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Die Weinstraße - September 2023

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GESELLSCHAFT<br />

Auf der Suche<br />

DER EHEMALIGE KATHOLISCHE PRIESTER UND NUNMEHR EVANGELISCHE PFARRER GEORG REIDER<br />

ÜBER SEINE WIRKUNGSVOLLE ZEIT ALS FRANZISKANER IN KALTERN, NEUE HERAUSFORDERUNGEN UND<br />

ÜBER ANTWORTEN DER RELIGION AUF DRÄNGENDE FRAGEN UNSERER ZEIT<br />

Mit den Menschen auf der Suche – dieses<br />

Motto begleitet den 68-jährigen Georg<br />

Reider zeitlebens. Immer wieder setzte<br />

er sich neue Lebensziele, die er mit viel<br />

Energie verfolgte und fand Menschen, die<br />

ihn begleiteten. Ein Suchender, der nie<br />

den direkten Kontakt mit den Menschen<br />

und seiner Umgebung gescheut hat. Ein<br />

Fragender, der Spuren hinterließ und mit<br />

seinen eigenen Überzeugungen und seiner<br />

Kirche wiederholt haderte.<br />

<strong>Die</strong> Suche begann mit dem Eintritt in<br />

den Franziskanerordnen im fernen Jahr<br />

1977 und dem Studium der Theologie in<br />

Brixen, Innsbruck und Rom. Eine besonders<br />

schaffensreiche Zeit war für Georg<br />

Reider jene im Kloster von Kaltern zwischen<br />

1993–2012 und als Projektleiter im<br />

„Zentrum Tau“. „Rückblickend war vor<br />

allem die Kalterer Zeit eine der intensivsten<br />

und wohl auch schöpferischsten. <strong>Die</strong><br />

Seelsorge an der Klosterkirche, der Aufbau<br />

des Vereins ‚Projekt Tau‘ und später<br />

der Sozialen Genossenschaft ‚Zentrum<br />

Tau‘ haben mir sehr viel Gestaltungsraum<br />

geboten. Viele Menschen aus dem<br />

Überetsch und aus Südtirol haben die<br />

Realisierung innovativer Ideen unterstützt.<br />

Wichtige Ausdrücke davon waren<br />

das Tau-Gebet, der Friedensweg im Altenburger<br />

Wald und die Umgestaltung<br />

der Räumlichkeiten im Kloster zur Beherbergung<br />

von Menschen, die Rückzug<br />

suchten und psychologisch und geistlich<br />

begleitet wurden.“<br />

Das Jahr 2012 brachte eine entscheidende<br />

Wende im Leben von Georg Reider. Er<br />

trat aus dem Franziskanerorden aus und<br />

wurde Mitglied der Evangelisch-Lutherischen<br />

Kirche. <strong>Die</strong> Soziale Genossenschaft<br />

„Zentrum Tau“ musste das Kloster verlassen<br />

und in die Handwerkerzone nach<br />

Eppan übersiedeln. „Würde die Pflanze,<br />

die hinter den Klostermauern gewachsen<br />

war, in einer Handwerkerzone überleben?<br />

Ich muss sagen, welch Wunder, die Pflanze<br />

hat überlebt.“<br />

VENEDIG UND VERONA<br />

Für Georg Reider begann die Suche<br />

nach einem neuen Lebensschwerpunkt.<br />

Zunächst übernahm er die Pfarrstelle der<br />

Evangelisch-Lutherischen Gemeinde von<br />

Venedig, ab Herbst 2019 jene von Verona.<br />

Georg Reider ist bis heute dankbar, dass<br />

er die Möglichkeit erhielt,<br />

seine seelsorgliche Berufung<br />

als evangelischer<br />

Pfarrer weiterzuführen.<br />

Den Unterschied zwischen<br />

seiner „alten“ und<br />

„neuen“ Kirche fasst er<br />

wie folgt zusammen:<br />

„Eine Evangelisch-Lutherische<br />

Gemeinde ist einer<br />

katholischen Gemeinde<br />

grundsätzlich sehr ähnlich, bis auf den Unterschied,<br />

dass alle Ämter und Funktionen<br />

demokratisch sind und Frauen und Männern<br />

in gleicher Weise zugänglich sind.“<br />

MIT DEN MENSCHEN AUF<br />

DER SUCHE NACH ETWAS<br />

HEILIGEM – AUFTRAG DER<br />

KIRCHEN HEUTE?!<br />

<strong>Die</strong> grundsätzliche Ähnlichkeit der<br />

beiden christlichen Konfessionen drückt<br />

sich im Glaubensbekenntnis aus, wo der<br />

Unterschied nur in einem einzigen Wort<br />

liegt: heilige „katholische“ Kirche und heilige<br />

„christliche“ Kirche. „<strong>Die</strong> Unterschiede<br />

zwischen den Kirchen wie etwa die Anzahl<br />

der Sakramente oder die<br />

Bedeutung der Heiligen<br />

Schrift betreffen nicht das<br />

Wesentliche des Glaubens,<br />

sondern haben mit Traditionen<br />

und menschlichen<br />

Überzeugungen zu tun,<br />

die zu respektieren wir<br />

inzwischen jeweils gelernt<br />

haben.“<br />

<strong>Die</strong> Lutherische Kirche<br />

in Italien hat 15 Gemeinden. Deren Mitglieder<br />

leben vielfach weit voneinander<br />

entfernt. <strong>Die</strong> Gemeinde Verona-Gardone,<br />

wo Georg Reider derzeit als Seelsorger<br />

Quelle: Georg Reider<br />

38 // SEPTEMBER <strong>2023</strong>

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