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natur und mensch - Rheinaubund

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<strong>natur</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

49. Jahrgang • Heftnummer 1 / 2007<br />

La <strong>natur</strong>e et l’homme<br />

La <strong>natur</strong>a e l’uomo<br />

La natira e l’uman<br />

Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften<br />

Der Rhein hat Zukunft<br />

Geothermie <strong>und</strong> Erdbeben<br />

Rheinaub<strong>und</strong>


<strong>natur</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

49. Jahrgang • Heftnummer 1 / 2007<br />

Schweizerische Blätter<br />

für Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />

Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />

Redaktion:<br />

Günther Frauenlob (gf) Dipl. Geogr.<br />

Geschäftsstelle des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

<strong>und</strong> Redaktion:<br />

Weinsteig 192<br />

Postfach 1157<br />

CH-8200 Schaffhausen<br />

Telefon: 052 625 26 58<br />

Telefon Redaktionsbüro:<br />

052 625 26 67<br />

Fax: 052 625 26 51<br />

E-mail: redaktion@rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

Postcheck 82-3003-8 Schaffhausen<br />

Postbank Karlsruhe BLZ 660 100 75<br />

Konto 300 550 758<br />

Satz:<br />

flex-on.net<br />

Christoph Frauenlob<br />

Hunscheidtstr.5<br />

D-47533 Kleve<br />

Layout:<br />

Günther Frauenlob, Christoph Frauenlob<br />

Druck <strong>und</strong> Spedition:<br />

Ropress Genossenschaft<br />

Baslerstr. 106<br />

8048 Zürich<br />

Abonnementspreise 2007:<br />

Inland Fr. 45.–, Ausland € 31.–,<br />

Einzelheft Fr. 8.–<br />

ISSN 0466-5899<br />

Erscheinungsweise 6 x jährlich<br />

Nachdruck von Beiträgen aus<br />

«Natur <strong>und</strong> Mensch» werden gestattet unter<br />

Quellenangabe <strong>und</strong> Zusand von 2 Belegen.<br />

Die veröffentlichten Beiträge geben die<br />

Meinung der Autorinnen <strong>und</strong> Autoren wieder<br />

<strong>und</strong> müssen nicht immer der Auffassung des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es entsprechen.<br />

Assoziierte Organisationen:<br />

Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare<br />

AQUA VIVA<br />

IG Bielersee<br />

ARGE Pro Thur<br />

PROTÖSS<br />

Bodensee-Stiftung<br />

Verband zum Schutze des Greifensees<br />

Schweizerische Greina-Stiftung<br />

Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Inhalt<br />

Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />

2 Welt<strong>natur</strong>erbe Hohe Tauern <strong>und</strong> Donau-March-Thaya-Auen?<br />

Christian Schuhböck<br />

4 Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften – reicht der Schutz? Rolf Waldis<br />

Artenschutz<br />

8 Erfolgreiches Jahr des Eisvogels Christa Glauser<br />

10 40 Jahre internationale Wasservogelzählungen<br />

Verena Keller, Matthias Kestenholz<br />

11 Der Rhein – 20 Jahre nach Sandoz Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />

Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

14 Verbandsbeschwerderecht – vorerst gerettet? Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />

16 Kantonales Verbandsbeschwerderecht in St. Gallen unter Beschuss<br />

Jürg Schmid<br />

Klimaschutz<br />

18 Verstärkt die globale Erwärmung Wirbelstürme?<br />

Huw Davies, Urs Neu<br />

Energie<br />

22 Geothermie <strong>und</strong> Erdbeben – Eine seismologische Betrachtung des<br />

Basler Bebens Stefan Baisch, Ralph Weidler<br />

Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

25 Unser Geschäftsführer berichtet<br />

Mitteilungen<br />

27 Kurzinformationen aus dem Umweltbereich<br />

Buchbesprechungen<br />

30 um Welten – Poesie für den Alltag Günther Frauenlob<br />

30 Unsere Obstgärten – Mit Kindern die faszinierende Welt der Streuobstwiesen<br />

entdecken Agnes Michenfelder<br />

31 Moorlandschaft Habkern – Sörenberg Laurence Frauenlob<br />

31 Gr<strong>und</strong> zur Hoffnung Günther Frauenlob<br />

Leserbriefe<br />

32 Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz im Einklang Walter Schmied<br />

Letzte Seite<br />

33 Termine / Aktuelles


Editorial<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />

es ist mir eine grosse Freude, Sie heute zu einem neuen Jahrgang von <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />

begrüssen zu dürfen. Erinnern Sie sich noch? Ich hatte im letzten Heft bereits angekündigt,<br />

dass wir das Layout unserer Zeitschrift überarbeiten <strong>und</strong> anpassen wollten <strong>und</strong> ich denke, das<br />

neue Kleid passt unserer in die Jahre gekommenen Fre<strong>und</strong>in „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ wie angegossen.<br />

Bei gleichem inhaltlichen Umfang wie bisher sind die Artikel heller, fre<strong>und</strong>licher <strong>und</strong> grosszügiger<br />

gestaltet <strong>und</strong> – wie uns viele bereits bestätigt haben – besser lesbar. Denn schliesslich<br />

geht es uns ja um die Inhalte. Vielleicht ist es eine Krankheit unserer Zeit, viel zu viel Wert auf<br />

äussere Form <strong>und</strong> Gestaltung zu legen, aber<br />

auch wir können <strong>und</strong> wollen uns diesem<br />

Trend nicht verschliessen. Schliesslich geht<br />

es uns darum, die in „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ zum<br />

Ausdruck gebrachten Anliegen der Natur<br />

einem grösseren Publikum zugänglich zu<br />

machen.<br />

VivaRiva, das aktuelle Bildungsprogramm<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es schafft uns eine junge<br />

Öffentlichkeit, die wir mit unserer Zeitschrift<br />

ebenso erreichen wollen, wie unsere eingefleischten<br />

Leser, die schon seit Jahrzehnten<br />

unserem Blatt treu sind. Wir können auf niemanden<br />

verzichten <strong>und</strong> so hoffen wir sehr,<br />

dass ihnen allen unsere neue / alte Zeitschrift<br />

gefällt.<br />

Ein besonderes Augenmerk haben wir darauf<br />

gelegt, dass sich inhaltlich nichts ändert.<br />

Die fachlichen Artikel nehmen den gleichen<br />

Raum ein wie bisher <strong>und</strong> bleiben auf dem<br />

gewohnt hohen Niveau, denn es ist unser<br />

Markenzeichen, kompetent <strong>und</strong> sachlich<br />

über aktuelle Umweltthemen zu berichten.<br />

So auch in diesem Heft, für das sich einige Themen geradezu aufgedrängt haben. Zum einen<br />

ist da das zwanzigjährige Jubiläum des Moorschutzes, das wir mit einem aktuellen Interview<br />

mit Rolf Waldis vom BAFU erneut aufgreifen. Zum anderen der zwanzigste Jahrestag der<br />

Sandoz-Katastrophe in Schweizerhalle. Überraschend lesen wir heute, dass es möglicherweise<br />

diese Katastrophe war, die den Schutz des Rheins erst richtig initiiert hat.<br />

Ein weiteres Thema, das mir unausweichlich schien, ist die Geothermie <strong>und</strong> die Geschehnisse<br />

in Basel. Nur selten war in der Tagespresse so viel Unsinn zu lesen, wie nach den Erdstössen,<br />

die Basel im Dezember <strong>und</strong> Januar erschüttert haben. Wir wollen hier in einem ersten<br />

Fachartikel aufzeigen, wie alles wirklich zusammenhängt, <strong>und</strong> werden diesem Thema auch<br />

in Zukunft noch treu bleiben.<br />

Ich möchte schliessen mit einer Bitte. Wenn Ihnen unser Heft so gut gefällt wie uns,<br />

dann zeigen Sie es doch Ihren Nachbarn <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en. Wir freuen uns über jeden<br />

neuen Leser.<br />

Eine angenehme Lektüre wünscht Ihnen,<br />

Ihr Redaktor Günther Frauenlob<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Seite 1


Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />

Welt<strong>natur</strong>erbe Hohe Tauern <strong>und</strong><br />

Donau-March-Thaya-Auen?<br />

Österreich stellt sich gerne als Umweltmusterland dar. Trotzdem hat es<br />

kein einziges Welt<strong>natur</strong>erbe ausgewiesen. Das sollte sich nach Ansicht<br />

der Organisation „Alliance for Nature“ bald ändern, denn sowohl der<br />

Nationalpark Hohe Tauern als auch die March-Thaya-Auen erfüllen die<br />

Voraussetzungen, um als Welt<strong>natur</strong>erbe der UNESCO ausgewiesen zu<br />

werden.<br />

Christian Schuhböck<br />

Ursprünglich sollte der Nationalpark Hohen<br />

Tauern als gemischte Welt<strong>natur</strong>- <strong>und</strong> Kulturerbestätte<br />

nominiert werden – nämlich die<br />

Kernzone als Naturerbe <strong>und</strong> die Großglockner-Hochalpenstrasse<br />

als Kulturerbe. Letztendlich<br />

entschloss man sich, die Eintragung<br />

in zwei Etappen durchzuführen. Zuerst sollte<br />

die Kernzone des Nationalparks als Naturerbe<br />

in die UNESCO-Liste Eingang finden.<br />

Und dann sollte eine Erweiterung durch die<br />

Großglockner-Hochalpenstrasse als Kulturerbe<br />

erfolgen. Doch schon in der Begutachtungsphase<br />

zeigte sich, dass die Kernzone<br />

des Nationalparks nicht den Kriterien entsprechen<br />

würde. Denn bis zum Sommer<br />

2006 besass nur der Kärntner Anteil des<br />

Nationalparks Hohe Tauern die internationale<br />

Anerkennung der IUCN, während der Salzburger<br />

<strong>und</strong> Tiroler Anteil jeweils zu sehr<br />

anthropogen beeinflusst waren. Demzufolge<br />

wurde der Antrag von österreichischer Seite<br />

noch vor dem Beschluss des Welterbe-Komitees<br />

zurückgezogen. Denn im Falle eines<br />

Die einmalige<br />

Hochgebirgslandschaft r<strong>und</strong><br />

um den Großglockner.<br />

Seite 2 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Beschlusses der „Nichteintragung“ kann in<br />

der Regel eine nochmalige Anmeldung nicht<br />

vorgelegt werden.<br />

Hindernisse ausgeräumt<br />

Da die seinerzeitigen Hindernisse nun ausgeräumt<br />

sind, könnte jetzt eine nochmalige<br />

Nominierung dieser faszinierenden Hochgebirgslandschaft<br />

als potenzielle Welt<strong>natur</strong>erbestätte<br />

erfolgen. Seit einem halben<br />

Jahrzehnt hat die von Natur- <strong>und</strong> Kulturschätzen<br />

so reich gesegnete Alpenrepublik<br />

nichts mehr in das Erbe der Menschheit eingebracht<br />

<strong>und</strong> die Tatsache, dass Österreich,<br />

welches sich bisweilen auch gerne als Umweltmusterland<br />

bezeichnet, bis heute kein einziges<br />

Welt<strong>natur</strong>erbe ausgewiesen hat, ist ohnedies<br />

schon seltsam genug! Österreich hat bis<br />

dato nur Weltkulturerbestätten in das „Erbe<br />

der Menschheit“ eingebracht: Schloss <strong>und</strong><br />

Park von Schönbrunn, Altstadt von Salzburg,<br />

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein/Salzkam<br />

mergut, Semmeringbahn mit umgebender<br />

Landschaft, Altstadt von Graz, Kulturlandschaft<br />

Wachau, historisches Zentrum<br />

von Wien, Kulturlandschaft Neusiedler See.<br />

ALLIANCE FOR NATURE ist gerne bereit, den<br />

B<strong>und</strong>esländern Kärnten, Salzburg <strong>und</strong> Tirol<br />

bei der Nominierung des Nationalparks Hohe<br />

Tauern als Welt<strong>natur</strong>erbe behilflich zu sein.<br />

Donau-March-Thaya-Auen samt<br />

Marchfeldschlösser<br />

Ein weiteres Welt<strong>natur</strong>erbe-Projekt wäre<br />

jenes an den Donau-March-Thaya-Auen.<br />

Niederösterreichs Landeshauptmann hat<br />

bereits das Kulturministerium ersucht, eine<br />

entsprechende Initiative der ALLIANCE FOR<br />

NATURE zu unterstützen. Der Nationalpark<br />

Donau-Auen besitzt seit längerem die IUCN-<br />

Anerkennung. Die Donau-March-Auen sind<br />

zudem gemäss Ramsar-Konvention ein für<br />

Wasser- <strong>und</strong> Watvögel international bedeutendes<br />

Feuchtgebiet. In Tschechien könnte<br />

das Welt<strong>natur</strong>erbe-Gebiet an die bereits<br />

bestehende Welterbe-Kulturlandschaft Lednice-Valtice<br />

„andocken“. Und gemeinsam mit<br />

der Slowakei könnte diese Region als<br />

trilaterales Welterbe-Gebiet ausgewiesen<br />

<strong>und</strong> als eine Art „Friedenspark“ in das Erbe<br />

der Menschheit eingebracht werden.<br />

Bislang haben sich die Beamten der NÖ<br />

Landesregierung jedoch geweigert, diese<br />

aussergewöhnliche Auenlandschaft auf die<br />

entsprechende Vorschlagsliste an die


UNESCO zu setzen. ALLIANCE FOR NATURE<br />

appelliert daher an die NÖ Landesregierung,<br />

endlich „grünes Licht“ für die Nominierung<br />

der Donau-March-Thaya-Auen zu geben.<br />

„Man könnte diese herrliche Auenlandschaft<br />

gemeinsam mit den Marchfeldschlössern als<br />

gemischtes Welt<strong>natur</strong>- <strong>und</strong> Weltkulturerbe<br />

nominieren“, schlägt ALLIANCE-Beirats vorsitzender<br />

Stefan Oberhauser zudem vor <strong>und</strong><br />

hofft auf die Unterstützung der Marchfeldschlösser-Betreiber.<br />

Die Donau-March-Thaya-<br />

Auen haben manche<br />

Überraschung zu bieten.<br />

Foto: March-Thaya-Auen /<br />

Spießmeier<br />

Österreichs Nationalparke als<br />

potenzielle Welterbestätten<br />

Die Hohen Tauern <strong>und</strong> die Donau-March-<br />

Thaya-Auen haben als recht gegensätzliche<br />

Landschaften in der österreichischen<br />

Geschichte des Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzes<br />

etwas Gemeinsames. Zum einen<br />

waren beide Regionen grossen Kraft werksplänen<br />

ausgesetzt. In den Hohen Tauern sollten<br />

sämtliche Gletscherbäche an der Südabdachung<br />

der Venediger- <strong>und</strong> Glocknergruppe<br />

in das Kraftwerk Dorfertal-Matrei, dem grössten<br />

in den Ostalpen geplanten Speicherkraftwerk,<br />

abgeleitet werden. In den<br />

Stopfenreuther Auen sollte das Kraftwerk<br />

Die Kernzone des<br />

Nationalparks Hohe Tauern<br />

sollte als Welt<strong>natur</strong>erbe<br />

ausgewiesen werden.<br />

Foto: ALLIANCE FOR NATURE<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Hainburg, das grösste Laufkraftwerk an der<br />

österreichischen Donau, errichtet werden.<br />

Beide Kraftwerksprojekte konnten dank<br />

engagierter Naturschützer <strong>und</strong> Umweltorganisationen<br />

verhindert <strong>und</strong> die betroffenen<br />

Naturschönheiten in Nationalparke<br />

überführt werden.<br />

Österreich würde mit der Eintragung der<br />

Hohen Tauern <strong>und</strong> der Donau-March-Thaya-<br />

Auen in die Welterbe-Liste das eklatante<br />

Ungleichgewicht zwischen dem europäischen<br />

Natur- <strong>und</strong> Kulturerbe verbessern.<br />

Denn in ganz Mitteleuropa gibt es, sieht man<br />

von den Fossilienlagerstätten ab, nur eine<br />

einzige „lebende“ Welt<strong>natur</strong>erbestätte – die<br />

Hochgebirgslandschaft in den Berner Alpen<br />

r<strong>und</strong> um Jungfrau, Mönch <strong>und</strong> Eiger samt<br />

Aletschgletscher.<br />

Christian Schuhböck<br />

Alliance for Nature<br />

Thaliastrasse 7<br />

A-1160 Wien<br />

Tel. 003 1 893 92 98<br />

office@AllianceForNature.at<br />

www.AllianceForNature.at<br />

Seite 3


Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />

Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften – reicht der Schutz?<br />

Kein anderer Lebensraum wurde in den letzten 150 Jahren derart dezimiert<br />

oder als wertlose Fläche behandelt wie die Moore. Heute zählen<br />

sie auch dank der Rothenthurminitiative zu den für die Natur wertvollsten<br />

Gebieten. Aus diesem Gr<strong>und</strong> stehen sie heute unter rigorosem<br />

Schutz. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, wie das aktuelle Interview mit<br />

Rolf Waldis von der BAFU-Sektion Arten <strong>und</strong> Biotope zeigt. Rolf Waldis<br />

Seite 4 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Herr Waldis, seit der Annahme der Rothenthurminitiative<br />

vor zwanzig Jahren unterstehen<br />

Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften von besonderer<br />

Schönheit <strong>und</strong> nationaler Bedeutung dem<br />

Schutz der B<strong>und</strong>esverfassung. Was ist seither<br />

geschehen?<br />

Seither ist sehr viel geschehen <strong>und</strong> es ist<br />

einiges in Bewegung geraten:<br />

Vorausgehend ist festzuhalten, dass die<br />

Ro then thurminitiative der Auslöser für etwas<br />

viel Umfassenderes war, nämlich die vom<br />

Parlament beschlossene Revision des Natur-<br />

<strong>und</strong> Heimatschutzgesetzes mit der Einfügung<br />

des neuen Biotopschutzartikels 18a ff. Dieser<br />

besagt, dass der B<strong>und</strong>esrat Biotope von nationaler<br />

Bedeutung samt deren Schutzzielen<br />

festlegen kann <strong>und</strong> die Umsetzung (Schutzlegung)<br />

– in Zusammenarbeit mit den Bewirtschaftern<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümern – gr<strong>und</strong>eigen<br />

tümerverbindlich sein soll. Im Weiteren<br />

erhält der Kanton für seine Aufwendungen<br />

für die nationalen Objekte einen gegenüber<br />

früher höheren Subventionssatz von 60 – 90<br />

Prozent.<br />

Der Beschluss zum neuen Biotopschutzartikel<br />

erfolgte bereits 1987, kurz vor dem Ja zur<br />

Rothenthurminitiative als indirekter Gegenvor<br />

schlag. Damit waren die Biotope im<br />

Allgemeinen besser geschützt als bisher <strong>und</strong><br />

die Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften im Speziellen<br />

erhielten einen durch die Verfassung<br />

direkt anwendbaren, absoluten Schutz.<br />

Solche Biotope von nationaler Bedeutung<br />

muss ten aber zuerst bezeichnet werden.<br />

Dazu brauchte es die Erarbeitung gesamtschwei<br />

zerisch gültiger Kriterien, was ein<br />

Flach moor oder eine Moorlandschaft ist <strong>und</strong><br />

Flachmoor mit Scheuchzers<br />

Wollgras (Eriophorum<br />

scheuchzeri) in der Moorlandschaft<br />

Val da Sett GR.<br />

Foto: BAFU


wie diese abzugrenzen sind. Schliesslich mussten<br />

die potentiellen Objekte im Feld kartiert<br />

werden. Erst nach Vorliegen einer ersten Inventur,<br />

konnten daraus – nach objektiven Kriterien<br />

– die besten als „national bedeutend“ vorgeschlagen<br />

werden. Damit lag ein Bun des in ventar<br />

als Entwurf vor, das samt der Verordnung<br />

den Kantonen, B<strong>und</strong>es ämtern <strong>und</strong> Organi sationen<br />

zur Anhörung vorgelegt wurde.<br />

Diese Bereinigungsarbeit war ein mehrjähriger<br />

Prozess, bei dem viele Akteure einbezogen<br />

wurden. Es reicht nicht aus, den Schutz<br />

von oben zu erlassen: Es braucht Klärung für<br />

das Verständnis <strong>und</strong> Lösungen für Interessenkonflikte.<br />

Das letzte Wort hatte jedoch<br />

der B<strong>und</strong>esrat, indem er das B<strong>und</strong>esinventar,<br />

respektive die Verordnung samt Inventar als<br />

Anhang, in Kraft setzte. Die Hochmoore, welche<br />

auf einem frühen Inventar beruhen <strong>und</strong><br />

wenig umstritten waren, wurden 1991 in<br />

Kraft gesetzt, die erste Serie der Flachmoore<br />

1994 (die 3. <strong>und</strong> letzte 1998) <strong>und</strong> die Moorlandschaften<br />

1996.<br />

Allein dadurch, dass die B<strong>und</strong>esinventare in<br />

Kraft <strong>und</strong> die Moore <strong>und</strong> Moorlandschaften<br />

gar von der Verfassung her direkt geschützt<br />

sind, hat sich „draussen in der Landschaft“<br />

aber noch wenig bewegt. Die Kantone müssen<br />

nun die Bestimmungen des B<strong>und</strong>es mit<br />

ihren rechtlichen Instrumenten umsetzen,<br />

also in Form von Richt- <strong>und</strong> Schutz- <strong>und</strong><br />

Nutzungsplänen. Wir nennen dies die<br />

Umsetzung: Jeder Kanton hat seine eigenen<br />

Instrumente, unterschiedliche Behörden-<br />

<strong>und</strong> Politikstrukturen <strong>und</strong> unterschiedliche<br />

Anzahl <strong>und</strong> Flächen an nationalen Biotopen.<br />

Die Umsetzung, bei der jeder Gr<strong>und</strong> eigen-<br />

tümer <strong>und</strong> Bewirtschafter einbezogen wird,<br />

ist dabei der aufwändigste Prozess.<br />

Sind diese kantonalen Regelungen einmal<br />

festgelegt (die Schutzgebiete in Kraft) folgt<br />

erst die „Dauerphase“ des Vollzugs, der<br />

Courant normal, des Betriebes. Von der<br />

Qualität des Vollzugs hängt ab, ob der<br />

Biotopschutz auch langfristig erfolgreich ist.<br />

Es werden Bewirtschaftungsverträge mit<br />

Bauern gemacht, Behörden können Baugesuche<br />

beurteilen <strong>und</strong> Gelder ausbezahlen.<br />

Der Vollzug spielt sich auch innerhalb der<br />

B<strong>und</strong>esbehörden ab, indem die Tätigkeiten<br />

des B<strong>und</strong>es in seinem Wirken (z.B. Militär,<br />

Landwirtschaft, Verkehr) auf die Schutzbestimmungen<br />

abgestimmt werden. Dies<br />

erfolgt im Rahmen so genannter B<strong>und</strong>esaufgaben.<br />

Diese Prozesse müssen begleitet<br />

<strong>und</strong> die Akteure beraten <strong>und</strong> unterstützt<br />

werden. Das ist eine Aufgabe, zu welcher der<br />

B<strong>und</strong> – konkret das BAFU, vormals BUWAL –<br />

verpflichtet ist. Dazu gehört die Erarbeitung<br />

von Vollzugshilfen, die Durchführung von<br />

Vertiefungsstudien zu Fragen der Bewirtschaftung<br />

<strong>und</strong> des Ver haltens der Natur, die<br />

Förderung von Weiter bildungen, die objektbezogene<br />

Mitarbeit bei der Lösung von<br />

Konflikten.<br />

Wer Bestimmungen erlässt <strong>und</strong> Geld ausgibt,<br />

möchte auch wissen, ob die Ziele<br />

erreicht werden <strong>und</strong> wenn nicht, wo der<br />

Wurm liegt, was zu tun ist, was zu verbessern<br />

ist. Der B<strong>und</strong> hat vor 10 Jahren eine Erfolgskontrolle<br />

im Moorschutz aufgebaut, welche<br />

Vermutungen durch Fakten ersetzt. In diesem<br />

Herbst werden erstmals komplette<br />

Ergeb nisse publiziert. Aber auch die Kantone<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

praktizieren verschiedene Formen von<br />

Erfolgs kontrollen, hauptsächlich im Vollzug.<br />

Vor 10 Jahren ist die Moorlandschaftsverordnu<br />

ng in Kraft getreten. Haben die Kantone den<br />

Schutz der Moorlandschaften umgesetzt?<br />

Auf schätzungsweise 70-80 Prozent der<br />

Fläche der Moorlandschaften ist der Schutz<br />

umgesetzt. Zwar sind praktisch alle Objekte<br />

mittlerweile in den kantonalen Richtplänen<br />

eingetragen, doch die gr<strong>und</strong>eigentümerverbindliche<br />

Festlegung, sei es durch kantonale<br />

Schutzplanung oder Ortplanungsrevision ist<br />

noch nicht überall erfolgt. Genauere Angaben<br />

haben wir im Frühling 2007.<br />

Wie wird heute der gesetzliche Schutz der<br />

Moorlandschaften vollzogen?<br />

Die land- <strong>und</strong> alpwirtschaftliche Nutzung ist<br />

immer noch die verbreitetste Nutzungsform<br />

in Moorlandschaften <strong>und</strong> neue Infrastruk turen<br />

(Erschliessung, Ökonomiegebäude <strong>und</strong><br />

weitere) sind Gegenstand von B<strong>und</strong>es aufgaben.<br />

In gewissen Kantonen werden Vernetzungsprojekte<br />

in Moorlandschaften<br />

beson ders gefördert. In Moorlandschaften<br />

mit Naherholungs- <strong>und</strong> Freizeitdruck wird<br />

der Besucherlenkung vermehrt Beachtung<br />

geschenkt.<br />

Da der Vollzug betont Sache des Kantons ist,<br />

können wir im Moment (noch) nichts aussagen.<br />

So entzieht es sich beispielsweise unse-<br />

Viele Pflanzenarten sind an<br />

Moorlandschaften geb<strong>und</strong>en.<br />

Im Bild der R<strong>und</strong>blättrige<br />

Sonnentau (Drosera<br />

rot<strong>und</strong>ifolia) <strong>und</strong> die Zwerg-<br />

Birke (Betula nana).<br />

Foto: BAFU<br />

Flachmoor Alpe Gana TI: Im<br />

Alpenraum sind Flachmoore<br />

oft mosaikartig mit Wiesen<strong>und</strong><br />

Weideflächen ohne<br />

Moorvegetation verzahnt.<br />

Foto: BAFU<br />

Seite 5


Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />

rem Wissen, wie viele Bewilligungen nicht<br />

erteilt werden, weil es eine Moorlandschaft<br />

ist. Aufgr<strong>und</strong> von Ergebnissen aus den<br />

Wirkungskontrollen sollten wir aber in den<br />

nächsten Jahren in der Lage sein, mehr dazu<br />

sagen zu können.<br />

Wie sollte ihrer Meinung nach eine angepasste<br />

Nutzung <strong>und</strong> Pflege der Moorlandschaften<br />

aussehen?<br />

Abgesehen davon, dass keine neuen Bauten<br />

<strong>und</strong> Anlagen – ausser für Land- <strong>und</strong> Forst wirtschaft<br />

– erstellt <strong>und</strong> keine Geländeveränderungen<br />

vorgenommen werden dürfen,<br />

<strong>und</strong> überdies alle Biotope zu schützen sind,<br />

gibt es wenig, nur auf die Moorlandschaft<br />

gerichtete Regelungen. Vielmehr sollen „allgemeingültige“<br />

Prinzipien wie die Ver netzung,<br />

angepasste <strong>und</strong> nachhaltige Beweidung,<br />

sinnvolles Schnittregime, Biobetriebe,<br />

<strong>natur</strong>naher Waldbau <strong>und</strong> dergleichen<br />

Anwendung finden. In touristisch genutzen<br />

Flächen sollen dank klarer <strong>und</strong> konsequent<br />

angewendeter Besucherlenkung Mensch<br />

<strong>und</strong> Natur profitieren können.<br />

Durch Wiedervernässung<br />

ist häufig eine Moorregeneration<br />

möglich. Hochmoor<br />

Hagenholz/Hagenmoos ZH<br />

vor beginn der Regeneration<br />

(1981,oben) <strong>und</strong> zehn Jahre<br />

später (unten.)<br />

Foto: BAFU<br />

Seite 6 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Hat sich der Widerstand der Nutzer gegen den<br />

Schutz der Moore seit Annahme der Rothenthurminitiative<br />

gelegt?<br />

Der gr<strong>und</strong>sätzliche Widerstand hat sich<br />

gelegt, zumal die meisten Bewirtschafter<br />

profitieren. Moorschutz wird auch als Chance<br />

gesehen, wie dies das Biosphärenreservat<br />

Entlebuch zeigt.<br />

Aber auch die Neuaus richtung in der Landwirt<br />

schaft hat einiges dazu beigetragen.<br />

Natürlich gibt es immer wieder einmal in<br />

Einzelfällen Widerstand – <strong>und</strong> dies wird auch<br />

wohl immer so bleiben. Grösseres Konfliktpotential<br />

bietet aber noch die Freizeitnutzung.<br />

In den Konflikten mit der militärischen Nutzung<br />

wurden praktikable Lösungen gef<strong>und</strong>en.<br />

Es gibt Beispiele dafür, dass in manchen Kantonen<br />

der Moorschutz nicht richtig vollzogen<br />

(Bsp. Glaubenberg OW) wird. Wie stellt sich das<br />

BAFU zu diesem Problem? Kann der B<strong>und</strong> oder<br />

das BAFU Druck auf die Kantone ausüben?<br />

Wenn Probleme erkannt werden, kommt der<br />

B<strong>und</strong> auf den Kanton zu, um mit ihm die<br />

Sache zu bereinigen <strong>und</strong> das weitere Vorgehen<br />

gemeinsam festzulegen. Wo immer<br />

möglich <strong>und</strong> sinnvoll, unterstützt der B<strong>und</strong><br />

den Kanton in seiner Umsetzung <strong>und</strong> dem<br />

Vollzug. Die Angemessenheit des „Drucks“<br />

soll sich an den Konsequenzen auf das Objekt<br />

(das Moor, die Moorlandschaft) messen.<br />

Wenn beispielsweise eine Moorlandschaft<br />

noch keine Schutzverordnung hat, weil den<br />

Fachstellen Ressourcen fehlen oder der<br />

Prozess nun einfach mal viel Zeit benötigt,<br />

bleiben wir einfach achtsam, solange keine<br />

akute Gefährdung ersichtlich ist.<br />

Wie stellen Sie sich zu der gr<strong>und</strong>legenden Kritik<br />

von Pro Natura <strong>und</strong> anderen Umwelt organisationen,<br />

dass der Moorschutz noch erhebliche<br />

Lücken aufweist?<br />

Der Mooschutz hat sicher noch Lücken. Aber<br />

das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit.<br />

Erstens gibt es genau so viele Beispiele, wenn<br />

nicht mehr, wo die Sache gut funktioniert,<br />

zweitens braucht alles seine Zeit <strong>und</strong> drittens<br />

lassen sich immer Mängel finden. Dass<br />

die Umsetzungsfristen nicht eingehalten<br />

werden konnten, stimmt. Wir waren damals<br />

zu optimistisch. Es ist ein komplexes System<br />

<strong>und</strong> es sind überall Menschen am Werk <strong>und</strong><br />

keine Maschinen, die ein perfektes Teilchen<br />

produzieren.<br />

Welche Managementpläne sind nötig, damit<br />

der Moorschutz in Zukunft besser umgesetzt<br />

werden kann?<br />

Die langfristige Planung der Landnutzung<br />

mit Setzen von Prioritäten inklusive dem<br />

Vernetzen der Lebensräume über die politischen<br />

Grenzen hinaus, erachte ich persönlich<br />

als einen zentralen Ansatz.<br />

In Deutschland finden zur Zeit in einigen<br />

Regionen umfangreiche Moorre<strong>natur</strong>ierungen<br />

<strong>und</strong> Wiedervernässungen statt. Sind solche<br />

Projekte auch in der Schweiz geplant?<br />

Moorregenerationen, so besonders in den<br />

Hochmooren, sind auch bei uns seit einigen<br />

Jahren im Gang <strong>und</strong> gewinnen zunehmend<br />

an Wichtigkeit. Gr<strong>und</strong>sätzlich geht es darum,<br />

bei den Hochmooren die volle Funktionsfähigkeit<br />

(wie im Urzustand) wieder herzustellen<br />

<strong>und</strong> damit langfristig weniger<br />

Aufwand für die Pflege zu haben: Ein intaktes<br />

Hochmoor braucht keine Pflege, höchstens<br />

Schutz vor negativen Eingriffen. Wir haben<br />

allerdings nicht so grosse Regenerationsflächen<br />

wie in Deutschland – aber mindestens<br />

so viele technische <strong>und</strong> „sozioökonomische“<br />

Herausforderungen.<br />

Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz haben derzeit<br />

politisch <strong>und</strong> auch in den Köpfen der meisten<br />

Menschen einen schweren Stand. Dies wurde<br />

unter anderem auch in der Aufhebung des<br />

Lehrstuhls für Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />

an der ETH Zürich deutlich. Spüren Sie diese<br />

Tendenz auch in Ihrer Arbeit im BAFU?<br />

Ja. Allerdings höre ich nicht nur die lauten<br />

Kritiker, sondern sehe auch die für den Schutz<br />

der Natur engagierten Akteure. Persönliche<br />

bezweifle ich, dass die meisten Menschen<br />

Mühe mit dem Natur- <strong>und</strong> Landschaftschutz<br />

haben.<br />

Wird sich diese Entwicklung auch auf den<br />

Vollzug des Moorschutzes auswirken?<br />

Von der gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage her haben<br />

wir ein solides F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> wir – Behörden<br />

von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen, Nutzer, Organisationen<br />

– haben schon viel erreicht <strong>und</strong><br />

ein robustes Haus gebaut. Gesell schaft liche


<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Gerade in der hochalpinen Region<br />

bilden Moore wichtige Land schaftselemente,<br />

Flach moor mit Schwingrasen<br />

in der Moor landschaft<br />

Grosse Scheidegg BE.<br />

Foto: BAFU<br />

Veränderung gibt es permanent <strong>und</strong> diese<br />

haben immer eine Auswirkung. Diese nehmen<br />

wir ernst <strong>und</strong> können mit dem bewährten<br />

Dialog unsere Chancen wahrnehmen.<br />

Unser Ziel ist vorgegeben – doch es sind oft<br />

verschiedene Wege möglich <strong>und</strong> nötig.<br />

Wie muss es mit dem Moorschutz in den nächsten<br />

Jahren weitergehen?<br />

Zunächst gilt es, die Schutzlegung, welche in<br />

einigen Kantonen noch im Gang ist, abzuschliessen,<br />

um sich dann dem Vollzug zu<br />

widmen. Darüber hinaus schliesse ich an der<br />

vorangegangenen Frage an <strong>und</strong> komme<br />

wieder zurück zum Anfang: Der Moorschutz<br />

kann nicht isoliert betrachtet werden. In der<br />

Landschaft ist er ein Teil eines grösseren,<br />

natürlichen <strong>und</strong> sozioökonomischen Sys tems,<br />

der zusammen mit weiteren Bioto pen ein<br />

zentraler Pfeiler zur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung<br />

der Biodiversität in unserem Land darstellt.<br />

Rothenthurm war „nur“ der Auslöser.<br />

Eigentlich müssten wir jetzt Rothenthurm<br />

vergessen <strong>und</strong> mit den bewährten Instrumenten<br />

<strong>und</strong> auf unseren solide erarbeiteten<br />

Gr<strong>und</strong>lagen weiter gehen zur „flächendeckenden<br />

Erhaltung der Biodiversität“. Opera tiv<br />

werden die „Biotop inventare“ im BAFU in<br />

Zukunft eine Einheit sein <strong>und</strong> organisatorisch<br />

sind wir mit weiteren Bereichen wie der<br />

Waldbiodiversität, der Jagd <strong>und</strong> Fischerei<br />

unter demselben Dach des Artenmanagements.<br />

Herr Waldis, wir danken Ihnen für dieses<br />

Gespräch1.<br />

Rolf Waldis<br />

Dr. phil. nat., Biologe<br />

B<strong>und</strong>esamt für Umwelt BAFU<br />

Abteilung Artenmanagement<br />

CH-3003 Bern<br />

Tel.: +41 (0)31 322 93 61<br />

E-Mail: rolf.waldis@<br />

bafu.admin.ch<br />

1 Das Interview mit Herrn Waldis führte Günther<br />

Frauenlob, Redaktion <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>.<br />

Seite 7


Artenschutz<br />

Erfolgreiches Jahr des Eisvogels<br />

Der Eisvogel, Vogel des Jahres 2006 des Schweizer Vogelschutzes SVS/<br />

BirdLife Schweiz, war ein Jahr lang Botschafter für die W<strong>und</strong>er der Natur.<br />

Der farbenprächtige Vertreter der heimischen Vogelwelt hat in diesem<br />

Jahr vieles bewirken können: dem Aufruf, Artenförderungsmassnahmen<br />

umzusetzen, folgten zahlreiche Natur- <strong>und</strong> Vogelschutzvereine, Privatpersonen<br />

<strong>und</strong> Gemeinden.<br />

Christa Glauser<br />

Der Eisvogel, Vogel des Jahres 2006, ist ein<br />

wahres Juwel unter den einheimischen<br />

Vogelarten. Die rot-orange Unterseite, der<br />

blau schillernde Rücken <strong>und</strong> Schwanz geben<br />

dem Eisvogel ein exotisches Aussehen.<br />

In der Schweiz besiedelt der Eisvogel mässig<br />

schnell fliessende Bäche <strong>und</strong> Flüsse sowie<br />

Teiche <strong>und</strong> Seen in den Niederungen. Er<br />

braucht einen reichen Kleinfischbestand als<br />

Nahrung, genügend Schilf, Büsche <strong>und</strong><br />

Bäume an den Ufern, von denen aus er jagen<br />

kann, <strong>und</strong> ungestörte, nicht bewachsene<br />

Steilwände im Uferbereich, in die er seine<br />

Brutröhre hinein gräbt.<br />

Sympathieträger Eisvogel<br />

Über 40 Presseartikel sowie 5 Radio- <strong>und</strong><br />

Fernsehsendungen, hatten in diesem Jahr in<br />

der Schweiz den Eisvogel zum Thema. Die<br />

zwei Eisvogelausstellungen in den SVS-<br />

Naturschutzzentren Neeracherried <strong>und</strong> La<br />

Sauge wurden mit 10‘000 respektive 14‘000<br />

Eintritten rege frequentiert. Viel Erfolg hatten<br />

insbesondere die Live-Beobachtungen<br />

der Eisvögel an ihrer Brutwand im SVS-<br />

Naturschutzzentrum La Sauge. Dieses Jahr<br />

konnte die Art dort zwei erfolgreiche Bruten<br />

durchführen <strong>und</strong> insgesamt zehn Junge aufziehen.<br />

Mit all diesen Aktivitäten gewann der<br />

Eisvogel viele neue Fre<strong>und</strong>e.<br />

Mangel an geeigneten<br />

Nistmöglichkeiten<br />

Vielerorts kämpft der Eisvogel aber mit einem<br />

Mangel an geeigneten Nistmöglichkeiten.<br />

Die Uferpartien der Flüsse sind oft verbaut<br />

oder weisen keine geeigneten Steilwände<br />

Künstliche Brutwände für den<br />

Eisvogel werden am besten in<br />

bestehende Hänge eingepasst.<br />

Foto: Georg Willi<br />

Seite 8 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

mehr auf. Zum Vogel des Jahres gab der<br />

Schweizer Vogelschutz SVS ein Faltblatt zum<br />

Bau von Eisvogelbrutwänden heraus. Erste<br />

Anlagen wurden bereits in diesem Jahr für<br />

den Eisvogel errichtet, wie zum Beispiel die<br />

zwei durch den Naturschutzverein Mumpf<br />

am Rheinufer in Stein errichteten Wände<br />

oder die neue Brutmöglichkeit am grossen<br />

Teich im Neeracherried. Weitere lokale Natur-<br />

<strong>und</strong> Vogelschutzvereine starteten im letzten<br />

Jahr Projekte für den Eisvogel, die in den<br />

nächsten Jahren realisiert werden.<br />

Unterdurchschnittlicher<br />

Bruterfolg<br />

Nach den zwei strengen Wintern 04/05 <strong>und</strong><br />

05/06, die der Eisvogelpopulation stark zugesetzt<br />

haben, folgten auch mit dem Frühjahr<br />

2006 ungünstige klimatische Bedingungen:<br />

der Frühling war überdurchschnittlich nass,<br />

was zu Hochwassern führte <strong>und</strong> die eine<br />

oder andere Bruthöhle unter Wasser setzte.<br />

Ausserdem bedingte das schlechte Wetter<br />

eine Verzögerung des Brutgeschäftes.<br />

Aus diesen Gründen brütete der Eisvo gel<br />

weniger, was vielerorts zu einem unterdurchschnittlichen<br />

Bruterfolg geführt hat.<br />

Bei günstigem Wetterverlauf kann der Eis-<br />

Überhängende Äste über dem<br />

Wasser gehören zu den Lebensraumansprüchen<br />

des Eisvogels.<br />

Foto: Carl Antonio Balzari/SVS<br />

vogel bis zu dreimal brüten <strong>und</strong> damit ein<br />

Bestandestief rasch überwinden.<br />

Botschafter für die biologische<br />

Vielfalt<br />

Der Eisvogel war im letzten Jahr nicht nur<br />

Botschafter für sich selbst <strong>und</strong> für seinen<br />

Lebensraum, sondern auch für die grosse<br />

biologische Vielfalt unseres Landes. In den<br />

letzten Jahrzehnten hat die Biodiversität in<br />

unserem Land, wie auch weltweit, kontinuierlich<br />

abgenommen. An der Konferenz von<br />

Rio haben sich die verschiedenen Landesregierungen<br />

verpflichtet, diesen Rückgang<br />

bis 2010 zu stoppen. Landschaftsschutz massnahmen,<br />

Re<strong>natur</strong>ierungen <strong>und</strong> konkrete<br />

Arten förderungsprogramme, wie sie unter<br />

anderem vom Schweizer Vogelschutz SVS/<br />

BirdLife Schweiz durchgeführt werden, leisten<br />

einen grossen Beitrag dazu.<br />

Christa Glauser<br />

Schweizer Vogelschutz<br />

SVS/BirdLife Schweiz<br />

Postfach<br />

8036 Zürich<br />

Tel: 044 457 70 24


Foto: photocase.de<br />

Aufmerksam sein.<br />

Entwicklungen verfolgen.<br />

Dahin plätschern lassen?<br />

Eingreifen. Lenken.<br />

Nicht frankieren<br />

Ne pas aff ranchir<br />

Non aff rancare<br />

Abonnementsbestellung / Anmeldung der Mitgliedschaft<br />

Ja, ich möchte<br />

Ein Jahresabonnement der Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ (Fr. 45.00)<br />

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Ich bin bereit, aktiv beim Rheinaub<strong>und</strong> mitzumachen.<br />

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<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Ihr Engagement<br />

im Rheinaub<strong>und</strong><br />

bedeutet sehr viel,<br />

vielleicht mehr als<br />

Sie erwarten.<br />

Seite 9


Artenschutz<br />

40 Jahre internationale<br />

Wasservogelzählungen<br />

Eines der grössten Überwachungsprojekte in der Tierwelt feiert<br />

Geburtstag: Seit 40 Jahren zählen Tausende von Freiwilligen jeweils<br />

Mitte Januar in ganz Europa die Wasservögel. In der Schweiz werden so<br />

jedes Jahr eine halbe Million Enten, Taucher <strong>und</strong> Möwen registriert.<br />

Dank dieser Gr<strong>und</strong>lagen konnten Reservate ausgeschieden <strong>und</strong> die<br />

Jagd nachhaltig gestaltet werden.<br />

Verena Keller, Matthias Kestenholz<br />

Eigentlich beginnt die Geschichte der<br />

Wasservogelzählungen schon früher. Bereits<br />

Anfang der Fünfzigerjahre zählten engagierte<br />

Ornithologen die Wasservögel auf verschiedenen<br />

Gewässern in Europa. Aufgr<strong>und</strong><br />

dieser Erfahrungen wurden 1967 die internationalen<br />

Wasservogelzählungen auf Mitte<br />

Januar gelegt – das erste europaweite Programm<br />

zur Überwachung von Vogel beständen<br />

war geboren. Heute hat sich das<br />

Programm über Europa hinaus ausgedehnt.<br />

Auch in Afrika <strong>und</strong> Asien machen immer<br />

mehr Länder am Programm mit. Die Ergebnisse<br />

werden von Wetlands Interna tional, der<br />

internationalen Organisation zum Schutz<br />

der Feuchtgebiete, zentral verwaltet.<br />

Konzentrierte Erfassung<br />

Mitte Januar lassen sich die Wasservögel<br />

be son ders gut erfassen, weil sie sich im<br />

Winterquartier in grossen Schwärmen zu sam<strong>mensch</strong>liessen,<br />

wogegen sie sich zur Brutzeit<br />

auf unzählige Gewässer, oft in schwer zugänglichen<br />

Gebieten, verteilen. Die meisten Wasser-<br />

Seite 10 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

vögel, die wir im Winter in der Schweiz beobachten,<br />

stammen aus Nord- <strong>und</strong> Osteuropa.<br />

Die r<strong>und</strong> 150‘000 Reiherenten – in der Schweiz<br />

der häufigste Wintergast – kommen vorwiegend<br />

aus Russland, der weiteste F<strong>und</strong> einer<br />

beringten Reiherente stammt gar aus Ost si birien,<br />

8000 km von der Schweiz entfernt. Doch<br />

gibt es auch Arten, die den umgekehrten Weg<br />

wählen: Die meisten der 20‘000 bis 25‘000<br />

Kolbenenten kommen aus Spanien zu uns.<br />

Gr<strong>und</strong>lage für Schutz der<br />

Wasservögel<br />

In den vierzig Jahren hat sich viel verändert.<br />

Die Ausbreitung der Wandermuschel in den<br />

Siebzigerjahren lieferte Reiherente, Tafelente<br />

<strong>und</strong> Blässhuhn eine neue Nahrungsquelle,<br />

worauf ihre Bestände stark zunahmen. In<br />

den Neunzigerjahren nahm die Zahl der Kolbenenten<br />

rasant zu – eine Folge der Ver besserung<br />

der Wasserqualität in den Schweizer<br />

Seen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Ver mehrung<br />

der Armleuchteralgen, ihrer bevorzugten<br />

Nahrung. Stark zurückgegangen sind<br />

umgekehrt die Bestände des Zwergtauchers,<br />

die Gründe dafür sind noch unklar.<br />

Die Wasservogelzählungen lieferten die Basis<br />

für die Inventare der Wasservogelgebiete<br />

von internationaler <strong>und</strong> nationaler Bedeutung.<br />

Die wichtigsten davon wurden vom<br />

B<strong>und</strong> zu Reservaten erklärt. Der Schutz der<br />

Wasservögel hat in der Schweiz einen hohen<br />

Stand erreicht – die Wasservögel danken es<br />

Gemischter Tauchentenschwarm<br />

bei Cheyres VD:<br />

Die Schilfufer am<br />

Neuenburgersee gehören zu<br />

Europas bedeutendsten<br />

Rastplätzen für Wasservögel.<br />

Foto: V. Keller / Schweizerische<br />

Vogelwarte Sempach<br />

Wasservogelzählerin im Einsatz:<br />

Bei Wind <strong>und</strong> Wetter sind über<br />

300 Ehrenamtliche der Schweizerischen<br />

Vogelwarte Sempach<br />

unterwegs, um alle Wasservögel<br />

in der Schweiz zu zählen.<br />

Foto: M. Burkhardt / Schweizerische<br />

Vogelwarte Sempach<br />

mit stabilen bis steigenden Beständen. Auch<br />

im Zusammenhang mit der Vogelgrippe leisten<br />

die Daten über Wasservögel wertvolle<br />

Dienste. Das langfristig angelegte Projekt<br />

der Schweizerischen Vogelwarte Sempach<br />

hilft bei der Abschätzung von Risiken.<br />

Gemeinschaftswerk<br />

In der Schweiz beteiligen sich über 300 freiwillige<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter der<br />

Schweizerischen Vogelwarte Sempach an den<br />

Zählungen. Zusätzlich zur Januarzählung<br />

findet jeweils eine Zählung Mitte November<br />

statt, <strong>und</strong> in den Wasservogelreservaten<br />

von internationaler Bedeutung werden die<br />

Wasser vögel im Winterhalbjahr gar monatlich<br />

gezählt.<br />

Am diesjährigen Zähl-Wochenende vom<br />

13./14. Januar 2007 hatten die Zählerinnen<br />

<strong>und</strong> Zähler etwas weniger zu tun, als in den<br />

vergangenen Jahren, da einige der nordischen<br />

Arten wegen des milden Winters weniger<br />

zahlreich erschienen sind.<br />

Verena Keller<br />

Nationale Koordinatorin<br />

der Wasservogelzählungen<br />

Schweizerische Vogelwarte<br />

6204 Sempach<br />

Tel. 041 462 97 20<br />

verena.keller@vogelwarte.ch<br />

Matthias Kestenholz<br />

Leiter Kommunikation<br />

Schweizerische Vogelwarte<br />

6204 Sempach<br />

Tel. 041 462 97 45<br />

matthias.kestenholz@<br />

vogelwarte.ch


Der Rhein – 20 Jahre nach Sandoz<br />

20 Jahre nach Sandoz stellt sich die Frage, ob wir heute am Rhein<br />

ökologisch so weit wären, wenn es den Brandunfall in Schweizerhalle<br />

nicht gegeben hätte?<br />

Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />

Was geschah am 1. November 1986? Mit<br />

dem Löschwasser aus der Bekämpfung eines<br />

Lagerhallenbrandes der Firma Sandoz<br />

gelangten etwa 20 t Insektizide, Fungizide<br />

<strong>und</strong> Herbizide bei Basel in den Rhein. Diese<br />

akute Vergiftung führte zu einem massiven<br />

Fischsterben über H<strong>und</strong>erte von Kilometern,<br />

insbesondere Aale waren betroffen. Im<br />

Nahbereich der Löschwassereinleitung starb<br />

die komplette Wasserlebewelt. Die Trinkwasser<br />

entnahme aus Rhein nahen Trinkwasser<br />

brunnen <strong>und</strong> aus dem Rhein wurde<br />

bis in die Niederlande eingestellt. Die belasteten<br />

Sedimente im Unfallnahbereich mussten<br />

vollständig entfernt werden. Die Bevölkerung<br />

reagierte mit Menschenketten auf<br />

allen Rheinbrücken <strong>und</strong> zeigte so der Politik,<br />

dass rasches umweltpolitisches Handeln<br />

erforderlich war.<br />

Aus heutiger Sicht kann festgestellt werden:<br />

Der Sandoz – Brandunfall hat viel bewegt<br />

<strong>und</strong> einen deutlichen Paradigmenwechsel in<br />

der westeuropäischen Wasserwirtschaft eingeleitet.<br />

Dreimal innerhalb von elf Monaten<br />

trafen sich die für den Schutz des Rheins<br />

zuständigen Minister der Schweiz, Frankreichs,<br />

Deutschlands, Luxemburgs, der Nieder<br />

lande sowie der zuständige Kommissar<br />

der EG, um Ende September 1987 ein ehrgeiziges<br />

Sanierungsprojekt für den Rhein auf<br />

den Weg zu bringen, erstmals mit ökologischen<br />

Vorgaben für einen grossen Strom.<br />

Bekannt als „Lachs 2000“ sollten im Jahr 2000<br />

nicht nur wieder Lachse im Rhein schwimmen,<br />

sondern die Schadstoffbelastung des<br />

Rheinwassers sollte so massiv zurückgedrängt<br />

werden, dass die Trinkwasser ge winnung<br />

aus Rheinwasser gewährleistet werden<br />

konnte <strong>und</strong> die Verlagerung von Baggergut<br />

kein Umweltproblem mehr darstellte.<br />

Was war seinerzeit so neu? Bis in die 80er<br />

Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts konzentrierte<br />

sich die internationale Zusammenarbeit in<br />

der IKSR auf die Aufstellung eines chemischphysikalischen<br />

Überwachungsprogramms<br />

<strong>und</strong> - um Massnahmen in die Wege zu leiten<br />

– auf die Ausarbeitung völkerrechtlicher<br />

Übereinkommen, deren Ratifizierung <strong>und</strong><br />

Umsetzung viele Jahre in Anspruch nahmen.<br />

Zu nennen sind hier das Chemie- <strong>und</strong> Chloridübereinkommen.<br />

Das „Aktionsprogramm Rhein“<br />

<strong>und</strong> seine Erfolge<br />

Das Aktionsprogramm Rhein (APR) – wie der<br />

offizielle Name von „Lachs 2000“ lautete –<br />

enthielt erstmals zahlenmässige <strong>und</strong> damit<br />

nachprüfbare Ziele wie z.B. die klare Auff orde<br />

rung, im Zeitraum 1985-1995 die Schadstoffeinleitungen<br />

der sog. „prioritären“ Stoffe<br />

um 50% bzw. bei den Schwermetallen um<br />

70% zu reduzieren, um das Ökosystem wieder<br />

in einen Zustand zu versetzen, der Lach sen<br />

eine Rückkehr ermöglicht. Dabei handelte es<br />

sich um ein politisches Programm der Rheinanliegerstaaten,<br />

eine bindende rechtliche<br />

Verpflichtung zur Umsetzung gab es nicht.<br />

Das Aktionsprogramm Rhein liess den Mitgliedstaaten<br />

weitgehend Freiheit bei der<br />

Massnahmenwahl. Das öffentliche Interesse<br />

<strong>und</strong> das zu diesem Zeitpunkt in Westeuropa<br />

wieder aufgebaute Vertrauen zwischen den<br />

Anrainerstaaten ermöglichte ein solches<br />

Vorgehen. Eine Kontrolle über die Reali sierung<br />

der Massnahmen <strong>und</strong> deren Wirkung<br />

erfolgte über Berichtspflichten in der IKSR.<br />

Am Rhein wurden mit diesem Programm<br />

grosse Erfolge erzielt. Die gesetzten Redu zierungs<br />

ziele wurden mehr als erfüllt. Bereits<br />

früher <strong>und</strong> mit weit höheren Prozentsätzen<br />

als vorgesehen, wurden die Einleitungen aus<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Plenarsitzung: IKSR-Plenarsitzung,<br />

Metz, 20./21. Juni 2006<br />

Industrie <strong>und</strong> Kommunen – wie die Tabelle<br />

auf Seite 12 belegt – massiv zurückgedrängt<br />

oder waren im Jahr 2000 nicht mehr nachweisbar.<br />

1993 hat die IKSR im Rahmen des APR so<br />

genannte Zielvorgaben genehmigt, die bei<br />

der Bewertung der festgestellten Schadstoff<br />

– Konzentrationen an den Rhein - Messstellen<br />

helfen sollten.<br />

„Zielvorgabe erreicht“ heisst: Der Stoff hat<br />

einen festgelegten Höchstwert nicht überschritten.<br />

Die Höchstwerte berücksichtigen<br />

folgende schützenswerte Ressourcen <strong>und</strong><br />

deren Nutzung: Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt<br />

(NOEC – Werte = „no observed effect concentrations“),<br />

Fischerei, Trinkwasserversorgung,<br />

Schwebstoffe <strong>und</strong> Sedimente sowie die<br />

Meeres umwelt. Wie aus der Ergebnis-Tabelle<br />

der 66 Substanzen bzw. Substanzgruppen<br />

hervorgeht, haben nach Ablauf des Aktionsprogramms<br />

Rhein nach den Messun gen an<br />

den internationalen Mess-Stationen nur weni -<br />

ge Stoffe die Zielvorgaben der IKSR nicht<br />

erreicht. Die deutliche Abnahme der eingeleiteten<br />

Schadstoff men gen wirkte sich also auch<br />

positiv auf die Gewässerqualität aus. Die<br />

heute noch problematischen Stoffe werden<br />

vor allem diffus in den Rhein eingetragen.<br />

Und nachdem sich die Wasserqualität so<br />

deutlich verbessert hat: wie sieht es mit der<br />

Wiederansiedlung der Lachse im Rheinsystem<br />

aus? Nach der etwa 1993 begonnenen Lachswieder<br />

ansiedlung in verschiedenen Rheinnebenflüssen<br />

sind bis Ende Dezember 2005<br />

mehr als 3000 erwachsene Lachse nachweislich<br />

in das Rheinsystem zurückgekehrt, um<br />

sich in ihren „Heimatbächen“ zu vermehren.<br />

Ihre wirkliche Zahl liegt wesentlich höher, da<br />

nicht alle bei ihrer Rückreise in die Heimatbäche<br />

durch Kontrollen erfasst werden. Viele<br />

Nebenflüsse wie Sieg, Ahr, Saynbach, Alb,<br />

Murg, Ill, Kinzig u.a. bieten heute geeignete<br />

Lebensräume für Elterntiere <strong>und</strong> Junglachse.<br />

Seite 11


Gewässer<br />

Mitte 2000 wurde im Rhein selbst am Stauwehr<br />

Iff ezheim der erste grosse Fischpass im<br />

Oberrhein in Betrieb genommen <strong>und</strong> im<br />

April 2006 der zweite am Stauwehr Gambsheim.<br />

Die bisherigen Aufstiegs ergebnisse an<br />

diesen beiden Fischpässen sind erfreulich<br />

<strong>und</strong> das gilt nicht nur für Lachse, sondern<br />

auch für viele andere Fischarten, die diese<br />

Aufstiegsmöglichkeit nutzen. Für die Wiederherstellung<br />

der Fischpassierbarkeit des<br />

Rheins bis in die Region Basel liegt jetzt eine<br />

Machbarkeitsstudie vor.<br />

Aktionsplan Hochwasser <strong>und</strong><br />

seine Umsetzung<br />

1995 zeigte das zweite grosse Rheinhochwasser<br />

mit der Evakuierung von mehr als<br />

200.000 Menschen <strong>und</strong> einigen Millionen<br />

Tieren in den Niederlanden auf, dass auch<br />

Hochwasser niemals an von Menschen gezogenen<br />

Grenzen halt macht <strong>und</strong> die Einbeziehung<br />

des gesamten Rhein einzugsgebietes,<br />

also eine internationale Zusammenarbeit<br />

geradezu herausfordert. Das Weihnachtshochwasser<br />

1993 hatte den Deichen am<br />

Niederrhein <strong>und</strong> im Deltagebiet bereits stark<br />

zugesetzt <strong>und</strong> diese so stark durchfeuchtet,<br />

so dass knapp 13 Monate später im Januar<br />

2005 die Furcht vor Deichbrüchen gross war.<br />

Die Politik handelte wiederum unmittelbar.<br />

Die IKSR, die Saar-Mosel-Kommissionen <strong>und</strong><br />

die Maas kommission erhielten in der Erklärung<br />

der EU-Umweltminister von Arles<br />

(04.02.1995) den Auftrag, konkrete Aktionspläne<br />

zum Hochwasser aufzustellen. Die<br />

positiven Erfah rungen mit der Umsetzung<br />

des „politisch beschlossenen“ Aktionsprogramms<br />

Rhein sprachen also bereits für<br />

sich.<br />

Ursache für die Zunahme der Hochwasserbedrohung<br />

am Rhein ist u.a. der Rückgang<br />

der natürlichen Überschwemmungsgebiete<br />

nach Ausbau, Begradigung <strong>und</strong> Eindeichung<br />

um mehr als 85 %. Mit der intensiven Nutzung<br />

des Rheins <strong>und</strong> seiner Aue bzw. der<br />

Überschwemmungsgebiete ging in Ballungsgebieten<br />

eine rapide Zunahme der Bodenversiegelung<br />

<strong>und</strong> Bodenverdichtung einher.<br />

Diese Veränderungen führten zu einer anthro<br />

pogen bedingten deutlichen Beschleu nigung<br />

von Hochwasserwellen <strong>und</strong> zu einem<br />

Anstieg des Hochwasserscheitels. Hinzu<br />

Seite 12 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

kamen Überlagerungen mit Hoch wasser wellen<br />

aus Nebenfl üssen im Rhein sys tem wie<br />

z.B. aus dem Neckar.<br />

Gleichzeitig entwickelte sich eine dichte<br />

Besiedlung <strong>und</strong> intensive Nutzung in der<br />

Hochwasser gefährdeten Aue. Gerade diese<br />

Gebiete weisen teilweise extrem hohe<br />

Hochwasserschadenrisiken auf, die im Rhein<br />

Atlas 2001 der IKSR für überschwemmungsgefährdete<br />

Gebiete am Hauptstrom – auch<br />

hinter Deichen - verdeutlicht werden. Diese<br />

Entwicklungstendenz ist derzeit ungebrochen.<br />

Die Darstellung der möglichen Schäden<br />

bei Extremhochwasser in Gesamt höhe<br />

von etwa 165 Milliarden Euro zeigt die<br />

ökonomi sche Notwendigkeit der raschen<br />

Umsetzung des Aktionsplans Hochwasser<br />

mehr als deutlich auf. Die Umsetzungskosten<br />

bis 2020 wurden 1998 auf 12,3 Milliarden<br />

Euro geschätzt.<br />

Schutzmassnahmen in besiedelten, mit<br />

hohen Schadenpotenzialen versehenen Räumen<br />

sind jedoch nur möglich, wenn dem<br />

Rhein zur Hochwasserentlastung heute noch<br />

verfügbare freie oder landwirtschaftlich<br />

genutzte Flächen wieder als Über schwemmungsgebiete<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Nur durch Hochwasser entlastung in<br />

Bereichen mit niedrigem Schadenpotenzial<br />

ist ein Hochwasserschutz in Ballungsräumen,<br />

also den dicht besiedelten Bereichen, möglich.<br />

Dieses geschieht zumeist durch den Bau<br />

von Hochwasserrückhalteräumen, die sich<br />

da durch wieder zu <strong>natur</strong>nahen Auen<br />

entwickeln können <strong>und</strong> entsprechende<br />

Massnah men im gesamten Gewässersystem,<br />

die den Wasserrückhalt fördern. Dabei geht<br />

es beispielsweise um Extensivierungen der<br />

Bodennutzung, um Laufverlängerungen der<br />

Nebenfl üsse <strong>und</strong> Auenreaktivierungen. Ein<br />

Teil dieser Massnahmen ist bereits realisiert,<br />

viele weitere befi nden sich derzeit in unterschiedlichen<br />

Planungsphasen. Viele der Massnahmen,<br />

die der Hochwasservorsorge <strong>und</strong><br />

dem Wasserrückhalt dienen, wirken sich<br />

gleichfalls positiv auf das Ökosystem insgesamt<br />

aus, häufi g kann hier von „Win-Win-<br />

Situationen“ gesprochen werden.<br />

Abnahme der punktförmigen Einleitungen von 1985 bis 2000


Lachsgewässer im Ill- Brûche-Gebiet (Elsass)<br />

Das IKSR-Programm<br />

„Rhein 2020“<br />

Im Jahr 2001 verabschiedeten die für den<br />

Gewässerschutz am Rhein zuständigen<br />

Minister „Rhein 2020 – das Programm zur<br />

nachhaltigen Entwicklung des Rheins“, mit<br />

dem die Verbesserungen fortgesetzt <strong>und</strong> die<br />

Bereiche Wasserqualität, Ökologie, Hochwasser<br />

vorsorge <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasserschutz eng<br />

miteinander verknüpft werden sollen. Das<br />

Programm „Rhein 2020“ wird in den EU-<br />

Staaten massgeblich durch die Umsetzung<br />

der EG – Wasserrahmenrichtlinie (22. Dezember<br />

2000), nach der alle Gewässer bis 2015<br />

einen guten Zustand aufweisen sollen, unterstützt.<br />

Es kann festgestellt werden, die internationalen<br />

Gewässerschutzarbeiten am Rhein<br />

wiesen auch der Wasserwirtschaft in Europa<br />

den Weg. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie<br />

sowie die Hochwasserrichtlinie, die kurz vor<br />

der Fertigstellung steht, stützen sich auf die<br />

grenzüberschreitende Koordination <strong>und</strong><br />

Vorarbeit der IKSR.<br />

Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied unterstützt<br />

die EU-Staaten bei der Koordinierung im<br />

Rheineinzugsgebiet auf der Gr<strong>und</strong>lage ihrer<br />

nationalen Gesetzgebung, wodurch sie ihren<br />

Willen zur Zusammenarbeit mit der Euro päischen<br />

Union auf dem Gebiet der Wasserpolitik<br />

ausdrückt.<br />

Fazit<br />

Der Brandunfall bei Sandoz in Schweizerhalle<br />

hatte die Politik <strong>und</strong> die Öff entlichkeit wach<br />

gerüttelt <strong>und</strong> sehr viel bewegt. Aus heutiger<br />

Sicht kann festgehalten werden: Ohne diesen<br />

„Unfall zur rechten Zeit“ <strong>und</strong> ohne die<br />

Rheinhochwasserereignisse 1993 <strong>und</strong> 1995<br />

wären die Entwicklungen weder im Gewässerschutz<br />

noch in der Hochwasser vorsorge<br />

am Rhein auf dem heutigen Stand. Der<br />

rechte Zeitpunkt war extrem wichtig.<br />

Ausschnitt Fischpass Gambsheim alle Fotos: IKSR, Koblenz<br />

Die Zielvorgaben für prioritäre Stoff e im Rheinwasser wurden ...<br />

Zum Vergleich: Eine störfallbedingte Endosulfan<br />

– Einleitung im Jahr 1969, die ein<br />

massi ves Fischsterben in Main <strong>und</strong> Rhein zur<br />

Folge nach sich zog, hatte seinerzeit noch<br />

keine um welt politischen Konsequenzen. Der<br />

San doz-Unfall im Tschernobyl- Jahr 1986 traf<br />

auf ein völlig anderes Umweltbewusstsein<br />

in West europa. Öff entlichkeit <strong>und</strong> Politik<br />

rea gier ten unmittelbar.<br />

Aus der in den 70er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

„grössten Kloake Europas“ ist heute<br />

ein lebendiger Strom geworden, in dem z.B.<br />

auch Lachse wieder leben. Dennoch sind<br />

längst nicht alle Probleme gelöst. Lachse<br />

schwimmen heute bis etwa Strassburg<br />

stromaufwärts, erreichen Basel wegen weiterer<br />

unüberwindbarer Staustufen jedoch noch<br />

nicht. Dafür sind weitere Aktionen vonnöten.<br />

Schwermetalle wie Zink, Kupfer <strong>und</strong> Cad-<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

mium, aber auch einige Pestizide <strong>und</strong> der<br />

Nähr stoff Stickstoff , die vorwiegend diff us in<br />

den Rhein gelangen, erfordern weiterhin<br />

grosse Aufmerksamkeit.<br />

Weitere Informationen: www.iksr.org<br />

Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />

Internationale Kommission<br />

zum Schutz des Rheins (IKSR)<br />

Stellvertretende<br />

Geschäftsführerin<br />

Postfach 200 253<br />

Kaiserin-Augusta-Anlagen 15<br />

D - 56002 Koblenz<br />

Tel. +49-(0)261-94252-19<br />

anne.schultewl@iksr.de<br />

Seite 13


Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

Verbandsbeschwerderecht –<br />

vorerst gerettet?<br />

Das Verbandsbeschwerderecht steht seit Jahren unter politischem<br />

Beschuss. Jetzt mehren sich die Anzeichen dafür, dass es auf nationaler<br />

Ebene vorerst gerettet ist.<br />

Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />

Wer die parlamentarische Debatte über das<br />

Verbandsbeschwerderecht verfolgen wollte,<br />

musste einen langen Atem haben: Die parlamentarische<br />

Initiative «Vereinfachung der<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Verhin<br />

derung von Missbräuchen durch eine<br />

Präzisierung des Verbandsbeschwerderecht<br />

es» wurde von Ständerat Hans Hofmann am<br />

19. Juni 2002 eingereicht <strong>und</strong> 4 1/2 Jahre<br />

später am 14. Dezember 2006 abgeschlossen.<br />

Dazwischen lagen acht Plenardebatten,<br />

20 Kommissionssitzungen, zwei Hearings,<br />

eine Vernehmlassung zu einem Kommissionsbericht,<br />

Ämterkonsultationen <strong>und</strong> eine<br />

Stellung nahme des B<strong>und</strong>esrates. In diesem<br />

Zeitraum wurden 26 weitere Vorstösse zum<br />

Verbandsbeschwerderecht eingereicht <strong>und</strong><br />

bis Januar 2007 bis auf fünf alle erledigt. Am<br />

11. Mai 2006 reichte zudem der Zürcher<br />

Frei sinn zusammen mit 17 Kan tonal parteien<br />

die Initiative «Verbandsbeschwerderecht:<br />

Schluss mit der Ver hinde rungspolitik – Mehr<br />

Wachstum für die Schweiz» ein.<br />

Seite 14 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Die Initiative bezweckt nichts anderes als<br />

einen Maulkorb für die Umweltorganisationen<br />

bei sämtlichen mittleren <strong>und</strong> grösseren<br />

Bauprojekten. Zahlreiche prominente FDP-<br />

Mitglieder <strong>und</strong> bürgerliche Parlamentarier/<br />

innen äussern sich gegen diese Initiative.<br />

Gleiches tat am 13. September 2006 der<br />

Gesamtb<strong>und</strong>esrat. Er empfiehlt die Initiative<br />

zur Ablehnung. Dennoch wird in Zürich weiter<br />

an dieser <strong>und</strong>emokratischen, <strong>natur</strong>feindlichen<br />

<strong>und</strong> angesichts des derzeitigen Wirtschaftsbooms<br />

anachronistischen Initiative<br />

festgehalten.<br />

Kein Missbrauch des Verbandsbeschwerderechts<br />

Die ausgedehnte Beschäftigung mit dem<br />

Beschwerderecht von Umweltorganisationen<br />

<strong>und</strong> Natursportverbänden hat mehr mit<br />

Politik marketing als mit sachlicher Notwendigkeit<br />

zu tun. Die Argumente gegen das<br />

Beschwerderecht – bei aller Selbstkritik, die<br />

auch in unseren Kreisen zu üben ist – muteten<br />

grotesk an: Da wurde von nachweislich<br />

20 Milliarden blockierter Bausumme durch<br />

Verbandsbeschwerden gesprochen <strong>und</strong> man<br />

warf den Verbänden gar missbräuchliche<br />

Geld zahlungen <strong>und</strong> erpresserisches Ver halten<br />

in Verhandlungen vor. Auf die Frage nach<br />

konkreten Beweisen lösten sich die Vorwürfe<br />

rasch in Schall <strong>und</strong> Rauch auf. Weder die<br />

Rechtskommission des Ständerates noch der<br />

B<strong>und</strong>esrat konnten offensichtliche Missbräuche<br />

feststellen. Auch Rechts pro fessoren<br />

haben in Vorträgen, wissenschaftlichen<br />

Artikeln <strong>und</strong> Büchern immer wieder auf die<br />

Notwendigkeit, die Effizienz <strong>und</strong> die Erfolgsbilanz<br />

der Verbandsbeschwerdetätigkeit hingewiesen.<br />

Der 2003 angerollte Zug der parlamentarischen<br />

Initiative Hofmann, angetrieben 2004<br />

durch den «Fall Hardturmstadion», durch die<br />

Einkaufszentren-Debatte <strong>und</strong> einzelne unge<br />

schickt agierende Verbandsvertreter,<br />

konnte nicht mehr gestoppt werden. Im<br />

Sinne des konfuzianischen Spruches «Der<br />

Weg ist das Ziel» wurde seit 1990 praktisch in<br />

jedem Jahr das Verbandsbeschwerderecht<br />

auf die politische Traktandenliste gesetzt.<br />

Dieser Rebberg von Castel -<br />

rotto (Gemeinde Croglio TI)<br />

konnte dank der Beschwerde<br />

der SL vor der Überbauung<br />

gerettet werden.<br />

Foto: R. Rodewald


• Die Einsprachemöglichkeiten werden<br />

durch die Beschränkung des Rügebereiches<br />

der einzelnen Umwelt orga nisationen<br />

<strong>und</strong> durch den Auftrag an den<br />

B<strong>und</strong>esrat zur Neudefinition der UVPpflichtigen<br />

Bauten <strong>und</strong> Anlagen möglicherweise<br />

reduziert.<br />

• Umweltorganisationen, die es unterlassen<br />

haben, zulässige Rügen bereits in<br />

einem frühen Planungsverfahren vorzubringen,<br />

können dies in einem nachfolgenden<br />

Verfahren nicht mehr tun.<br />

• Die Verbände müssen Verfahrenskosten<br />

bezahlen, obwohl sie die Rechtsmittel<br />

nur stellvertretend für die Natur ergreifen.<br />

• Umweltschutzorganisationen können<br />

nur noch in jenen Rechtsbereichen<br />

Beschwerde führen, die sie seit 10 Jahren<br />

fachlich bearbeiten.<br />

• Ein vorzeitiger Baubeginn ist für Anlageteile<br />

zulässig, deren Ausführung durch<br />

den Ausgang des Verfahrens nicht<br />

beeinflusst werden kann.<br />

• Rechtsmittelbehörden müssen nicht auf<br />

Beschwerden eintreten, die sie als rechtsmissbräuchlich<br />

einstufen <strong>und</strong> unzulässige<br />

Leistungen einfordern.<br />

Die Natur braucht das<br />

Verbandsbeschwerderecht.<br />

Foto: Krömer-Butz SDW<br />

Neue gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Ständerat Hofmann hat sich nach Abschluss<br />

der Debatte seines Vorstosses im Dezember<br />

2006 befriedigt gezeigt. Seine Anliegen seien<br />

vollumfänglich aufgenommen worden. Aus<br />

der Sicht des Umwelt-, Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzes<br />

ein Fazit zu ziehen fällt nicht<br />

leicht. Die neuen gesetzlichen Gr<strong>und</strong> lagen<br />

von Verbandsbeschwerderecht <strong>und</strong> UVP<br />

müssen sich jetzt in der Praxis (Handhabung<br />

durch Behörden <strong>und</strong> Gerichte) bewähren.<br />

Für die SL bedeutet das neu geregelte<br />

Verbands beschwerderecht vor allem mehr<br />

Kosten, da künftig die unterlegene Partei die<br />

Verfahrens kosten zu übernehmen hat. Die<br />

Die Ergebnisse der parlamentarischen Initiative Hofmann:<br />

• Konventionalstrafen als Massnahme zur<br />

Sicherung einer Vereinbarung zwischen<br />

Gesuchstellern <strong>und</strong> Umwelt organisa tionen<br />

sind verboten.<br />

• Die beschwerdeberechtigten Organi sationen<br />

werden vom B<strong>und</strong>esrat aufgr<strong>und</strong><br />

des Umweltschutz- <strong>und</strong> Natur- <strong>und</strong> Heimat<br />

schutzgesetzes bezeichnet. Neu<br />

wird definiert, inwiefern eine Orga nisation<br />

auch wirtschaftlich tätig sein<br />

darf.<br />

• Die Beschwerdebefugnis steht neu nur<br />

noch dem obersten Exekutivorgan der<br />

Orga ni sation zu. Dieses kann ihre Unterorganisationen<br />

nur unter im Gesetz festgelegten<br />

Bedingungen zur Beschwerde<br />

ermächtigen.<br />

• Vorsorgeaspekte im Umweltverträglichkeitsbericht<br />

gehen verloren.<br />

• Vereinbarungen trotz heute für alle<br />

Seiten oft positiven Effekten dürften<br />

weniger attraktiv werden, da die Verbände<br />

damit den Entzug ihrer Beschwerde<br />

legitimation riskieren.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Spielregeln bei Vereinbarungen werden klarer<br />

<strong>und</strong> die behördliche Übernahme der<br />

Verhandlungs ergebnisse wird zu einem zentralen<br />

Aspekt. Die SL sieht aber auch das<br />

Risiko, dass sie das Beschwerderecht im konkreten<br />

Fall bei unzulässigen Leistungs einforderungen<br />

verlieren kann <strong>und</strong> die zuständige<br />

Behörde eventuell nicht alle ausgehandelten<br />

Ergebnisse auch effektiv in ihre Bewilligung<br />

aufnimmt.<br />

Immerhin konnte dank der sehr effizient<br />

arbeitenden Steuergruppe der Umwelt verbände<br />

(mit Christof Dietler als hervorragendem<br />

Koordinator <strong>und</strong> Kommuni kator) <strong>und</strong><br />

engagierten Parlamentariern erheblich<br />

Schlimmeres verhindern werden. So wurde<br />

doch bis zuletzt gefordert, dass bei der Prüfung<br />

des Umweltverträglichkeits berich tes<br />

überproportional auch Volks- <strong>und</strong> parlamentarische<br />

Entscheide zu gewichten seien. Die<br />

beschwerdeberechtigten Organisationen<br />

gaben hierzu immer zu bedenken, dass auch<br />

die Umweltschutz-Gesetzgebung <strong>und</strong> beispiels<br />

weise auch der Moorschutz in einem<br />

demokratischen Prozess verabschiedet wurden.<br />

Die hängige Volksinitiative des Zürcher<br />

Freisinns, aber auch die weiteren parlamentarischen<br />

Vorstösse, die zum Teil (Vorstoss<br />

Schibli) wiederum eine Totalabschaffung des<br />

Verbandsbeschwerderechts fordern, werden<br />

dieses Thema wohl dennoch weiter auf der<br />

politischen Traktandenliste halten. Wie sagte<br />

es der Kommentartor in der Ausgabe der<br />

«Südostschweiz» vom 15. Dezember 2006:<br />

«Nur eine massive Niederlage an der Urne<br />

könnte dem unseligen Lamento um die<br />

Verbandsbeschwerde für lange Zeit ein Ende<br />

bereiten.»<br />

Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />

Dr. phil. Biol.,<br />

Geschäftsleiter SL-FP<br />

Stiftung Landschaftsschutz<br />

Schweiz (SL)<br />

Schwarzenburgstrasse 11<br />

CH-3007 Bern<br />

Tel: +41 (0)31 377 00 77<br />

r.rodewald@sl-fp.ch<br />

www.sl-fp.ch<br />

Seite 15


Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

Kantonales Verbandsbeschwerderecht<br />

in St. Gallen unter Beschuss<br />

Das kantonale Verbandsbeschwerderecht ist auch auf kantonaler Ebene<br />

ein wichtiges Instrument zur Erhaltung von Natur <strong>und</strong> Umwelt. Es ist<br />

nötiger denn je. Seine Abschaffung wäre ein Rückschritt um fünfzig<br />

Jahre. Doch genau dies wird jetzt in St. Gallen angestrebt. Jürg Schmid<br />

Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter,<br />

pflegt der Volksm<strong>und</strong> zu sagen. Die Natur,<br />

Flora <strong>und</strong> Fauna, können selbst nicht klagen.<br />

Sie brauchen Menschen, die das für sie tun.<br />

Diese Aufgabe erfüllen bis heute die Naturschutzorganisationen<br />

auf lokaler, kantonaler<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esebene. Sie tun es mit Bedacht<br />

<strong>und</strong> Sachkenntnis <strong>und</strong> haben daher markant<br />

mehr Erfolg als die privaten Einsprecher.<br />

Dieses Recht wird Verbandsbeschwerderecht<br />

(VBR) genannt.<br />

Auf B<strong>und</strong>esebene ist das VBR im Natur- <strong>und</strong><br />

Heimatschutzgesetz <strong>und</strong> im Umweltschutzgesetz<br />

geregelt. Es beschränkt sich auf einen<br />

festgelegten Kreis von nationalen Verbänden.<br />

Ihr Einspracherecht steht ebenfalls unter<br />

Beschuss, wie vorangehender Artikel zeigt.<br />

Kantonale Bestimmungen sollen<br />

gestrichen werden<br />

In etlichen Kantonen wird versucht, die kantonalen<br />

Bestimmungen ebenfalls zu streichen.<br />

Eine Motion der FDP St. Gallen auf voll-<br />

Seite 16 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

ständige Streichung der Artikel im Gesetz<br />

hatte im Grossen Rat Erfolg. Das Einspracherecht<br />

der lokalen Natur- <strong>und</strong> Vogel schutz vereine,<br />

aber auch von Quartier- <strong>und</strong> Ortsver einen,<br />

soll ganz fallen. Betroffen ist ebenfalls<br />

der Heimatschutz, soweit es sich um Objekte<br />

im Baugebiet handelt. Gegen diesen Be -<br />

schluss haben die lokalen Natur- <strong>und</strong> Vogelschutzvereine<br />

<strong>und</strong> der Heimat schutz mit<br />

Unterstützung von Pro Natura, WWF <strong>und</strong><br />

VCS das Referendum ergriffen.<br />

Die politischen Befürworter der Abschaffung<br />

behaupten, es handle sich um einen alten<br />

Zopf, weil die Umweltschutzgesetzgebung<br />

in den letzten Jahren ja bedeutend ausgebaut<br />

worden sei. Genau hier liegt die Krux.<br />

Die schönsten Gesetze nützen nichts, wenn<br />

sie nicht eingehalten werden. Und genau<br />

hier hat sich in den letzten 50 Jahren wenig<br />

bis nichts geändert. Gewisse Gemeindebehörden<br />

kennen ihre minimalsten Pflichten<br />

nicht. Da werden am Lauf des Neckers massive<br />

Eingriffe vorgenommen oder in einem<br />

Moorschutzgebiet eine Wasserleitung auf<br />

schonungsloseste Weise „eingebuddelt“. Die<br />

betreffenden Gemeinden stellten sich<br />

zunächst auf den Standpunkt, eine Bewilligung<br />

sei nicht erforderlich. Sie mussten<br />

durch Rechtsmittel eines Besseren belehrt<br />

werden.<br />

Zahlreich sind die Gemeindebehörden, die<br />

bei der Behandlung der Gesuche keinen Sinn<br />

für die Belange der Natur <strong>und</strong> Umwelt haben.<br />

Es wird kritisiert (!), das VBR diene nur dazu,<br />

die Übereinstimmung eines Vorhabens mit<br />

den Gesetzesbestimmungen zu überprüfen.<br />

Nach Ansicht der Kritiker müssten die Be hörden<br />

zwischen den Interessen der Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> jenen des Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzes<br />

abwägen können. Nur zu gern würde man<br />

bei gewissen Projekten auf die „lästigen Einsprachen“<br />

verzichten. Auf welche Seite sich<br />

dann die Waage neigt, kann man sich leicht<br />

vorstellen. Ganz offen wird erklärt, dass im<br />

Standortwettbewerb mit anderen Kantonen<br />

durch das VBR ein Nachteil entstehen könne.<br />

Es könne auf Investoren eine abschreckende<br />

Wirkung haben, weil Zeitverzögerungen<br />

oder gar eine Schmälerung der Gesamtrendite<br />

durch zu erfüllende Auflagen in Kauf<br />

genommen werden müssen.<br />

Dabei wagt man es nicht, konkrete Vorschriften<br />

<strong>und</strong> Bestimmungen anzupassen.<br />

Sie sollen „nur“ abwägend von Fall zu Fall<br />

weniger streng gehandhabt werden können.<br />

Für den grossen Investor etwas weniger<br />

streng. Er bringt ja schliesslich viel Geld ins<br />

Dorf. Beim kleinen Mann <strong>und</strong> Gewerbler<br />

Einreichung: Über 9200 Unterschriften<br />

gegen die Abschaffung<br />

werden eingereicht. 4000 wären<br />

nötig gewesen.<br />

V.l.n.r. Jürg Schmid (Pro Natura),<br />

Robert Schmid (Naturschutzverein<br />

der Stadt St. Gallen),<br />

Urs Lanz (Heimatschutz SG/AI).<br />

Foto: Pro Natura


hingegen wird man beweisen, dass man<br />

die Vorschriften doch ernst nimmt. Für -<br />

wahr schöne Aussichten für unseren Rechtsstaat!<br />

Grosse Unterschiede zwischen<br />

den Gemeinden<br />

Viele Gemeindebehörden erfüllen ihre<br />

Pflicht. Zu viele andere nehmen es aber<br />

„etwas weniger streng“. So schreibt das<br />

Baugesetz seit 1972 vor, dass die Gemeinden<br />

Schutzverordnungen zu erlassen hätten. Es<br />

gibt noch heute Gemeinden ohne rechtsgültige<br />

Verordnung. Dabei sind in r<strong>und</strong> 30 Prozent<br />

der Gemeinden bereits die Über arbeitungen<br />

dieser Verordnungen fällig! Fast 40<br />

Gemeinden haben zudem den Moorschutz<br />

nicht oder nur teilweise umgesetzt.<br />

Auch der Kanton nimmt es locker. So besteht<br />

b<strong>und</strong>esweit ein Inventar der schützenswerten<br />

Ortsbilder der Schweiz (ISOS). Alle<br />

Kantone haben dieses Inventar rechtsver-<br />

bindlich umgesetzt. Mit einer Ausnahme:<br />

St. Gallen. Ausserdem: Im kantonalen<br />

Richtplan sind die ehemaligen Industrieareale<br />

bezeichnet, für welche die Schutzwürdigkeit<br />

abgeklärt werden sollte. Doch damit ist es<br />

nicht weit her. Wenn eines Tages ein Investor<br />

dasteht, der alles abreissen will, ist der<br />

Heimatschutz mit Sicherheit nur ein hinder-<br />

licher Bösewicht, wenn er auf der versprochenen<br />

Abklärung besteht.<br />

Manchmal braucht es auch einen<br />

Entscheid des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

Der seit langem stillgelegte Steinbruch<br />

Campiun oberhalb von Rans (Sevelen) sollte<br />

massiv erweitert werden. Durch den geplanten<br />

Abbau wäre ein zentraler Teil einer national<br />

bedeutenden Landschaft sowie ein<br />

wertvolles Lebensraummosaik aus Eichenwäldern<br />

<strong>und</strong> Magerwiesen zerstört worden.<br />

Eine Wiederherstellung der charakteristischen<br />

Landschaft <strong>und</strong> der Lebensräume<br />

wäre nicht mehr möglich gewesen. Gegen<br />

dieses Projekt bildete sich eine breite Front<br />

von Naturschützern <strong>und</strong> Einwohnern von<br />

Rans <strong>und</strong> Oberräfis. Trotzdem entschied die<br />

Kantonsregierung St. Gallen, dass das Schutzgebiet<br />

dem privaten Profit geopfert werden<br />

soll. Das B<strong>und</strong>esgericht aber wertete die<br />

öffentlichen Interessen am Schutz dieser<br />

Land schaft höher <strong>und</strong> korrigierte den Entscheid<br />

zugunsten der Natur.<br />

Im Durchschnitt mehrerer Jahre stammen im<br />

Kanton St. Gallen nur 3,5 Prozent der Rekurse<br />

von Natur-, Heimat- <strong>und</strong> Umwelt schutzverbänden.<br />

Es ist böswillig zu behaupten,<br />

damit würde die wirtschaftliche Entwicklung<br />

des Kantons verhindert oder verzögert.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Campiun: Das wertvolle<br />

Le bensraummosaik aus<br />

Eichenwäldern <strong>und</strong> Magerwiesen<br />

ober halb von Rans<br />

(Sevelen) konnte durch den<br />

Einsatz der Natur- <strong>und</strong> Umweltschutzorganisationen<br />

gerettet werden.<br />

Foto: Pro Natura.<br />

Wenn schon müsste man das Einspracherecht<br />

der Privaten begrenzen. Diese Einsprachen<br />

sind nicht nur weitaus zahlreicher. Sie sind<br />

auch weniger erfolgreich <strong>und</strong> stellen für<br />

Bauwillige offenk<strong>und</strong>ig das grössere Hindernis<br />

dar.<br />

Die Abstimmung findet voraussichtlich am<br />

17. Juni statt. Wir danken allen Mitgliedern<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es wenn sie sich unserem<br />

Komitee anschliessen.<br />

Komitee für Natur <strong>und</strong> Heimat,<br />

Postcheckkonto 90-788788-7<br />

Raiffeisenbank St. Gallen, Konto 784.155.65<br />

Jürg Schmid<br />

Vorstandsmitglied<br />

Pro Natura St. Gallen<br />

Boppartstr. 21<br />

9014 St. Gallen<br />

juerg.schmid@infopur.ch<br />

Tel.: 071 277 45 55<br />

Seite 17


Klimaschutz<br />

Verstärkt die globale Erwärmung Wirbelstürme?<br />

Die Häufung von tropischen Wirbelstürmen im Atlantik in den letzten<br />

Jahren steht mindestens teilweise in Zusammenhang mit der <strong>mensch</strong>gemachten<br />

globalen Erwärmung. Zu dieser Aussage haben sich die wissenschaftlichen<br />

Hinweise in den letzten Monaten immer mehr<br />

verdichtet.<br />

Huw Davies, Urs Neu<br />

Auch wenn verschiedene Faktoren die Entstehung<br />

von Wirbelstürmen beeinflussen,<br />

scheint die aktuelle Zunahme vor allem in<br />

Verbindung mit den steigenden Meeresobe<br />

rflächentemperaturen zu stehen. Und diese<br />

Erwärmung ist mindestens teilweise auf die<br />

steigenden Treibhausgaskonzentrationen<br />

zurückzuführen. Die Hurrikan-Saison im Jahr<br />

2005 hat viele Rekorde gesetzt. Sie begann<br />

im Juni <strong>und</strong> endete ungewöhnlich spät,<br />

nämlich erst im Januar 2006. Acht <strong>und</strong>zwanzig<br />

getaufte tropi sche Wirbelstürme<br />

wurden beobachtet, davon entwickelten<br />

sich fünfzehn zu einem Hurrikan <strong>und</strong> sieben<br />

zu einem grossen Hurri kan (‚major hurricane‘)<br />

mit Wind geschwin digkeiten grösser<br />

als 178 km/h. Fünf dieser grossen Hurrikane<br />

trafen auf Land, unter anderem verursachten<br />

Rita <strong>und</strong> Katrina die bekannten grossen<br />

Schäden. Zum ersten Mal reichte die vorbereitete<br />

alphabetische Namensliste nicht für<br />

die Taufe der Stürme aus. Die sechs letzten<br />

Stürme der Saison wurden mit griechischen<br />

Buchstaben getauft, der letzte im Januar<br />

2006 auf den Namen ‚Zeta‘.<br />

Seite 18 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Zudem traf zum ersten Mal überhaupt<br />

ein tropischer Sturm, wenn auch in abgeschwächter<br />

Form, in Spanien auf europäisches<br />

Festland. Bereits die Saison im Jahr<br />

2004 im Atlantik hatte mit fünfzehn getauften<br />

Stürmen, neun Hurrikanen <strong>und</strong> sechs<br />

grossen Hurrikanen weit über dem Durchschnitt<br />

gelegen <strong>und</strong> den ersten tropischen<br />

Wirbelsturm im Südatlantik gebracht. Worauf<br />

ist diese Entwicklung zurückzuführen? Ist die<br />

globale Erwärmung schuld? Vor allem aus<br />

dem amerikanischen Hurrikan-Prognose-<br />

Zentrum war zu vernehmen, es handle sich<br />

lediglich um ein natürliches Phänomen, hervorgerufen<br />

durch langfristige Schwankungen<br />

der Meeresoberflächentemperaturen im<br />

Atlantik. Andere Wissenschafter betonten<br />

hingegen, dass sich in diesem Anstieg durchaus<br />

bereits ein Signal der <strong>mensch</strong>verursachten<br />

globalen Erwärmung abzeichnen könnte.<br />

In den letzten Monaten sind nun zahlreiche<br />

wissenschaftliche Arbei ten veröffentlicht<br />

worden, die praktisch ausnahmslos darauf<br />

hinweisen, dass bei diesem Anstieg unter<br />

anderem auch die Klimaer wär mung eine<br />

Rolle gespielt hat. Die Argumente für eine<br />

rein natürliche Ursache wer den immer<br />

schwächer. Was spricht nun für, was gegen<br />

einen <strong>mensch</strong>lichen Einfluss?<br />

Wärme aus dem Meer speist<br />

Hurrikane<br />

Die Entstehung von Wirbelstürmen ist an<br />

warme Ozeantemperaturen geb<strong>und</strong>en. Ein<br />

Wirbelsturm bezieht seine Energie zur Hauptsache<br />

aus der Kondensation von Wasserdampf,<br />

d.h. die bei der Bildung von Wolkentröpfchen<br />

freiwerdende Energie wird im<br />

Sturm in Bewegungsenergie umgewandelt.<br />

Über Landoberflächen verliert ein Wir belsturm<br />

rasch an Kraft. Nur über warmen<br />

Meeres oberflächen kann die Luft genügend<br />

Wasserdampf aufnehmen, um den Sturm mit<br />

Energie zu versorgen. Denn gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

gilt, je wärmer das Meerwasser unter einem<br />

Sturm, umso stärker kann der Sturm werden.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser physikalischen Kenntnisse<br />

ist davon auszugehen, dass bei einem generellen<br />

Anstieg der Meeresober flächen temperaturen<br />

durch die globale Erwärmung die<br />

Wirbelstürme im Durchschnitt stärker werden.<br />

Es gibt jedoch noch andere Faktoren,<br />

welche die Entstehung <strong>und</strong> Stärke eines<br />

Sturmes beeinflussen (siehe Kasten), insbeson<br />

dere die höhenabhängige Verän derung<br />

von Temperatur <strong>und</strong> Windver hält nissen. Je<br />

stär ker die Temperatur abnimmt, umso<br />

schneller steigt die Luft auf <strong>und</strong> umso mehr<br />

Wasser kondensiert, was den Sturm stärker<br />

macht. Aufgr<strong>und</strong> der physikalischen Modellrechnungen<br />

wird erwartet, dass sich wegen<br />

des grösseren Treib hauseffektes die Troposphäre<br />

eher etwas stärker erwärmt als die Erdoberfläche,<br />

was demnach eine Ver ringe rung<br />

der möglichen Sturmstärke bedeu ten würde.<br />

Wirbelstürme gewinnen ihre<br />

zerstörerische Energie über<br />

den tropischen Ozeanen. Das<br />

Bild zeigt eine Strasse in<br />

Gulf port nach dem Durchzug<br />

des Hurrikans Katrina.


Dieser Effekt wird jedoch als geringer eingeschätzt<br />

als die Wirkung der höheren Ozeantemperaturen.<br />

Die Auswir kungen der Klimaerwär<br />

mung auf den dritten entscheidenden<br />

Faktor, die Windverhältnisse, sind unklar. Bisher<br />

zeichnen sich dazu keine klaren Verän derungen<br />

ab.<br />

Modelle sagen weniger, aber<br />

stärkere Stürme voraus<br />

Die meisten Klimamodelle prognostizieren<br />

eine Zunahme der maximalen Windge schwindigkeiten<br />

in Wirbelstürmen aufgr<strong>und</strong> der<br />

globalen Erwärmung. Bei der erwarteten<br />

Tropische Wirbelstürme<br />

<strong>und</strong> ihre Entstehung<br />

Tropische Wirbelstürme sind Tief druckgebiete<br />

in den Tropen bzw. Subtropen, in<br />

welchen durch spezielle physikalische<br />

Prozesse <strong>und</strong> atmosphärische Bedingungen<br />

sehr hohe Windgeschwindigkeiten auftreten.<br />

Wirbelstürme gewinnen ihre Energie<br />

vor allem aus der Kondensation von<br />

Wasserdampf <strong>und</strong> sind deshalb an Gebiete<br />

mit hoher Verdunstung <strong>und</strong> hohem<br />

Wasserdampfgehalt geb<strong>und</strong>en, wie sie nur<br />

über tropischen Ozeanen zu finden sind.<br />

Die Entstehung von Wirbelstürmen ist an<br />

folgende Bedingungen geknüpft:<br />

• Temperaturen in der obersten Ozeanschicht<br />

(bis ca. 50m Tiefe) von mindestens<br />

26.5°C. Nur in solchen Gebieten<br />

steht genug Wärme <strong>und</strong> Feuchtigkeit zur<br />

Verfügung, um einen Wirbelsturm aufrechtzuerhalten.<br />

Über dem Land verliert<br />

der Sturm rasch an Stärke.<br />

Erwärmung im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert beträgt die<br />

Zunahme einige Prozent. Bezüglich der<br />

Häufigkeit wird global keine Änderung oder<br />

eine Abnahme errechnet, allerdings mit Ausnah<br />

me des Atlantiks, wo mit einer Zu nahme<br />

gerechnet werden muss. Die Modelle, die für<br />

diese Untersuchungen verwendet werden,<br />

haben jedoch eine relativ grobe Auflösung,<br />

d.h. sie berechnen die Atmos phärenwerte<br />

nur alle ca. 100 km. Damit können Wirbelstür<br />

me mit einer Kern zone der höchsten<br />

Wind ge schwindigkeiten von weniger als<br />

100 km Ausdehnung nur relativ grob erfasst<br />

werden. Die Resultate sind also mit starken<br />

Unsicherheiten behaftet. Vor kurzem hat<br />

• Starke Abkühlung der Atmosphäre mit<br />

der Höhe. Dadurch wird der Aufstieg von<br />

Luftmassen <strong>und</strong> die Kondensation<br />

begünstigt.<br />

• Hohe Luftfeuchtigkeit in der Höhe.<br />

Dadurch wird ebenfalls die Kondensation<br />

gefördert.<br />

• Geringe Änderung der Windverhältnisse<br />

mit der Höhe. Ändert der Wind mit der<br />

Höhe, wird der Aufstieg von Luftmassen<br />

gebremst <strong>und</strong> der Sturm ‚auseinandergerissen‘<br />

<strong>und</strong> abgeschwächt.<br />

• Eine Entfernung von mehr als r<strong>und</strong> 500<br />

km bzw. etwa fünf Breitengrade vom<br />

Äquator. Die Rotation des Wirbelsturms<br />

kommt wie diejenige von Tiefdruckgebieten<br />

in unseren Breiten dank der<br />

Korioliskraft (bzw. der Abnahme der<br />

Rotationsgeschwindikeit der Erdoberfläche<br />

mit zunehmender Entfernung<br />

vom Äquator) zustande. Diese ist am<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Aktuelle Ergebnisse der<br />

Wissenschaft zeigen, dass der<br />

<strong>mensch</strong>gemachte Klimawandel<br />

zu einer Häufung der Wirbelstürme<br />

im Nordatlantik führt.<br />

In der Animationsabbildung<br />

der Hurrikan Katrina.<br />

Foto: www.nnvl.noaa.gov<br />

jedoch eine japanische Studie mit einem feineren<br />

Modell mit 20 km Auflösung die bisherigen<br />

Resultate bestätigt, nämlich eine<br />

Zunahme der Intensität <strong>und</strong> eine Abnahme<br />

der Häufigkeit mit Ausnahme des Atlantiks.<br />

Die in jüngsten Studien beobachtete<br />

Zunahme der Intensität von Wirbelstürmen<br />

in den letzten Jahr zehn ten ist allerdings<br />

bedeutend grösser als dies die Modelle für<br />

das ganze 21. Jahr h<strong>und</strong>ert berechnen. Da<br />

stellt sich die Frage, ob die Modelle den<br />

Einfluss der globalen Erwär mung unterschätzen<br />

oder ob die beobachtete Zunahme noch<br />

andere Gründe hat.<br />

Klarer Zusammenhang mit<br />

Ozeantemperaturen<br />

Kürzliche Forschungsarbeiten haben die<br />

weltweiten Wirbelstürme in der ersten <strong>und</strong><br />

der zweiten Hälfte der letzten r<strong>und</strong> 40 Jahre<br />

Äquator gleich null <strong>und</strong> nimmt gegen<br />

die Pole hin zu.<br />

• Es muss bereits eine Störung in der<br />

atmosphärischen Strömung vorhanden<br />

sein, aus welcher sich der Sturm bilden<br />

kann.<br />

Die Klassifikation von Wirbelstürmen ist je<br />

nach Region unterschiedlich. Im Atlantik<br />

<strong>und</strong> im östlichen Nordpazifik heissen sie<br />

«Hurrikan», im Nordwestpazifik «Taifun», im<br />

Südpazifik <strong>und</strong> im indischen Ozean<br />

«Zyklon». Hurrikane werden nach der<br />

Windgeschwindigkeit (in km/h) klassiert<br />

(Saffir-Simpson Skala):<br />

> 63 km/h Tropischer Sturm<br />

> 118 km/h Hurrikan Kategorie 1<br />

> 153 km/h Hurrikan Kategorie 2<br />

> 178 km/h Hurrikan Kategorie 3<br />

> 210 km/h Hurrikan Kategorie 4<br />

> 250 km/h Hurrikan Kategorie 5<br />

Seite 19


Klimaschutz<br />

verglichen. Dabei wurde eine Zunahme der<br />

Anzahl Stürme der Kategorien 4 <strong>und</strong> 5 (siehe<br />

Kasten) um etwa 60 Prozent [1] <strong>und</strong> eine<br />

Zunahme der Zerstörungskraft der Wirbelstürme<br />

um 40 – 50 Prozent festgestellt [2].<br />

Die Zerstörungskraft bzw. «Leistung» eines<br />

Wirbelsturmes ist proportional zum Kubik<br />

der Windgeschwindigkeit. Eine Zunahme der<br />

maximalen Windgeschwindigkeit um 10 Prozent<br />

erhöht also die Zerstörungskraft um ein<br />

Drittel. Es konnte zusätzlich gezeigt werden,<br />

dass diese Zunahme der Wirbel sturm stärke<br />

parallel zum Anstieg der Meeresoberflächentemperaturen<br />

verläuft <strong>und</strong> dies der einzige<br />

Stürme in Mitteleuropa<br />

Für die Stürme in den mittleren Breiten<br />

ergibt der Einfluss der globalen Erwärmung<br />

in den verschiedenen Klimamodellen<br />

noch recht unterschiedliche<br />

Resultate. Gr<strong>und</strong>sätzlich beziehen auch<br />

Stürme, die über Mitteleuropa ziehen,<br />

einen grossen Teil ihrer Energie von der<br />

Feuchtigkeit, die sie über dem Atlantik<br />

aufgenommen haben. Dies haben z.B.<br />

Rekonstruktionen des europäischen<br />

Sturms «Lothar» mit Wetter modellen<br />

klar gezeigt. Erwärmt sich der Atlantik,<br />

so steigt auch das Energie ange bot für<br />

Stürme in Europa. Für die zukünftige<br />

Entwicklung zeichnen sich in den<br />

Modellrechnungen mehr oder weniger<br />

übereinstimmend zwei Tendenzen ab:<br />

• Die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete<br />

verlagern sich nach Norden, deshalb<br />

nimmt die Anzahl Stürme über<br />

Mitteleuropa eher ab, in Nordeuropa<br />

hingegen zu.<br />

• Extreme Stürme werden in Mitteleuropa<br />

eher häufiger erwartet, da die<br />

Bedingungen für deren Entstehung<br />

durch die Erwärmung des Atlantiks<br />

verbessert werden.<br />

Anzahl Wirbelstürme der<br />

Kategorien 4 <strong>und</strong> 5 in den<br />

Perioden 1975 – 89 <strong>und</strong><br />

1990 – 2004 in verschiedenen<br />

Ozeanbecken<br />

(nach Webster et. al. [1])<br />

Seite 20 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Faktor ist, welcher die wachsende Sturmintensität<br />

erklären kann. Ein Zusam menhang<br />

mit der atmosphärischen Tempera tur schichtung<br />

oder den Windverhältnissen ist nur für<br />

die kurzfristigen Schwankungen zu erkennen,<br />

nicht jedoch im langfristigen Trend [3].<br />

Vereinzelt wurden diese Unter suchungen<br />

kritisiert, weil die Qualität der Beobachtungs-<br />

<strong>und</strong> Messdaten der Hurrikane immer mehr<br />

abnimmt, je weiter man in die Vergangenheit<br />

zurückgeht. Satelliten- <strong>und</strong> Flugzeug messungen<br />

haben die Erfassung der Wirbelstürme in<br />

den letzten Jahrzehnten klar verbessert. Es<br />

ist deshalb möglich, dass einzelne Wirbelstürme<br />

in der Vergangenheit falsch klassiert<br />

worden sind. Auch wenn dies der Fall sein<br />

sollte, ändert sich am positiven Trend der<br />

Anzahl schwerer Wirbelstürme kaum etwas;<br />

die Zunahme könnte jedoch weniger stark<br />

sein als in diesen Unter such un gen berechnet.<br />

Natürliche Ursache<br />

unwahrscheinlich<br />

Einige Meteorologen schreiben die Zunahme<br />

der Hurrikane im Atlantik einer natürlichen<br />

Klimaschwankung, der „Atlantischen Multidekadalen<br />

Oszillation“ (AMO) zu. Die Meeresoberflächentemperaturen<br />

im Nordatlantik<br />

scheinen sich in einem r<strong>und</strong> 60- bis 70jährigen<br />

Zyklus natürlicherweise zu erwärmen<br />

<strong>und</strong> wieder abzukühlen. Diese Schwankung,<br />

so wird aufgr<strong>und</strong> von Modellrechnungen<br />

Anzahl Wirbelstürme<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1975 – 1989<br />

1990 – 2004<br />

Ost-<br />

Pazifik<br />

West-<br />

Pazifik<br />

Nord-<br />

Atlantik<br />

vermutet, beruht auf Veränderungen der<br />

Meeres strömungen im Atlantik. Zahlreiche<br />

Erkenntnisse sprechen jedoch dafür, dass die<br />

AMO nicht die Hauptursache der gegenwärtigen<br />

Zunahme der Hurrikane ist:<br />

• Die Meeresoberflächentemperaturen im<br />

tropischen Atlantik, wo die Hurrikane entstehen,<br />

verlaufen nahezu parallel zum globalen<br />

Temperaturverlauf. Verschiedene<br />

Analysen zeigen, dass der überwiegende<br />

Teil des Anstiegs der Meeresoberflächentemperaturen<br />

im tropischen Atlantik durch<br />

die globale Erwärmung erklärt werden<br />

kann <strong>und</strong> die AMO weniger als 10 Prozent<br />

des Anstiegs verursacht hat [4],[5].<br />

• Sowohl die Messungen als auch die<br />

Modelle zeigen, dass die AMO vor allem<br />

Temperaturänderungen in mittleren <strong>und</strong><br />

höheren Breiten bewirkt, jedoch kaum im<br />

tropischen Atlantik, der für die Entstehung<br />

von Hurrikanen entscheidend ist.<br />

• Zwar wird vermutet, dass der AMO auch<br />

die Windverhältnisse im tropischen<br />

Atlantik beeinflusst, doch haben bisherige<br />

Studien wie oben erwähnt keinen Zusammenhang<br />

der gegenwärtigen Wirbel sturmzunahme<br />

mit Änderungen der Windverhältnisse<br />

zeigen können.<br />

• Die starken Wirbelstürme haben weltweit<br />

zugenommen, nicht nur im Atlantik (siehe<br />

Diagramm). Ein natürlicher Zyklus im Atlantik<br />

kann diesen Anstieg nicht erklären.<br />

Südwest-<br />

Pazifik<br />

Nord-<br />

Indischer<br />

Ozean<br />

Süd-<br />

Indischer<br />

Ozean


Unterschätzen Modelle die<br />

Wirkung der Erwärmung?<br />

Auch wenn man Unsicherheiten bei den<br />

Sturm-Daten in den 60er- <strong>und</strong> 70er-Jahren<br />

sowie natürliche Schwankungen berücksichtigt,<br />

ist die beobachtete Zunahme stärker als<br />

die Modellvorhersagen. Ein möglicher Gr<strong>und</strong><br />

könnte sein, dass die Warmwasserschicht<br />

durch die globale Erwärmung dicker geworden<br />

ist <strong>und</strong> deshalb dem Wirbelsturm, der<br />

die oberste Wasserschicht stark aufmischt,<br />

mehr Energie zur Verfügung steht. Dies wird<br />

in den Modellen nicht berücksichtigt.<br />

Solange keine andere plausible Ursache für<br />

die Verstärkung der Wirbelstürme gef<strong>und</strong>en<br />

wird, muss damit gerechnet werden, dass<br />

der <strong>mensch</strong>liche Treibhauseff ekt die Stürme<br />

stärker beeinflusst als bisher vermutet.<br />

Beunruhigend scheint, dass bei einem<br />

Anstieg der Ozeantemperaturen von nur<br />

r<strong>und</strong> einem halben Grad die beobachtete<br />

Zunahme bereits stärker ist, als von den<br />

Modellen für das ganze 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

berechnet. Allerdings ist es möglich, dass<br />

Änderungen in der atmosphärischen Zirku lation<br />

einen grösseren Einfl uss haben als dies<br />

in den Analysen ersichtlich ist, denn Zirkulationsmuster<br />

sind statistisch nur sehr<br />

schwierig zu erfassen.<br />

1<br />

0,9<br />

0,8<br />

0,7<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

Zerstörungskraft bzw. „Power<br />

Dissipation Index“ (PDI) der<br />

Wirbelstürme im Nordatlantik <strong>und</strong><br />

Nordpazifi k im Vergleich zu den<br />

tropischen Meeresoberfl ächentemperaturen<br />

(SST) 1950 – 2004.<br />

(Quelle: Kerry Emmanuel, pers. Mitteilung)<br />

Jahresmittel der<br />

SST 30S-30N<br />

Schäden nicht nur von<br />

Sturmstärke abhängig<br />

Die durch Wirbelstürme verursachten Schäden<br />

haben während der letzten Jahre stark<br />

zugenommen. Die Gründe für diese Zunahme<br />

können jedoch nicht klar bestimmt werden,<br />

da verschiedene Faktoren eine Rolle spielen.<br />

Einerseits nehmen die Schäden aufgr<strong>und</strong> der<br />

zunehmenden Bautätigkeit <strong>und</strong> dem starken<br />

Wertezuwachs in den gefährdeten Küstengebieten<br />

zu. Dieser Anstieg kann nicht klar<br />

von einem Anstieg aufgr<strong>und</strong> stärkerer Stürme<br />

unterschieden werden. Anderseits sind die<br />

Schäden stark davon abhängig, ob ein<br />

Wirbelsturm überhaupt auf Land auftriff t<br />

<strong>und</strong> ob dies in einem stark besiedelten<br />

PDI im Nord-Pazifi k<br />

<strong>und</strong> -Atlantik<br />

0,3<br />

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Die Klimaerwärmung scheint<br />

auch Einfl uss auf die Sturmentwicklung<br />

in Mittel- <strong>und</strong><br />

Nordeuropa zu haben.<br />

Foto: EPA<br />

Gebiet erfolgt. Die Routen, die ein Sturm verfolgt,<br />

hängen wiederum von den atmosphärischen<br />

Strömungsmustern ab, über de ren<br />

Veränderung nur wenig bekannt ist. Die<br />

Anzahl der auf Land treff enden Wirbelstürme<br />

ist zu klein, um bereits ein Signal der globalen<br />

Erwärmung bei den Schäden identifi zieren<br />

zu können.<br />

Literaturangaben<br />

[1] P.J. Webster et al., Science, Vol. 309, S. 1844-<br />

1846, 2005.<br />

[2] K.A. Emanuel, Nature, Vol. 436, S. 686-688,<br />

2005.<br />

[3] C.D. Hoyos et al., Science, Vol. 312, S. 94-97,<br />

2006.<br />

[4] M.E. Mann and K.A. Emanuel, EOS, Vol. 87,<br />

S.233/238/241, 2006.<br />

[5] K.E. Trenberth and D.J. Shea, Geophysical<br />

Research Letters, Vol. 33, S. L12704, 2006.<br />

Prof. Huw Davies<br />

Umweltwissenschaften<br />

ETH Zürich<br />

Universitätstrasse 16<br />

8092 Zürich<br />

Tel. 044 633 35 06<br />

huw.davies@env.ethz.ch<br />

Dr. Urs Neu<br />

ProClim<br />

Schwarztorstr. 9<br />

3007 Bern<br />

Tel. 031 328 23 26<br />

neu@scnat.ch<br />

Seite 21


Energie<br />

Geothermie <strong>und</strong> Erdbeben –<br />

Eine seismologische Betrachtung des Basler Bebens<br />

Seit dem 8. Dezember ist es in Basel bereits zu mehreren spürbaren<br />

Beben gekommen, die mit dem Geothermie-Projekt „Geopower Basel“<br />

in Zusammenhang stehen. Es wurden wilden Spekulationen angestellt<br />

<strong>und</strong> schon vom Ende der Geothermie geredet.<br />

Die Fakten stützen diese Spekulationen in keinster Weise, wie nachfolgender<br />

Bericht zeigt.<br />

Stefan Baisch, Ralph Weidler<br />

Am 8. Dezember 2006 wurde durch Sti mu lations<br />

massnahmen in einem geothermischen<br />

Reservoir in Basel ein Erdbeben der Magnitude<br />

3.4 ausgelöst [1]. Begleitet wurde das<br />

Beben von einem lauten Knallgeräusch <strong>und</strong><br />

kurz andauernden, an der Erdoberfläche<br />

spürbaren Vibrationen. Diese Sig<strong>natur</strong> ist<br />

kennzeichnend für induzierte kleinere Nahbe<br />

ben <strong>und</strong> steht im Gegensatz zu den sehr<br />

viel länger andauernden Schwingungen<br />

grösse rer natürlicher Erdbeben. Obwohl<br />

weder Personen- noch grösserer Sachschaden<br />

verursacht wurde, kam es zur Verunsicherung<br />

der Bevölkerung, die im Nachhinein durch<br />

spekulative Diskussionen in den Medien weiter<br />

verstärkt wurde: man habe zu tief gebohrt<br />

[3], das Wasser zu schnell oder mit zu hohem<br />

Druck verpresst [3] <strong>und</strong> dadurch wider besseren<br />

Wissens offensichtliche Risiken missachtet<br />

[4].<br />

Im gleichen Atemzug wird auch auf die verheerenden<br />

Folgen des Basler Erdbebens im<br />

Jahre 1356 hingewiesen. Das medienwirksame<br />

Spiel mit der Angst hat aus der Pers pektive<br />

der Seismologen mit der Realität wenig<br />

zu tun: ein Erdbeben der Magnitude 3.4 ist<br />

Seite 22 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

als Beben geringer Intensität einzustufen<br />

<strong>und</strong> verursacht in der Regel keinerlei Schäden<br />

an der Erdoberfläche. Zu dieser Einschätzung<br />

kommt auch der Schweizer Erdbebendienst,<br />

der für eine unabhängige seismische Überwachung<br />

des Projektes zuständig ist [2]. Am<br />

ehesten lässt sich ein Beben dieser Stärke mit<br />

dem Überschallknall eines Düsenflugzeugs<br />

<strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Vibra tionen<br />

veranschaulichen. Menschen, die in der Nähe<br />

von Eisenbahngleisen wohnen, erleben vergleichbare<br />

Erschütterungen im Minutentakt,<br />

ohne hierdurch beunruhigt zu werden. Die<br />

unterschiedliche Wahr nehmung liegt vermutlich<br />

in der Sorge begründet, die untertägigen<br />

Massnahmen könnten ausser Kontrolle<br />

geraten <strong>und</strong> weitere Erdbeben viel grösseren<br />

Ausmasses erzeugen. An dieser Stelle hilft<br />

ein nüchterner Blick auf die Physik.<br />

Wie entsteht ein natürliches<br />

Erdbeben?<br />

Die kontinentale Erdkruste ist durchzogen<br />

von unzähligen Verwerfungen (Risszonen<br />

grösserer Ausdehnung) <strong>und</strong> Klüften, die im<br />

Laufe einer langen Verformungsgeschichte<br />

durch plattentektonische Bewegungen ent-<br />

Grafik1 Grafik 2<br />

standen sind. In tektonisch aktiven Regionen,<br />

wie dem durch Basel verlaufenden Oberrhein<br />

graben, stehen diese Rissflächen unter<br />

grossen Gebirgsspannungen, die durch tektonische<br />

Bewegungen über lange Zeiträume<br />

all mählich verstärkt werden. Erreichen die<br />

Scherspannungen einen kritischen Schwellenwert,<br />

halten die Risse der Belas tung nicht<br />

mehr stand <strong>und</strong> es kommt zu einem Erdbeben<br />

– einer ruckartigen Versatz be wegung<br />

von Rissflächen, bei der es zur Abstrahlung<br />

seismischer Wellen kommt.<br />

Anschaulich lässt sich dieser Prozess anhand<br />

eines einfachen Modells verdeutlichen. Die<br />

Risssegmente einer Verwerfung werden<br />

durch Dominosteine dargestellt. Wächst die<br />

tektonische Gebirgsspannung – schematisch<br />

nachgestellt durch ein langsames Anheben<br />

der Standplatte – verlieren die Dominosteine<br />

an einem bestimmten kritischen Punkt ihre<br />

Standfestigkeit. Die Stärke oder Magnitude<br />

des Erdbebens ist massgeblich davon abhängig,<br />

wie viele Dominosteine gleichzeitig<br />

umfallen, oder anders ausgedrückt, wie gross<br />

die gesamte Rissfläche ist, auf der die gleichzeitig<br />

aktivierten Versatzbewegungen statt-


finden. Die stärksten natürlichen Erdbeben<br />

finden auf Riss struk turen mit einer Erstrekkung<br />

von mehr als 1.000 km statt. (Grafik 1)<br />

Wodurch werden die Beben<br />

während einer geothermischen<br />

Reservoirstimulation verursacht?<br />

Bei der Stimulation eines geothermischen<br />

Reservoirs werden grosse Mengen von<br />

Wasser unter hohem Druck in den Untergr<strong>und</strong><br />

verpresst. Ziel ist es, die Wasserleitfähigkeit<br />

auf bestehenden Rissen durch Anregung<br />

von kleinen Versatzbewegungen (Mikroerdbeben)<br />

zu erhöhen. Dieser Prozess wird<br />

über den aufgebrachten Flüssig keitsdruck<br />

gesteuert, der die Reibung auf vorhandenen<br />

Rissen herabsetzt. Bei Überschreiten eines<br />

bestimmten Druckwertes kommt es zu<br />

einem lokal begrenzten Scherversatz im<br />

Millimeterbereich, einem Mikrobeben.<br />

Der während einer Stimulation erzeugte<br />

Störungsradius liegt je nach Gebirgs eigenschaften<br />

<strong>und</strong> Injektionsumfang im Bereich<br />

von einigen h<strong>und</strong>ert Metern bis zu wenigen<br />

Kilometern. In diesem Bereich werden durch<br />

die Stimulation die Gebirgsspannungen in<br />

vielen Teilschritten abgebaut, entsprechend<br />

der sich langsam ausbreitenden Druckfront<br />

des injizierten Wassers. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

kommt es während einer Stimulation zu<br />

unzähligen kleinen Mikroerdbeben. Je nach<br />

Empfindlichkeit des seismischen Messsystems<br />

können mehrere 10.000 Signale pro<br />

Tag registriert <strong>und</strong> genau geortet werden.<br />

Ein Beben der Magnitude 3.4 ist eine seltene<br />

Ausnahme, da die erforderliche Versatzfläche<br />

bereits einen beträchtlichen Teil des zur<br />

Verfügung stehenden Störungsbereichs einnimmt.<br />

Im Gegensatz zu natürlichen Erdbeben, bei<br />

denen das allmähliche Aufstauen von<br />

Gebirgs spannungen auf einer regionalen<br />

Skala stattfindet, wirkt die treibende Kraft<br />

Durch das Einpressen von<br />

Wasser wurden in Basel<br />

Gesteinsschichten stimuliert,<br />

die bereits zuvor unter<br />

tektonischer Spannung<br />

standen. Möglicherweise<br />

wurde so ein sonst später<br />

auftretendes, natürliches<br />

Beben gemindert.<br />

Foto: IWB<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Seite 23


Energie<br />

bei der Stimulation demnach lokal sehr<br />

begrenzt. Übersetzt in unser Domino steinmodell<br />

bedeutet das, dass nicht das Anheben<br />

der Standplatte Auslöser des Bebens ist, sondern<br />

eine lokale Druckstörung weit geringerer<br />

Reichweite. Dadurch fallen nur wenige<br />

der bohrlochnahen Dominosteine um <strong>und</strong><br />

es entsteht – aufgr<strong>und</strong> der geringen Ver satzfläche<br />

– ein Erdbeben vergleichsweise kleiner<br />

Magnitude. Spannungen die einmal<br />

abgebaut wurden, stehen für spätere Erd beben<br />

nicht mehr zur Verfügung, oder anders<br />

ausgedrückt: ein Dominostein der einmal<br />

umgefallen ist, kann ohne weiteres kein<br />

zweites Mal fallen. (Grafik 2)<br />

Wie gross ist die maximal zu<br />

erwartende Erdbebenmagnitude<br />

während einer Stimulation?<br />

Eine Vorhersage der zu erwartenden maximalen<br />

Erdbebenmagnitude ist auch bei noch<br />

so genau bekannter Untergr<strong>und</strong>be schaffenheit<br />

kaum möglich. Anhand unserer Modellbetrachtung<br />

können wir jedoch versuchen,<br />

die theoretisch maximale Ver satzfläche über<br />

die Ausdehnung des Störungsbereichs des<br />

Wasserdrucks abzuschätzen. Hieraus resultierende<br />

Werte führen zur Ableitung maximaler<br />

Erdbeben mag nituden die im Bereich<br />

der Sach schadens grenze liegen, d.h. in etwa<br />

im Bereich M = 4. Allerdings zeigt die bisherige<br />

Erfahrung bei vergleichbaren Stimulationen,<br />

dass dieser theoretische Maximalwert<br />

nicht annähernd erreicht wurde. Als<br />

Gr<strong>und</strong> hierfür kommen Heterogenitäten in<br />

den Gesteins eigen schaften <strong>und</strong> den Riss-<br />

<strong>und</strong> Spannungs verteilungen in Betracht.<br />

Diese Unregel mässigkeiten der Erdkruste<br />

bewirken eine Verschiebung der Bebenstärken<br />

zu kleineren Magnitudenwerten.<br />

Können die Risiken durch<br />

operative Massnahmen verringert<br />

werden?<br />

Die Auswertung mehrerer 100.000, während<br />

geothermischer Stimulationen registrierter<br />

Mikrobeben zeigte, dass die maximalen Magni<br />

tuden mit fortschreitender Stimula tionsdauer<br />

tendenziell zunehmen (entsprechend<br />

dem anwachsenden hydraulischen Störungs-<br />

Seite 24 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

radius). Wird die seismische Aktivität in Echt-<br />

Zeit analysiert [6], so lassen sich aus der zeitlichen<br />

<strong>und</strong> räumlichen Verteilung der Magnitudenwerte<br />

wichtige Rückschlüsse ziehen<br />

<strong>und</strong> die Operation kann gemäss einem<br />

zuvor ausgearbeiteten Mass nahmen katalog<br />

ge steuert werden.<br />

In der Vergangenheit sind gerade in der<br />

späten Injektionsphase <strong>und</strong> nach Beendigung<br />

der Injektion die stärksten Beben aufgetreten<br />

[7]. Computersimulationen zeigen, dass<br />

sich über eine dem Reservoir angepasste<br />

Injektionsstrategie <strong>und</strong> eine entsprechende<br />

Vorgehensweise bei Beendigung der<br />

Injektion die Wahrscheinlichkeit spürbarer<br />

Beben verringern lässt.<br />

Wie ist das seismische Risiko<br />

durch geothermische Stimulationen<br />

einzuschätzen?<br />

Die Stimulation von Gesteinsrissen ist zweifelsohne<br />

der Schlüssel für eine wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> grossmassstäbliche Nutzung der<br />

Erdwärme. Dies gilt in besonderem Masse für<br />

die HDR/HFR Technologie, die 99 Prozent des<br />

geothermischen Stromerzeugungspo tenzials<br />

ausmacht, aber auch zunehmend für<br />

hydrothermale Projekte. Die Massnahmen<br />

zum hydraulischen Aufbrechen des<br />

Gesteins müssen als fester Bestandteil der<br />

tiefen Geothermie gesehen werden.<br />

Die Frage, ob dieses Verfahren als Ursache<br />

starker Erdbeben gesehen werden kann,<br />

lässt sich eindeutig mit „Nein“ beantworten.<br />

Eine einfache Energiebilanzierung, d.h. ein<br />

Vergleich zwischen eingebrachter hydraulischer<br />

Energie <strong>und</strong> abgestrahlter seismischer<br />

Energie zeigt, dass die Stimulation bestenfalls<br />

als Auslöser eines bereits stark gespannten,<br />

energiegeladenen Systems betrachtet<br />

werden kann.<br />

Als dringlichste Frage gilt daher zu beantworten,<br />

ob die tiefe Geothermie durch<br />

Anwenden dieses Verfahrens ein zusätzliches<br />

seismisches Risiko darstellt? Unsere<br />

eigenen Beobachtungen sprechen eindeutig<br />

gegen diese Hypothese. Bedenkt man, dass<br />

die in Basel angestossene Rissstruktur über<br />

weitere Jahre mit tektonischer Energie aufgeladen<br />

worden wäre, so kann davon ausgegangen<br />

werden, dass früher oder später<br />

genau an dieser Stelle ein weitaus grösseres<br />

Erdbeben passiert wäre. Nach unserem<br />

Erklärungsmodell gehen wir daher davon<br />

aus, dass kontrolliert durchgeführte Injektionsexperimente<br />

zur Vermeidung grosser<br />

natürlicher Schadensbeben beitragen.<br />

Seit Jahrzehnten werden in der Geothermie<br />

weltweit massive hydraulische Stimulationen<br />

durchgeführt, vergleichbar mit der Basler<br />

Stimulation im Dezember 2006. Hierbei wurden<br />

auch Rissstrukturen von mehreren<br />

Kilometern Ausdehnung stimuliert. Die<br />

grösste bislang beobachtete Erdbebenmagnitude<br />

lag bei M=3.6 [8].<br />

Bei keinem dieser Ereignisse ist es zu Per sonen-<br />

oder Sachschaden gekommen.<br />

Dr. Stefan Baisch<br />

Dipl. Geophys.<br />

Ralph Weidler<br />

Dipl. Geophys.<br />

Q-con GmbH<br />

Marktstr. 39<br />

D - 76887 Bad Bergzabern<br />

info@q-con.de<br />

www.q-con.de<br />

Literatur <strong>und</strong> Referenzen<br />

[1] http://www.seismo.ethz.ch/basel/index.php<br />

[2] http://www.seismo.ethz.ch/baselblog/<br />

[3] Süddeutsche Zeitung:<br />

http://sueddeutsche.de/wissen/artikel/482/<br />

94388/article.html<br />

[4] T. Knellwolf, Tages-Anzeiger (Schweiz),<br />

11.12.2006, Seite 3<br />

[5] Interview mit K. Riklin, Tages-Anzeiger<br />

(Schweiz), 11.12.2006, Seite 3<br />

[6] BAISCH, S.,WEIDLER, R., VÖRÖS, R.,<br />

TENZER, H., AND TEZA, D. 2004.<br />

Improving Hydraulic Stimulation Efficiency<br />

by Means of Real-Time-Monitoring.<br />

Proceedings of the 29th Workshop on<br />

Geothermal Reservoir Engineering,<br />

Stanford University, Stanford, California,<br />

January 26-28, 2004<br />

[7] BAISCH, S., WEIDLER, R., VÖRÖS, R., & JUNG, R.<br />

2006. A conceptual model for post-injection<br />

seismicity in Soultz-sous-Forets. Geothermal<br />

Resources Council Transactions, Vol. 30, pp.<br />

601-605. 2006.<br />

[8] BAISCH, S., WEIDLER, R., VÖRÖS, R., WYBORN,<br />

D. & DE GRAAF, L. 2006.<br />

Induced seismicity during the stimulation of a<br />

geothermal HFR reservoir in the<br />

Cooper Basin. Bulletin of Seismological<br />

Society of America, Vol. 96 (6), pp. 2242-2256.


Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

Unser Geschäftsführer berichtet:<br />

VivaRiva: Gesamtfinanzierung<br />

gesichert!<br />

In Heft 6-2006 berichteten wir über den<br />

Zwischenstand unserer Bemühungen zur<br />

Akquisition von Fremdmitteln für unser<br />

Projekt VivaRiva. Mit der letzten Gutsprache<br />

eines Schaffhauser Unternehmens erreichen<br />

die insgesamt akquirierten Fremdmittel nun<br />

die stolze Summe von 143.500 Franken.<br />

Damit ist der Nachweis der Gesamt finanzierung<br />

über einen Zeitraum von drei Jahren<br />

erbracht.<br />

Wir haben unsere Geldgeber entsprechend<br />

informiert <strong>und</strong> erste Gutsprachen sind bereits<br />

überwiesen worden. Die separat ausgewiesene<br />

Betriebsrechnung 2006 von VivaRiva<br />

weist einen Überschuss aus, welcher in den<br />

neu gegründeten Finanzierungsfonds<br />

Wer als Lehrperson oder<br />

Behördenmitglied Interesse<br />

an der Durchführung von<br />

VivaRiva-Anlässen in seiner<br />

Schule/Gemeinde hat,<br />

sollte sich direkt mit uns in<br />

Verbindung setzen.<br />

Foto: Sankt-Englmar<br />

VivaRiva verbucht wurde. Dieser Fonds dient<br />

mit den weiteren in den nächsten zwei<br />

Jahren zu überweisenden Gutsprachen der<br />

Umsetzung <strong>und</strong> Etablierung des Projektes in<br />

der Region Nordostschweiz. Der Rheinaub<strong>und</strong><br />

kann seine Dienst leistungen nicht gratis<br />

erbringen <strong>und</strong> muss einen Teil der Erträge<br />

selber erwirtschaften. Leider stehen den<br />

Schulen in der Regel für ausserordentliche<br />

Anlässe nur sehr be schränkte finanzielle<br />

Mittel zur Verfügung. Der Rhein-aub<strong>und</strong> hat<br />

jedoch auch Zusagen von Stiftungen sowie<br />

zweckgeb<strong>und</strong>enen Unterstützungsfonds<br />

erhalten, welche finanziell auch weniger<br />

dotierten Schulen die Durchführung von<br />

Workshops für Lehrer innen <strong>und</strong> Lehrer bzw.<br />

für Projekttage mit den Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schülern zum „Sozialtarif“ ermöglichen.<br />

Sollten Sie als Lehrperson oder Behördenmitglied<br />

Interesse an der Durchführung von<br />

VivaRiva-Anlässen in Ihrer Schule/Gemeinde<br />

haben, so setzen Sie sich mit uns in Verbindung.<br />

Wir informieren Sie gerne über<br />

unser Angebot <strong>und</strong> beraten sie auch bei der<br />

Finanzierung (www.vivariva.ch).<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Folgende Stiftungen, Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Ämter unterstützen unser<br />

Pro jekt VivaRiva:<br />

Amt für Umwelt Kt. Thurgau • Anna<br />

Maria <strong>und</strong> Karl Kramer Stiftung •<br />

B<strong>und</strong>esamt für Umwelt, Abt. Natur<br />

<strong>und</strong> Landschaft • Basler & Partner<br />

Ingenieure • Canon • CILAG •<br />

Emch + Berger • Georg Fischer •<br />

Lotteriefonds Thurgau • Paul Schiller<br />

Stiftung • Städtische Werke Schaffhausen<br />

• Stif-tung Mercator Schweiz •<br />

Stiftung Werner Amsler • The Ramsay<br />

Fo<strong>und</strong>ation • Vontobel-Stiftung •<br />

Zürich Versicherung.<br />

Wir sind diesen Institutionen sehr dankbar<br />

für die grosszügige Unterstützung.<br />

Ambauenwehr: Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esgerichtes<br />

In Heft 4-2006 berichteten wir ausführlich<br />

über unsere Beweggründe, in der Frage der<br />

Anwendung des so genannten „ehehaften<br />

Rechtes“ an das B<strong>und</strong>esgericht zu gelangen,<br />

nachdem diese Frage im konkreten Fall von<br />

der Regierung des Kt. Nidwalden <strong>und</strong> dem<br />

Verwaltungsgericht völlig unterschiedlich<br />

beurteilt worden war. Die Regierung stützte<br />

unsere Auslegung, wonach das öffentliche<br />

Interesse an einem ökologisch intakten<br />

Flusssystem über das Partikulärinteresse<br />

einer Privatperson zu stellen sei. Das<br />

Verwaltungsgericht hingegen hiess die<br />

gegen den Entscheid der Regierung eingereichte<br />

Beschwerde gut.<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat unsere Beschwerde<br />

inzwischen leider abgewiesen. Diesen Entscheid<br />

fällte es im Wesentlichen aus formellen<br />

Gründen: Der Rheinaub<strong>und</strong> hätte alle neuen<br />

Sachverhalte bereits in der Verwal tungs gerichts<br />

beschwerde vorbringen müssen, weshalb<br />

diese unbeachtet blieben. Dies be deutet,<br />

dass künftig kaum mehr ein Ver fah ren vor<br />

einem kantonalen Ver wal tungs ge richt ohne<br />

anwaltliche Unterstützung geführt wer den<br />

kann, weil mit erhöhter Sorg falt prozessiert<br />

werden muss. Dies be züg lich geht das BG<br />

davon aus, dass der Kenntnis stand der Umwelt<br />

verbände eher jenen der Anwälte gleichzusetzen<br />

ist als jenen der Laien, für welche es<br />

Seite 25


Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

andere Massstäbe setzt. In der konkreten<br />

Frage betreffend die Zweck ände rung – Versorgung<br />

von Dritten mit elektrischer Energie<br />

anstelle des Betriebes einer Säge – argumentiert<br />

das B<strong>und</strong>esgericht sehr summarisch,<br />

indem es zwar ausführlich auf die verschiedenen<br />

Regelungen einiger Kan tone eingeht<br />

<strong>und</strong> davon ableitet, dass darüber keine<br />

gesamt schweizerische Rechts über zeugung<br />

bestehe, sich aber nicht intensiver mit dem<br />

hier in Frage stehenden Nidwaldner Recht<br />

auseinandergesetzt hat. Dort heisst es ausdrück<br />

lich „dass solche Zweckänderungen –<br />

jedenfalls soweit sie stillschweigend oder<br />

ausdrücklich gestattet wurden – gewohnheitsrechtlich<br />

sanktioniert <strong>und</strong> unanfechtbar gewor<br />

den sind.“ Das B<strong>und</strong>esgericht unterschlägt<br />

diese Stelle. Genau dieser Punkt ist jedoch<br />

umstritten, da eine solche gewohnheitsrechtliche<br />

Sanktio nierung im Wider spruch zu den<br />

von den Umwelt verbänden wahrzunehmenden<br />

öffentlichen Interessen steht, weshalb<br />

die Parteirechte gewahrt werden müssten.<br />

Positiv am Urteil ist die Feststellung, dass für<br />

den vom bisherigen ehehaften Wasserrecht<br />

nicht erfassten Teil eine neue Verleihung <strong>und</strong><br />

nicht bloss eine Bewilligung notwendig ist.<br />

Diese Verleihung zu erteilen, steht im freien<br />

Ermessen des Regierungsrates, der damit<br />

jede Nutzung über das bisherige Wasserrecht<br />

hinaus verweigern kann.<br />

Im Weitern positiv zu beurteilen ist die<br />

Feststellung, dass in Bezug auf die Bewilligungs<br />

erteilung auch im neuen Verfahren<br />

alle <strong>natur</strong> schützerischen <strong>und</strong> fischereirechtlichen<br />

Argumente wieder vorgebracht werden<br />

können. Wir sind weiterhin wachsam<br />

<strong>und</strong> warten gespannt auf die Entscheide der<br />

Nidwaldner Regierung.<br />

Eidg. Volksinitiative Raum für<br />

Mensch <strong>und</strong> Natur<br />

Bereits im letzten Heft berichteten wir über<br />

die Raumplanungsinitiative, die unter Federführung<br />

von Pro Natura lanciert werden soll.<br />

Der Vorstand des Rheinaub<strong>und</strong>es ist sich der<br />

Notwendigkeit einer haushälterischen Nutzung<br />

unseres Bodens sehr wohl bewusst <strong>und</strong><br />

hat deshalb als eine der ersten Institutionen<br />

seinen Beitritt zum Trägerverein beschlossen.<br />

Zudem hat unser Präsident, Dr. Jürg<br />

Bloesch Einsitz im Initiativkomitee.<br />

Seite 26 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Die Gründung des Vereins „Ja zur Lebensraum-Initiative“<br />

erfolgte am 31. Januar 2007<br />

in Olten. Zum Zeitpunkt der Gründung<br />

gehörtem dem Verein 16 Organisationen aus<br />

den Bereichen Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz,<br />

Umwelt <strong>und</strong> Landwirtschaft an.<br />

Die Initiative schlägt eine Neuformulierung<br />

des Verfassungsartikels über die Raumplanung<br />

vor (Art. 75). Zusätzlich zu den bisherigen<br />

Bestimmungen nimmt sie den<br />

Schutz des Kulturlandes <strong>und</strong> die Trennung<br />

des Baugebietes vom Nichtbaugebiet in die<br />

Zweckbestimmung auf. Künftig sollen Kantone<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong> gemeinsam für die haushälterische<br />

Nutzung des Bodens sorgen. Der<br />

B<strong>und</strong> soll eine hochwertige Siedlungsentwicklung<br />

nach innen fördern <strong>und</strong><br />

Bestimmungen für das Bauen im Nichtbaugebiet<br />

erlassen. Als Begleit mass nahme<br />

für die Neuausrichtung der Raum planung<br />

verlangt die Initiative in einer Über gangsbestimmung,<br />

dass die Gesamt fläche der Bauzonen<br />

während 20 Jahren nicht vergrössert<br />

werden darf.<br />

KW-Eglisau-UVP II<br />

Im Nachgang zu der Einspracheverhandlung<br />

vom 23. 8.2006 konnte mit unserer Stellungnahme<br />

zu den Verhandlungs ergeb nissen ein<br />

weiteres Kapitel in der unendlichen<br />

Geschichte der Neukonzessionierung des<br />

Kraftwerks Eglisau abgeschlossen werden.<br />

Obwohl Verbesserungen erzielt wurden, sind<br />

längst nicht alle ökologischen Anliegen<br />

erfüllt. Nicht erreicht werden konnten:<br />

• die Staukotenabsenkung, sie ist wegen<br />

der befürchteten Uferrutschungen politisch<br />

nicht machbar<br />

• die Dynamisierung des Alten Rheins bei<br />

Rüdlingen, sie scheiterte am Widerstand<br />

des Kt. Schaffhausen<br />

• das Umgehungsgerinne auf deutscher<br />

Seite, dieses wurde aus Kosten-Nutzen-<br />

Überlegungen durch eine kombinierte<br />

Lösung mit Schiffsschleuse/Fischlift<br />

ersetzt.<br />

Aus verfahrenstechnischen Gründen müssen<br />

die meisten Anträge unserer Einsprache<br />

aufrechterhalten bleiben, auch wenn sich an<br />

der Verhandlung ein allgemeiner Konsens<br />

abgezeichnet hat. Letzter Prüfstein für den<br />

Entscheid bezüglich eines allfälligen Weiterzuges<br />

werden die Bestimmungen des<br />

Bauentscheides sein.<br />

Wir hoffen, dass unsere Anträge darin berücksichtigt<br />

werden.<br />

KW-Kradolf-Schönenberg:<br />

Stellungnahme zur Einspracheverhandlung<br />

Die beim Verfahren „Thur-Kraftwerk Kradolf-<br />

Schönenberg“ leitende Juristin, Frau Danielle<br />

Meyer Schuster, hat die beteiligten Schutzorganisationen<br />

eingeladen, bezüglich der<br />

fischereilichen Aspekte den Rheinaub<strong>und</strong> als<br />

alleinigen Vertreter zu mandatieren. Sowohl<br />

Pro Natura Thurgau, der Sportfischer-Verein<br />

Thur II <strong>und</strong> der Vogelschutz Sektion Aach<br />

ThurLand haben uns dieses Mandat erteilt. In<br />

Abstimmung mit diesen Institutionen haben<br />

wir eine Stellungnahme zu den Ergebnissen<br />

der Einigungs verhand lung abgegeben.<br />

Unsere Anträge beinhalten einen konkreten<br />

Vorschlag betreffend der Führung des alten<br />

Betriebswasserkanals direkt ins Oberwasser<br />

ohne Verbindung zum Umgehungsgerinne.<br />

Damit kann dieser Kanal die Funktion eines<br />

zusätzlichen Fischabstieges übernehmen.<br />

Unser Hauptgewicht legen wir auf die Kritik<br />

an der vorgesehene Ausführung <strong>und</strong> Dotierung<br />

des Fischpasses, welcher den aktuellen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht entspricht.<br />

Insbesondere unser Vizepräsident<br />

Ueli Rippmann, Fischerei biologe hat die entsprechenden<br />

Pläne sehr genau studiert <strong>und</strong><br />

kommentiert. Unsere Einwände ergänzen<br />

wir durchwegs mit konkreten Verbesserungsvorschlägen.<br />

Zudem fordern wir eine seriöse Untersuchung<br />

der Zielfischarten im Kraftwerksperimeter,<br />

u.a. als Gr<strong>und</strong>lage für die spätere Erfolgskontrolle<br />

des Fischpasses.<br />

Ruedi Schneider<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

Rheinstieg 192<br />

Postfach 1157<br />

8201 Schaffhausen<br />

Tel. 052 625 26 58


Mitteilungen<br />

Mehr Klagerechte für deutsche<br />

Umweltverbände<br />

Während das Verbandsbeschwerderecht in<br />

der Schweiz besonders auf kantonaler Ebene<br />

noch immer unter Beschuss steht, bekommen<br />

die deutschen Umweltverbände mit<br />

Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes<br />

mehr Klagerechte im Umweltschutz.<br />

Damit können Vereinigungen, die sich den<br />

Schutz der Umwelt zur Aufgabe gemacht<br />

haben, bestimmte behördliche Entscheidungen<br />

von den Gerichten prüfen lassen.<br />

Diese Umweltvereinigungen müssen unter<br />

anderem satzungsgemäss dem Um welt schutz<br />

dienen, nicht aber von der behördlichen<br />

Entscheidung betroffen sein. Um klagen zu<br />

dürfen, brauchen die Verbände aber wie in<br />

der Schweiz eine Anerkennung. Diese erteilt<br />

das Umweltb<strong>und</strong>esamt (UBA) in Dessau. „Mit<br />

dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz schafft<br />

Deutschland verbesserte Rechtsschutzmöglichkeiten<br />

für Umweltverbände. Diese können<br />

jetzt in grösserem Masse als Anwalt für<br />

den Umweltschutz aktiv werden. Eine Klagewelle<br />

ist dennoch nicht zu erwarten – das<br />

lehren Erfahrungen mit Verbandsklagen in<br />

Deutschland <strong>und</strong> anderen europäischen<br />

Staaten“, erläutert Prof. Dr. Andreas Troge,<br />

Präsident des UBA.<br />

Neben den schon bisher nach Natur schutzrecht<br />

klageberechtigten Naturschutzver bänden<br />

– sie konnten bereits bestimmte Verstösse<br />

gegen Naturschutzrecht vor Gericht geltend<br />

machen – gibt es erweiterte Klage möglichkei<br />

ten jetzt auch für Umweltverbände.<br />

Umwelt verbände <strong>und</strong> -vereine treten damit<br />

nicht mehr nur als Anwälte für den Naturschutz<br />

auf, sondern auch für den Umweltschutz<br />

insgesamt – zum Beispiel für den<br />

Schutz des Wassers, der Luft, des Bodens<br />

oder der <strong>mensch</strong>lichen Ges<strong>und</strong>heit etwa vor<br />

Lärm.<br />

Umweltverbände können zum Beispiel<br />

behördliche Zulassungen zur Errichtung von<br />

Industrieanlagen, Anlagen zur Müllverbrennung<br />

oder Energieerzeugung, grosse<br />

Tiermastbetriebe sowie zum Strassenbau<br />

durch Gerichte prüfen lassen. Ganz wichtig:<br />

Die Umweltverbände müssen nicht mehr –<br />

wie sonst im deutschen Recht üblich – selber<br />

von einer Behördenmassnahme betroffen<br />

sein, um bestimmte Verletzungen des Umwelt<br />

rechts rügen zu können. Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger haben jetzt mit den Umweltverbän<br />

den kraftvolle Partner zur Durchsetzung<br />

ihrer Rechte. Die Verbände können sich<br />

für umweltrelevante Rechte der Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger stark machen.<br />

Um die neuen rechtlichen Möglichkeiten zu<br />

nutzen, benötigt ein Verband die vorherige<br />

Anerkennung durch das UBA in Dessau. Das<br />

UBA prüft unter anderem, ob die Umwelt vereinigung<br />

andauernd <strong>und</strong> vorwiegend Ziele<br />

des Umweltschutzes fördert, gemeinnützige<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Zwecke verfolgt sowie die Gewähr für eine<br />

sachgerechte Aufgaben erfüllung bietet. Das<br />

UBA empfiehlt auch bereits nach Naturschutz<br />

recht anerkannten Vereinen, die Anerkennung<br />

nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz<br />

beim UBA zu beantragen.<br />

Weitere Informationen „Anerkennungsstelle<br />

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz“ im Umweltb<strong>und</strong>es<br />

amt: anerkennungs stelle@uba.de<br />

Der Wald reagiert<br />

auf den Klimawandel<br />

Der Klimawandel wirkt sich bereits deutlich<br />

auf die Wälder der Schweiz aus. Am dies jährigen<br />

„Forum für Wissen“ der Eidg. Forschungsanstalt<br />

für Wald, Schnee <strong>und</strong> Landschaft WSL<br />

prä sen tierten Wissenschafter neue Erkenntnisse<br />

über bereits sichtbare Effekte der Klimaerwärmung<br />

auf Wälder in der Schweiz <strong>und</strong><br />

Europa.<br />

Die Referenten aus der Wissenschaft liessen<br />

keinen Zweifel daran, dass sich die Schweizer<br />

Wälder markant verändern werden: Sie werden<br />

sich im Vergleich zu heute je nach Region<br />

<strong>und</strong> Höhenlage aus unterschiedlichen Baumarten<br />

zusammensetzen, in Trocken gebie ten<br />

wie im Wallis könnten lokal sogar Steppen<br />

entstehen <strong>und</strong> die Bäume werden in höher<br />

gelegene Wuchszonen vordringen, die<br />

Waldgrenze steigt an.<br />

Die am „Forum für Wissen“ anwesenden Vertreter<br />

der Waldwirtschaft, der Schutzwaldbewirt<br />

schaftung <strong>und</strong> des WWF Schweiz<br />

waren sich einig in der Ansicht, dass bereits<br />

heute die Wälder im Sinne einer Risiko minimierung<br />

bewirtschaftet werden müssen. Das<br />

bedeutet, dass für die Zukunft eine möglichst<br />

grosse Vielfalt an standortheimischen<br />

Baumarten, Waldstrukturen <strong>und</strong> Waldtypen<br />

erhalten bleiben sollte.<br />

Der Tagungsband „Forum für Wissen 2006“<br />

zum Thema Wald <strong>und</strong> Klimawandel kann<br />

unter http://www.wsl.ch/lm/publications/<br />

e-publ/forum/2006/welcome-de.ehtml<br />

gratis bestellt werden. Quelle <strong>und</strong> weitere<br />

Informa tionen: www.wsl.ch<br />

Der Klimawandel wirkt<br />

sich bereits deutlich auf die<br />

Wälder der Schweiz aus:<br />

Foto: Krömer-Butz SDW<br />

Seite 27


Mitteilungen<br />

Neue Seilbahnverordnung seit<br />

erstem Januar in Kraft<br />

Die neue Schweizer Seilbahnverordnung ist<br />

am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Schweizer<br />

Umweltverbände, darunter Mountain Wilderness,<br />

die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz<br />

(SL) sowie der Schweizer Alpenclub (SAC)<br />

hatten den Entwurf während der Ver nehmlassung<br />

im August 2006 stark kritisiert.<br />

Die einseitig auf sicherheitstechnische Aspekte<br />

ausgerichtete, schlankere Verord nung<br />

berücksichtigte die Anliegen des Umwelt,<br />

Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutzes kaum. Aufgr<strong>und</strong><br />

der Eingaben der Umweltverbände<br />

wurde der ursprünglich gestrichene Artikel 7<br />

wieder eingefügt, der sich zur Erschliessung<br />

neuer Gebiete äussert. Dies ist sicherlich als<br />

Teilerfolg zu bezeichnen. Allerdings wird sich<br />

erst im konkreten Fall zeigen, wie die Interpre<br />

tation von Formulierungen wie etwa<br />

„über durchschnittliche Standorteignungen“<br />

oder „überdurchschnittlich geeignete Tourismus<br />

orte“ ausfallen wird.<br />

Gesetzestexte abfragbar unter http://www.<br />

admin.ch/ch/d/sr/sr.html (de/fr/it/en)<br />

Klimahouse 2007<br />

Der erste Prototyp des Klima-Fertighauses,<br />

das in Notländern <strong>und</strong> Katastrophengebieten<br />

zum Einsatz kommen soll, wurde vor kurzem<br />

auf der diesjährigen Fachmesse Klimahaus in<br />

Bozen präsentiert. „Steigende Energiekosten<br />

sind nicht nur ein Problem der wohlhabenden<br />

Länder, vor allem die ärmeren Bewohner<br />

Seite 28 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

dieser Erde können mit dieser Entwicklung<br />

nicht mehr Schritt halten, Energiekosten sind<br />

für sie nicht mehr erschwinglich“ so Landesrat<br />

für Umwelt der Autonomen Provinz Bozen<br />

Michl Laimer.<br />

Das Südtiroler Know How in Sachen Klimahäu<br />

ser kommt seit neuestem auch bei der<br />

Kon zeption <strong>und</strong> Errichtung des ersten „Klimafer<br />

tighauses“ zum Zug. UNEP (UN-Environmen<br />

tal Program) <strong>und</strong> das evangelische Kloster<br />

Loccum – (Niedersachsen) haben sich<br />

zum Ziel gesetzt, das Klimahaus Südtirol als<br />

alternative Bauweise für Afrika zu etablieren.<br />

Eine wichtige Voraussetzung für die Initia toren<br />

dieses Projektes ist jedoch, dass Südtirol<br />

diese Gebäude zertifiziert. Im Programm<br />

steht in den nächsten Jahren die Errichtung<br />

von bis zu 1.000 solcher Klima fer tig häuser.<br />

Das derzeitige „African Sustainable House“,<br />

wie es auch genannt wird, muss folgende<br />

Kriterien erfüllen:<br />

• es muss ein Einfamilienhaus mit Innenunterteilung<br />

sein<br />

• es muss eine <strong>mensch</strong>enwürdige Wohneinheit<br />

sein<br />

• es muss kostengünstig in der Anschaffung<br />

sein (4.000 – 5.000€) für ca. 50-60 m 2<br />

• es muss kostengünstig im Erhalt sein<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Vorgaben entwickelte die<br />

Firma Salzgitter AG in Niedersachsen das<br />

Kon zept für das „Klimafertighaus“. Der nun<br />

vorgestellte Prototyp besitzt sehr gute thermi<br />

sche Dämmungseigenschaften für Wärme<br />

<strong>und</strong> Kälte. Überdies kann ein solches Haus<br />

sehr kostengünstig her- sowie aufgestellt<br />

wer den, da die Fertigteile im Baukastenprinzip<br />

kombinierbar sind.<br />

Die weitere Entwicklung des Gebäudes wird<br />

vom Land Niedersachsen <strong>und</strong> vom Land<br />

Südtirol nach der Zertifizierung des „Klimafertig<br />

hauses“ durch die KlimaHaus Agentur<br />

Südtirol vorangetrieben. Der nächste Schritt<br />

dieses Projektes beinhaltet die Weiterentwicklung<br />

des Rohlings zum installationsfertigen<br />

Haus bzw. die Vorbereitung der nötigen<br />

hygienischen Einrichtungen, Wasser,<br />

Abwasser, Energie.<br />

Das auf- <strong>und</strong> abbaubare Fertigklimahaus<br />

kann als Gebäude für neu zu errichtende<br />

Siedlungen eingesetzt werden, des weiteren<br />

könnte es in Zukunft in Katastrophengebieten<br />

auch die bisher üblichen Zelte ersetzen.<br />

Zum Ilisu-Entscheid des<br />

B<strong>und</strong>esrats<br />

Kürzlich hat der B<strong>und</strong>esrat eine mit über<br />

h<strong>und</strong>ert Auflagen versehene Gr<strong>und</strong>satz zusage<br />

für eine Exportrisiko garantie für den<br />

gigantischen Ilisu-Staudamm im Südosten<br />

der Türkei erteilt. Dieser soll den Tigris kurz<br />

vor der Grenze zu Syrien <strong>und</strong> Irak auf einer<br />

Länge von 130 Kilometern aufstauen. Im<br />

Vorfeld hatte es intensive Auseinander setzungen<br />

zwischen der Erklärung von Bern<br />

<strong>und</strong> der Exportrisikogarantie gegeben, weil<br />

der Stausee 55‘000 Menschen direkt <strong>und</strong><br />

indirekt ihrer Lebensgr<strong>und</strong>lage beraubt, sie<br />

zur Umsiedlung zwingt, 5000-jährige Kulturgüter<br />

überflutet, einzigartige Feuchtgebiete<br />

am Tigris zer stört sowie die politische Möglich<br />

keit bietet, den Anrainerstaaten Syrien<br />

<strong>und</strong> Irak das Wasser abzudrehen.<br />

Die EvB kritisiert den Entscheid, weil eine<br />

Zusage gemacht wurde, obwohl in allen<br />

umstrittenen Bereichen die notwendigen<br />

Konzepte <strong>und</strong> Gelder zur Abfederung der<br />

Schäden fehlen. „Die Liste von über h<strong>und</strong>ert<br />

Auflagen zeigt, wie weit das Ilisu-Projekt<br />

noch davon entfernt ist, den Auflagen von<br />

Weltbank <strong>und</strong> OECD zu entsprechen“, konstatiert<br />

Christine Eberlein von der EvB. Die<br />

Das „African Sustainable House”<br />

Foto: Studio “YES”


entwicklungspolitische Organisation hat<br />

besonders grosse Vorbehalte, weil allen<br />

Experten länger schon klar ist, dass nicht<br />

genügend Land vorhanden ist, um alle<br />

Menschen umzusiedeln <strong>und</strong> die Türkei jährlich<br />

nur 100 Millionen Franken für alle im Bau<br />

befindlichen Staudämme zur Verfügung hat.<br />

Für die Umsiedlung wären jedoch allein über<br />

eine Milliarde Franken notwendig.<br />

Zu den wichtigsten Auflagen der Weltbank<br />

gehört die Einbeziehung der betroffenen<br />

Bevölkerung in die Planung <strong>und</strong> Umsetzung<br />

des Projekts sowie deren Beteiligung am<br />

Nutzen des Kraftwerks. „Es ist ein Skandal,<br />

dass das auch weiterhin für die Türkei kein<br />

Thema ist <strong>und</strong> die Bevölkerung zu den<br />

angeblichen Verbesserungen nicht Stellung<br />

nehmen konnte“, beklagt Ercan Ayboga von<br />

der lokalen Initiative zur Rettung von<br />

Hasankeyf. Die EvB fürchtet, dass die Zusage<br />

eine Mogelpackung ist, denn sobald einmal<br />

mit dem Bau begonnen wurde, wird man die<br />

Exportrisikogarantie kaum mehr zurückziehen.<br />

Sie fordert deshalb, dass die Schweiz<br />

sofort alle Auflagen veröffentlicht <strong>und</strong> die<br />

Türkei die betroffenen 55‘000 Menschen in<br />

einem Dialogprozess in die weitere Planung<br />

einbezieht <strong>und</strong> die Anrainerstaaten konsultiert.<br />

Der B<strong>und</strong>esrat muss Wort halten: Bevor<br />

eine endgültige Garantie gesprochen wird,<br />

muss jede einzelne Weltbankauflage eingehalten<br />

werden.<br />

Weitere Informationen auf www.evb.ch/Ilisu<br />

oder bei Christine Eberlein, EvB-Expertin für<br />

internat. Finanzierungen, Tel. 079 426 30 56<br />

Mit Solarstrom über den Atlantik<br />

Der Solarkatamaran «sun21» hat als<br />

erstes Motor boot den Atlantik mit reinem<br />

Solar strom (Photovoltaik) überquert –<br />

www.transatlantic21.org<br />

Der Route von Christoph Columbus folgend,<br />

ist die «sun21» am 2. Februar 2007 in Mar tinique<br />

angekommen. Die «sun21» startete die<br />

Welt rekordfahrt am 16. Oktober 2006 in<br />

Basel <strong>und</strong> wird nach insgesamt 7‘000 Seemeilen<br />

am 8. Mai 2007 in New York erwartet.<br />

Die «sun21» fährt ohne einen Tropfen Öl <strong>und</strong><br />

ohne ein Gramm Uran.<br />

Am 2. Februar 2007 wurde auch der alarmierende<br />

Klimabericht der UNO «Climate<br />

Change 2007» veröffentlicht. Verschiedene<br />

Stimmen wollen Öl <strong>und</strong> Gas unter anderem<br />

durch Atomenergie – also CO 2 durch Radioaktivität<br />

– ersetzen. Das ist russisches Roulette<br />

mit unseren Lebensgr<strong>und</strong>lagen.<br />

Die «sun21» beweist, dass es intelligente<br />

Lösungen für eine zukunftsfähige Energieversorgung<br />

gibt. Solarenergie <strong>und</strong> die anderen<br />

erneuerbaren Energieträger sind Gr<strong>und</strong>lage<br />

<strong>und</strong> Chance für Frieden, Wirtschaft,<br />

Sicherheit, Unabhängigkeit <strong>und</strong> Ökologie –<br />

www.SolarPeace.ch<br />

Transitland Südbaden – wohin<br />

mit dem Verkehr?<br />

Verkehr, Strassen, Lärm <strong>und</strong> Gestank nehmen<br />

am Oberrhein zu. Südbaden wird immer stärker<br />

zur zentralen, europäischen Nord-Süd-<br />

Achse mit allen damit verb<strong>und</strong>en Problemen.<br />

Während nicht nur im Alpenraum viele<br />

Menschen die Dramatik der Situation erfasst<br />

haben <strong>und</strong> sich gegen die zunehmende<br />

Zerstörung ihrer Heimat wehren, gilt in manchen<br />

Kreisen in der „Ökoregion Südbaden“<br />

Strassenbau immer noch als Fortschritt. Die<br />

Strassenbaulobbyisten in den Parteien brüsten<br />

sich in den Wahlkämpfen mit ihren<br />

Strassenbauerfolgen gegen die Natur. Bei<br />

man chem Strassenbauprojekt in der Region<br />

gibt es sicher im Detail ein sinnvolles Pro <strong>und</strong><br />

Contra. Da sind die lärmgeplagten AnwohnerInnen,<br />

die nach den neuen Strassen <strong>und</strong><br />

Umgehungen rufen. Aber neue Strassen ziehen<br />

immer mehr Verkehr nach sich <strong>und</strong> der<br />

Traum von der autogerechten Stadt <strong>und</strong><br />

Region ist längst ausgeträumt.<br />

Die vielen neuen Strassen verbrauchen nicht<br />

nur die real in Anspruch genommene Fläche,<br />

sie zerschneiden Landschaft <strong>und</strong> Lebens-<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

räume, verlärmen einen breiten Streifen auf<br />

beiden Seiten <strong>und</strong> belasten die angrenzenden<br />

Dörfer, Äcker <strong>und</strong> Wiesen mit Schad stoffen.<br />

Gemeinsam ergeben diese vielen neuen<br />

Strassen eine neue negative Qualität für den<br />

Breisgau: ein Bild der Zerstörung. Nachhaltigkeit<br />

ist so nicht zu erreichen.<br />

In diesem Zusammenhang ist ganz besonders<br />

die geplante neue, schnelle, breite<br />

Autobahn A 5 zu nennen, die zentrale Transitstrecke<br />

am Oberrhein. Der bereits jetzt unerträgliche<br />

LKW-Verkehr soll sich bis zum Jahr<br />

2020 verdoppeln. Was das für die lärmgeplagten<br />

Menschen bedeutet, kann man sich<br />

vorstellen. Mehr Lärm, Abgase <strong>und</strong> ein<br />

Verlust an Erholungsflächen. Es ist erstaunlich,<br />

dass Politiker mit der Forderung nach<br />

dem Ausbau der Autobahn immer noch<br />

Wahlkämpfe führen <strong>und</strong> Wahlen gewinnen.<br />

An einer zentralen europäischen Transitachse<br />

zu leben, bedeutet Verlust an Lebensqualität<br />

<strong>und</strong> keinen Gewinn. Gerade die Politiker, die<br />

am lautesten nach dem Autobahnausbau<br />

rufen, sind zumeist diejenigen, die sich am<br />

wenigsten für eine Verminderung des<br />

anschwellenden Strassen- <strong>und</strong> im Beson deren<br />

des LKW-Verkehrs einsetzen. Was nützt<br />

ein sechs- oder achtspuriger Auto bahn ausbau,<br />

wenn der Gotthard immer noch eine<br />

nur zweispurige Röhre hat? Hier wird mit<br />

dem Sachzwangsprinzip die Schweiz bearbeitet,<br />

die am meisten unter dem Transitverkehr<br />

leidet. Die Güter im Fern ver kehr<br />

gehören auf die Bahn <strong>und</strong> das nicht erst ab<br />

der Grenze.<br />

Quelle: BUND-Oberrhein<br />

Weltrekord: Der Solar katamaran<br />

„Sun21“ im Hafen von<br />

Le Martin auf Martinique.<br />

Foto: Transatlantic.org<br />

Seite 29


Buchbesprechungen<br />

um Welten – Poesie für den Alltag<br />

Kuno Roth<br />

Triga Verlag, Gelnhausen, 2006<br />

LICHTpunkte Band 69<br />

96 Seiten<br />

ISBN 3-89774-503-8<br />

Sfr. 15,40 / € 8,30<br />

Unerwartet leise sind die Töne für einen<br />

langjährigen Greenpeace-Aktivisten, den<br />

Umweltpädagogen Kuno Roth. Keine<br />

Mission <strong>und</strong> kein Schreien, sondern lakonische<br />

Zeilen, wohltuend unaffektierte <strong>und</strong><br />

verständliche Gedichte, zu welchen der<br />

Schweizer Literaturkritiker Markus B<strong>und</strong>i in<br />

seinem Vorwort schreibt: »Kuno Roth hat<br />

eine eigene Sprache gef<strong>und</strong>en. Da kapriziert<br />

sich kein Autor <strong>und</strong> versteckt sich hinter<br />

grossen Worten. Es ist gerade die Einfachheit<br />

der Sprache, das scheinbar Leichte, das<br />

Spielerische, woraus Kuno Roths Gedichte<br />

ihre Kraft schöpfen <strong>und</strong> Leserinnen <strong>und</strong><br />

Leser zum Eintauchen <strong>und</strong> Mitdenken einladen.«.<br />

Die zwischen 1998 <strong>und</strong> 2006 entstandenen<br />

Gedichte dieses Sammelbändchens greifen<br />

dabei nicht nur Umwelt- <strong>und</strong> Land schaftsthemen<br />

auf, sondern widmen sich auch der<br />

Liebe, der Politik <strong>und</strong> unserem Alltag,<br />

Roths Gedanken laden wirklich zum Innehalten<br />

ein, zum Nachdenken <strong>und</strong> bilden<br />

damit ein literarisches Gegengewicht zu<br />

unserer schnelllebigen, konsumorientierten<br />

Zeit. Dieses Büchlein ist etwas für alle, die<br />

noch die Stille zu hören vermögen.<br />

Günther Frauenlob, Waldkirch<br />

Seite 30 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Unsere Obstgärten – Mit Kindern<br />

die faszinierende Welt der Streuobstwiesen<br />

entdecken<br />

Karin Blessing, Claus-Peter Hutter<br />

& Fritz-Gerhard Link (Hrsg.)<br />

Hirzel Verlag, Stuttgart, 2006<br />

144 Seiten<br />

ISBN 3-7776-1274-X.<br />

Sfr. 23,70; € 14,80;<br />

Seit langem prägen Apfel-, Birnen-, Kir -<br />

schen-, Zwetschgen <strong>und</strong> andere Fruchtbäume<br />

viele Teile unserer Kulturlandschaft.<br />

Ob als Aus druck in Form ausgedehnter<br />

Obstwiesen, als Alleen an Strassen <strong>und</strong><br />

Wegen oder als markante Einzelbäume. Die<br />

Erhaltung der Streu obstwiesen als Bindeglied<br />

zwischen Kultur <strong>und</strong> Natur <strong>und</strong> besondere<br />

Biotope der Agrar landschaft steht seit<br />

längerem im Blickpunkt des staatlichen <strong>und</strong><br />

privaten Naturschutzes. Sowohl Landschaftspla<br />

ner als auch Land schafts architekten,<br />

Natur schutzver bände, Heimat- <strong>und</strong> Wan dervereine,<br />

Organi sa tionen des Obstbaus <strong>und</strong><br />

andere Initiativen versuchen den schleichenden<br />

Ausverkauf eines artenreichen Landschafts<br />

elementes entgegenzuwirken. Doch<br />

die bisherigen Initiativen sind nur teilweise<br />

erfolgreich verlaufen.<br />

Wurden in den 70er- <strong>und</strong> 80er- Jahren viele<br />

Streu obstgebiete durch Umwandlung in<br />

Wohn- <strong>und</strong> Gewerbegebiete geopfert oder<br />

der landwirtschaftlichen Intensivierung unter<br />

worfen, so ist es heute das zunehmende<br />

Desinteresse der Eigentümer <strong>und</strong> Erben an<br />

der traditionellen Nutzung. Und so wird<br />

Natur <strong>und</strong> dieser Teil der Landschaft immer<br />

mehr zur grünen Kulisse für Frei zeit beschäftigung<br />

ohne Heimatbezug <strong>und</strong> Bodenhaftung.<br />

Selbst das ererbte Eigentum in der<br />

Kulturlandschaft – etwa eine Streuobstwiese<br />

– steigert bei der jüngeren Generation kaum<br />

die Aktivitäten für diesen Lebensraum wie<br />

etwa Baumpflege, Wiesen mahd oder<br />

Nutzung der ohne Herbizid- <strong>und</strong> Pestizid einsatz<br />

gereiften Früchte. Aktive Ausein andersetzung<br />

mit den heimischen Landschaften<br />

<strong>und</strong> deren Agrarökosystemen findet also<br />

kaum mehr statt. Alle Appelle zum Erhalt<br />

unserer Streu obstwiesen tragen keine<br />

Früchte, wenn diejenigen, die sie erben,<br />

diese nicht pflegen <strong>und</strong> erhalten. Denn an<br />

fehlender Energie kann es nicht mangeln.<br />

Während immer mehr Äpfel <strong>und</strong> Birnen im<br />

Herbst auf den Obstbaumwiesen vergammeln,<br />

suchen deren Eigentümer schweisstreibende<br />

Betäti gung in den Fitness studios.<br />

Hier setzt die Initiative der Umweltakademie<br />

Baden-Württemberg an. Da in unserer Gesellschaft<br />

eine zunehmende Naturentfremdung<br />

festzustellen ist, sollen Kinder als die Entscheidungsträger<br />

von morgen an die Natur<br />

herangeführt werden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat<br />

die Umweltakademie Baden-Württemberg<br />

ein Projekt zur Umweltbildung für Kinder zur<br />

Erhaltung der Streuobstwiesen gestartet<br />

<strong>und</strong> das Buch „Unsere Obstgärten – Mit<br />

Kindern die w<strong>und</strong>erbare Welt der Streuobstwiesen<br />

entdecken“ als Arbeitshilfe für<br />

Kin der tageseinrichtungen, Gr<strong>und</strong>schulen<br />

<strong>und</strong> Eltern entwickelt. Streuobstwiesen sind<br />

überaus artenreiche Lebensräume. Von der<br />

Gräser- <strong>und</strong> Kräuterschicht bis in die obersten<br />

Baumwipfel finden sich unterschiedlichste<br />

ökologische Nischen <strong>und</strong> somit zahlreiche<br />

kleine Lebensräume für Tiere wie<br />

Siebenschläfer, Buntspecht oder Ameise <strong>und</strong><br />

Pflanzen wie Löwenzahn, Spitzwegerich <strong>und</strong><br />

Margerite, die es zusammen mit den Kinder<br />

in der Natur zu erleben <strong>und</strong> entdecken gilt.<br />

Die Vielfalt der Streuobstwiesen erlebt <strong>und</strong><br />

erfährt man zusammen mit Kindern natürlich<br />

am direktesten <strong>und</strong> am einprägsamsten<br />

bei einem Ausflug <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ungsgang<br />

durch diesen Lebensraum. Jede Jahreszeit,<br />

jeder Tag birgt Geheimnisse <strong>und</strong> Überraschungen.<br />

Weil man jedoch nicht immer<br />

die Möglichkeit hat, die Beson derheiten der<br />

Streuobstwiese direkt vor Ort zu erk<strong>und</strong>en,<br />

ist dieses Buch auch eine Handreichung zur<br />

Vorbereitung von Natur erlebnis-Spielen, die<br />

man auch im Kinder garten, in der Schule<br />

oder in der Familie angehen kann.<br />

Dieses Buch ist ein Baustein, der Wissenserosion<br />

in Sachen Natur, Landschaft, Heimat,<br />

Ges<strong>und</strong> heit <strong>und</strong> Ernährung entgegenzuwir-


ken. Als praktische Arbeitshilfe für Natur erziehung<br />

<strong>und</strong> Umweltbildung ist es zugleich<br />

ein wichtiger Beitrag zur Bildung für eine<br />

nachhaltige Entwicklung.<br />

Dr. Agnes Michenfelder, Stuttgart<br />

Moorlandschaft Habkern –<br />

Sörenberg<br />

Exkursionsführer Bernischer Teil<br />

Christian Gnägi<br />

Ott Verlag, Bern, 2006<br />

121 Seiten, zahlr. Abbildungen<br />

ISBN 3-7225-0021-4<br />

Sfr. 32,- / € 21,-<br />

Die Moorlandschaft Habkern–Sörenberg<br />

liegt östlich von Interlaken in den nördlichen<br />

Voralpen. Sie erstreckt sich über 86 km 2 von<br />

Sörenberg bis Beatenberg <strong>und</strong> ist damit die<br />

zweitgrösste Moorlandschaft der Schweiz.<br />

Seit 1996 ist sie durch die Moorlandschaftsverordnung<br />

geschützt. Bisher fehlte aber<br />

eine Beschreibung der schützenswerten<br />

Beson der heiten dieser grossartigen Landschaft.<br />

Der nun vorliegende Exkursionsführer<br />

ist nicht ein herkömmlicher Routenführer,<br />

sondern liefert eine umfassende <strong>natur</strong>räumliche<br />

Charakteristik des bernischen Teils mit<br />

beson derer Berücksichtigung von Geologie<br />

<strong>und</strong> Landschaftsentwicklung, Klima <strong>und</strong><br />

Hydro logie, Flora <strong>und</strong> Fauna <strong>und</strong> Moorlandschafts-<br />

<strong>und</strong> Moorschutz.<br />

Zu elf Exkursionsräumen wird eine Fülle an<br />

Hintergr<strong>und</strong>informationen <strong>und</strong> Beobachtungs<br />

mög lich keiten aufgezeigt. Das Buch ist<br />

reich bebildert, wobei nicht alle Bilder qualitativ<br />

wirklich gut sind, hier hätte eine etwas<br />

strengere Auswahl gut getan. Doch das ist<br />

nur ein kleiner Schönheitsfleck einer ansonsten<br />

gelungenen Publikation, die diese recht<br />

unbekannte Gegend endlich wissenschaftlich<br />

genau vorstellt <strong>und</strong> Lust auf mehr weckt.<br />

Das hat auch der Verlag erkannt <strong>und</strong> auf<br />

einer Webseite www.hep.info/index.php?cm<br />

d=offers&subcmd=load&category=72&offer<br />

=70 einen Link mit weiterführenden Informationen<br />

<strong>und</strong> konkreten Touren vorschlägen<br />

aufgeschaltet.<br />

Das Buch ist allen zu empfehlen, die es lieben,<br />

wildromantische Landschaften zu Fuss<br />

zu entdecken.<br />

Laurence Frauenlob, Waldkirch<br />

Gr<strong>und</strong> zur Hoffnung<br />

Autobiographie<br />

Jane Goodall, Phillip Berman<br />

Aus dem Englischen von Erika Ifang<br />

Sonderausgabe<br />

Riemann Verlag, 2006<br />

352 Seiten, 10 s/w Abbildungen<br />

ISBN 978–3–570–50079–8<br />

Sfr. 23,60 / € 12,95<br />

Jane Goodall ist eine der grossen For scherpersönlichkeiten<br />

unserer Zeit. Über dreissig<br />

Jahre hinweg beobachtete sie das Leben von<br />

freilebenden Schimpansen in Tansania. Ihre<br />

Erkenntnisse haben die Ver hal tens forschung<br />

revolutioniert <strong>und</strong> die Ein stellung des<br />

Menschen zur Natur verändert.<br />

Umweltzerstörung <strong>und</strong> die Grausamkeit <strong>und</strong><br />

Ungerechtigkeit in der Welt sind für Jane<br />

Goodall Anstoss zum Handeln, nicht Gr<strong>und</strong><br />

zur Resignation. „Gr<strong>und</strong> zur Hoffnung“ ist<br />

Essenz <strong>und</strong> Leitmotiv ihres Lebens.<br />

Angesichts des Schwindens von Lebensraum<br />

für freie Tiere, angesichts von Klimaveränderungen<br />

<strong>und</strong> Umweltzerstörung, angesichts<br />

der wachsenden Armut in vielen Ländern<br />

der Welt wurde Jane Goodall immer wieder<br />

gefragt, wie es möglich sei, dass sie trotzdem<br />

so ruhig, friedvoll <strong>und</strong> positiv wirke. Mit der<br />

vorliegenden Autobiographie beantwortet<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

sie diese Frage. Ihre Empfindung der Einheit<br />

allen Seins, ihre Liebe zur Schöpfung, ihre<br />

Herzlichkeit <strong>und</strong> Wahrheitsliebe bestimmen<br />

ihr Leben. Diese Qualitäten in Verbindung<br />

mit ihrer Neugierde machten sie zu einer<br />

aussergewöhnlichen Forscherin – die mit<br />

Tieren lebt <strong>und</strong> sie nicht erschiesst, um<br />

Mageninhalte zu bestimmen, oder sie in<br />

Käfige einsperrt, um unter künstlichen<br />

Bedingungen ihre Reaktionsmuster zu studieren.<br />

Jane Goodall, Doktor der Ethnologie, ist eine<br />

der international engagiertesten Persönlichkeiten<br />

für den Schutz von Natur <strong>und</strong><br />

Umwelt. Seit sie nicht mehr aktive Forschung<br />

in Afrika betreibt, hat sich ihr Engagement in<br />

Richtung Öffentlichkeitsarbeit verlagert. Als<br />

Initiatorin von „Roots & Shoots“, einem Programm<br />

für den internationalen Umwelt- <strong>und</strong><br />

Artenschutz, begeistert sie insbesondere<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in zahlreichen Ländern<br />

für ein ökologisches Engagement.<br />

Unermüdlich auf Vortrags reisen, verbringt<br />

Jane Goodall die wenigen verbleibenden<br />

Wochen des Jahres im englischen Bournemouth.<br />

Jane Goodall ist mit ihrem Leben ein Vorbild,<br />

wie man sich zur Natur <strong>und</strong> ihren Geschöpfen<br />

verhalten sollte.<br />

Es ist dem Verlag deshalb dafür zu danken,<br />

dass er ihre bereits 2001 erschienene Biographie<br />

noch einmal neu in einer Sonderausgabe<br />

auflegt, um sie einem grösseren<br />

Publikum zugänglich zu machen.<br />

Günther Frauenlob, Waldkirch<br />

Seite 31


Leserbriefe<br />

Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />

im Einklang?<br />

Im Jahre 2004 wurde von den B<strong>und</strong>esämtern<br />

ARE, BFE <strong>und</strong> BAFU das „Konzept Windenergie<br />

Schweiz“ verabschiedet, das in einem partizipativen<br />

Prozess unter anderem mit den mitgliederstarken,<br />

demokratisch legitimierten<br />

Umweltorganisationen Pro Natura <strong>und</strong> WWF<br />

entstanden ist. Das dem Konzept zu Gr<strong>und</strong>e<br />

liegende Prinzip ist die Konzentration von<br />

Windturbinen an geeigneten Standorten.<br />

Folgende Kriterien für den Bau von Windparks<br />

(ab 3 Anlagen) wurden darin festgehalten:<br />

Windaufkommen, Erschliessung, Sied lungsabstand,<br />

Verträglichkeit mit Natur <strong>und</strong> Landschaft.<br />

So werden etwa nationale Inven tare<br />

<strong>und</strong> Schutzgebiete sowie Wald jeweils inklusive<br />

Schutzperimeter für Windparks ausgeschlossen.<br />

Das Konzept ist eine ausgezeichnete<br />

Basis, den von Suisse Eole stets<br />

an ge strebten Interessenausgleich zwischen<br />

Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz umzusetzen.<br />

Auftrieb erhält das Konzept nun durch das<br />

Ende August 2006 vom B<strong>und</strong>esgericht<br />

gefällte Urteil zugunsten des Windparks<br />

Crêt-Meuron (NE), das ein klares Signal für<br />

Seite 32 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Im Leserbrief in der Ausgabe 4/06 bezeichnet F. Schmid das Verhältnis<br />

von Windenergie <strong>und</strong> Landschaftsschutz als “realistischerweise nicht<br />

lösbares Dilemma“. Im Rahmen meiner politischen Tätigkeit <strong>und</strong> als<br />

Präsident von Suisse Eole habe ich die Diskussion um dieses Thema<br />

intensiv miterlebt. Heute kann ich sagen, dass in der Frage eine gute<br />

<strong>und</strong> tragfähige Lösung gef<strong>und</strong>en wurde. Walter Schmied<br />

einen Ausbau der Windkraftnutzung in der<br />

Schweiz ist. Die Realisierung dieses Windparks<br />

entspricht dem Willen der Neuenburger<br />

Regierung, der lokalen Bevölkerung sowie<br />

der kantonalen Sektionen von WWF <strong>und</strong> Pro<br />

Natura. Der Standort wurde überaus sorgfältig<br />

nach den Kriterien des Konzepts ausgewählt.<br />

Dass beim Crêt-Meuron keineswegs<br />

eine unberührte Natur vorzufinden ist, sondern<br />

eine vielfach vorbelastete, zeigt das<br />

Zitat aus dem Gutachten von Pro Natura:<br />

„Was den Standort «Crêt-Meuron / Derrière<br />

Tête de Ran» betrifft, so bestehen in der Nähe<br />

zahlreiche Installationen (Restaurant, Skilift,<br />

Zufahrtsstrassen, Stromleitungen, Hochspannungsleitung)<br />

<strong>und</strong> der Ort wird bereits<br />

viel besucht.“ Auch das B<strong>und</strong>esgericht<br />

kommt in seinem Urteil zum Schluss, dass an<br />

diesem Standort – eventuell mit geeig neten<br />

Massnahmen – die Interessen der Natur<br />

gewahrt werden können.<br />

Zweifellos haben Windturbinen einen<br />

Einfluss auf das Landschaftsbild. Ob positiv<br />

oder negativ, ist Ansichtssache. Fakt ist hingegen,<br />

dass sich in der Schweiz auch unter<br />

Der Mont Crosin, ein Vorbild<br />

für den Crêt Meuron?<br />

Foto: Suisse-Eole<br />

landschaftsästhetischen Krite<br />

rien überzeugende Standorte<br />

finden lassen. Und dass<br />

sich die Turbinen nach Ende<br />

ihrer Lebensdauer abbauen<br />

<strong>und</strong> rezyklieren lassen –<br />

ohne Spuren <strong>und</strong> Abfälle zu<br />

hinterlassen. Suisse Eole<br />

appelliert an die Stiftung<br />

Landschaftsschutz <strong>und</strong> den<br />

Schweizer Heimat schutz, bei<br />

der Ein schätzung von Windenergieprojekten<br />

künftig<br />

das Augenmass nicht zu verlieren. Beispielsweise<br />

stehen auf Landesgebiet r<strong>und</strong> 1 Million<br />

Hochspannungsmasten. Dagegen nimmt<br />

sich die Zahl der Windturbinen, die je aufgestellt<br />

werden könnten, auf jeden Fall sehr<br />

bescheiden aus.<br />

Suisse Eole setzt sich – wie auch der Rheinaub<strong>und</strong><br />

– im Rahmen der Allianz für eine verantwortungsvolle<br />

Klimapolitik für die<br />

Reduktion des CO 2 -Ausstosses ein. Denn<br />

jede mit Windturbinen produzierte kWh<br />

sorgt dafür, dass die geplanten Gas-Kombikraftwerke<br />

weniger lang betrieben wer den<br />

müssen. Im Hinblick auf die Energieversorgung<br />

<strong>und</strong> das Klima unseres Planeten ist es sinnvoll,<br />

eine einheimische, erneuerbare, emissionsfreie<br />

Energiequelle zu nutzen.<br />

Walter Schmied, Nationalrat,<br />

Präsident Suisse Eole<br />

(Vereinigung zur<br />

Förderung der Windenergie<br />

in der Schweiz)


Termine / Aktuelles<br />

Kassier gesucht!<br />

Familiäre Pflichten <strong>und</strong><br />

be rufliches Enga ge ment<br />

veranlas sen unseren bisherigen<br />

Kassier, Roman Zangerle,<br />

sein Mandat abzugeben. Wir<br />

bedauern diesen Schritt<br />

ha ben aber Ver ständnis für<br />

seinen Entscheid. Roman<br />

Zangerle hat seine Aufgabe<br />

sehr ernst ge nom men, die<br />

buchhalterischen Abläufe<br />

Danke Roman!<br />

opti miert <strong>und</strong> war in der Amtsführung äusserst<br />

gewissenhaft. Der Vorstand bedankt<br />

sich herzlich für diesen Einsatz. Roman Zangerle<br />

hat sich bereit erklärt, sein Amt solange auszuüben<br />

bis seine Nachfolge geregelt ist.<br />

Sind Sie interessiert, Ihr buchhalterisches<br />

Fachwissen für eine ideelle Organisation einzusetzen<br />

<strong>und</strong> den Vorstand in finanziellen<br />

Fragen zu beraten? Könnten Sie sich vorstellen,<br />

diese Tätigkeit im Rahmen eines<br />

Vorstandsmandates auszuüben?<br />

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Damit für Sie die Geschäftsvorgänge<br />

nicht ins Abstrakte<br />

abrutschen, ist ein gewisses<br />

Interesse an den Tätig keitsschwerpunkte<br />

des Rheinaubun<br />

des – Gewässer- <strong>und</strong><br />

Land schafts schutz erforderlich.<br />

Der Vorstand tritt jährlich<br />

zu 6 bis 8 Sitzungen<br />

zusam men.<br />

Die Erledigung der Aufgaben<br />

erfolgt in enger Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> mit Unterstützung durch Sekretariat<br />

<strong>und</strong> Geschäftsführung. Wir sind ein aufge<br />

stelltes Team <strong>und</strong> geben Interessentinnen<br />

<strong>und</strong> Interessenten gerne weitere Auskünfte.<br />

Melden Sie sich !<br />

aglagla ... l’âge de glace<br />

Unsere erhabenen Gletscher schmelzen dramatisch.<br />

Die Klima erwär mung ist in aller<br />

M<strong>und</strong>e. Doch die „Kleine Eiszeit“ ist nicht<br />

weit weg: erratische Blöcke,<br />

Moränen, Eis, Hunger <strong>und</strong><br />

Kälte... Die neue Eiszeit- <strong>und</strong><br />

Gletscher-Ausstellung des<br />

Naturhistorischen Museum<br />

Neuenburg wirft ein neues<br />

Licht auf die aktuelle Debatte<br />

über das Klima <strong>und</strong> seine<br />

Veränderungen.<br />

Mit dieser Ausstellung feiert<br />

das Natur histo rische Muse -<br />

um Neuenburg gleichzeitig<br />

den 200. Geburtstag von<br />

Louis Agassiz (1807–1873).<br />

Sie erinnert an den wissenschaftlichen<br />

Beitrag dieses<br />

Naturforschers, der einer der<br />

grössten seiner Zeit war.<br />

Sein persönlicher Beitrag<br />

war die Hypothese einer<br />

wahrhaften „Eiszeit“ mit<br />

weltweiten Auswirkungen.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 1 / 2007<br />

Die Entdeckung der Eiszeit <strong>und</strong> die damals<br />

schockierende Vorstellung, dass das Klima<br />

der Erde beträchtlichen Veränderungen un -<br />

terliegen könnte, sind heute erneut aktuell.<br />

Die Klimaerwärmung wird mit zunehmender<br />

Besorgnis wahrgenommen <strong>und</strong> als Bedrohung<br />

der Menschheit erkannt.<br />

In ihrer Inszenierung geht die Ausstellung<br />

neue Wege, indem sie in ihren Parcours den<br />

Film Mémoire d’outre glace integriert, der<br />

speziell zu diesem Zweck im Sommer 2006<br />

auf dem Aargletscher gedreht wurde.<br />

Die Ausstellung ist<br />

vom 21. Januar 2007 – 21. Oktober 2007<br />

geöffnet <strong>und</strong> zwar jeweils<br />

von Dienstag – Sonntag, 10 –18 Uhr.<br />

Muséum d’histoire <strong>natur</strong>elle<br />

Rue des Terreaux 14<br />

CH-2000 Neuchâtel<br />

www.museum-neuchatel.ch<br />

Suisse Eole Tagung 2007<br />

Auch in der Schweiz hat die Nutzung der<br />

Windenergie ein gewisses Potenzial. Darüber<br />

hinaus hat es in der letzten Zeit erneut wieder<br />

positive Signale aus Wirtschaft, Technik<br />

<strong>und</strong> Politik für die Nutzung des Windstroms<br />

gegeben. Durch die kostendeckende Einspeise<br />

vergütung <strong>und</strong> die Berück sichtigung<br />

in den kantonalen Richtplanungen haben<br />

sich die Rahmenbedingungen für die Windenergie<br />

nutzung in der Schweiz verbessert.<br />

Die Suisse Eole-Tagung nimmt die neue Ausgangslage<br />

auf <strong>und</strong> zeichnet die mittelfristigen<br />

Perspektiven der Wind strom pro duk tion.<br />

Die Tagung richtet sich an Energie-, Umwelt-<br />

<strong>und</strong> Raum planungs experten, Investoren<br />

<strong>und</strong> Stromversorger bzw. Stromproduzenten,<br />

Vertreter von Behörden, Politik, Landwirtschaft,<br />

Fach- <strong>und</strong> Publikums medien <strong>und</strong> steht<br />

weiteren Interessierten offen.<br />

Termin: Freitag, 20. April 2007, 10 – 17 Uhr<br />

Ort: Tagungszentrum Gurten – Park im<br />

Grünen, Bern<br />

Programm: www.wind-energie.ch<br />

Anmeldungen unter wind@ideja.ch<br />

(bitte mit vollständiger Adressangabe) oder<br />

Tel. 061 333 23 00/02.<br />

Seite 33


www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

49. Jahrgang • Heftnummer 1 / 2007<br />

Jährlich 6 Nummern • Erscheinungsdatum 03.03.2007<br />

Herausgeber: Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />

Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

Christian Schuhböck<br />

Rolf Waldis<br />

Christa Glauser<br />

Verena Keller<br />

Matthias Kestenholz<br />

Raim<strong>und</strong> Rodewald<br />

Anne Schulte-Wülwer-Leidig<br />

Jürg Schmid<br />

Huw Davies<br />

Urs Neu<br />

Stefan Baisch<br />

Ralph Weidler<br />

Walter Schmied<br />

Vor zwanzig Jahren kam es bei Sandoz in<br />

Schweizerhalle zu einem folgenden schweren<br />

Chemieunfall. Die Auswirkungen waren<br />

gravierend, doch wie weit wären wir heute<br />

mit dem Schutz des Rheins, wenn es diesen<br />

Unfall nie gegeben hätte?<br />

Beitrag Seite 11 – 13<br />

Foto: photocase.de

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