02.05.2024 Aufrufe

E-Paper_NOSH-24_MINT-Techechnologe_01

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

In Lübeck entsteht die Stadt der Zukunft<br />

Die Digitalisierung des täglichen Lebens schreitet mächtig voran.<br />

Für das große Ziel der Smart City bildet die TH Lübeck Ingenieure<br />

aus, die mit Sensortechnik, Funktechnologie und künstlicher<br />

Intelligenz zukunftsweisende Lösungen erdenken.<br />

TEXT Hans Wille | FOTO Sophie Blady<br />

Der Büroflur ist Forschungslabor: Auf Hüfthöhe sind etwa<br />

ein Dutzend kleine, rot leuchtende Gerätschaften mit Tape<br />

an die Wände des Korridors geklebt. Weiter oben, an der<br />

Kante zur Decke, zeigen handygroße, mattweiße Flächen<br />

schräg in den Raum. „Mit diesen Sensoren entwickeln wir<br />

Methoden, um Ströme von Menschen in Innenräumen zu<br />

quantifizieren“, sagt Horst Hellbrück, Professor für Kommunikationssysteme<br />

am Fachbereich Elektrotechnik und<br />

Informatik der TH Lübeck und Leiter des Kompetenzzentrums<br />

CoSA, das Kürzel steht für Communication systems,<br />

distributed Systems and their Applications.<br />

Das Kompetenzzentrum unterstützt regionale Partner aus Wirtschaft<br />

und Verwaltung bei der Entwicklung hochmoderner IT-<br />

Lösungen. Was abstrakt klingt, wird am Projekt „Baltic Future Port“<br />

konkret: Zusammen mit der Lübeck Port Authority plant CoSA ein<br />

eigenständiges 5G-Mobilfunk-Netz für den Hafen der einstigen Hansemetropole:<br />

Damit die Schiffe optimal ent- und beladen werden,<br />

wird zukünftig jedem LKW sowohl der individuelle Zufahrtsweg und<br />

Stellplatz zugewiesen als auch sein Zeitfenster.<br />

„Hier bewegen wir uns mitten in der Thematik der Smart City“,<br />

erläutert Horst Hellbrück: „Um die intelligente Stadt entstehen<br />

zu lassen, kooperieren wir je nach Projekt mit Professoren unterschiedlicher<br />

Fachbereiche der TH und auch der Universität Lübeck.“<br />

Architekten und Stadtplaner können an Bord sein, Mediziner und<br />

Betriebswirte, bis hin zu Soziologen und Psychologen.<br />

„Wir als CoSA haben dabei den Part, das Leben der Stadt zu<br />

erfassen“, sagt Hellbrück. Wann erwacht die Stadt im Morgengrauen?<br />

Wie strömen die Menschen im Laufe des Tages? Zu Fuß<br />

oder mit welchen Verkehrsmitteln? Wann gehen spätabends die<br />

Lichter wieder aus? „Es gibt nicht die eine Lösung für alle Anwendungen“,<br />

sagt Hellbrück. „Je nach Fragestellung designen wir die<br />

passende Kombination aus dem Baukasten der Sensorik, künstlichen<br />

Intelligenz und drahtlosen Vernetzung.“ Dadurch ergeben sich<br />

stets neue Themen für die praxisbezogenen Bachelor- und Masterarbeiten<br />

seiner Studierenden.<br />

Hellbrück, geboren 1967, hat nach dem Abitur in Saarbrücken<br />

Elektrotechnik studiert, später in Braunschweig als Informatiker<br />

„Die Berufsaussichten unserer<br />

Absolventen sind sehr gut.“<br />

promoviert. Zudem hat er in unterschiedlichen Hi-Tech-Konzernen<br />

vom Programmierer bis zum Leiter für Automatisierungstechnik<br />

gearbeitet. Er schaut sein Gegenüber offen an, während er in<br />

ruhigem Tonfall erläutert, dass Politik und Verwaltung städtebauliche<br />

Entscheidungen – etwa ob eine Straße zur Einbahnstraße<br />

erklärt werden solle – häufig aus dem Bauch heraus oder aus politischem<br />

Kalkül träfen. „Für eine faktenbasierte Entscheidung hilft<br />

unsere Datenlage über die tatsächlichen Verkehrsströme.“ Wenn<br />

das Pulsieren der Stadt sogar dauerhaft im Detail erfasst werde,<br />

dann könne zum Beispiel ein Shopping-Center zeitnah evaluieren,<br />

ob eine bestimmte Baumaßnahme zu mehr Laufkundschaft geführt<br />

hat.<br />

„Die Stadt hört übrigens nicht an den Gebäudegrenzen auf“, so Hellbrück.<br />

Damit etwa eine Bibliothek die Frequentierung der einzelnen<br />

Wege und Regale erfahren kann, seien spezielle Indoor-Lösungen<br />

gefragt. Weil GPS innerhalb von Gebäuden nicht zuverlässig funktioniert,<br />

experimentieren einige Mitarbeiter des CoSA derzeit in dem<br />

Reallabor auf dem Büroflur an der sogenannten passiven Ortung<br />

per WLAN. Passiv, weil der Sensor das eigene Handy ist, das heute<br />

fast jeder bei sich trägt. „Da entwickeln wir ein ganz neues System,<br />

das in diesem frühen Stadium noch nicht für den produktiven Einsatz<br />

gedacht ist“, ergänzt Hellbrück.<br />

Bereits abgeschlossen ist das Projekt „Smart Region Hub Eutin“, bei<br />

dem CoSA für die Schleswig-Holsteinische Kleinstadt ein leistungsstarkes<br />

Funknetz entwickelt hat, das große Datenmengen energieeffizient<br />

über lange Strecken senden kann. Mit diesem Long Range<br />

Wide Area Network, kurz LoRaWAN, sind die Stadtwerke Eutin für<br />

viele denkbare Smart-City-Anwendungen gerüstet. Bereits heute<br />

haben sie damit alle eigenen Fahrzeuge im digitalen Blick, kontrollieren<br />

die Verkehrsströme und Belegung der Parkplätze im Stadtgebiet<br />

und überwachen sogar die Wassertemperatur im Eutiner See.<br />

Weitere Anwendungen können die Stadtwerke integrieren.<br />

Faszination Technik: Roboterhund unterstützen die<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der<br />

TH Lübeck bei ihrer Arbeit.<br />

Horst Hellbrück, Professor für Kommunikationssysteme am Fachbereich Elektrotechnik<br />

und Informatik der TH Lübeck und Leiter des Kompetenzzentrums CoSA.<br />

Wetterstation auf dem Dach des CoSA.<br />

6<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!