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AlijajWirMuessenReden_Leseprobe

Islam Alijaj hat mit der Zerebralparese eine schwere, gut sicht- und hörbare Behinderung. Er ist ein Secondo mit Wurzeln im Kosova. Und er heisst ausgerechnet Islam. Das sind alles Eigenschaften, die ein erfolgreicher Politiker nicht haben sollte. Dennoch will er in der Schweiz Nationalrat werden. Eigentlich eine Mission Impossible – wenn Islam Alijaj nicht Islam Alijaj wäre. Und die Zeit nicht reif für einen wie ihn. 2022 wurde Alijaj überraschend in den Zürcher Gemeinderat gewählt. Der 36-jährige Politiker beweist nicht nur Intelligenz und Charme, er ist ausgesprochen hartnäckig, ehrgeizig, machtbewusst und manchmal sogar «grössenwahnsinnig». Sein Ziel: das Behindertenwesen in der Schweiz umkrempeln, als Behinderter die Führung übernehmen, damit diejenigen zu Wort kommen, die wissen, wovon sie sprechen. «Nichts über uns ohne uns» soll die Gesellschaft künftig Politik machen können. Dieses Buch ist eine Biografie, ein Manifest und ein Diskussionsbeitrag.

Islam Alijaj hat mit der Zerebralparese eine schwere, gut sicht- und hörbare Behinderung. Er ist ein Secondo mit Wurzeln im Kosova. Und er heisst ausgerechnet Islam. Das sind alles Eigenschaften, die ein erfolgreicher Politiker nicht haben sollte. Dennoch will er in der Schweiz Nationalrat werden. Eigentlich eine Mission Impossible – wenn Islam Alijaj nicht Islam Alijaj wäre. Und die Zeit nicht reif für einen wie ihn.

2022 wurde Alijaj überraschend in den Zürcher Gemeinderat gewählt. Der 36-jährige Politiker beweist nicht nur Intelligenz und Charme, er ist ausgesprochen hartnäckig, ehrgeizig, machtbewusst und manchmal sogar «grössenwahnsinnig». Sein Ziel: das Behindertenwesen in der Schweiz umkrempeln, als Behinderter die Führung übernehmen, damit diejenigen zu Wort kommen, die wissen, wovon sie sprechen. «Nichts über uns ohne uns» soll die Gesellschaft künftig Politik machen können.

Dieses Buch ist eine Biografie, ein Manifest und ein Diskussionsbeitrag.

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ich konnte mit, weil sie mir half. Wir verhalfen einander zu Freiheit.<br />

Ich habe aus eigener Erfahrung ein tiefes Verständnis fürs<br />

Abgehängtwerden und dafür, weniger Wert zu haben. Der behinderte<br />

Junge und das Mädchen waren damals auf derselben Stufe,<br />

auf der untersten.<br />

Ich glaube, in dieser Zeit erhielt mein Wunsch nach Selbstbestimmung<br />

und Freiheit zum ersten Mal eine neue Dimension. Mein<br />

Weg hatte ja auf dem Boden angefangen: Ich konnte sitzen und<br />

kriechen. Das war alles. Bis ich zwölf Jahre alt war, konnte ich nicht<br />

gehen. Ich war fast nur zu Hause. Und ich hatte lange keinen Rollstuhl.<br />

Einerseits, weil meine Eltern zu wenig Geld hatten und als<br />

Ausländer auch nicht wussten, wo sie Unterstützung hätten finden<br />

könnten. Anderseits wird es einen psychologischen Grund gehabt<br />

haben, denn der Rollstuhl ist ein von Weitem sichtbares Zeichen<br />

für die Realität. Und die hiess: Dieses Kind ist behindert.<br />

Islam hat eine Behinderung.<br />

Wie wenn es ohne dieses Zeichen noch eine Hoffnung gegeben<br />

hätte, dass das Problem wieder weggeht. Es war etwas Unausgesprochenes,<br />

das ich zwar spürte, aber das sich erst mit dem sichtbaren<br />

Beweis für die Behinderung – mit dem Rollstuhl – auflöste.<br />

Ein Arzt operierte meine Beine, als ich in der Primarschule war.<br />

Vater erzählt die Geschichte heute noch mit Dankbarkeit: «Ich<br />

sagte dem Arzt: ‹Du musst mir etwas versprechen. Ich habe nur<br />

Angst vor der Narkose. Islam ist behindert. Ich weiss nicht, ob er<br />

wieder erwacht oder ob er für immer im Koma bleibt.› Der Arzt<br />

versprach mir, dass du pünktlich erwachst. Vor der OP schickte er<br />

den Narkose­Arzt sogar dreimal zu mir, um mich zu beruhigen.<br />

Der Arzt war Kroate, und wir sprachen Deutsch und Kroatisch<br />

miteinander. Am Ende sagte er: ‹Ich behandle Islam, wie wenn er<br />

mein Kind wäre. Und ich verspreche dir, dass er auf die Minute<br />

ge nau wieder aufwacht.› Dann sagte ich: ‹Ich vertraue dir.›» Die<br />

Eltern berichten, dass ich schon früh gesagt habe: «Irgendwann<br />

stehe ich auf und gehe.» Und die Operation war einer der wichtigsten<br />

Schlüssel dafür. Sie ermöglichte mir, meine Beine besser zu<br />

bewegen.<br />

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