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Standpunkt 571, 19. Januar 2024

Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland

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10 | <strong>Standpunkt</strong> der Wirtschaft ARBEITGEBER BASELLAND <strong>19.</strong> <strong>Januar</strong> <strong>2024</strong><br />

MINDESTLOHN IM PARLAMENT – Wenn der Baselbieter Landrat nächste Woche zum ersten Mal<br />

über die kantonale Mindestlohn-Initiative berät, wird ein Detail entscheidend sein.<br />

Denn die Rechtmässigkeit der Initiative steht mehr als auf wackligen Beinen.<br />

Die Mindestlohn-Initiative ist ein Flop<br />

Erhält ein Pizzakurier, der von Basel<br />

eine Pizza nach Birsfelden liefert,<br />

eigentlich den Mindestlohn von der<br />

Stadt oder vom Land? Oder gar in<br />

beiden Kantonen? Um solche Fragen<br />

wird sich der Landrat an seiner kommenden<br />

Sitzung vom 25. <strong>Januar</strong><br />

kümmern müssen. Denn dann behandelt<br />

das Kantonsparlament zum<br />

ersten Mal die kantonale Mindestlohn-Initiative.<br />

Und diese ist happig:<br />

Sie fordert einen Mindestlohn von<br />

22 Franken.<br />

Vorrang vor GAV-Mindestlöhnen<br />

Entgegen der Mindestlohnregelung<br />

im Kanton Basel-Stadt soll der Baselbieter<br />

Mindestlohn für alle Arbeitnehmenden<br />

gelten, «die im Kanton<br />

Basel-Landschaft Arbeitsleistungen<br />

erbringen».<br />

In Basel-Stadt, wie etwa auch in<br />

Zürich, gilt der Mindestlohn nur für<br />

Arbeitnehmende, die «gewöhnlich»<br />

im Stadtgebiet arbeiten. Zudem<br />

kennen die beiden Kantone keinen<br />

Vorbehalt gegenüber GAV-Mindestlöhnen.<br />

Mit anderen Worten: Bei<br />

Annahme der Initiative ginge der<br />

staatliche Mindestlohn den GAV-<br />

Mindestlöhnen vor.<br />

Interessant dabei ist: Nun wird<br />

auch im Kanton Basel-Landschaft<br />

versucht, den Anwendungsbereich<br />

auf alle Arbeitnehmenden auszuweiten,<br />

die bei uns Arbeitsleistungen<br />

erbringen. Ein Anliegen, das in<br />

Die Festsetzung eines Mindestlohns käme einem Lohndiktat gleich.<br />

anderen Kantonen keine Umsetzung<br />

fand. Konkret würde dies bedeuten,<br />

dass von der Mindestlohnregelung<br />

auch Unternehmen betroffen wären,<br />

deren Arbeitnehmende nur teilweise<br />

im Baselbiet arbeiten. Eben der<br />

Pizza kurier oder der Servicemonteur.<br />

Die Gewerkschaften versuchen<br />

Bild: zVg<br />

diesen Passus immer wieder ins Gesetz<br />

zu hieven – bislang vergeblich.<br />

Das Bundesgericht hat zur Forderung,<br />

einen Mindestlohn für alle einzuführen,<br />

eine klare Haltung: Kantone<br />

dürfen nur sozialpolitische<br />

Massnahmen wie Armutsvorbeugung<br />

erlassen. Darum hat das oberste<br />

Gericht den Kanton Neuenburg<br />

zurückgepfiffen, als dieser eine vergleichbare<br />

Vorlage installieren wollte,<br />

wie sie nun das Baselbieter Parlament<br />

zu beurteilen hat.<br />

Rechtsgültigkeit prüfen<br />

In einem ersten Schritt hat der Landrat<br />

jetzt über die Rechtsgültigkeit der<br />

Mindestlohn-Initiative zu befinden.<br />

Geht es nach dem Regierungsrat, soll<br />

die Initiative ohne Weiteres für<br />

rechtsgültig erklärt werden.<br />

Ausführungen zur Frage, ob der<br />

Anwendungsbereich «auf alle Arbeitnehmenden,<br />

die im Kanton Basel-<br />

Landschaft Arbeitsleistungen erbringen»<br />

gültig ist, sucht man in den<br />

Ausführungen vergebens. Wenn hier<br />

tatsächlich eine seriöse Prüfung der<br />

Rechtmässigkeit erfolgen soll, wäre<br />

der Landrat gut beraten, sich dieser<br />

Frage vertieft zu widmen.<br />

Warum der Baselbieter Regierungsrat<br />

dieses entscheidende Element<br />

übersehen hat, bleibt wohl<br />

sein Geheimnis. Denn wird die<br />

Rechtmässigkeit erst nach der Annahme<br />

an der Urne gerichtlich untersucht<br />

und die Mindestlohnregelung<br />

wieder aufgehoben, wäre das ein<br />

immenser Schaden für die Glaubwürdigkeit.<br />

Mischa Hauswirth<br />

MINDESTLOHN – Der Genfer Wirtschaftsprofessor José Ramirez untersuchte die Folgen einer Mindestlohneinführung und kam in einer<br />

Studie zum Schluss, dass eine generelle Lohnerhöhung für die Wirtschaft keine grosse Auswirkungen habe. Der Baselbieter FDP-Landrat<br />

Stefan Degen ist da anderer Meinung. Und ordnet die wichtigsten Aussagen ein.<br />

«Wer möchte für einen Kaffee 10 Franken bezahlen»<br />

Die Studie des Genfer Wirtschaftsprofessors<br />

José Ramirez, anfangs<br />

Jahr von TA-Medien-Publikationen<br />

wie der «Basler Zeitung» publiziert,<br />

fand bei vielen Medien Anklang und<br />

wurden als Beleg dafür gewertet,<br />

dass die Einführung eines Mindestlohnes<br />

für die Wirtschaft keinerlei<br />

Probleme darstellen würde, ja sogar<br />

Vorteile bringe.<br />

Eine der Kernaussagen von Ramirez<br />

heisst: Arbeitslosigkeit steigt<br />

nicht. Stefan Degen, Baselbieter<br />

ARBEITGEBERVERBAND<br />

Arbeitgeber Baselland ist die Vereinigung<br />

aller der Wirtschaftskammer<br />

angeschlossenen Arbeitgeber. Die Angebote<br />

von Arbeitgeber Baselland stehen<br />

allen arbeitgebenden Mitgliedern<br />

der Wirtschaftskammer Baselland zur<br />

Verfügung.<br />

Haus der Wirtschaft<br />

Hardstrasse 1<br />

4133 Pratteln<br />

Telefon: +41 61 927 64 64<br />

E-Mails: info@arbeitgeber-bl.ch<br />

www.kmu.org/arbeitgeber-bl<br />

FDP-Landrat aus Gelterkinden und<br />

CFO einer mittelgrossen Unternehmung<br />

in der Pharmabranche, setzt<br />

dahinter grosse Fragezeichen. Denn<br />

wie in Genf sind auch im Grossraum<br />

Basel viele Grenzgänger beschäftigt,<br />

über 100 000. «Werden Grenzgänger<br />

arbeitslos, tauchen sie nicht in der<br />

Statistik bei uns, sondern in ihrem<br />

Heimatland auf», sagt Degen. Und<br />

solche kantonsbezogenen Angaben<br />

sollten mit Vorsicht interpretiert werden,<br />

da Personen, die weniger gut<br />

oder schlecht ausgebildet sind, sich<br />

dann eher eine Stelle in einem anderen<br />

Kanton suchen. Eines ist sich<br />

Degen sicher: «Ein Mindestlohn<br />

führt zu mehr Arbeitslosigkeit, wenn<br />

der Arbeitgeber zu Lohnanpassungen<br />

gezwungen wird.»<br />

Alle sind betroffen<br />

Die Genfer Studie kam zum Schluss,<br />

dass, wenn ein Anstieg der Arbeitslosigkeit<br />

zu verzeichnen ist, es vor<br />

allem Junge betreffe. Und dies auch<br />

nur, weil im Falle eines Mindestlohnes<br />

Arbeitgeber es vorziehen würden,<br />

ältere Stellenbewerber einzustellen,<br />

um einen möglichst hohen<br />

Nutzen vom Mindestlohn zu haben.<br />

Für Degen widerspricht diese<br />

Aussage dem von den Befürwortern<br />

genannten Argument, es komme<br />

nicht zu mehr Arbeitslosigkeit.<br />

«Mindestlohn nimmt auf niemanden<br />

Rücksicht», so Degen.<br />

Wenn die Befürworter also sagen,<br />

es komme nicht zu mehr Arbeitslosigkeit,<br />

ausser bei den Jungen,<br />

heisst das ja, dass die Arbeitgeber<br />

nur das nehmen, was ihnen etwas<br />

bringt oder anders formuliert, Be-<br />

Stefan Degen aus Gelterkinden ist<br />

FDP-Landrat und CFO eines Unternehmens.<br />

Bild: HDW<br />

werber, die den Mindestlohn wert<br />

sind. Findet der Mindestlohn in der<br />

Statistik keinen Ausdruck, sei er<br />

möglicherweise zu tief, sagt Degen.<br />

Werde er erhöht, führt das definitiv<br />

dazu, dass sich Arbeitgeber von<br />

ihren schlechtqualifizierten Mitarbeitern<br />

trennen. «Wenn man den<br />

Arbeitgebern diese Freiheit nicht gewähren<br />

will, dann würde es einen<br />

massiven Kündigungsschutz brauchen»,<br />

sagt Degen. Und das hätte<br />

verheerende Folgen für den Wirtschaftsstandort<br />

Basel-Landschaft.<br />

Eine weitere Studienaussage lautet:<br />

«Die Wirtschaft hat sich gut angepasst.»<br />

Das ist für Degen wenig<br />

verwunderlich und eine Feststellung<br />

ohne sonderliche Brisanz. «Die<br />

Wirtschaft passt sich an Rahmenbedingungen<br />

immer an», so Degen.<br />

«Zudem erachte ich es als ziemlich<br />

schwierig zu messen, ob etwas<br />

schadet oder nicht.» Jedenfalls kann<br />

von einem Mindestlohn auch kein<br />

Nutzen festgestellt werden. Dass es<br />

der Wirtschaft in den vergangenen<br />

Jahren gutging, ist einem positiven<br />

und von Wachstum geprägtem Umfeld<br />

zu verdanken und nicht einem<br />

Mindestlohn.<br />

Coronafolgen noch zu spüren<br />

Eine von den Befürwortern als<br />

wichtig eingestufte Aussage heisst,<br />

durch einen Mindestlohn würden<br />

nicht mehr Grenzgänger angezogen.<br />

Mit diesem allgemein gehaltenen<br />

Statement bekundet Degen<br />

Mühe. «Wenn ich als Unternehmen<br />

eine Stelle zu besetzen habe und<br />

den Mindestlohn bezahlen muss,<br />

schaue ich als Arbeitgeber sicher,<br />

ob ich eine qualifiziertere Person<br />

finde, die mehr Leistung bringt»,<br />

sagt Degen. Ob diese Fachkraft aus<br />

dem ausländischen Grenzraum<br />

stammt oder nicht, sei da sekundär.<br />

«Für 4000 Franken Monatslohn erhält<br />

der Arbeitgeber vom Grenzgänger<br />

vielleicht mehr Leistung für<br />

den Preis, weil das Geld für den<br />

Arbeitnehmer mehr wert ist.<br />

Anders verhält es sich, wenn jemand<br />

beispielsweise ein Geschäftsleitungsmitglied<br />

sucht. In diesem<br />

Bereich spielt die Qualifikation und<br />

die Frage, ob es passt, sicherlich<br />

eine wichtigere Rolle als nur der<br />

Lohn. Einen Punkt dieser Studie erachtet<br />

Landrat Stefan Degen als besonders<br />

hervorzuheben: In den Medien<br />

wurde ausgebreitet, die Löhne<br />

in der Gastrobranche würden durch<br />

einen Mindestlohn deutlich steigen<br />

– für Degen verdrehen hier die<br />

Mindest lohnbefürworter die Fakten.<br />

«Die Gastro- und Hotelbranche leidet<br />

immer noch an den Coronafolgen»,<br />

sagt Degen. «Infolge der<br />

wirtschaftsfeindlichen Massnahmen<br />

des Staates mussten viele<br />

Gastro betriebe schliessen, die Mitarbeiter<br />

waren gezwungen, sich<br />

eine berufliche Alternative zu suchen,<br />

so Degen. In der Pharmabranche<br />

beispielsweise waren Mitarbeiter<br />

der Gastronomie beliebt und<br />

gesucht.<br />

Im Kanton Basel-Landschaft<br />

kommt eine Mindestlohn-Initiative<br />

möglicherweise noch dieses Jahr<br />

zur Abstimmung, und der Arbeitgeberverband<br />

wird diese Vorlage bekämpfen.<br />

Ein Aspekt, den Mindestlohnbefürworter<br />

gerne zurückhalten:<br />

Wenn es bei Betrieben durch<br />

die Mindestlohneinführung zu höheren<br />

Kosten kommt, dann bleibt<br />

das nicht ohne Auswirkung auf das<br />

Produkt oder die Dienstleistung, die<br />

angeboten wird. Einerseits überlegt<br />

sich dann ein Betrieb oder ein KMU<br />

noch mehr, welche Mitarbeiter ihre<br />

Wertschöpfungskette optimal voranbringen,<br />

um konkurrenzfähig zu<br />

bleiben, was die Jobsuche für<br />

Schlecht- oder Ungenügendausgebildete<br />

erschwert. Andererseits<br />

müssen die höheren Kosten an die<br />

Kunden weitergegeben werden, um<br />

wirtschaftlich überleben zu können.<br />

«Und wer möchte schon für einen<br />

Kaffee 10 Franken bezahlen», so Degen.<br />

Mischa Hauswirth

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