07.11.2023 Aufrufe

Zeitschrift quer ver.di-Frauen-Bayern (3/2023) Antifeminismus und Gewalt gegen Frauen

Fakten - Analysen - Hilfen - Gegenstrategien Der 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, Kindern und nicht-binären Menschen. In vielen Städten finden rund um diesen Tag Veranstaltungen statt. In München gibt es Aktionswochen, veranstaltet von einem breiten Bündnis, es gibt Aktionstage in Nürnberg, Würzburg und Regensburg. Grund genug für die quer-Redaktion, sich (nochmals) ausführlich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir beginnen mit der Definition der Begriffe: Was ist Gewalt, wie stellt sie sich heute dar, und was genau verstehen wir unter Antifeminismus? Und welche Erscheinungsformen gibt es? Die internationalen Erscheinungsformen des Antifeminismus, den Zusammenhang von Hass und Hetze im Netz und Rassismus beleuchten wir ebenfalls. „Die Spur des Geldes“ legt die Finanzierung der europaweiten Anti-Gender-Kampagnen offen – eine sehr spannende Recherche! Die Zunahme häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder und die wachsende Gewaltbereitschaft junger Männer schauen wir uns an. Was ganz konkret in München dagegen unternommen werden kann, welche Voraussetzungen und Strukturen dazu notwendig sind, war ebenfalls Teil der Recherche. Ein Symbol der Hoffnung und des Widerstands ist die Initiative „La Panchina Rossa“ oder die „Rote Bank“. Ursprünglich in Italien entstanden, hat dieses Symbol für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt weltweit Beachtung gefunden. Femizide – also vorsätzliche Morde an Frauen, weil sie Frauen sind – sind wohl die scheußlichste Form der Gewalt an Frauen. Mexiko erlangte dafür traurige Berühmtheit. Aber jetzt formiert sich Gegenwehr. Die Europäische Kommission hat einen Richtlinienentwurf zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vorgelegt. Einige nützliche Hinweise (Meldung von Vorfällen, Hilfetelefon, ver.di Frauen gegen rechts) runden das Thema ab.

Fakten - Analysen - Hilfen - Gegenstrategien
Der 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, Kindern und nicht-binären Menschen.
In vielen Städten finden rund um diesen Tag Veranstaltungen statt. In München gibt es Aktionswochen, veranstaltet von einem breiten Bündnis, es gibt Aktionstage in Nürnberg, Würzburg und Regensburg. Grund genug für die quer-Redaktion, sich (nochmals) ausführlich mit dem Thema zu beschäftigen.

Wir beginnen mit der Definition der Begriffe: Was ist Gewalt, wie stellt sie sich heute dar, und was genau verstehen wir unter Antifeminismus? Und welche Erscheinungsformen gibt es? Die internationalen Erscheinungsformen des Antifeminismus, den Zusammenhang von Hass und Hetze im Netz und Rassismus beleuchten wir ebenfalls. „Die Spur des Geldes“ legt die Finanzierung der europaweiten
Anti-Gender-Kampagnen offen – eine sehr spannende Recherche! Die Zunahme häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder und die wachsende Gewaltbereitschaft junger Männer schauen wir uns an. Was ganz konkret in München dagegen unternommen werden kann, welche
Voraussetzungen und Strukturen dazu notwendig sind, war ebenfalls Teil der Recherche. Ein Symbol der Hoffnung und des Widerstands ist die
Initiative „La Panchina Rossa“ oder die „Rote Bank“. Ursprünglich in Italien entstanden, hat dieses Symbol für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt weltweit Beachtung gefunden. Femizide – also vorsätzliche Morde an Frauen, weil sie Frauen sind – sind wohl die scheußlichste Form der Gewalt an Frauen. Mexiko erlangte dafür traurige Berühmtheit. Aber jetzt formiert sich Gegenwehr. Die Europäische Kommission
hat einen Richtlinienentwurf zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vorgelegt. Einige nützliche Hinweise (Meldung von Vorfällen, Hilfetelefon,
ver.di Frauen gegen rechts) runden das Thema ab.

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Ausgabe 3/<strong>2023</strong><br />

Inhalt:<br />

<strong>Antifeminismus</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> 1<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Antifeminismus</strong>2<br />

<strong>Antifeminismus</strong><br />

international4<br />

Die Spur des Geldes 5<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong><br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Kinder 6<br />

Was wir in München<br />

<strong>gegen</strong> <strong>Antifeminismus</strong><br />

tun können 7<br />

„La Panchina Rossa“ 8<br />

Femizide <strong>und</strong> <strong>di</strong>e Anfänge<br />

einer Gegenwehr 10<br />

EU-Konzept zur<br />

Bekämpfung von <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> 11<br />

Schlusspunkt12<br />

<strong>Antifeminismus</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong><br />

Fakten - Analysen - Hilfen - Gegenstrategien<br />

Der 25. November ist der Internationale Tag <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong>, Kindern <strong>und</strong> nicht-binären Menschen.<br />

In vielen Städten finden r<strong>und</strong> um <strong>di</strong>esen Tag Veranstaltungen statt. In München gibt es Aktionswochen,<br />

<strong>ver</strong>anstaltet von einem breiten Bündnis, es gibt Aktionstage in Nürnberg, Würzburg <strong>und</strong> Regensburg.<br />

Gr<strong>und</strong> genug für <strong>di</strong>e <strong>quer</strong>-Redaktion, sich (nochmals) ausführlich mit dem Thema zu beschäftigen.<br />

Wir beginnen mit der Definition der Begriffe: Was ist<br />

<strong>Gewalt</strong>, wie stellt sie sich heute dar, <strong>und</strong> was genau<br />

<strong>ver</strong>stehen wir unter <strong>Antifeminismus</strong>? Und welche Erscheinungsformen<br />

gibt es? (S. 2 <strong>und</strong> 3) Die internationalen<br />

Erscheinungsformen des <strong>Antifeminismus</strong>, den<br />

Zusammenhang von Hass <strong>und</strong> Hetze im Netz <strong>und</strong><br />

Rassismus beleuchten wir auf Seite 4. „Die Spur des<br />

Geldes“ (S. 5)legt <strong>di</strong>e Finanzierung der europaweiten<br />

Anti-Gender-Kampagnen offen – eine sehr spannende<br />

Recherche!<br />

Die Zunahme häuslicher <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong><br />

Kinder <strong>und</strong> <strong>di</strong>e wachsende <strong>Gewalt</strong>bereitschaft junger<br />

Männer wird auf S. 6 beschrieben. Was ganz konkret<br />

in München da<strong>gegen</strong> unternommen werden kann, welche<br />

Voraussetzungen <strong>und</strong> Strukturen dazu notwen<strong>di</strong>g<br />

sind, steht dann auf Seite 7.<br />

Ein Symbol der Hoffnung <strong>und</strong> des Widerstands ist <strong>di</strong>e<br />

Initiative „La Panchina Rossa“ oder <strong>di</strong>e „Rote Bank“.<br />

Ursprünglich in Italien entstanden, hat <strong>di</strong>eses Symbol<br />

für Opfer geschlechtsspezifischer <strong>Gewalt</strong> weltweit Beachtung<br />

gef<strong>und</strong>en (S. 8).<br />

Femizide – also vorsätzliche Morde an <strong>Frauen</strong>, weil sie<br />

<strong>Frauen</strong> sind – sind wohl <strong>di</strong>e scheußlichste Form der<br />

<strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong>. Mexiko erlangte dafür traurige Berühmtheit.<br />

Aber jetzt formiert sich Gegenwehr - nachzulesen<br />

auf Seite 10. Die Europäische Kommission<br />

hat einen Richtlinienentwurf zur Bekämpfung von <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> vorgelegt. Genaueres dazu steht<br />

auf Seite 11.<br />

Einige nützliche Hinweise (Meldung von Vorfällen, Hilfetelefon,<br />

<strong>ver</strong>.<strong>di</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>gegen</strong> rechts) haben wir auf<br />

Seite 9 untergebracht.<br />

Über eine Resonanz auf <strong>di</strong>ese Ausgabe freut sich wie<br />

immer <strong>di</strong>e<br />

<strong>quer</strong>-Redaktion<br />

gez. Dagmar Fries


<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Antifeminismus</strong><br />

Definition, Einordnung <strong>und</strong> Aktualität<br />

Impressum:<br />

<strong>quer</strong> – <strong>di</strong>e Zeitung des<br />

<strong>ver</strong>.<strong>di</strong> - Landesfrauenrates <strong>Bayern</strong><br />

Neumarkter Str. 22<br />

81673 München<br />

V.i.S.d.P.: Bettina Messinger,<br />

Landesfrauensekretärin<br />

Telefon: 089 / 5 99 77-422<br />

Mail: bettina.messinger@<strong>ver</strong><strong>di</strong>.de<br />

Redaktionsteam: Dagmar Fries,<br />

Bettina Messinger, Corinna Poll, Walburga<br />

Rempe<br />

Gastbeiträge: Tanja Haas, Zara<br />

Jakob Pfeiffer<br />

Redaktion/Layout: Dagmar Fries<br />

Schlusskorrektur: Walburga<br />

Rempe<br />

Redaktionsschluss: 18.10.<strong>2023</strong><br />

Abbildungsnachweis: S. 3: @raquelrgarc//Unsplash<br />

Licence; S. 4: hbv<br />

Jugend; S. 5: Maik Schwertle, pixelio.<br />

de; S. 7: Gleichstellungsstelle für <strong>Frauen</strong><br />

der LH München; S. 8: Tanja Haas,<br />

Walburga Rempe; S. 9: <strong>ver</strong>.<strong>di</strong> B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>waltung,<br />

Amadeu-Antonio-Stiftung;<br />

S. 10: Rainer Sturm, pixelio.de; S. 11:<br />

Tim Reckmann, pixelio.de; S. 12: Klaus<br />

Stuttmann, Bettina Messinger<br />

Link zur Online-Ausgabe:<br />

yumpu.com/user/<strong>ver</strong><strong>di</strong>frauenbayern<br />

Druck: Druckwerk München<br />

Auflage: 3.500 Expl.<br />

2<br />

<strong>Gewalt</strong> ist in aller Regel <strong>di</strong>e Demonstration von<br />

Macht, erfolgt von „Oben“ nach „Unten“, auch wenn<br />

<strong>di</strong>e wenigen Ausnahmen, wenn Opfer sich wehren<br />

oder Amok laufen, wesentlich mehr öffentliche Beachtung<br />

finden. Am deutlichsten wird das beim Missbrauch<br />

von Schutzbefohlenen z. B. durch Priester,<br />

Lehrer oder Erzieher, <strong>und</strong> bei sexuellen Übergriffen<br />

am Arbeitsplatz.<br />

<strong>Gewalt</strong>iges <strong>Gewalt</strong>problem<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> hat in der BRD ebenso wie weltweit<br />

in den letzten Jahren in einem erschreckenden<br />

Ausmaß zugenommen. In einer Pressemitteilung des<br />

B<strong>und</strong>esfamilienministeriums vom Juli <strong>2023</strong> heißt es:<br />

„Fast alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch<br />

Opfer von häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Jede St<strong>und</strong>e werden<br />

mehr als 14 <strong>Frauen</strong> Opfer von Partnerschaftsgewalt.<br />

Beinahe jeden Tag <strong>ver</strong>sucht ein Partner oder Expartner<br />

eine Frau zu töten.“ Und im März <strong>di</strong>eses Jahres hat<br />

eine Umfrage von Plan International in Deutschland<br />

bestätigt, was soziologische Stu<strong>di</strong>en schon länger<br />

beobachten: Junge Männer in Deutschland finden<br />

<strong>Gewalt</strong> in der Beziehung völlig legitim. Aber nicht nur<br />

in Partnerschaften sinkt <strong>di</strong>e Hemmschwelle, sexuelle<br />

Angriffe, Hassbotschaften <strong>und</strong> Bedrohungen nehmen<br />

zu.<br />

Und was ist dann bitte <strong>Antifeminismus</strong>?<br />

Feminismus gibt es in den unterschiedlichsten Schattierungen.<br />

Und deshalb gibt es auch Feminismuskritik<br />

von „geht nicht weit genug“ bis zu „nicht so ra<strong>di</strong>kal<br />

bitte!“ – <strong>und</strong> das ist gut so. Denn durch kritische Auseinandersetzung<br />

kann eine Weiterentwicklung stattfinden.<br />

<strong>Antifeminismus</strong> hin<strong>gegen</strong> kritisiert nicht. Er baut<br />

ein Feindbild auf, agitiert <strong>und</strong> hetzt bis hin zur offenen<br />

Bedrohung.<br />

Das ist nicht neu: Bereits 1902 prägte Hedwig Dohm<br />

den Begriff „<strong>Antifeminismus</strong>“ für alle, <strong>di</strong>e <strong>di</strong>e Anliegen<br />

der <strong>Frauen</strong> bekämpfen. Angriffsziele sind gleichstellungspolitische<br />

<strong>und</strong> emanzipatorische Politikkonzepte,<br />

vielfältige Lebensentwürfe <strong>und</strong> Selbstbestimmung –<br />

<strong>und</strong> <strong>di</strong>e Menschen, <strong>di</strong>e dahinterstehen. Es wird eine<br />

angeblich „natürliche“ Rollen<strong>ver</strong>teilung <strong>und</strong> ein entsprechendes<br />

Familienbild propagiert. Das ist einer der<br />

Schnittpunkte, an dem sich extrem rechte Protagonisten<br />

mit konservativen Gruppen treffen (s. a. Seite 5).<br />

Menschen, <strong>di</strong>e nicht in <strong>di</strong>eses Schema passen oder<br />

dem widersprechen, werden angegriffen <strong>und</strong> bedroht.<br />

Erscheinungsformen<br />

„Einstiegsdroge“ ist unter anderem <strong>di</strong>e Anti-Gender-<br />

Polemik (s. a. „<strong>Antifeminismus</strong> als politische Strategie“<br />

in der letzten <strong>quer</strong>), mit der <strong>di</strong>e komplexe Kritik sozialer<br />

Rollenzuschreibungen auf ein Sternchen reduziert<br />

wird. Insbesondere im Wahlkampf war <strong>di</strong>es von CSU<br />

bis AfD ein gern genutztes Mittel.<br />

Ein weiterer Punkt ist der aus der Väter- bzw. Männerrechtsbewegung<br />

entstandene Zusammenhang.<br />

Eigentlich wäre es positiv, wenn solche Gruppen bestehende<br />

Rollenbilder aufbrechen würden. Aber in Foren<br />

wie „wgvdl“ (Wieviel Gleichberechtigung <strong>ver</strong>trägt<br />

das Land?), „wikimannia“ 1 <strong>und</strong> anderen Teilen der sog.<br />

„Mannosphäre“ ebenso wie in Programmen der AfD u.<br />

ä. Vereinigungen stellen „Maskulisten“ stattdessen <strong>di</strong>e<br />

Realität auf den Kopf: Sie behaupten, Strukturen, <strong>di</strong>e<br />

1<br />

Selbstdefinition des Portals: „Wissens-Datenbank über Benachteiligungen<br />

von Jungen <strong>und</strong> Männern sowie Bevorzugungen<br />

von Maiden <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>“


<strong>Frauen</strong> <strong>di</strong>skriminieren, gäbe es nicht <strong>und</strong> gleichstellungspolitische<br />

Maßnahmen <strong>di</strong>enten nur<br />

dazu, Männer zu benachteiligen. Wenn <strong>Frauen</strong><br />

unterrepräsentiert seien, läge das an ihnen<br />

selbst, weil sie nicht wollten oder nicht könnten<br />

…<br />

Es reicht aber nicht, es als skurrilen Unfug abzutun,<br />

wenn z. B. behauptet wird, es gäbe keine<br />

Lohn<strong>di</strong>skriminierung, weil <strong>Frauen</strong> den Großteil<br />

der Konsumausgaben tätigen (sprich: für den<br />

täglichen Bedarf einkaufen). Gerade im Zeitalter<br />

der unsozialen Me<strong>di</strong>en sind <strong>di</strong>ese Gruppen<br />

durchaus wirkmächtig: Das reicht von Shitstorms<br />

<strong>und</strong> persönlichen Bedrohungen über Verbreitung<br />

ihrer Fakenews auf allen möglichen Kanälen <strong>und</strong><br />

Foren bis zur Veröffentlichung von Adressen von<br />

Einzelpersonen oder <strong>Frauen</strong>häusern.<br />

Wie schnell der anonym oder sogar mit großem<br />

kommerziellem Erfolg <strong>ver</strong>breitete Hass (Andrew<br />

Tate 2 ist hier nur ein prominentes Beispiel) in<br />

<strong>Gewalt</strong>taten umschlagen kann, sehen wir bei<br />

den Incels (Involuntary Celibates, https://de.wikipe<strong>di</strong>a.org/wiki/Incel).<br />

3<br />

Ursprünglich ausgehend von einer Selbsthilfegruppe<br />

hat sich hier eine Subkultur entwickelt,<br />

in der <strong>ver</strong>treten wird, dass jeder Mann das Recht<br />

2<br />

Emory Andrew Tate III ist ein US-amerikanisch-britischer<br />

Unternehmer, der als Influencer durch chauvinistische<br />

<strong>und</strong> frauenfeindliche Äußerungen in sozialen<br />

Me<strong>di</strong>en Bekanntheit erlangte. Zur Zeit steht er in<br />

Rumänien wegen Vergewaltigung, Menschenhandel<br />

<strong>und</strong> Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht.<br />

(Wikipe<strong>di</strong>a)<br />

3<br />

Identitätsstiftende Selbstbezeichnung von jungen<br />

heterosexuellen Männern, denen eine (sexuelle) Beziehung<br />

zu <strong>Frauen</strong> fehlt <strong>und</strong> <strong>di</strong>e <strong>di</strong>e Schuld daran im<br />

Feminismus <strong>und</strong> der freien Gesellschaft sehen. (bpb)<br />

© @raquelrgarc//Unsplash Licence<br />

hat, Sex von <strong>Frauen</strong> zu <strong>ver</strong>langen – ob sie wollen<br />

oder nicht. Und auch in den Manifesten<br />

rechtsextremer Attentäter von Christchurch bis<br />

Halle findet sich antifeministische Propaganda,<br />

so z. B. Breiviks Pamphlet „Gegen <strong>di</strong>e Feminisierung<br />

der abendlän<strong>di</strong>schen Kultur“.<br />

Wie erfolgreich <strong>di</strong>e Beeinflussung der politischen<br />

Debatte durch <strong>di</strong>ese Gruppen sein kann,<br />

zeigt sich besonders deutlich beim Rollback des<br />

Rechts auf Schwangerschaftsabbruch weltweit,<br />

insbesondere in den USA, aber auch in Europa<br />

(z. B. Polen).<br />

Fazit<br />

<strong>Antifeminismus</strong> <strong>di</strong>ent dazu, eine bestehende<br />

Hierarchie abzusichern bzw. da, wo sie durch<br />

emanzipatorische Politik abgebaut wurde, wieder<br />

herzustellen. Dazu werden auf der einen Seite<br />

biologistische Behauptungen aufgestellt <strong>und</strong><br />

Tatsachen geleugnet oder <strong>ver</strong>dreht. Außerdem<br />

werden Protagonistinnen angegriffen, <strong>und</strong> von<br />

einigen Gruppen wie z. B. den Incels werden alle<br />

<strong>Frauen</strong> herabgesetzt <strong>und</strong> entwertet bis hin zur<br />

vollstän<strong>di</strong>gen Entmenschlichung. Diese gruppenbezogene<br />

Menschenfeindlichkeit korreliert z. T.<br />

mit ähnlichen Strukturen bei Rassismus, Antisemitismus,<br />

Homophobie oder der Abwertung <strong>und</strong><br />

Ausgrenzung weiterer gesellschaftlicher Gruppen,<br />

z. B. der Obdachlosen.<br />

Wie schon gesagt: <strong>Gewalt</strong> funktioniert in der<br />

Regel von oben nach unten. Das bedeutet aber<br />

auch: Je stärker eine Gruppe herabgewür<strong>di</strong>gt<br />

<strong>und</strong> entmenschlicht wird, desto leichter werden<br />

<strong>di</strong>e Menschen aus <strong>di</strong>eser Gruppe zu Zielscheiben<br />

von <strong>Gewalt</strong>. Und jeder Hasspost im Netz<br />

senkt <strong>di</strong>e Hemmschwelle weiter.<br />

Corinna Poll<br />

3


<strong>Antifeminismus</strong> – international<br />

<strong>Antifeminismus</strong> gibt es weltweit, in unterschiedlichen Erscheinungsformen. <strong>Frauen</strong><strong>ver</strong>achtung,<br />

Hass <strong>und</strong> Hetze im Netz <strong>gegen</strong> „Gender-Wahn“ <strong>und</strong> <strong>gegen</strong> selbstbestimmte<br />

Lebensformen <strong>ver</strong>binden sich dabei oft mit einer extrem rechten, rassistischen Gesinnung<br />

zu einer bisweilen tödlichen Gefahr.<br />

In den letzten Jahren kommt es <strong>ver</strong>mehrt zu<br />

Rückschlägen im Kampf um <strong>di</strong>e Rechte von<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> queeren Personen. Nicht nur <strong>di</strong>e<br />

Corona-Pandemie beförderte ein „Rollback“ zu<br />

tra<strong>di</strong>tionellen Rollenmustern <strong>und</strong> patriarchalen<br />

Familienstrukturen. Das lässt sich an repressiven<br />

Veränderungen in Ländern wie Afghanistan<br />

(Schul<strong>ver</strong>bot für Mädchen) oder im Iran (Kopftuchzwang)<br />

ebenso ablesen wie am allgemeinen<br />

Rechtsruck in Europa oder der Verschärfung<br />

liberaler Abtreibungsgesetze in den USA<br />

<strong>und</strong> in Polen. Laut UN Women wird es unter<br />

den derzeitigen Be<strong>di</strong>ngungen <strong>und</strong> im bisherigen<br />

Tempo noch mindestens 285 Jahre dauern, <strong>di</strong>e<br />

Gleichstellung von <strong>Frauen</strong> zu erreichen.<br />

Antifeministische Strömungen<br />

Gegen feministische Forderungen wie <strong>di</strong>e Beseitigung<br />

von Sexismus, für Gleichberechtigung<br />

<strong>und</strong> Selbstbestimmung über den eigenen Körper<br />

(reproduktive Rechte, §218) formierte sich<br />

stets Widerstand. So entstanden christlich-f<strong>und</strong>amentalistische<br />

Netzwerke, in denen sich über<br />

100 Organisationen aus 30 Ländern zur „Agenda<br />

Europe“ zusammenschlossen, um als transnationale<br />

Allianz <strong>di</strong>e Idee der „heiligen Familie“<br />

(Vater, Mutter, Kind) hochzuhalten. Sie bilden<br />

das Einfallstor in <strong>di</strong>e Mitte der Gesellschaft.<br />

In den 2000er Jahren richteten sich erste Anti-<br />

Gender-Kampagnen in Spanien, Kroatien, Italien<br />

<strong>und</strong> Slowenien <strong>gegen</strong> <strong>di</strong>e Einführung der<br />

gleichgeschlechtlichen Ehe <strong>und</strong> Sexualaufklärung<br />

in den Schulen. „Besorgte Eltern“ riefen<br />

zuerst in Frankreich zu Demos „für alle“ auf <strong>und</strong><br />

sahen in der LGBTIQ-Bewegung 1 eine Gefährdung<br />

ihrer Kinder – wie sich zuletzt <strong>2023</strong> beim<br />

AfD-Protest <strong>gegen</strong> eine Lesung in der Volkshochschule<br />

München-Bogenhausen zeigte. Die<br />

Angst vor „Schwulen“ (Homophobie) <strong>und</strong> <strong>di</strong>e<br />

Ablehnung des reproduktiven Selbstbestimmungsrechts<br />

(„Kinder oder keine, entscheidet<br />

frau alleine“) breiten sich in kirchlich <strong>und</strong>/oder<br />

nationalistisch geprägten Ländern wie Italien,<br />

Deutschland, Polen, Malta, Russland immer<br />

weiter aus: In Italien plant <strong>di</strong>e rechte Regierung<br />

von Giorgia Meloni, homosexuellen Paaren <strong>di</strong>e<br />

Elternschaft abzuerkennen <strong>und</strong> ihre Kinder per<br />

Dekret zu Waisen zu machen.<br />

Völkische Ideologie <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>morde<br />

Die Leipziger Autoritarismus-Stu<strong>di</strong>e (2022) ergab,<br />

dass jeder dritte Mann <strong>und</strong> jede fünfte Frau<br />

in Deutschland ein geschlossenes antifeministisches<br />

Weltbild hat. Denn sie <strong>ver</strong>tei<strong>di</strong>gen <strong>di</strong>e<br />

klassische, für sie „natürliche“ Rollen<strong>ver</strong>teilung<br />

(der Mann bestimmt, <strong>di</strong>e Frau kümmert sich um<br />

Haushalt <strong>und</strong> Kinder) <strong>gegen</strong>über <strong>ver</strong>meintlichen<br />

Bedrohungen von innen <strong>und</strong> außen: Emanzipatorische<br />

Bestrebungen der <strong>Frauen</strong>- <strong>und</strong><br />

LGBTIQ-Bewegung könnten <strong>di</strong>ese patriarcha-<br />

1<br />

Lesbische/schwule, bi-/trans-/intersexuelle queere<br />

Menschen<br />

le Ordnung auflösen <strong>und</strong> eine Überfremdung<br />

durch Zugewanderte ermöglichen. Daher gilt es<br />

– nicht nur in Deutschland – <strong>di</strong>e Gebärfreu<strong>di</strong>gkeit<br />

von <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>di</strong>e nationale Geburtenrate<br />

durch ein Abtreibungs<strong>ver</strong>bot <strong>und</strong> finanzielle Anreize<br />

zu steigern. Hinzu kommt, dass ein „Kulturkampf“<br />

<strong>gegen</strong> das „dritte Geschlecht“ <strong>und</strong><br />

jede andere „unnatürliche“ sexuelle Identität,<br />

<strong>gegen</strong> Genderstu<strong>di</strong>en <strong>und</strong> Frühsexualisierung<br />

ausgerufen wird.<br />

Seitdem <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft im Prozess <strong>gegen</strong><br />

den Attentäter von Halle erstmals <strong>Frauen</strong>hass<br />

als Motiv anerkannt hat, gibt es einen neuen<br />

Begriff: „eliminatorischer <strong>Antifeminismus</strong>“.<br />

Bei den rechtsextremistischen Anschlägen in<br />

Oslo (Breivik), Toronto, Christchurch, Halle <strong>und</strong><br />

Hanau ermordeten <strong>di</strong>e Täter gezielt <strong>Frauen</strong>, um<br />

sie dafürzu bestrafen, dass sie <strong>di</strong>e abendlän<strong>di</strong>sche<br />

Kultur <strong>ver</strong>weichlicht oder sie als Mann zurückgewiesen<br />

hätten.<br />

Walburga Rempe<br />

Quellen:<br />

Power-Point-Präsentation von Wiebke Eltze (Amadeu-Antonio-Stiftung)<br />

am 12.07.23 beim politischen<br />

<strong>Frauen</strong>treff des <strong>ver</strong><strong>di</strong>-Bezirksfrauenrats<br />

„Unser Feminismus ist antirassistisch“, Flyer von aufstehen-<strong>gegen</strong>-rassismus.de<br />

4


Die Spur des Geldes<br />

Wer finanziert <strong>di</strong>e europaweiten Anti-Gender-Kampagnen?<br />

Die Stu<strong>di</strong>e des European Parliamentary Forum<br />

for Sexual and Reproductive Rights (EPF) „Die<br />

Spitze des Eisbergs“ hat für den Zeitraum 2009–<br />

2018 untersucht, wie sich <strong>di</strong>e Anti-Gender-Kampagnen<br />

in Europa finanzieren 1 . Sie stellte fest,<br />

dass in <strong>di</strong>esem Zeitraum 54 Organisationen –<br />

Parteien, Stiftungen, religiöse Vereinigungen<br />

<strong>und</strong> NGOs – mehr als 700 Millionen Dollar dafür<br />

aufbrachten. Einen gewissen Anteil haben dabei<br />

US-amerikanische christliche Rechte ebenso<br />

wie russische Oligarchen (<strong>und</strong> <strong>di</strong>e russisch-orthodoxe<br />

Kirche), aber der Beitrag europäischer<br />

Akteure ist groß (437 Millionen Dollar) <strong>und</strong><br />

wächst. Insbesondere katholische Stiftungen<br />

aus Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland<br />

<strong>und</strong> Polen 2 trugen dazu bei. Ein Name taucht<br />

ebenfalls kontinuierlich auf: Der ‚World Congress<br />

of Families‘ (WCF), der inzwischen unter<br />

dem Dach der ‚International Organization for the<br />

Family‘ (IOF) agiert.<br />

Vier zentrale Geldquellen werden dabei herausgearbeitet:<br />

Spendensammlungen, Unterstützung<br />

durch reiche Einzelpersonen (aus der BRD<br />

z.B. Gloria v. Thurn <strong>und</strong> Taxis, <strong>di</strong>e u.a. den WCF<br />

1<br />

Tip of the Iceberg: Religious Extremist F<strong>und</strong>ers<br />

against Human Rights for Sexuality and Reproductive<br />

Health in Europe 2009 – 2018<br />

2<br />

Italien: Fondazione Vita Nova, Novae Terrae Fo<strong>und</strong>ation;<br />

Spanien: F<strong>und</strong>acion Valores y Sociedad <strong>und</strong><br />

F<strong>und</strong>acio Provida de Catalunya; Frankreich: Jérôme<br />

Lejeune Fo<strong>und</strong>ation; Deutschland: Stiftung ‚Ja zum<br />

Leben’, European Family Fo<strong>und</strong>ation, Stifung ‚Familienwerte’;<br />

Polen: F<strong>und</strong>acja Lux Veritatis, F<strong>und</strong>acja<br />

Rodziny Witaszków, F<strong>und</strong>acja Nasze Dzieci (Stiftung<br />

Unsere Kinder); u. a.<br />

unterstützt <strong>und</strong> als Rednerin beim Kongress<br />

2022 in Mexico City auftrat) <strong>und</strong> Stiftungen,<br />

staatliche Förderung <strong>und</strong> religiöse Akteure. Für<br />

Spendensammlungen werden Plattformen wie<br />

CitizenGo genutzt, es findet aber auch ein reger<br />

Austausch von Kontaktdaten potentieller Unterstützer<br />

unter den <strong>ver</strong>schiedenen Organisationen<br />

statt. Wie antifeministische Organisationen <strong>ver</strong>suchen,<br />

an staatliche Förderung zu kommen,<br />

hat <strong>di</strong>e Heinrich-Böll-Stiftung in einer Handreichung<br />

2021 genauer aufgeschlüsselt. 3<br />

© Maik Schwertle, pixelio.de<br />

Die ersten Organisationen der Anti-Gender-Mobilisierung<br />

waren Anti-Abtreibungskampagnen<br />

in <strong>ver</strong>schiedenen Ländern, <strong>di</strong>e sich 2014 auf<br />

europäischer Ebene zur ‚One Of Us‘-Föderation<br />

zusammengeschlossen haben. Der nächste<br />

3<br />

https://www.boell.de/de/2021/10/04/antifeminismus-auf-dem-weg-durch-<strong>di</strong>e-institutionen<br />

Schritt waren Kampagnen <strong>gegen</strong> <strong>di</strong>erechtliche<br />

Besserstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften<br />

<strong>und</strong> weitere Anti-LGBTQI-Mobilisierungen,<br />

beginnend mit La Manif Pour Tous in<br />

Frankreich (in Deutschland: Demo für alle).<br />

Munition für <strong>di</strong>e Kampagnen liefern u. a. sogenannte<br />

ThinkTanks. Nur ein Beispiel aus München:<br />

2021 wurde dort <strong>di</strong>e „Denkfabrik Republik<br />

21“ 4 ins Leben gerufen. Laut Eigenwerbung<br />

„eine Ideenschmiede, <strong>di</strong>e neue bürgerliche<br />

Politik nachhaltig begründen will“ – <strong>und</strong> der<br />

Gleichstellungspolitik eine Absage erteilt. Mit<br />

der früheren B<strong>und</strong>esfamilienministerin Kristina<br />

Schröder haben sie dafür auf jeden Fall <strong>di</strong>e richtige<br />

Vorstandsfrau an Bord.<br />

Corinna Poll<br />

Das Institut für Demokratie <strong>und</strong> Zivilgesellschaft<br />

(IDZ) ist eine außeruni<strong>ver</strong>sitäre Forschungseinrichtung<br />

mit dem Ziel, <strong>di</strong>e demokratische Kultur <strong>und</strong> Zivilgesellschaft<br />

in Thüringen <strong>und</strong> darüber hinaus zu<br />

stärken. Das 2016 gegründete Institut befindet sich<br />

in Trägerschaft der Amadeu-Antonio-Stiftung.<br />

https://www.idz-jena.de/schriftenreihe/band-<br />

13-antifeminismus-hasskriminalitaet<br />

Der vorliegende 13. Band der IDZ-Schriftenreihe<br />

„Wissen schafft Demokratie“ <strong>ver</strong>eint Beiträge der<br />

Fachtagung „<strong>Antifeminismus</strong> & Hasskriminalität“,<br />

<strong>di</strong>e im November 2022 in Jena stattfand. Enthalten<br />

sind unterschiedliche Aufsätze aus <strong>ver</strong>schiedenen<br />

gesellschaftlichen Bereichen: von zivilgesellschaftlichen<br />

Akteur*innen, Vertreter*innen von<br />

Behörden <strong>und</strong> aus dem Justizbereich sowie von<br />

Wissenschaftler*innen. Überschneidungen <strong>und</strong><br />

Schnittmengen von <strong>Antifeminismus</strong> <strong>und</strong> Hasskriminalität<br />

werden aus wissenschaftlich-theoretischen,<br />

empirischen <strong>und</strong> praxisbezogenen Perspektiven<br />

analysiert <strong>und</strong> <strong>di</strong>skutiert.<br />

4<br />

https://denkfabrik-r21.de<br />

5


<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Kinder<br />

Am 25. November jährt sich wieder der Internationale Tag <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong>,<br />

Kindern <strong>und</strong> nicht-binären Menschen. Doch reicht ein „Gedenktag“ aus, um <strong>di</strong>ese <strong>Gewalt</strong><br />

als gesamtgesellschaftliches Problem ins öffentliche Bewusstsein zu rücken?<br />

<strong>Gewalt</strong> hat viele Facetten <strong>und</strong> Gesichter. Es kann<br />

ein Kuss auf den M<strong>und</strong> sein, wie ihn der spanische<br />

Fußball-Verbandschef Rubiales „aus lauter Begeisterung“<br />

nach der gewonnenen Weltmeisterschaft<br />

vor laufender Kamera der Spielerin Jennifer<br />

Hermoso <strong>gegen</strong> ihren Willen aufzwang. Es kann<br />

aber auch körperliche, sexualisierte, psychische,<br />

soziale, ökonomische <strong>Gewalt</strong> sein, <strong>di</strong>e sich hinter<br />

<strong>ver</strong>schlossenen Türen abspielt <strong>und</strong> unter der auch<br />

Kinder leiden – als Missbrauchsopfer oder hilflose<br />

Beobachter. Mobbing <strong>und</strong> Hass in den „sozialen<br />

Me<strong>di</strong>en“ gelten als neue Form der <strong>Gewalt</strong>, <strong>di</strong>e<br />

hemmungslos vor nichts zurückschreckt.<br />

6<br />

Zunahme häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />

Im Jahr 2022 ist <strong>di</strong>e Zahl der Opfer häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong>über dem Vorjahr um 8,5% auf<br />

240.547 gestiegen 1 . Dabei handelt es sich le<strong>di</strong>glich<br />

um ein Lagebild aufgr<strong>und</strong> der offiziell von der<br />

Polizei registrierten Fälle. Die Dunkelziffer dürfte<br />

deutlich höher liegen. „Häusliche <strong>Gewalt</strong> ist keine<br />

Privatsache, sondern ein gravierendes Problem<br />

in allen gesellschaftlichen Gruppen. <strong>Gewalt</strong><br />

im engsten Umfeld betrifft viele <strong>Frauen</strong>, aber<br />

auch Kinder <strong>und</strong> Pflegebedürftige … (sie) fängt<br />

nicht erst mit Schlägen <strong>und</strong> Misshandlungen an,<br />

es geht auch um Stalking <strong>und</strong> Psychoterror“,<br />

kommentierte Innenministerin Nancy Faeser.<br />

Angesichts der „traurigen Realität“, dass „jede<br />

St<strong>und</strong>e mehr als 14 <strong>Frauen</strong> Opfer von Partner-<br />

1<br />

Pressemitteilung des B<strong>und</strong>esinnenministeriums<br />

vom 11.07.<strong>2023</strong><br />

schaftsgewalt“ werden, will B<strong>und</strong>esfamilienministerin<br />

Lisa Paus Lücken im Netz der <strong>Frauen</strong>häuser<br />

<strong>und</strong> Beratungsstellen schließen, damit<br />

<strong>Frauen</strong> überall in Deutschland einen sicheren<br />

Zufluchtsort <strong>und</strong> kompetente Beratung <strong>und</strong> Hilfe<br />

finden. „Häusliche <strong>Gewalt</strong>“ umfasst neben der<br />

seit 2015 vom B<strong>und</strong>eskriminalamt <strong>ver</strong>öffentlichten<br />

Statistik zur Partnerschaftsgewalt „innerfamiliäre<br />

<strong>Gewalt</strong>delikte“ von <strong>und</strong> <strong>gegen</strong> Eltern,<br />

Kinder, Geschwister <strong>und</strong> sonstige Angehörige.<br />

Doch <strong>di</strong>e Zahlen sprechen für sich: 80,1% der<br />

Opfer von Partnerschaftsgewalt <strong>und</strong> 71,1% der<br />

Opfer von häuslicher <strong>Gewalt</strong> sind weiblich. 133<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> 19 Männer sind im Jahr 2022 von<br />

ihrem Partner oder Ex-Partner getötet worden.<br />

<strong>Gewalt</strong>bereitschaft junger Männer<br />

Björn Höcke auf dem AfD-Parteitag 2015: „Wir<br />

müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken.<br />

Denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken,<br />

werden wir mannhaft. Und nur wenn wir<br />

mannhaft werden, werden wir wehrhaft, <strong>und</strong> wir<br />

müssen wehrhaft werden, liebe Fre<strong>und</strong>e!“<br />

Für große Aufregung sorgte eine Umfrage des Kinderhilfswerks<br />

PLAN International, <strong>di</strong>e wissen wollte,<br />

wie junge Männer (bis 35 Jahre) in Deutschland<br />

denn so „ticken“. Sie zeigte, dass viele ein<br />

tra<strong>di</strong>tionelles Rollen<strong>ver</strong>ständnis haben <strong>und</strong> ihr<br />

Männerbild weit entfernt von echter Gleichberechtigung<br />

ist. Doch <strong>di</strong>e Me<strong>di</strong>en fokussierten nur auf<br />

einen einzelnen Aspekt: Mehr als ein Drittel der<br />

befragten Männer (34%) gab an, <strong>gegen</strong>über <strong>Frauen</strong><br />

schon mal handgreiflich zu werden, um ihnen<br />

Respekt einzuflößen. Und jeder dritte Mann (33%)<br />

fand es akzeptabel, dass ihm beim Streit mit der<br />

Partnerin gelegentlich <strong>di</strong>e Hand ausrutscht. Statt<br />

sich mit der alarmierenden Tendenz zu „toxischer<br />

Männlichkeit“ auseinanderzusetzen, wurde nur<br />

<strong>di</strong>e Unwissenschaftlichkeit der <strong>ver</strong>meintlichen Stu<strong>di</strong>e<br />

(es war eine Befragung) kritisiert. Hier lässt<br />

sich vielleicht ein Bogen zur häuslichen <strong>Gewalt</strong><br />

schlagen: Wenn Kinder kein Gehör für ihre Nöte<br />

finden <strong>und</strong> keine guten Vorbilder für respektvolle<br />

Beziehungen haben, werden sie unter Umständen<br />

genau das Modell reproduzieren, das sie vorgelebt<br />

bekommen. 2<br />

Femizide als solche benennen<br />

Die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist, sollte<br />

als „Femizid“ bezeichnet werden. In Deutschland<br />

wird durchschnittlich jeden dritten Tag eine Frau<br />

durch den (Ex-)Partner ermordet. Doch wenn<br />

Femizide als „Eifersuchtsdrama“ oder „Familientragö<strong>di</strong>e“<br />

eingestuft, d.h. auf „Einzelschicksale“<br />

reduziert werden, wird das Ausmaß geschlechtsspezifischer<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>ver</strong>harmlost. Deshalb hat eine<br />

Gruppe von Investigativjournalistinnen einen „Leitfaden<br />

für <strong>di</strong>e Berichterstattung über Femizide <strong>und</strong><br />

den Umgang mit Überlebenden <strong>und</strong> Angehörigen“<br />

<strong>ver</strong>fasst (www.journalist.de). Wichtig ist unter anderem,<br />

stets den Kontext zu beleuchten, <strong>di</strong>e strukturelle<br />

(gesellschaftliche) Dimension geschlechtsspezifischer<br />

<strong>Gewalt</strong> aufzudecken, <strong>di</strong>e Rolle von<br />

Staat, Polizei, Justiz <strong>und</strong> Zivilgesellschaft zu analysieren<br />

– <strong>und</strong> vor allem aus der Perspektive der<br />

betroffenen <strong>Frauen</strong> zu berichten, denen häufig<br />

noch eine Teilschuld zugeschrieben wird.<br />

Walburga Rempe<br />

2<br />

Extrabrief Häusliche <strong>Gewalt</strong> vom Arbeitskreis Neue<br />

Erziehung e.V. als pdf unter www.bmfsfj.de abrufbar


Was wir in München <strong>gegen</strong><br />

<strong>Antifeminismus</strong> tun können<br />

Patriarchale <strong>Gewalt</strong> ist Ausdruck historisch gewachsener<br />

Macht<strong>ver</strong>hältnisse zwischen den<br />

Geschlechtern. Sie <strong>di</strong>ent der Abwertung von<br />

Weiblichkeit, der Unterdrückung von <strong>Frauen</strong><br />

<strong>und</strong> Mädchen <strong>und</strong> der Ausgrenzung von trans*,<br />

intergeschlechtlichen <strong>und</strong> nicht-binären Menschen.<br />

Der beste Schutz vor patriarchaler <strong>Gewalt</strong><br />

ist der Abbau von Ungerechtigkeiten <strong>und</strong><br />

Diskriminierung <strong>und</strong> <strong>di</strong>e tatsächliche Gleichstellung<br />

aller Geschlechter auf allen Ebenen: rechtlich,<br />

sozial, ökonomisch, politisch.<br />

Antifeministische Vorstellungen, Mechanismen<br />

<strong>und</strong> Strategien setzen genau hier an – sie rechtfertigen<br />

<strong>und</strong> begünstigen patriarchale Macht- <strong>und</strong><br />

<strong>Gewalt</strong><strong>ver</strong>hältnisse <strong>und</strong> <strong>ver</strong>breiten sexistische,<br />

misogyne <strong>und</strong> queerfeindliche Vorstellungen – oft<br />

auch in Verbindung mit rassistischen, antisemitischen<br />

<strong>und</strong> ableistischen 1 Bildern <strong>und</strong> Diskursen<br />

– um Strukturen <strong>und</strong> Menschen, <strong>di</strong>e sich <strong>gegen</strong><br />

patriarchale Macht<strong>ver</strong>hältnisse einsetzen, zu<br />

schwächen, zu spalten, einzuschüchtern <strong>und</strong> zu<br />

<strong>ver</strong>einzeln. In Form von Drohungen, Shitstorms<br />

<strong>und</strong> Kampagnen richten sie sich insbesondere<br />

<strong>gegen</strong> feministische <strong>und</strong> queere Projekte, Einrichtungen,<br />

Initiativen, Demonstrationen, Veranstaltungen<br />

oder auch Personen <strong>und</strong> treffen dabei<br />

insbesondere <strong>Frauen</strong>, Mädchen <strong>und</strong> queere<br />

Menschen.<br />

Um <strong>Antifeminismus</strong> dauerhaft etwas ent<strong>gegen</strong>setzen<br />

zu können, brauchen wir zum einen das<br />

1<br />

Ableismus = Diskriminierung von Behinderten<br />

Dokumentation, Anlaufstellen, Bündnisse<br />

Wissen zu antifeministischen Strukturen, Strategien<br />

<strong>und</strong> Netzwerken. Zum anderen brauchen<br />

wir tragfähige <strong>und</strong> intersektional ausgerichtete<br />

queer-feministische Netzwerke <strong>und</strong> Bündnisse,<br />

<strong>di</strong>e <strong>di</strong>e unterschiedlichen Themen einbeziehen<br />

<strong>und</strong> sich nicht nur <strong>gegen</strong> <strong>Antifeminismus</strong>, sondern<br />

auch klar <strong>gegen</strong> Rechtsextremismus, Rassismus,<br />

Antisemitismus <strong>und</strong> Ableismus positionieren.<br />

Um im Einzelfall handlungsfähig zu sein,<br />

benötigen wir außerdem Anlaufstellen, <strong>di</strong>e betroffene<br />

Strukturen <strong>und</strong> Personen bei Bedarf<br />

konkret unterstützen <strong>und</strong> stärken können.<br />

Dies alles muss auf Gr<strong>und</strong>lage von Strukturen<br />

geschehen, <strong>di</strong>e auf allen gesellschaftlichen Ebenen<br />

für <strong>di</strong>e Gleichstellung der Geschlechter, <strong>gegen</strong><br />

Sexismus, Misogynie <strong>und</strong> Queerfeindlichkeit<br />

arbeiten. Hierzu gehören neben <strong>Frauen</strong>- <strong>und</strong><br />

Mädchenförderung auch wirksame Maßnahmen<br />

zur Prävention von <strong>und</strong> zum Schutz vor <strong>Gewalt</strong>.<br />

Sie gilt es auf rechtlicher, gesellschaftlicher <strong>und</strong><br />

sozialer Ebene zu gewährleisten. Dies beinhaltet<br />

zum Beispiel ein ausreichendes Angebot von Beratungsstellen,<br />

eine flächendeckende Täter*innenprävention<br />

<strong>und</strong> Empowermentangebote. Die<br />

Stadt München hat sich mit ihrem Aktionsplan<br />

<strong>gegen</strong> geschlechtsspezifische <strong>Gewalt</strong> zu einem<br />

konkreten kommunalen Programm <strong>gegen</strong> geschlechtsspezifische<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>ver</strong>pflichtet. Zu den<br />

insgesamt 33 Maßnahmen aus den Bereichen<br />

Unterstützung, Prävention <strong>und</strong> Intervention <strong>gegen</strong><br />

geschlechtsspezifische <strong>Gewalt</strong> gehören u.a.<br />

geschlechts<strong>di</strong>fferenzierte Selbstbehauptungs<strong>und</strong><br />

Selbst<strong>ver</strong>tei<strong>di</strong>gungskurse, <strong>di</strong>e Verbesserung<br />

der Akut<strong>ver</strong>sorgung nach Vergewaltigung, <strong>di</strong>e<br />

Beschäftigung mit lesbenfeindlicher <strong>Gewalt</strong> oder<br />

der Aufbau eines Unterstützungsangebotes für<br />

Betroffene von <strong>di</strong>gitaler <strong>Gewalt</strong>. Eine der Maßnahmen<br />

ist <strong>di</strong>e Auswertung der Münchner Hasskriminalitätsstu<strong>di</strong>e<br />

mit dem Fokus <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong><br />

LGBTIQ*. Diese Auswertung hat gezeigt, wie relevant<br />

<strong>di</strong>e Kategorie Geschlecht sowohl auf der<br />

Seite der Opfer als auch auf der Seite der Täter<br />

im Bereich der vorurteilsgeleiteten Kriminalität ist.<br />

Hinzu kommt, dass <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> in der<br />

Regel nicht als Vorurteils- oder Hasskriminalität,<br />

sondern als beziehungsbe<strong>di</strong>ngtes Einzelschicksal<br />

gewertet wird.<br />

Es gibt noch viel zu tun, <strong>und</strong> es ist Aufgabe von<br />

uns allen, <strong>di</strong>e Welt zu <strong>ver</strong>ändern <strong>und</strong> so zu gestalten,<br />

dass wir alle unabhängig, selbstbestimmt,<br />

gleichberechtigt <strong>und</strong> frei von <strong>Gewalt</strong> leben<br />

können. Dies kann uns nur gelingen, wenn<br />

wir uns nicht spalten lassen, sondern uns über<br />

unsere Unterschiede hinweg <strong>ver</strong>bünden.<br />

Zara Jakob Pfeiffer<br />

Gleichstellungsstelle für <strong>Frauen</strong><br />

der LH München<br />

Mehr Informationen unter:<br />

www.gleichberechtigung-schuetzt-vor-gewalt.de<br />

7


„La Panchina Rossa“<br />

Eine Rote Bank kann mehr als nur ein dekoratives Element im Stadtbild sein – <strong>di</strong>e Rote Bank<br />

ist ein kraftvolles Symbol, das für Gedenken, Solidarität, Bewusstsein, Prävention, Empowerment<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlichen Wandel steht.<br />

Die zunehmende <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> ist<br />

eine beunruhigende Entwicklung unserer Gesellschaft,<br />

der dringend ent<strong>gegen</strong>getreten werden<br />

muss. Inmitten <strong>di</strong>eser düsteren Realität<br />

erscheint jedoch ein strahlendes Symbol der<br />

Hoffnung <strong>und</strong> des Widerstands: „La Panchina<br />

Rossa“ oder <strong>di</strong>e „Rote Bank“. Ursprünglich in<br />

Italien entstanden, hat <strong>di</strong>eses Denkmal für Opfer<br />

geschlechtsspezifischer <strong>Gewalt</strong> weltweit Beachtung<br />

gef<strong>und</strong>en.<br />

In Nürnberg haben der <strong>ver</strong>.<strong>di</strong> Bezirksfrauenrat<br />

<strong>und</strong> der dgb gemeinsam mit der <strong>Frauen</strong>beauftragten<br />

der Stadt <strong>di</strong>e Idee aufgegriffen <strong>und</strong> <strong>di</strong>e<br />

Aufstellung von roten Bänken angeregt. Jedoch<br />

mahlen <strong>di</strong>e Mühlen der Bürokratie in Nürnberg<br />

etwas langsam.<br />

Da hat sich <strong>di</strong>e Schwesterstadt Fürth unkomplizierter<br />

<strong>und</strong> tatkräftiger gezeigt. Denn seit Anfang<br />

Juli <strong>2023</strong> steht eine Rote Bank bereits in Fürth<br />

am Eingang zum Stadtpark. Die Idee <strong>und</strong> Finanzierung<br />

übernahm Gülseren Suzan-Menzel vom<br />

Deutsch-Türkischen <strong>Frauen</strong>club Nordbayern<br />

e.V. Dabei wurde sie von der Gleichstellungsbeauftragten<br />

der Stadt Fürth, Hilde Langfeld, tatkräftig<br />

unterstützt.<br />

Die Bedeutung von „La Panchina Rossa“<br />

Zunächst einmal steht sie für Solidarität – Solidarität<br />

mit den Opfern von <strong>Gewalt</strong>taten, insbesondere<br />

<strong>Frauen</strong>, <strong>di</strong>e unter häuslicher <strong>Gewalt</strong>,<br />

sexueller Belästigung oder anderen Formen<br />

der geschlechtsbezogenen <strong>Gewalt</strong> leiden. Die<br />

Bank ruft dazu auf, nicht länger weg- oder hinzuschauen,<br />

sondern gemeinsam für eine gewaltfreie<br />

Gesellschaft einzutreten.<br />

Ein weiterer Aspekt ist <strong>di</strong>e Schaffung von Bewusstsein.<br />

Die auffällige Präsenz der Roten<br />

Bank in öffentlichen Räumen zieht <strong>di</strong>e Aufmerksamkeit<br />

von Passanten <strong>und</strong> Me<strong>di</strong>en gleichermaßen<br />

auf sich. Dadurch wird das Thema <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> aus der Anonymität herausgeholt<br />

<strong>und</strong> in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die<br />

Rote Bank erinnert uns daran, dass <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong><br />

<strong>Frauen</strong> keine Privatangelegenheit ist, sondern<br />

ein dringendes gesellschaftliches Problem,<br />

das wir alle angehen müssen.<br />

Zudem <strong>di</strong>ent <strong>di</strong>e Rote Bank als Ort des Gedenkens.<br />

Blumen, Kerzen <strong>und</strong> persönliche Nachrichten<br />

werden an der Bank niedergelegt, um<br />

an <strong>di</strong>e Opfer von <strong>Gewalt</strong><strong>ver</strong>brechen zu erinnern.<br />

Sie bietet Angehörigen <strong>und</strong> Mitbürger*innen<br />

eine Möglichkeit, ihre Trauer auszudrücken <strong>und</strong><br />

den Verlust zu <strong>ver</strong>arbeiten. Die Rote Bank wird<br />

„La Panchina<br />

Rossa“ in Bologna<br />

(Abb. Mitte <strong>und</strong><br />

untere Plakette)<br />

<strong>und</strong> <strong>di</strong>e Plaketten<br />

auf der Roten<br />

Bank in Fürth<br />

Fotos Fürth:<br />

©Tanja Haas<br />

Fotos Bologna:<br />

©Walburga<br />

Rempe<br />

so zu einem Symbol der Solidarität <strong>und</strong> des Mitgefühls.<br />

Die Bank ist aber auch ein Aufruf zur Prävention.<br />

Sie ermutigt Menschen, sich aktiv <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

an <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> für eine sicherere Gesellschaft<br />

einzusetzen. Die Rote Bank steht für <strong>di</strong>e Idee,<br />

dass Prävention der Schlüssel ist, um <strong>Gewalt</strong><br />

zu <strong>ver</strong>hindern, <strong>und</strong> dass Bildung <strong>und</strong> Sensibilisierung<br />

in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit<br />

sowie Respekt von entscheidender Bedeutung<br />

sind.<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Empowerment<br />

von <strong>Frauen</strong>. Die Rote Bank ermutigt<br />

<strong>Frauen</strong>, ihre Stimmen zu erheben <strong>und</strong> sich zu<br />

wehren. Sie soll <strong>Frauen</strong> darin bestärken, nicht<br />

8


schweigend hinzunehmen, was ihnen angetan<br />

wird, sondern für ihre Sicherheit <strong>und</strong> Gleichberechtigung<br />

einzutreten. Daher <strong>ver</strong>weisen auf der<br />

Bank angebrachte Plaketten auf Hilfsorganisationen<br />

<strong>und</strong> Notrufnummern. Die Bank soll als<br />

Symbol der Stärke <strong>und</strong> des Mutes betroffenen<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>di</strong>e Kraft zur Selbsthilfe geben.<br />

Schließlich repräsentiert <strong>di</strong>e Rote Bank den<br />

Wunsch nach gesellschaftlichem Wandel.<br />

Sie steht für <strong>di</strong>e Hoffnung auf eine Zukunft, in<br />

der <strong>Frauen</strong> frei von <strong>Gewalt</strong> leben können <strong>und</strong><br />

Gleichberechtigung <strong>und</strong> Respekt für alle selbst<strong>ver</strong>ständlich<br />

sind. Die Bank erinnert uns daran,<br />

dass wir gemeinsam für eine bessere, sicherere<br />

<strong>und</strong> gerechtere Gesellschaft eintreten müssen.<br />

Fazit<br />

„La Panchina Rossa“ oder <strong>di</strong>e „Rote Bank“ ist<br />

ein kraftvolles Symbol des Widerstands <strong>gegen</strong><br />

<strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong>. Sie steht für Solidarität mit<br />

den Opfern, schafft Bewusstsein für das Thema,<br />

erinnert an <strong>di</strong>e Opfer <strong>und</strong> ruft zur Prävention<br />

auf. Sie ist mehr als nur ein Mahnmal – sie ist<br />

ein Aufruf zum Handeln: Für eine Gesellschaft,<br />

in der <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> keine Rolle mehr<br />

spielt.<br />

Tanja Haas<br />

Bezirksfrauenrat Nürnberg<br />

<strong>ver</strong>.<strong>di</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>gegen</strong> Rechts<br />

Wer für <strong>di</strong>e Themen Rechtspopulismus, <strong>Frauen</strong> in<br />

der rechten Szene, <strong>Antifeminismus</strong> <strong>und</strong> Rassismus<br />

sensibilisieren möchte <strong>und</strong> dazu Material braucht,<br />

findet bei den <strong>ver</strong>.<strong>di</strong> <strong>Frauen</strong> Konzepte für Ein-Tages-<br />

oder auch Abend<strong>ver</strong>anstaltungen. Das Material<br />

wird als offene PPT-Datei zur Verfügung gestellt,<br />

so dass es flexibel ergänzt oder nach Bedarf auch<br />

<strong>ver</strong>ändert werden kann.<br />

https://frauen.<strong>ver</strong><strong>di</strong>.de/service/material/<strong>ver</strong>anstaltungskonzepte-frauen-<strong>gegen</strong>-rechts<br />

Diese b<strong>und</strong>esweite Meldestelle dokumentiert antifeministische<br />

Vorfälle <strong>und</strong> macht so antifeministische<br />

Zustände sichtbar. Sie setzt sich für Geschlechtergerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Selbstbestimmung ein.<br />

https://antifeminismus-melden.de/<br />

Das Hilfetelefon <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> –<br />

Unterstützung für <strong>Frauen</strong> in Not<br />

365 Tage im Jahr, r<strong>und</strong> um <strong>di</strong>e Uhr kostenfrei erreichbar:<br />

Das Hilfetelefon „<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong>“<br />

bietet Betroffenen erstmals <strong>di</strong>e Möglichkeit, sich zu<br />

jeder Zeit anonym, kompetent, sicher <strong>und</strong> barrierefrei<br />

beraten zu lassen. Qualifizierte Beraterinnen<br />

stehen den Hilfesuchenden <strong>ver</strong>traulich zur Seite<br />

<strong>und</strong> <strong>ver</strong>mitteln ihnen bei Bedarf Unterstützungsangebote<br />

vor Ort, etwa eine <strong>Frauen</strong>beratungsstelle<br />

oder ein <strong>Frauen</strong>haus in der Nähe. Barrierefreiheit<br />

<strong>und</strong> Mehrsprachigkeit sichern den Zugang für <strong>Frauen</strong><br />

mit Behinderung <strong>und</strong> geringen Deutschkenntnissen.<br />

Auch Angehörigen, Freun<strong>di</strong>nnen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en<br />

sowie Fachkräften steht das Hilfetelefon für Fragen<br />

<strong>und</strong> Informationen zur Verfügung.<br />

Mittlerweile tut sich was in mehreren bayerischen<br />

Städten! Rote Bänke gibt es nun auch in<br />

Isny, in Kempten, in Aschaffenburg, in München<br />

(dort sind sie aller<strong>di</strong>ngs orange) ... Und <strong>di</strong>ese<br />

Liste ist sicher noch nicht vollstän<strong>di</strong>g!<br />

Meldestelle <strong>Antifeminismus</strong><br />

<strong>Antifeminismus</strong> zeigt sich vielfältig: Sexistisch,<br />

frauenfeindlich, queerfeindlich. Und ebenso sind<br />

menschenfeindliche Botschaften, Angriffe auf<br />

Gleichstellung <strong>und</strong> politische Strategien <strong>gegen</strong><br />

Emanzipationsbestrebungen <strong>Antifeminismus</strong>! Dort<br />

können Vorfälle gemeldet <strong>und</strong> Erfahrungen geteilt<br />

werden. So wird <strong>Antifeminismus</strong> sichtbar gemacht.<br />

9


Femizide<br />

<strong>und</strong> <strong>di</strong>e Anfänge einer Gegenwehr<br />

Femizid – der vorsätzliche Mord an <strong>Frauen</strong>, weil<br />

sie <strong>Frauen</strong> sind – ist ein globales Problem. Nach<br />

jüngsten Schätzungen der UN 1 werden weltweit<br />

jedes Jahr 50.000 <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Mädchen von Intimpartnern<br />

oder anderen Familienmitgliedern<br />

getötet. Das sind 137 tote <strong>Frauen</strong>, jeden Tag.<br />

Dabei umfasst <strong>di</strong>ese Zahl nur <strong>di</strong>e Fälle, in denen<br />

<strong>Frauen</strong> durch ein Familienmitglied oder durch<br />

ihren Partner getötet werden, <strong>di</strong>e gezielte Tötung<br />

von <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Mädchen in bewaffneten<br />

Konflikten ist dabei nicht berücksichtigt. Expert*innen<br />

gehen von einer hohen Dunkelziffer<br />

aus, da global betrachtet viele Regierungen keine<br />

Statistiken zu Femiziden führen. Es gibt unterschiedliche<br />

Definitionen des Begriffs. Einig<br />

sind sich <strong>di</strong>e <strong>ver</strong>schiedenen internationalen<br />

Gremien, <strong>di</strong>e zu dem Thema arbeiten, darin,<br />

dass es sich um <strong>di</strong>e vorsätzliche Tötung von<br />

„<strong>Frauen</strong>, weil sie <strong>Frauen</strong> sind“ handelt.<br />

In Mexiko steigert sich <strong>di</strong>e <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong><br />

von Jahr zu Jahr. Allein zwischen 2015 <strong>und</strong><br />

2019 stieg <strong>di</strong>e Zahl der <strong>Frauen</strong>morde um 137<br />

Prozent. Täglich werden in Mexiko etwa 94<br />

Menschen ermordet, ein großer Teil davon geht<br />

auf das Konto krimineller Banden. 2021 wurden<br />

insgesamt 34.312 Morde <strong>ver</strong>übt, durchschnittlich<br />

gehören täglich zehn <strong>Frauen</strong> zu den Opfern.<br />

Auch staatliche Sicherheitskräfte wenden häufig<br />

tödliche <strong>Gewalt</strong> an. Nur ein Viertel der <strong>Frauen</strong>morde<br />

wird offiziellen Angaben zufolge als<br />

Femizid anerkannt, also als Mord, der aufgr<strong>und</strong><br />

1<br />

Global Study on Homicid, gender-related killing of<br />

women and girls, 2019<br />

des Geschlechts <strong>ver</strong>übt wird. Das liegt auch an<br />

der Haltung der Regierung: Der mexikanische<br />

Präsident selbst <strong>di</strong>skre<strong>di</strong>tierte pauschal alle Proteste<br />

der <strong>Frauen</strong>, weil es dabei in der Vergangenheit<br />

auch gewaltsame Ausschreitungen gab.<br />

Die hohe Mordrate an <strong>Frauen</strong> spielte er herunter<br />

– <strong>und</strong> nur ein Bruchteil der Morde wird von den<br />

Behörden <strong>ver</strong>folgt oder gar aufgeklärt.<br />

Eine Stadt wehrt sich<br />

Aber jetzt haben wohl zumindest Teile der Bevölkerung<br />

<strong>di</strong>esen Zustand satt.<br />

Chihuahua, im gleichnamigen B<strong>und</strong>esstaat im<br />

Norden Mexikos an der Grenze zu den USA liegend,<br />

hat nun Maßnahmen ergriffen, um <strong>di</strong>e <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> einzudämmen <strong>und</strong> um <strong>gegen</strong><br />

Femizide vorzugehen: Lieder, deren Texte zur<br />

<strong>Gewalt</strong> an <strong>Frauen</strong> aufrufen, <strong>di</strong>e <strong>Frauen</strong> <strong>di</strong>skriminieren<br />

<strong>und</strong> demütigen, werden mit hohen Geldstrafen<br />

geahndet. Solche, den Machismo <strong>ver</strong>herrlichende<br />

Songs sind in ganz Südamerika<br />

sehr populär – <strong>di</strong>eser Maßnahme kommt also<br />

große Bedeutung zu. Zuwiderhandelnde müssen<br />

mit einer Geldstrafe von bis zu 1,2 Millionen<br />

Pesos (das sind ca. 65.000 €) rechnen, wobei<br />

<strong>di</strong>e gesammelten Gelder an kommunale <strong>Frauen</strong>programme<br />

<strong>und</strong> an Schutzräume für häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong> gespendet werden.<br />

Es ist ein<br />

dorniger Weg für<br />

<strong>di</strong>e <strong>Frauen</strong> in<br />

Mexiko ...<br />

© Rainer Sturm,<br />

pixelio.de<br />

Für Chihuahua, <strong>di</strong>e Hauptstadt des B<strong>und</strong>esstaats<br />

<strong>und</strong> weitere vier Gemeinden wurde eine<br />

„Geschlechterwarnung“ erlassen. Gr<strong>und</strong> dafür,<br />

so Ulate, Leiterin der städtischen Kommission<br />

für <strong>Frauen</strong>, Familien <strong>und</strong> Geschlechtergleichstellung,<br />

ist <strong>di</strong>e hohe Rate struktureller <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong>. „Jede Maßnahme, <strong>di</strong>e zur Beseitigung<br />

<strong>di</strong>eser Umstände beiträgt, zählt.“<br />

Der Bürgermeister der Gemeinde, Marco Bonilla,<br />

drohte all denjenigen saftige Geldstrafen an,<br />

„<strong>di</strong>e Lieder singen, <strong>di</strong>e <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> fördern<br />

<strong>und</strong> den Machismo <strong>ver</strong>herrlichen“. Denn,<br />

so Bonilla, „das ist wie eine Pandemie, sieben<br />

von zehn Anrufen bei der Stadtpolizei stehen im<br />

Zusammenhang mit <strong>Gewalt</strong> innerhalb der Familie.“<br />

Und weiter: „Live-Musik, <strong>di</strong>e <strong>Frauen</strong> objektiviert<br />

<strong>und</strong> sexualisiert, gilt als <strong>Gewalt</strong>.“<br />

Ciudad Juárez ist <strong>di</strong>e bevölkerungsreichste<br />

Stadt im B<strong>und</strong>esstaat Chihuahua <strong>und</strong> berüchtigt<br />

für systematische Femizide. Veronica Corchado,<br />

eine Verfechterin der <strong>Frauen</strong>rechte in der<br />

Stadt, sagte: „Die Realität ist, dass wir ein Problem<br />

der geschlechtsspezifischen <strong>Gewalt</strong> haben,<br />

auf das wir endlich reagieren müssen ... [<strong>Frauen</strong><br />

müssen] jeden Tag Teil der politischen Entscheidungsfindung<br />

sein, sie müssen wirklich beteiligt<br />

werden.“ Nur so hätten sie <strong>di</strong>e Chance, gehört<br />

zu werden <strong>und</strong> ihre Meinung zu politischen Aspekten<br />

in Alltagsfragen einzubringen.<br />

Das macht Hoffnung, hier ist, so scheint es, tatsächlich<br />

etwas in Bewegung geraten.<br />

Quelle: The Guar<strong>di</strong>an,vom 23. August <strong>2023</strong><br />

Dagmar Fries<br />

10


EU-Konzept zur Bekämpfung von<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong><br />

Derzeit gibt es noch keine spezifischen EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Am 8. März 2022 schlug <strong>di</strong>e Europäische Kommission<br />

jedoch eine neue Richtlinie zur Bekämpfung von <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />

vor. Das Ziel des Vorschlags besteht darin, in der gesamten EU ein Mindestmaß an Schutz vor<br />

solchen <strong>Gewalt</strong>taten zu gewährleisten.<br />

In der Präambel zur Richtlinie heißt es: „Mit<br />

<strong>di</strong>esem Vorschlag 1 sollen <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong><br />

<strong>und</strong> häusliche <strong>Gewalt</strong> in der EU wirksam<br />

bekämpft werden. Zu <strong>di</strong>esem Zweck werden<br />

darin Maßnahmen in den folgenden Bereichen<br />

vorgeschlagen: Strafbarkeit von <strong>und</strong> Strafen für<br />

einschlägige Straftaten, Schutz der Opfer <strong>und</strong><br />

Zugang zur Justiz, Unterstützung der Opfer, Verhütung,<br />

Koor<strong>di</strong>nierung <strong>und</strong> Zusammenarbeit.<br />

So wird beispielsweise durch eine EU-Richtlinie<br />

über Mindeststandards für <strong>di</strong>e Rechte, <strong>di</strong>e<br />

Unterstützung <strong>und</strong> den Schutz von Opfern von<br />

Straftaten sichergestellt, dass <strong>di</strong>e Rechte von<br />

Opfern geschlechtsspezifischer <strong>Gewalt</strong> in allen<br />

Phasen des Straf<strong>ver</strong>fahrens gewahrt werden.“<br />

Der Richtlinienentwurf wird von <strong>ver</strong>schiedenen<br />

<strong>Frauen</strong>organisationen gr<strong>und</strong>sätzlich begrüßt.<br />

So schreibt z. B. der Deutsche Juristinnenb<strong>und</strong><br />

e. V. (djb) in seiner Stellungnahme vom 10. Februar<br />

<strong>2023</strong> 2 : „Insbesondere ist positiv hervorzuheben,<br />

dass der Richtlinienentwurf das Phänomen<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> ausdrücklich in<br />

den Kontext von Menschenrechts<strong>ver</strong>letzungen<br />

<strong>und</strong> struktureller Diskriminierung stellt <strong>und</strong> an-<br />

1<br />

Hier gibt es den ganzen Text:<br />

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/txt/pdf/<br />

2<br />

www.djb.de/<br />

erkennt, dass <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Frauen</strong> aus historisch<br />

gewachsenen ungleichen Macht<strong>ver</strong>hältnissen<br />

zwischen <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männern hervorgeht<br />

<strong>und</strong> ihre Wurzeln in gesellschaftlich geprägten<br />

Rollenzuschreibungen für <strong>di</strong>e Geschlechter zu<br />

finden sind. Mit dem Richtlinienentwurf wird sichergestellt,<br />

dass zentrale Vorgaben der Istanbul-Konvention<br />

auf dem Gebiet des Straf- <strong>und</strong><br />

Straf<strong>ver</strong>fahrensrechts ambitioniert im gesamten<br />

Unionsraum umgesetzt werden.“<br />

Auch <strong>di</strong>e <strong>Frauen</strong>hauskoor<strong>di</strong>nierung (FHK) begrüßt<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>di</strong>e Idee einer weiteren Konkretisierung<br />

von Rechten für von geschlechtsspezifischer<br />

<strong>Gewalt</strong> betroffene <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> ihre Kinder. Auch<br />

© Tim Reckmann, pixelio.de<br />

<strong>di</strong>e Absicht, <strong>di</strong>e von der Istanbul-Konvention noch<br />

nicht abgedeckten <strong>Gewalt</strong>formen einzubeziehen,<br />

wird positiv bewertet. Dennoch fordern <strong>di</strong>ese<br />

<strong>Frauen</strong>organisationen nach wie vor den Beitritt der<br />

EU zur Istanbul-Konvention, denn nur so kann ein<br />

vollumfängliches Schutzniveau in allen Mitgliedstaaten<br />

erreicht werden.<br />

Hervorgehoben wird vom djb <strong>di</strong>e Aktualität des<br />

Richtlinienentwurfs hinsichtlich des Themas der<br />

<strong>di</strong>gitalen <strong>Gewalt</strong>, denn „ein nicht unbeträchtlicher<br />

Teil misogyner <strong>Gewalt</strong>taten findet inzwischen<br />

im Netz statt. <strong>Frauen</strong> werden insbesondere<br />

in den sozialen Netzwerken Opfer von<br />

geschlechtsspezifischem Hass <strong>und</strong> Hetze oder<br />

sind der unkontrollierbaren Verbreitung intimen<br />

Bildmaterials ausgesetzt.“ Dennoch sieht der<br />

djb hier weiteren Verbesserungsbedarf. Auch<br />

der Straftatbestand der Vergewaltigung sollte<br />

um alle nicht-ein<strong>ver</strong>ständlichen sexuellen Handlungen<br />

(<strong>und</strong> nicht nur sexuelle Penetration) erweitert<br />

werden.<br />

Die <strong>Frauen</strong>hauskoor<strong>di</strong>nierung (FHK) 3 <strong>ver</strong>misst vor<br />

allem einen umfassenden gesamtgesellschaftlichen<br />

Ansatz zur Prävention <strong>und</strong> <strong>di</strong>e mangelnde<br />

Wür<strong>di</strong>gung der Lebenswirklichkeit von Migrantinnen<br />

<strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> aus marginalisierten Gemeinschaften.<br />

Wie geht es weiter?<br />

Am 9. Juni <strong>2023</strong> hat der Rat <strong>di</strong>e „allgemeine Ausrichtung“<br />

des Richtlinienentwurfs festgelegt. Nun<br />

kann er <strong>di</strong>e Verhandlungen mit dem Europäischen<br />

Parlament aufnehmen, sobald <strong>di</strong>eses seinen<br />

Standpunkt zum Dossier festgelegt hat. Wann das<br />

sein wird? Das ist bislang nicht absehbar. Die EU-<br />

Mühlen mahlen langsam ...<br />

Dagmar Fries<br />

3<br />

www.frauenhauskoor<strong>di</strong>nierung/aktuelles/detail.de<br />

11


Schlusspunkt!<br />

Marie Shear: „Feminismus ist <strong>di</strong>e ra<strong>di</strong>kale Auffassung, dass <strong>Frauen</strong><br />

Menschen sind.“<br />

Jutta Limbach, <strong>di</strong>e erste <strong>und</strong> bislang einzige Präsidentin des B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>fassungsgerichts,<br />

antwortete auf <strong>di</strong>e Frage eines Journalisten, ob<br />

sie sich denn als Feministin bezeichnen würde, kurz <strong>und</strong> knapp <strong>und</strong><br />

schnörkellos: „Ja, natürlich, als was denn sonst!“<br />

Foto:<br />

©Bettina<br />

Messinger

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