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AlijajWirMuessenReden_Leseprobe

Islam Alijaj hat mit der Zerebralparese eine schwere, gut sicht- und hörbare Behinderung. Er ist ein Secondo mit Wurzeln im Kosova. Und er heisst ausgerechnet Islam. Das sind alles Eigenschaften, die ein erfolgreicher Politiker nicht haben sollte. Dennoch will er in der Schweiz Nationalrat werden. Eigentlich eine Mission Impossible – wenn Islam Alijaj nicht Islam Alijaj wäre. Und die Zeit nicht reif für einen wie ihn. 2022 wurde Alijaj überraschend in den Zürcher Gemeinderat gewählt. Der 36-jährige Politiker beweist nicht nur Intelligenz und Charme, er ist ausgesprochen hartnäckig, ehrgeizig, machtbewusst und manchmal sogar «grössenwahnsinnig». Sein Ziel: das Behindertenwesen in der Schweiz umkrempeln, als Behinderter die Führung übernehmen, damit diejenigen zu Wort kommen, die wissen, wovon sie sprechen. «Nichts über uns ohne uns» soll die Gesellschaft künftig Politik machen können. Dieses Buch ist eine Biografie, ein Manifest und ein Diskussionsbeitrag.

Islam Alijaj hat mit der Zerebralparese eine schwere, gut sicht- und hörbare Behinderung. Er ist ein Secondo mit Wurzeln im Kosova. Und er heisst ausgerechnet Islam. Das sind alles Eigenschaften, die ein erfolgreicher Politiker nicht haben sollte. Dennoch will er in der Schweiz Nationalrat werden. Eigentlich eine Mission Impossible – wenn Islam Alijaj nicht Islam Alijaj wäre. Und die Zeit nicht reif für einen wie ihn.

2022 wurde Alijaj überraschend in den Zürcher Gemeinderat gewählt. Der 36-jährige Politiker beweist nicht nur Intelligenz und Charme, er ist ausgesprochen hartnäckig, ehrgeizig, machtbewusst und manchmal sogar «grössenwahnsinnig». Sein Ziel: das Behindertenwesen in der Schweiz umkrempeln, als Behinderter die Führung übernehmen, damit diejenigen zu Wort kommen, die wissen, wovon sie sprechen. «Nichts über uns ohne uns» soll die Gesellschaft künftig Politik machen können.

Dieses Buch ist eine Biografie, ein Manifest und ein Diskussionsbeitrag.

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Der 18. Juni 1986 war ein Dienstag. Ich kam morgens um halb elf<br />

in Hereq, Kosova, zur Welt, bei schönstem Sommerwetter. Es war<br />

eine Hausgeburt, meine Grossmutter Nurijë war Hebamme. Ich<br />

bin der dritte Sohn von Mahi und Avdi Alijaj, meine Brüder Fatmir<br />

und Faton waren bereits drei und zwei Jahre alt. Die Geburt verlief<br />

gut, so weit alles normal. Erst als ich mit etwa sieben Monaten<br />

plötzlich sehr hohes Fieber bekam, merkten meine Eltern, dass<br />

mit mir etwas nicht stimmte.<br />

Hereq ist das Dorf meiner Eltern und Grosseltern, im Südwesten<br />

von Kosova. Die am nächsten gelegene Stadt heisst Gjakovë.<br />

Das ist eine sehr alte Stadt, geprägt durch viele historische Gebäude<br />

sowie ihre Geschichte und Kultur. Die nächste grössere Stadt<br />

ist Prizren, eine der ältesten Städte im Balkan und nur rund achtzig<br />

Kilometer von der Hauptstadt Pristina entfernt, auf Albanisch<br />

Prishtinë oder Prishtina geschrieben. Die albanische Diaspora<br />

zieht es übrigens vor, Kosova zu schreiben. Kosovo ist die serbische<br />

Schreibweise. Die letzte Volkszählung ist lange her, 2011.<br />

Gemäss Wikipedia lebten damals 1,8 Millionen Menschen in der<br />

Republik Kosova und rund 420 000 Kosovar*innen lebten im Ausland,<br />

vor allem in Deutschland, den USA, in Österreich und der<br />

Schweiz.<br />

Der Islam hat in Kosova eine über fünfhundertjährige Tradition.<br />

Kosovarische Muslime sind fast alle Sunniten. Meine Familie<br />

ist allerdings sehr säkularisiert wie viele andere auch. Wir gehören<br />

dem Sufismus an, einer mystischen und sehr persönlichen Glaubensrichtung.<br />

Wir gehen nicht in die Moschee. Für mich sind<br />

Religion und Glaube zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich bin ein<br />

gläubiger Mensch, aber ich bin nicht religiös.<br />

Den Namen Islam hat mir ein Gelehrter gegeben. Verschiedene<br />

Stimmen im Dorf sagten damals, «der Sohn von Mahi und Avdi<br />

ist behindert» oder krank oder whatever. Der Gelehrte hingegen<br />

sagte jedes Mal: «Ich möchte das nie wieder hören. Ihr werdet noch<br />

sehen, was dieser kleine Bub alles machen kann.» Als ich 2022 in<br />

den Zürcher Gemeinderat gewählt wurde, weinte meine Tante<br />

Nakijë am Telefon, als mein Vater ihr die gute Nachricht über­<br />

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