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Neurath, Deutschland, 5. 7. 2005

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In Guiyu im Süden Chinas etwa stapeln sich Elektronika entlang der<br />

Flüsse, Straßen, Wege, selbst auf den Feldern zu schauerlichen Türmen.<br />

Ohne Schutz zerlegen ArbeiterInnen & Kinder die Abfälle des Westens.<br />

Greenpeace-Aktionen gegen gefährlichen E-Schrott der Hersteller.<br />

12<br />

ungeklärt in Flüsse und Bäche.<br />

Wen wundert’s, dass Gesundheitsschäden<br />

hier zum schwer verdienten<br />

täglich Brot gehören. 80 Prozent der<br />

Kinder in den betroffenen Dörfern<br />

leiden an Atemproblemen und Hautkrankheiten.<br />

Blei, z. B. in Bildröhren in<br />

großen Mengen verarbeitet, führt bei<br />

ihnen zu Entwicklungsstörungen, bei<br />

Erwachsenen zu Beeinträchtigungen<br />

des Nervensystems und der Fruchtbarkeit.<br />

Flammschutzmittel auf Platinen<br />

oder in Gehäusen reichern sich in der<br />

Umwelt an und können Gedächtnisverlust<br />

und Gehirnstörungen hervorrufen.<br />

Viele Metallgehäuse enthalten sechswertiges<br />

Chrom – jene stark Krebs<br />

erregende Substanz, gegen die in den<br />

USA die durch den gleichnamigen<br />

Kinofilm bekannte Umweltschützerin<br />

Erin Brokovich gekämpft hat. Oder<br />

Schwermetalle: Kadmium, wichtiger<br />

Bestandteil wieder aufladbarer Batterien<br />

sowie in Steckern und Schaltern zu<br />

finden, kann zu schweren Nieren- und<br />

Knochenschäden führen, Quecksilber<br />

aus Flachbildschirmen Hirn- und Nervenschäden<br />

auslösen. PVC und manch<br />

andere Kunststoffe wiederum setzen<br />

beim Verbrennen gefährliche Gase<br />

wie Dioxin frei. Die Krebs erregenden<br />

Stoffe verursachen schon in kleinsten<br />

Konzentrationen Gesundheitsschäden.<br />

In Süd- und Fernost hingegen brennen<br />

und schwelen die Gehäuse im Freien<br />

vor sich hin. Oh Laptop, mein Methusalem<br />

– langsam graut mir vor deinem<br />

Innenleben!<br />

Immerhin: Auch wenn in Europa kein<br />

Land seine Hände ganz in Unschuld<br />

waschen kann, hat die EU die Dringlichkeit<br />

des E-Schrott-Problems<br />

erkannt. In den letzten Jahren hat<br />

sie zwei Richtlinien ausgearbeitet,<br />

mit denen der Besorgnis erregenden<br />

Entwicklung zumindest ansatzweise<br />

entgegengesteuert werden soll: zum<br />

einen die sperrig klingende „Richtlinie<br />

zur Beschränkung der Verwendung<br />

bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro-<br />

und Elektronikgeräten“ (RoHS-<br />

Direktive). Sie gilt für Hersteller und<br />

Importeure, die ab 1. Juli 2006 einige<br />

giftige Substanzen nicht mehr verwenden<br />

bzw. Geräte mit diesen Bestandteilen<br />

nicht mehr in die EU importieren<br />

dürfen. Der Bannstrahl der Union<br />

trifft hier Blei, Quecksilber, Kadmium,<br />

sechswertiges Chrom und zwei Arten<br />

von Flammschutzmitteln. Andere Gifte,<br />

die auf der Liste hätten stehen sollen,<br />

wurden aufgrund heftiger Gegenwehr<br />

der Industrie allerdings wieder gestrichen.<br />

Greenpeace begrüßt die Entwicklung<br />

prinzipiell, setzt sich aber für<br />

eine Erweiterung der Verbote auf alle<br />

gefährlichen Chemikalien, Flammschutzmittel<br />

und andere halogenierten<br />

Stoffe wie PVC ein. Die Hersteller,<br />

so Greenpeace International in einer<br />

Broschüre zum Thema Elektroschrott,<br />

haben jahrelang vom anhaltenden<br />

Verkaufsboom profitiert, die Entsorgung<br />

ihrer gefährlichen Erzeugnisse<br />

hingegen Steuerzahlern, Gemeinden<br />

und Entwicklungsländern aufgebürdet.<br />

Es wäre an der Zeit, dass Produzenten<br />

für die gesamte Lebensdauer ihrer Produkte<br />

Verantwortung übernehmen.<br />

Auf der anderen Seite verpflichtet die<br />

Elektro- und Elektronik-Altgeräte-<br />

(WEEE)-Richtlinie seit Mitte August<br />

Hersteller und Händler unter anderem<br />

dazu, alte Geräte gratis zurückzunehmen<br />

und fachgerecht zu entsorgen<br />

(siehe Kasten).<br />

Die Kosten, die dadurch entstehen, sollen<br />

die E-Geräte-Bauer dazu veranlassen,<br />

ihre Waren künftig nach anderen<br />

Kriterien zu gestalten: zum Beispiel<br />

langlebiger, einfacher und gefahrenfrei<br />

zerleg- oder großteils recyclebar.<br />

Kritiker befürchten zwar, dass die<br />

hohen Entsorgungskosten direkt an die<br />

Konsumentinnen weitergeben werden<br />

oder dass sie den illegalen Export von<br />

Elektro- und Elektronikschrott in Entwicklungsländern<br />

noch attraktiver machen<br />

könnten – bei Kontrollen in EU-<br />

Häfen werden schon jetzt regelmäßig<br />

Frachtschiffe mit verbotenen Ladungen<br />

gefährlicher Abfälle sicher gestellt.<br />

Doch sofern die Einhaltung der beiden<br />

Verordnungen auch überwacht wird,<br />

sind sie immerhin ein erster Schritt in<br />

die richtige Richtung.<br />

Tja – und was bedeutet das nun für<br />

mich? Vielleicht sollte ich mir ja doch<br />

überlegen, den ausrangierten Alt-Laptop<br />

meiner Freundin zu übernehmen,<br />

bis er seinen letzten Stromzug getan<br />

hat. Sie weiß ohnehin nicht recht, was<br />

tun damit. Denn eigentlich funktioniert<br />

er ja noch einwandfrei ...<br />

Fotos: Seite 10-11: (unten von links) 1-3: GP/Natalie Behring •<br />

(rechts oben) GP/Pierre Virot •<br />

Seite 12: (von oben) 1-4: GP/ Natalie Behring •<br />

5: GP/ Tomas Bravo • Seite 13: (unten) GP/ Pierre Virot

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