FOYER - die Theaterzeitung des Mainfranken Theaters
In der Januar-Ausgabe der FOYER lesen Sie alles zu unserer neuen Familienproduktion ENTE, TOD UND TULPE.
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SEITE 6 MAINFRANKEN THEATER WÜRZBURG<br />
<strong>FOYER</strong> | JANUAR 2024<br />
TANZCOMPAGNIE<br />
EIN BEWEGENDER ENTERTAINER<br />
Wiederaufnahme Chaplin! in der Theaterfabrik Blaue Halle<br />
Tanzcompagnie <strong>des</strong> <strong>Mainfranken</strong> <strong>Theaters</strong><br />
Matisse Maitland, Carl Hughes<br />
Am 10. Februar bringt das Tanzensemble<br />
<strong>die</strong> beliebte Chaplin!-<br />
Produktion zurück auf <strong>die</strong> Bühne<br />
der Blauen Halle. Die positive Resonanz<br />
in der vergangenen Spielzeit zeigt, dass<br />
Charlie Chaplin auch heute Menschen<br />
mit seinem Leben und seiner Kunst anspricht,<br />
inspiriert und bewegt.<br />
Die Rolle, mit der Charlie Chaplin der Durchbruch<br />
in den Vereinigten Staaten und schließlich<br />
in der ganzen Welt gelang, ist bis heute<br />
untrennbar mit seinem Namen verbunden: Der<br />
Tramp. Er ist eine kindliche, unbeholfene, aber<br />
gutherzige Figur. Er ist bemüht, sich trotz seines<br />
niedrigen sozialen Status wie ein Gentleman<br />
zu verhalten. Die ikonische Rolle <strong>des</strong> Tramp<br />
entstand eher zufällig bei den Dreharbeiten zu<br />
Mabel’s Strange Predicament (1914) von Mabel<br />
Normand. Das Kostüm: Ein Paar weite Hosen,<br />
ein enger Mantel, ein kleiner Derby-Hut und ein<br />
großes Paar Schuhe. „Ich wollte, dass <strong>die</strong> Kleidung<br />
ein Sammelsurium von Widersprüchen<br />
ist […]. Um eine komische Note hinzuzufügen,<br />
trug ich einen kleinen Schnurrbart, der meinen<br />
Gesichtsausdruck nicht verbergen sollte.<br />
[…] Die Kleidung schien der Figur ihren Geist<br />
einzuhauchen. Er wurde tatsächlich ein Mann<br />
mit einer Seele – einem Standpunkt. […] Er trägt<br />
einen Hauch von romantischem Hunger in sich,<br />
ist immer auf der Suche nach Romantik, aber<br />
seine Füße lassen ihn nicht“, erklärt Chaplin in<br />
einem Interview 1933.<br />
Wie in Chaplins Leben nimmt seine bekannteste<br />
Figur auch in Dominique Dumais’ Tanzproduktion<br />
eine zentrale Rolle ein. Verena<br />
Hemmerlein, <strong>die</strong> für Chaplin! das Bühnen- und<br />
Kostümbild entwarf, erklärt zum zusammengewürfelten<br />
Kostüm <strong>des</strong> Tramp: „Es zeigt hier<br />
eine Parallele zu Chaplins Biografie. In Armut<br />
mit einer psychisch instabilen Mutter und<br />
ohne Vater aufgewachsen, musste er viel zu<br />
früh Verantwortung übernehmen, quasi in zu<br />
große Schuhe schlüpfen. Das zu kleine Jackett<br />
ist auch ein typisches Bild für Kinder in Armut<br />
– dem alten entwachsen, aber kein Geld<br />
für ein neues. Und dennoch ist er mit Weste,<br />
Fliege, Melone und Stock stets auf ein würdevolles,<br />
gepflegtes Aussehen bedacht.“ Für<br />
Dominique Dumais ist der Tramp ein Sinnbild<br />
der Willensstärke und unbeugsamer Hoffnung:<br />
„Man sagt, Chaplin thematisiert in der<br />
Figur <strong>des</strong> Tramp <strong>die</strong> Demütigungen und Traumata<br />
seiner Kindheit und wie er sich zugleich<br />
trotz aller unglücklichen Umstände <strong>die</strong>sen<br />
widersetzte. Trotz aller Schwierigkeiten und<br />
ganz gleich, was ihm widerfahren mag, der<br />
Tramp bewahrt sich stets seinen Humor und<br />
seine Würde – mit seinem Jacket, seiner<br />
Melone und seinem Gehstock, ganz wie ein<br />
Gentleman. Die meisten Menschen erleben<br />
irgendwann, in irgendeiner Form Erniedrigung,<br />
Leid oder das Gefühl von Entfremdung.<br />
Der Tramp steht daher in gewisser Weise für<br />
das Bild eines everyday man. Dies ist auch <strong>die</strong><br />
Idee, <strong>die</strong> hinter dem Konzept von all unseren<br />
Tänzerinnen und Tänzern als Tramp steht.“ Im<br />
Kontrast zur Figur <strong>des</strong> Tramp, <strong>die</strong> sich wie ein<br />
roter Faden durch das Stück zieht, steht ein<br />
zweiter Satz Kostüme. Dieser zeigt Menschen<br />
„aus dem realen Leben, wie Chaplin selbst<br />
und seine Mitmenschen, seine Frauen, oder<br />
auch zufällige Begegnungen, <strong>die</strong> den Künstler<br />
inspirierten. Diese Kostüme sind in Farbe gehalten,<br />
in gedeckten Tönen, allerdings zeitlich<br />
nicht strikt historisch, sondern bewusst eine<br />
Annäherung an unsere Zeit suchend. Denn<br />
<strong>die</strong> menschlichen Beobachtungen Chaplins<br />
sind zeitlos“, so Hemmerlein. (swi)<br />
WIEDERAUFNAHME<br />
Samstag, 10. Februar 2024 | 19:30 Uhr<br />
Theaterfabrik Blaue Halle<br />
WEITERE VORSTELLUNGEN<br />
Samstag, 2. März 2024 | 19:30 Uhr<br />
Sonntag, 24. März 2024 | 18:00 Uhr<br />
Sonntag, 31. März 2024 | 18:00 Uhr<br />
Weitere Termine unter<br />
mainfrankentheater.de/chaplin<br />
VIEL MEHR ALS MUND AN MUND!<br />
Ein Kuss ist ein Versprechen. Ein<br />
Symbol. Ein Anfang oder auch ein<br />
Ende. Flüchtig und doch beständig.<br />
Ein Kuss prägt sich ein, in <strong>die</strong> Haut wie<br />
in den Geist. Kaum eine andere Geste<br />
scheint so universell, von Kindheit an<br />
natürlich. Vom ersten Kuss der Mutter<br />
bis zum letzten Kuss <strong>des</strong> To<strong>des</strong>.<br />
Der Moment <strong>des</strong> Anschmiegens zweier Kreise<br />
aneinander, eines Himmelskörpers an seine<br />
Umlaufbahn, genannt Oskulation vom lateinischen<br />
Wort für Küssen, zeigt uns: Wir sind<br />
umgeben von einer Welt, <strong>die</strong> immer wieder in<br />
Kontakt tritt, deren Kurven sich immer wieder<br />
treffen in <strong>die</strong>ser einzigartigen Berührung. In<br />
ihrer Inszenierung „A kiss to the world“ kreiert<br />
Dominique Dumais zum ersten Mal einen<br />
Tanzabend an der Deutschen Oper am Rhein.<br />
Sie geht mit ihrer den Körper erforschenden<br />
Bewegungssprache in den Dialog mit den Tänzerinnen<br />
und Tänzern. Musikalisch begleitet<br />
wird das Tanzensemble dabei vom Orchester<br />
der Düsseldorfer Symphoniker.<br />
Premiere der Uraufführung im Opernhaus<br />
Düsseldorf ist am Samstag, 20. Januar 2024<br />
um 19.30 Uhr. Weitere Termine sind unter<br />
www.operamrhein.de in der Rubrik Spielplan<br />
zu finden. (red)<br />
Doris Becker, Dominique Dumais, Edvin Somai | © Foto: Daniel Senzek