01.09.2023 Aufrufe

Die Weinstraße - September 2023

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FÜR ALLES,<br />

WAS RECHT IST!<br />

Abstände zwischen den Gebäuden<br />

ˆ<br />

Im Kreuzgang San Giorgio in Valpolicella<br />

Quelle: Georg Reider<br />

wirkt, umfasst die Provinzen Verona, Brescia und Mantua und<br />

verfügt über zwei Gotteshäuser. Aufgrund der weiten Verstreuung<br />

des Gebietes ist er viel auf dem Weg – Gottesdienste, Taufen,<br />

Trauungen und Beerdigungen sowie der Besuch älterer Menschen<br />

bilden den Schwerpunkt seiner seelsorglichen Arbeit.<br />

Außerdem lebt er mit seiner Partnerin seit über 20 Jahren in<br />

einer Fernbeziehung. Sie wohnt im Berliner Raum und kommt,<br />

sooft sie kann, nach Verona.<br />

„GLAUBEN“ IN GOTTVERGESSENER ZEIT?!<br />

Georg Reider beschäftigt sich in seinem Suchen auch mit möglichen<br />

Antworten der Religionen auf aktuelle Herausforderungen<br />

der Gesellschaft. Er erkennt einen starken Rückgang der religiösen<br />

Bindung und Praxis in allen christlichen Kirchen. Glaube im herkömmlichen<br />

Sinn scheint immer weniger Teil der heutigen Kultur<br />

zu sein. <strong>Die</strong> Kirchen sind mit ihren Angeboten gleichberechtigte<br />

Partner auf dem vielfältigen Markt der religiös-spirituellen Sinnangebote<br />

und stehen dazu noch in einer Identitätskrise: „Was macht<br />

eine Erlösungsreligion in einer Welt, die keine (Erlösung) mehr<br />

braucht?“ (Jan Loffeld)<br />

<strong>Die</strong> traditionellen Riten, die das Leben deuten und ihm Tiefe<br />

und Orientierung geben, bräuchten die Menschen wahrscheinlich<br />

immer mehr, aber sie verstehen sie in ihrem Wesen scheinbar immer<br />

weniger. „Wohlergehen – wellness – und Wohlstand, menschlich organisierte<br />

Sicherheiten und Ziele, scheinen nicht jenen Halt und Sinn<br />

zu liefern, die der Mensch braucht: etwas, was ihn über die Grenzen<br />

seiner Möglichkeiten hinausführt; er braucht eine Antwort auf ein<br />

letztes Warum und letztes Wozu, die menschlich nicht herstellbar ist.“<br />

Religionen stellen Werkzeuge zur Verfügung, die letzten Fragen<br />

des Lebens zu stellen und auszuhalten. <strong>Die</strong> christlichen Kirchen<br />

sind in diesem Zusammenhang lebendige und dynamische Begleiterinnen<br />

des Menschen, die sicher überdacht und erneuert werden<br />

müssen, aber auf alle Fälle einen unschätzbaren Beitrag für die<br />

Lebensgestaltung bieten. Sie helfen, dass der Mensch ein Gespür<br />

dafür bekommt, dass sein Leben von etwas Heiligem getragen<br />

und geführt ist.<br />

Eine häufig gestellte Frage ist jene nach den gesetzlichen<br />

Mindestabständen zwischen Bauwerken. Das Zivilgesetzbuch<br />

sieht unter Art. 873 vor, dass Bauten auf aneinandergrenzenden<br />

Grundstücken in einem Abstand von nicht weniger als drei<br />

Metern gehalten werden müssen, wenn sie nicht eine Einheit<br />

bilden oder Anbauten darstellen. In den Verordnungen der<br />

Gemeinden kann ein größerer Abstand festgesetzt werden.<br />

Im Jahr 1968 wurde das Ministerialdekret Nr. 1444 erlassen, das<br />

für Gebäude im historischen Ortskern vorsieht, dass im Falle von<br />

Umbau- und Sanierungsmaßnahmen die Abstände zwischen<br />

den Gebäuden nach den Baumaßnahmen nicht geringer sein<br />

dürfen als jene, die bereits bestanden. Für alle weiteren Zonen<br />

wird ein Mindestgebäudeabstand von 10 m vorgesehen. <strong>Die</strong><br />

Gemeinden können von diesem Abstand abweichen, wobei<br />

bestimmte Grenzen einzuhalten sind. Der Verfassungsgerichtshof<br />

hat mehrmals geklärt, dass auf lokaler Ebene zwar<br />

von den Abständen laut MD Nr. 1444/1968 abgewichen werden<br />

kann, jedoch nicht von Art. 873 ZGB (3 m). Außerdem wurde<br />

geklärt, dass die lokalen Körperschaften keinesfalls in die<br />

Regelung der Gebäudeabstände eingreifen dürfen. Allfällige<br />

Abweichungen müssen in den urbanistischen Planungsinstrumenten<br />

für gesamte Zonen vorgesehen werden. Wichtig ist,<br />

wie sich der Begriff „Gebäude“ oder „Bauwerk“ zum Zwecke<br />

der Bemessung der Abstände definiert. Der Kassationsgerichtshof<br />

hat wiederholt festgehalten, dass immer dann von<br />

einem Bauwerk gesprochen wird, wenn ein solches in stabiler,<br />

dauerhafter und unbeweglicher Weise mit dem Untergrund<br />

verbunden ist. Interessant sind auch die Gebäudeabstände<br />

in den historischen Ortskernen, in denen Gebäude seit vielen<br />

Jahren dicht nebeneinander bestehen. Was passiert, wenn in<br />

einem solchen Gebiet ein bestehendes Gebäude abgebrochen<br />

und neu errichtet wird? Mit dieser Frage hat sich der Staatsrat<br />

im Urteil Nr. 5830/2021 befasst und festgehalten, dass in den<br />

historischen Ortskernen tendenziell ein Verbot von Neubauten<br />

gilt, da es in diesen Zonen unter anderem um die Erhaltung<br />

der bereits vorhandenen Bausubstanz gehe. Allerdings kann<br />

nicht immer von einer Neubaumaßnahme gesprochen werden,<br />

wenn ein Gebäude abgebrochen und wiederaufgebaut wird.<br />

Damit eine Neubaumaßnahme vorliegt, müsse nämlich ein<br />

vollkommen neues Bauwerk entstehen. Wenn das ursprüngliche<br />

Gebäude zwar abgerissen, aber in derselben Ausrichtung und<br />

mit derselben Form, wenn auch mit einer geringen Erhöhung<br />

des Volumens, wiedererrichtet und folglich in derselben Form<br />

wie das ursprüngliche Gebäude wiederaufgebaut wird, kann<br />

nicht von einer Neubaumaßnahme gesprochen werden. Für<br />

die historischen Ortskerne gilt nach wie vor der Grundsatz,<br />

dass die Abstände nach den Baumaßnahmen nicht geringer<br />

sein dürfen als jene, die zuvor bestanden haben.<br />

RA Dr. Lorenz Michael Baur<br />

RA Dr. Janis Noel Tappeiner<br />

eingetragen in der Rechtsanwaltskammer Bozen<br />

ANTON ANDERLAN<br />

anton.anderlan@dieweinstrasse.bz<br />

39 // DIEWEINSTRASSE.BZ

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!