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STADTGEFLÜSTER November 2023

Das Interviewmagazin vom DACHBODEN www.facebook.com/stadtgefluester.muenster Menschen haben viele Seiten – wir binden sie zu einem Heft!

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seit ewigen Zeiten in unserer Gesellschaft

angelegt, dass schwächere Menschen, oder

Menschen mit Einschränkung ein höheres

Risiko tragen, gemobbt, beleidigt oder

diskriminiert zu werden. Das Problem sind

eigentlich ja auch nicht die „paar“ Täter,

sondern die schweigende, wegsehende oder

mitmachende Mehrheit. Die, die oft Angst

davor haben, selbst zum Opfer oder ausgeschlossen

zu werden. Die lachen lieber

mit, als laut „STOPP“ zu sagen. Es fehlt also

eigentlich an Zivilcourage.

» Fünf bis sechs

Kinder versuchen

sich täglich das

Leben zu nehmen. «

Ist das Mobbing schlimmer geworden mit

der Zeit?

Es hieß nur anders früher! Zu meiner

Zeit sagte man „Hänseln“, fühlte sich aber

genau so scheiße an. Mobbing gab es also

schon immer. Wir haben es aber mittlerweile

geschafft, das Ganze zu digitalisieren und

als Feinstaub über das ganze Land zu streuen.

Es war noch nie so schlimm wie jetzt!

Früher war das Mobbing im Klassenzimmer,

vielleicht noch in der Parallelklasse. Heute

kannst du mit einem Post, sei es ein Bild,

ein Geheimnis oder eine Lüge, schon die

ganze Schule oder noch viel mehr Menschen

erreichen.

Erschreckend!

Ja, hinzu kommt noch, dass Lehrer Mobbing

manchmal nicht erkennen oder sogar

ignorieren. Sie werden während des Studiums

so gut wie gar nicht zu diesem Thema

sensibilisiert. Bis heute nicht. Kein Wunder,

dass die Lehrer damit dann im Berufsalltag

überfordert sind. Smartphones und Social

Media haben das Ganze also digitalisiert, potenziert

und somit unbeherrschbar gemacht.

Auch die Pandemie hat das Ganze noch

einmal extrem verschlimmert, Kinder und

Jugendliche hatten auf einmal doppelt und

dreifach so viel Zeit, die sie mit dem Handy

verbracht haben. Das ist extrem gefährlich,

denn Mobbing löst nachweislich Suizide oder

Amokläufe aus. Fünf bis sechs Kinder versuchen

sich täglich das Leben zu nehmen. Ein

Kind stirbt durchschnittlich daran am Tag.

Und es wird schlimmer!

Was sind deine Lösungsansätze, auch aus

der Sicht von Betroffenen?

Ich habe ja selten das Opfer allein. Wenn

Eltern zu mir kommen und sagen, mein Kind

wird in der Schule gemobbt, dann berate ich

die Eltern und biete der Schule Aufklärung

und Prävention an. Ich arbeite an den Schulen

immer mit allen. Mit Opfern, Tätern und

auch den Mittätern, aber auch in Workshops

mit den Lehrkräften und in Elternabenden

mit den Eltern der Schüler und Schülerinnen.

Das Problem wird also dort gelöst, wo

es entsteht: in der Schule. Alle Schüler und

Lehrer nehme ich mit in einen Workshop,

manchmal sind das 500 bis 1500 Schüler. Ich

mache Mobbing sichtbar, kläre auf und stärke

damit die Opfer, die sich alleine fühlen.

Den Tätern mache ich klar, dass es falsch ist,

was sie machen. Die meisten Täter haben das

oft sogar selbst erlebt. Das Wichtigste aber:

Ich sorge dafür, dass die Mittäter nicht mehr

mitmachen und sich gegen das Mobbing

stellen. Denn wenn die Mittäter nicht mehr

mitmachen oder nicht mehr wegsehen, wird

das Mobbing nicht mehr unterstützt und die

Täter verlieren ihre Position und ihr Gefühl

der Anerkennung und der Macht über

andere. Die, die es machen, müssen merken,

dass sie keine Bühne und keinen Applaus

mehr von anderen für ihr Mobbing bekommen!

Zu viele Menschen schauen weg oder

machen mit. Das ist das Problem unserer

Gesellschaft. Das gilt für viele Missstände in

unserem Land.

Für wie nachhaltig hältst du diesen Ansatz?

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