<br />
Modelle sagen weniger, aber<br />
stärkere Stürme voraus<br />
Die meisten Klimamodelle prognostizieren<br />
eine Zunahme der maximalen Windge schwindigkeiten<br />
in Wirbelstürmen aufgr<strong>und</strong> der<br />
globalen Erwärmung. Bei der erwarteten<br />
Tropische Wirbelstürme<br />
<strong>und</strong> ihre Entstehung<br />
Tropische Wirbelstürme sind Tief druckgebiete<br />
in den Tropen bzw. Subtropen, in<br />
welchen durch spezielle physikalische<br />
Prozesse <strong>und</strong> atmosphärische Bedingungen<br />
sehr hohe Windgeschwindigkeiten auftreten.<br />
Wirbelstürme gewinnen ihre Energie<br />
vor allem aus der Kondensation von<br />
Wasserdampf <strong>und</strong> sind deshalb an Gebiete<br />
mit hoher Verdunstung <strong>und</strong> hohem<br />
Wasserdampfgehalt geb<strong>und</strong>en, wie sie nur<br />
über tropischen Ozeanen zu finden sind.<br />
Die Entstehung von Wirbelstürmen ist an<br />
folgende Bedingungen geknüpft:<br />
• Temperaturen in der obersten Ozeanschicht<br />
(bis ca. 50m Tiefe) von mindestens<br />
26.5°C. Nur in solchen Gebieten<br />
steht genug Wärme <strong>und</strong> Feuchtigkeit zur<br />
Verfügung, um einen Wirbelsturm aufrechtzuerhalten.<br />
Über dem Land verliert<br />
der Sturm rasch an Stärke.<br />
Erwärmung im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert beträgt die<br />
Zunahme einige Prozent. Bezüglich der<br />
Häufigkeit wird global keine Änderung oder<br />
eine Abnahme errechnet, allerdings mit Ausnah<br />
me des Atlantiks, wo mit einer Zu nahme<br />
gerechnet werden muss. Die Modelle, die für<br />
diese Untersuchungen verwendet werden,<br />
haben jedoch eine relativ grobe Auflösung,<br />
d.h. sie berechnen die Atmos phärenwerte<br />
nur alle ca. 100 km. Damit können Wirbelstür<br />
me mit einer Kern zone der höchsten<br />
Wind ge schwindigkeiten von weniger als<br />
100 km Ausdehnung nur relativ grob erfasst<br />
werden. Die Resultate sind also mit starken<br />
Unsicherheiten behaftet. Vor kurzem hat<br />
• Starke Abkühlung der Atmosphäre mit<br />
der Höhe. Dadurch wird der Aufstieg von<br />
Luftmassen <strong>und</strong> die Kondensation<br />
begünstigt.<br />
• Hohe Luftfeuchtigkeit in der Höhe.<br />
Dadurch wird ebenfalls die Kondensation<br />
gefördert.<br />
• Geringe Änderung der Windverhältnisse<br />
mit der Höhe. Ändert der Wind mit der<br />
Höhe, wird der Aufstieg von Luftmassen<br />
gebremst <strong>und</strong> der Sturm ‚auseinandergerissen‘<br />
<strong>und</strong> abgeschwächt.<br />
• Eine Entfernung von mehr als r<strong>und</strong> 500<br />
km bzw. etwa fünf Breitengrade vom<br />
Äquator. Die Rotation des Wirbelsturms<br />
kommt wie diejenige von Tiefdruckgebieten<br />
in unseren Breiten dank der<br />
Korioliskraft (bzw. der Abnahme der<br />
Rotationsgeschwindikeit der Erdoberfläche<br />
mit zunehmender Entfernung<br />
vom Äquator) zustande. Diese ist am<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Aktuelle Ergebnisse der<br />
Wissenschaft zeigen, dass der<br />
<strong>mensch</strong>gemachte Klimawandel<br />
zu einer Häufung der Wirbelstürme<br />
im Nordatlantik führt.<br />
In der Animationsabbildung<br />
der Hurrikan Katrina.<br />
Foto: www.nnvl.noaa.gov<br />
jedoch eine japanische Studie mit einem feineren<br />
Modell mit 20 km Auflösung die bisherigen<br />
Resultate bestätigt, nämlich eine<br />
Zunahme der Intensität <strong>und</strong> eine Abnahme<br />
der Häufigkeit mit Ausnahme des Atlantiks.<br />
Die in jüngsten Studien beobachtete<br />
Zunahme der Intensität von Wirbelstürmen<br />
in den letzten Jahr zehn ten ist allerdings<br />
bedeutend grösser als dies die Modelle für<br />
das ganze 21. Jahr h<strong>und</strong>ert berechnen. Da<br />
stellt sich die Frage, ob die Modelle den<br />
Einfluss der globalen Erwär mung unterschätzen<br />
oder ob die beobachtete Zunahme noch<br />
andere Gründe hat.<br />
Klarer Zusammenhang mit<br />
Ozeantemperaturen<br />
Kürzliche Forschungsarbeiten haben die<br />
weltweiten Wirbelstürme in der ersten <strong>und</strong><br />
der zweiten Hälfte der letzten r<strong>und</strong> 40 Jahre<br />
Äquator gleich null <strong>und</strong> nimmt gegen<br />
die Pole hin zu.<br />
• Es muss bereits eine Störung in der<br />
atmosphärischen Strömung vorhanden<br />
sein, aus welcher sich der Sturm bilden<br />
kann.<br />
Die Klassifikation von Wirbelstürmen ist je<br />
nach Region unterschiedlich. Im Atlantik<br />
<strong>und</strong> im östlichen Nordpazifik heissen sie<br />
«Hurrikan», im Nordwestpazifik «Taifun», im<br />
Südpazifik <strong>und</strong> im indischen Ozean<br />
«Zyklon». Hurrikane werden nach der<br />
Windgeschwindigkeit (in km/h) klassiert<br />
(Saffir-Simpson Skala):<br />
> 63 km/h Tropischer Sturm<br />
> 118 km/h Hurrikan Kategorie 1<br />
> 153 km/h Hurrikan Kategorie 2<br />
> 178 km/h Hurrikan Kategorie 3<br />
> 210 km/h Hurrikan Kategorie 4<br />
> 250 km/h Hurrikan Kategorie 5<br />
Seite 19
Klimaschutz<br />
verglichen. Dabei wurde eine Zunahme der<br />
Anzahl Stürme der Kategorien 4 <strong>und</strong> 5 (siehe<br />
Kasten) um etwa 60 Prozent [1] <strong>und</strong> eine<br />
Zunahme der Zerstörungskraft der Wirbelstürme<br />
um 40 – 50 Prozent festgestellt [2].<br />
Die Zerstörungskraft bzw. «Leistung» eines<br />
Wirbelsturmes ist proportional zum Kubik<br />
der Windgeschwindigkeit. Eine Zunahme der<br />
maximalen Windgeschwindigkeit um 10 Prozent<br />
erhöht also die Zerstörungskraft um ein<br />
Drittel. Es konnte zusätzlich gezeigt werden,<br />
dass diese Zunahme der Wirbel sturm stärke<br />
parallel zum Anstieg der Meeresoberflächentemperaturen<br />
verläuft <strong>und</strong> dies der einzige<br />
Stürme in Mitteleuropa<br />
Für die Stürme in den mittleren Breiten<br />
ergibt der Einfluss der globalen Erwärmung<br />
in den verschiedenen Klimamodellen<br />
noch recht unterschiedliche<br />
Resultate. Gr<strong>und</strong>sätzlich beziehen auch<br />
Stürme, die über Mitteleuropa ziehen,<br />
einen grossen Teil ihrer Energie von der<br />
Feuchtigkeit, die sie über dem Atlantik<br />
aufgenommen haben. Dies haben z.B.<br />
Rekonstruktionen des europäischen<br />
Sturms «Lothar» mit Wetter modellen<br />
klar gezeigt. Erwärmt sich der Atlantik,<br />
so steigt auch das Energie ange bot für<br />
Stürme in Europa. Für die zukünftige<br />
Entwicklung zeichnen sich in den<br />
Modellrechnungen mehr oder weniger<br />
übereinstimmend zwei Tendenzen ab:<br />
• Die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete<br />
verlagern sich nach Norden, deshalb<br />
nimmt die Anzahl Stürme über<br />
Mitteleuropa eher ab, in Nordeuropa<br />
hingegen zu.<br />
• Extreme Stürme werden in Mitteleuropa<br />
eher häufiger erwartet, da die<br />
Bedingungen für deren Entstehung<br />
durch die Erwärmung des Atlantiks<br />
verbessert werden.<br />
Anzahl Wirbelstürme der<br />
Kategorien 4 <strong>und</strong> 5 in den<br />
Perioden 1975 – 89 <strong>und</strong><br />
1990 – 2004 in verschiedenen<br />
Ozeanbecken<br />
(nach Webster et. al. [1])<br />
Seite 20 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Faktor ist, welcher die wachsende Sturmintensität<br />
erklären kann. Ein Zusam menhang<br />
mit der atmosphärischen Tempera tur schichtung<br />
oder den Windverhältnissen ist nur für<br />
die kurzfristigen Schwankungen zu erkennen,<br />
nicht jedoch im langfristigen Trend [3].<br />
Vereinzelt wurden diese Unter suchungen<br />
kritisiert, weil die Qualität der Beobachtungs-<br />
<strong>und</strong> Messdaten der Hurrikane immer mehr<br />
abnimmt, je weiter man in die Vergangenheit<br />
zurückgeht. Satelliten- <strong>und</strong> Flugzeug messungen<br />
haben die Erfassung der Wirbelstürme in<br />
den letzten Jahrzehnten klar verbessert. Es<br />
ist deshalb möglich, dass einzelne Wirbelstürme<br />
in der Vergangenheit falsch klassiert<br />
worden sind. Auch wenn dies der Fall sein<br />
sollte, ändert sich am positiven Trend der<br />
Anzahl schwerer Wirbelstürme kaum etwas;<br />
die Zunahme könnte jedoch weniger stark<br />
sein als in diesen Unter such un gen berechnet.<br />
Natürliche Ursache<br />
unwahrscheinlich<br />
Einige Meteorologen schreiben die Zunahme<br />
der Hurrikane im Atlantik einer natürlichen<br />
Klimaschwankung, der „Atlantischen Multidekadalen<br />
Oszillation“ (AMO) zu. Die Meeresoberflächentemperaturen<br />
im Nordatlantik<br />
scheinen sich in einem r<strong>und</strong> 60- bis 70jährigen<br />
Zyklus natürlicherweise zu erwärmen<br />
<strong>und</strong> wieder abzukühlen. Diese Schwankung,<br />
so wird aufgr<strong>und</strong> von Modellrechnungen<br />
Anzahl Wirbelstürme<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1975 – 1989<br />
1990 – 2004<br />
Ost-<br />
Pazifik<br />
West-<br />
Pazifik<br />
Nord-<br />
Atlantik<br />
vermutet, beruht auf Veränderungen der<br />
Meeres strömungen im Atlantik. Zahlreiche<br />
Erkenntnisse sprechen jedoch dafür, dass die<br />
AMO nicht die Hauptursache der gegenwärtigen<br />
Zunahme der Hurrikane ist:<br />
• Die Meeresoberflächentemperaturen im<br />
tropischen Atlantik, wo die Hurrikane entstehen,<br />
verlaufen nahezu parallel zum globalen<br />
Temperaturverlauf. Verschiedene<br />
Analysen zeigen, dass der überwiegende<br />
Teil des Anstiegs der Meeresoberflächentemperaturen<br />
im tropischen Atlantik durch<br />
die globale Erwärmung erklärt werden<br />
kann <strong>und</strong> die AMO weniger als 10 Prozent<br />
des Anstiegs verursacht hat [4],[5].<br />
• Sowohl die Messungen als auch die<br />
Modelle zeigen, dass die AMO vor allem<br />
Temperaturänderungen in mittleren <strong>und</strong><br />
höheren Breiten bewirkt, jedoch kaum im<br />
tropischen Atlantik, der für die Entstehung<br />
von Hurrikanen entscheidend ist.<br />
• Zwar wird vermutet, dass der AMO auch<br />
die Windverhältnisse im tropischen<br />
Atlantik beeinflusst, doch haben bisherige<br />
Studien wie oben erwähnt keinen Zusammenhang<br />
der gegenwärtigen Wirbel sturmzunahme<br />
mit Änderungen der Windverhältnisse<br />
zeigen können.<br />
• Die starken Wirbelstürme haben weltweit<br />
zugenommen, nicht nur im Atlantik (siehe<br />
Diagramm). Ein natürlicher Zyklus im Atlantik<br />
kann diesen Anstieg nicht erklären.<br />
Südwest-<br />
Pazifik<br />
Nord-<br />
Indischer<br />
Ozean<br />
Süd-<br />
Indischer<br />
Ozean
Unterschätzen Modelle die<br />
Wirkung der Erwärmung?<br />
Auch wenn man Unsicherheiten bei den<br />
Sturm-Daten in den 60er- <strong>und</strong> 70er-Jahren<br />
sowie natürliche Schwankungen berücksichtigt,<br />
ist die beobachtete Zunahme stärker als<br />
die Modellvorhersagen. Ein möglicher Gr<strong>und</strong><br />
könnte sein, dass die Warmwasserschicht<br />
durch die globale Erwärmung dicker geworden<br />
ist <strong>und</strong> deshalb dem Wirbelsturm, der<br />
die oberste Wasserschicht stark aufmischt,<br />
mehr Energie zur Verfügung steht. Dies wird<br />
in den Modellen nicht berücksichtigt.<br />
Solange keine andere plausible Ursache für<br />
die Verstärkung der Wirbelstürme gef<strong>und</strong>en<br />
wird, muss damit gerechnet werden, dass<br />
der <strong>mensch</strong>liche Treibhauseff ekt die Stürme<br />
stärker beeinflusst als bisher vermutet.<br />
Beunruhigend scheint, dass bei einem<br />
Anstieg der Ozeantemperaturen von nur<br />
r<strong>und</strong> einem halben Grad die beobachtete<br />
Zunahme bereits stärker ist, als von den<br />
Modellen für das ganze 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
berechnet. Allerdings ist es möglich, dass<br />
Änderungen in der atmosphärischen Zirku lation<br />
einen grösseren Einfl uss haben als dies<br />
in den Analysen ersichtlich ist, denn Zirkulationsmuster<br />
sind statistisch nur sehr<br />
schwierig zu erfassen.<br />
1<br />
0,9<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,6<br />
0,5<br />
0,4<br />
Zerstörungskraft bzw. „Power<br />
Dissipation Index“ (PDI) der<br />
Wirbelstürme im Nordatlantik <strong>und</strong><br />
Nordpazifi k im Vergleich zu den<br />
tropischen Meeresoberfl ächentemperaturen<br />
(SST) 1950 – 2004.<br />
(Quelle: Kerry Emmanuel, pers. Mitteilung)<br />
Jahresmittel der<br />
SST 30S-30N<br />
Schäden nicht nur von<br />
Sturmstärke abhängig<br />
Die durch Wirbelstürme verursachten Schäden<br />
haben während der letzten Jahre stark<br />
zugenommen. Die Gründe für diese Zunahme<br />
können jedoch nicht klar bestimmt werden,<br />
da verschiedene Faktoren eine Rolle spielen.<br />
Einerseits nehmen die Schäden aufgr<strong>und</strong> der<br />
zunehmenden Bautätigkeit <strong>und</strong> dem starken<br />
Wertezuwachs in den gefährdeten Küstengebieten<br />
zu. Dieser Anstieg kann nicht klar<br />
von einem Anstieg aufgr<strong>und</strong> stärkerer Stürme<br />
unterschieden werden. Anderseits sind die<br />
Schäden stark davon abhängig, ob ein<br />
Wirbelsturm überhaupt auf Land auftriff t<br />
<strong>und</strong> ob dies in einem stark besiedelten<br />
PDI im Nord-Pazifi k<br />
<strong>und</strong> -Atlantik<br />
0,3<br />
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Die Klimaerwärmung scheint<br />
auch Einfl uss auf die Sturmentwicklung<br />
in Mittel- <strong>und</strong><br />
Nordeuropa zu haben.<br />
Foto: EPA<br />
Gebiet erfolgt. Die Routen, die ein Sturm verfolgt,<br />
hängen wiederum von den atmosphärischen<br />
Strömungsmustern ab, über de ren<br />
Veränderung nur wenig bekannt ist. Die<br />
Anzahl der auf Land treff enden Wirbelstürme<br />
ist zu klein, um bereits ein Signal der globalen<br />
Erwärmung bei den Schäden identifi zieren<br />
zu können.<br />
Literaturangaben<br />
[1] P.J. Webster et al., Science, Vol. 309, S. 1844-<br />
1846, 2005.<br />
[2] K.A. Emanuel, Nature, Vol. 436, S. 686-688,<br />
2005.<br />
[3] C.D. Hoyos et al., Science, Vol. 312, S. 94-97,<br />
2006.<br />
[4] M.E. Mann and K.A. Emanuel, EOS, Vol. 87,<br />
S.233/238/241, 2006.<br />
[5] K.E. Trenberth and D.J. Shea, Geophysical<br />
Research Letters, Vol. 33, S. L12704, 2006.<br />
Prof. Huw Davies<br />
Umweltwissenschaften<br />
ETH Zürich<br />
Universitätstrasse 16<br />
8092 Zürich<br />
Tel. 044 633 35 06<br />
huw.davies@env.ethz.ch<br />
Dr. Urs Neu<br />
ProClim<br />
Schwarztorstr. 9<br />
3007 Bern<br />
Tel. 031 328 23 26<br />
neu@scnat.ch<br />
Seite 21
Energie<br />
Geothermie <strong>und</strong> Erdbeben –<br />
Eine seismologische Betrachtung des Basler Bebens<br />
Seit dem 8. Dezember ist es in Basel bereits zu mehreren spürbaren<br />
Beben gekommen, die mit dem Geothermie-Projekt „Geopower Basel“<br />
in Zusammenhang stehen. Es wurden wilden Spekulationen angestellt<br />
<strong>und</strong> schon vom Ende der Geothermie geredet.<br />
Die Fakten stützen diese Spekulationen in keinster Weise, wie nachfolgender<br />
Bericht zeigt.<br />
Stefan Baisch, Ralph Weidler<br />
Am 8. Dezember 2006 wurde durch Sti mu lations<br />
massnahmen in einem geothermischen<br />
Reservoir in Basel ein Erdbeben der Magnitude<br />
3.4 ausgelöst [1]. Begleitet wurde das<br />
Beben von einem lauten Knallgeräusch <strong>und</strong><br />
kurz andauernden, an der Erdoberfläche<br />
spürbaren Vibrationen. Diese Sig<strong>natur</strong> ist<br />
kennzeichnend für induzierte kleinere Nahbe<br />
ben <strong>und</strong> steht im Gegensatz zu den sehr<br />
viel länger andauernden Schwingungen<br />
grösse rer natürlicher Erdbeben. Obwohl<br />
weder Personen- noch grösserer Sachschaden<br />
verursacht wurde, kam es zur Verunsicherung<br />
der Bevölkerung, die im Nachhinein durch<br />
spekulative Diskussionen in den Medien weiter<br />
verstärkt wurde: man habe zu tief gebohrt<br />
[3], das Wasser zu schnell oder mit zu hohem<br />
Druck verpresst [3] <strong>und</strong> dadurch wider besseren<br />
Wissens offensichtliche Risiken missachtet<br />
[4].<br />
Im gleichen Atemzug wird auch auf die verheerenden<br />
Folgen des Basler Erdbebens im<br />
Jahre 1356 hingewiesen. Das medienwirksame<br />
Spiel mit der Angst hat aus der Pers pektive<br />
der Seismologen mit der Realität wenig<br />
zu tun: ein Erdbeben der Magnitude 3.4 ist<br />
Seite 22 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
als Beben geringer Intensität einzustufen<br />
<strong>und</strong> verursacht in der Regel keinerlei Schäden<br />
an der Erdoberfläche. Zu dieser Einschätzung<br />
kommt auch der Schweizer Erdbebendienst,<br />
der für eine unabhängige seismische Überwachung<br />
des Projektes zuständig ist [2]. Am<br />
ehesten lässt sich ein Beben dieser Stärke mit<br />
dem Überschallknall eines Düsenflugzeugs<br />
<strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Vibra tionen<br />
veranschaulichen. Menschen, die in der Nähe<br />
von Eisenbahngleisen wohnen, erleben vergleichbare<br />
Erschütterungen im Minutentakt,<br />
ohne hierdurch beunruhigt zu werden. Die<br />
unterschiedliche Wahr nehmung liegt vermutlich<br />
in der Sorge begründet, die untertägigen<br />
Massnahmen könnten ausser Kontrolle<br />
geraten <strong>und</strong> weitere Erdbeben viel grösseren<br />
Ausmasses erzeugen. An dieser Stelle hilft<br />
ein nüchterner Blick auf die Physik.<br />
Wie entsteht ein natürliches<br />
Erdbeben?<br />
Die kontinentale Erdkruste ist durchzogen<br />
von unzähligen Verwerfungen (Risszonen<br />
grösserer Ausdehnung) <strong>und</strong> Klüften, die im<br />
Laufe einer langen Verformungsgeschichte<br />
durch plattentektonische Bewegungen ent-<br />
Grafik1 Grafik 2<br />
standen sind. In tektonisch aktiven Regionen,<br />
wie dem durch Basel verlaufenden Oberrhein<br />
graben, stehen diese Rissflächen unter<br />
grossen Gebirgsspannungen, die durch tektonische<br />
Bewegungen über lange Zeiträume<br />
all mählich verstärkt werden. Erreichen die<br />
Scherspannungen einen kritischen Schwellenwert,<br />
halten die Risse der Belas tung nicht<br />
mehr stand <strong>und</strong> es kommt zu einem Erdbeben<br />
– einer ruckartigen Versatz be wegung<br />
von Rissflächen, bei der es zur Abstrahlung<br />
seismischer Wellen kommt.<br />
Anschaulich lässt sich dieser Prozess anhand<br />
eines einfachen Modells verdeutlichen. Die<br />
Risssegmente einer Verwerfung werden<br />
durch Dominosteine dargestellt. Wächst die<br />
tektonische Gebirgsspannung – schematisch<br />
nachgestellt durch ein langsames Anheben<br />
der Standplatte – verlieren die Dominosteine<br />
an einem bestimmten kritischen Punkt ihre<br />
Standfestigkeit. Die Stärke oder Magnitude<br />
des Erdbebens ist massgeblich davon abhängig,<br />
wie viele Dominosteine gleichzeitig<br />
umfallen, oder anders ausgedrückt, wie gross<br />
die gesamte Rissfläche ist, auf der die gleichzeitig<br />
aktivierten Versatzbewegungen statt-
finden. Die stärksten natürlichen Erdbeben<br />
finden auf Riss struk turen mit einer Erstrekkung<br />
von mehr als 1.000 km statt. (Grafik 1)<br />
Wodurch werden die Beben<br />
während einer geothermischen<br />
Reservoirstimulation verursacht?<br />
Bei der Stimulation eines geothermischen<br />
Reservoirs werden grosse Mengen von<br />
Wasser unter hohem Druck in den Untergr<strong>und</strong><br />
verpresst. Ziel ist es, die Wasserleitfähigkeit<br />
auf bestehenden Rissen durch Anregung<br />
von kleinen Versatzbewegungen (Mikroerdbeben)<br />
zu erhöhen. Dieser Prozess wird<br />
über den aufgebrachten Flüssig keitsdruck<br />
gesteuert, der die Reibung auf vorhandenen<br />
Rissen herabsetzt. Bei Überschreiten eines<br />
bestimmten Druckwertes kommt es zu<br />
einem lokal begrenzten Scherversatz im<br />
Millimeterbereich, einem Mikrobeben.<br />
Der während einer Stimulation erzeugte<br />
Störungsradius liegt je nach Gebirgs eigenschaften<br />
<strong>und</strong> Injektionsumfang im Bereich<br />
von einigen h<strong>und</strong>ert Metern bis zu wenigen<br />
Kilometern. In diesem Bereich werden durch<br />
die Stimulation die Gebirgsspannungen in<br />
vielen Teilschritten abgebaut, entsprechend<br />
der sich langsam ausbreitenden Druckfront<br />
des injizierten Wassers. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />
kommt es während einer Stimulation zu<br />
unzähligen kleinen Mikroerdbeben. Je nach<br />
Empfindlichkeit des seismischen Messsystems<br />
können mehrere 10.000 Signale pro<br />
Tag registriert <strong>und</strong> genau geortet werden.<br />
Ein Beben der Magnitude 3.4 ist eine seltene<br />
Ausnahme, da die erforderliche Versatzfläche<br />
bereits einen beträchtlichen Teil des zur<br />
Verfügung stehenden Störungsbereichs einnimmt.<br />
Im Gegensatz zu natürlichen Erdbeben, bei<br />
denen das allmähliche Aufstauen von<br />
Gebirgs spannungen auf einer regionalen<br />
Skala stattfindet, wirkt die treibende Kraft<br />
Durch das Einpressen von<br />
Wasser wurden in Basel<br />
Gesteinsschichten stimuliert,<br />
die bereits zuvor unter<br />
tektonischer Spannung<br />
standen. Möglicherweise<br />
wurde so ein sonst später<br />
auftretendes, natürliches<br />
Beben gemindert.<br />
Foto: IWB<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Seite 23
Energie<br />
bei der Stimulation demnach lokal sehr<br />
begrenzt. Übersetzt in unser Domino steinmodell<br />
bedeutet das, dass nicht das Anheben<br />
der Standplatte Auslöser des Bebens ist, sondern<br />
eine lokale Druckstörung weit geringerer<br />
Reichweite. Dadurch fallen nur wenige<br />
der bohrlochnahen Dominosteine um <strong>und</strong><br />
es entsteht – aufgr<strong>und</strong> der geringen Ver satzfläche<br />
– ein Erdbeben vergleichsweise kleiner<br />
Magnitude. Spannungen die einmal<br />
abgebaut wurden, stehen für spätere Erd beben<br />
nicht mehr zur Verfügung, oder anders<br />
ausgedrückt: ein Dominostein der einmal<br />
umgefallen ist, kann ohne weiteres kein<br />
zweites Mal fallen. (Grafik 2)<br />
Wie gross ist die maximal zu<br />
erwartende Erdbebenmagnitude<br />
während einer Stimulation?<br />
Eine Vorhersage der zu erwartenden maximalen<br />
Erdbebenmagnitude ist auch bei noch<br />
so genau bekannter Untergr<strong>und</strong>be schaffenheit<br />
kaum möglich. Anhand unserer Modellbetrachtung<br />
können wir jedoch versuchen,<br />
die theoretisch maximale Ver satzfläche über<br />
die Ausdehnung des Störungsbereichs des<br />
Wasserdrucks abzuschätzen. Hieraus resultierende<br />
Werte führen zur Ableitung maximaler<br />
Erdbeben mag nituden die im Bereich<br />
der Sach schadens grenze liegen, d.h. in etwa<br />
im Bereich M = 4. Allerdings zeigt die bisherige<br />
Erfahrung bei vergleichbaren Stimulationen,<br />
dass dieser theoretische Maximalwert<br />
nicht annähernd erreicht wurde. Als<br />
Gr<strong>und</strong> hierfür kommen Heterogenitäten in<br />
den Gesteins eigen schaften <strong>und</strong> den Riss-<br />
<strong>und</strong> Spannungs verteilungen in Betracht.<br />
Diese Unregel mässigkeiten der Erdkruste<br />
bewirken eine Verschiebung der Bebenstärken<br />
zu kleineren Magnitudenwerten.<br />
Können die Risiken durch<br />
operative Massnahmen verringert<br />
werden?<br />
Die Auswertung mehrerer 100.000, während<br />
geothermischer Stimulationen registrierter<br />
Mikrobeben zeigte, dass die maximalen Magni<br />
tuden mit fortschreitender Stimula tionsdauer<br />
tendenziell zunehmen (entsprechend<br />
dem anwachsenden hydraulischen Störungs-<br />
Seite 24 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
radius). Wird die seismische Aktivität in Echt-<br />
Zeit analysiert [6], so lassen sich aus der zeitlichen<br />
<strong>und</strong> räumlichen Verteilung der Magnitudenwerte<br />
wichtige Rückschlüsse ziehen<br />
<strong>und</strong> die Operation kann gemäss einem<br />
zuvor ausgearbeiteten Mass nahmen katalog<br />
ge steuert werden.<br />
In der Vergangenheit sind gerade in der<br />
späten Injektionsphase <strong>und</strong> nach Beendigung<br />
der Injektion die stärksten Beben aufgetreten<br />
[7]. Computersimulationen zeigen, dass<br />
sich über eine dem Reservoir angepasste<br />
Injektionsstrategie <strong>und</strong> eine entsprechende<br />
Vorgehensweise bei Beendigung der<br />
Injektion die Wahrscheinlichkeit spürbarer<br />
Beben verringern lässt.<br />
Wie ist das seismische Risiko<br />
durch geothermische Stimulationen<br />
einzuschätzen?<br />
Die Stimulation von Gesteinsrissen ist zweifelsohne<br />
der Schlüssel für eine wirtschaftliche<br />
<strong>und</strong> grossmassstäbliche Nutzung der<br />
Erdwärme. Dies gilt in besonderem Masse für<br />
die HDR/HFR Technologie, die 99 Prozent des<br />
geothermischen Stromerzeugungspo tenzials<br />
ausmacht, aber auch zunehmend für<br />
hydrothermale Projekte. Die Massnahmen<br />
zum hydraulischen Aufbrechen des<br />
Gesteins müssen als fester Bestandteil der<br />
tiefen Geothermie gesehen werden.<br />
Die Frage, ob dieses Verfahren als Ursache<br />
starker Erdbeben gesehen werden kann,<br />
lässt sich eindeutig mit „Nein“ beantworten.<br />
Eine einfache Energiebilanzierung, d.h. ein<br />
Vergleich zwischen eingebrachter hydraulischer<br />
Energie <strong>und</strong> abgestrahlter seismischer<br />
Energie zeigt, dass die Stimulation bestenfalls<br />
als Auslöser eines bereits stark gespannten,<br />
energiegeladenen Systems betrachtet<br />
werden kann.<br />
Als dringlichste Frage gilt daher zu beantworten,<br />
ob die tiefe Geothermie durch<br />
Anwenden dieses Verfahrens ein zusätzliches<br />
seismisches Risiko darstellt? Unsere<br />
eigenen Beobachtungen sprechen eindeutig<br />
gegen diese Hypothese. Bedenkt man, dass<br />
die in Basel angestossene Rissstruktur über<br />
weitere Jahre mit tektonischer Energie aufgeladen<br />
worden wäre, so kann davon ausgegangen<br />
werden, dass früher oder später<br />
genau an dieser Stelle ein weitaus grösseres<br />
Erdbeben passiert wäre. Nach unserem<br />
Erklärungsmodell gehen wir daher davon<br />
aus, dass kontrolliert durchgeführte Injektionsexperimente<br />
zur Vermeidung grosser<br />
natürlicher Schadensbeben beitragen.<br />
Seit Jahrzehnten werden in der Geothermie<br />
weltweit massive hydraulische Stimulationen<br />
durchgeführt, vergleichbar mit der Basler<br />
Stimulation im Dezember 2006. Hierbei wurden<br />
auch Rissstrukturen von mehreren<br />
Kilometern Ausdehnung stimuliert. Die<br />
grösste bislang beobachtete Erdbebenmagnitude<br />
lag bei M=3.6 [8].<br />
Bei keinem dieser Ereignisse ist es zu Per sonen-<br />
oder Sachschaden gekommen.<br />
Dr. Stefan Baisch<br />
Dipl. Geophys.<br />
Ralph Weidler<br />
Dipl. Geophys.<br />
Q-con GmbH<br />
Marktstr. 39<br />
D - 76887 Bad Bergzabern<br />
info@q-con.de<br />
www.q-con.de<br />
Literatur <strong>und</strong> Referenzen<br />
[1] http://www.seismo.ethz.ch/basel/index.php<br />
[2] http://www.seismo.ethz.ch/baselblog/<br />
[3] Süddeutsche Zeitung:<br />
http://sueddeutsche.de/wissen/artikel/482/<br />
94388/article.html<br />
[4] T. Knellwolf, Tages-Anzeiger (Schweiz),<br />
11.12.2006, Seite 3<br />
[5] Interview mit K. Riklin, Tages-Anzeiger<br />
(Schweiz), 11.12.2006, Seite 3<br />
[6] BAISCH, S.,WEIDLER, R., VÖRÖS, R.,<br />
TENZER, H., AND TEZA, D. 2004.<br />
Improving Hydraulic Stimulation Efficiency<br />
by Means of Real-Time-Monitoring.<br />
Proceedings of the 29th Workshop on<br />
Geothermal Reservoir Engineering,<br />
Stanford University, Stanford, California,<br />
January 26-28, 2004<br />
[7] BAISCH, S., WEIDLER, R., VÖRÖS, R., & JUNG, R.<br />
2006. A conceptual model for post-injection<br />
seismicity in Soultz-sous-Forets. Geothermal<br />
Resources Council Transactions, Vol. 30, pp.<br />
601-605. 2006.<br />
[8] BAISCH, S., WEIDLER, R., VÖRÖS, R., WYBORN,<br />
D. & DE GRAAF, L. 2006.<br />
Induced seismicity during the stimulation of a<br />
geothermal HFR reservoir in the<br />
Cooper Basin. Bulletin of Seismological<br />
Society of America, Vol. 96 (6), pp. 2242-2256.
Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />
Unser Geschäftsführer berichtet:<br />
VivaRiva: Gesamtfinanzierung<br />
gesichert!<br />
In Heft 6-2006 berichteten wir über den<br />
Zwischenstand unserer Bemühungen zur<br />
Akquisition von Fremdmitteln für unser<br />
Projekt VivaRiva. Mit der letzten Gutsprache<br />
eines Schaffhauser Unternehmens erreichen<br />
die insgesamt akquirierten Fremdmittel nun<br />
die stolze Summe von 143.500 Franken.<br />
Damit ist der Nachweis der Gesamt finanzierung<br />
über einen Zeitraum von drei Jahren<br />
erbracht.<br />
Wir haben unsere Geldgeber entsprechend<br />
informiert <strong>und</strong> erste Gutsprachen sind bereits<br />
überwiesen worden. Die separat ausgewiesene<br />
Betriebsrechnung 2006 von VivaRiva<br />
weist einen Überschuss aus, welcher in den<br />
neu gegründeten Finanzierungsfonds<br />
Wer als Lehrperson oder<br />
Behördenmitglied Interesse<br />
an der Durchführung von<br />
VivaRiva-Anlässen in seiner<br />
Schule/Gemeinde hat,<br />
sollte sich direkt mit uns in<br />
Verbindung setzen.<br />
Foto: Sankt-Englmar<br />
VivaRiva verbucht wurde. Dieser Fonds dient<br />
mit den weiteren in den nächsten zwei<br />
Jahren zu überweisenden Gutsprachen der<br />
Umsetzung <strong>und</strong> Etablierung des Projektes in<br />
der Region Nordostschweiz. Der Rheinaub<strong>und</strong><br />
kann seine Dienst leistungen nicht gratis<br />
erbringen <strong>und</strong> muss einen Teil der Erträge<br />
selber erwirtschaften. Leider stehen den<br />
Schulen in der Regel für ausserordentliche<br />
Anlässe nur sehr be schränkte finanzielle<br />
Mittel zur Verfügung. Der Rhein-aub<strong>und</strong> hat<br />
jedoch auch Zusagen von Stiftungen sowie<br />
zweckgeb<strong>und</strong>enen Unterstützungsfonds<br />
erhalten, welche finanziell auch weniger<br />
dotierten Schulen die Durchführung von<br />
Workshops für Lehrer innen <strong>und</strong> Lehrer bzw.<br />
für Projekttage mit den Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schülern zum „Sozialtarif“ ermöglichen.<br />
Sollten Sie als Lehrperson oder Behördenmitglied<br />
Interesse an der Durchführung von<br />
VivaRiva-Anlässen in Ihrer Schule/Gemeinde<br />
haben, so setzen Sie sich mit uns in Verbindung.<br />
Wir informieren Sie gerne über<br />
unser Angebot <strong>und</strong> beraten sie auch bei der<br />
Finanzierung (www.vivariva.ch).<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Folgende Stiftungen, Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Ämter unterstützen unser<br />
Pro jekt VivaRiva:<br />
Amt für Umwelt Kt. Thurgau • Anna<br />
Maria <strong>und</strong> Karl Kramer Stiftung •<br />
B<strong>und</strong>esamt für Umwelt, Abt. Natur<br />
<strong>und</strong> Landschaft • Basler & Partner<br />
Ingenieure • Canon • CILAG •<br />
Emch + Berger • Georg Fischer •<br />
Lotteriefonds Thurgau • Paul Schiller<br />
Stiftung • Städtische Werke Schaffhausen<br />
• Stif-tung Mercator Schweiz •<br />
Stiftung Werner Amsler • The Ramsay<br />
Fo<strong>und</strong>ation • Vontobel-Stiftung •<br />
Zürich Versicherung.<br />
Wir sind diesen Institutionen sehr dankbar<br />
für die grosszügige Unterstützung.<br />
Ambauenwehr: Entscheid des<br />
B<strong>und</strong>esgerichtes<br />
In Heft 4-2006 berichteten wir ausführlich<br />
über unsere Beweggründe, in der Frage der<br />
Anwendung des so genannten „ehehaften<br />
Rechtes“ an das B<strong>und</strong>esgericht zu gelangen,<br />
nachdem diese Frage im konkreten Fall von<br />
der Regierung des Kt. Nidwalden <strong>und</strong> dem<br />
Verwaltungsgericht völlig unterschiedlich<br />
beurteilt worden war. Die Regierung stützte<br />
unsere Auslegung, wonach das öffentliche<br />
Interesse an einem ökologisch intakten<br />
Flusssystem über das Partikulärinteresse<br />
einer Privatperson zu stellen sei. Das<br />
Verwaltungsgericht hingegen hiess die<br />
gegen den Entscheid der Regierung eingereichte<br />
Beschwerde gut.<br />
Das B<strong>und</strong>esgericht hat unsere Beschwerde<br />
inzwischen leider abgewiesen. Diesen Entscheid<br />
fällte es im Wesentlichen aus formellen<br />
Gründen: Der Rheinaub<strong>und</strong> hätte alle neuen<br />
Sachverhalte bereits in der Verwal tungs gerichts<br />
beschwerde vorbringen müssen, weshalb<br />
diese unbeachtet blieben. Dies be deutet,<br />
dass künftig kaum mehr ein Ver fah ren vor<br />
einem kantonalen Ver wal tungs ge richt ohne<br />
anwaltliche Unterstützung geführt wer den<br />
kann, weil mit erhöhter Sorg falt prozessiert<br />
werden muss. Dies be züg lich geht das BG<br />
davon aus, dass der Kenntnis stand der Umwelt<br />
verbände eher jenen der Anwälte gleichzusetzen<br />
ist als jenen der Laien, für welche es<br />
Seite 25
Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />
andere Massstäbe setzt. In der konkreten<br />
Frage betreffend die Zweck ände rung – Versorgung<br />
von Dritten mit elektrischer Energie<br />
anstelle des Betriebes einer Säge – argumentiert<br />
das B<strong>und</strong>esgericht sehr summarisch,<br />
indem es zwar ausführlich auf die verschiedenen<br />
Regelungen einiger Kan tone eingeht<br />
<strong>und</strong> davon ableitet, dass darüber keine<br />
gesamt schweizerische Rechts über zeugung<br />
bestehe, sich aber nicht intensiver mit dem<br />
hier in Frage stehenden Nidwaldner Recht<br />
auseinandergesetzt hat. Dort heisst es ausdrück<br />
lich „dass solche Zweckänderungen –<br />
jedenfalls soweit sie stillschweigend oder<br />
ausdrücklich gestattet wurden – gewohnheitsrechtlich<br />
sanktioniert <strong>und</strong> unanfechtbar gewor<br />
den sind.“ Das B<strong>und</strong>esgericht unterschlägt<br />
diese Stelle. Genau dieser Punkt ist jedoch<br />
umstritten, da eine solche gewohnheitsrechtliche<br />
Sanktio nierung im Wider spruch zu den<br />
von den Umwelt verbänden wahrzunehmenden<br />
öffentlichen Interessen steht, weshalb<br />
die Parteirechte gewahrt werden müssten.<br />
Positiv am Urteil ist die Feststellung, dass für<br />
den vom bisherigen ehehaften Wasserrecht<br />
nicht erfassten Teil eine neue Verleihung <strong>und</strong><br />
nicht bloss eine Bewilligung notwendig ist.<br />
Diese Verleihung zu erteilen, steht im freien<br />
Ermessen des Regierungsrates, der damit<br />
jede Nutzung über das bisherige Wasserrecht<br />
hinaus verweigern kann.<br />
Im Weitern positiv zu beurteilen ist die<br />
Feststellung, dass in Bezug auf die Bewilligungs<br />
erteilung auch im neuen Verfahren<br />
alle <strong>natur</strong> schützerischen <strong>und</strong> fischereirechtlichen<br />
Argumente wieder vorgebracht werden<br />
können. Wir sind weiterhin wachsam<br />
<strong>und</strong> warten gespannt auf die Entscheide der<br />
Nidwaldner Regierung.<br />
Eidg. Volksinitiative Raum für<br />
Mensch <strong>und</strong> Natur<br />
Bereits im letzten Heft berichteten wir über<br />
die Raumplanungsinitiative, die unter Federführung<br />
von Pro Natura lanciert werden soll.<br />
Der Vorstand des Rheinaub<strong>und</strong>es ist sich der<br />
Notwendigkeit einer haushälterischen Nutzung<br />
unseres Bodens sehr wohl bewusst <strong>und</strong><br />
hat deshalb als eine der ersten Institutionen<br />
seinen Beitritt zum Trägerverein beschlossen.<br />
Zudem hat unser Präsident, Dr. Jürg<br />
Bloesch Einsitz im Initiativkomitee.<br />
Seite 26 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Die Gründung des Vereins „Ja zur Lebensraum-Initiative“<br />
erfolgte am 31. Januar 2007<br />
in Olten. Zum Zeitpunkt der Gründung<br />
gehörtem dem Verein 16 Organisationen aus<br />
den Bereichen Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz,<br />
Umwelt <strong>und</strong> Landwirtschaft an.<br />
Die Initiative schlägt eine Neuformulierung<br />
des Verfassungsartikels über die Raumplanung<br />
vor (Art. 75). Zusätzlich zu den bisherigen<br />
Bestimmungen nimmt sie den<br />
Schutz des Kulturlandes <strong>und</strong> die Trennung<br />
des Baugebietes vom Nichtbaugebiet in die<br />
Zweckbestimmung auf. Künftig sollen Kantone<br />
<strong>und</strong> B<strong>und</strong> gemeinsam für die haushälterische<br />
Nutzung des Bodens sorgen. Der<br />
B<strong>und</strong> soll eine hochwertige Siedlungsentwicklung<br />
nach innen fördern <strong>und</strong><br />
Bestimmungen für das Bauen im Nichtbaugebiet<br />
erlassen. Als Begleit mass nahme<br />
für die Neuausrichtung der Raum planung<br />
verlangt die Initiative in einer Über gangsbestimmung,<br />
dass die Gesamt fläche der Bauzonen<br />
während 20 Jahren nicht vergrössert<br />
werden darf.<br />
KW-Eglisau-UVP II<br />
Im Nachgang zu der Einspracheverhandlung<br />
vom 23. 8.2006 konnte mit unserer Stellungnahme<br />
zu den Verhandlungs ergeb nissen ein<br />
weiteres Kapitel in der unendlichen<br />
Geschichte der Neukonzessionierung des<br />
Kraftwerks Eglisau abgeschlossen werden.<br />
Obwohl Verbesserungen erzielt wurden, sind<br />
längst nicht alle ökologischen Anliegen<br />
erfüllt. Nicht erreicht werden konnten:<br />
• die Staukotenabsenkung, sie ist wegen<br />
der befürchteten Uferrutschungen politisch<br />
nicht machbar<br />
• die Dynamisierung des Alten Rheins bei<br />
Rüdlingen, sie scheiterte am Widerstand<br />
des Kt. Schaffhausen<br />
• das Umgehungsgerinne auf deutscher<br />
Seite, dieses wurde aus Kosten-Nutzen-<br />
Überlegungen durch eine kombinierte<br />
Lösung mit Schiffsschleuse/Fischlift<br />
ersetzt.<br />
Aus verfahrenstechnischen Gründen müssen<br />
die meisten Anträge unserer Einsprache<br />
aufrechterhalten bleiben, auch wenn sich an<br />
der Verhandlung ein allgemeiner Konsens<br />
abgezeichnet hat. Letzter Prüfstein für den<br />
Entscheid bezüglich eines allfälligen Weiterzuges<br />
werden die Bestimmungen des<br />
Bauentscheides sein.<br />
Wir hoffen, dass unsere Anträge darin berücksichtigt<br />
werden.<br />
KW-Kradolf-Schönenberg:<br />
Stellungnahme zur Einspracheverhandlung<br />
Die beim Verfahren „Thur-Kraftwerk Kradolf-<br />
Schönenberg“ leitende Juristin, Frau Danielle<br />
Meyer Schuster, hat die beteiligten Schutzorganisationen<br />
eingeladen, bezüglich der<br />
fischereilichen Aspekte den Rheinaub<strong>und</strong> als<br />
alleinigen Vertreter zu mandatieren. Sowohl<br />
Pro Natura Thurgau, der Sportfischer-Verein<br />
Thur II <strong>und</strong> der Vogelschutz Sektion Aach<br />
ThurLand haben uns dieses Mandat erteilt. In<br />
Abstimmung mit diesen Institutionen haben<br />
wir eine Stellungnahme zu den Ergebnissen<br />
der Einigungs verhand lung abgegeben.<br />
Unsere Anträge beinhalten einen konkreten<br />
Vorschlag betreffend der Führung des alten<br />
Betriebswasserkanals direkt ins Oberwasser<br />
ohne Verbindung zum Umgehungsgerinne.<br />
Damit kann dieser Kanal die Funktion eines<br />
zusätzlichen Fischabstieges übernehmen.<br />
Unser Hauptgewicht legen wir auf die Kritik<br />
an der vorgesehene Ausführung <strong>und</strong> Dotierung<br />
des Fischpasses, welcher den aktuellen<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht entspricht.<br />
Insbesondere unser Vizepräsident<br />
Ueli Rippmann, Fischerei biologe hat die entsprechenden<br />
Pläne sehr genau studiert <strong>und</strong><br />
kommentiert. Unsere Einwände ergänzen<br />
wir durchwegs mit konkreten Verbesserungsvorschlägen.<br />
Zudem fordern wir eine seriöse Untersuchung<br />
der Zielfischarten im Kraftwerksperimeter,<br />
u.a. als Gr<strong>und</strong>lage für die spätere Erfolgskontrolle<br />
des Fischpasses.<br />
Ruedi Schneider<br />
Rheinaub<strong>und</strong><br />
Rheinstieg 192<br />
Postfach 1157<br />
8201 Schaffhausen<br />
Tel. 052 625 26 58
Mitteilungen<br />
Mehr Klagerechte für deutsche<br />
Umweltverbände<br />
Während das Verbandsbeschwerderecht in<br />
der Schweiz besonders auf kantonaler Ebene<br />
noch immer unter Beschuss steht, bekommen<br />
die deutschen Umweltverbände mit<br />
Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes<br />
mehr Klagerechte im Umweltschutz.<br />
Damit können Vereinigungen, die sich den<br />
Schutz der Umwelt zur Aufgabe gemacht<br />
haben, bestimmte behördliche Entscheidungen<br />
von den Gerichten prüfen lassen.<br />
Diese Umweltvereinigungen müssen unter<br />
anderem satzungsgemäss dem Um welt schutz<br />
dienen, nicht aber von der behördlichen<br />
Entscheidung betroffen sein. Um klagen zu<br />
dürfen, brauchen die Verbände aber wie in<br />
der Schweiz eine Anerkennung. Diese erteilt<br />
das Umweltb<strong>und</strong>esamt (UBA) in Dessau. „Mit<br />
dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz schafft<br />
Deutschland verbesserte Rechtsschutzmöglichkeiten<br />
für Umweltverbände. Diese können<br />
jetzt in grösserem Masse als Anwalt für<br />
den Umweltschutz aktiv werden. Eine Klagewelle<br />
ist dennoch nicht zu erwarten – das<br />
lehren Erfahrungen mit Verbandsklagen in<br />
Deutschland <strong>und</strong> anderen europäischen<br />
Staaten“, erläutert Prof. Dr. Andreas Troge,<br />
Präsident des UBA.<br />
Neben den schon bisher nach Natur schutzrecht<br />
klageberechtigten Naturschutzver bänden<br />
– sie konnten bereits bestimmte Verstösse<br />
gegen Naturschutzrecht vor Gericht geltend<br />
machen – gibt es erweiterte Klage möglichkei<br />
ten jetzt auch für Umweltverbände.<br />
Umwelt verbände <strong>und</strong> -vereine treten damit<br />
nicht mehr nur als Anwälte für den Naturschutz<br />
auf, sondern auch für den Umweltschutz<br />
insgesamt – zum Beispiel für den<br />
Schutz des Wassers, der Luft, des Bodens<br />
oder der <strong>mensch</strong>lichen Ges<strong>und</strong>heit etwa vor<br />
Lärm.<br />
Umweltverbände können zum Beispiel<br />
behördliche Zulassungen zur Errichtung von<br />
Industrieanlagen, Anlagen zur Müllverbrennung<br />
oder Energieerzeugung, grosse<br />
Tiermastbetriebe sowie zum Strassenbau<br />
durch Gerichte prüfen lassen. Ganz wichtig:<br />
Die Umweltverbände müssen nicht mehr –<br />
wie sonst im deutschen Recht üblich – selber<br />
von einer Behördenmassnahme betroffen<br />
sein, um bestimmte Verletzungen des Umwelt<br />
rechts rügen zu können. Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger haben jetzt mit den Umweltverbän<br />
den kraftvolle Partner zur Durchsetzung<br />
ihrer Rechte. Die Verbände können sich<br />
für umweltrelevante Rechte der Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger stark machen.<br />
Um die neuen rechtlichen Möglichkeiten zu<br />
nutzen, benötigt ein Verband die vorherige<br />
Anerkennung durch das UBA in Dessau. Das<br />
UBA prüft unter anderem, ob die Umwelt vereinigung<br />
andauernd <strong>und</strong> vorwiegend Ziele<br />
des Umweltschutzes fördert, gemeinnützige<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Zwecke verfolgt sowie die Gewähr für eine<br />
sachgerechte Aufgaben erfüllung bietet. Das<br />
UBA empfiehlt auch bereits nach Naturschutz<br />
recht anerkannten Vereinen, die Anerkennung<br />
nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz<br />
beim UBA zu beantragen.<br />
Weitere Informationen „Anerkennungsstelle<br />
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz“ im Umweltb<strong>und</strong>es<br />
amt: anerkennungs stelle@uba.de<br />
Der Wald reagiert<br />
auf den Klimawandel<br />
Der Klimawandel wirkt sich bereits deutlich<br />
auf die Wälder der Schweiz aus. Am dies jährigen<br />
„Forum für Wissen“ der Eidg. Forschungsanstalt<br />
für Wald, Schnee <strong>und</strong> Landschaft WSL<br />
prä sen tierten Wissenschafter neue Erkenntnisse<br />
über bereits sichtbare Effekte der Klimaerwärmung<br />
auf Wälder in der Schweiz <strong>und</strong><br />
Europa.<br />
Die Referenten aus der Wissenschaft liessen<br />
keinen Zweifel daran, dass sich die Schweizer<br />
Wälder markant verändern werden: Sie werden<br />
sich im Vergleich zu heute je nach Region<br />
<strong>und</strong> Höhenlage aus unterschiedlichen Baumarten<br />
zusammensetzen, in Trocken gebie ten<br />
wie im Wallis könnten lokal sogar Steppen<br />
entstehen <strong>und</strong> die Bäume werden in höher<br />
gelegene Wuchszonen vordringen, die<br />
Waldgrenze steigt an.<br />
Die am „Forum für Wissen“ anwesenden Vertreter<br />
der Waldwirtschaft, der Schutzwaldbewirt<br />
schaftung <strong>und</strong> des WWF Schweiz<br />
waren sich einig in der Ansicht, dass bereits<br />
heute die Wälder im Sinne einer Risiko minimierung<br />
bewirtschaftet werden müssen. Das<br />
bedeutet, dass für die Zukunft eine möglichst<br />
grosse Vielfalt an standortheimischen<br />
Baumarten, Waldstrukturen <strong>und</strong> Waldtypen<br />
erhalten bleiben sollte.<br />
Der Tagungsband „Forum für Wissen 2006“<br />
zum Thema Wald <strong>und</strong> Klimawandel kann<br />
unter http://www.wsl.ch/lm/publications/<br />
e-publ/forum/2006/welcome-de.ehtml<br />
gratis bestellt werden. Quelle <strong>und</strong> weitere<br />
Informa tionen: www.wsl.ch<br />
Der Klimawandel wirkt<br />
sich bereits deutlich auf die<br />
Wälder der Schweiz aus:<br />
Foto: Krömer-Butz SDW<br />
Seite 27
Mitteilungen<br />
Neue Seilbahnverordnung seit<br />
erstem Januar in Kraft<br />
Die neue Schweizer Seilbahnverordnung ist<br />
am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Schweizer<br />
Umweltverbände, darunter Mountain Wilderness,<br />
die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz<br />
(SL) sowie der Schweizer Alpenclub (SAC)<br />
hatten den Entwurf während der Ver nehmlassung<br />
im August 2006 stark kritisiert.<br />
Die einseitig auf sicherheitstechnische Aspekte<br />
ausgerichtete, schlankere Verord nung<br />
berücksichtigte die Anliegen des Umwelt,<br />
Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzes kaum. Aufgr<strong>und</strong><br />
der Eingaben der Umweltverbände<br />
wurde der ursprünglich gestrichene Artikel 7<br />
wieder eingefügt, der sich zur Erschliessung<br />
neuer Gebiete äussert. Dies ist sicherlich als<br />
Teilerfolg zu bezeichnen. Allerdings wird sich<br />
erst im konkreten Fall zeigen, wie die Interpre<br />
tation von Formulierungen wie etwa<br />
„über durchschnittliche Standorteignungen“<br />
oder „überdurchschnittlich geeignete Tourismus<br />
orte“ ausfallen wird.<br />
Gesetzestexte abfragbar unter http://www.<br />
admin.ch/ch/d/sr/sr.html (de/fr/it/en)<br />
Klimahouse 2007<br />
Der erste Prototyp des Klima-Fertighauses,<br />
das in Notländern <strong>und</strong> Katastrophengebieten<br />
zum Einsatz kommen soll, wurde vor kurzem<br />
auf der diesjährigen Fachmesse Klimahaus in<br />
Bozen präsentiert. „Steigende Energiekosten<br />
sind nicht nur ein Problem der wohlhabenden<br />
Länder, vor allem die ärmeren Bewohner<br />
Seite 28 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
dieser Erde können mit dieser Entwicklung<br />
nicht mehr Schritt halten, Energiekosten sind<br />
für sie nicht mehr erschwinglich“ so Landesrat<br />
für Umwelt der Autonomen Provinz Bozen<br />
Michl Laimer.<br />
Das Südtiroler Know How in Sachen Klimahäu<br />
ser kommt seit neuestem auch bei der<br />
Kon zeption <strong>und</strong> Errichtung des ersten „Klimafer<br />
tighauses“ zum Zug. UNEP (UN-Environmen<br />
tal Program) <strong>und</strong> das evangelische Kloster<br />
Loccum – (Niedersachsen) haben sich<br />
zum Ziel gesetzt, das Klimahaus Südtirol als<br />
alternative Bauweise für Afrika zu etablieren.<br />
Eine wichtige Voraussetzung für die Initia toren<br />
dieses Projektes ist jedoch, dass Südtirol<br />
diese Gebäude zertifiziert. Im Programm<br />
steht in den nächsten Jahren die Errichtung<br />
von bis zu 1.000 solcher Klima fer tig häuser.<br />
Das derzeitige „African Sustainable House“,<br />
wie es auch genannt wird, muss folgende<br />
Kriterien erfüllen:<br />
• es muss ein Einfamilienhaus mit Innenunterteilung<br />
sein<br />
• es muss eine <strong>mensch</strong>enwürdige Wohneinheit<br />
sein<br />
• es muss kostengünstig in der Anschaffung<br />
sein (4.000 – 5.000€) für ca. 50-60 m 2<br />
• es muss kostengünstig im Erhalt sein<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Vorgaben entwickelte die<br />
Firma Salzgitter AG in Niedersachsen das<br />
Kon zept für das „Klimafertighaus“. Der nun<br />
vorgestellte Prototyp besitzt sehr gute thermi<br />
sche Dämmungseigenschaften für Wärme<br />
<strong>und</strong> Kälte. Überdies kann ein solches Haus<br />
sehr kostengünstig her- sowie aufgestellt<br />
wer den, da die Fertigteile im Baukastenprinzip<br />
kombinierbar sind.<br />
Die weitere Entwicklung des Gebäudes wird<br />
vom Land Niedersachsen <strong>und</strong> vom Land<br />
Südtirol nach der Zertifizierung des „Klimafertig<br />
hauses“ durch die KlimaHaus Agentur<br />
Südtirol vorangetrieben. Der nächste Schritt<br />
dieses Projektes beinhaltet die Weiterentwicklung<br />
des Rohlings zum installationsfertigen<br />
Haus bzw. die Vorbereitung der nötigen<br />
hygienischen Einrichtungen, Wasser,<br />
Abwasser, Energie.<br />
Das auf- <strong>und</strong> abbaubare Fertigklimahaus<br />
kann als Gebäude für neu zu errichtende<br />
Siedlungen eingesetzt werden, des weiteren<br />
könnte es in Zukunft in Katastrophengebieten<br />
auch die bisher üblichen Zelte ersetzen.<br />
Zum Ilisu-Entscheid des<br />
B<strong>und</strong>esrats<br />
Kürzlich hat der B<strong>und</strong>esrat eine mit über<br />
h<strong>und</strong>ert Auflagen versehene Gr<strong>und</strong>satz zusage<br />
für eine Exportrisiko garantie für den<br />
gigantischen Ilisu-Staudamm im Südosten<br />
der Türkei erteilt. Dieser soll den Tigris kurz<br />
vor der Grenze zu Syrien <strong>und</strong> Irak auf einer<br />
Länge von 130 Kilometern aufstauen. Im<br />
Vorfeld hatte es intensive Auseinander setzungen<br />
zwischen der Erklärung von Bern<br />
<strong>und</strong> der Exportrisikogarantie gegeben, weil<br />
der Stausee 55‘000 Menschen direkt <strong>und</strong><br />
indirekt ihrer Lebensgr<strong>und</strong>lage beraubt, sie<br />
zur Umsiedlung zwingt, 5000-jährige Kulturgüter<br />
überflutet, einzigartige Feuchtgebiete<br />
am Tigris zer stört sowie die politische Möglich<br />
keit bietet, den Anrainerstaaten Syrien<br />
<strong>und</strong> Irak das Wasser abzudrehen.<br />
Die EvB kritisiert den Entscheid, weil eine<br />
Zusage gemacht wurde, obwohl in allen<br />
umstrittenen Bereichen die notwendigen<br />
Konzepte <strong>und</strong> Gelder zur Abfederung der<br />
Schäden fehlen. „Die Liste von über h<strong>und</strong>ert<br />
Auflagen zeigt, wie weit das Ilisu-Projekt<br />
noch davon entfernt ist, den Auflagen von<br />
Weltbank <strong>und</strong> OECD zu entsprechen“, konstatiert<br />
Christine Eberlein von der EvB. Die<br />
Das „African Sustainable House”<br />
Foto: Studio “YES”
entwicklungspolitische Organisation hat<br />
besonders grosse Vorbehalte, weil allen<br />
Experten länger schon klar ist, dass nicht<br />
genügend Land vorhanden ist, um alle<br />
Menschen umzusiedeln <strong>und</strong> die Türkei jährlich<br />
nur 100 Millionen Franken für alle im Bau<br />
befindlichen Staudämme zur Verfügung hat.<br />
Für die Umsiedlung wären jedoch allein über<br />
eine Milliarde Franken notwendig.<br />
Zu den wichtigsten Auflagen der Weltbank<br />
gehört die Einbeziehung der betroffenen<br />
Bevölkerung in die Planung <strong>und</strong> Umsetzung<br />
des Projekts sowie deren Beteiligung am<br />
Nutzen des Kraftwerks. „Es ist ein Skandal,<br />
dass das auch weiterhin für die Türkei kein<br />
Thema ist <strong>und</strong> die Bevölkerung zu den<br />
angeblichen Verbesserungen nicht Stellung<br />
nehmen konnte“, beklagt Ercan Ayboga von<br />
der lokalen Initiative zur Rettung von<br />
Hasankeyf. Die EvB fürchtet, dass die Zusage<br />
eine Mogelpackung ist, denn sobald einmal<br />
mit dem Bau begonnen wurde, wird man die<br />
Exportrisikogarantie kaum mehr zurückziehen.<br />
Sie fordert deshalb, dass die Schweiz<br />
sofort alle Auflagen veröffentlicht <strong>und</strong> die<br />
Türkei die betroffenen 55‘000 Menschen in<br />
einem Dialogprozess in die weitere Planung<br />
einbezieht <strong>und</strong> die Anrainerstaaten konsultiert.<br />
Der B<strong>und</strong>esrat muss Wort halten: Bevor<br />
eine endgültige Garantie gesprochen wird,<br />
muss jede einzelne Weltbankauflage eingehalten<br />
werden.<br />
Weitere Informationen auf www.evb.ch/Ilisu<br />
oder bei Christine Eberlein, EvB-Expertin für<br />
internat. Finanzierungen, Tel. 079 426 30 56<br />
Mit Solarstrom über den Atlantik<br />
Der Solarkatamaran «sun21» hat als<br />
erstes Motor boot den Atlantik mit reinem<br />
Solar strom (Photovoltaik) überquert –<br />
www.transatlantic21.org<br />
Der Route von Christoph Columbus folgend,<br />
ist die «sun21» am 2. Februar 2007 in Mar tinique<br />
angekommen. Die «sun21» startete die<br />
Welt rekordfahrt am 16. Oktober 2006 in<br />
Basel <strong>und</strong> wird nach insgesamt 7‘000 Seemeilen<br />
am 8. Mai 2007 in New York erwartet.<br />
Die «sun21» fährt ohne einen Tropfen Öl <strong>und</strong><br />
ohne ein Gramm Uran.<br />
Am 2. Februar 2007 wurde auch der alarmierende<br />
Klimabericht der UNO «Climate<br />
Change 2007» veröffentlicht. Verschiedene<br />
Stimmen wollen Öl <strong>und</strong> Gas unter anderem<br />
durch Atomenergie – also CO 2 durch Radioaktivität<br />
– ersetzen. Das ist russisches Roulette<br />
mit unseren Lebensgr<strong>und</strong>lagen.<br />
Die «sun21» beweist, dass es intelligente<br />
Lösungen für eine zukunftsfähige Energieversorgung<br />
gibt. Solarenergie <strong>und</strong> die anderen<br />
erneuerbaren Energieträger sind Gr<strong>und</strong>lage<br />
<strong>und</strong> Chance für Frieden, Wirtschaft,<br />
Sicherheit, Unabhängigkeit <strong>und</strong> Ökologie –<br />
www.SolarPeace.ch<br />
Transitland Südbaden – wohin<br />
mit dem Verkehr?<br />
Verkehr, Strassen, Lärm <strong>und</strong> Gestank nehmen<br />
am Oberrhein zu. Südbaden wird immer stärker<br />
zur zentralen, europäischen Nord-Süd-<br />
Achse mit allen damit verb<strong>und</strong>en Problemen.<br />
Während nicht nur im Alpenraum viele<br />
Menschen die Dramatik der Situation erfasst<br />
haben <strong>und</strong> sich gegen die zunehmende<br />
Zerstörung ihrer Heimat wehren, gilt in manchen<br />
Kreisen in der „Ökoregion Südbaden“<br />
Strassenbau immer noch als Fortschritt. Die<br />
Strassenbaulobbyisten in den Parteien brüsten<br />
sich in den Wahlkämpfen mit ihren<br />
Strassenbauerfolgen gegen die Natur. Bei<br />
man chem Strassenbauprojekt in der Region<br />
gibt es sicher im Detail ein sinnvolles Pro <strong>und</strong><br />
Contra. Da sind die lärmgeplagten AnwohnerInnen,<br />
die nach den neuen Strassen <strong>und</strong><br />
Umgehungen rufen. Aber neue Strassen ziehen<br />
immer mehr Verkehr nach sich <strong>und</strong> der<br />
Traum von der autogerechten Stadt <strong>und</strong><br />
Region ist längst ausgeträumt.<br />
Die vielen neuen Strassen verbrauchen nicht<br />
nur die real in Anspruch genommene Fläche,<br />
sie zerschneiden Landschaft <strong>und</strong> Lebens-<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
räume, verlärmen einen breiten Streifen auf<br />
beiden Seiten <strong>und</strong> belasten die angrenzenden<br />
Dörfer, Äcker <strong>und</strong> Wiesen mit Schad stoffen.<br />
Gemeinsam ergeben diese vielen neuen<br />
Strassen eine neue negative Qualität für den<br />
Breisgau: ein Bild der Zerstörung. Nachhaltigkeit<br />
ist so nicht zu erreichen.<br />
In diesem Zusammenhang ist ganz besonders<br />
die geplante neue, schnelle, breite<br />
Autobahn A 5 zu nennen, die zentrale Transitstrecke<br />
am Oberrhein. Der bereits jetzt unerträgliche<br />
LKW-Verkehr soll sich bis zum Jahr<br />
2020 verdoppeln. Was das für die lärmgeplagten<br />
Menschen bedeutet, kann man sich<br />
vorstellen. Mehr Lärm, Abgase <strong>und</strong> ein<br />
Verlust an Erholungsflächen. Es ist erstaunlich,<br />
dass Politiker mit der Forderung nach<br />
dem Ausbau der Autobahn immer noch<br />
Wahlkämpfe führen <strong>und</strong> Wahlen gewinnen.<br />
An einer zentralen europäischen Transitachse<br />
zu leben, bedeutet Verlust an Lebensqualität<br />
<strong>und</strong> keinen Gewinn. Gerade die Politiker, die<br />
am lautesten nach dem Autobahnausbau<br />
rufen, sind zumeist diejenigen, die sich am<br />
wenigsten für eine Verminderung des<br />
anschwellenden Strassen- <strong>und</strong> im Beson deren<br />
des LKW-Verkehrs einsetzen. Was nützt<br />
ein sechs- oder achtspuriger Auto bahn ausbau,<br />
wenn der Gotthard immer noch eine<br />
nur zweispurige Röhre hat? Hier wird mit<br />
dem Sachzwangsprinzip die Schweiz bearbeitet,<br />
die am meisten unter dem Transitverkehr<br />
leidet. Die Güter im Fern ver kehr<br />
gehören auf die Bahn <strong>und</strong> das nicht erst ab<br />
der Grenze.<br />
Quelle: BUND-Oberrhein<br />
Weltrekord: Der Solar katamaran<br />
„Sun21“ im Hafen von<br />
Le Martin auf Martinique.<br />
Foto: Transatlantic.org<br />
Seite 29
Buchbesprechungen<br />
um Welten – Poesie für den Alltag<br />
Kuno Roth<br />
Triga Verlag, Gelnhausen, 2006<br />
LICHTpunkte Band 69<br />
96 Seiten<br />
ISBN 3-89774-503-8<br />
Sfr. 15,40 / € 8,30<br />
Unerwartet leise sind die Töne für einen<br />
langjährigen Greenpeace-Aktivisten, den<br />
Umweltpädagogen Kuno Roth. Keine<br />
Mission <strong>und</strong> kein Schreien, sondern lakonische<br />
Zeilen, wohltuend unaffektierte <strong>und</strong><br />
verständliche Gedichte, zu welchen der<br />
Schweizer Literaturkritiker Markus B<strong>und</strong>i in<br />
seinem Vorwort schreibt: »Kuno Roth hat<br />
eine eigene Sprache gef<strong>und</strong>en. Da kapriziert<br />
sich kein Autor <strong>und</strong> versteckt sich hinter<br />
grossen Worten. Es ist gerade die Einfachheit<br />
der Sprache, das scheinbar Leichte, das<br />
Spielerische, woraus Kuno Roths Gedichte<br />
ihre Kraft schöpfen <strong>und</strong> Leserinnen <strong>und</strong><br />
Leser zum Eintauchen <strong>und</strong> Mitdenken einladen.«.<br />
Die zwischen 1998 <strong>und</strong> 2006 entstandenen<br />
Gedichte dieses Sammelbändchens greifen<br />
dabei nicht nur Umwelt- <strong>und</strong> Land schaftsthemen<br />
auf, sondern widmen sich auch der<br />
Liebe, der Politik <strong>und</strong> unserem Alltag,<br />
Roths Gedanken laden wirklich zum Innehalten<br />
ein, zum Nachdenken <strong>und</strong> bilden<br />
damit ein literarisches Gegengewicht zu<br />
unserer schnelllebigen, konsumorientierten<br />
Zeit. Dieses Büchlein ist etwas für alle, die<br />
noch die Stille zu hören vermögen.<br />
Günther Frauenlob, Waldkirch<br />
Seite 30 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Unsere Obstgärten – Mit Kindern<br />
die faszinierende Welt der Streuobstwiesen<br />
entdecken<br />
Karin Blessing, Claus-Peter Hutter<br />
& Fritz-Gerhard Link (Hrsg.)<br />
Hirzel Verlag, Stuttgart, 2006<br />
144 Seiten<br />
ISBN 3-7776-1274-X.<br />
Sfr. 23,70; € 14,80;<br />
Seit langem prägen Apfel-, Birnen-, Kir -<br />
schen-, Zwetschgen <strong>und</strong> andere Fruchtbäume<br />
viele Teile unserer Kulturlandschaft.<br />
Ob als Aus druck in Form ausgedehnter<br />
Obstwiesen, als Alleen an Strassen <strong>und</strong><br />
Wegen oder als markante Einzelbäume. Die<br />
Erhaltung der Streu obstwiesen als Bindeglied<br />
zwischen Kultur <strong>und</strong> Natur <strong>und</strong> besondere<br />
Biotope der Agrar landschaft steht seit<br />
längerem im Blickpunkt des staatlichen <strong>und</strong><br />
privaten Naturschutzes. Sowohl Landschaftspla<br />
ner als auch Land schafts architekten,<br />
Natur schutzver bände, Heimat- <strong>und</strong> Wan dervereine,<br />
Organi sa tionen des Obstbaus <strong>und</strong><br />
andere Initiativen versuchen den schleichenden<br />
Ausverkauf eines artenreichen Landschafts<br />
elementes entgegenzuwirken. Doch<br />
die bisherigen Initiativen sind nur teilweise<br />
erfolgreich verlaufen.<br />
Wurden in den 70er- <strong>und</strong> 80er- Jahren viele<br />
Streu obstgebiete durch Umwandlung in<br />
Wohn- <strong>und</strong> Gewerbegebiete geopfert oder<br />
der landwirtschaftlichen Intensivierung unter<br />
worfen, so ist es heute das zunehmende<br />
Desinteresse der Eigentümer <strong>und</strong> Erben an<br />
der traditionellen Nutzung. Und so wird<br />
Natur <strong>und</strong> dieser Teil der Landschaft immer<br />
mehr zur grünen Kulisse für Frei zeit beschäftigung<br />
ohne Heimatbezug <strong>und</strong> Bodenhaftung.<br />
Selbst das ererbte Eigentum in der<br />
Kulturlandschaft – etwa eine Streuobstwiese<br />
– steigert bei der jüngeren Generation kaum<br />
die Aktivitäten für diesen Lebensraum wie<br />
etwa Baumpflege, Wiesen mahd oder<br />
Nutzung der ohne Herbizid- <strong>und</strong> Pestizid einsatz<br />
gereiften Früchte. Aktive Ausein andersetzung<br />
mit den heimischen Landschaften<br />
<strong>und</strong> deren Agrarökosystemen findet also<br />
kaum mehr statt. Alle Appelle zum Erhalt<br />
unserer Streu obstwiesen tragen keine<br />
Früchte, wenn diejenigen, die sie erben,<br />
diese nicht pflegen <strong>und</strong> erhalten. Denn an<br />
fehlender Energie kann es nicht mangeln.<br />
Während immer mehr Äpfel <strong>und</strong> Birnen im<br />
Herbst auf den Obstbaumwiesen vergammeln,<br />
suchen deren Eigentümer schweisstreibende<br />
Betäti gung in den Fitness studios.<br />
Hier setzt die Initiative der Umweltakademie<br />
Baden-Württemberg an. Da in unserer Gesellschaft<br />
eine zunehmende Naturentfremdung<br />
festzustellen ist, sollen Kinder als die Entscheidungsträger<br />
von morgen an die Natur<br />
herangeführt werden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat<br />
die Umweltakademie Baden-Württemberg<br />
ein Projekt zur Umweltbildung für Kinder zur<br />
Erhaltung der Streuobstwiesen gestartet<br />
<strong>und</strong> das Buch „Unsere Obstgärten – Mit<br />
Kindern die w<strong>und</strong>erbare Welt der Streuobstwiesen<br />
entdecken“ als Arbeitshilfe für<br />
Kin der tageseinrichtungen, Gr<strong>und</strong>schulen<br />
<strong>und</strong> Eltern entwickelt. Streuobstwiesen sind<br />
überaus artenreiche Lebensräume. Von der<br />
Gräser- <strong>und</strong> Kräuterschicht bis in die obersten<br />
Baumwipfel finden sich unterschiedlichste<br />
ökologische Nischen <strong>und</strong> somit zahlreiche<br />
kleine Lebensräume für Tiere wie<br />
Siebenschläfer, Buntspecht oder Ameise <strong>und</strong><br />
Pflanzen wie Löwenzahn, Spitzwegerich <strong>und</strong><br />
Margerite, die es zusammen mit den Kinder<br />
in der Natur zu erleben <strong>und</strong> entdecken gilt.<br />
Die Vielfalt der Streuobstwiesen erlebt <strong>und</strong><br />
erfährt man zusammen mit Kindern natürlich<br />
am direktesten <strong>und</strong> am einprägsamsten<br />
bei einem Ausflug <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ungsgang<br />
durch diesen Lebensraum. Jede Jahreszeit,<br />
jeder Tag birgt Geheimnisse <strong>und</strong> Überraschungen.<br />
Weil man jedoch nicht immer<br />
die Möglichkeit hat, die Beson derheiten der<br />
Streuobstwiese direkt vor Ort zu erk<strong>und</strong>en,<br />
ist dieses Buch auch eine Handreichung zur<br />
Vorbereitung von Natur erlebnis-Spielen, die<br />
man auch im Kinder garten, in der Schule<br />
oder in der Familie angehen kann.<br />
Dieses Buch ist ein Baustein, der Wissenserosion<br />
in Sachen Natur, Landschaft, Heimat,<br />
Ges<strong>und</strong> heit <strong>und</strong> Ernährung entgegenzuwir-
ken. Als praktische Arbeitshilfe für Natur erziehung<br />
<strong>und</strong> Umweltbildung ist es zugleich<br />
ein wichtiger Beitrag zur Bildung für eine<br />
nachhaltige Entwicklung.<br />
Dr. Agnes Michenfelder, Stuttgart<br />
Moorlandschaft Habkern –<br />
Sörenberg<br />
Exkursionsführer Bernischer Teil<br />
Christian Gnägi<br />
Ott Verlag, Bern, 2006<br />
121 Seiten, zahlr. Abbildungen<br />
ISBN 3-7225-0021-4<br />
Sfr. 32,- / € 21,-<br />
Die Moorlandschaft Habkern–Sörenberg<br />
liegt östlich von Interlaken in den nördlichen<br />
Voralpen. Sie erstreckt sich über 86 km 2 von<br />
Sörenberg bis Beatenberg <strong>und</strong> ist damit die<br />
zweitgrösste Moorlandschaft der Schweiz.<br />
Seit 1996 ist sie durch die Moorlandschaftsverordnung<br />
geschützt. Bisher fehlte aber<br />
eine Beschreibung der schützenswerten<br />
Beson der heiten dieser grossartigen Landschaft.<br />
Der nun vorliegende Exkursionsführer<br />
ist nicht ein herkömmlicher Routenführer,<br />
sondern liefert eine umfassende <strong>natur</strong>räumliche<br />
Charakteristik des bernischen Teils mit<br />
beson derer Berücksichtigung von Geologie<br />
<strong>und</strong> Landschaftsentwicklung, Klima <strong>und</strong><br />
Hydro logie, Flora <strong>und</strong> Fauna <strong>und</strong> Moorlandschafts-<br />
<strong>und</strong> Moorschutz.<br />
Zu elf Exkursionsräumen wird eine Fülle an<br />
Hintergr<strong>und</strong>informationen <strong>und</strong> Beobachtungs<br />
mög lich keiten aufgezeigt. Das Buch ist<br />
reich bebildert, wobei nicht alle Bilder qualitativ<br />
wirklich gut sind, hier hätte eine etwas<br />
strengere Auswahl gut getan. Doch das ist<br />
nur ein kleiner Schönheitsfleck einer ansonsten<br />
gelungenen Publikation, die diese recht<br />
unbekannte Gegend endlich wissenschaftlich<br />
genau vorstellt <strong>und</strong> Lust auf mehr weckt.<br />
Das hat auch der Verlag erkannt <strong>und</strong> auf<br />
einer Webseite www.hep.info/index.php?cm<br />
d=offers&subcmd=load&category=72&offer<br />
=70 einen Link mit weiterführenden Informationen<br />
<strong>und</strong> konkreten Touren vorschlägen<br />
aufgeschaltet.<br />
Das Buch ist allen zu empfehlen, die es lieben,<br />
wildromantische Landschaften zu Fuss<br />
zu entdecken.<br />
Laurence Frauenlob, Waldkirch<br />
Gr<strong>und</strong> zur Hoffnung<br />
Autobiographie<br />
Jane Goodall, Phillip Berman<br />
Aus dem Englischen von Erika Ifang<br />
Sonderausgabe<br />
Riemann Verlag, 2006<br />
352 Seiten, 10 s/w Abbildungen<br />
ISBN 978–3–570–50079–8<br />
Sfr. 23,60 / € 12,95<br />
Jane Goodall ist eine der grossen For scherpersönlichkeiten<br />
unserer Zeit. Über dreissig<br />
Jahre hinweg beobachtete sie das Leben von<br />
freilebenden Schimpansen in Tansania. Ihre<br />
Erkenntnisse haben die Ver hal tens forschung<br />
revolutioniert <strong>und</strong> die Ein stellung des<br />
Menschen zur Natur verändert.<br />
Umweltzerstörung <strong>und</strong> die Grausamkeit <strong>und</strong><br />
Ungerechtigkeit in der Welt sind für Jane<br />
Goodall Anstoss zum Handeln, nicht Gr<strong>und</strong><br />
zur Resignation. „Gr<strong>und</strong> zur Hoffnung“ ist<br />
Essenz <strong>und</strong> Leitmotiv ihres Lebens.<br />
Angesichts des Schwindens von Lebensraum<br />
für freie Tiere, angesichts von Klimaveränderungen<br />
<strong>und</strong> Umweltzerstörung, angesichts<br />
der wachsenden Armut in vielen Ländern<br />
der Welt wurde Jane Goodall immer wieder<br />
gefragt, wie es möglich sei, dass sie trotzdem<br />
so ruhig, friedvoll <strong>und</strong> positiv wirke. Mit der<br />
vorliegenden Autobiographie beantwortet<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
sie diese Frage. Ihre Empfindung der Einheit<br />
allen Seins, ihre Liebe zur Schöpfung, ihre<br />
Herzlichkeit <strong>und</strong> Wahrheitsliebe bestimmen<br />
ihr Leben. Diese Qualitäten in Verbindung<br />
mit ihrer Neugierde machten sie zu einer<br />
aussergewöhnlichen Forscherin – die mit<br />
Tieren lebt <strong>und</strong> sie nicht erschiesst, um<br />
Mageninhalte zu bestimmen, oder sie in<br />
Käfige einsperrt, um unter künstlichen<br />
Bedingungen ihre Reaktionsmuster zu studieren.<br />
Jane Goodall, Doktor der Ethnologie, ist eine<br />
der international engagiertesten Persönlichkeiten<br />
für den Schutz von Natur <strong>und</strong><br />
Umwelt. Seit sie nicht mehr aktive Forschung<br />
in Afrika betreibt, hat sich ihr Engagement in<br />
Richtung Öffentlichkeitsarbeit verlagert. Als<br />
Initiatorin von „Roots & Shoots“, einem Programm<br />
für den internationalen Umwelt- <strong>und</strong><br />
Artenschutz, begeistert sie insbesondere<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in zahlreichen Ländern<br />
für ein ökologisches Engagement.<br />
Unermüdlich auf Vortrags reisen, verbringt<br />
Jane Goodall die wenigen verbleibenden<br />
Wochen des Jahres im englischen Bournemouth.<br />
Jane Goodall ist mit ihrem Leben ein Vorbild,<br />
wie man sich zur Natur <strong>und</strong> ihren Geschöpfen<br />
verhalten sollte.<br />
Es ist dem Verlag deshalb dafür zu danken,<br />
dass er ihre bereits 2001 erschienene Biographie<br />
noch einmal neu in einer Sonderausgabe<br />
auflegt, um sie einem grösseren<br />
Publikum zugänglich zu machen.<br />
Günther Frauenlob, Waldkirch<br />
Seite 31
Leserbriefe<br />
Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />
im Einklang?<br />
Im Jahre 2004 wurde von den B<strong>und</strong>esämtern<br />
ARE, BFE <strong>und</strong> BAFU das „Konzept Windenergie<br />
Schweiz“ verabschiedet, das in einem partizipativen<br />
Prozess unter anderem mit den mitgliederstarken,<br />
demokratisch legitimierten<br />
Umweltorganisationen Pro Natura <strong>und</strong> WWF<br />
entstanden ist. Das dem Konzept zu Gr<strong>und</strong>e<br />
liegende Prinzip ist die Konzentration von<br />
Windturbinen an geeigneten Standorten.<br />
Folgende Kriterien für den Bau von Windparks<br />
(ab 3 Anlagen) wurden darin festgehalten:<br />
Windaufkommen, Erschliessung, Sied lungsabstand,<br />
Verträglichkeit mit Natur <strong>und</strong> Landschaft.<br />
So werden etwa nationale Inven tare<br />
<strong>und</strong> Schutzgebiete sowie Wald jeweils inklusive<br />
Schutzperimeter für Windparks ausgeschlossen.<br />
Das Konzept ist eine ausgezeichnete<br />
Basis, den von Suisse Eole stets<br />
an ge strebten Interessenausgleich zwischen<br />
Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz umzusetzen.<br />
Auftrieb erhält das Konzept nun durch das<br />
Ende August 2006 vom B<strong>und</strong>esgericht<br />
gefällte Urteil zugunsten des Windparks<br />
Crêt-Meuron (NE), das ein klares Signal für<br />
Seite 32 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Im Leserbrief in der Ausgabe 4/06 bezeichnet F. Schmid das Verhältnis<br />
von Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz als “realistischerweise nicht<br />
lösbares Dilemma“. Im Rahmen meiner politischen Tätigkeit <strong>und</strong> als<br />
Präsident von Suisse Eole habe ich die Diskussion um dieses Thema<br />
intensiv miterlebt. Heute kann ich sagen, dass in der Frage eine gute<br />
<strong>und</strong> tragfähige Lösung gef<strong>und</strong>en wurde. Walter Schmied<br />
einen Ausbau der Windkraftnutzung in der<br />
Schweiz ist. Die Realisierung dieses Windparks<br />
entspricht dem Willen der Neuenburger<br />
Regierung, der lokalen Bevölkerung sowie<br />
der kantonalen Sektionen von WWF <strong>und</strong> Pro<br />
Natura. Der Standort wurde überaus sorgfältig<br />
nach den Kriterien des Konzepts ausgewählt.<br />
Dass beim Crêt-Meuron keineswegs<br />
eine unberührte Natur vorzufinden ist, sondern<br />
eine vielfach vorbelastete, zeigt das<br />
Zitat aus dem Gutachten von Pro Natura:<br />
„Was den Standort «Crêt-Meuron / Derrière<br />
Tête de Ran» betrifft, so bestehen in der Nähe<br />
zahlreiche Installationen (Restaurant, Skilift,<br />
Zufahrtsstrassen, Stromleitungen, Hochspannungsleitung)<br />
<strong>und</strong> der Ort wird bereits<br />
viel besucht.“ Auch das B<strong>und</strong>esgericht<br />
kommt in seinem Urteil zum Schluss, dass an<br />
diesem Standort – eventuell mit geeig neten<br />
Massnahmen – die Interessen der Natur<br />
gewahrt werden können.<br />
Zweifellos haben Windturbinen einen<br />
Einfluss auf das Landschaftsbild. Ob positiv<br />
oder negativ, ist Ansichtssache. Fakt ist hingegen,<br />
dass sich in der Schweiz auch unter<br />
Der Mont Crosin, ein Vorbild<br />
für den Crêt Meuron?<br />
Foto: Suisse-Eole<br />
landschaftsästhetischen Krite<br />
rien überzeugende Standorte<br />
finden lassen. Und dass<br />
sich die Turbinen nach Ende<br />
ihrer Lebensdauer abbauen<br />
<strong>und</strong> rezyklieren lassen –<br />
ohne Spuren <strong>und</strong> Abfälle zu<br />
hinterlassen. Suisse Eole<br />
appelliert an die Stiftung<br />
Landschaftsschutz <strong>und</strong> den<br />
Schweizer Heimat schutz, bei<br />
der Ein schätzung von Windenergieprojekten<br />
künftig<br />
das Augenmass nicht zu verlieren. Beispielsweise<br />
stehen auf Landesgebiet r<strong>und</strong> 1 Million<br />
Hochspannungsmasten. Dagegen nimmt<br />
sich die Zahl der Windturbinen, die je aufgestellt<br />
werden könnten, auf jeden Fall sehr<br />
bescheiden aus.<br />
Suisse Eole setzt sich – wie auch der Rheinaub<strong>und</strong><br />
– im Rahmen der Allianz für eine verantwortungsvolle<br />
Klimapolitik für die<br />
Reduktion des CO 2 -Ausstosses ein. Denn<br />
jede mit Windturbinen produzierte kWh<br />
sorgt dafür, dass die geplanten Gas-Kombikraftwerke<br />
weniger lang betrieben wer den<br />
müssen. Im Hinblick auf die Energieversorgung<br />
<strong>und</strong> das Klima unseres Planeten ist es sinnvoll,<br />
eine einheimische, erneuerbare, emissionsfreie<br />
Energiequelle zu nutzen.<br />
Walter Schmied, Nationalrat,<br />
Präsident Suisse Eole<br />
(Vereinigung zur<br />
Förderung der Windenergie<br />
in der Schweiz)
Termine / Aktuelles<br />
Kassier gesucht!<br />
Familiäre Pflichten <strong>und</strong><br />
be rufliches Enga ge ment<br />
veranlas sen unseren bisherigen<br />
Kassier, Roman Zangerle,<br />
sein Mandat abzugeben. Wir<br />
bedauern diesen Schritt<br />
ha ben aber Ver ständnis für<br />
seinen Entscheid. Roman<br />
Zangerle hat seine Aufgabe<br />
sehr ernst ge nom men, die<br />
buchhalterischen Abläufe<br />
Danke Roman!<br />
opti miert <strong>und</strong> war in der Amtsführung äusserst<br />
gewissenhaft. Der Vorstand bedankt<br />
sich herzlich für diesen Einsatz. Roman Zangerle<br />
hat sich bereit erklärt, sein Amt solange auszuüben<br />
bis seine Nachfolge geregelt ist.<br />
Sind Sie interessiert, Ihr buchhalterisches<br />
Fachwissen für eine ideelle Organisation einzusetzen<br />
<strong>und</strong> den Vorstand in finanziellen<br />
Fragen zu beraten? Könnten Sie sich vorstellen,<br />
diese Tätigkeit im Rahmen eines<br />
Vorstandsmandates auszuüben?<br />
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Damit für Sie die Geschäftsvorgänge<br />
nicht ins Abstrakte<br />
abrutschen, ist ein gewisses<br />
Interesse an den Tätig keitsschwerpunkte<br />
des Rheinaubun<br />
des – Gewässer- <strong>und</strong><br />
Land schafts schutz erforderlich.<br />
Der Vorstand tritt jährlich<br />
zu 6 bis 8 Sitzungen<br />
zusam men.<br />
Die Erledigung der Aufgaben<br />
erfolgt in enger Zusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> mit Unterstützung durch Sekretariat<br />
<strong>und</strong> Geschäftsführung. Wir sind ein aufge<br />
stelltes Team <strong>und</strong> geben Interessentinnen<br />
<strong>und</strong> Interessenten gerne weitere Auskünfte.<br />
Melden Sie sich !<br />
aglagla ... l’âge de glace<br />
Unsere erhabenen Gletscher schmelzen dramatisch.<br />
Die Klima erwär mung ist in aller<br />
M<strong>und</strong>e. Doch die „Kleine Eiszeit“ ist nicht<br />
weit weg: erratische Blöcke,<br />
Moränen, Eis, Hunger <strong>und</strong><br />
Kälte... Die neue Eiszeit- <strong>und</strong><br />
Gletscher-Ausstellung des<br />
Naturhistorischen Museum<br />
Neuenburg wirft ein neues<br />
Licht auf die aktuelle Debatte<br />
über das Klima <strong>und</strong> seine<br />
Veränderungen.<br />
Mit dieser Ausstellung feiert<br />
das Natur histo rische Muse -<br />
um Neuenburg gleichzeitig<br />
den 200. Geburtstag von<br />
Louis Agassiz (1807–1873).<br />
Sie erinnert an den wissenschaftlichen<br />
Beitrag dieses<br />
Naturforschers, der einer der<br />
grössten seiner Zeit war.<br />
Sein persönlicher Beitrag<br />
war die Hypothese einer<br />
wahrhaften „Eiszeit“ mit<br />
weltweiten Auswirkungen.<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />
Die Entdeckung der Eiszeit <strong>und</strong> die damals<br />
schockierende Vorstellung, dass das Klima<br />
der Erde beträchtlichen Veränderungen un -<br />
terliegen könnte, sind heute erneut aktuell.<br />
Die Klimaerwärmung wird mit zunehmender<br />
Besorgnis wahrgenommen <strong>und</strong> als Bedrohung<br />
der Menschheit erkannt.<br />
In ihrer Inszenierung geht die Ausstellung<br />
neue Wege, indem sie in ihren Parcours den<br />
Film Mémoire d’outre glace integriert, der<br />
speziell zu diesem Zweck im Sommer 2006<br />
auf dem Aargletscher gedreht wurde.<br />
Die Ausstellung ist<br />
vom 21. Januar 2007 – 21. Oktober 2007<br />
geöffnet <strong>und</strong> zwar jeweils<br />
von Dienstag – Sonntag, 10 –18 Uhr.<br />
Muséum d’histoire <strong>natur</strong>elle<br />
Rue des Terreaux 14<br />
CH-2000 Neuchâtel<br />
www.museum-neuchatel.ch<br />
Suisse Eole Tagung 2007<br />
Auch in der Schweiz hat die Nutzung der<br />
Windenergie ein gewisses Potenzial. Darüber<br />
hinaus hat es in der letzten Zeit erneut wieder<br />
positive Signale aus Wirtschaft, Technik<br />
<strong>und</strong> Politik für die Nutzung des Windstroms<br />
gegeben. Durch die kostendeckende Einspeise<br />
vergütung <strong>und</strong> die Berück sichtigung<br />
in den kantonalen Richtplanungen haben<br />
sich die Rahmenbedingungen für die Windenergie<br />
nutzung in der Schweiz verbessert.<br />
Die Suisse Eole-Tagung nimmt die neue Ausgangslage<br />
auf <strong>und</strong> zeichnet die mittelfristigen<br />
Perspektiven der Wind strom pro duk tion.<br />
Die Tagung richtet sich an Energie-, Umwelt-<br />
<strong>und</strong> Raum planungs experten, Investoren<br />
<strong>und</strong> Stromversorger bzw. Stromproduzenten,<br />
Vertreter von Behörden, Politik, Landwirtschaft,<br />
Fach- <strong>und</strong> Publikums medien <strong>und</strong> steht<br />
weiteren Interessierten offen.<br />
Termin: Freitag, 20. April 2007, 10 – 17 Uhr<br />
Ort: Tagungszentrum Gurten – Park im<br />
Grünen, Bern<br />
Programm: www.wind-energie.ch<br />
Anmeldungen unter wind@ideja.ch<br />
(bitte mit vollständiger Adressangabe) oder<br />
Tel. 061 333 23 00/02.<br />
Seite 33
www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />
<strong>natur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>mensch</strong><br />
49. Jahrgang • Heftnummer 1 / 2007<br />
Jährlich 6 Nummern • Erscheinungsdatum 03.03.2007<br />
Herausgeber: Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />
Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />
Autoren dieser Ausgabe:<br />
Christian Schuhböck<br />
Rolf Waldis<br />
Christa Glauser<br />
Verena Keller<br />
Matthias Kestenholz<br />
Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />
Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />
Jürg Schmid<br />
Huw Davies<br />
Urs Neu<br />
Stefan Baisch<br />
Ralph Weidler<br />
Walter Schmied<br />
Vor zwanzig Jahren kam es bei Sandoz in<br />
Schweizerhalle zu einem folgenden schweren<br />
Chemieunfall. Die Auswirkungen waren<br />
gravierend, doch wie weit wären wir heute<br />
mit dem Schutz des Rheins, wenn es diesen<br />
Unfall nie gegeben hätte?<br />
Beitrag Seite 11 – 13<br />
Foto: photocase.de