08/2023
Die Titelthemen im August: Neue Wege jenseits der Praxis: Therapeut:innen im Porträt // Gute Nachrichten: Welche Vorteile der TI-Messenger bringen wird.
Die Titelthemen im August: Neue Wege jenseits der Praxis: Therapeut:innen im Porträt // Gute Nachrichten: Welche Vorteile der TI-Messenger bringen wird.
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№ <strong>08</strong>/<strong>2023</strong><br />
Was Therapeut:innen jetzt bewegt<br />
Jetzt auch<br />
per App<br />
NEUE WEGE<br />
Jenseits der Praxis: Therapeut:innen im Porträt
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
der Wert therapeutischer Arbeit für die Gesellschaft hat viele Facetten.<br />
Wie unterschiedlich Heilmittelerbringer:innen über ihre wichtige Tätigkeit<br />
in den Praxen hinaus wirken, zeigt beispielhaft unsere neue Titelgeschichte<br />
– ob bei der Arbeit mit Tänzerinnen und Tänzern, Geflüchteten oder<br />
mit zahlreichen Kindern in einer Sprach-Kita. Auch jenseits dieser besonderen<br />
Beispiele wird deutlich, wie viel in der Branche in Bewegung ist,<br />
etwa was sich bei der Finanzierung der digitalen Ausstattung für die Telematikinfrastruktur<br />
tut und wie der TI-Messenger (TIM) die Kommunikation<br />
im Gesundheitswesen verändern wird. Noch <strong>2023</strong> soll die erste Stufe des<br />
TIM an den Start gehen und somit die Digitalisierung mit neuen, sicheren<br />
Möglichkeiten des Datenaustauschs wesentlich vorantreiben. Erfahren<br />
Sie auf den folgenden Seiten mehr darüber – und über viele weitere für<br />
Therapeut:innen relevante Themen.<br />
Ihr<br />
Dr. Jochen Pfänder<br />
Optica-Geschäftsführer
Perspektivwechsel<br />
Auch jenseits der Praxis leisten Therapeut:innen<br />
Außergewöhnliches. Drei Porträts.<br />
Therapie<br />
in Zahlen<br />
Daten zu DiGAs, TherapieGipfel<br />
und vielem mehr.<br />
Kurz &<br />
Kompakt<br />
Neues von der TI und Ratgeber<br />
Recht zum Praxisverkauf.<br />
Gute<br />
Nachrichten<br />
Welche Vorteile der<br />
TI-Messenger bringen wird.<br />
„Liegenbleiben<br />
war keine Option“<br />
Dayan Raheem und Lucas Roos<br />
ist in Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
der Neuanfang geglückt.<br />
Problem<br />
Bewegungsangst<br />
Therapeut:innenwissen:<br />
Neue Erkenntnisse zur<br />
Kinesiophobie.<br />
Optica<br />
informiert<br />
Entdecken Sie die Optica Viva<br />
Live-Demo und Webinare zu<br />
Abrechnungsgrundlagen.
TESTMARKE<br />
BERUFSWAHL<br />
Jenseits<br />
der Praxis<br />
Heilmittelerbringer:innen arbeiten<br />
meist in einer Praxis, allenfalls noch in<br />
einer Klinik. Doch auch darüber hinaus<br />
gibt es spannende Betätigungsfelder.<br />
Wir stellen drei von ihnen vor.<br />
TEXT: MARTIN SCHMITZ-KUHL
„Sehr, sehr vielfältig“<br />
Die Ergotherapeutin CLARISSA SCHIPPERGES hilft in<br />
einer Tagesstätte psychisch kranken Menschen.<br />
Die Ergotherapeutin Clarissa Schipperges hilft in einer Tagesstätte psychisch<br />
kranken Menschen. Gefragt, wie denn ihr Arbeitsalltag aussieht,<br />
sprudelt es aus Clarissa Schipperges heraus. Schnell wird klar, dass in<br />
der Tagesstätte des Psychosozialen Zentrums in Frankfurt, in der die<br />
Ergotherapeutin seit rund acht Jahren arbeitet, kein Tag ist wie der andere.<br />
„Die Arbeit ist so unterschiedlich und vielfältig wie die Menschen,<br />
die mit ihren psychischen Erkrankungen zu uns kommen“, berichtet sie<br />
und strahlt dabei. Divers ist indes auch die Herkunft der Klient:innen,
Es ist wichtig, den Menschen<br />
etwas Struktur in ihrem Leben<br />
zu geben; denn damit haben<br />
sie auch einen Grund, jeden<br />
Morgen aufzustehen und den<br />
Tag zu beginnen.<br />
denn fast alle haben einen Migrationshintergrund – Markenkern des<br />
Internationalen Zentrums, zu dem die Einrichtung gehört.<br />
Das Angebot der Tagesstätte ist freiwillig, die tägliche Anwesenheit<br />
und Beteiligung jedoch verbindlich. „Es ist wichtig, den Menschen<br />
etwas Struktur in ihrem Leben zu geben“, hebt Schipperges hervor,<br />
„denn damit haben sie auch einen Grund, jeden Morgen aufzustehen<br />
und den Tag zu beginnen.“ Was nach dem gemeinsamen Frühstück<br />
gemacht wird, hängt dann aber sehr von den jeweiligen Anforderungen<br />
und Bedürfnissen der Klient:innen ab. „Das ist super individuell“,<br />
so die Ergotherapeutin – und das Angebot groß. So bietet Schipperges<br />
neben einem täglichen Yogakurs auch klassische Ergotherapie in<br />
der hauseigenen Holzwerkstatt oder der Töpferei an. Hinzu kommen<br />
wöchentliche Schwimmbadbesuche, ein Theaterprojekt oder auch<br />
Einkäufe und Ausflüge, um einfach wieder zu lernen, sich draußen<br />
in „freier Wildbahn“ zu bewegen. „Letztlich geht es darum, den Menschen<br />
etwas Stabilität zu geben, an ihren Zielen zu arbeiten und dafür<br />
zu sorgen, dass sie irgendwann wieder mal alleine den Alltag meistern<br />
können.“ An ihrer Arbeit gefällt der 43-Jährigen insbesondere die<br />
fachliche Vielfalt. Nach ihrer Ausbildung hatte sie erst einmal zehn<br />
Jahre in einer Klinik gearbeitet und dort ein großes, interdisziplinäres<br />
Team schätzen gelernt. „Das wollte ich nicht mehr missen.“ —
„Echte Pionierarbeit“<br />
Der Physiotherapeut BAO CHAU NGUYEN alias<br />
Chau-Lin tanzt – und behandelt andere Tänzer:innen.<br />
Dass Breaking – so heißt Breakdance im Fachjargon – ein Sport ist, bei<br />
dem man sich schnell mal verletzt, musste Bao Chau Nguyen alias Chau-<br />
Lin erst kürzlich wieder erfahren. Im Finale der Deutschen Meisterschaft<br />
in Duisburg, kam er bereits in der ersten Runde bei einem Sprung so<br />
ungünstig auf, dass er das „Battle“ abbrechen und sich mit der Vize-<br />
Meisterschaft begnügen musste. „Genau so bin ich damals auch zur<br />
Physiotherapie gekommen“, erzählt der 31-Jährige. Denn bei früheren<br />
Verletzungen habe er von den Ärzt:innen immer nur zu hören bekommen,<br />
er müsse mit dem Tanzen aufhören. Physiotherapeut:innen hätten
Das ist eine große Chance für<br />
uns alle – für die Tänzerinnen und<br />
Tänzer natürlich, aber auch für<br />
die Tanz-Physiotherapie, die sich<br />
gerade enorm entwickelt.<br />
ihm dagegen gute und effektive Übungen gezeigt, mit denen er seine<br />
Verletzungen wieder in den Griff bekommen konnte. „Ich merkte, dass<br />
ich mich durch die Übungen sogar im Breaken verbesserte“, so Nguyen.<br />
Über ein Schülerpraktikum kam er in Kontakt mit einem Praxisinhaber,<br />
der seine Leidenschaft fürs Tanzen verstand und ihm anbot, bei<br />
ihm nur halbtags zu arbeiten, sodass er den Rest des Tages trainieren<br />
konnte. „So wurde ich Physiotherapeut – ursprünglich allein aus dem<br />
Bedürfnis heraus, mir selbst helfen zu können“, sagt der Stuttgarter<br />
schmunzeld. Denn mittlerweile geht es ihm um weitaus mehr. So hat<br />
er zusammen mit anderen Physiotherapeut:innen eine tanzwissenschaftliche<br />
Trainingsmethode und inzwischen sogar mit HE4DS (für<br />
„Health Education for Dancers“) ein Unternehmen gegründet, das anderen<br />
Tänzer:innen auf der ganzen Welt helfen möchte, so Nguyen.<br />
„Wir leisten echte Pionierarbeit.“<br />
Bei all dem soll seine eigene Karriere als Breaker nicht zu kurz kommen.<br />
Denn jetzt stehen – eine erfolgreiche Behandlung der Verletzung<br />
vom Juli vorausgesetzt – im September erst einmal die Weltmeisterschaften<br />
im belgischen Leuven an, im kommenden Sommer folgen<br />
dann die Sommerspiele in Paris. Denn Breaking ist erstmals überhaupt<br />
olympisch, und Chau-Lin ist als einer der besten deutschen B-Boys dabei.<br />
„Das ist eine große Chance für uns alle“, sagt er stolz. „Für die Tänzerinnen<br />
und Tänzer natürlich, aber auch für die Tanz-Physiotherapie,<br />
die sich gerade enorm entwickelt.“ —
„Eine sinnvolle Sache“<br />
Die Logopädin JANINE LITZEN arbeitet in einer<br />
Sprach-Kita mit Kindern, deren Eltern und dem<br />
ganzen Team.<br />
„Kinder kommen meistens erst viel zu spät in die Praxis“, weiß die Logopädin<br />
Janine Litzen aus Ratingen – dann nämlich, wenn die fehlende<br />
sprachliche Entwicklung in der Schule zum Problem wird. Deshalb<br />
lohnt es sich, früher mit einer entsprechenden Förderung anzufangen,<br />
gerade in Kindertagesstätten, die von einer großen Zahl von Kindern<br />
aus bildungsbenachteiligten Familien oder von Familien mit Migrationshintergrund<br />
besucht werden. „Es geht hier schließlich auch um Bil-
Es geht schließlich auch<br />
um Bildungsgerechtigkeit<br />
und darum, dass alle Kinder<br />
die gleichen Chancen<br />
bekommen sollen.<br />
dungsgerechtigkeit und darum, dass alle Kinder die gleichen Chancen<br />
bekommen sollen“, so die 44-Jährige. Und Sprachkompetenz sei nun<br />
einmal eine Schlüsselfunktion für die Persönlichkeitsentwicklung und<br />
eine der wichtigsten Voraussetzungen für den schulischen und beruflichen<br />
Erfolg sowie die gesellschaftliche Integration.<br />
Seit gut zwei Jahren arbeitet Litzen daher in einer sogenannten<br />
Sprach-Kita. Seit 2016 gibt es zahlreiche solcher Einrichtungen in<br />
Deutschland. Oder es gab sie zumindest bislang. Denn in diesem<br />
Sommer wurde die Finanzierung des Förderprogramms der Bundesregierung<br />
eingestellt und in die Verantwortung der Länder übertragen.<br />
„Mein Job ist aber auf jeden Fall gesichert“, so die Logopädin,<br />
denn selbst wenn Ende des Jahres auch die Landesregierung die Finanzierung<br />
einstellen sollte, wird wohl die Stadt Ratingen einspringen.<br />
Nach der Geburt ihrer Kinder und der anschließenden Erziehungszeit<br />
nicht mehr in eine logopädische Praxis zurückgekehrt zu sein, bereut<br />
Litzen nicht. „In einer Praxis ist man doch viel alleine mit sich und den<br />
Patient:innen“, in der Kita dagegen gäbe es mehr als 100 Kinder, die dazugehörigen<br />
Eltern und natürlich auch das ganze Team. Mit allen würde<br />
sie intensiv zusammenarbeiten. „Ich gehe hier nicht mehr weg“, sagt<br />
Litzen lachend. —
THERAPIE<br />
IN ZAHLEN<br />
419 Reviews<br />
ENTHÄLT DIE DATENBANK „COCHRANE FÜR<br />
DIE PHYSIOTHERAPIE“ IN IHRER SECHSTEN UND NEUESTEN<br />
VERSION: In den Reviews wird die wissenschaftliche Evidenz zu<br />
Fragestellungen der Gesundheitsversorgung zusammengefasst.<br />
Cochrane ist eine unabhängige Organisation, zu deren Arbeit<br />
Menschen aus 190 Ländern beitragen.<br />
Weitere Infos finden Sie hier:<br />
Seit über<br />
1.000 Tagen<br />
GIBT ES DIGITALE GESUNDHEITSANWENDUNGEN (DiGA)<br />
IN DEUTSCHLAND, das im Oktober 2020 als erstes Land<br />
weltweit Apps auf Rezept für die Versicherten der gesetzlichen<br />
Krankenkassen eingeführt hat.
38,4 Mio.<br />
HEILMITTELREZEPTE SIND 2021 FÜR VERSICHERTE<br />
DER GESETZLICHEN KRANKENKASSEN ABGERECHNET<br />
und gut 313 Millionen einzelne Behandlungssitzungen<br />
in Anspruch genommen worden.<br />
14.11.<strong>2023</strong><br />
IST DAS DATUM DES 5. THERAPIEGIPFELS, der im Historischen<br />
Hörsaal des Langenbeck-Virchow-Hauses in Berlin stattfinden<br />
wird. Das Motto lautet „Versorgung neu denken!“. Die Anmeldung<br />
ist online möglich, die Teilnahme kostenlos.<br />
Weitere Infos finden Sie hier:<br />
6 Mitglieder<br />
HAT DER SPITZENVERBAND DER HEILMITTEL-<br />
VERBÄNDE JETZT. Im Juni wurde der Deutsche Bundesverband<br />
für Logopädie (dbl) als neues Mitglied aufgenommen.
68.700<br />
NIEDERGELASSENE ÄRZT:INNEN, ZAHNÄRZT:INNEN UND<br />
PSYCHOLOGISCHE PSYCHOTHERAPEUT:INNEN in Deutschland<br />
bieten Sprechstunden nach 18 Uhr an. Patient:innen können<br />
bei mehr als 20.000 Leistungserbringer:innen auch Termine am<br />
Wochenende vereinbaren.<br />
2.413<br />
GESETZLICH VERSICHERTE HABEN IN EINER UMFRAGE ÜBER<br />
IHRE ZUFRIEDENHEIT MIT DEN GESETZLICHEN KRANKENKASSEN<br />
AUSKUNFT GEGEBEN. Das Ergebnis: Die meisten Kassen erhielten<br />
ein „befriedigend“. In der Gesamtwertung schnitt die SBK Siemens-<br />
Betriebskasse am besten ab, gefolgt von der Techniker Krankenkasse.
Neue<br />
digitale<br />
Anreize<br />
Was bei der Telematikinfrastruktur für die Ärzteschaft entschieden<br />
wird, kann später einmal auch für die Therapeut:innen relevant werden.<br />
Beispielsweise die Finanzierung der digitalen Ausstattung der Praxen.<br />
Im Juli wurde die TI-Pauschale für Arztpraxen und Apotheken vom Bundesgesundheitsministerium<br />
festgelegt. Sie bekommen zur Finanzierung<br />
der Hard- und Software, die sie zur Nutzung der TI brauchen, ab sofort<br />
einen monatlichen Beitrag, der Neuanschaffungen und Betriebskosten<br />
abdeckt. Zuvor wurde jedes neue Gerät und jedes Update der Software<br />
mit einer neuen Pauschale finanziert. Interessant ist auch die folgende<br />
Neuerung: Nutzt eine Praxis eine der Anwendungen der TI nicht, beispielsweise<br />
das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte, halbiert<br />
sich die monatliche Pauschale. Die Pauschale entfällt gänzlich, wenn<br />
zwei Anwendungen fehlen. Der Hintergrund ist klar: Das Gesundheitsministerium<br />
will die Leistungserbringer:innen im Gesundheitswesen<br />
entschlossen zur Nutzung der TI bewegen.
Kurz &<br />
Knapp<br />
In der Podologie steigen die Preise stufenweise: Am 1. Juli <strong>2023</strong> wurde<br />
die Vergütung um rund 6,7 Prozent erhöht, zum 1. Juli 2024 wird sie<br />
um weitere 4,7 Prozent steigen. Analog steigen die Hausbesuchspauschalen<br />
erst um 14 und dann um 10 Prozent. Darauf haben sich die<br />
Podologie-Verbände und der GKV-Spitzenverband geeinigt.<br />
Bei der Behandlung von Multipler Sklerose gibt es Fortschritte, darauf<br />
hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) am Welt-<br />
MS-Tag Ende Mai hingewiesen. Die Pathomechanismen der Erkrankung<br />
würden immer besser verstanden werden, Hoffnung machten<br />
vor allem zwei Studien aus Deutschland.<br />
Digitalisierungsschub bei Prävention: Auch nach dem Ende der Corona-<br />
Pandemie werden gesundheitsfördernde Präventionskurse wie Yoga<br />
oder Angebote zur Gewichtsreduktion zunehmend online angeboten<br />
und nachgefragt. Das berichtet die Zentrale Prüfstelle Prävention, an<br />
der alle gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland beteiligt sind.
RATGEBER RECHT<br />
Praxisnachfolge<br />
rechtssicher regeln<br />
Was bei Übergabe und Verkauf wichtig ist, fasst<br />
der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht<br />
DR. DR. THOMAS RUPPEL zusammen.<br />
Erste Maxime bei der Planung eines Praxisverkaufs ist: Kalkulieren Sie<br />
ausreichend Zeit ein! Die Faustregel lautet: drei bis sechs Monate bis<br />
zur Praxisübergabe. Auch empfiehlt es sich im Allgemeinen, Expert:innen<br />
für Rechts- und Steuerfragen in den Übergabeprozess einzubinden<br />
– und das von Anfang an. So können Sie Risiken von vornherein<br />
minimieren und unangenehme, meist kostspielige Überraschungen<br />
vermeiden. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter:innen nach den gesetzlichen<br />
Vorgaben über den Verkauf. Geschieht dies nicht, können die<br />
Arbeitnehmer:innen dem Übergang der Arbeitsverträge auf den Kaufenden<br />
widersprechen, und Sie als Verkaufende:r müssen die Löhne<br />
weiterzahlen, auch wenn Sie die Praxis längst verkauft haben. Weitere,<br />
umfassende Tipps zum Thema Praxisverkauf finden Sie hier:
GEMATIK<br />
GUTE<br />
NACH<br />
RICHTEN<br />
Fast alle nutzen WhatsApp & Co., um<br />
schnell miteinander zu kommunizieren.<br />
Doch fehlt im Gesundheitswesen eine<br />
sichere Alternative für die kommerziellen<br />
Dienste, die als Datenschleudern gelten.<br />
Mit dem TI-Messenger arbeitet die<br />
gematik bereits an einer Lösung.<br />
TEXT: MICHAEL HASENPUSCH
„Frohe Weihnachten“ lautete 1992 die erste SMS der Welt, allerdings<br />
in Englisch. Seitdem sind Kurznachrichten allgegenwärtig geworden.<br />
60 Milliarden verschickten allein die Deutschen 2012, im Jahr der<br />
höchsten Nutzung. Doch dann trat das Smartphone seinen Siegeszug<br />
an, und statt zu „simsen“ wird heute „gewhatsappt“, weltweit 100<br />
Milliarden Mal – täglich. Die App mit dem weißen Telefonhörer auf<br />
grünem Grund ist Marktführer: 82 Prozent aller Deutschen, die mindestens<br />
einmal wöchentlich einen Messenger nutzen, favorisieren<br />
WhatsApp.<br />
Eigentlich praktisch: Wenn fast alle dieselbe App nutzen, ist sie so universell<br />
wie die SMS. Doch ausgerechnet WhatsApp steht in der Kritik.<br />
Im beruflichen Umfeld sei sie ein No-Go, da sie Nutzerdaten an den<br />
Mutterkonzern Meta weitergebe. „Das ist datenschutzrechtlich natürlich<br />
höchst bedenklich“, heißt es in einem Fachbeitrag der Kassenärztlichen<br />
Vereinigung Hessen. Auch die Datenschutzbeauftragten<br />
des Bundes und der Länder urteilten klar und schlossen den Einsatz<br />
in Krankenhäusern weitgehend aus. Eine sichere Alternative wird gebraucht.<br />
Und mit dem TI-Messenger, der exklusiven Kommunikations-<br />
App für das deutsche Gesundheitswesen, arbeitet die gematik derzeit<br />
genau daran.<br />
Der TI-Messenger soll als Sofortnachrichtendienst auf dem Smartphone,<br />
dem Tablet und dem Desktop-PC funktionieren. Da er auf Basis<br />
der Telematikinfrastruktur läuft, bietet er, was andere Apps dieser<br />
Art vermissen lassen: Interoperabilität, zertifizierte Sicherheit und<br />
einheitliche Authentisierung. Die App soll über alle Sektoren des Gesundheitswesens<br />
funktionieren. Krankenhäuser sollen sich mit Arztpraxen<br />
austauschen können, Arztpraxen mit Apotheken und so weiter,<br />
und niemand soll sich fragen müssen, ob die anderen denn auch die-
selbe App nutzen. Dabei wird die Sicherheit gewährleistet, Daten gehen<br />
nicht an dubiose Konzerne. Und durch die Authentisierung, den<br />
Nachweis der Identität, wird sichergestellt, dass die Teilnehmer:innen<br />
auch wirklich die sind, die sie zu sein vorgeben.<br />
Die Entwicklung des TI-Messengers erfolgt schrittweise. Möglich macht<br />
die App zunächst den Versand von Kurznachrichten in Form von Text,<br />
Bild und Ton zwischen den professionellen Teilnehmer:innen des Gesundheitswesens.<br />
Im zweiten Schritt werden die Versicherten eingebunden.<br />
In der dritten, maximalen Ausbaustufe soll der TI-Messenger<br />
mit dem Videochat Teleberatung und Videosprechstunden bieten.<br />
Noch <strong>2023</strong> soll die erste Stufe an den Start gehen. Wer dann bereits an<br />
die TI angeschlossen ist, kann bald „TIMmen“. Vielleicht wird das Verb<br />
dafür so irgendwann lauten. Die Praxis wird es zeigen. —<br />
Weitere Infos finden Sie hier:
LUCAS ROOS<br />
Die erste Praxis von DAYAN RAHEEM und<br />
LUCAS ROOS in Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde<br />
vor zwei Jahren vom Hochwasser<br />
komplett zerstört. Aufgegeben haben die<br />
beiden jedoch nicht.
Wir fangen in dieser Interviewreihe für gewöhnlich damit an, das<br />
Besondere einer Praxis vorzustellen. In Ihrem Fall ist das Besondere<br />
aber wohl vor allem, dass es Ihre Praxis seit April dieses Jahres überhaupt<br />
wieder gibt.<br />
LUCAS ROOS: Richtig. Denn unsere erste Praxiseröffnung hatten wir<br />
am 3. Juli 2021. Sie war in einem schönen Haus gegenüber vom<br />
Kurpark in Bad Neuenahr-Ahrweiler untergebracht, keine 30 Meter<br />
von der Ahr entfernt. Über ein halbes Jahr hatten wir die Praxis selbst<br />
restauriert und da ganz viel Liebe reingesteckt.<br />
DAYAN RAHEEM: Und was dann, keine zwei Wochen nach der Eröffnung<br />
passierte, werden alle noch wissen. Die Bilder von der zerstörten<br />
Stadt vergisst man ja nicht so leicht und wir hier vor Ort sowieso<br />
nicht. Auch von unserer schönen neuen Praxis hat das Hochwasser<br />
damals nicht viel übrig gelassen.<br />
Wie haben Sie es geschafft, sich aufzurappeln und noch einmal neu<br />
zu starten?<br />
RAHEEM: Das ist eine Entscheidung, die man in so einer Situation<br />
treffen muss: Will man liegenbleiben oder wieder aufstehen und weitermachen.<br />
Liegenbleiben war für uns keine Option.<br />
ROOS: Wir hatten natürlich erst einmal ein riesengroßes Loch in der<br />
Kasse. Da war zum einen der alte Kredit, den wir aufnehmen mussten,<br />
um die erste Praxis zu eröffnen, und zum anderen eben das Geld,<br />
das wir brauchten, um jetzt wieder neu aufzumachen. Erschwerend<br />
kam hinzu, dass in der Zwischenzeit alles viel teurer geworden ist.
Trotzdem wirken Sie sehr fröhlich. Wie kann das sein?<br />
ROOS: Jammern nutzt doch nichts!<br />
RAHEEM: Und wir sitzen jetzt genau in der Praxis, die wir immer haben<br />
wollten. Wir durften alles mitentscheiden und hatten letztlich<br />
Glück im Unglück. Denn ehrlich gesagt war die erste Praxis etwas<br />
klein, jetzt haben wir rund 100 Quadratmeter mehr.<br />
ROOS: Lieber wäre uns das alles natürlich nicht passiert, das ist klar.<br />
Aber es lässt sich nun einmal nicht ändern, und wir haben wirklich<br />
das Beste aus der Situation machen können.
Es geht eigentlich immer darum, die<br />
Menschen wieder in Bewegung zu<br />
bringen und dafür zu sorgen, dass<br />
sie selbst Verantwortung für sich<br />
und ihren Körper übernehmen.<br />
Auch unabhängig von der Flutkatastrophe ist Ihr Werdegang<br />
ungewöhnlich. Sie, Herr Raheem, sind zum Beispiel in erster Linie<br />
Tänzer – so steht es auf der Website. Wie haben Sie beide sich<br />
eigentlich kennengelernt?<br />
RAHEEM: Eigentlich ist das nicht mehr ganz richtig: Inzwischen bin ich<br />
in erster Linie Physiotherapeut. Früher habe ich aber in Berlin hauptberuflich<br />
als Tänzer gearbeitet. Dann habe ich mich aber ziemlich<br />
krass verletzt und kam so auch erst in Kontakt mit der Physiotherapie.<br />
Ich fand es damals sehr beeindruckend, wie schnell ich durch sie<br />
wieder auf die Beine kam. Und weil ich zu der Zeit auch Druck von<br />
meinen Eltern bekam, endlich etwas Anständiges zu studieren, habe<br />
ich das eben gemacht.<br />
ROOS: Während des Studiums in Köln haben wir uns dann kennengelernt<br />
und später auch beschlossen, gemeinsam die Praxis aufzumachen.<br />
Hat Ihnen das Tanzen im Studium etwas gebracht? Oder jetzt<br />
während der Arbeit?<br />
RAHEEM: Auf jeden Fall. Techniken zu lernen, fiel mir immer super<br />
leicht. Die brauchte ich mir nur zweimal anzuschauen und dann hatte<br />
ich sie schon drauf. Deshalb waren meine Prüfungen auch immer<br />
top. Also zumindest die praktischen... (lacht)
ROOS: Du hast einfach ein brutal gutes Körpergefühl und weißt genau,<br />
welcher Muskel wie zu triggern ist, um etwas zu erreichen. Das ist extrem<br />
wichtig, um Patient:innen Anweisungen geben zu können. Und<br />
so ein Verständnis für den Körper fehlt manchen Physiotherapeut:innen<br />
leider völlig.<br />
Wie unterscheidet sich Ihre Praxis ansonsten von der Konkurrenz?<br />
RAHEEM: Wir wollen hier eigentlich nicht über andere Praxen reden.<br />
Fakt ist aber, dass in einem alten Kurort wie Bad Neuenahr manches<br />
nicht mehr ganz up-to-date ist.<br />
ROOS: Wir setzen dagegen auf belegbare Therapie, die sich an Leitlinien<br />
orientiert. Dabei geht es eigentlich immer darum, die Menschen<br />
wieder in Bewegung zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie selbst<br />
Verantwortung für sich und ihren Körper übernehmen. Also weg von<br />
diesem Allheiler, der nur die Hand auflegt und plötzlich ist man wieder<br />
fit. Wir verstehen uns dagegen eher als Coachs, die den Patient:innen<br />
helfen, selbst wieder auf die Beine zu kommen. —
IN KOOPERATION MIT<br />
THIEME<br />
Therapeuteninduzierte<br />
Kinesiophobie<br />
Die „Kinesiophobie“ – Bewegungsangst – ist<br />
zwar wissenschaftlich etabliert, ihr Einfluss auf<br />
die Therapierenden und ihre Behandlung aber<br />
kaum erforscht. Studien zeigen jedoch, dass<br />
viele unbewusste Bewegungsängste haben und<br />
diese auf ihre Patient:innen übertragen.
IN KOOPERATION MIT<br />
Vor vier Jahren wies der australische Physiotherapeut und Wissenschaftler<br />
JP Caneiro gemeinsam mit anderen Forscher:innen eindrucksvoll<br />
nach, dass Therapierende selbst oft tief verborgene<br />
– implizite – Ängste haben, die ihnen nicht unmittelbar – explizit – bewusst<br />
sind.<br />
Unterschiedliche Einschätzung von Gefahren<br />
Für das Experiment wurden zunächst die Einstellungen, Überzeugungen<br />
und Verhaltensweisen der Therapierenden in Bezug auf Rückenschmerz<br />
mittels Fragebogen erfasst. Um implizite Ängste zu identifizieren,<br />
sollten sie dann Bilder mit sich unterschiedlich bückenden<br />
Personen diversen Begriffen aus den Kategorien „gefährlich“ und „sicher“<br />
zuordnen. Dabei wurde klar, dass Therapierende das Bücken<br />
mit rundem Rücken implizit mit Gefahr assoziierten, obwohl sie dies<br />
explizit als ungefährlich einstuften.<br />
In einer Studie von 2021 gaben 23 Prozent der befragten Therapeut:innen<br />
an, dass sie Menschen mit Rückenschmerzen vom Bücken,<br />
Drehen und Heben abraten würden. Vor allem Therapierende mit hohen<br />
Back-PAQ Scores – das heißt nicht hilfreichen Einstellungen und<br />
Überzeugungen – tendierten eher zu passiven Behandlungsmaßnahmen<br />
und empfahlen, den Rücken zu schützen und Aktivitäten zu vermeiden.<br />
Die gleichen Tipps gaben Therapierende, die zum Zeitpunkt<br />
der Befragung selbst unter Rückenschmerzen litten.<br />
Therapierende sollten Bewegungsangst verstehen<br />
Weil Kinesiophobie oft die Reha bei muskuloskelettalen Beschwerden<br />
verhindert, ist es wichtig, dass alle im Gesundheitswesen tätigen<br />
Fachkräfte das Phänomen der Bewegungsangst verstehen. Denn die<br />
Einstellungen und Überzeugungen von Physiotherapeut:innen können<br />
ihr praktisches Tun und letztendlich das Verhalten der Patient:innen<br />
beeinflussen.
IN KOOPERATION MIT<br />
Wie sich Bewegungsangst zwischen Therapeut:in und Patient:in überträgt,<br />
ist kaum erforscht. Eine Rolle hierbei spielen womöglich die<br />
Kommunikation der Therapierenden und ihre nonverbale Körpersprache,<br />
Gestik und Mimik sowie lerntheoretische Aspekte wie zum<br />
Beispiel das „Lernen am Modell“ und andere Kontextfaktoren der Behandlung<br />
– unter anderem die Praxisräumlichkeiten mit sogenannten<br />
„Danger Cues“ und „Safety Cues“.<br />
Den kompletten Beitrag von Andreas Danler inklusive Literaturhinweisen<br />
lesen Sie in physiopraxis, Ausgabe 6/<strong>2023</strong>:<br />
Weitere Infos finden Sie hier:
INFORMIERT<br />
Neue BG-Preise in der Ergotherapie seit 01.<strong>08</strong>.<strong>2023</strong><br />
Seit dem 01.<strong>08</strong>.<strong>2023</strong> gelten in der Ergotherapie neue Preise für die<br />
BG. Eine Übersicht der Preise finden Sie auf unserer Website. Optica<br />
Kund:innen finden die neuen Preislisten auch im Kundenportal<br />
MeinOptica:<br />
Jetzt entdecken: die Optica Viva Live-Demo<br />
Im Demosystem von Optica Viva können Sie aus jeder möglichen<br />
Perspektive oder Rolle durch die Software klicken: egal ob Physio,<br />
Ergo, Logo oder Podo – hier haben Sie die Möglichkeit, Optica Viva<br />
jederzeit aus der Sicht von Praxisinhaber:in, Therapeut:in oder Empfangskraft<br />
zu erleben. Dabei sind bereits realistische Daten hinterlegt,<br />
und Sie können auch selbst aktiv werden. Die Live-Demo benötigt<br />
keine Registrierung: Wählen Sie einfach einen Fachbereich<br />
und eine Benutzerrolle aus und schon kann es losgehen:<br />
Webinare zu Abrechnungsgrundlagen<br />
In den kommenden Monaten bieten wir neue Webinare zu den wichtigsten<br />
Grundlagen für eine erfolgreiche GKV-Abrechnung an. Wir vermitteln<br />
Ihnen wichtiges Basiswissen zu Heilmittelrichtlinie und Rahmenvertrag<br />
und geben wertvolle Praxistipps. Melden Sie sich gerne an:<br />
29.09.<strong>2023</strong><br />
Ergotherapie<br />
25.10.<strong>2023</strong><br />
Logopädie:
Impressum<br />
Zukunft Praxis,<br />
Digitalausgabe <strong>08</strong>/<strong>2023</strong><br />
(Erscheinungsweise: monatlich)<br />
Herausgeber:<br />
Optica Abrechnungszentrum<br />
Dr. Güldener GmbH<br />
Marienstraße 10, 70178 Stuttgart<br />
Vertreten durch die Geschäftsführer<br />
Konrad Bommas, Markus Kinkel<br />
und Dr. Jochen Pfänder<br />
Telefon: 0711 99373-2000,<br />
Telefax: 0711 99373-2025<br />
E-Mail: info@optica.de<br />
Optica-Redaktion:<br />
Fabian Maier (V.i.S.d.P.)<br />
Verlag:<br />
Fazit Communication GmbH,<br />
Pariser Straße 1,<br />
60486 Frankfurt am Main<br />
Konzept:<br />
Jan Philipp Rost, Martin Schmitz-Kuhl,<br />
Michael Hasenpusch, Johannes Göbel<br />
Art Direktion:<br />
Oliver Hick-Schulz<br />
Produktion:<br />
Anabell Krebs<br />
Text:<br />
Martin Schmitz-Kuhl, Michael Hasenpusch<br />
Credits:<br />
Titel, S. 3: Andrii Yalanskyi/AdobeStock,<br />
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