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Radioaktivität, Röntgenstrahlen und Gesundheit - Bayerisches ...

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<strong>Bayerisches</strong> Staatsministerium für<br />

Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />

<strong>Radioaktivität</strong>, <strong>Röntgenstrahlen</strong><br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

Strahlenschutz


<strong>Bayerisches</strong> Staatsministerium für<br />

Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />

<strong>Radioaktivität</strong>,<br />

<strong>Röntgenstrahlen</strong> <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Oktober 2006<br />

Strahlenschutz


Gesamt- Prof. Dr. K. Hahn<br />

koordinierung Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

<strong>und</strong> Gesamt- Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

leitung: E-Mail: klaus.hahn@med.uni-muenchen.de<br />

Autoren: Prof. Dr. L. Feinendegen<br />

Wannental 45, 99131 Lindau am Bodensee<br />

E-Mail: feinendegen@gmx.net<br />

Prof. Dr. K. Hahn<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

E-Mail: klaus.hahn@med.uni-muenchen.de<br />

Dr. Dr. Hubert Löcker<br />

GSF – Institut für Strahlenschutz<br />

Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg<br />

E-Mail: loecker@gsf.de<br />

Dr. Heinz Müller<br />

GSF – Institut für Strahlenschutz<br />

Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg<br />

E-Mail: heinz.mueller@gsf.de<br />

Prof. Dr. H. G. Paretzke<br />

GSF – Institut für Strahlenschutz<br />

Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg<br />

E-Mail: paretzke@gsf.de<br />

Prof. Dr. Ch. Reiners<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

Josef-Schneider-Str. 2, 97980 Würzburg<br />

E-Mail: reiners@nuklearmedizin.uniwuerzburg.de<br />

PD Dr. Werner Rühm<br />

GSF – Institut für Strahlenschutz<br />

Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg<br />

E-Mail: werner.ruehm@gsf.de<br />

Dr. Rita Schneider<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

Josef-Schneider-Str. 2, 97980 Würzburg<br />

E-Mail: Schneider_R1@klinik.uni-wuerzburg.de<br />

Dr. Ch. Zach<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

E-Mail: christian.zach@med.uni-muenchen.de<br />

II


Vorwort<br />

Radioaktive Stoffe, wie etwa das Uran, kommen seit der<br />

Entstehung der Erde in großem Umfang in der Natur vor<br />

oder werden künstlich hergestellt (wie z.B. Technetium-99 m )<br />

<strong>und</strong> in Medizin <strong>und</strong> Technik verwendet. Als Abfallprodukte<br />

entstehen sie auch bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie.<br />

Seit der Entdeckung der <strong>Radioaktivität</strong> im Jahre<br />

1896 durch A.H. Becquerel wird auch die Wirkung der von<br />

radioaktiven Stoffen ausgehenden Strahlung auf den Menschen<br />

untersucht. Gleiches gilt für die von Conrad Wilhelm<br />

Röntgen im Jahr 1895 entdeckte <strong>und</strong> nach ihm benannte<br />

Strahlung, die als ionisierende Strahlung vergleichbare Eigenschaften<br />

wie die von radioaktiven Stoffen ausgehende<br />

Strahlung besitzt. Besonders bei der friedlichen Nutzung der<br />

Kernenergie <strong>und</strong> bei der Medizin hat die Frage nach der<br />

Auswirkung der <strong>Radioaktivität</strong> <strong>und</strong> der Röntgenstrahlung auf<br />

die Ges<strong>und</strong>heit der Menschen stets eine wichtige Rolle<br />

gespielt. Zuweilen wird in diesem Zusammenhang - oft aus<br />

mangelnder Kenntnis strahlenbiologischer Fakten oder aufgr<strong>und</strong><br />

fehlerhafter Auswertung statistischer Daten - versucht,<br />

eine Beziehung zwischen einer an einem bestimmten<br />

Ort beobachteten erhöhten Zahl von Krebsfällen oder anderen<br />

Erkrankungen <strong>und</strong> den dort gemessenen oder vermuteten<br />

niedrigen Strahlendosen herzustellen. In der Öffentlichkeit<br />

erregen solche Behauptungen in der Regel beträchtliches<br />

Aufsehen.<br />

Die durchaus verständliche Folge derartiger beunruhigender<br />

Aussagen ist in der Regel eine häufig überzogene Angst vor<br />

jeglicher Strahlung. Diese Angst kann sich unter anderem<br />

auch aufgr<strong>und</strong> der Tatsache entwickeln, dass sich <strong>Radioaktivität</strong><br />

der direkten Sinneswahrnehmung des Menschen<br />

entzieht <strong>und</strong> ihre Wirkungen für den Einzelnen nicht aus der<br />

Erfahrung heraus zu beurteilen sind.<br />

Der Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986<br />

hat diese Angst verstärkt. Bei dem Unfall wurden sehr große<br />

Mengen an radioaktiven Stoffen freigesetzt; in der Umgebung<br />

musste ein Gebiet von etwa 1000 km 2 evakuiert werden.<br />

Ein Teil der radioaktiven Spaltprodukte wurde von den<br />

Luftströmungen viele h<strong>und</strong>ert Kilometer weit transportiert<br />

<strong>und</strong> auch in geringen Mengen in Mitteleuropa abgelagert.<br />

III


Bei den geäußerten Ängsten vor der <strong>Radioaktivität</strong> <strong>und</strong> vor<br />

<strong>Röntgenstrahlen</strong> bleibt jedoch häufig unerwähnt, dass nach<br />

vielen Jahrzehnten weltweiter intensiver Forschung heute<br />

ein Wissensstand über die Wirkung der ionisierenden Strahlung<br />

erreicht ist, der die Kenntnisse über die Wirkung anderer<br />

Schadstoffe bei weitem übertrifft. Dieser hohe Kenntnisstand<br />

wird auch dadurch belegt, dass sich das prinzipielle<br />

Bild, das in Medizin <strong>und</strong> Biologie über die Strahlenwirkung<br />

besteht, in den letzten Jahrzehnten nicht mehr gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

geändert hat. Es wurden in dieser Zeit lediglich die Kenntnisse<br />

vertieft, noch unbekannte Detailmechanismen aufgeklärt<br />

<strong>und</strong> die anfänglich wegen noch unzureichender Daten<br />

unsicheren Risikoschätzungen präzisiert.<br />

Die vorliegende Broschüre, deren einzelne Kapitel von ausgewiesenen<br />

wissenschaftlichen Experten bearbeitet wurden,<br />

berücksichtigt den Kenntnisstand bis Mitte 2006.<br />

K. Hahn, München<br />

IV


Inhalt<br />

Vorwort...................................................................... III<br />

1. Physikalische Gr<strong>und</strong>lagen ......................<br />

Ch. Zach<br />

1<br />

1.1 Bau der Atome .................................................<br />

Nuklide <strong>und</strong> Isotope<br />

1<br />

1.2 <strong>Radioaktivität</strong> ...................................................<br />

Definitionen <strong>und</strong> Kenngrößen � Strahlenarten �<br />

Reichweite <strong>und</strong> Wechselwirkung mit Materie<br />

� Abschirmung<br />

2<br />

1.3 Dosisbegriffe.................................................... 13<br />

1.4 Messgrößen im Strahlenschutz ..................... 20<br />

1.5 Literatur ............................................................ 24<br />

2. Biologische Gr<strong>und</strong>lagen ..........................<br />

L. Feindegen<br />

25<br />

2.1 Wirkungsweise ionisierender Strahlung auf<br />

einzelne Zellen .................................................<br />

Zellen als kleinste Funktionseinheiten lebender<br />

Körper � Mechanismen der Zellschädigung �<br />

Strahlenempfindliche Teile der Zelle � Reparatur<br />

von Strahlenschäden in der Zelle � Unterschiedliche<br />

Strahlenempfindlichkeiten im Körper<br />

� Genom-Instabilität; Apoptose � Akute <strong>und</strong><br />

chronische Bestrahlung � Biologische Dosimetrie<br />

25<br />

2.2 Wirkungsweise ionisierender Strahlung auf<br />

vielzellige Organismen....................................<br />

Bystander Effekte � Strahleninduzierte Störungen<br />

des biologischen Gleichgewichtes, adaptive<br />

Reaktionen � Abwehr- <strong>und</strong> Reparaturmechanismen<br />

vielzelliger Systeme � Stochasti-<br />

40<br />

sche Strahlenwirkungen � Deterministische<br />

Strahlenwirkungen � Genetische Strahlenwirkungen<br />

� Faktorenabhängigkeit der Strahlenwirkungen<br />

V


2.3 Akute Strahlenschäden................................... 53<br />

Zellerneuerungssysteme � Akute Strahlenkrankheiten<br />

nach einmaliger Ganzköperexposition<br />

� Strahlenschäden der Haut, verstärkende<br />

Schäden � Strahlenschäden der Keimdü-<br />

2.4<br />

sen � Strahlenschäden des ungeborenen Lebens<br />

Späte Strahlenschäden...................................<br />

Deterministische Spätschäden - Effekte durch<br />

chronische Strahlenexposition mit niedriger<br />

Dosisrate - Somatische Spätschäden nach<br />

Strahlenexposition mit hoher Dosis oder Dosisrate<br />

� Stochastische Spätschäden - Allgemeine<br />

Einleitung, Risikoanalyse - Sek<strong>und</strong>äre Faktoren<br />

bei der Risikoanalyse - Die Überlebenden<br />

in Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki - Für einzelne<br />

Organe geschätzte Risikoanteile am Gesamtrisiko<br />

- Andere epidemiologische Studien an<br />

exponierten Populationen<br />

61<br />

2.5 Anstehende Modifikationen der Risikoanalyse<br />

.............................................................<br />

Die möglichen Dosis-Risiko Beziehungen für<br />

Strahlenkrebs � Physiologische Abwehr- <strong>und</strong><br />

Anpassungsreaktionen biologischer Systeme<br />

71<br />

2.6 Hormesis <strong>und</strong> kleine Dosen ........................... 76<br />

2.7 Literatur ............................................................ 80<br />

3. Anwendung ionisierender Strahlung in<br />

Technik, Wissenschaft <strong>und</strong> Medizin ....<br />

H. Müller, H. G. Paretzke, W. Rühm, K. Hahn<br />

82<br />

3.1 Energieerzeugung (Kernspaltung, Fusion)...<br />

Kernfusion � Kernspaltung � Reaktortypen �<br />

Strahlenexposition durch den Betrieb von<br />

Kernkraftwerken - Beschäftigte - Bevölkerung<br />

82<br />

3.2 Beispiele für Anwendungen in der Industrie 92<br />

Radiographie - Werkstoffprüfung – Röntgenfloureszenz-Analyse<br />

� Industriell genutzte Be-<br />

VI


3.3<br />

strahlungsanlagen - Anlagen zur Sterilisation<br />

<strong>und</strong> Konservierung - Anlagen zur Polymerisation<br />

von Kunststoffen � Herstellung von Radioisotopen<br />

- Radioisotope in Kalibrierquellen<br />

- Radioisotope für Rauchmelder - Radioisotope<br />

in Regel- <strong>und</strong> Messeinrichtungen<br />

Beispiele für Anwendungen in der<br />

Wissenschaft ...................................................<br />

Radioisotope � Partikel- <strong>und</strong> Photonenstrahlung<br />

� Untersuchungen im Forschungsreaktor<br />

96<br />

3.4 Beispiele für Anwendungen in der Medizin<br />

zur Diagnostik <strong>und</strong> Therapie ..........................<br />

Radionuklide in der modernen medizinischen<br />

Diagnostik <strong>und</strong> Therapie - Voraussetzungen<br />

zur Anwendung von Radionukliden in der Medizin<br />

- Radionuklide in der Diagnostik - Spezielle<br />

nuklearmedizinische Untersuchungen -<br />

101<br />

Nuklearmedizinische Tomographie-Untersu-<br />

3.5<br />

chungsverfahren - Radionuklide in der Therapie<br />

� Röntgendiagnostik � Perkutane Strahlentherapie<br />

Behandlung radioaktiver Abfälle ................... 124<br />

3.6 Literatur ............................................................ 129<br />

4. Strahlenexposition <strong>und</strong><br />

Umweltradioaktivität.................................. 130<br />

H. Löcker, H. Müller, H. G. Paretzke<br />

4.1 Das Verhalten radioaktiver Stoffe in der<br />

Umwelt (Radioökologie).................................. 130<br />

Ausbreitung in der Atmosphäre � Einflussgrößen<br />

bei der Ausbreitung – Wind - Turbulenzzustand<br />

der Atmosphäre - Freisetzungshöhe -<br />

Physikalisch-chemische Form � Ausbreitungsmodelle<br />

- Gauss-Modelle - Eulersche Ausbreitungsmodelle<br />

- Lagrangesche Ausbreitungsmodelle<br />

� Deposition <strong>und</strong> Verbleib auf Oberflächen<br />

- Trockene Deposition - Nasse Deposi-<br />

VII


4.2<br />

tion – Interzeption - Verbleib auf Oberflächen -<br />

Resuspension � Ausbreitung in Gewässern �<br />

Radionuklide in Nahrungsketten - Kontamination<br />

von Pflanzen - Kontamination von Tierprodukten<br />

- Einfluss der Verarbeitung <strong>und</strong> Lagerung<br />

auf die Kontamination � Interne Strahlenexposition<br />

- Ingestion - Inhalation - Verhalten<br />

der radioaktiven Stoffe im Körper � Externe<br />

Strahlenexposition - Strahlung aus einer „radioaktiven<br />

Wolke“ - Strahlung von abgelagerten<br />

Nukliden<br />

Strahlenexposition aus natürlichen Quellen<br />

Externe Strahlenexposition - Kosmische Strahlung<br />

- Kosmogene Radionuklide - Terrestrische<br />

Strahlung � Interne Strahlenexposition -<br />

Das radioaktive Edelgas Radon - Natürliche<br />

radioaktive Stoffe in der Nahrung � Gesamte<br />

natürliche Strahlenexposition<br />

157<br />

4.3 Strahlenexposition aus zivilisatorischen<br />

Quellen .............................................................<br />

Strahlenexposition in der Nähe von kerntechnischen<br />

Anlagen � Strahlenexposition durch<br />

den Reaktorunfall von Tschernobyl � Strahlenexposition<br />

durch den Transport von radioaktiven<br />

Stoffen (Castor) � Strahlenexposition<br />

durch Quellen in Industrie, Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Medizin – Bestrahlungsanlagen - Zerstörungsfreie<br />

Materialprüfung - Leuchtziffern (Lumineszenz)<br />

- Radioisotope – Produktion <strong>und</strong> Versand<br />

- Bohrlochmessungen („Well Logging“) -<br />

Beschleuniger � Medizinische Strahlenexposition<br />

� Berufliche Strahlenexposition<br />

171<br />

4.4 Problematik epidemiologischer Studien<br />

zur Strahlenexposition der Bevölkerung<br />

(Fallkontroll-Studien) ...................................... 185<br />

4.5 Literatur ............................................................ 192<br />

VIII


5. Strahlenschutz <strong>und</strong> gesetzliche<br />

Vorschriften .................................................. 194<br />

Ch. Zach<br />

5.1 Planung <strong>und</strong> Durchführung des praktischen<br />

Strahlenschutzes.............................................<br />

Schutz vor äußerer Exposition � Personenkontamination<br />

<strong>und</strong> Dekontaminationsmöglichkeiten<br />

� Inkorporation <strong>und</strong> Dekorporationsmöglichkeiten<br />

194<br />

5.2 Gesetzliche Schutzvorschriften .....................<br />

Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) - Festlegung<br />

der Grenzwerte unter ges<strong>und</strong>heitlichen,<br />

204<br />

gesellschaftspolitischen <strong>und</strong> ökonomischen<br />

5.3<br />

Aspekten - Höchstwerte der Oberflächen- <strong>und</strong><br />

massebezogenen Kontamination - Freigabeverfahren<br />

� Röntgenverordnung (RöV) � Neue<br />

Regelung in der StrlschV <strong>und</strong> in der RöV -<br />

Rechtfertigende Indikation - Diagnostische Referenzwerte<br />

- Ärztliche Stelle - Berücksichtigung<br />

natürlicher Strahlenquellen bei der Arbeit<br />

� Strahlenschutzvorsorgegesetz - Immissions<strong>und</strong><br />

Emissionsüberwachung - Höchstwerte der<br />

Aktivitätskonzentration in Luft <strong>und</strong> Wasser<br />

Genehmigungspflicht des Umgangs mit<br />

radioaktiven Stoffen ........................................ 223<br />

Genehmigungsvoraussetzungen (Rechtferti-<br />

5.4<br />

gung, Sicherheitsanforderungen) � Nachweis<br />

der Einhaltung der Schutzbestimmungen (Radioökologische<br />

Berechnungen u.a.)<br />

Literatur ............................................................ 226<br />

6. Vorsorgemaßnahmen bei<br />

Strahlenunfällen.......................................... 227<br />

R. Schneider, Ch. Reiners<br />

6.1 Reaktorunfälle (Beispiel Tschernobyl) .......... 227<br />

Reaktorunfälle vor Tschernobyl � Der Tschernobylunfall<br />

� Ges<strong>und</strong>heitliche Folgen des Tscher-<br />

IX


6.2<br />

nobylunfalls - Exponierte Personen - Strahlendosen<br />

- Schilddrüsenerkrankungen - Leukämie<br />

- Andere solide Tumoren als Schilddrüsenkrebs<br />

- Andere ges<strong>und</strong>heitliche Effekte - Strahlenexposition<br />

in Deutschland durch Tschernobyl<br />

� Iodblockade als Maßnahme zur Strahlenschutzvorsorge<br />

Missbrauch von radioaktiven Stoffen............ 243<br />

Nuklearkriminalität � Nuklearterrorismus -<br />

6.3<br />

„Schmutzige Bombe“ - Sabotage bzw. terroristischer<br />

Anschlag - Improvisierte Nuklearbombe<br />

� Gegenmaßnahmen<br />

Überwachung der Umweltradioaktivität<br />

in Bayern .........................................................<br />

Integriertes Mess- <strong>und</strong> Informationssystems<br />

(IMIS) zur Überwachung der allgemeinen Um-<br />

252<br />

weltradioaktivität � Immissionsmessnetz für<br />

<strong>Radioaktivität</strong> (IfR) zur Überwachung der Umweltradioaktivität<br />

� Umgebungsüberwachung<br />

6.4<br />

bayerischer Kernkraftwerke � Kernreaktor-<br />

Fernüberwachungssystem (KFÜ)<br />

<strong>Radioaktivität</strong>smessungen beim<br />

grenzüberschreitenden Verkehr ...................<br />

„Tschernobyl-Verordnung“ � Grenzmonitoring<br />

257<br />

6.5 Katastrophenschutz-Maßnahmen..................<br />

Katastrophenschutz - Zuständigkeit <strong>und</strong> rechtliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen - Maßnahmen � Strahlenschutzvorsorgezentren<br />

260<br />

6.6 Literatur............................................................ 266<br />

7. Erläuterung von Fachbegriffen.............. 274<br />

8. Sachverzeichnis.......................................... 300<br />

X


1. Physikalische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

1.1 Bau der Atome<br />

Die belebte <strong>und</strong> unbelebte Materie setzt sich aus kleinsten<br />

Bausteinen, den Atomen, zusammen. Diese bestehen aus<br />

dem Atomkern <strong>und</strong> der Atomhülle. Nahezu die gesamte<br />

Masse des Atoms ist im Kern konzentriert; die Atomhülle<br />

umgibt den Kern wie eine Wolke. Der Atomkern ist aus zwei<br />

verschiedenen Bausteinen aufgebaut, Nukleonen genannt.<br />

Es sind dies:<br />

� Das Proton (p), es trägt eine positive Elementarladung<br />

<strong>und</strong> hat definitionsgemäß die Massenzahl 1.<br />

� Das Neutron (n), das elektrisch neutral <strong>und</strong> gleich schwer<br />

wie das Proton ist. Es besitzt also ebenfalls die Massenzahl<br />

1.<br />

Die Anzahl der Protonen im Atomkern, die Kernladungszahl,<br />

kennzeichnet das chemische Element.<br />

Beispiele:<br />

Wasserstoff 1 Proton<br />

Helium 2 Protonen<br />

Kohlenstoff 6 Protonen<br />

Uran 92 Protonen<br />

Die Summe der Nukleonen (p+n, Protonen <strong>und</strong> Neutronen)<br />

im Kern nennt man die Massenzahl des betreffenden Atoms.<br />

Die Hülle eines Atoms wird aus Elektronen gebildet. Sie tragen<br />

je eine negative Elementarladung <strong>und</strong> besitzen nur etwa<br />

1/2000 der Protonenmasse. Die Zahl der Elektronen in der<br />

Hülle entspricht der Zahl der Protonen im Kern, das Atom ist<br />

also nach außen hin elektrisch neutral.<br />

Die Elektronen befinden sich in verschiedenen Schalen –<br />

mit den Buchstaben K bis Q bezeichnet – in unterschiedlichen<br />

Abständen vom Kern <strong>und</strong> sind unter anderem für die<br />

Fähigkeit der meisten Atome verantwortlich, miteinander<br />

chemische Bindungen einzugehen, also Moleküle zu bilden.<br />

Der Durchmesser des Atomkerns verhält sich zum Durchmesser<br />

der Atomhülle etwa wie 1:100000, das entspricht<br />

dem Durchmesser eines Streichholzkopfes im Verhältnis zu<br />

einem 200 m hohen Fernsehturm.<br />

1


Nuklide <strong>und</strong> Isotope<br />

Allgemein nennt man Atome, die durch die Summe der<br />

Nukleonen im Kern, die Massenzahl, bestimmt sind, Nuklide.<br />

Man fügt zu ihrer Bezeichnung dem Elementnamen<br />

oder dem Elementsymbol die Massenzahl zu: Wasserstoff-2<br />

(H-2), Kohlenstoff-14 (C-14) oder Iod-131 (I-131) sind also<br />

Nuklide.<br />

Von jedem chemischen Element gibt es eine Reihe verschiedener<br />

Nuklide, die sich nur durch die Zahl der Neutronen<br />

im Kern unterscheiden. Sie nennt man Isotope. Isotope<br />

eines Elements besitzen gleiche chemische Eigenschaften.<br />

Beispiele:<br />

Die Nuklide Wasserstoff-1 (H-1) mit 1p, Wasserstoff-2 (H-2) „Deuterium"<br />

mit 1p+1n <strong>und</strong> Wasserstoff-3 (H-3) „Tritium" mit 1p+2n sind<br />

Wasserstoffisotope (Abb. 1.1);<br />

die Nuklide Kohlenstoff-12 (C-12) mit 6p+6n <strong>und</strong> Kohlenstoff-14<br />

(C-14) mit 6p+8n sind Kohlenstoffisotope;<br />

die Nuklide Uran-235 (U-235) mit 92p+143n beziehungsweise<br />

Uran-238 (U-238) mit 92p+146n sind Uranisotope.<br />

Abb. 1.1 Die Kerne der Wasserstoffisotope: Wasserstoff, Deuterium<br />

<strong>und</strong> Tritium<br />

1.2 <strong>Radioaktivität</strong><br />

Die Zahl der Neutronen im Atomkern ist für jedes Element<br />

nur in bestimmten Grenzen variabel (maximal um etwa 40),<br />

wobei mit steigender Kernladungszahl das Verhältnis zwischen<br />

Neutronen <strong>und</strong> Protonen insgesamt zunimmt. Zum<br />

Aufbau eines stabilen Atomkerns sind innerhalb dieser<br />

Grenzen allerdings nur wenige Werte „erlaubt".<br />

2


Für einen stabilen Wasserstoffkern darf das Verhältnis nicht über<br />

1:1 liegen (1 Proton <strong>und</strong> maximal 1 Neutron);<br />

ein stabiler Atomkern des Eisens darf zu seinen 26 Protonen nur<br />

28, 30, 31 oder 32 Neutronen besitzen (Verhältnis im Mittel knapp<br />

1:1,2);<br />

beim Blei (82p) sind es 122, 126, 127 oder 130 Neutronen (Verhältnis<br />

etwa 1:1,5).<br />

Definitionen <strong>und</strong> Kenngrößen<br />

Die meisten in der Natur vorkommenden Elemente <strong>und</strong> ihre<br />

Isotope sind stabil, es gibt aber auch einige natürliche Isotope,<br />

die instabil sind, beispielsweise Tritium, Kohlenstoff-14,<br />

Kalium-40, Rubidium-87, Platin-190, Blei-204 <strong>und</strong> die Isotope<br />

der „schweren" Elemente, zum Beispiel des Poloniums,<br />

Radiums, Radons, Thoriums oder Urans (siehe auch Abschnitt<br />

4.2). Sie alle sind durch die bei der Kernumwandlung<br />

freigesetzte Strahlungsenergie die Quelle der Erdwärme.<br />

Der französische Physiker Antoine-Henri Becquerel beobachtete<br />

an einem natürlich vorkommenden instabilen Element<br />

im Jahre 1896 erstmals die bei Kernumwandlungen<br />

auftretende Strahlung:<br />

Er entdeckte, dass von Uransalzen eine Strahlung ausging,<br />

die lichtdicht verpackte Photoplatten zu schwärzen in der<br />

Lage war. Seine Schüler Marie <strong>und</strong> Pierre Curie fanden<br />

1898 die gleiche „Becquerel-Strahlung" bei den von ihnen<br />

entdeckten Elementen Thorium, Radium <strong>und</strong> Polonium. Sie<br />

nannten diese Erscheinung, dass ein Stoff ohne vorherige<br />

Anregung <strong>und</strong> von außen nicht beeinflussbar Strahlung aussendet,<br />

<strong>Radioaktivität</strong> (= Strahlungsaktivität).<br />

Da der ursprüngliche Stoff dabei allmählich „verschwindet"<br />

<strong>und</strong> die ablaufenden physikalischen Vorgänge noch unbekannt<br />

waren, prägte man damals den Begriff radioaktiver<br />

Zerfall. Diese Bezeichnung, die dem eigentlichen Vorgang<br />

(Kernumwandlung!) nicht gerecht wird, ist bis heute in der<br />

wissenschaftlichen Literatur gebräuchlich geblieben.<br />

Die Anzahl der in der Zeiteinheit zerfallenden Kerne bezeichnet<br />

man als Aktivität. Die Einheit der Aktivität ist seit<br />

1978 das Becquerel (Bq), das ist die Zahl der Zerfallser-<br />

3


eignisse pro Sek<strong>und</strong>e. 1 Bq entspricht einem Zerfall in einer<br />

Sek<strong>und</strong>e. Die bis 1977 gebräuchliche Einheit war das<br />

Curie (Ci), die Aktivität von einem Gramm Radium-226. In<br />

1 g Ra-226 ereignen sich pro Sek<strong>und</strong>e 37 Milliarden Zerfälle.<br />

1 Ci entspricht also 37 Milliarden Bq. Da das Becquerel eine<br />

sehr kleine Einheit ist, verwendet man häufig die dezimalen<br />

Vielfachen Kilobecquerel (1 kBq = 1·10 3 Bq = 1.000 Bq),<br />

Megabecquerel (1 MBq = 1·10 6 Bq = 1.000.000 Bq) <strong>und</strong> Gigabecquerel<br />

(1 GBq = 1·10 9 Bq = 1.000.000.000 Bq).<br />

Die Aktivität pro Masseeinheit (zum Beispiel Bq/g) nennt<br />

man spezifische Aktivität. Ra-226 hat also eine spezifische<br />

Aktivität von 37 Milliarden Bq/g (= 3,7·10 10 Bq/g).<br />

Der radioaktive Zerfall ist ein statistisches Ereignis <strong>und</strong> erfolgt<br />

nach den Gesetzen einer Exponentialfunktion: In gleichen<br />

Zeitabschnitten zerfällt immer der gleiche Prozentsatz<br />

der noch vorhandenen radioaktiven Kerne. Trägt man die<br />

Zahl der noch vorhandenen Atome gegen die Zeit auf, erhält<br />

man die Kurve der Abb. 1.2. Es ist daher keine genaue Aussage<br />

darüber möglich, wann das letzte Atom zerfallen sein<br />

wird, es lässt sich aus der Kurve aber exakt ablesen, nach<br />

welcher Zeit sich die Hälfte der ursprünglich vorhandenen<br />

radioaktiven Kerne umgewandelt hat. Diese Zeit wird Halbwertszeit<br />

genannt. Nach einer Halbwertszeit sind noch die<br />

Hälfte, nach zwei Halbwertszeiten ein Viertel <strong>und</strong> nach drei<br />

Halbwertszeiten ein Achtel der ursprünglichen Kerne vorhanden.<br />

Die Halbwertszeiten der einzelnen Radionuklide sind sehr<br />

unterschiedlich. Manche natürlichen Radionuklide besitzen<br />

eine so lange Halbwertszeit, dass sie wegen der schwierigen<br />

Nachweisbarkeit ihrer äußerst geringen Strahlung bis<br />

vor kurzem noch als stabil galten. Der derzeitige „Spitzenreiter"<br />

unter den natürlichen Radionukliden, das Tellur-128,<br />

besitzt eine Halbwertszeit von 1,5 Trilliarden Jahren (eine 15<br />

mit 20 Nullen). Sein doppelter � - -Zerfall zum Xenon-128<br />

wurde erst Ende der 70er Jahre entdeckt. Es ist nicht ausgeschlossen,<br />

dass noch langlebigere, zurzeit als stabil angesehene<br />

Radionuklide gef<strong>und</strong>en werden. Das natürliche<br />

Polonium-214 hat dagegen nur eine Halbwertszeit von<br />

0,00016 Sek<strong>und</strong>en. Ähnliche Spannen gibt es auch bei den<br />

künstlichen Radionukliden, beispielsweise 15,7 Millionen<br />

4


Jahre für das Iod-129 <strong>und</strong> 0,0000001 Sek<strong>und</strong>en (= 1·10 -7 s<br />

= 0,1 µs) für Thorium-218.<br />

Abb. 1.2. Die Halbwertszeit beim radioaktiven Zerfall<br />

Strahlenarten<br />

Die Zahl der stabilen Isotope jedes Elements ist also relativ<br />

klein, von manchen Elementen existiert sogar kein einziges.<br />

Alle Atomkerne mit zu viel oder zu wenig Neutronen oder mit<br />

aus anderen kernphysikalischen Gründen „unerlaubten"<br />

Neutronenzahlen (zum Beispiel Eisenatomkerne mit 29 Neutronen)<br />

sowie die Kerne mit den Kernladungszahlen 43<br />

(Technetium) <strong>und</strong> 61 (Promethium) <strong>und</strong> die „schweren Kerne"<br />

mit Kernladungszahlen ab 84 (Polonium) sind instabil.<br />

Die durch Spaltung schwerer Kerne (mit ihren im Verhältnis<br />

zu den Protonen hohen Neutronenzahlen) entstehenden<br />

leichteren Spaltprodukte besitzen in der Regel einen Neutronenüberschuss<br />

<strong>und</strong> sind deswegen instabil. Alle nicht<br />

stabilen Atomkerne wandeln sich unter Abgabe energiereicher<br />

Strahlung – teilweise in mehreren Stufen – in stabile<br />

Kerne um.<br />

5


Beispiele:<br />

Beim Wasserstoff ist mehr als ein Neutron nicht „erlaubt". Im Tritium-Kern<br />

wandelt sich daher ein Neutron unter Aussendung eines<br />

negativ geladenen Betateilchens (� - ) in ein Proton um (wie in Abb.<br />

1.3 Mitte für ein schwereres Nuklid dargestellt). Die Betateilchen<br />

sind Elektronen wie die Hüllelektronen auch. Da sie aber aus dem<br />

Kern stammen, erhielten sie zur Unterscheidung von den Hüllelektronen<br />

diese besondere Bezeichnung. Bei der Beta-Umwandlung<br />

nimmt die Zahl der Neutronen im Kern um 1 ab, die Zahl der Protonen<br />

um 1 zu. Die Kernladungszahl steigt damit um 1, die Massenzahl<br />

bleibt unverändert. Es entsteht im vorliegenden Falle das Helium-3,<br />

ein stabiles Nuklid.<br />

Der schwere Kern des Uran-238 sendet – gewissermaßen zur „Erleichterung"<br />

– einen kompletten kleinen Atomkern aus (Abb. 1.3<br />

oben), bestehend aus 2 Protonen <strong>und</strong> 2 Neutronen, ein Alphateilchen<br />

(� = Heliumkern). Die Kernladungszahl nimmt dadurch um 2,<br />

die Massenzahl um 4 (2p+2n) ab. Es entsteht das Nuklid Thorium-<br />

234, das als „schweres Element" seinerseits ebenfalls instabil ist<br />

<strong>und</strong> sich weiter umwandelt. Die Umwandlungen durch Alpha- oder<br />

Betastrahlung geschehen so oft, bis am Ende einer solchen Zerfallsreihe<br />

ein stabiler Kern entsteht, in diesem Falle dann das Bleiisotop<br />

Blei-206.<br />

Abb. 1.3 Strahlenarten beim radioaktiven Zerfall<br />

6


Das jeweilige Produkt einer Kernumwandlung – gleichgültig<br />

ob stabil oder nicht – wird als Tochternuklid bezeichnet.<br />

Die Aussendung der Teilchenstrahlen (Alpha- oder Betastrahlung)<br />

hinterlässt in vielen Fällen einen energetisch angeregten<br />

Kern. Diese Anregungsenergie wird dann durch<br />

Abgabe einer energiereichen elektromagnetischen Wellenstrahlung,<br />

der Gammastrahlung (�), abgebaut (Abb. 1.3 unten).<br />

Durch die Aussendung von Gammastrahlung ändern<br />

sich weder die Kernladungs- noch die Massenzahl.<br />

In den meisten Fällen ist die Lebensdauer des angeregten<br />

Zustandes unmessbar klein, das heißt, die Gammastrahlung<br />

erfolgt praktisch gleichzeitig mit der Beta- oder Alphastrahlung.<br />

Es gibt aber auch Fälle (metastabile Zustände), in denen<br />

der angeregte Kern eine messbare Lebensdauer besitzt.<br />

Derartige Nuklide werden mit einem an die Massenzahl angehängten<br />

m gekennzeichnet, zum Beispiel Barium-137m.<br />

Wie jede elektromagnetische Wellenstrahlung transportiert<br />

auch die Gammastrahlung die Energie in genau festgelegten<br />

„Päckchen" (Quanten), die um so energiereicher sind, je<br />

kürzer die Wellenlänge ist. Damit besitzt auch Wellenstrahlung<br />

gewisse Teilcheneigenschaften. Die Quanten der kurzwelligen<br />

elektromagnetischen Wellenstrahlung (zum Beispiel<br />

von sichtbarem Licht, UV-, Röntgen oder Gammastrahlen)<br />

werden auch als Photonen bezeichnet. In manchen Fällen<br />

wird die Anregungsenergie des Kerns nicht als Gammaquant<br />

abgestrahlt, sondern durch elektromagnetische Wechselwirkung<br />

auf ein Hüllelektron übertragen, das dann emittiert<br />

wird. Solche Elektronen, die zwar die Folge einer Kernumwandlung<br />

sind, selbst aber nicht aus dem Kern stammen,<br />

bezeichnet man als Konversionselektronen.<br />

Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung verlassen den Kern mit<br />

einer für das jeweilige Nuklid spezifischen Strahlungsenergie.<br />

Als Maßeinheit wird das Elektronenvolt (eV) verwendet.<br />

Ein Elektronenvolt ist diejenige (Bewegungs-) Energie, die<br />

ein Teilchen mit einer Elementarladung nach Durchlaufen<br />

einer Potentialdifferenz von 1 Volt erhalten hat. Die beim<br />

radioaktiven Zerfall auftretenden Energien liegen in der Regel<br />

im Bereich von Kiloelektronenvolt (1 keV = 1·10 3 eV)<br />

7


oder Megaelektronenvolt (1 MeV = 1·10 6 eV). Das Elektronenvolt<br />

ist eine winzige Energieeinheit: 1 MeV entspricht<br />

1,6021·10 -10 Joule.<br />

Radioaktive Nuklide (Radionuklide, Radioisotope) kann<br />

man, wie bereits angedeutet, auch künstlich erzeugen. Gelingt<br />

es beispielsweise, ein zusätzliches Neutron in einen<br />

Kern einzubauen, so bildet sich ein neues Isotop des betreffenden<br />

Elements. Der dadurch in der Regel hervorgerufene<br />

Neutronenüberschuss im Kern führt dann zur Umwandlung<br />

eines Neutrons in ein Proton <strong>und</strong> zur Aussendung eines Betateilchens.<br />

Durch Neutronenbestrahlung können also stabile<br />

Isotope eines Elements in Radioisotope umgewandelt<br />

werden. Dieser als Aktivierung bezeichnete Prozess spielt<br />

bei den Strukturmaterialien von Kernreaktoren (Reaktordruckbehälter,<br />

Brennstabhüllen usw.) eine wichtige Rolle.<br />

Die leichte Aktivierbarkeit mancher Elemente durch Bestrahlung<br />

mit Neutronen nutzt man auch zur analytischen Bestimmung<br />

winzigster Mengen dieser Elemente aus (Aktivierungsanalyse).<br />

Bei der Spaltung schwerer Kerne (Uran-235, Plutonium-239)<br />

entstehen, wie schon erwähnt, ebenfalls Radionuklide, die in<br />

der Natur in der Regel nicht vorkommen. Daneben ist die<br />

Erzeugung künstlicher Radionuklide auch durch Beschuss<br />

von Atomkernen mit geladenen Teilchen, beispielsweise<br />

Protonen oder kleinen Atomkernen, mit Hilfe aufwendiger<br />

Teilchenbeschleuniger (beispielsweise Zyklotronen) möglich.<br />

Damit können auch Radioisotope mit Protonenüberschuss<br />

hergestellt werden. Analog zu den Nukliden mit<br />

Neutronenüberschuss wandelt sich hier ein Proton in ein<br />

Neutron um, bei manchen Nukliden unter Abstrahlung eines<br />

positiv geladenen Teilchens mit der Masse eines Elektrons,<br />

eines Positrons (� + ), bei anderen Nukliden fängt sich der<br />

Kern aus einer kernnahen Elektronenschale (K- oder L-<br />

Schale) ein Elektron ein, wodurch ein Proton dann zum<br />

Neutron „neutralisiert" wird (K-, L-Einfang, �). In vielen Fällen<br />

können bei einem Nuklid beide Prozesse (mit unterschiedlicher<br />

Häufigkeit) stattfinden. Es gibt sogar Nuklide,<br />

bei denen � - - <strong>und</strong> � + -Zerfall <strong>und</strong> K-Einfang nebeneinander<br />

erfolgen (Kalium-40). Reine Positronenstrahler kommen in<br />

der Natur nicht vor. Bei der Wechselwirkung mit Materie<br />

8


verhalten sich Positronen als „Antiteilchen" der Elektronen:<br />

Beim Zusammentreffen mit einem Elektron werden – entsprechend<br />

der Theorie von Materie <strong>und</strong> Antimaterie – die<br />

Massen beider Teilchen <strong>und</strong> ihre Bewegungsenergien vollständig<br />

in (elektromagnetische) Strahlungsenergie umgewandelt.<br />

Aus den Massen der beiden Teilchen entsteht eine<br />

charakteristische „Vernichtungsstrahlung", zwei �-Quanten<br />

mit je 0,511 MeV (Megaelektronenvolt).<br />

Manche schwere Kerne (ab dem Uran) zeigen mit einer gewissen<br />

Häufigkeit Spontanspaltungen; der Kern zerbricht<br />

dabei ohne äußere Einwirkung in zwei etwa gleich große<br />

Bruchstücke <strong>und</strong> es tritt Neutronenstrahlung auf. Einige<br />

Nuklide (beispielsweise Curium-250) zerfallen ausschließlich<br />

durch Spontanspaltung.<br />

Reichweite <strong>und</strong> Wechselwirkung mit Materie<br />

Dass es sich bei der „Becquerel-Strahlung" nicht um eine<br />

einheitliche Strahlung, sondern um drei verschiedene Strahlenarten<br />

handelt, wurde 1899 von Rutherford nachgewiesen,<br />

von ihm stammt auch die Namensgebung nach den ersten<br />

drei Buchstaben des griechischen Alphabets. Alle drei<br />

Strahlenarten haben jedoch eine Eigenschaft gemeinsam:<br />

Wegen der relativ hohen Energie ihrer Teilchen oder Quanten<br />

können sie bei der Wechselwirkung mit Materie Hüllelektronen<br />

herausschlagen <strong>und</strong> dadurch auf direktem oder<br />

indirektem Weg geladene Teilchen, Ionen, erzeugen. Wegen<br />

dieser Wirkung fasst man die Strahlung radioaktiver<br />

Stoffe <strong>und</strong> andere Strahlungen mit den gleichen Eigenschaften,<br />

beispielsweise Röntgenstrahlung, unter dem Sammelbegriff<br />

ionisierende Strahlung zusammen. Die umgangssprachliche<br />

Bezeichnung „radioaktive Strahlung" meint nur<br />

die ionisierende Strahlung, die von radioaktiven Stoffen<br />

ausgeht. Sie führt leicht zu Missverständnissen: Nicht die<br />

Strahlung ist radioaktiv, sondern das Nuklid, von dem sie<br />

ausgeht.<br />

Die Strahlung geladener Teilchen, wie z. B. Alpha- <strong>und</strong> Betastrahlung,<br />

erzeugt Ionen <strong>und</strong> freie Elektronen in der Materie<br />

durch direkte Stöße (Stoßionisation). Sie wird auch als<br />

direkt ionisierende Strahlung bezeichnet. Bei jedem Stoß-<br />

9


prozess, den man sich wie Stöße von Billardkugeln vorstellen<br />

kann, verliert das Teilchen etwas Energie bis es schließlich<br />

in der Materie vollständig abgebremst wird. Die Reichweite<br />

des Teilchens in der Materie nimmt mit der Energie<br />

(Geschwindigkeit) des Teilchens zu <strong>und</strong> ist umso größer, je<br />

geringer die Dichte der Materie ist.<br />

Neben der Stoßionisation können geladene Teilchen durch<br />

die Wechselwirkung mit der positiven Ladung der Atomkerne<br />

abgebremst <strong>und</strong> in ihrer Bahn abgelenkt werden. Die<br />

freiwerdende Energie wird als Photonenstrahlung (Bremsstrahlung)<br />

abgegeben. Dieser Effekt wird in der Röntgenröhre<br />

zur Erzeugung der Röntgenstrahlung ausgenutzt, indem<br />

beschleunigte Elektronen auf eine Metallanode, meist Wolfram,<br />

geschossen werden.<br />

Die Gammastrahlung ist eine indirekt ionisierende Strahlung.<br />

Sie gibt ihre Energie in zwei Stufen an die Materie ab.<br />

In der ersten Stufe werden einige wenige energiereiche geladene<br />

Teilchen erzeugt, die dann die Materie weiter ionisieren.<br />

Die wichtigsten Wechselwirkungen von Photonen mit<br />

Materie sind der Photoeffekt, der Comptoneffekt <strong>und</strong> die<br />

Paarbildung. Eine wichtige Eigenschaft der indirekt ionisierenden<br />

Strahlung ist, dass sie in ausreichend dicker Materie<br />

zwar beliebig geschwächt, aber nie vollständig abgeschirmt<br />

werden kann.<br />

Beim Photoeffekt gibt ein Photon seine gesamte Energie an<br />

ein Hüllelektron ab, das Photon verschwindet <strong>und</strong> die Strahlung<br />

wird damit abgeschwächt. Das Hüllelektron erhält kinetische<br />

Energie (Geschwindigkeit), wird aus dem Atom herausgeschlagen<br />

<strong>und</strong> ionisiert auf seinem Weg durch die Materie<br />

weiter Atome (Abb. 1.4). Der Photoeffekt ist der dominierende<br />

Effekt bei Photonenenergien unterhalb von etwa<br />

100 keV.<br />

10


Abb. 1.4 Wechselwirkung von Gammastrahlung mit Materie<br />

Beim Comptoneffekt gibt das Photon nur einen Teil seiner<br />

Energie auf ein Hüllelektron ab, das ebenfalls aus dem Atom<br />

herausgeschlagen wird. Das Photon wird inelastisch gestreut,<br />

d.h. es fliegt in einer anderen Richtung mit geringerer<br />

Energie (Frequenz), größerer Wellenlänge, davon. Hiernach<br />

sind weitere Comptonstreuprozesse möglich, bis das Photon<br />

durch einen Photoeffekt schließlich verschwindet oder die<br />

Materie verlässt.<br />

Als Paarbildungseffekt wird die Bildung eines Elektron-<br />

Positron-Paars im Feld der Atomkerne bezeichnet. Das Photon<br />

verschwindet. Zur Bildung des Elektron-Positron-Paares<br />

werden 1022 keV benötigt. Daher tritt die Paarbildung erst<br />

bei Photonenenergien oberhalb dieser Schwelle auf. Die<br />

restliche Energie des ursprünglichen Photons wird in kinetische<br />

Energie des Elektrons <strong>und</strong> des Positrons umgewandelt.<br />

Die Paarbildung ist die dominierende Wechselwirkung<br />

bei hohen Photonenenergien ab 20 MeV.<br />

11


Abschirmung<br />

Alpha-, Beta- <strong>und</strong> Gammastrahlen unterscheiden sich erheblich<br />

in ihrer Fähigkeit, Materie zu durchdringen (Abb.<br />

1.5):<br />

� Alphastrahlen haben in Luft eine Reichweite von nur wenigen<br />

Zentimetern, in lebendes Gewebe können sie sogar<br />

nur einige h<strong>und</strong>ertstel Millimeter eindringen. Bereits ein<br />

Blatt Papier schirmt Alphastrahlung völlig ab.<br />

� Betastrahlen können einige Meter Luft durchdringen, in<br />

lebendem Gewebe haben sie je nach Energie Reichweiten<br />

von einigen Millimetern bis einigen Zentimetern. Ein<br />

dickes Buch, eine dicke Plexiglasscheibe oder eine dünne<br />

Aluminiumplatte schirmen Betastrahlung vollständig<br />

ab.<br />

� Gammastrahlen besitzen in Luft sehr große Reichweiten<br />

<strong>und</strong> durchdringen – wie Röntgenstrahlung – auch lebendes<br />

Gewebe leicht. Zur Abschirmung verwendet man dicke<br />

Schichten aus Materialien mit hoher Dichte (Blei,<br />

Schwerbeton). Gammastrahlung ist durch entsprechende<br />

Schichtdicken beliebig stark (bis unter die Nachweisgrenze)<br />

abzuschwächen, aber nie vollständig abschirmbar.<br />

Abb. 1.5 Die Abschirmung<br />

Die verschiedenen Strahlenarten werden durch Materie unterschiedlich<br />

abgeschirmt.<br />

12


Analog der Halbwertszeit lassen sich Halbwertsschichtdicken<br />

angeben. Die Habwertsschichtdicken sind stark von<br />

der Art <strong>und</strong> Energie der Strahlung <strong>und</strong> der Dichte des Abschirmmaterials<br />

abhängig. Durch eine Abschirmung von einer<br />

Halbwertsschichtdicke wird die Strahlung auf die Hälfte,<br />

bei zwei Halbwertsschichtdicken auf ein Viertel geschwächt.<br />

Die Strahlungsintensität nimmt mit zunehmender Dicke der<br />

Abschirmung exponentiell ab. Setzt sich die Strahlung aus<br />

mehreren Anteilen zusammen, z. B. Beta- <strong>und</strong> Gammastrahlung<br />

oder Gammastrahlung verschiedener Energien, so<br />

ist die Abschirmwirkung für jede Komponente mit ihrer individuellen<br />

Halbwertsschichtdicke separat zu bestimmen.<br />

1.3 Dosisbegriffe<br />

Bei der Wechselwirkung von Strahlung mit Materie wird die<br />

Strahlungsenergie ganz oder teilweise von der Materie aufgenommen<br />

(absorbiert). Dabei werden in der Materie Ladungsträger<br />

beiderlei Vorzeichens (positive <strong>und</strong> negative<br />

Ionen) erzeugt. Die erzeugte Ladung je Masseeinheit, gemessen<br />

in Coulomb pro Kilogramm (C/kg), heißt lonendosis<br />

J. Früher wurde für die lonendosis eine besondere Einheit<br />

verwendet, das Röntgen (R). 1 R entspricht 0,000258 C/kg<br />

(in Luft).<br />

Die pro Masseeinheit absorbierte Energiemenge wird als<br />

Energiedosis D bezeichnet. Die Einheit der Energiedosis ist<br />

seit 1978 das Gray (Gy). 1 Gy entspricht einer absorbierten<br />

Energie von 1 Joule pro Kilogramm (1 J/kg). Bis 1977 war<br />

die Einheit der Energiedosis das Rad (rd), abgekürzt aus<br />

„radiation absorbed dose". 100 rd sind 1 Gy.<br />

Der unterschiedlichen biologischen Wirkung verschiedener<br />

Strahlenarten <strong>und</strong> -energien wird in den Empfehlungen der<br />

internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) /ICR-91/<br />

<strong>und</strong> auch in der deutschen Strahlenschutzverordnung<br />

(StrlSchV) /STR-01/ mit dem Strahlungs-Wichtungsfaktor wR<br />

Rechnung getragen (Tabelle 1.1). Die mit wR multiplizierte,<br />

über ein Organ gemittelte Energiedosis DT,R (T steht für<br />

tissue, R für radiation) wird als Organdosis HT bezeichnet.<br />

HT,R = w R · D T,R<br />

13


Strahlungsart <strong>und</strong> -energie<br />

Strahlungs-Wichtungsfaktor<br />

wR Photonen<br />

1<br />

(Gamma- u. Röntgenstrahlung)<br />

Elektronen <strong>und</strong> Myonen<br />

1<br />

Neutronen (je nach Energie)<br />

5–20<br />

Protonen (> 2 MeV)<br />

5<br />

Alphateilchen, Spaltfragmente,<br />

20<br />

schwere Kerne<br />

Tab. 1.1 Strahlungs-Wichtungsfaktoren wR (StrlSchV Anlage VI<br />

Teil C /STR-01/)<br />

Besteht die Strahlung aus Arten <strong>und</strong> Energien mit unterschiedlichen<br />

Strahlungs-Wichtungsfaktoren, so werden zur<br />

Bestimmung der Organdosis die Beiträge, die durch die einzelnen<br />

Strahlungsarten <strong>und</strong> -energien verursacht werden,<br />

addiert.<br />

HT = � wR · DT,R Der Strahlungs-Wichtungsfaktor ist dimensionslos. Die Dimension<br />

der Organdosis (J/kg) entspricht daher der Dimension<br />

der Energiedosis, man verwendet jedoch für die Organdosis<br />

eine besondere Bezeichnung, das Sievert (Sv).<br />

Der tausendste Teil eines Sievert ist das Millisievert (mSv),<br />

der millionste Teil das Mikrosievert. Falls der Strahlungs-<br />

Wichtungsfaktor gleich 1 ist, wie für Beta-, Gamma- oder<br />

Röntgenstrahlung, entspricht ein Sievert einem Gray, für (inkorporierte)<br />

Alphastrahler entsprechen (nach Tabelle 1.1) im<br />

Regelfall 20 Sievert einem Gray.<br />

Von einer Organdosis spricht man, wenn die Strahlenexposition<br />

eines einzelnen Organs oder Gewebes gesondert betrachtet<br />

wird, beispielsweise die Exposition der Schilddrüse<br />

im Falle einer Inkorporation von Radioiod. Die Wirkung einer<br />

Dosis auf ein Organ hängt von dessen Größe <strong>und</strong> Empfindlichkeit<br />

ab, daher sind die Grenzwerte für verschiedene Organe<br />

oder Gewebe unterschiedlich hoch (Kapitel 5.2). Bei<br />

der Beschreibung <strong>und</strong> Bewertung von Strahlenwirkungen<br />

wird noch eine Reihe weiterer Dosisbegriffe verwendet. Von<br />

einer Ganzkörperdosis spricht man, wenn der gesamte Körper<br />

der Strahlenexposition ausgesetzt ist, von einer Teilkör-<br />

14


perdosis, wenn nur Teile des Körpers betroffen sind. Der<br />

Überbegriff hierzu ist die Körperdosis.<br />

Die ICRP-Empfehlungen <strong>und</strong> das deutsche Strahlenschutzrecht<br />

verwenden bei der Festlegung von Grenzwerten neben<br />

der Organdosis die effektive Dosis E. Bei einer gleichmäßigen<br />

Dosisverteilung über den gesamten Körper sind<br />

die Werte der Ganzkörperdosis <strong>und</strong> der effektiven Dosis<br />

gleich.<br />

Wenn nur Teile des Körpers oder einzelne Organe exponiert<br />

sind (Teilkörperexposition), wie z. B. bei Teilkörperdurchleuchtungen<br />

in der Medizin, sind insgesamt die schädlichen<br />

Wirkungen einer Strahlenexposition geringer als bei einer<br />

gleichmäßigen Exposition des gesamten Körpers (Ganzkörperexposition).<br />

Die effektive Dosis entspricht dann derjenigen<br />

Ganzkörperdosis, die dasselbe Strahlenrisiko bedingt,<br />

wie die einzelnen unterschiedlichen Organdosen. Sie ist die<br />

Summe der durch die Gewebe-Wichtungsfaktoren wT (nach<br />

Tabelle 1.2) entsprechend dem Strahlenrisiko gewichteten<br />

Organ- <strong>und</strong> Gewebedosen.<br />

E = � wT · HT Gewebe oder Organe<br />

Gewebe-<br />

Gewichtungsfaktoren wT Keimdrüsen 0,20<br />

Knochenmark (rot) 0,12<br />

Dickdarm 0,12<br />

Lunge 0,12<br />

Magen 0,12<br />

Blase 0,05<br />

Brust 0,05<br />

Leber 0,05<br />

Speiseröhre 0,05<br />

Schilddrüse 0,05<br />

Haut 0,01<br />

Knochenoberfläche 0,01<br />

Andere Organe <strong>und</strong> Gewebe 0,05<br />

Tab. 1.2 Gewebe-Wichtungsfaktoren wT (StrlSchV Anlage VI<br />

Teil C /STR-01/)<br />

15


Die Gewebe-Wichtungsfaktoren sind über die Bevölkerung<br />

(alle Altersstufen, alle Länder) <strong>und</strong> beide Geschlechter gemittelte<br />

Werte. Die effektive Dosis spiegelt nicht die Altersabhängigkeit<br />

des Strahlenrisikos wider – auch nicht genetische,<br />

geschlechtsspezifische <strong>und</strong> andere personenbezogene<br />

Faktoren, die das individuelle Strahlenrisiko beeinflussen.<br />

Die effektive Dosis ist deshalb zur Abschätzung des Strahlenrisikos<br />

einzelner Personen kaum geeignet.<br />

Da die biologische Wirkung einer Strahlendosis unter anderem<br />

von der Dosisverteilung im Gewebe, von der zum Teil<br />

genetisch bedingten Strahlenempfindlichkeit <strong>und</strong> von der bei<br />

den einzelnen Lebewesen sehr unterschiedlichen Wirksamkeit<br />

der Reparatursysteme abhängt (siehe auch Kapitel 2.2),<br />

gilt die so definierte effektive Dosis nur für den Menschen<br />

oder für menschliche Organe <strong>und</strong> Gewebe. Für einzelne<br />

Zellen, Tiere oder Pflanzen kann die Dosis immer nur als<br />

Energiedosis in Gray angegeben werden.<br />

Für das besonders in der Neutronendosimetrie benutzte<br />

Kerma verwendet man als Einheit in der Regel ebenfalls das<br />

Gray. Kerma (kinetic energy released in matter) ist definiert<br />

als die Summe der kinetischen Energien aller in einem bestimmten<br />

Volumen erzeugten geladenen Teilchen pro Masse<br />

der Materie in diesem Volumen.<br />

Ein häufig gebrauchter Dosisbegriff ist die Kollektivdosis. Sie<br />

ergibt sich aus der Summe aller Einzeldosen eines Kollektivs<br />

<strong>und</strong> wird in Personen · Sievert (früher Personen · rem)<br />

angegeben. Sie ist mit Einschränkungen (es ergibt strahlenbiologisch<br />

keinen Sinn, winzigste Einzeldosen zu summieren)<br />

als Maß für das radiologische Gesamtrisiko eines Kollektivs<br />

verwendbar.<br />

Eine besonders definierte Dosis ist die genetisch signifikante<br />

Dosis. Sie stellt den Mittelwert der nach Alter, Geschlecht<br />

<strong>und</strong> Kindererwartung gewichteten Keimdrüsendosen eines<br />

Kollektivs dar <strong>und</strong> ist damit ein Maß für das genetische Risiko<br />

dieses Kollektivs. Seit der Einführung des Konzeptes der<br />

effektiven Dosis – die auch die vererbbaren Schäden berücksichtigt<br />

(Tabelle 1.2) – wird die genetisch signifikante<br />

Dosis im Strahlenschutz nicht mehr benutzt.<br />

16


Bis zum Erscheinen der ICRP-Veröffentlichung Nr. 26 im<br />

Jahr 1977 /ICR-77/ <strong>und</strong> der Einführung des Konzepts der effektiven<br />

Dosis wurde im Strahlenschutz das Konzept des kritischen<br />

Organs zur Festlegung von Grenzwerten angewendet.<br />

Wenn mehr als ein Organ oder Gewebe strahlenexponiert<br />

war, galten diejenigen Organe oder Gewebe als kritische<br />

Organe, denen aufgr<strong>und</strong> ihrer Strahlenempfindlichkeit <strong>und</strong><br />

der erhaltenen Dosis für den sich möglicherweise ergebenden<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Schaden die größte Bedeutung zukommt.<br />

Bei einer Ganzkörperexposition wurde der Ganzkörper<br />

als kritisches Organ betrachtet <strong>und</strong> die Ganzkörperdosis<br />

angegeben.<br />

In der Radioökologie (vgl. Kapitel 4.1) wird der Begriff des<br />

kritischen Organs auch weiterhin verwendet. Er dient zur<br />

Charakterisierung desjenigen Organs, dem die größte Bedeutung<br />

für einen möglichen Ges<strong>und</strong>heitsschaden zukommt,<br />

der sich durch Aufnahme eines Radionuklids in den<br />

Körper aufgr<strong>und</strong> der Anreicherung des Nuklids in diesem<br />

Organ, der daraus resultierenden Organdosis sowie der<br />

Strahlenempfindlichkeit dieses Organs ergibt.<br />

Die Höhe des Schadens im Körper durch ionisierende Strahlung<br />

ist bei einer gegebenen Energiedosis nicht nur von der<br />

Strahlenart <strong>und</strong> der Strahlenenergie abhängig, eine wichtige<br />

Rolle spielen auch die räumliche <strong>und</strong> zeitliche Dosisverteilung.<br />

Die räumliche Dosisverteilung wird durch das Konzept<br />

der effektiven Dosis berücksichtig.<br />

Der Zeitraum, über den eine Dosis verteilt ist, beeinflusst deren<br />

Wirksamkeit ebenfalls stark. Die gleiche Dosis hat eine<br />

stärkere Wirkung, wenn sie in kurzer Zeit aufgenommen<br />

wird als bei Verteilung über einen längeren Zeitraum (Zeitfaktor<br />

Abb. 1.6). Die Erscheinung ist dadurch erklärbar, dass<br />

bei zeitlicher Streckung der Dosis auch die Schäden erst<br />

nacheinander entstehen, der je Zeiteinheit auftretende<br />

Schaden daher kleiner ist <strong>und</strong> deshalb auch wirkungsvoller<br />

repariert werden kann. Der Zeitfaktor ist damit sichtbarer<br />

Ausdruck der Reparaturfähigkeit lebender Zellen (siehe<br />

auch Kapitel 2.2).<br />

17


Abb. 1.6 Der Zeitfaktor<br />

Gleiche Dosis ist bei Verteilung über einen längeren Zeitraum<br />

weniger wirksam.<br />

Die je Zeiteinheit aufgenommene Dosis (den Quotienten aus<br />

einem Dosisbetrag <strong>und</strong> dem Zeitraum, über den er gleichmäßig<br />

einwirkt) bezeichnet man als Dosisleistung. Sie wird<br />

in der Regel in Gray, Milligray, Sievert oder Millisievert pro<br />

Minute oder St<strong>und</strong>e angegeben.<br />

Bei sehr langen Zeiträumen (Wochen, Monaten, Jahren)<br />

spricht man nicht mehr von Dosisleistung, sondern von Wochen-,<br />

Monats- beziehungsweise Jahresdosis.<br />

18


Ionen- Durch ionisierende Strahlung pro Massedosiseinheit<br />

erzeugte Ladung<br />

Einheit: Coulomb pro Kilogramm (C/kg)<br />

Energie- Pro Masseeinheit absorbierte Strahlungsdosisenergie<br />

Einheit: Gray (Gy) Gy = J/kg<br />

Äquivalent- Auf gleiche biologische Wirkung normierte<br />

dosis Dosis. Die Energiedosis wird multipliziert mit<br />

einem Bewertungsfaktor q, der die relative<br />

biologische Wirksamkeit der verschiedenen<br />

Strahlenarten berücksichtigt.<br />

Einheit: Sievert (Sv)<br />

Effektive Summe aller entsprechend den Organemp-<br />

Dosis findlichkeiten gewichteten Teilkörperdosen<br />

Sie repräsentiert das genetische <strong>und</strong> somatische<br />

Gesamtrisiko für Strahlenspätschäden.<br />

Einheit: Sv<br />

Dosis- Verteilung einer Dosis über einen gegebeleistungnen<br />

Zeitraum, Dosis pro Zeiteinheit<br />

Gebräuchliche Einheiten:<br />

Gy/h, Sv/h<br />

Genetisch Mittelwert der entsprechend Alter, Ge-<br />

signifikante schlecht <strong>und</strong> Kindererwartung gewichteten<br />

Dosis individuellen Keimdrüsendosen eines Kollektivs<br />

Einheit: Sv<br />

Kollektiv- Summe aller Individualdosen eines Kollekdosistivs<br />

Einheit: PERSONEN · Sv<br />

Tab. 1.3 Wichtige Dosisbegriffe<br />

19


1.4 Messgrößen im Strahlenschutz<br />

Organdosis <strong>und</strong> effektive Dosis können ausschließlich rechnerisch<br />

bestimmt werden. Zum Einen können in lebenden<br />

Personen keine Messgeräte platziert werden, zum Anderen<br />

wird zur Berechnung die über ein Organ gemittelte Energiedosis<br />

verwendet. Für die Abschätzung des Risikos einer äußeren<br />

Strahlenexposition werden im praktischen Strahlenschutz<br />

die Äquivalentdosis H, bzw. die Äquivalentdosisleistung<br />

verwendet. Diese Dosisgrößen sind einer direkten<br />

Messung zugänglich.<br />

Die Stärke der biologischen Wirkung ionisierender Strahlung<br />

ist nicht nur von der Energiedosis, sondern auch vom linearen<br />

Energieübertragungsvermögen (LET) L� (übertragene<br />

Energie pro Wegeinheit) <strong>und</strong> damit der lonisationsdichte<br />

(Zahl der lonisationsereignisse pro Wegeinheit in der Materie)<br />

sowie der Dosisverteilung im Körper abhängig. Unterschiedliche<br />

Strahlenarten <strong>und</strong> Strahlenenergien haben daher<br />

eine quantitativ unterschiedliche biologische Wirksamkeit.<br />

Auch die Äquivalentdosis berücksichtigt wie die Organdosis<br />

die biologische Wirksamkeit der Strahlungsarten. Sie berechnet<br />

sich aus der Energiedosis durch Multiplikation mit<br />

dem Qualitätsfaktor Q. Dieser Qualitätsfaktor hat für jede<br />

Strahlenart <strong>und</strong> Strahlenenergie einen charakteristischen<br />

Wert. Strahlung mit hohem L� bezeichnet man auch als<br />

dicht ionisierend. Sie gibt in Materie ihre Energie auf einem<br />

sehr kurzen Weg an diese ab (Alphateilchen, Protonen,<br />

Neutronen) <strong>und</strong> hat einen hohen Qualitätsfaktor. Gibt die<br />

Strahlung ihre Energie auf einem sehr langen Weg an die<br />

„durchstrahlte" Materie ab, nennt man sie locker ionisierend<br />

(Betateilchen, Positronen, Gamma- <strong>und</strong> Röntgenstrahlung).<br />

Sie besitzt einen niedrigen Qualitätsfaktor. Der Qualitätsfaktor<br />

wird für verschiedene Strahlungsqualitäten so festgelegt,<br />

dass gleiche Äquivalentdosen verschiedener Strahlungsqualitäten<br />

unter Strahlenschutzgesichtspunkten gleich bewertet<br />

werden können. Für Beta- <strong>und</strong> Gammastrahlung hat der<br />

Qualitätsfaktor den Wert 1 <strong>und</strong> ist damit zahlenmäßig gleich<br />

dem Strahlungs-Wichtungsfaktor wR. Er besitzt wie dieser<br />

die Dimension 1. Die Einheit der Äquivalentdosis ist ebenfalls<br />

das Sievert.<br />

20


Früher wurde für die Äquivalentdosis die Einheit rem (abgekürzt<br />

aus roentgen equivalent man) verwendet. Für die Umrechnung<br />

gilt: 1 Sv = 100 rem. Die Einheit rem war in der Öffentlichkeit<br />

durch die Kernenergiediskussion so geläufig geworden,<br />

dass sie – ebenso wie die Einheit Röntgen – im Zusammenhang<br />

mit dem Reaktorunfall von Tschernobyl auch<br />

noch verwendet wurde, obwohl sie offiziell ab 1.1.1986 nicht<br />

mehr zulässig war.<br />

Die Äquivalentdosis kann zum Einen einer Person zugeordnet<br />

sein, zum Anderen einem Ort. Die Personendosis HP wird z. B. durch das amtliche Dosimeter, in der Regel die<br />

Filmplakette, bestimmt. Sie misst die Monatsdosis des Trägers<br />

unabhängig von dessen Aufenthaltsort. Die Ortsdosis<br />

H * dagegen ist eine ortsfeste Größe.<br />

Um eine möglichst gute Übereinstimmung der Äquivalentdosis<br />

mit der Körperdosis zu erzielen wird die Äquivalentdosis<br />

in 10 mm Gewebetiefe bestimmt (Tiefen-Personendosis<br />

HP(10) <strong>und</strong> Umgebungs-Äquivalentdosis H * (10)). Messtechnisch<br />

bedient man sich hierzu eines Körperphantoms, das in<br />

seiner Dichte <strong>und</strong> stofflicher Zusammensetzung menschlichem<br />

Weichteilgewebe entspricht. Dadurch werden auch<br />

diejenigen Dosisanteile erfasst, die von im Gewebe gestreuter<br />

Strahlung hervorgerufen werden.<br />

Die Umgebungs-Äquivalentdosis H * (10) ist definiert als das<br />

Produkt der Energiedosis in 10 mm Tiefe einer weichteiläquivalenten<br />

ICRU-Kugel <strong>und</strong> dem Qualitätsfaktor Q. Die<br />

ICRU-Kugel (International Comission on Radiation Units) hat<br />

einen Durchmesser von 30 cm <strong>und</strong> die Dichte 1 g/cm 3 . Sie<br />

besteht aus 76,2 % Sauerstoff, 11,1 % Kohlenstoff, 10,1 %<br />

Wasserstoff <strong>und</strong> 2,6 % Stickstoff (Gewichtsanteile) /ICR-80/.<br />

Die ICRP weist ausdrücklich darauf hin, dass die empfohlenen<br />

Werte Q nur für die Anwendung im Strahlenschutz vorgesehen<br />

sind, dass sie auf der Gr<strong>und</strong>lage relevanter Werte für die relative<br />

biologische Wirksamkeit ausgewählt wurden <strong>und</strong> auch noch die<br />

Tatsache berücksichtigen, dass von der Wirkung hoher Energiedosen<br />

extrapoliert wurde (siehe hierzu Kapitel 2.4). Die Kommission<br />

stellt fest, dass die Werte von Q nicht unbedingt repräsentativ<br />

für die relative biologische Wirksamkeit bei hoher Energiedosis sein<br />

müssen. Äquivalentdosis <strong>und</strong> effektive Dosis sollten daher beispielsweise<br />

nicht für die Ermittlung zu erwartender Frühschäden<br />

bei Strahlenunfällen verwendet werden (siehe auch Kapitel 2.3 <strong>und</strong><br />

21


2.4). Aus derartigen Gründen wird auch bei der medizinischen Anwendung<br />

von Beta-, Gamma- oder Röntgenstrahlung die Dosis<br />

häufig als Energiedosis (in Gray) <strong>und</strong> nicht als Äquivalentdosis angegeben.<br />

Da Alpha- bzw. Betastrahlung in lebendem Gewebe je nach<br />

Energie eine Reichweite von nur einigen H<strong>und</strong>ertstel Millimetern<br />

bzw. einigen wenigen Millimetern hat, wird ihr Anteil<br />

an der effektiven Dosis durch die Messgrößen HP(10) <strong>und</strong><br />

H * (10) nicht erfasst. Daher wird eine weitere Dosisgröße, die<br />

Oberflächen-Personendosis HP(0,07), verwendet, die als die<br />

Äquivalentdosis in 0,07 mm Tiefe im Körper an der Tragestelle<br />

des Personendosimeters definiert ist.<br />

Die Oberflächendosis ist wegen der geringen Eindringtiefe<br />

von Alpha- <strong>und</strong> Betastrahlung stark von der Einfallsrichtung<br />

der Strahlung abhängig. In der Ortsdosimetrie wird daher die<br />

Strahlungsrichtung berücksichtig <strong>und</strong> das Analogon zur<br />

Oberflächen-Personendosis als Richtungs-Äquivalentdosis<br />

H’(0,07, �) angegeben (Äquivalentdosis in 0,07 mm Tiefe<br />

der ICRU-Kugel). Hierbei ist � der Einfallswinkel der Strahlung.<br />

Moderne Messgeräte zur Dosisleistungsbestimmung sind in<br />

der Lage, die Äquivalentdosisgrößen H * (10) <strong>und</strong> H’(0,07)<br />

anzuzeigen. Ab dem 1.8.2011 sind bei Messungen der Personendosis<br />

ausschließlich die Größen HP(10) <strong>und</strong> HP(0,07)<br />

<strong>und</strong> in der Ortsdosimetrie die Messgrößen H * (10) <strong>und</strong><br />

H’(0,07, �) zu verwenden. Bis dahin darf daneben noch die<br />

alte Äquivalentdosisgröße H benutzt werden, die nicht zwischen<br />

Tiefendosis <strong>und</strong> Oberflächendosis unterscheidet <strong>und</strong><br />

auch keine Dosisanteile von im Gewebe gestreuter Strahlung<br />

berücksichtigt.<br />

Die messbare Äquivalentdosis ist ausschließlich dafür geeignet<br />

das Risiko einer äußeren Strahlenexposition abzuschätzen.<br />

Bei einer Inkorporation radioaktiver Stoffe, die zu<br />

einer inneren Strahlenexposition führen, ist ein anderer Weg<br />

einzuschlagen.<br />

Abhängig von der Art der Aufnahme des radioaktiven Stoffes,<br />

Ingestion, Inhalation oder Kontamination von W<strong>und</strong>en,<br />

sind Dosiskoeffizienten in der „Bekanntmachung der Dosiskoeffizienten<br />

zur Berechnung der Strahlenexposition“ vom<br />

23.07.2001 im B<strong>und</strong>esanzeiger Nr. 160 a <strong>und</strong> b /BUA-01/<br />

22


veröffentlicht worden. Mit deren Hilfe kann die effektive Dosis<br />

ausgehend von der inkorporierten Aktivitätsmenge berechnet<br />

werden.<br />

Den Dosiskoeffizienten liegen biokinetische Modelle zugr<strong>und</strong>e.<br />

Diese beschreiben die Aktivitätsverteilung im<br />

menschlichen Körper von der Inkorporation der Radionuklide<br />

über deren Verteilung im Körper <strong>und</strong> deren Anreicherung<br />

in spezifischen Organen bis zu ihrer Ausscheidung. Sowohl<br />

alters-, als auch geschlechtsbedingte Unterschiede sind berücksichtigt.<br />

Mit den so gewonnenen zeitlichen Aktivitätskonzentrationen<br />

im Körper können die Organdosen abgeschätzt<br />

werden. Die verwendeten Modelle sind in etlichen<br />

Veröffentlichungen der ICRP detailliert beschrieben /ICR-03,<br />

ICR-75/.<br />

Die Messgrößen für die innere Strahlenexposition sind damit<br />

die zugeführten Aktivitäten. Diese können pauschal bestimmt<br />

werden, wie etwa durch Messung der Aktivitätskonzentration<br />

in der Raumluft am Arbeitsplatz für eine chronische<br />

Aktivitätszufuhr, oder individuell über die Ganzkörperaktivität,<br />

die Aktivitätskonzentration in den Ausscheidungen<br />

oder im Blut. Bei den letzten beiden Möglichkeiten erhält<br />

man die inkorporierte Aktivität ebenfalls aus dem kinetischen<br />

Modell.<br />

Reichert sich der inkorporierte radioaktive Stoff beinahe voll-<br />

ständig in einigen wenigen Organen im Körper an, so kann<br />

die gespeicherte Aktivitätsmenge auch direkt bestimmt<br />

werden; z. B. wird Iod über längere Zeit nur in der Schilddrüse<br />

gespeichert. Bei Inkorporation von I-131 lässt sich die<br />

Schilddrüsenaktivität mit einem NaI-Detektor relativ einfach<br />

bestimmen, da die Hauptkomponente der Gammastrahlung<br />

mit 364 keV den Körper beinahe ungeschwächt verlässt.<br />

(Die Schilddrüse liegt etwa 1 cm unter der Haut).<br />

23


1.5 Literatur<br />

B<strong>und</strong>esanzeiger (2001). Bekanntmachung der Dosiskoeffizienten<br />

zur Berechnung der Strahlenexposition vom<br />

23.07.2001 – Dosiskoeffizienten bei äußerer <strong>und</strong> innerer<br />

Strahlenexposition. BAnz (/BUA-01/) 160(a <strong>und</strong> b).<br />

International Commission on Radiological Protection (ICRP)<br />

(1975). Reference Man: Anatomical, Physiological and<br />

Metabolic Characteristics. ICRP Publication 23 (/ICR-75/).<br />

Oxford, Pergamon Press.<br />

International Commission on Radiological Protection (ICRP)<br />

(1977). Recommendations of the International Commission<br />

on Radiological Protection. ICRP Publication 26. Annals of<br />

the ICRP (/ICR-77/) 1(3). Oxford, Pergamon Press.<br />

International Commission on Radiation Units and Measurements<br />

(ICRU) (1980). Radiation quantities and units. ICRU<br />

Report 33 (/ICR-80/). Bethesda, MD, USA.<br />

International Commission on Radiological Protection (ICRP)<br />

(1991). 1990 Recommendations of the International Commission<br />

on Radiological Protection. ICRP Publication 60.<br />

Annals of the ICRP (/ICR-91/) 21(1-3). Oxford, Pergamon<br />

Press.<br />

International Commission on Radiological Protection (ICRP)<br />

(2003). Basic Anatomical and Physiological Data for Use in<br />

Radiological Protection: Reference Values. ICRP Publication<br />

89. Annals of the ICRP (/ICR-03/) 32(3-4). Oxford, Pergamon<br />

Press.<br />

Strahlenschutzverordnung (2001). (/STR-01/).<br />

http://b<strong>und</strong>esrecht.juris.de/b<strong>und</strong>esrecht/strlschv_2001/<br />

gesamt.pdf.<br />

24


2. Biologische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Die in diesem Kapitel besprochenen Sachverhalte entsprechen<br />

dem sich in den letzten Jahren abzeichnenden Paradigmenwechsel<br />

in der Strahlenbiologie, vor allem bei kleinen<br />

Dosen. Bisher wurden Strahlenwirkungen wesentlich als Ergebnis<br />

von Reaktionen der direkt von Strahleneinfangereignissen<br />

getroffenen Zellen betrachtet <strong>und</strong> weniger als Reaktionen<br />

eines komplexen mulizellulären biologischen Systems,<br />

was heute in den Vordergr<strong>und</strong> tritt. Alle wesentlichen<br />

neuen Forschungsergebnisse werden in diesem Kapitel angesprochen.<br />

Der Versuch der allgemein verständlichen Darstellung<br />

der komplexen Materie wird ergänzt durch eine ausführliche<br />

Bibliographie zur vertieften wissenschaftlichen Dokumentation.<br />

2.1. Wirkungsweise ionisierender Strahlung<br />

auf einzelne Zellen<br />

Zellen als kleinste Funktionseinheiten lebender Körper<br />

Der menschliche Körper mit seinen Organen, höchst differenzierten<br />

Strukturen <strong>und</strong> Funktionen in vielfältigen Variationen,<br />

welche die Besonderheit jedes einzelnen Individuums<br />

ausmachen, wird von in Netzwerken kommunizierenden Zellen<br />

gesteuert. Ein 70 kg schwerer Mensch hat mehrere<br />

zehntausend Milliarden (10 13 ) Zellen mit vielen verschiedenen<br />

Aufgaben in den verschiedenen Organen <strong>und</strong> Geweben.<br />

Zellen sind die kleinsten Funktionseinheiten des Körpers.<br />

Ihre Masse liegt im Mittel bei etwa 1 Nanogramm (ng),<br />

d.h. etwa einem Milliardstel Gramm. Jede solche Zelle umfasst<br />

etwa 100 Milliarden Moleküle, die wiederum jeweils<br />

aus wenigen bis zu vielen Tausend Atomen bestehen, <strong>und</strong><br />

zwar zu über 99 % aus Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H),<br />

Sauerstoff (O), Stickstoff (N), Schwefel (S) <strong>und</strong> Phosphor<br />

(P). Die etwa eine Milliarde Zellen pro Gramm Organe <strong>und</strong><br />

Gewebe des menschlichen Körpers schwanken in ihrer<br />

Form <strong>und</strong> Größe, haben vielfach ein angenähert sphärisches<br />

Volumen mit einem mittleren Durchmesser von<br />

12,4 Mikrometer (µm).<br />

25


Abb. 2.1 zeigt schematisch übersichtlich den hierarchischen<br />

Aufbau von Organismen, die Stellung von Zellen in ihnen<br />

<strong>und</strong> den primären Ort der Wechselwirkung ionisierender<br />

Strahlen auf der atomaren Ebene.<br />

26<br />

Hierarchie der Strukturen Biologischer Systeme<br />

Ionisierende Strahlen interagieren mit Atomen<br />

Die Ebenen der Organisation<br />

Ionisierende<br />

Strahlen<br />

Organismus<br />

Gewebe-Organe<br />

Zellen<br />

Moleküle<br />

Atome<br />

Feinendegen LE, Neumann RD, 2005<br />

Abb. 2.1<br />

Signale benutzen Moleküle,<br />

die in Zellen produziert werden<br />

~ 10 9 Zellen / g Gewebe-Organe<br />

~ 10 11 Moleküle / Zelle<br />

~ 2 – 10 4 Atome / Molekül<br />

Leben braucht ~ 30 Elemente<br />

> 99% sind C; H; O; N, S; P<br />

Als kleinste Funktionseinheiten des Körpers haben Zellen<br />

organ- <strong>und</strong> gewebespezifische Aufgaben. Sie sind jedoch<br />

prinzipiell alle sehr ähnlich strukturiert, haben fast stets nur<br />

einen Zellkern, dem Hauptsitz des genetischen Materials,<br />

der Desoxyribonukleinsäure, DNS. Sowohl im Zellkern wie<br />

im Zytoplasma der Zelle, d.h. außerhalb des Kernes, befindet<br />

sich eine Vielzahl von mikroskopischen Strukturen wohl<br />

gegeneinander meist durch Membrane abgegrenzt. Die<br />

Bausteine dieser Strukturen, in ihnen <strong>und</strong> um sie herum sind<br />

Moleküle, kleine wie sehr große, vielfach Eiweißkörpern,<br />

Fetten <strong>und</strong> Kohlehydraten zugeordnet, Substanzen mit<br />

meist ganz speziellen Eigenschaften <strong>und</strong> Wirkungen. Etwa<br />

80 % der Zellmasse ist Wasser. So ist jede Zelle in sich eine<br />

Art höchst komplex organisiertes <strong>und</strong> funktionierendes<br />

“Feuchtbiotop“. Zelluläre Membranen bestehen aus Doppelschichten<br />

von vernetzten Fettsäuren, den Lipiden. Zellen<br />

umschließende Membranen bilden Barrieren zum Schutz<br />

nach außen <strong>und</strong> innen, mit Mechanismen zum Transport<br />

von Stoffen, z. B. Nährstoffen <strong>und</strong> einzelnen Elementen wie


Natrium, Kalium, Calcium, <strong>und</strong> sie tragen Antennen, so genannte<br />

Rezeptoren, für von außen kommende Signalmoleküle.<br />

Im Zellinneren umschließen Membrane besondere Regionen<br />

für spezielle Funktionen. Hierfür sind sehr individuelle<br />

„Werkzeug-Moleküle“, so genannte Enzyme, erforderlich.<br />

Diese sind Eiweißmoleküle in vielen Variationen, die den<br />

Stoffaufbau, -umbau <strong>und</strong> -abbau reguliert durchführen. Die<br />

dazu erforderlichen Signale besorgen wiederum Kaskaden<br />

von großen <strong>und</strong> kleinen Molekülen oft mit Hilfe von Membranen.<br />

Zellen reagieren als Ganzes. Abb. 2.2 zeigt schematisch<br />

eine Zelle mit ihren funktionsspezifischen Strukturen in<br />

mikroskopisch kleinen Räumen angeordnet.<br />

Rezeptoren<br />

für Bindung von<br />

Signalmolekülen<br />

Energie-<br />

Generator<br />

(Mitochondrium)<br />

Transport<strong>und</strong><br />

Jonenkanäle<br />

Abb. 2.2<br />

Membranen<br />

Säugetierzelle<br />

Zellkern (N) (�x 8 µm � )<br />

Strukturen mit<br />

biologischen<br />

Konstruktions-<br />

Werkzeugen<br />

(Enzyme)<br />

für Energielieferung,<br />

Synthese,<br />

Um- <strong>und</strong> Abbau<br />

Sitz des<br />

genetischen<br />

Materials<br />

(DNS)<br />

Die Zellen des Körpers arbeiten als Bauelemente der Körpergewebe<br />

<strong>und</strong> Organe in einem außerordentlich komplexen<br />

Netz molekularer Signale, welche von Zellen synthetisiert<br />

werden <strong>und</strong> einerseits innerhalb der Zellen aktiv sind,<br />

zum anderen zwischen Zellen in einem gegebenen Organ<br />

wirken, sowie zwischen Zellen in verschiedenen Organen<br />

den ganzen Körper beeinflussen können. So werden die<br />

Funktionen des Gesamtkörpers aufeinander harmonisch<br />

abgestimmt. Ionisierende Strahlen können in ihrer Wechselwirkung<br />

mit Atomen <strong>und</strong> Molekülen durch Veränderung<br />

der Zellfunktionen somit den ganzen Körper beeinflussen<br />

(siehe Abb. 2.1).<br />

27


Mechanismen der Zellschädigung<br />

Ionisierende Strahlen, ob sie nun von externen Quellen oder<br />

von im Körper inkorporierten radioaktiven Elementen kommen,<br />

interagieren im exponierten Organismus mit Atomen,<br />

regen sie an <strong>und</strong> verursachen Ionisationen, wodurch atomare<br />

Hüllenelektronen freigesetzt werden, wie im Kapitel 1<br />

dargelegt ist. Die negativ geladenen freien Elektronen haben<br />

je nach Strahlenqualität <strong>und</strong> Energie auf gew<strong>und</strong>enen Bahnen<br />

im biologischen Material unterschiedliche Reichweiten<br />

in mikroskopischen Dimensionen. Für jede Strahlenart gibt<br />

es einen Mittelwert der Energie <strong>und</strong> damit auch eine mittlere<br />

Reichweite der erzeugten Elektronen. Im Falle von Röntgen-<br />

<strong>und</strong> Gamma-Strahlen entsteht pro atomarem Strahleneinfangereignis<br />

primär ein aus der atomaren Hülle freigesetztes<br />

Elektron. Dieses hat bei 100 KeV <strong>Röntgenstrahlen</strong> eine mittlere<br />

Energie von etwa 6 KeV <strong>und</strong> reicht im Gewebe im Mittel<br />

etwa 1 µm weit. Entlang ihren gew<strong>und</strong>enen Flugbahnen kollidieren<br />

diese primären Elektronen unregelmäßig wiederum<br />

mit Atomen <strong>und</strong> kreieren damit ihrerseits erneut zahlreiche<br />

atomare Anregungen <strong>und</strong> Ionisationen, deren Zahl für ein<br />

etwa 6 KeV Elektron bei etwa 200 liegt. Abb. 2.1.3 zeigt das<br />

Beispiel eines mit etwa 0.5 mGy Röntgen-bestrahlten Gewebes<br />

mit Elektronenbahnen (e - ), <strong>und</strong> dazu ein zusätzlichen<br />

�-Teilchen (�) aus dem Zerfall zum Beispiel eines radioaktiven<br />

Polonium oder Radium Atoms. Ob Elektronen oder �-<br />

Teilchen, die entlang ihrer Flugbahn im Gewebe erzeugten<br />

Ionisationen stellen Energieabsorptionsereignisse dar, die<br />

als mikroskopisch mehr oder weniger kompakte „Energiepakete“<br />

imponieren.<br />

28


Abb. 2.3<br />

Partikelbahnen in exponiertem Gewebe<br />

Partikel-<br />

Bahnen<br />

e - ; � +<br />

Gewebe<br />

Zellen<br />

Matrix<br />

Normale Hintergr<strong>und</strong>-<br />

Strahlung bringt etwa 1-2 Treffer / Zelle / Jahr<br />

Feinendegen LE, 2005<br />

e -<br />

Je größer die Flussdichte von Strahlen, je dichter kommen<br />

primäre Strahleneinfangereignisse zustande <strong>und</strong> damit die<br />

Dichte der daraus resultierenden Energiepakete im Gewebe.<br />

Mit anderen Worten, je höher die Dosis ionisierender Strahlen<br />

je zahlreicher sind die Energiepakete pro Volumen des<br />

exponierten Gewebes. Im Falle der 100 KeV <strong>Röntgenstrahlen</strong><br />

mit den durch sie erzeugten Energiepaketen von etwa<br />

200 Ionisationen bringt die Absorption der gesamten Energie<br />

eines solchen Paketes in einer Mikromasse von 1 ng,<br />

d.h. in etwa einer Zelle, die Dosis von 1 mGy. Dies bedeutet<br />

auch, dass bei einer Ganzkörperdosis von 1 mGy dieser<br />

<strong>Röntgenstrahlen</strong> etwa jede Zelle im Körper im Mittel einmal<br />

von einem solchen Energiepaket getroffen wird. Wäre die<br />

Dosis <strong>Röntgenstrahlen</strong> über ein Jahr verteilt, wie dies bei<br />

chronischer Ganzkörperexposition vorkommen kann, würde<br />

jede Zelle des Körpers einmal im Jahr getroffen. Tatsächlich<br />

ist die natürliche Hintergr<strong>und</strong>strahlung etwa in Höhe des<br />

Meeresspiegels in der hier für <strong>Röntgenstrahlen</strong> geschilderten<br />

Größenordnung, so dass man in Annäherung sagen<br />

kann, dass diese Hintergr<strong>und</strong>strahlung für jede Zelle im<br />

Körper mindestens einmal im Jahr ein Energiepaket von etwa<br />

6 KeV bringt. Bei einem 70 kg schweren Menschen entspricht<br />

dies pro Sek<strong>und</strong>e etwa 2-3 Millionen solcher Zell-<br />

Treffer im ganzen Körper verteilt.<br />

�<br />

29


Die im exponierten Organismus entstehenden Teilchenbahnen<br />

mit ihren Energiepaketen können zufällig jede Art von<br />

Gewebe- <strong>und</strong> Zellstruktur erfassen, wie aus Abb. 2.3 <strong>und</strong><br />

auch Abb. 2.1 schematisch erkennbar ist. Die in den Energiepaketen,<br />

d.h. entlang der Flugbahn geladener Teilchen, von diesen<br />

angeregten, bzw. ionisierten Atome bringen sek<strong>und</strong>är direkt<br />

molekulare Strukturveränderungen je nach Art des Atoms, seinem<br />

Platz in einem Molekül, <strong>und</strong> dem Ausmaß der Störung. Je<br />

nach Bedeutung des getroffenen Moleküls werden wiederum<br />

sek<strong>und</strong>äre Molekülreaktionen ausgelöst <strong>und</strong> dabei auch Substanzen<br />

produziert, die für Zellen toxisch sein können. Da Gewebe<br />

<strong>und</strong> Zellen zu etwa 80 % aus Wasser bestehen, finden<br />

entsprechende Anteile der Ionisationen an Wassermolekülen<br />

statt. Die getroffenen Wassermoleküle wandeln sich sehr rasch<br />

zum größten Teil in so genannte reaktive Sauerstoff-Verbindungen,<br />

die auch Sauerstoff-Radikale oder reaktiven Sauerstoff<br />

tragende Spezies von Molekülen (in englisch: reactive oxygen<br />

species, ROS), genannt werden. Hier ist in Anwesenheit von<br />

Sauerstoff in der Zelle die Radikalausbeute höher als in mit<br />

Sauerstoff schlecht versorgten Zellen. Die durch Strahlen induzierten<br />

ROS sind überwiegend identisch oder sehr ähnlich solchen<br />

ROS, die normalerweise in Sauerstoff nutzenden Zellen<br />

endogen durch eine Reihe biochemischer Reaktionen in verschiedenen<br />

Zellräumen <strong>und</strong> in großer Zahl insbesondere in den<br />

Mitochondrien ständig gebildet werden, von wo ein relativ kleiner<br />

Teil auch in die Gesamtzelle gelangt. Während endogene<br />

ROS durchweg in bestimmten zellulären Räumen entstehen,<br />

sind die durch Strahlen induzierten ROS entlang der Teilchenbahnen<br />

mit diesen rein zufällig verteilt ohne Rücksicht auf spezielle<br />

zelluläre Räume. Generell haben ROS ungeachtet ihrer<br />

Entstehung eine sehr kurze Lebensdauer, können aber über<br />

unmittelbar sek<strong>und</strong>äre molekulare Reaktionsprodukte nicht nur<br />

über St<strong>und</strong>en sondern auch über größere Entfernungen in den<br />

Zellen wirksam sein. So sind ROS einerseits generell, ob sie<br />

durch Strahlen induziert sind oder endogen entstehen, potentiell<br />

toxisch durch ihre Bildung sek<strong>und</strong>ärer molekularer Strukturveränderungen<br />

mit womöglich Kaskaden von sek<strong>und</strong>ären biochemischen<br />

Reaktionen, wo immer sich dazu die Gelegenheit bietet.<br />

So sind erwartungsgemäß mit Sauerstoff wohl versorgte<br />

Zellen generell strahlensensibler als solche, deren Sauerstoffkonzentration<br />

gering ist, wie bei vielen Tumorzellen. Andererseits<br />

haben vor allem in normalen Zellen plötzliche geringe Änderungen<br />

von lokalen ROS-Konzentrationen auch Signalwir-<br />

30


kung <strong>und</strong> können biochemische Stressreaktionen mit biopositiven<br />

Wirkungen hervorrufen.<br />

So interagieren ionisierende Strahlen mit zellulären Molekülen<br />

<strong>und</strong> Strukturen einmal direkt über atomare Ionisationen <strong>und</strong> indirekt<br />

über die Wirkung der von ihnen erzeugten ROS. Je höher<br />

der LET Wert, je geringer wird die Bedeutung der indirekten Effekte<br />

von Seiten der ROS. Insgesamt haben geladene Teilchen<br />

mit einem hohen LET Wert, wie �-Teilchen aus einem zerfallenden<br />

Atom, eine größere biologische Wirksamkeit als solche<br />

mit niedrigen LET Werten, wie Elektronen im Röntgen- oder<br />

Gammastrahlenfeld, <strong>und</strong> zwar je nach der Empfindlichkeit der<br />

Zellteile, die getroffen werden. Die als „Relative Biologische<br />

Wirksamkeit“ (RBW) bekannte Größe ist der Quotient von zwei<br />

Dosen unterschiedlicher Strahlenarten, die den gleichen Effekt<br />

herbei führen, wobei die als Vergleichstandard dienende Dosis<br />

(Dstd), meist von Röntgen- oder Gammastrahlen, im Zähler des<br />

Quotienten steht <strong>und</strong> die Dosis der zu prüfenden Strahlen im<br />

Nenner. So ist für einen definierten biologischen Effekt die RBW<br />

= Dstd./ Dx. RBW Werte schwanken <strong>und</strong> zwar je nach Höhe der<br />

Dosis, mit dem gemessenen Effekt, <strong>und</strong> mit der Art der Zellen<br />

<strong>und</strong> Gewebe, wobei zum Beispiel der RBW Wert für �-Teilchen<br />

gegen <strong>Röntgenstrahlen</strong> durchaus über 10 <strong>und</strong> nicht selten eher<br />

bei 20 liegen kann.<br />

Strahlenempfindliche Teile der Zelle<br />

Die zum einen direkten <strong>und</strong> zum anderen über ROS indirekten<br />

Wirkungen ionisierender Strahlen auf zelluläre Moleküle<br />

<strong>und</strong> Strukturen haben auf lebenswichtige Funktionen je nach<br />

ihrer Bedeutung für die betroffenen Zellen unterschiedliche<br />

Konsequenzen. Alle solche Substrate <strong>und</strong> biochemischen<br />

Verbindungen, die in vielen Kopien in der Zelle vorliegen<br />

<strong>und</strong> agieren, sind für Zellfunktionen offensichtlich weniger<br />

störanfällig, als solche Verbindungen, die solitär sind bzw. in<br />

nur wenigen Duplikaten aktiv sind. Zu den letzteren gehört<br />

vor allem das genetische Material, die DNS, welche zu über<br />

90 % im Zellkern lokalisiert ist. Darüber hinaus erscheint es<br />

nicht überraschend, dass auch die zellulären Membranen<br />

als zelluläre Schutzwälle mit Transportfunktionen <strong>und</strong> als<br />

Träger von wichtigen Enzymen (siehe Abb. 2.1) relativ sensitiv<br />

<strong>und</strong> damit im Vergleich zu anderen zellulären Strukturkomponenten<br />

erhöht strahlenempfindlich sind. Zu den sensi-<br />

31


tiven Strukturen werden auch verschiedene, für die Zellstruktur<br />

<strong>und</strong> interne Signalgebung spezielle Einweißstrukturen<br />

gerechnet, wie die kleinen Fibern, Fibrillen. Da alle Komponenten<br />

einer Zelle in komplexen Signalnetzen miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en sind, bedeutet ein auch kleiner lokaler Strahlenschaden<br />

in der Zelle immer auch eine gesamtzellulär wirksame<br />

Funktionsbeeinträchtigung, auch wenn sie nur sehr<br />

kurz sein sollte.<br />

Die durch ionisierende Strahlen bedingten primären DNS-<br />

Schäden sind in Abb. 2.4 für den Fall einer Röntgenbestrahlung<br />

schematisch zusammengefasst. Die beiden Stränge der DNS<br />

werden durch komplementäre Basenpaare zusammengehalten,<br />

wobei jeweils ein Thymin mit einem Adenin <strong>und</strong> ein Cytosin mit<br />

einem Guanin gekoppelt ist. Schäden treten an diesen Basen<br />

wie auch in den Strängen bildenden Desoxyribose- <strong>und</strong> Phosphatmolekülen<br />

auf. Die primären Schäden sind prinzipiell häufig<br />

aber nicht immer qualitativ ähnlich denjenigen DNS-Schäden,<br />

die von den ROS des normalen Zellstoffwechsels, d.h. von endogenen<br />

ROS, kommen. Besonders bedrohlich erscheinen die<br />

durch Strahlen induzierten DNS-Doppelstrangbrüche (DSB).<br />

Wie Abb. 2.4 zeigt, ist das Verhältnis der Zahl von Gesamtschäden<br />

der DNS zur Zahl von DSB in Folge von Röntgenbestrahlung<br />

etwa 50: 1.<br />

32<br />

+<br />

Strahleneffekte in der DNS<br />

e- Indirekte Effekte<br />

von Radikalen (~ 80 %)<br />

H<br />

O OH<br />

(~ 20 %)<br />

•<br />

H<br />

Direkte Effekte<br />

�������������������������<br />

����������������������������<br />

���������������������������<br />

�������������<br />

Abb. 2.4<br />

Röntgen-<br />

Strahlen<br />

Basenverlust<br />

Basenänderung<br />

(~10 / 0.01 Gy)<br />

Einzelstrangbrüche<br />

ESB (~ 10 / 0.01 Gy)<br />

Doppelstrangbrüche<br />

DSB (~ 0.4 / 0.01 Gy)<br />

Quervernetzungen<br />

(~ 1-2 / 0.01 Gy)


Bei endogener Verursachung hauptsächlich durch ROS liegt<br />

dieser Quotient nach Berechnungen <strong>und</strong> Messungen bei etwa<br />

10 7 : 1. Dies bedeutet, dass ionisierende Strahlen pro DNS-<br />

Schaden etwa h<strong>und</strong>ert tausend Mal effizienter DSB erzeugen<br />

als dies Radikale von Seiten des Zellstoffwechsels tun. Jedoch<br />

entstehen bei der enormen Zahl von endogen entstehenden<br />

DNS-Schäden, die auf eine Million pro Zelle pro Tag geschätzt<br />

werden, auch DSB-Schäden mit zum Teil ähnlichen biochemischen<br />

Strukturen wie nach Bestrahlung. Dennoch erscheinen<br />

die biochemischen Strukturen der durch Strahlen induzierten<br />

DSB je nach Strahlenart zu einem hohen Anteil deutlich komplexer<br />

zu sein als die von endogenen ROS verursachten DSB.<br />

Man schätzt, dass pro Zelle pro Tag im Mittel tausend Mal mehr<br />

DSB von endogenen ROS als von normaler Hintergr<strong>und</strong>strahlung<br />

stammen.<br />

Die Komplexität von Zellstrukturen <strong>und</strong> Funktionen lässt verständlich<br />

erscheinen, dass Zellen in ihren Phasen zwischen<br />

zwei Zellteilungen unterschiedlich strahlenempfindlich sind. Insbesondere<br />

ist die Phase zwischen der Reproduktion des DNS,<br />

die so genannte DNS-Synthese Phase, <strong>und</strong> die anschließende<br />

Phase bis zur darauf folgenden Zellteilung, Mitose, <strong>und</strong> die Mitose<br />

selbst besonders strahlensensitiv. Auch während der DNS-<br />

Synthese Phase durchlaufen Zellen unterschiedliche Perioden<br />

der Strahlenempfindlichkeit, die zum Teil mit der Zellkapazität<br />

zur DNS-Reparatur <strong>und</strong> deren Ablauf korreliert ist. Generell relativ<br />

strahlenresistent ist die Zykluszeit zwischen der Mitose <strong>und</strong><br />

der darauf folgenden Phase der DNS-Synthese. Diese Umstände<br />

sind vor allem auch für die klinische Tumortherapie wichtig.<br />

Reparatur von Strahlenschäden in der Zelle<br />

Um die schon oben erwähnte, enorme Zahl der unterschiedlichen,<br />

endogen entstehenden DNS-Schäden unter Kontrolle zu<br />

halten, verfügen Zellen über feinst abgestimmte Reparaturmechanismen.<br />

Diese haben sich im Laufe der Evolution wesentlich<br />

in Anpassung an die endogenen Schäden entwickelt <strong>und</strong> sprechen<br />

nahezu immer auch auf durch ionisierende Strahlen verursachte<br />

Schäden an. Die DNS-Reparatur wird genetisch gesteuert<br />

<strong>und</strong> involviert weit über h<strong>und</strong>ert bisher bekannte Gene. Für<br />

jede der bekannten DNS-Schäden stehen in der Zelle Enzyme<br />

bereit, welche sehr spezialisierte Aufgaben haben, wie zum<br />

33


Beispiel für die Entfernung geschädigter DNS-Bausteine, d. h.<br />

von geschädigten Basen, für Neusynthese von DNS-Stücken<br />

an bestehenden komplementären DNS-Einzelketten, für das<br />

Aneinanderfügen von DNS-Bruchenden, je nach der Komplexität<br />

des DNS-Schadens. Während die Reparatur von Basenschäden<br />

<strong>und</strong> Einzelstrangbrüchen schnell abläuft mit Halbwertszeiten<br />

von 5 Minuten bis zu 1 St<strong>und</strong>e <strong>und</strong> einem Mittelwert<br />

von etwa 25 Minuten nach der Schädigung, dauert die Reparatur<br />

von Doppelstrangbrüchen länger mit Halbwertszeiten von<br />

etwa 30 Minuten bis zu mehreren St<strong>und</strong>en. Je komplexer die<br />

DSB sind, um so länger dauert die Reparatur, wenn sie überhaupt<br />

von der Zelle durchgeführt werden kann. Bei vorliegenden<br />

genetischen Defekten an Reparaturenzymen kann die Zelle<br />

DNS nur teilweise reparieren. Abb. 2.5 zeigt DNS-Reparaturen<br />

in bestrahlten Lymphozyten unterschiedlicher Personen, wobei<br />

„AT-Patient“ eine Person mit der Erkrankung Ataxia Telangiectasia<br />

identifiziert, bei der DNS-Reparaturenzyme teilweise fehlen.<br />

Die Wahrscheinlichkeit von Fehlern bei der DNS-Synthese, d. h.<br />

Verdopplung, vor jeder Zellteilung ist bei Normalpersonen außerordentlich<br />

gering; aber nicht vernachlässigbar. Dieser Fehler<br />

beträgt etwa10 -10 pro Basenpaar in der DNS. Bei der DNS-<br />

Reparatur ist die Fehlerwahrscheinlichkeit höher <strong>und</strong> falsch reparierte<br />

DNS-Schäden geben Anlass zu genetischen Mutationen.<br />

Man rechnet bei Normalpersonen mit etwa einer Mutation<br />

pro Zelle pro Tag allein als Resultat der von endogenen ROS<br />

schließlich dauerhaft bleibenden DNS-Veränderungen in überlebenden<br />

Zellen. Diese Mutationen sind wesentlich verantwortlich<br />

für zelluläres Altern <strong>und</strong> damit auch für das Altern des Organismus.<br />

Die spontane Krebshäufigkeit in der Bevölkerung<br />

wird hauptsächlich auf Fehler der DNS-Reparatur nach endogener<br />

Schädigung <strong>und</strong> das Versagen anderer Abwehrmechanismen<br />

zurück geführt, wie unten ausführlicher besprochen<br />

wird.<br />

34


Re siduale DNS Schäden (%)<br />

0 25 50 75 100<br />

DNS Reparatur<br />

in Lymphozyten (L) in Kultur<br />

0 30 60 90 120 150 180<br />

Reparaturzeit (Minuten)<br />

Müller WU et al., 2001<br />

Abb. 2.5<br />

Unterschiedliche Strahlenempfindlichkeiten im Körper<br />

Je nach Zellart <strong>und</strong> -stoffwechsel kann die DNS-Reparaturkapazität<br />

unterschiedlich sein. Sie unterliegt, wie bereits erwähnt, wie<br />

andere zelluläre Prozesse genetischer Steuerung. Generell zeigen<br />

die Lymphozyten <strong>und</strong> die unreifen Zellen, wie die Stammzellen<br />

zahlreicher Gewebe mit hohem Zellumsatz, eine höhere<br />

Strahlenempfindlichkeit als reifende Zellen, <strong>und</strong> diese wiederum<br />

sind strahlenempfindlicher als ausgereifte Zellen, wie sie z. B.<br />

im zirkulierenden Blut, der Haut oder Schleimhaut des Magen-<br />

Darmkanals anzutreffen sind. Abb. 2.6 gibt eine Auflistung von<br />

Zellen <strong>und</strong> Geweben, die nach ihrer Strahlenempfindlichkeit geordnet<br />

sind.<br />

Strahlenempfindlichkeit von Zellen <strong>und</strong><br />

Geweben<br />

Abb. 2.6<br />

Lymphozyten, Stammzellen<br />

Spermatogonien<br />

Blutbildendes Knochenmark<br />

Intestinale Epithelzellen<br />

Haut<br />

Nervenzellen<br />

Muskelzellen<br />

Knochen<br />

Bindegewebe<br />

hypersensible<br />

L<br />

AT-Patient<br />

sensible L<br />

resistente L<br />

Hoch<br />

Niedrig<br />

35


Man kann die Strahlenempfindlichkeit von Zellen auf verschiedene<br />

Weise messen. Die konventionell am meisten angewandte<br />

Art ist die Bestimmung derjenigen Dosis, welche die überlebende<br />

Fraktion der bestrahlten Zellen auf 50 % oder 37 % reduziert.<br />

Diese „Letal-Dosen“ (LD50 oder LD37). werden konventionell<br />

meist über die Erstellung von Dosis-Effekt-Kurven gef<strong>und</strong>en.<br />

Diese geben den Anteil der überlebenden Zellen als Funktion<br />

der jeweils eingestrahlten Dosen von 0 bis zu mehreren Gy<br />

an. Bei solchen Kurven wird der Anteil der überlebenden Zellen<br />

logarithmisch auf der Ordinate (Y-Achse) ausgedrückt. So kann<br />

man direkt die Wahrscheinlichkeit der Zelltötung pro Dosis-<br />

Einheit auf der Abszisse (X-Achse) ablesen. Relativ strahlenresistente<br />

Zellen haben pro Dosis-Einheit bei kleinen Dosen nur<br />

eine geringere Wahrscheinlichkeit abzusterben, als pro Dosis-<br />

Einheit bei hohen Dosen. Die Kurve hat bei kleinen Dosen zunächst<br />

einen mehr oder weniger flachen Verlauf. Die Wahrscheinlichkeit<br />

des Zelltodes pro Dosis-Einheit erhöht sich mit<br />

steigender Dosis bis zu einem Dosiswert, über den hinaus die<br />

Wahrscheinlichkeit des Zelltodes pro Dosis-Einheit konstant<br />

bleibt, das heißt, die Kurve beginnt nun eine gerade Linie zu<br />

werden. Die sehr strahlenempfindlichen Zellen zeigen diese Linearität<br />

schon bei kleinen Dosen. Der im linearen Verlauf der<br />

Kurve gemessene Wert der LD37 wird auch als D0 bezeichnet. Sie<br />

gibt die Dosis an, welche im Mittel mit der Wahrscheinlichkeit 1<br />

eine Zelle tötet. Diese wichtige Dosis D0 wird erst messbar,<br />

wenn die bei kleinen Dosen aktiven Schutz- <strong>und</strong> Reparaturkapazitäten<br />

der Zellen erschöpft sind.<br />

Bei tödlicher Bestrahlung ist zumeist eine verbleibend<br />

schwere DNS-Schädigung die Ursache. Bei relativ geringeren<br />

verbleibenden DNS-Schäden überleben die Zellen <strong>und</strong><br />

tragen damit eine vom Ausmaß der Schädigung abhängende<br />

Wahrscheinlichkeit, bleibende Mutationen weiterzugeben<br />

<strong>und</strong> je nach Art der Zelle <strong>und</strong> ihrer Veränderungen nach<br />

Jahren unter Umständen eine Krebserkrankung zu verursachen.<br />

Mehr dazu wird weiter unten besprochen.<br />

Genom-Instabilität; Apoptose<br />

Über unmittelbar von der Bestrahlung herrührende Mutationen<br />

können Zellen bei einem bestimmten Grad der DNS-Schädigung<br />

solche Nachkommen bringen, die über viele Zellgenera-<br />

36


tionen hinweg häufiger als normale Zellen von äußeren <strong>und</strong> inneren<br />

Zellgiften betroffen Gen-Änderungen mit Mutationsanhäufungen<br />

zeigen. Solch befallene Zellen tragen dann das, was<br />

man eine Genom-Instabilität nennt, welche auch zur Krebsauslösung<br />

durch die befallenen Zellen beitragen kann. Es ist wahrscheinlich,<br />

dass für die Induktion einer Genom-Instabilität eine<br />

zelluläre Dosis von etwa 0.1 Gy, hier bei niedrigem LET, erforderlich<br />

ist.<br />

Eine weitere zelluläre Reaktion auf bereits relativ kleine Dosen<br />

von weniger als 0.1 Gy ist der signalinduzierte Zelltod, die so<br />

genannte Apoptose. Die Wahrscheinlichkeit der durch Strahlen<br />

induzierten Apoptose kann bei entsprechend vorgeschädigten<br />

bzw. empfindlichen Zellen dosisabhängig ansteigen. Apoptose<br />

erleiden auch physiologisch solche Zellen, die in Folge von genetisch<br />

programmierten lokalen Gewebeentwicklungen überflüssig<br />

werden. Die durch Strahlen, insbesondere bei kleinen<br />

Dosen auch von Seiten normaler Hintergr<strong>und</strong>strahlung, induzierte<br />

Apoptose von bereits DNS-Schäden tragenden Zellen<br />

wird als biopositiver Effekt der Schadensbeseitigung angesehen.<br />

So wird auf Gr<strong>und</strong> ihrer zentralen Rolle den strahlenbedingten<br />

DNS-Schäden mit ihren Konsequenzen eine besondere Aufmerksamkeit<br />

in der bio-medizinischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung zuteil.<br />

Je besser die DNS-Reparatur in einer Zelle, je höher ist ihre<br />

Strahlenresistenz <strong>und</strong> je geringer sind die verbleibenden Schäden,<br />

mit denen der Gesamtorganismus soweit wie möglich zur<br />

Erhaltung seiner Lebensfähigkeit fertig zu werden hat.<br />

Akute <strong>und</strong> chronische Bestrahlung<br />

Die bisher besprochenen Effekte ionisierender Strahlen <strong>und</strong> biologischen<br />

Reaktionen betrafen die Folgen von akuter Strahlenexposition,<br />

d.h. von Bestrahlung über eine sehr kurze Zeit im<br />

Sek<strong>und</strong>en- bis Minutenbereich. Zusätzliche Umstände müssen<br />

berücksichtigt werden, wenn eine Strahlenexposition über einen<br />

längeren Zeitraum anhält, entweder in einem dauernd bestehenden<br />

Strahlenfeld, z. B. bei der natürlichen Hintergr<strong>und</strong>strahlung,<br />

oder über bestimmte Zeiten an einem Arbeitsplatz mit kontinuierlicher<br />

Strahlenbelastung, oder bei kurzzeitig wiederholten<br />

Expositionen in Abständen von Minuten bis St<strong>und</strong>en, wie z. B.<br />

37


in einer Strahlenklinik bei nicht sorgfältiger Abschirmung des involvierten<br />

Personals.<br />

Die oben besprochenen Gegebenheiten bei durch Strahlen induzierter<br />

zellulärer Schädigung erläutern, dass Strahleneinwirkung<br />

stets über die Strahleneinfangereignisse abläuft, die mikroskopisch<br />

kleine Energiepakete entlang von geladenen Teilchen<br />

deponieren, wie von Elektronen oder Alpha-Teilchen in Abb. 3<br />

zu sehen ist. Wird eine bestimmte Dosis über einen längeren<br />

Zeitraum absorbiert, treten somit die individuellen Energiepakete<br />

über die gesamte Expositionszeit verstreut auf, wodurch sich<br />

die einzelnen Treffer dosisabhängig unterschiedlich häufig in einem<br />

bestimmten mikroskopischen Gewebeteil, wie in einzelnen<br />

Zellen, ereignen. Der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinander<br />

folgenden Treffern von Energiepaketen in einem definierten<br />

Gewebeteil, wie im Bereiche einzelner Zellen, bestimmt die<br />

Zeit, welche eine Zelle zur vollen Reparatur oder Wiederherstellung<br />

ihres Funktionsgleichgewichtes zur Verfügung hat. Ist der<br />

zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Treffern<br />

kürzer als eine Zelle zur optimalen Reparatur <strong>und</strong> Wiederherstellung<br />

ihrer Funktion braucht, kann die Initialstörung oder<br />

Schädigung durch den zweiten Treffer erheblich verstärkt werden.<br />

Ist andererseits der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinander<br />

folgenden Treffern größer als die optimale Reparatur<strong>und</strong><br />

Wiederherstellungszeit, kann die Reparaturkapazität der<br />

Zellen voll genutzt werden. Hiernach verbleibende Schäden akkumulieren<br />

im Laufe der Zeit in langlebigen Zellen <strong>und</strong> deren<br />

Nachkommen.<br />

Wie oben bereits angedeutet, bringt eine Exposition mit 100 KeV<br />

<strong>Röntgenstrahlen</strong> bei einer Dosis von 1 mGy etwa ein Energiepaket<br />

von im Mittel 6 KeV pro ng exponierten Gewebes, d.h.<br />

etwa pro Zelle. Wird die Dosis über ein Jahr hinweg kontinuierlich<br />

dem Ganzkörper verabreicht, wird im Mittel jede Zelle im<br />

Körper in diesem Jahr einmal mit 1 mGy bestrahlt: So erhält hier<br />

an jedem Tag eine von annähernd 365 Zellen eine Dosis von<br />

zirka 1 mGy. Dieses Szenario entspricht in etwa dem der Exposition<br />

bei einer niedrigen natürlichen Hintergr<strong>und</strong>strahlung. Im<br />

Hinblick auf die Signalvernetzung der Zellen <strong>und</strong> Gewebe lokal<br />

wie im ganzen Organismus sind bei der chronischen Strahlenbelastung<br />

die pro Zeit auftretenden Häufigkeiten von Strahleneinfangereignissen<br />

mit ihren Energiepaketen in Zellen, bzw.<br />

Gruppen von Zellen im Gewebe, sowohl hinsichtlich der DNS-<br />

38


Schäden, als auch deren Reparatur, <strong>und</strong> der Induktion von<br />

adaptiven Reaktionen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang<br />

ist speziell der Bystander Effekt wichtig, wie unten in<br />

Abschnitt 2.2 weiter besprochen wird.<br />

Biologische Dosimetrie<br />

Schwere <strong>und</strong> bleibende DNS-Schäden können zu Strukturänderungen<br />

von Chromosomen führen. Diese sind bei Zellteilungen<br />

leicht beobachtbar. Die relative Häufigkeit von Chromosomenschäden<br />

zum Beispiel in speziellen, zirkulierenden weißen Blutzellen,<br />

den Lymphozyten, können mit verschiedenen Methoden<br />

erkannt werden. Neben den rein strukturell schon direkt im Mikroskop<br />

sichtbaren groben Veränderungen, d.h. Aberrationen,<br />

werden auch einzelne Abschnitte von Chromosomen <strong>und</strong> deren<br />

Verschiebungen innerhalb oder zwischen Chromosomen durch<br />

moderne Methoden der Färbung deutlich. Abb. 2.7 zeigt einen<br />

zellulären Satz von Chromosomen, die zum Teil durch Bestrahlung<br />

verändert worden sind.<br />

Abb. 2.7<br />

Chromosomen-Aberrationen (CA)<br />

nach Bestrahlung menschlicher Lymphozyten<br />

Ringförmige CA Dizentrische CA; Fragment-CA<br />

Hall E, 2000<br />

Die Häufigkeit von DNS-Schäden wie auch von Chromosomenveränderungen<br />

in bestrahlten Zellen ist je nach Strahlenart mit<br />

dem Ausmaß einer Strahlenexposition, d.h. der absorbierten<br />

Strahlendosis, korreliert, wie dies schematisch die Abb. 2.8<br />

zeigt. Daher können sowohl bleibende DNS-Schäden wie auch<br />

die verschiedenen Chromosomenveränderungen zur biologi-<br />

39


schen Dosimetrie herangezogen werden. Ganzkörperbestrahlungen<br />

bis herunter zu Dosen um 0,1 Gy sind auf diese Weise<br />

im exponierten Körper zum Beispiel nach einem Unfall relativ<br />

genau bestimmbar.<br />

Lymphozyten mit Chromosomenaberrationen, wie sie in Abb.<br />

2.7 zu sehen sind, haben nur eine beschränkte Lebensdauer<br />

<strong>und</strong> verschwinden je nach Typ innerhalb von Wochen bis Monaten<br />

aus dem peripheren Blut. Deswegen sollte die Zeit nach der<br />

Strahlenexposition bei der Auswertung der Daten Berücksichtigung<br />

finden. Biologische Dosimetrie dieser Art sollte so früh wie<br />

möglich nach einem Strahlenunfall angewandt werden. Bei Teilkörperbestrahlungen<br />

verlangt die biologische Dosimetrie über<br />

die Auswertung von Chromosomenaberrationen in Lymphozyten<br />

zusätzliche Rücksicht auf die Tatsache, dass die beobachteten<br />

Lymphozyten während der Exposition im ganzen Körper zirkulierten.<br />

Die Häufigkeit von DNS-Schäden<br />

wie auch Chromosomen-Aberrationen<br />

in bestrahlten Zellen<br />

steigt progressiv mit der Strahlendosis<br />

Abb. 2.8<br />

40<br />

DNS-Schaden<br />

Absorbierte Dosis<br />

2. 2. Wirkungsweise ionisierender Strahlung auf<br />

vielzellige Organismen<br />

Wie schon einzelne Zellen außerordentlich komplexe Systeme<br />

sind, in welchen alle Elemente mit ihren direkten <strong>und</strong><br />

indirekten Wechselwirkungen von zahlreichen lokalen strukturellen<br />

<strong>und</strong> biochemischen Faktoren beeinflusst werden<br />

<strong>und</strong> die Zelle als ganzes reagieren lassen, muss auch auf<br />

der Ebene der Gewebe <strong>und</strong> Organe das Gesamtsystem mit<br />

seinen Vernetzungen von Zellen in lebenswichtigen Struktu-


en <strong>und</strong> Funktionen berücksichtigt werden. Auch in diesem<br />

Zusammenhang sind Strahlenwirkungen dosis- <strong>und</strong> zeitabhängig<br />

zu betrachten, wie bereits oben erwähnt wurde. Sowohl<br />

die so genannten Bystander Effekte, die meist lokal im<br />

Gewebe berücksichtigt werden, als auch entferntere Einwirkungen<br />

auf das Funktionsgleichgewicht des Gesamtsystems<br />

können bedeutsam sein. Funktionsgleichgewicht, auch als<br />

Homöostase bezeichnet, besteht innerhalb von Zellen, zwischen<br />

den Zellen <strong>und</strong> den verschiedenen Geweben <strong>und</strong> Organen<br />

des Körpers <strong>und</strong> wird über die zwischen diesen allen<br />

wirkenden Signalvernetzungen aufrecht erhalten. Die vielfältigen<br />

hier involvierten biochemischen Mechanismen sind wie<br />

alle Zellfunktionen letztlich unter genetischer Kontrolle <strong>und</strong><br />

hängen auch vom individuellen Alter, von der Lebensweise<br />

<strong>und</strong> von Umwelteinflüssen ab.<br />

Bystander Effekte<br />

Im Laufe des letzten Jahrzehntes haben zahlreiche Experimente<br />

deutlich gemacht, dass bestrahlte Zellen im Verband<br />

mit anderen Zellen entweder in Kultur oder auch im intakten<br />

Organismus kurz nach Bestrahlung, innerhalb von St<strong>und</strong>en,<br />

Substanzen ausscheiden können, die nicht-bestrahlte Zellen<br />

in der Nachbarschaft der bestrahlten Zellen beeinflussen<br />

können. Bei diesen Vorgängen spielen direkte Zellkontakte<br />

sowie auch außerhalb der Zellen diff<strong>und</strong>ierende Substanzen<br />

eine Rolle, deren chemisch-biochemische Natur gegenwärtig<br />

intensiv erforscht wird. Diese in nicht-bestrahlten Zellen<br />

erscheinenden aber von bestrahlten Zellen ausgelösten Wirkungen<br />

werden Bystander Effekte genannt. Abb. 2.9 zeigt<br />

schematisch die von einer bestrahlten Zelle ausgelösten<br />

Wirkungsrichtungen.<br />

Bei der Auswertung von Verteilung <strong>und</strong> Häufigkeit von DNS-<br />

Schäden <strong>und</strong> Zelltod in Kulturen, in denen einzelne Zellen<br />

gezielt mit unterschiedlichen Dosen bestrahlt wurden, zeigte<br />

sich, dass Bystander Effekte bei kleinen Dosen von etwa<br />

1 mGy kaum erkennbar sind, danach ansteigen bis zu einem<br />

Plateau der Wirkung bei etwa 0.1-0.2 Gy. Bei �-Strahlen<br />

wurde das Wirkungsplateau bei etwa 2 Teilchen in der<br />

den Effekt auslösenden Zelle erreicht. Solche Bystander Effekte<br />

sind nicht nur in der Lage, in nicht bestrahlten Zellen<br />

41


DNS-Schäden inklusive DSB zu verursachen, sondern auch,<br />

wie weiter unten besprochen, biopositive Wirkungen. In diesem<br />

Zusammenhang ist ein besonderer Bystander Effekt zu<br />

sehen, der in nicht bestrahlten Nachbarzellen bestimmte<br />

Signale induziert, welche dann durch Rückwirkung in einem<br />

zweiten Schritt die bestrahlte Zelle zum Selbstmord, d.h. zur<br />

Apoptose, bringt. Dadurch wird die primär geschädigte Zelle<br />

als Schadensträger aus dem Gewebe eliminiert.<br />

Es ergibt sich somit, dass in einem Organismus, in dem auf<br />

Gr<strong>und</strong> einer sehr kleinen Dosis nur einzelne Zellen ein<br />

Strahleneinfangereignis mit einem Energiepaket erleiden,<br />

die Zahl der auf dieses Ereignis reagierenden Zellen größer<br />

als die Zahl der getroffenen Zellen ist. Daher wird auch diskutiert,<br />

ob einerseits die Wahrscheinlichkeiten einer Krebserkrankung<br />

<strong>und</strong> das Ausmaß anderer zellulärer Reaktionen<br />

im so bestrahlten Organismus bei kleinen Dosen größer sind<br />

als auf der Basis einer linearen Dosis-Risiko Beziehung erwartet<br />

würde. Da diese Verhältnisse für den Strahlenschutz<br />

von großer Bedeutung sind, wird auf diesem Gebiet gegenwärtig<br />

intensiv geforscht. Wie weiter unten ausgeführt ist,<br />

erscheint es unwahrscheinlich, dass der Bystander Effekt<br />

bei sehr kleinen Dosen über Vervielfachung von DNS-<br />

Schäden im Gewebe nennenswert zu einer Erhöhung der<br />

Krebswahrscheinlichkeit beiträgt.<br />

42<br />

Signale zwischen Zellen in Matrix <strong>und</strong> Gewebe<br />

Getroffene<br />

Zelle<br />

Gewebe<br />

Zellen<br />

Abb. 2.9<br />

Feinendegen LE, 2005<br />

= Bystander Effekte<br />

Zellverbindung<br />

Matrix


Strahleninduzierte Störungen des biologischen Gleichgewichtes,<br />

adaptive Reaktionen<br />

Die von ionisierenden Strahlen erzeugten primären<br />

Interaktionen mit Atomen entlang der Teilchenflugbahnen<br />

mit ihren direkten <strong>und</strong> indirekten Wirkungen auf Moleküle<br />

können je nach Art <strong>und</strong> Ausmaß sek<strong>und</strong>är auf Strukturen<br />

<strong>und</strong> die mit ihnen gegebenen Funktionen auf den<br />

verschiedenen Organisationsebenen des Körpers einwirken.<br />

Diese dosisabhängigen Beeinflussungen <strong>und</strong> deren zeitliche<br />

Abfolge werden wesentlich durch den hierarchischen Aufbau<br />

des Körpers bestimmt.<br />

Innerhalb der einzelnen biologischen Organisationsebenen<br />

sowie zwischen diesen Strukturen werden alle lebenswichtigen<br />

Funktionen, die das strukturelle Zusammenwirken des<br />

Organismus garantieren, in einem äußerst komplexen Signalnetz<br />

miteinander koordiniert <strong>und</strong> aufeinander abgestimmt,<br />

um die Homöostase aufrecht zu erhalten. Das für<br />

Homöostase nötige Signalnetz arbeitet, wie bereits oben<br />

resümiert, innerhalb von Zellen, zwischen Zellen <strong>und</strong> Matrix,<br />

d. h. extrazellulären Gewebestrukturen eines Organes, <strong>und</strong><br />

zwischen Zellen verschiedener Organe <strong>und</strong> Gewebe. Alle<br />

Signale erfassen schließlich Zellen, welche die besonderen<br />

Funktionen eines Organs <strong>und</strong> Gewebes bestimmen. Die<br />

Abb. 2.10 veranschaulicht schematisch die wesentlichen<br />

drei Signalschleifen in einem Körper.<br />

Abb. 2.10<br />

Signalnetze in biologischen Systemen<br />

Sie antworten auf Störungen<br />

der Homöostase, je nach<br />

Organe<br />

Spezies, Zelltyp <strong>und</strong><br />

Stoffwechsel<br />

Gewebe<br />

Neuro-Hormonale<br />

Zellen<br />

Signale<br />

Interzelluläre<br />

+ Matrix Signale<br />

Intrazelluläre<br />

Signale<br />

Stress<br />

Zelluläre Moleküle<br />

antworten<br />

Ausmass der Störung<br />

Adaptiver Schutz Schaden<br />

Feinendegen LE, 2005<br />

43


Jede Einwirkung auf die verschiedenen, übergreifenden Signalschleifen,<br />

ob durch äußere oder innere Reizfaktoren,<br />

führt zu Reaktionen innerhalb der Signalnetze mit dem Ziel<br />

der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Homöostase<br />

der aufeinander abgestimmten Funktionen des Gesamtkörpers<br />

sowie seiner Teile. Bei geringfügigen lokalen<br />

oder weitreichenden Störungen des Systems wie bei Stress<br />

wird Homöostase in den betroffenen Systemkomponenten<br />

durch Rückkopplungsmechanismen relativ schnell wieder<br />

optimiert.<br />

Darüber hinaus induziert eine gegebene Stresssituation mit<br />

Verzögerung meist vorübergehend eine Anpassung dergestalt,<br />

dass das System auf erneute Störung weniger anfällig<br />

ist. Beispiele für solche mit zeitlicher Verzögerung erkennbaren<br />

adaptiven Reaktionen sind Zunahme von Muskelmasse<br />

nach körperlichem Training, oder Bräunung der Haut nach<br />

mäßiger UV Strahleneinwirkung, oder Immunschutz vor Infektionen<br />

nach Impfung. Kommt es zu einer Zerstörung der<br />

durch Signale gesteuerten Koordination durch Ausschaltung<br />

der funktionstragenden Strukturen, bricht das System lokal<br />

zusammen <strong>und</strong> kann, wenn es nicht repariert wird je nach<br />

Schweregrad schließlich zum Untergang des Gesamtorganismus<br />

führen. Beispiele sind wiederum Kreislaufzusammenbruch<br />

beim übermäßigem Training, oder Verbrennungen<br />

der Haut bei übermäßiger UV-Bestrahlung, oder tödliche<br />

Infektionen bei Immunschwäche.<br />

Abwehr- <strong>und</strong> Reparaturmechanismen vielzelliger<br />

Systeme<br />

Ionisierende Strahlen sind allgemein in der Lage einerseits<br />

Schäden zu setzen wie auch Stressreaktionen auszulösen.<br />

Das Verhältnis der beiden Rektionsmuster zueinander verschiebt<br />

sich zu Schäden mit steigender Dosis. Je nach Höhe<br />

der Dosis <strong>und</strong> damit je nach dem Grad der Einwirkung auf<br />

Strukturen kann der bestrahlte Körperteil sofort erkranken<br />

<strong>und</strong> nach Überwindung der akuten Krankheit viele Jahren<br />

später über zelluläre Gen-Veränderungen überlebender Zellen<br />

einen bösartigen Tumor entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit<br />

einer akuten Strahlenkrankheit sowie auch einer Krebserkrankung<br />

hängt wiederum von der Fähigkeit des gesam-<br />

44


ten Organismus ab, Störungen im System zu korrigieren,<br />

bzw. Krebszellen als Ursachen von Störungen zu beseitigen.<br />

Bei einer Einschränkung dieser Korrekturen im System<br />

wird z. B. einer Krebsentwicklung ebenso Vorschub geleistet,<br />

wie anderen Erkrankungen, die von solchen Korrekturen<br />

in Schach gehalten werden, zum Beispiel verschiedene Infektionskrankheiten.<br />

Dass ein ges<strong>und</strong>er Organismus über immense Abwehrkräfte<br />

verfügt, ist nicht nur eine tägliche Erfahrung, zum Beispiel<br />

bei der Immunabwehr von Infektionen, sondern zeigt sich<br />

auch in den Quantitäten der Schäden, die nach Bestrahlung<br />

in den verschiedenen Organisationsebenen des Körpers erkennbar<br />

werden. Solche Daten sind in der Abb. 2.11 für den<br />

Fall einer Strahlenexposition mit 1 mGy im roten Knochenmark<br />

zusammengefasst.<br />

Bei Bestrahlung des roten Knochenmarks als besonders<br />

strahlenempfindliches Gewebe mit 1 mGy Röntgenstrahlung<br />

wird pro Zelle, wie oben erklärt, im Mittel ein Strahleneinfangereignis<br />

mit dem entsprechenden Energiepaket erzeugt.<br />

Dieses verursacht direkte <strong>und</strong> indirekte Wechselwirkungen<br />

mit zellulären Substraten. So entstehen durch Ionisierung<br />

von Wassermolekülen etwa 150 Sauerstoff-Radikale; insgesamt<br />

werden etwa 2 Veränderungen der DNS beobachtet,<br />

<strong>und</strong> davon sind etwa 1 DNS-DSB in jeder fünf<strong>und</strong>zwanzigsten<br />

Zelle, <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit einer Chromosomenaberration,<br />

wie sie Abb. 6 zeigt, ist pro Zelle etwa 1 zu<br />

10.000. Während diesen Daten präzise Messungen zu<br />

Gr<strong>und</strong>e liegen, ist die Wahrscheinlichkeit einer so getroffenen,<br />

potentiell Leukämie bildenden Stammzelle, eine tödliche<br />

verlaufende Leukämie auszulösen, eine Schätzung. Sie<br />

beruht auf der linearen Extrapolation der bei hoher Dosis<br />

beobachteten Leukämierate pro Dosiseinheit, wie sie unten<br />

im Abschnitt 2.4.2.4 besprochen ist. So ergibt sich für die<br />

tödliche Leukämie ein geschätztes Risiko von etwa 1 zu<br />

einh<strong>und</strong>ert Billionen (10 -14 ) pro blutbildender Stammzelle pro<br />

1 mGy. Mit anderen Worten, die Wahrscheinlichkeit einer<br />

tödlichen Leukämie pro DNS-DSB in der Stammzelle ist hier<br />

ungefähr 10 -12 , d. h. bei 1 zu einer Billion. Die immense Zahl<br />

von DNS-DSB, die hier für eine tödliche Leukämie nötig<br />

sind, verdeutlicht die Fähigkeit des ges<strong>und</strong>en Organismus<br />

45


46<br />

Der Körper als<br />

komplex adaptives System<br />

in verschiedenen Ebenen<br />

Röntgen-<br />

Strahlen<br />

Organismus<br />

Gewebe<br />

Zellen<br />

Moleküle<br />

Atome<br />

Feinendegen LE et al, 1995<br />

Abb. 2.11<br />

Risko für eine Stammzelle<br />

pro 1 mGy 100 kV Rö.-Strahlen<br />

im menschlichen roten Knochenmark<br />

durch Extrapolation von hoher Dosis<br />

~ 10 -14 Maligne Transformation<br />

mit tödlichem Krebs<br />

?<br />

~ 10 -4 Chromosomen Aberr.<br />

~ 4 x 10 -2 DNS - DSB<br />

~ 2 � DNS Änderungen<br />

~ 150 Sauerstoff-Radikale<br />

zur Schadensabwehr <strong>und</strong> lässt die oft von Nichtfachleuten<br />

gehörte Aussage, dass jeder durch Strahlen induzierte Doppelstrangbruch<br />

eine potentiell krebsauslösende DNS Störung<br />

ist, als zumindest übertrieben <strong>und</strong> sogar als ungerechtfertigt<br />

erscheinen.<br />

Die dem Körper physiologisch gegebenen Reparatur- <strong>und</strong><br />

Abwehrmechanismen sind, wie bereits aus den Abb. 2.10<br />

<strong>und</strong> 2.11 zu erkennen, überaus vielfältig <strong>und</strong> auf jeder Organisationsebene<br />

wirksam. Sie umfassen biochemische<br />

Entgiftungsreaktionen, vor allem von ROS, zelluläre Reparaturmechanismen,<br />

vor allem von DNS-Schäden, Änderungen<br />

des Zellzyklus zwischen Zellteilungen, <strong>und</strong> Beseitigung von<br />

geschädigten Zellen einmal durch signalausgelösten Zelltod,<br />

Apoptose, zum anderen durch Immunreaktionen, <strong>und</strong><br />

auch durch Differenzierung zu Zellen mit begrenzter Lebensdauer.<br />

Die beseitigten Zellen werden durch Nachschub<br />

funktionstüchtiger Zellen ersetzt. Daraus ergibt sich, dass<br />

jede Organisationsebene Barrieren setzt, die Schäden sozusagen<br />

aszendierend überwinden müssen, um zu einer<br />

Ges<strong>und</strong>heitsstörung zu führen. Die kaskadenförmig aszendierend<br />

aktiven Abwehr- <strong>und</strong> Korrekturmechanismen auf<br />

den verschiedenen Organisationsebenen des Körpers reagieren<br />

prinzipiell in ähnlicher Weise insofern, als das jeweils


eagierende System eine Störung, bzw. Schädigung zunächst<br />

auf seiner Ebene blockiert <strong>und</strong> erst dann auf höhere<br />

Ebene weiter gibt, wenn die Störung bzw. Schädigung von<br />

dieser Ebene nicht ausreichend kompensiert oder beseitigt<br />

werden kann. So kann Schaden von der molekularen auf<br />

die zelluläre, Gewebe- bzw. Organebene, <strong>und</strong> schließlich<br />

auf Gesamtkörper-Ebene verstärkt zur ges<strong>und</strong>heitlichen Bedrohung<br />

werden. Aus dieser Darlegung ergibt sich, dass die<br />

Wahrscheinlichkeit einer bedrohlichen Ges<strong>und</strong>heitsstörung<br />

keinesfalls proportional mit dem Ausmaß eines Schadens<br />

auf der molekularen Ebene, inklusive der DNS, ansteigt,<br />

sondern dass auf jeder Ebene zunächst ein bestimmter Minimalschaden<br />

vorhanden sein muss, bevor er die Barriere<br />

der Abwehrmechanismen durchringt. Die Wahrscheinlichkeit<br />

der Überwindung einer solchen Barriere ist sicherlich auch<br />

abhängig von Art, Qualität <strong>und</strong> Quantität, die ein gegebener<br />

Anfangsschaden besitzt. Auch bei der Entstehung einer<br />

Krebserkrankung aus einer bösartig transformierten Zelle<br />

mit lokaler Vermehrung, d.h. mit klonalem Wachstum, sind<br />

die genannten Abwehrmechanismen auf zellulärer <strong>und</strong> Gewebe<br />

bzw. Organebene wesentlich über das Immunsystem<br />

wirksam. Es ist offensichtlich, dass die hier kurz angedeuteten<br />

Reaktionsmuster bei Störungen biologischer Systeme<br />

auf ihren verschiedenen Organisationsebenen für das Verständnis<br />

der akuten <strong>und</strong> späten Strahlenwirkungen <strong>und</strong> ihrer<br />

Risiken bedeutsam sind.<br />

Stochastische Strahlenwirkungen<br />

Die Unterscheidung zwischen so genannten stochastischen<br />

<strong>und</strong> deterministischen Wirkungen von ionisierenden Strahlen<br />

bedarf einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Erläuterung. Stochastisch<br />

werden allgemein solche Schäden genannt, welche durch<br />

zufällige Interaktionen von durch ionisierende Strahlen erzeugten<br />

Energiepaketen mit biologisch bedeutsamen Strukturen,<br />

wie dem genetischen Material, proportional zur Zahl<br />

der Interaktionen ausgelöst werden. Folgendes Beispiel mag<br />

dies erläutern. Mit einem Beil lassen sich Kerben in einen<br />

Holzstamm von bestimmter Härte schlagen. Die Tiefe der<br />

Kerbe hängt von der Kraft ab, mit der das Beil auf das Holz<br />

trifft. Jedoch ist eine minimale Kraft nötig, um überhaupt ei-<br />

47


ne Kerbe zu erzeugen. Andererseits kann eine bestimmte<br />

Kerbentiefe durch eine bestimmte Kraft des Beiles erzeugt<br />

werden. Nimmt man allerdings nun zahlreiche solcher Holzstämme<br />

<strong>und</strong> bearbeitet sie alle parallel oder hintereinander<br />

getrennt mit einem definiert kräftigen Beilschlag, so zeigt<br />

sich, dass die Kerbentiefe nicht immer ganz genau gleich ist<br />

sondern dass sie um einen Mittelwert schwankt. Die Zahl<br />

der Kerben in diesem Beispiel steigt mit der Zahl der Beilschläge<br />

jeweils auf einen getrennten Holzstamm. Man sagt<br />

auch, dass hier die Zahl der Kerben linear mit der Zahl der<br />

definierten Beilschläge im Kollektiv der bearbeiteten Holzstämme<br />

ansteigt. Diese Situation findet ihre Analogie in der<br />

Schädigung der DNS in einem Strahlenfeld. Die DNS bietet<br />

ein Kollektiv von räumlich getrennten Abschnitten, welche im<br />

obigen Beispiel den Holzstämmen entsprechen. Die von<br />

ionisierenden Strahlen im Gewebe erzeugten Energiepakete<br />

haben einen mittleren Wert pro Strahlenart <strong>und</strong> stellen somit<br />

Kraftinkremente dar, die im obigen Beispiel den definierten<br />

Beilschlägen entsprechen. Mit der Dosis steigt die Zahl der<br />

erzeugten Energiepakete pro Einheit Gewebemasse an, wie<br />

obern besprochen, <strong>und</strong> dementsprechend steigt die Zahl der<br />

von diesen bewirkten DNS-Veränderungen, welche im obigen<br />

Beispiel der Zahl der Kerben mit einer bestimmten Tiefe<br />

entsprechen. Welche DNS-Abschnitte von Energiepaketen<br />

direkt <strong>und</strong> indirekt getroffen werden, ist weitgehend zufällig.<br />

Wenn allerdings die Dosis soweit ansteigt, dass zahlreiche<br />

Energiepakete sich überschneiden <strong>und</strong> so gemeinsam auf<br />

einen DNS-Abschnitt stoßen, werden zunehmend schließlich<br />

alle DNS-Abschnitte nicht nur einmal getroffen. Der daraus<br />

resultierende lokale Zusammenbruch macht das Ausmaß<br />

des Gesamtschadens größer als die Summe der Einzelschäden.<br />

Es ist somit offensichtlich, dass unterhalb einer bestimmten<br />

Dosis für eine bestimmte Strahlenart die Zahl der DNS-<br />

Schäden linear mit der Dosis ansteigt, <strong>und</strong> bei steigender<br />

Dosis, je nach Strahlenart Effektüberschneidungen auftreten,<br />

was sich durch einen Übergang in eine exponentiell<br />

steigende Effektkurve ausdrückt. Diese Art von Dosis-Wirkungskurve<br />

folgt dann zunächst der Funktion E = �D x �D 2 ,<br />

wobei E der Effekt <strong>und</strong> D Dosis ist, <strong>und</strong> � <strong>und</strong> � sind die für<br />

niedrige wie höhere Dosen gemessenen Proportionalitäts-<br />

48


konstanten. Bei weiter ansteigender Dosis beginnt der Effekt<br />

zunehmend abzunehmen, weil die involvierten Zellen absterben<br />

<strong>und</strong> den Effekt nicht mehr zeigen können, wie dies<br />

in Abb. 2.12 zu sehen ist.<br />

Es ist unbestritten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zelle<br />

mit einer Latenzzeit von vielen Jahren eine Krebserkrankung<br />

auslöst, von der Schädigung ihrer DNS abhängt. Diese<br />

Erkenntnis <strong>und</strong> die auch experimentell bestätigte Proportionalität<br />

zwischen DNS-Schäden <strong>und</strong> der Dosis unterhalb eines bestimmten<br />

Wertes stellen die Gr<strong>und</strong>lage der Annahme, dass<br />

die Häufigkeit von Krebserkrankungen linear mit der Dosis<br />

bis zu einem bestimmten Wert ansteigt. Da die DNS-Schäden,<br />

die für eine Krebserkrankung wesentlich sind, durch Strahlen<br />

verursachte, zufällig treffende Energiepakete entstehen,<br />

bezeichnet man die durch ionisierende Strahlen bedingten<br />

Krebserkrankungen auch als stochastische Spätschäden.<br />

Wie schon im vorigen Abschnitt <strong>und</strong> unten des weiterten<br />

dargelegt ist, wird bei der Annahme der linearen Beziehung<br />

zwischen absorbierter Dosis <strong>und</strong> Krebshäufigkeit in einer<br />

exponierten Population allerdings oft übersehen, dass gerade<br />

im kleinen Dosisbereich auch solche Zell- <strong>und</strong> Gewebereaktionen<br />

auftreten, die als Antworten im Kontext des gesamten<br />

biologischen Systems auf Störungen der Homöostase<br />

zu verstehen sind. Wie bereits besprochen, wird durch<br />

den Versuch des biologischen Systems zur Wiederherstellung<br />

der Homöostase, die Weitergabe von Schäden aufsteigend<br />

zu höheren Organisationsebenen erschwert oder ganz<br />

unterb<strong>und</strong>en. Darüber hinaus tendieren diese Reaktionen<br />

vor allem bei kleinen Dosen zur Auslösung von den bereits<br />

erwähnten adaptiven Veränderungen in dem Sinne, dass<br />

das betroffene biologische System für eine bestimmte Zeit<br />

vor erneuter Attacke ähnlich wirkender toxischer Substanzen,<br />

wie z. B der im Stoffwechsel ständig gebildeten ROS,<br />

geschützt wird.<br />

Die stochastische Dosis-Effekt-Kurve in Abb. 2.12 beginnt<br />

hier konventionell mit einem linearen Ansatz (�D) <strong>und</strong> das<br />

Fragezeichen soll die in den letzten Jahren bekannt gewordene<br />

Unsicherheit im kleinen Dosisbereich betonen, worauf<br />

später noch einmal verwiesen wird. Der spätere Kurvenverlauf<br />

folgt der Gleichung �D + �D 2 .<br />

49


50<br />

E (W)<br />

Abb. 2.12<br />

Dosis-Effekt Kurven bei niedrig-LET Strahlung<br />

Stochastische Effekte Deterministische Effekte<br />

(Späte E.) (Meist akute E.)<br />

�D + �D 2<br />

?<br />

�D<br />

E (S)<br />

Schwelle<br />

D D<br />

Niedrige Dosis Region: < 200 mGy<br />

Deterministische Strahlenwirkungen<br />

Unter deterministischen Strahlenwirkungen versteht man<br />

solche Effekte, deren Schweregrad mit der Dosis, d. h. der<br />

einwirkenden Kraft, ansteigt. Um beim obigen Beispiel der<br />

Beilschläge auf Holzstämme zu bleiben, wird die Tiefe einer<br />

Kerbe im Holzstamm von der Kraft des Beilschlages bestimmt.<br />

Bei sehr geringem Beilschlag kommt es je nach Härte<br />

des Holzes nicht zur Kerbe. Und jenseits einer bestimmten<br />

starken Wucht des Beilschlages wird der Holzstamm<br />

stets voll zertrennt <strong>und</strong> zwar dann unabhängig von der<br />

Wucht des Beilschlages. Wenn dieses Beispiel auf Strahlenexposition<br />

übertragen wird, entspricht eine Dosis bestimmter<br />

Strahlenart mit ihren Energiepaketen einer Summe<br />

von Beilschlägen für dieselbe Kerbe. Wenn die Summe der<br />

primären biologischen Schäden einen gewissen Wert überschreitet,<br />

wird eine bestimmte Zahl von Zellen entweder innerhalb<br />

kurzer Zeit in ihren Funktionen wesentlich verändert<br />

oder stirbt, so dass z. B. die Gewebefunktion nicht mehr voll<br />

aufrecht erhalten werden kann. Um einen solchen Systemschaden<br />

zu machen, muss die absorbierte Dosis einen Mindestwert<br />

übersteigen. Mit einer Maximaldosis wird auch das<br />

Maximum eines definierten Schadens erreicht, z. B. alle Zel-


len inaktiviert oder getötet, <strong>und</strong> bei einer weiteren Dosiserhöhung<br />

bleibt es beim Plateau des maximalen Schadens.<br />

Deterministische Schäden können sich als akute Strahlenkrankheit<br />

oder mit einer Latenzzeit von Jahren in verschiedenen<br />

Geweben, wie Haut, Lunge, Bindegewebe als chronische<br />

Erkrankungen manifestieren.<br />

Den verschiedenen Formen der akuten wie auch chronischen<br />

Strahlenkrankheiten ist gemeinsam, dass sie durch<br />

Ausfall von funktionstragenden Zellen entstehen. Nur dann<br />

kommt es zur klinischen Erkrankung, wenn die Zahl der ausfallenden<br />

Zellen mit organspezifischen Funktionen einen für<br />

ein Organ bestimmten Wert überschreitet. Wie später weiter<br />

ausgeführt, wird der natürliche Verlust von Zellen mit organtragenden<br />

Funktionen durch Zellnachschub über Zellvermehrung<br />

<strong>und</strong> -reifung kompensiert. Hierbei ist die Integrität<br />

der Stammzellen als Vorläuferzellen für die Aufrechterhaltung<br />

der Zellerneuerung wesentlich. Knochenmark-Stammzellen<br />

sind generell besonders strahlenempfindlich, wie<br />

auch Abb. 2.6 zeigt. Die Schwere einer Strahlenkrankheit<br />

geht einher mit der Höhe des Verlustes an Stammzellen. Da<br />

die Zeit vom Stammzellenstadium über die Zellvermehrung<br />

<strong>und</strong> Zellreifung zur Ausbildung von Funktionszellen mehrere<br />

Tage in Anspruch nimmt, treten die Folgen von strahleninduziertem<br />

kritischen Verlust zum Beispiel von blutbildenden<br />

Stammzellen mit Verzögerung von etwa 6 Tagen auf; es<br />

kommt zu einem zunehmenden Mangel an reifen weißen<br />

Blutzellen <strong>und</strong> Blutplättchen, neben einem schon früher erkennbaren<br />

abrupten Abfall der im Blut zirkulierenden Lymphozyten,<br />

die ähnlich den Stammzellen relativ strahlenempfindlich<br />

sind. Infektbereitschaft <strong>und</strong> Blutungen des betroffenen<br />

Organismus sind nach Tagen auftretende herausragende<br />

klinische Symptome.<br />

So zeigen Dosis-Effekt Beziehungen für akute <strong>und</strong> chroni-<br />

sche Strahlenkrankheiten als deterministische Strahleneffek-<br />

te in Abb. 2.12 einen Dosis Schwellenwert für das Auftreten<br />

des jeweiligen Effektes. Mit steigender Dosis nimmt das<br />

Ausmaß der Erkrankung zu, bis das Krankheitsbild maximal<br />

ausgeprägt ist, d. h. die deterministische Kurve in Abb. 2.12<br />

zeigt einen so genannten sigmoiden Verlauf, der zum Plateau<br />

des maximalen Effektes führt.<br />

51


Genetische Strahlenwirkungen<br />

Die bisher angeführten Strahleneffekte werden generell als<br />

„somatische“ Strahlenwirkungen bezeichnet, da sie biologische<br />

Systeme als Ganz- oder Teilkörper betreffen. Hiervon<br />

getrennt sollen diejenigen Effekte gesehen werden, die man<br />

allgemein als „genetische“ Strahlenwirkungen kennt. Diese<br />

entstehen durch Bestrahlung von Keimgewebe, wie Hoden, in<br />

denen Samenzellen gebildet werden, <strong>und</strong> Eierstöcke, in denen<br />

Eizellen seit Geburt angelegt sind. Genetische Strahlenschäden<br />

können über mehrere Generationen vererbet werden <strong>und</strong> beruhen<br />

auf strahleninduzierten DNS-Schäden in den Keimzellen.<br />

Genetische Schäden mit den von ihnen hergeleiteten Mutationen<br />

äußern sich generell als körperliche Veränderungen in<br />

der Nachkommenschaft von Individuen, deren Keimgewebe<br />

einer gewissen Dosis ausgesetzt worden sind. Die Variabilität<br />

von strahleninduzierten Mutationen kann um den Faktor<br />

35 schwanken, so dass man generell eher von einer durchschnittlichen<br />

Mutationsrate spricht. Von Tierexperimenten wird<br />

abgeleitet, dass die Dosis, nach der sich die spontane Mutationsrate<br />

verdoppelt, – sie wird als Verdopplungsdosis bezeichnet,<br />

– etwa bei 1 Gy liegen dürfte. Bei Menschen sind genetische<br />

Strahleneffekte in diesem Bereich bisher kaum erkennbar<br />

geworden <strong>und</strong> daher für Risikoanalysen nicht auswertbar.<br />

Von den genetischen Schäden sind solche Schäden zu unterscheiden,<br />

die als Konsequenz von Bestrahlungen von Individuen<br />

in embryonaler oder fötaler Entwicklung auftreten, wie später<br />

besprochen wird.<br />

Faktorenabhängigkeit der Strahlenwirkungen<br />

Die unterschiedlichen Strahlenwirkungen sind je nach ihrer<br />

Art von einer Reihe von Faktoren abhängig, die im wesentlichen<br />

oben besprochen <strong>und</strong> Abb. 2.13 zusammengefasst<br />

sind.<br />

52


Abb. 2.13<br />

Zell-Type<br />

Milieu<br />

Strahlenempfindl.<br />

Strahlenart<br />

Strahlenwirkung<br />

Dosis<br />

in der Zeit<br />

2.3 Akute Strahlenschäden<br />

Zellerneuerungssysteme<br />

Dosis<br />

Dosis<br />

im Raum<br />

Akute Strahlenschäden treten klinisch je nach Dosis <strong>und</strong> ihrer<br />

räumlichen <strong>und</strong> zeitlichen Verteilung in sehr unterschiedlicher<br />

Weise auf. Der Gr<strong>und</strong> hierfür liegt in der breit gefächerten<br />

Strahlenempfindlichkeit einer Reihe von Zellerneuerungssystemen<br />

mit ihren jeweiligen Stammzellen. Insbesondere sind<br />

hier wichtig das blutbildende System im roten Knochenmark,<br />

das Schleimhautsystem des gesamten Verdauungstraktes,<br />

<strong>und</strong> die äußere Haut. Eine weitere wesentliche Rolle spielen<br />

die Lymphknoten, in denen die meisten Lymphozyten für das<br />

zirkulierende Blut <strong>und</strong> die Gewebe des Körpers gebildet werden.<br />

Den genannten Zellerneuerungssystemen ist gemeinsam,<br />

dass ein relativ hoher täglicher Verlust von Funktionszellen<br />

durch Zellvermehrung <strong>und</strong> -reifung von Vorläuferzellen wett ge-<br />

macht werden muss, um das Gleichgewicht zwischen Zellverlust<br />

<strong>und</strong> Zellerneuerung aufrecht zu halten. Im Durchschnitt werden<br />

im erwachsenen menschlichen Körper täglich etwa 550 g<br />

Zellen verloren, die ersetzt werden müssen. Davon sind etwa<br />

490 g Zellen, die im Blut zirkulieren. Die für den Zellnachschub<br />

erforderlichen jeweiligen Vorläuferzellen werden nach<br />

Bedarf aus dem Reservoir von Stammzellen geliefert, wobei die<br />

Teilung der Stammzellen je eine Vorläuferzelle <strong>und</strong> eine neue<br />

53


Stammzelle bringt. Die verschiedenen Zellerneuerungssysteme<br />

gehorchen speziellen Signalsubstanzen, welche die<br />

Homöostase im System sehr genau regulieren. Die Abb. 2.14<br />

zeigt das Schema von Zellerneuerungssystemen.<br />

54<br />

Schema System der Zellerneuerung<br />

Stammzelle Zellvermehrung -reifung Funktionszellen<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� �<br />

Strahlensensibel Strahlenresistent<br />

Abb. 2.14<br />

Für die Entwicklung von Strahlenkrankheiten ist die immer relativ<br />

hohe Strahlenempfindlichkeit der für ein Gewebe jeweils<br />

zuständigen Stammzellen ausschlaggebend. Die Blut bildenden<br />

Stammzellen sind ähnlich strahlenempfindlich wie die<br />

Lymphozyten, die Stammzellen der Haut <strong>und</strong> die der Schleimhäute<br />

des Verdauungstraktes sind strahlenresistenter. Bei<br />

anderen Geweben, wie zum Beispiel bei Bindegewebe, Gehirn,<br />

Lunge, Niere <strong>und</strong> Leber, ist der Zellumsatz außerordentlich<br />

oder wesentlich geringer, wodurch deren Strahlenempfindlichkeit<br />

vorwiegend durch die Funktionszellen bestimmt<br />

wird. Es ist somit erklärlich, dass unterschiedliche Ganzkörperdosen<br />

unterschiedliche klinische Symptome auslösen.<br />

Akute Strahlenkrankheiten nach einmaliger Ganzkörperexposition<br />

Die Symptome der verschiedenen Formen der akuten Strahlenkrankheit<br />

sind in Abb. 2.15 schematisch zusammengefasst,<br />

<strong>und</strong> zwar als Folge einer akuten, d.h. kurz dauernden,<br />

Strahlenexposition des Ganzkörpers mit unterschiedlichen<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />


Dosen in Sv. Die Ordinate (Y-Achse) zeigt die Dosen, bei<br />

der die Krankheiten auftreten, <strong>und</strong> die Zeit ihrer maximalen<br />

Entwicklung zeigt die Abszisse (X-Achse) in St<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

Wochen. Die akuten Strahlenkrankheiten erscheinen in drei<br />

wesentlichen klinischen Syndromen. Für die hier nicht näher<br />

aufgeführten späten stochastischen wie deterministischen<br />

Schäden erstreckt sich die Zeitachse auf Jahre. Die eingezeichnete<br />

Kurve verdeutlicht in ihren Abschnitten die drei<br />

akuten klinischen Syndrome: das Knochenmark-, oder Hämatologische<br />

Syndrom; das Magen-Darm-Trakt-, oder gastrointestinale<br />

Syndrom; <strong>und</strong> das Syndrom des zentralen Nervensystems,<br />

welches nach sehr hohen Dosen rasch als Folge<br />

des akuten Schadens der funktionstragenden Nervenzellen<br />

des Hirns auftritt. Die klinischen Symptome der drei akuten<br />

Strahlenkrankheiten sind jeweils unter der Syndrom-<br />

Bezeichnung in der Abb. Kurz skizziert. Der zeitliche Unter-<br />

Strahlenkrankheiten, abhängig von Dosis <strong>und</strong> Zeit<br />

Zeit nach Ganzkörperbestrahlung<br />

Cottier H et al., 1994, nach Cronkite<br />

Abb. 2.15<br />

schied zwischen dem Auftreten des hämatologischen Syndroms<br />

<strong>und</strong> des gastrointestinalen Syndroms wird weitgehend<br />

durch die Zeiten bestimmt, welche die Produktion von Funktionszellen<br />

nach Stammzellenteilung braucht.<br />

55


Unabhängig von diesen Syndromen können Strahleneffekte<br />

auch bei kleineren Dosen sozusagen klinisch subjektiv unauffällig<br />

bereits früh nach der Exposition durch die Zahl der<br />

im peripheren Blut zirkulierenden Lymphozyten erkannt werden.<br />

Wie bereits besprochen, besitzen Lymphozyten eine<br />

ähnlich hohe Strahlenempfindlichkeit wie blutbildende<br />

Stammzellen. So zeigen sich nach Ganzkörperexpositionen<br />

im Bereich von 0.2 bis 0.3 Sv bereits Blutbildveränderungen,<br />

<strong>und</strong> zwar sinkt zunächst die Zahl der Lymphozyten. Dementsprechend<br />

kann die Prognose eines Frühschadens mit dem<br />

Absinken der Lymphozytenzahl unter den Normalwert annähernd<br />

bestimmt werden.<br />

Die folgende Übersicht summiert ausführlicher die bei<br />

verschiedenen Dosen auftretenden klinischen Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Symptome nach akuter Ganzkörperbestrahlung analog zur<br />

Abb. 2.15:<br />

SCHWELLEN- ERSTE KLINISCH FASSBARE STRAHLEN-<br />

DOSIS EFFEKTE (0.2-0.3 Sv)<br />

0.25 Sv Abfall der Blut zirkulierenden Lymphozyten<br />

innerhalb von 1–2 Tagen.<br />

SUBLETALE VORÜBERGEHENDE STRAHLENKRANK-<br />

DOSIS HEIT (0.75-1.5 Sv + )<br />

1 Sv Unwohlsein (Strahlenkater) am ersten Tag<br />

möglich. Absinken der Lymphozytenzahl im<br />

Verlauf von zwei Tagen auf Werte deutlich<br />

unter 1500/mm 3 . Nach einer Latenzzeit von<br />

zwei bis drei Wochen treten Haarausfall,<br />

w<strong>und</strong>er Rachen, Appetitmangel, Diarrhöe,<br />

Unwohlsein, Mattigkeit, stecknadelkopfgroße<br />

purpurfarbene Hautflecken (Petechien)<br />

auf. Bei Männern vorübergehendes<br />

Absinken der Spermienproduktion. Meist<br />

baldige Erholung.<br />

MITTELLETALE SCHWERE STRAHLENKRANKHEIT<br />

DOSIS (3-6 Sv + )<br />

4 Sv Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen am ersten Tag.<br />

Absinken der Lymphozytenzahl bei Dosen<br />

um ca. 3 Sv auf Werte unter 1000/mm 3, <strong>und</strong><br />

56


ei Dosen über 5 Sv fast vollkommenes<br />

Verschwinden aus der Blutbahn. Bei Granulozyten<br />

zunächst steiler Anstieg, dann<br />

steiler Abfall <strong>und</strong> nach erneutem abortiven<br />

kurzen Anstieg ab zweiter Woche wieder<br />

Abfall der Werte auf weniger als 2000/mm 3 .<br />

Hauptursache für große Infektionsneigung.<br />

- Nach 10 bis 14 Tagen zeigen sich Haarausfall,<br />

Appetitmangel, allgemeines Unwohlsein,<br />

Diarrhöe, schwere Entzündungen<br />

im M<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Rachenraum, innere<br />

Blutungen (Hämorraghien), Fieber, Petechien,<br />

Purpura (größere purpurfarbene Hautflecken).<br />

Bei Männern je nach Dosis vorübergehende<br />

bis lebenslange Sterilität, bei<br />

Frauen Zyklusstörungen. Bei fehlenden The-<br />

rapiemaßnahmen ist bei Dosen über 5 Sv<br />

mit etwa 50 % Todesfällen zu rechnen. Bei<br />

spontaner Regeneration Wiederanstieg der<br />

Granulozyten etwa Ende der 4. Woche.<br />

LETALE TÖDLICHE STRAHLENKRANKHEIT<br />

DOSIS (6-10 Sv + )<br />

7 Sv Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen nach 1-2 St<strong>und</strong>en.<br />

Nach drei bis vier Tagen: Diarrhöe, Erbrechen,<br />

Entzündungen in M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Rachen<br />

sowie im Magen-Darmtrakt mit Blutungen<br />

(Hämorraghie), Fieber, schneller Kräfteverfall.<br />

Bei fehlender Therapie Mortalität fast<br />

100 %.- Bei Dosen über 15 Gy innerhalb<br />

einer Woche zunehmend schnell Koma<br />

<strong>und</strong> Tod.<br />

Bei Dosen von über 20 Sv treten zunehmend die Symptome<br />

des Zusammenbruches des zentralen Nervensystems auf.<br />

Je nach Schweregrad kommt es z. B. bei Dosen von etwa<br />

100 Sv innerhalb von St<strong>und</strong>en bis zu wenigen Tagen zu Verwirrungszuständen,<br />

Krämpfe, Bewusstlosigkeit immer mit tödlichem<br />

Ausgang.<br />

Die Überwindung einer akuten Strahlenkrankheit ist von der<br />

Erholung der betroffenen Zellerneuerungssysteme abhängig<br />

57


<strong>und</strong> wird von der Zahl der überlebenden <strong>und</strong> funktionstüchtigen<br />

Stammzellen bestimmt. Zum Versagen des Systems<br />

kommt es erst beim Zusammenbruch der Zellerneuerung<br />

hauptsächlich durch Insuffizienz im Reservoir der Stammzellen.<br />

Daher gehört zur Therapie der schweren akuten Strahlenkrankheit<br />

auch der Versuch der Transplantation von<br />

Stammzellen des blutbildenden Systems. Wenn erfolgreich,<br />

gleichen die transplantierten Stammzellen Zellverluste wieder<br />

aus <strong>und</strong> sind in der Lage, die Infektionsabwehr zu stärken,<br />

Blutungsneigung zu verringern, <strong>und</strong> die Erholung von Schäden<br />

im Magendarmtrakt zu fördern.<br />

Strahlenschäden der Haut, verstärkende Schäden<br />

Die oben aufgeführten klinischen Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> subjektiven<br />

Beschwerden können sich erheblich ändern, wenn noch andere<br />

ges<strong>und</strong>heitliche Sek<strong>und</strong>ärschäden zusätzlich verstärkend,<br />

d.h. synergistisch, auftreten, wie Weichteilverletzungen,<br />

Verbrennungen <strong>und</strong> Infektionen.<br />

Zudem entstehen je nach der Expositionsweise zum Beispiel<br />

anlässlich eines Unfalls <strong>und</strong> auch je nach Strahlenart<br />

sowohl akute wie chronische Hautverletzungen mit erheblicher<br />

Infektionsgefahr. Ausmaß <strong>und</strong> Entstehungszeit geben<br />

Auskunft über die erhaltene Dosis im Gewebereich der Verletzung.<br />

So tritt nach etwa 2 Gy akuter Röntgenbestrahlung<br />

innerhalb von 2 bis 24 St<strong>und</strong>en eine vorübergehende Hautrötung<br />

auf, die auch frühes Erythem genannt wird. Eine stär-<br />

kere, massive Rötung erscheint bei 6 Gy nach einer Zeit von<br />

etwa 10 Tagen. Temporären Haarausfall sieht man bei 3 Gy<br />

im Verlauf von etwa 3 Wochen. In derselben Zeit verursachen<br />

7 Gy permanenten Haarausfall. Schlecht heilende<br />

Geschwüre erleidet die Haut etwa 2 Monate nach akuter<br />

Bestrahlung mit etwa 20 Gy; diese können bis zu mehreren<br />

Jahren anhalten <strong>und</strong> zu Hautkrebs entarten.<br />

Strahlenschäden der Keimdüsen<br />

In diesem Zusammenhang sind auch die strahleninduzierten<br />

akuten Schäden in Keimdrüsen zu erwähnen. Untersuchungen<br />

an Menschen ergaben eine vorübergehende männliche Sterilität<br />

bereits nach einer akuten Dosis von 0.15 Gy; nach 2 Gy eine<br />

58


mehrere Jahre dauernde Sterilität, <strong>und</strong> permanente Sterilität<br />

nach 6-8 Gy. Weibliche Eizellen sind extrem strahlenempfindlich<br />

hinsichtlich Zelltod. Etwa 60–70 % von ihnen gehen bereits<br />

nach einer akuten Dosis von 0.12 Gy zugr<strong>und</strong>e. Einmal induzierte<br />

Sterilität bleibt lebenslang bestehen, da Eizellen sich nach<br />

ihrer Entstehung vor der Geburt nicht mehr teilen. Nicht abgestorbene<br />

Eizellen zeigen eine relativ hohe Reparaturfähigkeit.<br />

Strahlenschäden des ungeborenen Lebens<br />

Die aufgezeigten Verhältnisse verdeutlichen, dass Gewebe mit<br />

hoher Zellteilungsaktivität generell strahlenempfindlicher sind<br />

als Gewebe, in denen die Zellerneuerung sehr langsam ist.<br />

So ist erwartungsgemäß das ungeborene Leben im Mutterleib<br />

durch ionisierende Strahlen besonders gefährdet.<br />

Dabei bilden die ersten Entwicklungsmonate, in denen im gesamten<br />

Embryo rasch aufeinander folgende Zellteilungen ablaufen,<br />

das empfindlichste Stadium. Hier können schon relativ<br />

niedrige akute Dosen, wie bei Stammzellen, Zelltod verursachen,<br />

<strong>und</strong> in überlebenden Zellen solche DNS-Schäden induzieren,<br />

die Mutationen bringen <strong>und</strong> zu Missbildungen, d.h. teratogenen<br />

Schäden, führen. Vor allem werden während der<br />

Zeit embryonaler Anlage von Organen durch DNS-Schäden<br />

anhaltende Störungen von Zellfunktionen eingeleitet, die je<br />

nach Dosis während der Schwangerschaft schwerwiegende<br />

Organstörungen mit Missbildungen, vor allem am zentralen<br />

Nervensystem nach sich ziehen können.<br />

Die folgende Übersicht gibt die akuten Minimaldosen an, bei<br />

denen Effekte im Embryo <strong>und</strong> Föten beobachtet worden sind:<br />

TIEREXPERIMENTE:<br />

Verlust von Oozyten (Primaten) 50 % Letaldosis bei 0.5 Gy<br />

Schäden des zentralen Nerven-<br />

systems (Maus) Schwellendosis bei 0.1 Gy<br />

Hirnschaden <strong>und</strong> Verhaltens-<br />

störungen (Ratte) Schwellendosis bei 0.06 Gy<br />

BEOBACHTUNGEN AN MENSCHEN:<br />

Kleiner Kopfumfang mit<br />

geistiger Retardierung Schwellendosis bei 0.06 Gy<br />

59


Man kann zusammenfassend feststellen, dass messbare<br />

Schäden am ungeborenen Leben bei akuten Dosen unter<br />

0.1 Gy auftreten können, wenn diese Dosen in der besonders<br />

strahlenempfindlichen Phase der kindlichen Entwicklung einwirken.<br />

Die Abb. 16 fasst einige Ergebnisse zusammen, die<br />

bis auf Beobachtungen geistiger Retardierung bei Menschen<br />

von Tierexperimenten stammen, bei denen relativ hohe Dosen<br />

gebraucht wurden. Beim Menschen ist die für die Hirnentwicklung<br />

sensibelste Phase zwischen der 8. <strong>und</strong> 15.<br />

Schwangerschaftswoche.<br />

Abb. 2.16<br />

Die Wahrscheinlichkeit fötalen Todes nach akuter Bestrahlung<br />

nimmt von der Implantationsphase bis zur etwa 5. Woche<br />

rasch ab. Danach treten Missbildungen häufiger auf. Im<br />

letzten Drittel der Schwangerschaft nimmt die Resistenz auch<br />

gegen Missbildungen stark zu. In dieser Phase dürften akute<br />

Dosen oberhalb von etwa 0.1 Gy das Risiko kindlicher<br />

Krebserkrankungen erhöhen. Was die verringerte Schädelgröße,<br />

häufig in Kombination mit geistiger Behinderung, betrifft,<br />

wird zwar, wie oben angegeben, eine Schwellendosis<br />

von etwa 0.06 Gy angegeben, aber die Wahrscheinlichkeit einer<br />

solchen Fehlbildung lag in Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki bei<br />

etwa 2–3 % der Exponierten mit fraglicher statistischer Signifikanz.<br />

Erst nach etwa 0.25 Gy begann dieses Risiko mit der<br />

Dosis praktisch linear anzusteigen. In Hiroshima <strong>und</strong> Nagasa-<br />

60<br />

Tierstudien<br />

Atom-<br />

Bomben<br />

Überlebende<br />

Japan<br />

Hall E., 2000<br />

0 1 2 4 6 8 10 15 20 25 40<br />

Präimplan-<br />

Organanlagen Fötale Periode<br />

tation<br />

Pränataler<br />

Tod<br />

Mißbildungen<br />

Neotal er Tod<br />

Wachstum �<br />

Permanente<br />

Wachstumshemmung<br />

Geistige<br />

Retardierung<br />

Risiko<br />

hoch<br />

0 1 2 4 6 8 10 15 20 25 40<br />

Schwangerschaft in Wochen<br />

Geistige<br />

Retardierung<br />

Risiko<br />

4 x kleiner


ki waren etwa 50 % derjenigen Kinder geschädigt, die im<br />

Mutterleib einer mittleren Dosis von 1 bis 1,5 Gy ausgesetzt<br />

waren. Sorgfältige Dosiserhebungen sind bei etwaigen Unfällen<br />

schwangerer Frauen unerlässlich, um gegebenenfalls therapeutische<br />

Entscheidungen treffen zu können.<br />

2.4. Späte Strahlenschäden<br />

Bei späten Strahlenschäden nach akuter wie chronischer oder<br />

fraktionierter Exposition kann es sich um deterministische wie<br />

stochastische Schäden handeln. Auch hier müssen Erbanlagen,<br />

Alter des Individuums, <strong>und</strong> Lebensweise sowie Umwelteinflüsse<br />

berücksichtigt werden.<br />

Deterministische Spätschäden<br />

- Effekte durch chronische Strahlenexposition mit<br />

niedriger Dosisrate<br />

Die oben für bestimmte Dosisbereiche genannten Symptome<br />

akuter Strahlenkrankheit gelten für Ganzkörperexpositionen innerhalb<br />

von Sek<strong>und</strong>en bis wenigen Minuten, d. h. bei hoher<br />

Dosisleistung. Nimmt die Dosisleistung ab, so vermindert sich<br />

die Strahlenwirkung auf den Gesamtorganismus. Im allgemeinen<br />

reduziert sich die Wirkung einer bestimmten Strahlendosis<br />

mit wachsendem Zeitraum, in welchem der Körper dieser Dosis<br />

ausgesetzt ist. So wurde bereits erklärt, dass mit fallender<br />

Dosisrate der Zeitraum zwischen zwei aufeinander folgenden<br />

Strahleneinfangereignissen mit ihren Energiepaketen in einem<br />

definierten Gewebevolumen sich soweit vergrößern kann,<br />

dass Reparaturmechanismen auf einzelne Treffer optimal ablaufen<br />

können. Eine ähnliche Situation entsteht bei mehrmaliger<br />

Exposition mit kleinen Einzeldosen in entsprechend längeren<br />

zeitlichen Abständen, oder bei Teilkörperbestrahlung,<br />

bei der im Gesamtorganismus Reserven für Reparaturfähigkeit<br />

vor allem über im Blut zirkulierende Stammzellen erhalten<br />

bleiben.<br />

Eine bei kurzzeitiger Ganzkörperexposition tödlich wirkende<br />

Dosis lässt sich experimentell so weit strecken, dass sie auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Reparatureffizienz des Körpers klinisch zunächst wirkungslos<br />

bleibt. Schließlich führt Dosisakkumulation jedoch über<br />

Akkumulation von DNS-Schäden vor allem in den Stammzellen<br />

für die Blutbildung zum relativ abrupten Zusammenbruch nicht<br />

61


selten mit Todesfolge. Auch ist zu berücksichtigen, dass während<br />

der Expositionszeit sich die Wirkung der dem Körper zur Verfügung<br />

stehenden Abwehr- <strong>und</strong> Reparaturmechanismen zur Erhaltung<br />

der Population funktionstüchtiger Zellen optimiert, solange<br />

Stammzellen differenzierende Zellen nachliefern können. Der klinische<br />

Verlauf <strong>und</strong> Ausgang solch spät auftretender Erkrankungen<br />

zeigt die Erschöpfung des Stammzellenreservoirs mit Insuffizienz<br />

der Bildung zirkulierender Blutzellen <strong>und</strong> geht gewöhnlich<br />

einher mit Infektionen <strong>und</strong> Blutungen.<br />

Andererseits liegen verschiedene Beobachtungen vor, dass<br />

kleine Dosisraten mit �-Strahlen im Bereich von 1 mGy pro<br />

St<strong>und</strong>e bei Mäusen die Immunabwehr stimulieren <strong>und</strong> dadurch<br />

auch therapeutisch wirksam sein können. Auch genetische<br />

Mutationsraten wurden bei kleinen Dosisraten in ähnlicher<br />

Größenordnung untersucht, <strong>und</strong> es ergab sich eine<br />

von der Dosisrate abhängige Minimierung der Mutationen<br />

unterhalb des Kontrollwertes. Diese Berichte deuten auf die<br />

Fähigkeit von Anpassungsreaktionen von Organismen auf<br />

kleine Dosen <strong>und</strong> zwar abhängig von der Dosisrate.<br />

- Somatische Spätschäden nach Strahlenexposition mit<br />

hoher Dosis oder Dosisrate<br />

Auch die relativ strahlenresistenten Gewebe <strong>und</strong> Organe des<br />

Körpers können nach akuter Einwirkung hoher Dosen <strong>und</strong> nach<br />

chronischer Exposition mit hohen Dosisraten im Verlaufe von<br />

Jahren klinisch deutliche Funktionsstörungen mit entsprechenden<br />

anatomischen Organveränderungen entwickeln. Bei diesen<br />

Krankheitsbildern sind die Symptome wiederum Folge von akkumulierten<br />

Zellschäden, <strong>und</strong> häufig von solchen Schäden, die<br />

sich in den entsprechenden Vorläuferzellen der betroffenen<br />

Gewebe <strong>und</strong> Organe angehäuft haben. So ist verständlich, dass<br />

eine Mindest- oder Schwellendosis zur Ausbildung solcher<br />

Schäden erforderlich ist. Die niedrigste Schwellendosis für deterministische<br />

Spätschäden betrug, wie sie bisher von den Erhebungen<br />

bei den Überlebenden der Atombomben in Japan erkennbar<br />

waren, etwa 0.5 Gy.<br />

Bei deterministischen Spätschäden können Herz- Kreislaufstrukturen,<br />

insbesondere Blutgefässe, Lungengewebe, Augenlinse,<br />

<strong>und</strong>, wie oben bereits genannt, auch Haut <strong>und</strong> Schleimhäute<br />

betroffen sein. Die für die Ausbildung einiger solcher<br />

Schäden erforderlichen Dosen sind relativ hoch <strong>und</strong> kommen<br />

62


praktisch nur bei Teilkörperbestrahlung als auslösende Ursache<br />

in Frage. So sind zur Entwicklung einer chronischen Hautentzündung<br />

(Dermatitis) mit trockener, atrophischer, haarloser Haut<br />

mit kleinen Blutgefäßerweiterungen <strong>und</strong> Pigmentierungen Dosen<br />

von 10 Gy <strong>und</strong> mehr nötig. Für die Ausbildung einer Augenlinsentrübung<br />

ist eine akute Exposition von 2 Gy erforderlich<br />

<strong>und</strong> bei Langzeitexposition braucht es dazu etwa 15 Gy. Auch<br />

die Lungen sind relativ zu einigen anderen Organen für deterministische<br />

Spätschäden strahlenempfindlich, so dass eine<br />

Strahlen-Pneumonie schon 2-6 Monate nach etwa 17-18 Gy<br />

auftreten kann <strong>und</strong> bei noch höheren Dosen eine irreversible<br />

Gewebeverhärtung durch so genannte Fibrose mit Verzögerungen<br />

von Jahren nach sich zieht. Diese Veränderungen werden<br />

als besondere Gefahren bei Strahlentherapieplanung im Brustbereich<br />

berücksichtigt. Das Ausmaß der Reaktionen hängt ab<br />

vom bestrahlten Gewebevolumen, der Dosis <strong>und</strong> der Art der<br />

fraktionierten Bestrahlung, wobei die letztere Expositionsart für<br />

die Lunge akut schädlicher sein kann als einmalige Dosis. Tabakrauchen<br />

mit Inhalation hat eine besonders starke Förderwirkung<br />

bei der Ausbildung von strahlenbedingten Lungenerkrankungen.<br />

Zu den deterministischen Schäden können auch chronische<br />

Infektionen auf Gr<strong>und</strong> eines kompromittierten Immunsystems<br />

gezählt werden, wobei je nach chronischer Belastung eine<br />

Dosisakkumulation von mehreren Gy schon ausreicht.<br />

Stochastische Spätschäden<br />

- Allgemeine Einleitung, Risikoanalyse<br />

Stochastische Spätschäden sind bösartige Erkrankungen, die<br />

mit einer zeitlichen Verzögerung, oder Latenzzeit, von Jahren<br />

auftreten. Auch heute noch, über 60 Jahre nach der Katastrophe,<br />

werden in der Gruppe der Überlebenden der Atombomben<br />

in Japan mehr Krebsfälle registriert, als in der gewählten Kontrollpopulation<br />

auftreten. Keine andere menschliche Gruppe ist<br />

unter so sorgfältiger <strong>und</strong> langfristiger medizinischer Kontrolle<br />

wie die der Japanischen Atombombenopfer. Diese Daten <strong>und</strong><br />

andere Kollektive, die langfristig nach akuter Bestrahlung klinisch<br />

beobachtet worden sind, zeigen eindeutig, dass Dosen<br />

über etwa 0.2 Gy eine erkennbare Anhebung der Krebshäufigkeit<br />

bei den Exponierten bedingen.<br />

Eine besondere Schwierigkeit der Risikoabschätzung bei stochastischen<br />

Spätschäden, vor allem nach Exposition mit kleinen<br />

63


Dosen, ist die Tatsache, dass die durch ionisierende Strahlen<br />

ausgelösten Krebs- <strong>und</strong> Leukämieerkrankungen, ebenso wie<br />

Erbschäden keine leicht erkennbaren spezifischen Merkmale<br />

als Strahleneffekte aufweisen. Solche Erkrankungen werden<br />

durch viele andere toxische Substanzen ebenfalls verursacht.<br />

Sie treten in großem Umfang „spontan“ auf, ohne dass die<br />

auslösende Ursache klar erkannt wird. Die Krebstodesrate in<br />

Industrieländern liegt bei etwa 25 %, wobei regionale Schwankungen<br />

unabhängig von einer Strahlenexposition registriert<br />

werden. Eine geringfügige Erhöhung dieser Todesrate um<br />

Bruchteile eines Prozents eventuell durch niedrige Dosen, wie<br />

im Bereich der natürlichen Strahlenexposition, ist daher, wenn<br />

überhaupt, nur an sehr großen Personengruppen, d.h. Kollektiven,<br />

nachweisbar, wobei die für eine sichere Aussage notwendige<br />

Größe des Kollektivs von der Höhe der Strahlenexposition<br />

abhängt: Je kleiner die Dosis, um so größer muss das Kollektiv<br />

sein, um einen Zusammenhang mit der Strahlung nachzuweisen.<br />

So kann leicht berechnet werden, dass zum etwaigen Hinweis<br />

auf eine strahlenbedingte Erhöhung der Krebsrate von einer<br />

zusätzlichen jährlichen Exposition mit 1 mGy die langfristige<br />

Beobachtung von 5 bis 10 Millionen so exponierter Menschen<br />

notwendig ist. In der Realität werden Kollektive, die auch nur<br />

annähernd diese Bedingungen erfüllen, wohl niemals zu finden<br />

sein. Aufgr<strong>und</strong> der hohen natürlichen oder spontanen Krebsraten<br />

auf der Welt, besonders in Industrieländern, mit erheblichen regionalen<br />

<strong>und</strong> auch zeitlich statistisch bedingten Schwankungen,<br />

die zum Teil durch individuelle Lebens- <strong>und</strong> Ernährungsweisen<br />

bestimmt werden. können gegenwärtig keine eindeutigen Aussagen<br />

der Epidemiologie gemacht werden, inwieweit kleine Dosen<br />

Krebs verursachen. Bessere Zugänge zur Frage der Krebshäufigkeit<br />

bei kleinen Dosen erlauben Tierexperimente, die Mechanismen<br />

etwaiger Zusammenhänge zwischen ionisierenden<br />

Strahlen, Krebsentwicklung <strong>und</strong> individuellen Umwelt- <strong>und</strong> Lebensbedingungen<br />

generell erklären lassen, aber durchaus nicht<br />

einfach auf menschliche Kollektive übertragen werden können.<br />

Bei der Entwicklung epidemiologischer Methoden, zwischen Dosishöhe<br />

<strong>und</strong> Krebsrate einen Zusammenhang herzustellen, sind<br />

einwandfrei gemessene Daten bei höheren Dosen zur Auswertung<br />

gekommen. Hier stellt das Kollektiv der Überlebenden der<br />

Atombomben in Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki den heute wichtigsten<br />

Ansatz. Aber auch andere Kollektive überexponierter<br />

64


Personen sind meist bei chronischer Exposition vorhanden.<br />

So stellen beispielsweise die Bergarbeiter im sächsischen<br />

Erzbergbau ein solches Kollektiv. Dieser Personenkreis<br />

wurde schon im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert dadurch auffällig, dass ungewöhnlich<br />

viele Arbeiter an der so genannten „Schneeberger<br />

Krankheit" litten <strong>und</strong> starben. Diese 1879 als Lungenkrebs erkannte<br />

Krankheit hatte ihre Ursache in der Inhalation hoher<br />

Konzentrationen von Radon <strong>und</strong> seinen Folgeprodukten mit der<br />

Atemluft wegen unzureichender Bewetterung der Stollen, wobei<br />

Lungendosen von 10 bis 100 Sv auftraten.<br />

Für die Abschätzung des Risikos bei kleinen Dosen benutzen<br />

Epidemiologen meist die Methode der Extrapolation von beobachteten<br />

Effekten bei hohen Dosen. Somit wird die bei hoher<br />

Dosis <strong>und</strong> hoher Dosisleistung gef<strong>und</strong>ene mehr oder weniger<br />

lineare Dosisabhängigkeit des Risikos auf den niedrigen<br />

Dosisbereich umgerechnet. Die Rechtfertigung für das Modell<br />

der linearen Dosis-Risiko Beziehung basiert wesentlich<br />

auf der experimentell bestätigten linearen Beziehung zwischen<br />

Dosis <strong>und</strong> der Anzahl der DNS-Schäden <strong>und</strong> der daraus<br />

folgenden Mutationsfrequenzen in exponierten Zellen<br />

<strong>und</strong> Organismen. Lineare Extrapolationen für Krebserkrankungen<br />

unterstellen jedoch, dass ionisierende Strahlen im unteren<br />

Dosisbereich die gleiche Wirkung auf das Gesamtsystem<br />

pro Dosiseinheit haben wie bei hohen Dosen. In der Tat<br />

liegen heute Hinweise darauf vor, dass der Gesamtorganismus<br />

bei hohen Dosen anders reagiert als bei kleinen Dosen.<br />

- Sek<strong>und</strong>äre Faktoren bei der Risikoanalyse<br />

Bei der generellen Entscheidung der meisten Epidemiologen<br />

für das Modell der linearen Dosis-Risiko Beziehung bei<br />

kleinen Dosen, werden auch andere Faktoren in Betracht<br />

gezogen. Sie beziehen sich auf die Tatsache, dass Krebserkrankungen<br />

generell mit dem Alter häufiger auftreten. So<br />

sind zum Beispiel für das zeitliche Auftreten der einem<br />

Strahlenrisiko zugewiesenen Krebserkrankung nach einer<br />

Exposition zwei Modelle entwickelt worden.<br />

Das erste Modell bestimmt das relative Risiko <strong>und</strong> geht davon<br />

aus, dass nach der Exposition das Krebsrisiko um einen<br />

bestimmten Prozentsatz des Spontanrisikos erhöht ist, <strong>und</strong><br />

dass der Faktor der Erhöhung im Laufe des Lebens konstant<br />

bleibt. Nach heutiger Kenntnis entsprechen diesem<br />

65


Modell am besten die verfügbaren Daten über das Risiko<br />

bei hohen Dosen für solide Krebstumoren. Es gibt neuerdings<br />

aber auch Hinweise, dass nach einigen Jahrzehnten<br />

dieses Risiko wieder abnimmt.<br />

Das zweite Modell betont das absolute Risiko. Es geht nach<br />

der Exposition mit einer bestimmten Dosis von einer Gesamtzahl<br />

zusätzlicher Krebsfälle innerhalb eines bestimmten<br />

Zeitraums aus. Nach diesem Zeitraum entspricht die Krebsrate<br />

im exponierten Kollektiv wieder der Spontanrate. Mit<br />

diesem Modell decken sich die vorliegenden Daten über<br />

Knochenkrebs, wie Osteosarkome, <strong>und</strong> auch Leukämien<br />

nach hohen Dosen.<br />

Bei der Abschätzung der Gesamtzahl aller zusätzlichen<br />

Krebstodesfälle durch eine Strahlenexposition spielen im<br />

Modell des relativen Risikos die mittlere Lebenserwartung<br />

des Kollektivs <strong>und</strong> das Alter zur Zeit der Strahlenexposition<br />

eine besondere Bedeutung. Der notwendige Beobachtungszeitraum<br />

umfasst die gesamte Lebenszeit. Beim Modell des<br />

absoluten Risikos wird dagegen die abgeschätzte Zahl über<br />

einen bestimmten Zeitraum lediglich durch unterschiedliche<br />

Empfindlichkeiten der einzelnen Altersgruppen beeinflusst.<br />

Der notwendige Beobachtungszeitraum umfasst nur die<br />

Zeitspanne, in der das Risiko erhöht ist.<br />

- Die Überlebenden in Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki<br />

Aktuelle Daten aus Japan zeigt die Abb. 2.17. Hier sind die<br />

Zahlen der in den einzelnen Dosiskategorien beobachteten<br />

Personen <strong>und</strong> der in diesen Gruppen aufgetretenen Krebserkrankungen<br />

eingetragen <strong>und</strong> mit Erwartungswerten von<br />

Kontrollkollektiven verglichen, wobei die annähernde Standardabweichung<br />

mit angegeben ist. Für die mit diesen Zahlen<br />

durchgeführte epidemiologische Auswertung wurde die<br />

lineare Dosis-Risiko Beziehung gewählt, <strong>und</strong> zwar über den<br />

gesamten Dosisbereich von unter 0.005 Gy bis zu über 2 Gy.<br />

Die Begründung für die Annahme der Linearität ist, wie bereits<br />

erwähnt, die vielfach bestätigte Beobachtung, dass<br />

DNS-Schäden mit der Dosis proportional, d. h. linear ansteigen.<br />

Mit dieser Prämisse <strong>und</strong> unter Berücksichtung der be-<br />

obachteten Häufigkeit verschiedener Krebsarten bei den<br />

einzelnen Dosiskategorien wurde dann errechnet, dass Do-<br />

66


Registrierte <strong>und</strong> erwartete Tote mit solidem Carcinom<br />

1950 – 1997 bei Atombomben Überlebenden in Japan<br />

Dosis Nr. Pers. Solide Ca + Solid Ca +<br />

Gy beobachtet beobachtet erwartet<br />

< 0.005 37458 3833 ± 62 3844 ± 62<br />

0.005 - 0.1 31650 3277 ± 57 3221 ± 57<br />

0.1 - 0.2 5732 688 ± 26 622 ± 25<br />

0.2 - 0.5 6332 763 ± 28 678 ± 26<br />

0.5 - 1.0 3299 438 ± 21 335 ± 18<br />

1.0 - 2.0 1613 274 ± 17 157 ± 13<br />

2.0 + 488 82 ± 9 38 ± 6<br />

Gesamt 86 572 9335 ± 97 8895 ± 30<br />

Prozent 100 % 10.8 % 10.3 %<br />

nach Preston DL et al., 2003<br />

Abb. 2.17<br />

sen bereits im Bereich von 0.05 Gy krebsauslösend sein<br />

könnten. Die Zahlen in Abb. 2.17 belegen den relativ kleinen<br />

Anteil von etwa 0.5 % von tödlichen Krebserkrankungen, die<br />

im Gesamtkollektiv der exponierten Personen über die Jahre<br />

als strahleninduziert gelten könnten. Die hohe Zahl spontaner<br />

Krebserkrankungen macht es in kleinen Dosisbereichen<br />

besonders schwierig, wenn nicht gar unmöglich, den einer<br />

Strahlenexposition rechnerisch zugeordneten Anteil der<br />

Krebserkrankungen tatsächlich der Einwirkung von Strahlen<br />

zuzuschreiben. Die Anwendung des Modells der linearen<br />

Dosis-Risiko Beziehung, wie sie sich aus der Analyse von<br />

DNS-Schäden ergibt, gilt vielen Strahlenschützern bis heute<br />

noch als der sicherste Weg für einen optimalen Strahlenschutz.<br />

Das Bemühen, den best möglichen Strahlenschutz zu gewährleisten,<br />

führte die Internationale Strahlenschutzkommission<br />

(ICRP) schon in der 70er Jahren dazu, mit Hilfe des<br />

Modells der linearen Dosis-Risiko Beziehung die Krebshäufigkeit<br />

in der exponierten Population pro Dosis-Einheit<br />

anzugeben <strong>und</strong> zudem auch für einzelne Krebsarten solche<br />

Wahrscheinlichkeiten zu benennen <strong>und</strong> diese Werte jeweils<br />

den neuen im wesentlichen aus Japan stammenden Erhebungen<br />

anzupassen. Andere internationale Organisationen<br />

67


unternahmen ähnliche Bemühungen <strong>und</strong> veröffentlichten<br />

Daten zum Risiko im Laufe des Lebens an strahleninduziertem<br />

Krebs zu erkranken. Die folgende Aufstellung vergleicht<br />

die Schätzungen des Lebenszeitrisikos pro Dosis-Einheit für<br />

eine Reihe strahleninduzierter Krebserkrankungen, wie sie<br />

1991 von der Internationalen Strahlenschutzkommission<br />

(ICRP), <strong>und</strong> 2000 von der Wissenschaftlichen Kommission<br />

für Effekte Atomarer Strahlung der Vereinten Nationen<br />

(UNSCEAR) vorgetragen worden sind. Alle diese Angaben<br />

wurden unter Anwendung des Modells der linearen Dosis-<br />

Risiko Beziehung im kleinen Dosisbereich erstellt <strong>und</strong> zwar<br />

unter Berücksichtigung des relativen <strong>und</strong> absoluten Risikos.<br />

Geschätztes Lebenszeitrisiko pro 0.01 Gy pro 10 6<br />

exponierte Personen<br />

(Spontan-Risiko liegt bei etwa 250,000 pro 10 6 Personen)<br />

KREBS- ICRP 1991 UNSCEAR 2000 *<br />

ERKRANKUNG<br />

Leukämie<br />

Alle Krebserkrankungen<br />

50 50<br />

außer Leukämie<br />

Verdauungstrakt<br />

450 520<br />

Speiseröhre 30 25<br />

Magen 110 18<br />

Kolon 85 75<br />

Leber 15 20<br />

Lungen 85 160<br />

Weibliche Brust 20 43<br />

Knochen 5 -<br />

Haut 2 -<br />

Eierstöcke 10 -<br />

Blase 30 22<br />

Niere - -<br />

Schilddrüse 8 -<br />

Andere solide Krebserkrankungen 50 160<br />

Für UNSCEAR * = Mittelwert verschiedener Ansätze (relatives<br />

vs. absolutes Risiko)<br />

68


- Für einzelne Organe geschätzte Risikoanteile am<br />

Gesamtrisiko<br />

Aus den obigen Daten hat die ICRP 1991 für den praktischen<br />

Strahlenschutz eine Reihe von Wichtungsfaktoren<br />

empfohlen. Diese geben denjenigen geschätzten Anteil von<br />

zu erwartenden strahleninduzierten Gesamtkrankheitsfällen<br />

an, der in einer Population nach Ganzkörperexposition mit<br />

einer bestimmtem Dosis in Sv auf das jeweilig aufgeführte<br />

Organe entfällt. Wichtungsfaktoren sind somit Ausdruck von<br />

definierten Risiken <strong>und</strong> basieren auf der Annahme einer linearen<br />

Dosis-Risiko Beziehung in kleinen Dosisbereich. Die<br />

erfassten Erkrankungen schließen sowohl genetische Schäden<br />

als auch stochastische Spätschäden in Sinne von<br />

Krebserkrankungen ein:<br />

Keimdrüsen (Risiko durch vererbbare,<br />

d.h. genetische, Schäden) 0,20 (20 %);<br />

Rotes Knochenmark (Leukämierisiko), Lunge,<br />

Enddarm <strong>und</strong> Magen je 0,12 (je 12 %);<br />

Brust, Schilddrüse, Blase, Leber <strong>und</strong><br />

Speiseröhre je 0,05 (je 5 %);<br />

Knochenoberfläche <strong>und</strong> Haut je 0,01 (je 1 %);<br />

Alle übrigen Gewebe insgesamt 0,05 (5 %);<br />

Summe (Gesamtkörper) = 1 (100 %).<br />

Es ist offensichtlich, dass die hier genannten Wichtungsfaktoren<br />

Näherungswerte sind <strong>und</strong> Spätschäden zusammenfassen<br />

wollen, welche zum Zwecke des Strahlenschutzes<br />

auch zur Ermittlung der so genannten „effektiven Äquivalentdosis"<br />

dienen sollen. Diese Dosis in Sv repräsentiert das<br />

genetische <strong>und</strong> somatische Gesamtrisiko für strahleninduzierte<br />

Spätschäden; das heißt, sie ist die Summe aller entsprechend<br />

den Organempfindlichkeiten gewichteten Teilkörperäquivalentdosen.<br />

- Andere epidemiologische Studien an exponierten<br />

Populationen<br />

Neben den Studien in Japan sind verschiedene große epidemiologische<br />

Studien vor allem in den letzten Jahren veröffentlicht<br />

worden: an Arbeitern in der Kernkraftindustrie <strong>und</strong><br />

im Uranbergbau verschiedener Länder, <strong>und</strong> in Werften von<br />

69


Kernkraft getriebenen Schiffen, sowie an solchen Bevölkerungsgruppen,<br />

die erhöhter Strahlenexposition in der Nähe<br />

von Kernwaffen produzierenden Anlagen ausgesetzt waren,<br />

oder die in der medizinischen Strahlenk<strong>und</strong>e vor allem in der<br />

Frühphase der Röntgenologie gearbeitet haben. Bei nahezu<br />

all diesen Studien wurden die Daten prinzipiell nach dem<br />

Modell der linearen Dosis-Risiko Beziehung im kleinen Dosisbereich<br />

ausgewertet. Die entsprechenden Schlussfolgerungen<br />

sind widersprüchlich.<br />

Es scheint, dass bei chronischer Exposition mit kleinen Dosen<br />

erst bei relativ hohen akkumulierten Dosen das Krebsrisiko<br />

erkennbar ansteigt. Ein besonders hoher Schwellenwert<br />

von etwa 5 Gy zeigte sich bei Malerinnen von Uhrenzifferblättern<br />

mit Leuchtfarben, die Radium-226 <strong>und</strong> Radium-228<br />

enthielten. Die Malerinnen befeuchteten die feinen Pinsel<br />

mit der Zunge, <strong>und</strong> das so im Körper aufgenommene Radium<br />

mit seinen �-Teilchen führte zu chronischer Bestrahlung<br />

<strong>und</strong> nach Jahren zur Entwicklung von Knochensarkomen.<br />

Ein noch höherer Schwellenwert von etwa 10 Gy war für<br />

Knochensarkom bei chronisch exponierten H<strong>und</strong>en mit<br />

Strontium-90, einem reinen �-Strahler, zu sehen. Auch bei<br />

epidemiologischen Analysen von Kernindustrie-Arbeitern,<br />

die chronisch hauptsächlich �-Strahlung ausgesetzt waren,<br />

ergaben ohne Anpassung der in den Dosis-Kategorien beobachteten<br />

Krebshäufigkeiten an das Modell der linearen<br />

Dosis-Risiko Beziehung, dass im kleinen Dosisbereich die<br />

erhobenen Zahlen an Krebskrankheiten nicht nur keine statistisch<br />

signifikante Anhebung erkennen lassen, sondern<br />

eher einen Dosis-Schwellenwert für die Induktion von<br />

Krebserkrankungen ergaben oder sogar eine Verringerung<br />

der Krebserkrankungen zeigten.<br />

Zablotska LB et al. publizierten 2004 die Mortalität bei<br />

45.468 Arbeitern der kanadischen Kernkraftindustrie nach<br />

chronischer Exposition mit niedrigen Strahlendosen: „Für alle<br />

soliden Krebsarten zusammen zeigt die kategorische<br />

Analyse eine signifikante Verringerung des Risikos in der<br />

Kategorie 1–49 mSv im Vergleich zur niedrigsten Kategorie<br />

(< 1 mSv) mit einem relativen Risiko von 0.699 (95 % VI:<br />

0.548, 0.892).“ <strong>und</strong> „Über 100 mSv schien das Risiko zu<br />

steigen.“<br />

70


Auf Gr<strong>und</strong> früher bekannter Daten <strong>und</strong> nun neuerer zahlreicher<br />

experimenteller <strong>und</strong> epidemiologischer Untersuchungsergebnisse<br />

über den Mangel an beobachtbarer Linearität<br />

der Beziehung zwischen Krebs <strong>und</strong> kleinen Dosen hat sich<br />

vor allem in den letzten Jahren der Zweifel an der Richtigkeit<br />

der wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lage der Anwendung der linearen<br />

Dosis-Risiko Beziehung verstärkt. Diese Tendenz wird<br />

unterstützt durch strahlenbiologische Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

über die Wirkung kleiner Dosen auf komplexe biologische<br />

Systeme. Zunehmend werden systemimmanente <strong>und</strong><br />

Schutz bringende Reaktionen neben DNS- <strong>und</strong> anderen<br />

Schäden berichtet. Auch die ICRP hat stets betont, dass die<br />

Annahme einer linearen Dosis-Risiko Beziehung bis zur<br />

kleinsten Dosis zwar für den Strahlenschutz die höchste Sicherheit<br />

bringt, aber für die Anwendung in epidemiologischen<br />

Studien wissenschaftlich nicht begründet ist. Vor allem<br />

erscheint es nicht angebracht, unter Einsatz der linearen<br />

Dosis-Risiko Beziehung im kleinen Dosisbereich Vorraussagen<br />

zu machen, wie viele Krebserkrankungen nach<br />

einer Exposition im kleinen Dosisbereich auftreten, wie dies<br />

vor allem nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl ausgiebig<br />

gemacht worden ist.<br />

2.5. Anstehende Modifikationen der Risikoanalyse<br />

Die möglichen Dosis-Risiko Beziehungen für Strahlenkrebs<br />

Angesichts dieser neueren Entwicklungen ist es angebracht,<br />

alternative Modelle der Dosis-Risiko Beziehung zu betrachten.<br />

Sicher hat das Modell der linearen Dosis-Risiko Beziehung<br />

eine gewisse Stütze in der Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong><br />

auch viele Vorteile in der praktischen Anwendung für eine<br />

Risikoanalyse, wie oben dargelegt. Aber sie verführt auch zu<br />

nur scheinbar gültigen Aussagen, deren Gewicht in der breiten<br />

Öffentlichkeit eindeutig zu einer großen Strahlenangst<br />

geführt hat, welche auch medizinisch gerechtfertigte Strahlenexpositionen<br />

im Bereich ärztlicher Anwendung erschwert<br />

<strong>und</strong> jede beruflich bedingte Strahlenexposition wo auch immer<br />

ausschließen will, wenn sie sogar unter den Dosen liegen,<br />

die natürlicherweise auf der Erde unvermeidbar sind.<br />

71


So ergibt sich die Situation, dass Patienten aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

Angst vor Strahlen strahlendiagnostische Untersuchungen<br />

ablehnen, damit das frühzeitige Erkennen einer Erkrankung<br />

verhindern <strong>und</strong> sich somit selbst einen größeren Schaden<br />

durch eine zu späte oder unterlassene Therapie zufügen.<br />

Für eine rationale Risiko-Nutzen-Analyse einer Strahlenexposition<br />

haben sowohl das eigentliche Strahlenrisiko als<br />

auch medizinisch-psychologischen Risiken wie auch die mit<br />

diesen verb<strong>und</strong>enen Kosten für die Allgemeinheit hohen<br />

Rang.<br />

Die für die Strahlenschutz offensichtlich zentrale Bedeutung<br />

der linearen Dosis-Risiko Beziehung für Krebserkrankungen<br />

durch kleine Dosen wird gegenwärtig von Befürwortern <strong>und</strong><br />

Gegnern kontrovers diskutiert. Die Befürworter sehen in der<br />

Linearität der Beziehung zwischen DNS-Schäden <strong>und</strong> Dosis<br />

die stärkste Stütze ihrer Argumente, wobei sie auch auf die<br />

große Tradition der mit dem Nobelpreis gewürdigten strahlenbiologischen<br />

Mutationsforschung verweist. Die Gegner<br />

der linearen Dosis-Risiko Beziehung für strahleninduzierten<br />

Krebs bei kleinen Dosen berufen sich sowohl auf neuere<br />

Analysen epidemiologischer Daten wie vor allem auf die<br />

neueren Forschungsergebnisse der Strahlenbiologie vor allem<br />

der beiden letzten Jahrzehnte mit Entdeckungen von<br />

strahleninduzierten komplexen Systemreaktionen bei kleinen<br />

Dosen, wie adaptive Protektion, Bystander Effekten,<br />

<strong>und</strong> der Instabilität des Genoms.<br />

Es ist daher nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass große Anstrengungen<br />

gemacht werden, um zu einer vernünftigen <strong>und</strong> dem Schutz<br />

des Menschen wie der Natur dienenden Modell einer wissenschaftlich<br />

begründeten <strong>und</strong> gesellschaftlich akzeptablen<br />

Dosis-Risiko Beziehung bei kleinen Dosen zu kommen. Die<br />

Abb. 2.18 zeigt die gr<strong>und</strong>sätzlich bestehenden Alternativen<br />

der Dosis-Risiko Beziehungen: die supra-lineare, die lineare,<br />

die linear-quadratische, die Schwellen- <strong>und</strong> Hormesis-<br />

Funktion. In dieser Darstellung ist die Dosis als Logarithmus<br />

eingetragen, um die im kleinen Dosisbereich großen Varia-<br />

tionsmöglichkeiten leichter zu veranschaulichen.<br />

Bei der Abwägung der unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten<br />

dieser fünf prinzipiell möglichen <strong>und</strong> auf Modellen basierenden<br />

Funktionen müssen zelluläre Besonderheiten je nach<br />

72


Abb. 2.18<br />

Alternative Dose-Risk Functions<br />

Mögliche Dosis-Risiko Beziehungen<br />

für durch Radiation-Induced Strahlung bedingten Cancer Krebs<br />

Options of Low-Dose Induced Cancer Risk<br />

relatives Risiko für Krebs<br />

Linearität ?<br />

Supralinearität ?<br />

�D •�D 2 ?<br />

1<br />

Log. Dosis Dose D<br />

Schwelle ?<br />

Hormesis ?<br />

Organismus, Zellart, Zellstoffwechsel <strong>und</strong> Zellzyklusphase<br />

berücksichtigt werden. Aber ungeachtet der indivi-duell speziellen<br />

Strahlenempfindlichkeit verschiedener Organismen<br />

<strong>und</strong> Zellsysteme ist doch allen biologischen Systemen gemeinsam,<br />

dass sie in hierarchisch organisierten Strukturen<br />

mit ihren besonderen Signalnetzen Mechanismen besitzen,<br />

die dem Erhalt des gesamten Organismus dienen, wie dies<br />

bereits erläutert wurde.<br />

Physiologische Abwehr- <strong>und</strong> Anpassungsreaktionen<br />

biologischer Systeme<br />

Die biologischen Antwortreaktionen auf Störungen der Homöostase<br />

in biologischen Systemen hängen vom Ausmaß der<br />

Störung ab, d. h. von ihrer Qualität <strong>und</strong> Quantität, <strong>und</strong> von der<br />

Art der betroffenen Zellen <strong>und</strong> Gewebe. Um es erneut zum<br />

Ausdruck zu bringen, bei minimalen Störungen kommt es generell<br />

relativ schnell zur Wiederherstellung der physiologischen<br />

Ausgangslage, während bei größeren bzw. ernsteren<br />

Störungen zunehmend kompliziertere Regelkreise mitspielen,<br />

die wiederum andere Signalnetze mit ihren Folgereaktionen<br />

auf höheren Organisationsebenen beeinflussen können.<br />

Kommt es zu partieller Zerstörung funktionstragender Strukturen,<br />

reagieren biologische Systeme mit dem Bemühen der<br />

73


Reparatur. Beispiele solcher Reaktionen wurden bereits im<br />

Kapitel “Abwehr- <strong>und</strong> Reparaturmechanismen“ genannt.<br />

Über die direkten Reaktionen immanenter Abwehrmechanismen<br />

hinaus können kleine Dosen wie auch andere Stress<br />

auslösende Störungen in betroffenen biologischen Systemen<br />

verspätet einsetzende <strong>und</strong> meist nur zeitweise wirksame<br />

Reaktionen verursachen, welche die vorhandenen Abwehrmechanismen<br />

vorübergehend stärken <strong>und</strong> somit das<br />

System vorübergehend anpassen, d. h. adaptieren, um erneut<br />

auftretende Störungen effektiver zu bewältigen als dies<br />

bei der vorangegangenen Störung der Fall war. Adaptive<br />

Reaktionen können alle Organisationsebenen umfassen,<br />

Gen-Expressionen ändern, <strong>und</strong> erscheinen als 1.) verbesserte<br />

Abwehr gegen toxische Agenzien, wie reaktive Sauerstoffradikale,<br />

d.h. ROS, 2.) verbesserte <strong>und</strong> beschleunigte<br />

DNS-Reparatur mit Änderungen des Zellzyklus zwischen<br />

den Zellteilungen, <strong>und</strong> 3.) Stimulierung der Schadensbeseitigung<br />

zum Beispiel durch Signal-induzierten Zelltod, d. h.<br />

Apoptose, oder durch Stimulierung der Immunabwehr, sowie<br />

Zelldifferenzierung. Bei Dosen über etwa 0.1–0.2 Gy wurde<br />

das Versagen dieser adaptiven Reaktionen ausgenommen<br />

die Apoptose zunehmend deutlich. Eine Zusammenfassung<br />

veröffentlichter Daten zur Dosisabhängigkeit beobachteter<br />

adaptiver Reaktionen zeigt schematisch die Abb. 2.19.<br />

74<br />

Induktion von Schutz durch niedrigere Dosen<br />

Schema der Dosisabhängigkeit des adaptiven Schutzes<br />

Schutz vor Gewebeschaden<br />

max. � Schutz<br />

� 0.6 - 1<br />

Adaptiver Schutz involviert<br />

Gen Expression <strong>und</strong> bringt:<br />

Schutz vor DNS-Schaden<br />

Reparatur von DNS-Schaden<br />

Immunreaktion<br />

Zelltod (Apoptose)<br />

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7<br />

Dosis (Gy)<br />

Feinendegen LE, 2005 A<br />

Abb. 2.19


Normalisierte Reaktion<br />

0<br />

0<br />

Induktion von Schutz durch niedrige Dosen<br />

Schema der Dauer des adaptiven Schutzes (t p)<br />

DNS Schutz (ROS Abbau); Apoptose<br />

DNS Reparatur; Zellproliferation<br />

Sofort-Reparatur<br />

Immunreaktion<br />

St<strong>und</strong>en Tage Wochen Monate<br />

Log Zeit nach einmaliger Bestrahlung<br />

Feinendegen LE 2005<br />

Abb. 2.20<br />

Die Dauer der Wirkung dieser Reaktionen ist schematisch in<br />

Abb. 2.20 aufgetragen. Die in verschiedenen biologischen<br />

Systemen insbesondere in Mäusen <strong>und</strong> Ratten erhobenen<br />

experimentellen Daten lassen erkennen, dass die unterschiedlichen<br />

Schutzmechanismen nach ihrer Induktion von<br />

St<strong>und</strong>en bis mehrere Wochen anhalten. Besonders lange<br />

währt der induzierte Immunschutz, der sich über mehrere<br />

Monte erstrecken kann. Diese relativ neuen Untersuchungsergebnisse<br />

bei unterschiedlichen biologischen Systemen<br />

schließen auch Dosis spezifische Änderungen der Expression<br />

von zahlreichen Genen ein.<br />

Abb. 2.21<br />

Reaktion biologischer Systeme<br />

auf ionisierende Strahlung<br />

Organismus<br />

Zellen<br />

DNS<br />

Feinendegen LE, Neumann RD, 2005<br />

�������������������������<br />

������������������<br />

��������������������������<br />

����������������������<br />

����������������������<br />

�����������������<br />

��������������������<br />

����������������<br />

75


Die Abb. 2.21 skizziert schematisch die Bedeutung der physiologischen<br />

sofortigen Abwehr- <strong>und</strong> verspäteten Anpassungsprozesse<br />

biologischer Systeme für das Ausmaß von<br />

Ges<strong>und</strong>heitsschäden als Folge von Primärschäden auf der<br />

atomar-molekularen Organisationsebene, d. h. auch der<br />

DNS. Der für DNS-Schäden beobachtete lineare Anstieg mit<br />

zunehmender Dosis setzt sich im Gesamtsystem des Organismus<br />

nicht fort. Erst wenn die physiologischen Prozesse<br />

zur sofortigen Kontrolle der Homöostase <strong>und</strong> für die adaptiven<br />

Reaktionen auf den verschiedenen Organisationsebenen<br />

erlahmen oder zerstört werden, zum Beispiel durch hohe<br />

Dosen, kann ein Schaden auf der untersten Organisationsebene<br />

sich sozusagen wenig gehindert mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

im gesamten System ausbreiten, z. B. vom<br />

DNS-Schaden zur Krebszelle, <strong>und</strong> mit Latenzzeiten von<br />

Jahren zum tödlichen Tumor führen. Daher erscheint die<br />

Wahrscheinlichkeit strahlenbedingter Krebserkrankungen<br />

solange nicht proportional zum Ausmaß strahleninduzierter<br />

DNS-Schäden zunehmen, wie die sofortigen Abwehr- <strong>und</strong><br />

verspäteten Anpassungsprozesse intakt funktionieren. Erst<br />

hohe Dosen, wie experimentell <strong>und</strong> epidemiologisch nachgewiesen,<br />

bedrohen den Gesamtorganismus proportional<br />

zum Ausmaß des DNS-Primärschadens. Die Information in<br />

Abb. 2.21 dient als Begründung für die Rechtfertigung der<br />

Annahme, dass in Abb. 2.18 diejenigen Dosis-Risiko Funktionen<br />

unwahrscheinlich sind, die im kleinen Dosisbereich<br />

eine lineare oder supra-lineare Dosis-Risiko Beziehung annehmen.<br />

So bleiben die Schwellendosis oder/<strong>und</strong> die Hormesis<br />

Funktionen eher wahrscheinlich.<br />

2.6. Hormesis <strong>und</strong> kleine Dosen<br />

Wie im diesem Abschnitt näher erläutert wird, verdient die<br />

Hormesis Funktion nach Bestrahlung mit niedriger Dosis eine<br />

besondere Erwähnung <strong>und</strong> Erklärung, auch wenn sie gegenwärtig<br />

von zahlreichen im Strahlenschutz arbeitenden Personen<br />

<strong>und</strong> vielen Strahlenbiologen als völlig konträr zum bestehenden<br />

System des Strahlenschutzes zurück gewiesen wird.<br />

Die Frage lautet, wie kann eine niedrig dosierte Strahlenexposition<br />

zu einer Verringerung der spontanen Krebshäufigkeit<br />

in einer Population führen, oder wie kann die Wahr-<br />

76


scheinlichkeit einer Krebserkrankung oder einer anderen Erkrankung<br />

in einer mit kleiner Dosis bestrahlten Person unter<br />

die entsprechend natürlich gegebene Wahrscheinlichkeit<br />

sinken? Wie können vorliegende diesbezügliche epidemiologische<br />

<strong>und</strong> tierexperimentelle Daten erklärt werden? In<br />

den letzten Jahren sind viele wissenschaftliche Untersuchungen<br />

gemacht worden, deren Ergebnisse die gestellte<br />

Frage einer Beantwortung zumindest nahe bringen.<br />

Die wesentliche Erklärung geht von der Tatsache aus, dass<br />

die von ionisierenden Strahlen erzeugten biologischen Effekte<br />

im kleinen Dosisbereich sehr ähnlich solchen Effekten<br />

sind, die im normalen Zellstoffwechsel auftreten. Hier spielen<br />

die reaktiven Sauerstoff-Radikale, ROS, eine besondere<br />

Rolle. Diese sind je nach dem Ort ihrer Entstehung <strong>und</strong> ihrer<br />

Konzentration in der Zelle sowohl Signalsubstanzen wie<br />

auch Gifte. So wird heute allgemein zugestimmt, dass im<br />

Stoffwechsel der Zelle produzierte ROS ständig DNS-<br />

Schäden verursachen. Das Ausmaß dieser Schäden ist so<br />

groß, dass mit modernen Methoden erkannt wird, dass pro<br />

Zelle im Körper im Mittel pro Tag etwa zwischen 0.1 <strong>und</strong> etwa<br />

5 DNS-Doppelstrangbrüche, DNS-DSB, entstehen, wobei<br />

wahrscheinlich ist, dass mit fortschreitendem Alter des<br />

Individuums die Zahl der DNS-DSB zunimmt <strong>und</strong> eher im<br />

oberen Bereich liegt. Diese DNS-Schäden werden wesentlich<br />

verantwortlich für das Auftreten spontaner Krebserkrankungen<br />

gemacht. Die Wahrscheinlichkeit tödlicher Krebserkrankungen<br />

in Industrieländern liegt pro Person bei etwa<br />

0.25, d. h. etwa 1 von 4 Personen mit langer Lebenserwartung<br />

in Industrieländern stirbt an einem bösartigen Tumor.<br />

Die Wahrscheinlichkeit durch Strahlen induzierter Krebserkrankungen<br />

ist dagegen verhältnismäßig sehr klein, wie<br />

Abb. 2.17 zeigt.<br />

Es wurde berechnet <strong>und</strong> experimentell untermauert, dass<br />

die endogen im Laufe des normalen Stoffwechsels auftretenden<br />

DNS-DSB etwa 1000 mal häufiger im Mittel pro Zelle<br />

pro Tag sind als die durch normale Hintergr<strong>und</strong>strahlung im<br />

Körper unausweichlich erzeugten DNS-DSB. Wenn die in<br />

Abschnitt „Die Überlebenden von Hiroshin and Nagasaki“<br />

genannten Zahlen auch für kleine Dosen angenommen werden,<br />

wäre wohl wegen der relativ häufig qualitativ komplexeren<br />

Art der durch Strahlen verursacht DNS-DSB das Ver-<br />

77


hältnis der spontanen Krebshäufigkeit ( ~ 250 000) in einer<br />

Population von einer Million Personen zu der durch lebenslanger<br />

Hintergr<strong>und</strong>strahlung (50 x 0.002 Gy ~ 0.1 Gy) verursachten<br />

Krebshäufigkeit in dieser Population (5000) nicht<br />

1000 sondern nur etwa 50. Dies dürfte bedeuten, dass DNS-<br />

DSB von ionisierenden Strahlen etwa 20 (1000 / 50) mal effektiver<br />

für die Erzeugung von zum Tode führenden Krebs<br />

sind als die DNS-DSB durch endogene Stoffwechselgifte,<br />

wie ROS.<br />

Die oben detaillierter erwähnten adaptiven Reaktionen nach<br />

kleinen Dosen bringen nicht nur Schutz gegen ionisierende<br />

Strahlen, sondern auch gegen andere toxische Substanzen,<br />

die DNS-Schäden verursachen. Hier spielen die ROS eine<br />

besondere Rolle. So darf man zu Recht annehmen, dass<br />

adaptiver Schutz auch gegen ROS wirksam ist. Diese Annahme<br />

ist konsistent mit einer Reihe von tierexperimentellen<br />

Untersuchungen. Unter dieser Annahme stellt sich die Frage,<br />

ob der von kleinen Dosen bewirkte Schutz gegen spontane<br />

Krebsentstehung so groß sein kann, dass der von kleinen<br />

Dosen selbst verursachte Schaden ausgeglichen wird,<br />

oder der Schutz sogar größer ist als der durch Strahlen induzierte<br />

Schaden. Verschiedene, auf experimentellen Beobachtungen<br />

beruhende Berechnungen zeigen, dass die gestellte<br />

Frag positive beantwortet werden kann. Das folgende<br />

Beispiel soll dies erläutern, auch wenn das Resultat eine<br />

grobe Vereinfachung der Abschätzung ist:<br />

1. Die Krebshäufigkeit mit tödlichem Ausgang beträgt in<br />

den Industrieländern etwa 250 000 pro einer Million<br />

Menschen.<br />

2. Das von 0.01 Gy induzierte Lebenszeitrisiko für Krebserkrankungen<br />

liegt nach den Angaben im Abschnitt 2.4.2.3.<br />

bei etwa 550-600 pro einer Million erwachsene Personen.<br />

Dabei ist nochmals zu betonen, dass diese Zahl auf<br />

der Annahme einer linearen Dosis-Risiko Beziehung basiert,<br />

welche wie oben erläutert eher eine Überschätzung<br />

des tatsächlichen Risikos bringen dürfte.<br />

3. Wird das Lebenszeitrisiko für zum Tode führende Krebserkrankungen<br />

auf einen Zeitraum von 50 Jahren, d.h. 600<br />

Monaten, angesetzt, entstehen im Mittel etwa 420 tödliche<br />

Krebserkrankungen pro Monat (250 000/ 600 ~ 420).<br />

78


4. Wenn der von 0.01 Gy induzierte adaptive Schutz umfassend<br />

etwa 1.5 Monate anhalten würde, wie dies Abb.<br />

20 zeigt, wäre der durch Strahlen induzierte Schutz vor<br />

spontanem Krebsrisiko etwa gleich hoch wie das durch<br />

Strahlen induzierte Risiko.<br />

5. Damit würde klinisch keine Erhöhung der Krebshäufigkeit<br />

nach 0.01 Gy zu erkennen sein.<br />

Bei der Annahme einer kleineren oder höheren Dosis würden<br />

sich die obigen Zahlen natürlich ändern; aber der Effekt<br />

eines Schutzes gegen spontane Krebserkrankung würde<br />

bleiben, <strong>und</strong> zwar so lange, wie die Dosis in demjenigen Bereich<br />

bleibt, in dem adaptive Schutzmechanismen optimal<br />

beobachtet werden, wie dies in Abb. 2.19 zu erkennen ist.<br />

Generell erscheint das Nettorisiko von durch Strahlen induzierten<br />

Krebserkrankungen gleich zu sein der Differenz zwischen<br />

den beiden dosisabhängigen Wahrscheinlichkeiten: 1.<br />

der durch Strahlen induzierten Krebserkrankungen hier maximal<br />

basierend auf der linearen Dosis-Risiko Beziehung<br />

über primäre DNS-Schäden, <strong>und</strong> 2. der durch Strahlen systembiologisch<br />

verminderten spontanen Krebserkrankungen.<br />

Dies illustriert das Schema in Abb. 2.22 für den Fall einer<br />

Dualer Effekt kleiner Dosen (niedrig-LET)<br />

Schema von Dosis-Risiko Beziehungen bei Krebserkrankungen<br />

– Krebsrisiko +<br />

Induktion von<br />

primären<br />

DNS-Schäden<br />

0.2 0.4 0.6 0.8<br />

Dosis (Gy)<br />

Feinendegen LE, Neumann RD, 2005<br />

Abb. 2.22<br />

?<br />

Netto<br />

Krebsrisiko<br />

„Spontaner“ Krebs<br />

Wirkung von<br />

physiologischem <strong>und</strong><br />

adaptivem Schutz<br />

79


einmaligen Exposition. Die in dieser Abb. eingezeichneten<br />

Kurven veranschaulichen schematisch eine Reihe von Bef<strong>und</strong>en,<br />

die weiter zu präzisieren sind aber gr<strong>und</strong>sätzlich eine<br />

experimentelle Gr<strong>und</strong>lage haben.<br />

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81


3. Anwendung ionisierender Strahlung<br />

in Technik, Wissenschaft <strong>und</strong> Medizin<br />

3.1 Energieerzeugung (Kernspaltung, Fusion)<br />

Im Jahre 1938 machten Otto Hahn <strong>und</strong> Fritz Strassmann die<br />

Entdeckung, dass beim Beschuss von Uran mit thermischen<br />

Neutronen ein radioaktives Bariumisotop entsteht. Nachdem<br />

Lise Meitner <strong>und</strong> Otto Frisch die Beobachtungen der beiden<br />

kurze Zeit später als Spaltung der Urankerne interpretiert<br />

hatten, dauerte es nur 4 Jahre, bis Enrico Fermi die erste<br />

auf der Spaltung von 235 Uran basierende Kettenreaktion in<br />

Gang gesetzt hatte. Durch den gerade stattfindenden Zweiten<br />

Weltkrieg wurde auch an die militärische Nutzung dieser<br />

Entdeckung gedacht <strong>und</strong> entsprechende Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsarbeiten fanden ihren grimmen Höhepunkt im<br />

Bau von Atombomben („Manhattan Projekt“). Die tragischen<br />

Folgen der Atombombenabwürfe von Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki<br />

machten klar, welch zerstörerisches Potential in der<br />

Kernspaltung innewohnen kann. Nach Beendigung des<br />

Krieges wurde intensiv an Wegen zur friedlichen Nutzung<br />

der in Atomkernen enthaltenen Energie gearbeitet. Im Jahre<br />

1997 existierten weltweit 437 Kernkraftwerke, die zusammen<br />

eine Kapazität von 352 GW elektrischer Leistung<br />

aufwiesen. Die mittels Kernkraft produzierte elektrische<br />

Energie entsprach einem Anteil von etwa 17 % an der global<br />

produzierten elektrischen Energie <strong>und</strong> machte etwa 6 % des<br />

globalen Energieverbrauchs aus (UNSCEAR 2000).<br />

Für das Verständnis der Kernenergie ist die Tatsache wichtig,<br />

dass sich die Bindungsenergie eines jeden Nukleons<br />

(d.h. eines Protons oder Neutrons) im Atomkern, ausgehend<br />

von leichten Kernen bis hin zu Kernen mit einer Massenzahl<br />

von etwa 60 erhöht. Dort erreicht sie ihr Maximum von circa<br />

8,5 MeV pro Nukleon <strong>und</strong> nimmt dann für noch höhere<br />

Atommassen wieder ab (Abb. 3.1).<br />

82


Lithium<br />

Abb. 3.1: Kernbindungsenergie pro Nukleon in Abhängigkeit<br />

von der Massenzahl des Atomkerns (Quelle: Lexikon der Kernenergie)<br />

Daher ist es möglich, sowohl durch Fusion zweier leichter<br />

Kerne als auch durch die Spaltung zweier schwerer Kerne<br />

nukleare Energie zu gewinnen.<br />

Kernfusion<br />

Bei leichten Kernen mit gerader Neutronen- <strong>und</strong> Protonenzahl<br />

(z. B. 4 He) ist die Bindungsenergie pro Nukleon verglichen<br />

mit der Bindungsenergie benachbarter Kerne besonders<br />

hoch (Abb. 3.1). Eine typische Fusionsreaktion, bei<br />

der 4 He entsteht, ist die so genannte DT-Reaktion. Dabei<br />

verschmelzen ein Deuterium- <strong>und</strong> ein Tritiumkern, wobei<br />

ein 4 He-Kern <strong>und</strong> ein Neutron entstehen. Etwa 80 % der dabei<br />

freigesetzten Energie von 17,6 MeV wird auf das Neutron<br />

übertragen, das deshalb wieder durch Sek<strong>und</strong>ärprozesse<br />

"eingefangen" <strong>und</strong> energetisch genutzt werden muss.<br />

Der Energiegewinn der Reaktion beträgt also etwa 3,5 MeV<br />

pro Nukleon <strong>und</strong> ist damit deutlich höher als der Wert von<br />

83


0,9 MeV pro Nukleon, der beispielsweise für die Spaltung<br />

von 235 U typisch ist (siehe unten).<br />

Problematisch für die technische Realisierung <strong>und</strong> Nutzung<br />

der Kernfusion als Energiequelle ist, dass zur Fusion zweier<br />

Kerne erst deren Coulomb-Abstoßung überw<strong>und</strong>en werden<br />

muss. Aus klassischen Überlegungen geht hervor, dass im<br />

Falle der DT-Reaktion dazu eine Energie von 0,4 MeV benötigt<br />

würde, was in einem thermischen Plasma einer Temperatur<br />

von etwa 3 x 10 9 Kelvin entspräche. Quantenmechanische<br />

Effekte führen zwar dazu, dass bereits deutlich<br />

niedrigere Temperaturen ausreichen, um eine Fusion beider<br />

Kerne zu erlauben. Allerdings sind die für einen kontrollierten,<br />

kontinuierlichen Betrieb eines Fusionsreaktors nötigen<br />

Temperaturen immer noch so hoch, dass die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

wissenschaftlichen <strong>und</strong> technologischen Schwierigkeiten<br />

die Entwicklung eines routinemäßig einsetzbaren Fusionsreaktors<br />

bis jetzt verhindert haben. Da im Gegensatz<br />

dazu weltweit eine Vielzahl an Kernreaktoren in Betrieb ist,<br />

soll der Schwerpunkt der weiteren Diskussion auf der Kernspaltung<br />

liegen.<br />

Kernspaltung<br />

Bei der asymmetrischen Spaltung des Uranisotops 235 U (das<br />

in der Natur nur mit einer Isotopenhäufigkeit von 0,7 % vorkommt)<br />

in zwei Spaltfragmente mit Massenzahlen im Bereich<br />

von etwa 90 <strong>und</strong> 140 werden im Mittel circa 0,85 MeV<br />

pro Nukleon an Bindungsenergie frei, was einer Energie von<br />

etwa 200 MeV entspricht. Diese Energie verteilt sich auf die<br />

kinetische Energie der Spaltfragmente (83 %), sowie auf<br />

prompte Gammastrahlung (4 %) <strong>und</strong> die bei den �-Zerfällen<br />

der Spaltfragmente entstehenden Elektronen (3 %), Anti-<br />

neutrinos (5 %) <strong>und</strong> Gammaquanten (3 %). Pro Spaltung eines<br />

235 U-Kerns werden zudem im Mittel 2,5 Neutronen frei,<br />

die eine kinetische Energie von etwa 5 MeV (ca. 2 %) mit<br />

sich führen. Ein großer Teil der bei der Kernspaltung frei<br />

werdenden Energie führt durch Abbremsung der emittierten<br />

energetischen Partikel letztendlich zu einer Aufheizung des<br />

verwendeten Kernbrennstoffs. Über ein Kühlmittel kann diese<br />

primäre Wärme beispielsweise über einen Wärmetauscher<br />

abgegeben <strong>und</strong> der in einem Sek<strong>und</strong>ärkreislauf er-<br />

84


zeugte Dampf Turbinen zur Elektrizitätserzeugung zugeführt<br />

werden.<br />

Nicht alle spaltbaren Isotope sind für die Energieerzeugung<br />

gleichermaßen geeignet. Besonders gut eignen sich Isotope<br />

wie 233 U, 235 U, 239 Pu, oder 241 Pu, die aus einer geraden Anzahl<br />

von Protonen <strong>und</strong> einer ungeraden Anzahl von Neutronen<br />

bestehen („gu-Kerne“). Diese Isotope („starke Spaltstoffe“)<br />

zeichnen sich dadurch aus, dass beim Einfang eines<br />

Neutrons ein besonders stabiler Kern mit einer geraden Anzahl<br />

von Protonen <strong>und</strong> Neutronen („gg-Kern“) entsteht (z. B.<br />

234 236 240 242<br />

U, U, Pu, Pu). Die durch den Einfang des Neutrons<br />

freiwerdende Energie ist dabei so groß, dass die Spaltbarriere<br />

schon durch den Einfang eines niederenergetischen,<br />

thermischen Neutrons überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> der Kern gespalten<br />

wird. Bei den so genannten schwachen Spaltstoffen ( 232 Th,<br />

238 240 242<br />

U, Pu, Pu) dagegen muss das Neutron eine Energie<br />

im MeV-Bereich mitbringen, da die beim Einfang des Neutrons<br />

<strong>und</strong> der Bildung des dabei entstehenden „gu-Kerns“<br />

frei werdende Bindungsenergie alleine nicht ausreicht, um<br />

die Spaltbarriere zu überwinden. Daher kann die Spaltung<br />

von 235 U bereits durch thermische Neutronen, die Spaltung<br />

von 238 U dagegen nur durch schnelle Neutronen mit kinetischen<br />

Energien im MeV-Bereich induziert werden.<br />

Ein Vergleich mit dem Energiegehalt fossiler Brennstoffe<br />

macht deutlich, wie immens die beispielsweise in 235 U innewohnende<br />

Kernenergie ist. Der primäre Energieinhalt eines<br />

Kilogramms Steinkohle beträgt 3x10 7 Joule. Mit den oben<br />

genannten Zahlen kann man abschätzen, dass die bei der<br />

Spaltung von einem Kilogramm 235 U freigesetzte Kernenergie<br />

in etwa dem Energieinhalt von mehr als 2,5 Millionen Kilogramm<br />

Kohle entsprechen.<br />

Reaktortypen<br />

Die bei der Entwicklung der Kernenergie zur kommerziellen<br />

Energieumwandlung entwickelten unterschiedlichen Reaktorkonzepte<br />

werden im Folgenden kurz skizziert. Für die<br />

Spaltung eines 235 U-Kerns reicht bereits ein die Reaktion<br />

auslösendes Neutron aus, <strong>und</strong> es werden dabei im Mittel 2,5<br />

neue Neutronen freigesetzt. Stehen diese Neutronen für<br />

weitere Kernspaltungen zur Verfügung, kommt es zu einer<br />

85


Kettenreaktion (Abb. 3.2), in deren Verlauf es in kürzester<br />

Zeit (typischerweise in �s) zu einer großen Energiefreisetzung<br />

kommen kann (Explosion).<br />

Abb. 3.2: Prinzip einer Kettenreaktion (Quelle: Lexikon der<br />

Kernenergie)<br />

Eine wesentliche Aufgabe der Reaktortechnik besteht darin,<br />

sicherzustellen, dass beim Betrieb eines Reaktors im Mittel<br />

pro Kernspaltung unter Berücksichtigung aller Verluste an<br />

Neutronen genau ein Neutron für die nächste Spaltung zur<br />

Verfügung steht. Verluste an Neutronen entstehen zum Beispiel<br />

dadurch, dass der Bereich des Brennstoffs nicht unendlich<br />

groß ausgedehnt ist, dass ein Teil der schnellen<br />

Spaltneutronen während des Prozesses der Moderation absorbiert<br />

wird, dass thermalisierte Neutronen beispielsweise<br />

von Strukturmaterialien, vom Moderator oder von den Regelstäben<br />

<strong>und</strong> nicht von 235 U absorbiert werden, <strong>und</strong> dass<br />

nur ein Teil der in 235 U absorbierten Neutronen tatsächlich<br />

eine Kernspaltung induziert.<br />

Ein Reaktor besteht im Wesentlichen aus einem Reaktorkern,<br />

in dem sich der Kernbrennstoff befindet. Zur Kühlung<br />

des Kerns <strong>und</strong> Abführung der bei der Kernspaltung frei werdenden<br />

Wärmeenergie ist ein mit einem Kühlmittel gefüllter<br />

Kühlkreislauf installiert. Je nach verwendetem Kühlmittel un-<br />

86


terscheidet man zwischen Leichtwasser-, Schwerwasser-,<br />

<strong>und</strong> gasgekühlten Reaktoren. Bei Reaktoren, die auf der<br />

Spaltung durch thermische Neutronen basieren („thermische<br />

Reaktoren“), ist zusätzlich ein Moderator vorhanden, der die<br />

bei der Spaltung entstehenden schnellen Neutronen abbremst.<br />

In vielen Fällen dient das Kühlmittel gleichzeitig als<br />

Moderator. Bei manchen Typen wird Graphit als Moderator<br />

verwendet. Reaktoren, die auf der Spaltung durch schnelle<br />

Neutronen basieren („schnelle Reaktoren“), benötigen dagegen<br />

keinen Moderator. Geregelt wird ein Reaktor über<br />

Steuerstäbe, die je nach Bedarf in den Kern eingefahren<br />

werden können <strong>und</strong> aus Material wie zum Beispiel Cadmium<br />

bestehen, das thermische Neutronen besonders gut absorbiert.<br />

Die bei der Kernspaltung entstehenden Spaltprodukte sind<br />

größtenteils radioaktiv, <strong>und</strong> auch in den Materialien, die den<br />

erzeugten Neutronen ausgesetzt sind, können durch den<br />

Einfang von Neutronen radioaktive Isotope entstehen. Daher<br />

wird bei Kernreaktoren eine Kombination aus unterschiedlichen<br />

Barrieren verwendet, um zu verhindern, dass die erzeugte<br />

<strong>Radioaktivität</strong> unkontrolliert in die Umgebung gelangen<br />

kann. Zu diesen Barrieren zählen die Hüllen der Brennelemente,<br />

der Reaktordruckbehälter, sowie der Reaktor-<br />

Sicherheitsbehälter aus Strahl, der schließlich von der Außenschale<br />

des Reaktorgebäudes aus Strahlbeton umgeben<br />

ist.<br />

Bei einem Druckwasserreaktor (Abb. 3.3) wird als Kühlmittel<br />

normales („leichtes“) Wasser verwendet. Im Primärkreislauf<br />

besteht ein hoher Druck von typischerweise 16 Mpa (Megapascal,<br />

entspricht 160 bar), der es erlaubt, das Kühlwasser<br />

auf etwa 300 °C aufzuheizen, ohne dass es zum Sieden <strong>und</strong><br />

der damit verb<strong>und</strong>enen Dampfblasenbildung kommt. In einem<br />

Sek<strong>und</strong>ärkreislauf wird Dampf erzeugt, der dann eine<br />

Turbine antreibt. Beim Siedewasserreaktor (Abb. 3.4)<br />

herrscht dagegen im Primärkreislauf ein niedrigerer Druck<br />

von etwa 7 Mpa (70 bar), so dass das Kühlwasser teilweise<br />

siedet. Der entstehende Dampf wird direkt (d.h. ohne dazwischen<br />

geschalteten Wärmetauscher) zur Turbine geleitet.<br />

Da der im Wasser vorhandene Wasserstoff zudem einen guten<br />

Neutronen-Moderator darstellt, kann bei beiden Reaktortypen<br />

auf einen zusätzlichen Moderator verzichtet werden.<br />

87


Abb. 3.3: Prinzip eines Druckwasserreaktors (Quelle: Lexikon<br />

der Kernenergie).<br />

Abb. 3.4: Prinzip eines Siedewasserreaktors (Quelle: Lexikon<br />

der Kernenergie).<br />

88


Bei Schwerwasserreaktoren, die hauptsächlich in Kanada<br />

eingesetzt werden, wird als Kühlmittel <strong>und</strong> Moderator<br />

schweres Wasser (D2O) eingesetzt. Zwar benötigen schnelle<br />

Neutronen mehr Stöße an Deuterium als an Wasserstoff,<br />

bevor sie thermalisiert werden. Dieser Nachteil wird jedoch<br />

aufgewogen durch die Tatsache, dass Neutronen, die bereits<br />

thermalisiert sind, in schwerem Wasser deutlich seltener<br />

absorbiert werden als in leichtem Wasser. Daher kann<br />

ein Schwerwasserreaktor mit Natururan betrieben werden,<br />

während für Leichtwasserreaktoren eine Anreicherung des<br />

235<br />

U auf etwa 3 % nötig ist.<br />

Gasgekühlte Reaktoren, bei denen z. B. CO2 oder Helium<br />

als Kühlmittel verwendet werden, erlauben eine höhere<br />

Kühlmitteltemperatur <strong>und</strong> erreichen einen Wirkungsgrad von<br />

etwa 40 %, der deutlich über dem der übrigen, thermischen<br />

Reaktortypen von etwa 33 % liegt. Beim schnellen Reaktor<br />

wird als Kühlmittel beispielsweise flüssiges Natrium verwendet<br />

<strong>und</strong> auf einen Neutronen-Moderator verzichtet.<br />

Im Hinblick auf die kommerzielle Nutzung <strong>und</strong> den routinemäßigen<br />

Einsatz haben sich global im Wesentlichen die<br />

beiden Arten von Leichtwasser-Reaktoren, Druck-, <strong>und</strong> Siedewasserreaktoren<br />

durchgesetzt. Zwar werden vereinzelt<br />

auch andere Typen (gasgekühlte Reaktoren, Schwerwasserreaktoren)<br />

eingesetzt. Deren Anteil an der globalen Energieproduktion<br />

durch Kernkraft ist jedoch vergleichsweise gering.<br />

In Abb. 3.5 ist die Entwicklung der weltweit durch Kernkraftwerke<br />

produzierten elektrischen Energie im Zeitraum<br />

von 1970 bis 1997, aufgeschlüsselt nach den verschiedenen<br />

Reaktortypen, dargestellt.<br />

89


Erzeugte elektrische elektrische Energie Gw a<br />

Abb. 3.5: Entwicklung der global durch Kernspaltung produzierten<br />

elektrischen Energie von 1970 bis 1997. PWR: Druckwasserreaktor<br />

(„Pressurized water reactor“), BWR: Siedewasserreaktor<br />

(„boiling water reactor“), GCR: gasgekühlter<br />

Reaktor („gas-cooled reactor“), HWR: Schwerwasserreaktor<br />

(„heavy water reactor“), LWGR: graphitmoderierter Leichtwasserreaktor<br />

(„light-water-cooled graphite-moderated reactor“)<br />

(UNSCEAR 2000).<br />

Strahlenexposition durch den Betrieb von Kernkraftwerken<br />

- Beschäftigte<br />

Mit der Zahl an Kernkraftwerken nahm die Anzahl der in<br />

Kernkraftwerken beschäftigten <strong>und</strong> überwachten Personen<br />

seit 1975 kontinuierlich zu. Dies führte bis 1989 zu einer Zunahme<br />

der kollektiven Dosis. Im Zeitraum 1990–1994 war<br />

dagegen im angegebenen Zeitraum erstmals eine Abnahme<br />

der kollektiven Dosis zu verzeichnen, die daher rührt, dass<br />

die mittlere jährliche effektive Dosis für einen überwachten<br />

Arbeiter in einem Kernkraftwerk seit 1975 kontinuierlich <strong>und</strong><br />

deutlich abnahm (Tabelle 3.11).<br />

90


Zeitraum Überwachte<br />

Personen<br />

Mittlere jährliche Effektivdosis<br />

(mSv)<br />

1975–1979 150.000 4.1<br />

1980–1984 290.000 3.6<br />

1985–1989 430.000 2.5<br />

1990–1994 530.000 1.4<br />

Tab. 3.1: Anzahl <strong>und</strong> mittlere jährliche Effektivdosis von Personen,<br />

die in Kernkraftwerken beschäftigt waren <strong>und</strong> deren Exposition<br />

überwacht wurde (Unscear 2000).<br />

- Bevölkerung<br />

Durch den Betrieb von Kernkraftwerken werden im Reaktorkernbereich<br />

radioaktive Spalt- <strong>und</strong> Aktivierungsprodukte erzeugt,<br />

die zu einem sehr geringen Teil trotz effektiver Rückhaltevorrichtungen<br />

in die Umwelt kontrolliert abgegeben<br />

werden. Dazu zählen radioaktive Isotope von Edelgasen wie<br />

133<br />

Xe (T1/2 = 5,3 Tage) <strong>und</strong> 85 Kr (T1/2 = 10,7 Jahre). Tritium<br />

(T1/2 = 12,26 Jahre) kann insbesondere von Schwerwasserreaktoren<br />

freigesetzt werden, bei denen es durch Neutronenaktivierung<br />

von Deuterium entsteht. Auch 14 C (T1/2 =<br />

5.730 Jahre) kann ein wesentlicher Bestandteil gasförmiger<br />

Freisetzungen sein. Tabelle 3.2 fasst die hauptsächlichen<br />

gasförmigen <strong>und</strong> flüssigen Freisetzungen eines modernen<br />

kommerziellen Druckwasserreaktors zusammen.<br />

Freisetzung<br />

(Bq/Jahr)<br />

Edelgasisotope<br />

9,75 x<br />

10 11<br />

14<br />

C<br />

(gasförmig)<br />

5,14 x<br />

10 11<br />

Tritium<br />

(gasförmig)<br />

3,85 x<br />

10 11<br />

Tritium<br />

(flüssig)<br />

2,37 x<br />

10 13<br />

Tab. 3.2: Typische jährliche gasförmige bzw. flüssige Freisetzungen<br />

eines großen modernen Druckwasserreaktors in<br />

Deutschland (Landold-Börnstein, Bd 3, 2005).<br />

Die Konzentrationen der freigesetzten Radionuklide sind in<br />

der Umwelt – außer manchmal nahe eines Reaktors – nicht<br />

messbar. Daher muss sich die Abschätzung der dadurch<br />

91


verursachten Dosen für die Bevölkerung auf Modellrechnungen<br />

stützen, die den atmosphärischen <strong>und</strong> aquatischen<br />

Transport dieser Radionuklide beschreiben, ihren möglichen<br />

Transport durch Umweltmedien <strong>und</strong> Nahrungsmittel <strong>und</strong> eine<br />

eventuelle Inkorporation durch den Menschen berücksichtigen<br />

<strong>und</strong> daraus für Referenz-Personen <strong>und</strong> -Szenarien<br />

externe <strong>und</strong> interne Expositionen quantitav <strong>und</strong> konservativ<br />

abschätzen. Unter der Modellannahme, dass in einem Umkreis<br />

von 50 km um einen Reaktorstandort eine Bevölkerungsdichte<br />

von 400 Personen/km 2 typisch ist, ergibt sich für<br />

Anwohner in diesem Umkreis beispielsweise durch den Betrieb<br />

eines Druckwasserreaktors zusätzlich eine jährliche,<br />

über diese Bevölkerung gemittelte, effektive Dosis von etwa<br />

5 �Sv. Für einen Siedewasserreaktor liegt der entsprechende<br />

Jahres-Wert bei 10 �Sv (UNSCEAR 2000), was vergleichsweise<br />

numerisch etwa dem Doppelten der mittleren<br />

täglichen Strahlenexposition eines deutschen Bürgers aus<br />

natürlichen Quellen entspricht. Konkrete Werte für deutsche<br />

Kernkraftwerke werden in Kapitel 4.3 ausführlicher diskutiert.<br />

Radionuklide mit langen Halbwertszeiten, die sich leicht in<br />

der Umwelt ausbreiten, können zudem global zu einer Erhöhung<br />

der Strahlenexposition führen. Dazu zählen neben<br />

den bereits erwähnten Tritium, 14 C <strong>und</strong> 85 Kr das langlebige<br />

radioaktive Iodisotop 129 I (T1/2 = 1,6 x 10 7 Jahre). Würden<br />

beispielsweise die 14 C-Freisetzungen in den Aktivitäts-Mengen<br />

des Jahres 2000 auch in Zukunft stattfinden, ergäbe<br />

sich für die Bevölkerung im Jahre 2050 global eine zusätzliche,<br />

durch die 14 C-Freisetzungen bedingte Dosis von etwa<br />

0,1 �Sv/a (UNSCEAR 2000).<br />

3.2 Beispiele für Anwendungen in der Industrie<br />

Ionisierende Strahlung findet bei einer Reihe von industriellen<br />

Verfahren Anwendung. Dabei handelt es sich beispielsweise<br />

um Verfahren der zerstörungsfreien Materialanalyse<br />

oder um Bestrahlungen zur Sterilisation medizinischer <strong>und</strong><br />

pharmazeutischer Produkte. Auch Radioisotope werden als<br />

Quellen ionisierender Strahlung verwendet – sei es als Tracer<br />

zum Studium kinetischer Prozesse, zum Monitoring von<br />

Abbrandprozessen oder in der pharmazeutischen Industrie<br />

92


für diagnostische oder therapeutische Zwecke in der Nuklearmedizin.<br />

Radiographie<br />

- Werkstoffprüfung<br />

Die physikalischen Eigenschaften hochenergetischer elektromagnetischer<br />

Strahlung (Röntgen-, Gammastrahlung) erlauben<br />

deren Einsatz auch bei der zerstörungsfreien Untersuchung<br />

von Proben unterschiedlichster Herkunft. Bei der<br />

Radiographie wird die elementspezifische Schwächung<br />

elektromagnetischer Strahlung beim Durchgang durch Materie<br />

ausgenutzt <strong>und</strong> beispielsweise für Materialprüfungen<br />

eingesetzt – etwaige Herstellungsfehler an Gussteilen oder<br />

Autoreifen sind nach Durchleuchtung auf einem radiographischen<br />

Bild sichtbar.<br />

Prinzipiell werden zwei Vorgehensweisen angewendet:<br />

Entweder werden die zu untersuchenden Objekte zu einem<br />

fest installierten Gerät gebracht, oder ein tragbares Gerät<br />

wird eingesetzt, das die Untersuchung fest installierter<br />

Objekte (wie zum Beispiel die Untersuchung von Pipelines<br />

auf Schäden in den Schweißnähten) vor Ort erlaubt. Als<br />

Strahlenquellen kommen meist entweder 192 Ir (Halbwertszeit:<br />

74 Tage) einer Aktivität zwischen 1,8 x 10 12 <strong>und</strong> 4,4 x<br />

10 12 Bq, 60 Co einer Aktivität von etwa 3 x 10 8 Bq oder 137 Cs<br />

einer Aktivität zwischen 3 x 10 8 <strong>und</strong> 8 x 10 10 Bq zum Einsatz.<br />

Bei den verwendeten Röntgenröhren liegen die<br />

Spannungen typischerweise zwischen 60 <strong>und</strong> 300 kV.<br />

Weltweit waren zwischen 1990 <strong>und</strong> 1994 bei der industriellen<br />

Anwendung radiographischer Verfahren mehr als<br />

100.000 Personen beschäftigt, die mit einer mittleren jährlichen<br />

effektiven Dosis von etwa 1,6 mSv exponiert waren,<br />

53.000 davon waren einer entsprechenden Dosis von mehr<br />

als 3 mSv ausgesetzt (UNSCEAR 2000).<br />

- Röntgenfluoreszenz-Analyse<br />

Bei der Röntgenfluoreszenz-Analyse werden mittels Röntgenstrahlung<br />

die Atome des zu untersuchenden Materials<br />

elementspezifisch angeregt. Die bei der Abregung freige-<br />

93


setzte charakteristische Röntgenstrahlung dient dem Nachweis<br />

der entsprechenden Elemente.<br />

Industriell genutzte Bestrahlungsanlagen<br />

- Anlagen zur Sterilisation <strong>und</strong> Konservierung<br />

Seit Ende der 1950er Jahre wird ionisierende Strahlung industriell<br />

für Bestrahlungen eingesetzt. Laut (UNSCEAR<br />

2000) sind weltweit etwa 160 Einrichtungen vorhanden, die<br />

zur Bestrahlung Gammastrahlung, <strong>und</strong> 600 weitere, die Beta-Strahlung<br />

verwenden. In den meisten Fällen handelt es<br />

sich dabei um Anlagen zur Sterilisation medizinischer oder<br />

pharmazeutischer Produkte, zur Konservierung von Nahrungsmitteln<br />

(die Konservierung von Nahrungsmitteln ist bis<br />

auf wenige Ausnahmen, z. B. Gewürze, in Deutschland nicht<br />

zugelassen), zur Materialbearbeitung oder zur Desinfektion<br />

nach Insektenbefall. Im Falle der Gammabestrahlungs-<br />

Einrichtungen werden meistens 60 Co-Quellen (Halbwertszeit:<br />

5,3 Jahre; Gammaenergie: 1,1 MeV <strong>und</strong> 1,3 MeV) einer<br />

Aktivität im Bereich von 10 15 Bq–10 16 Bq verwendet, seltener<br />

werden auch 137 Cs-Quellen (Halbwertszeit: 30,2 Jahre;<br />

Gamma-Energie: 661 keV) eingesetzt. Da am Ort der Bestrahlung<br />

mit hohen Dosen gearbeitet wird – typische Dosisraten<br />

liegen bei einem Gray pro Sek<strong>und</strong>e – sind die Anlagen<br />

mit dicken Abschirmeinrichtungen ausgerüstet, um die<br />

Strahlenexpositionen für das Personal gering zu halten.<br />

Im Zeitraum 1990–1994 erhielten die weltweit etwa 57.000<br />

in diesem Bereich Beschäftigten nur eine mittlere jährliche<br />

effektive Dosis von 0,1 mSv. Bei etwa 2.500 Personen kam<br />

es aber zu höheren Expositionen, die zu einer mittleren jährlichen<br />

effektiven Dosis dieser Gruppe von 2,3 mSv führten<br />

(UNSCEAR 2000).<br />

- Anlagen zur Polymerisation von Kunststoffen<br />

Da bei Bestrahlung chemische Bindungen aufgebrochen<br />

werden, können dadurch die Eigenschaften verschiedenster<br />

Kunststoffe verändert werden. Diese Eigenschaft wird beispielsweise<br />

bei der Polimerisation von Kunststoffen bei der<br />

Herstellung von Schrumpfmaterialien angewendet.<br />

94


Herstellung von Radioisotopen<br />

Radioaktive Isotope werden hergestellt für einen weiten Anwendungsbereich<br />

in Industrie <strong>und</strong> Medizin. Beispiele für die<br />

Anwendungen von Gammastrahlern wie 137 Cs <strong>und</strong> 60 Co<br />

wurden bereits weiter oben angesprochen. Radioisotope<br />

finden außerdem Anwendung bei der Untersuchung des kinetischen<br />

Verhaltens bestimmter Elemente in verschiedensten<br />

Umgebungen. Dazu zählt zum Beispiel die Untersuchung<br />

des menschlichen Metabolismus bestimmter Elemente<br />

mit radioaktiven Isotopen desselben Elements („Tracer-<br />

Verfahren“, siehe unten). Man macht sich dabei zunutze,<br />

dass die chemischen Eigenschaften eines Elements nur von<br />

der Anzahl der Elektronen in der Atomhülle abhängen, <strong>und</strong><br />

dementsprechend alle Isotope desselben Elements identische<br />

chemische Eigenschaften aufweisen. Wenn physikalische<br />

Unterschiede zwischen den Isotopen eines Elements<br />

(z. B. Atomgewicht, Atomdurchmesser) vernachlässigt werden<br />

können, dann kann ein radioaktives Isotop, das wegen<br />

der beim Zerfall ausgesandten Strahlung leicht nachgewiesen<br />

werden kann, verwendet werden, um das Verhalten der<br />

stabilen Isotope desselben Elements zu untersuchen. Weitere<br />

wichtige Anwendungen von Radioisotopen finden sich in<br />

der Nuklearmedizin sowie in der medizinischen Diagnostik<br />

(PET, Szintigraphie). Diese werden an anderer Stelle diskutiert.<br />

- Radioisotope in Kalibrierquellen<br />

Ein weiterer Anwendungsbereich von Radioisotopen stellt<br />

die Herstellung von Prüf- <strong>und</strong> Kalibrierquellen definierter Aktivität<br />

<strong>und</strong> Geometrie (Punkt-, Flächen-, Volumenquelle) dar,<br />

die eingesetzt werden, um beispielsweise Messgeräte für<br />

den Nachweis von ionisierender Strahlung auf ihre Funktionsfähigkeit<br />

zu überprüfen <strong>und</strong> ihr energieabhängiges Ansprechvermögen<br />

zu quantifizieren. Stellvertretend sei hier<br />

das Radioisotop 152 Eu erwähnt (Halbwertszeit: 13,33 Jahre),<br />

das beim Zerfall eine Reihe Gammaquanten unterschiedlichster<br />

Energie mit unterschiedlichen, aber gleichfalls bekannten<br />

Intensitäten emittiert (von 122 keV bis 1,4 MeV).<br />

Hiermit können die Nachweiswahrscheinlichkeiten von Photonen<br />

unterschiedlicher Energien von Halbleiter- oder Szintillationsdetektoren<br />

über einen weiten Energiebereich be-<br />

95


stimmt werden. Die in diesem Bereich eingesetzten radioaktiven<br />

Quellen kommen mit einer deutlich geringeren Aktivität<br />

aus als die weiter oben diskutierten Quellen, die in der Radiographie<br />

oder in Bestrahlungsanlagen eingesetzt werden.<br />

In vielen Fällen ist eine Aktivität im unteren kBq-Bereich bereits<br />

ausreichend.<br />

- Radioisotope für Rauchmelder<br />

Auch Produkte im Alltag können in kleinen Konzentrationen<br />

künstlich hergestellte Radioisotope enthalten. Ein Beispiel<br />

dafür sind Rauchmelder, in denen häufig eine 241 Am-Quelle<br />

eingebaut ist. In einer Ionisationskammer werden die beim<br />

Zerfall des 241 Am (Halbwertszeit: 433 Jahre) emittierten Alpha-Teilchen<br />

nachgewiesen. Falls Rauchteilchen eindringen,<br />

verringert sich das von der Ionisationskammer nachgewiesene<br />

Signal. Bei dieser Anwendung reicht bereits eine<br />

241<br />

Am-Aktivität von einigen kBq aus.<br />

- Radioisotope in Regel- <strong>und</strong> Messeinrichtungen<br />

Die Abschwächung von Gammastrahlung beim Durchgang<br />

durch Materie wird in der Industrie beispielsweise auch genutzt<br />

bei der Messung von Füllstandshöhen in Behältern<br />

oder bei der Überprüfung von Restwandstärken von sich<br />

abnutzenden Bauteilen.<br />

Weltweit waren von 1990–1994 in der Herstellung von Radioisotopen<br />

etwa 24.000 Personen beschäftigt. Diese waren<br />

einer mittleren jährlichen effektiven Dosis von etwa 2 mSv<br />

ausgesetzt.<br />

3.3 Beispiele für Anwendungen in der Wissenschaft<br />

Ionisierende Strahlung besitzt ein enorm breites Anwendungsspektrum<br />

in der allgemeinen Wissenschaft, sodass an<br />

dieser Stelle nur eine kleine Auswahl davon gegeben werden<br />

kann. Alles was der Mensch heute über das unendliche<br />

Universum <strong>und</strong> die kleinsten Elementarteilchen, die die Welt<br />

im Inneren zusammenhalten, weiß, beruht letztlich auf der<br />

wissenschaftlichen Beobachtung, Analyse <strong>und</strong> Interpretation<br />

96


von Strahlenmessungen. Die Temperatur der Erde wird<br />

durch die radioaktive Zerfallswärme natürlicher Radionuklide<br />

im Erdinneren auf das für das Leben wichtige Niveau erhöht.<br />

<strong>Radioaktivität</strong> ist überall (ubiquitär) <strong>und</strong> seit der Entstehung<br />

der Erde (primordial) in der Natur vorhanden. Die meisten<br />

(ca. 1.800) der bekannten Isotope (über 2.700) des Periodensystems<br />

der Elemente zeigen diese Eigenschaft. Die<br />

Wissenschaft zieht daraus vielfältigen Nutzen auf vielen Gebieten.<br />

Radioisotope<br />

Im vorhergehenden Kapitel wurde bereits die industrielle<br />

Herstellung <strong>und</strong> der Einsatz von Radionukliden als zugesetzte,<br />

"exogene" Tracer in Forschung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

erwähnt. Dabei werden Radioisotope desjenigen Elements,<br />

dessen dynamisches Verhalten im Menschen, einer Pflanze,<br />

etc. oder in einem unbelebten Umweltkompartent untersucht<br />

werden soll, in Spurenmengen dem System kontrolliert zugegeben.<br />

Diese Spurenmengen sollen möglichst das studierte<br />

Objekt oder das Verhalten des Elements in ihm nicht<br />

verändern <strong>und</strong> in den Proben, die dem System entnommen<br />

werden, gerade noch quantitativ hinreichend genau nachweisbar<br />

sein. Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass<br />

auch Radionuklide, die aus technischen Anlagen routinemäßig<br />

(z. B. aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield<br />

<strong>und</strong> an der französischen Atlantikküste) oder bei Stör<strong>und</strong><br />

Unfällen (z. B. beim Reaktorunfall von Tschernobyl) in<br />

die Atmosphäre oder die aquatische Umwelt abgegeben<br />

werden, zum wissenschaftlichen Studium z. B. von Laufzeiten<br />

<strong>und</strong> Transportwegen von Wasserkörpern in Meeresströmungen<br />

im Atlantik, von kontaminierten Luftmassen in der<br />

Troposphäre <strong>und</strong> Stratosphäre, oder von Stoffen in der Nahrungskette<br />

für wissenschaftliche Zwecke benutzt werden.<br />

Bei der kontrollierten Verwendung von kleinen Mengen von<br />

Radioisotopen wird z B. das Verhalten von interessierenden<br />

Atomen oder chemischen, pharmazeutischen Molekülen im<br />

Menschen für Zwecke der Pharmazie oder der internen Dosimetrie<br />

untersucht, das Verhalten von Düngemitteln in der<br />

Umwelt oder der Fluss von Wasserkörpern im Untergr<strong>und</strong>,<br />

in Flüssen oder im Meer.<br />

97


Die dabei eingesetzten Radionuklide sollten u. a. die Eigenschaft<br />

haben, dass sie in den benötigten Konzentrationen<br />

nicht toxisch auf die untersuchte Einheit wirken, ihre Halbwertszeiten<br />

der zeitlichen Länge der jeweiligen Untersuchungen<br />

optimal angepasst sind <strong>und</strong> ionisierende Strahlung<br />

emittieren, die hinsichtlich Strahlenart <strong>und</strong> -Energie effizient<br />

nachgewiesen werden kann. Die zugesetzten Radionuklide<br />

(es können auch gleichzeitig mehrere verschiedene Isotope<br />

in unterschiedlicher chemischer Art <strong>und</strong> mit unterschiedlichen<br />

Halbwertszeiten eingesetzt werden) stellen oft eine im<br />

Moment der Zugabe gestartete "Stoppuhr" dar, mit deren<br />

Hilfe auch Laufzeiten von Stoffen in den untersuchten Systemen<br />

studiert werden können (z. B. Meeresströmungen,<br />

atmosphärische Verfrachtungen).<br />

Es können aber auch Konzentrationen von "endogenen",<br />

d.h. einem untersuchten Kompartment nicht künstlich von<br />

außen zugesetzte, sondern in ihm natürlicherweise vorkommende<br />

Tracerisotope wissenschaftlich analysiert werden<br />

z. B. zum Zwecke der Alters- <strong>und</strong>/oder Herkuftsbestimmung<br />

eines Objektes. Diese nutzen den Vorteil, dass die<br />

intranuklearen Kernbindungkräfte um viele Größenordnungen<br />

größer sind als die thermischen <strong>und</strong> chemischen Energien,<br />

die in der Umwelt überhaupt vorliegen können. In der<br />

Geochronologie, d.h. der Altersbestimmung von Gesteinen,<br />

betrachtet man Radionuklide mit sehr langen Halbwertszeiten<br />

(HWZ, in aufsteigender Reihenfolge), wie z. B.<br />

- die 235 U - 207 P - Datierung ( 0,7 Mrd. Jahre HWZ),<br />

- die 40 K - 40 Ar - Datierung ( 1,3 Mrd. Jahre HWZ),<br />

- die 238 U - 206 Pb - Datierung ( 4,5 Mrd. Jahr HWZ),<br />

- die 232 Th - 208 Pb - Datierung ( 14 Mrd. Jahre HWZ),<br />

- die 87 Rb - 87 Sr - Datierung ( 49 Mrd. Jahre HWZ),<br />

- die 147 Sm - 143 Nd - Datierung (106 Mrd. Jahre HWZ).<br />

Bei Verwendung der sog. Isochronendiagramme müssen die<br />

anfänglichen Radionuklidkonzentrationen <strong>und</strong> Isotopenverhältnisse<br />

der Folgenuklide der Zerfallsketten nicht bekannt<br />

sein. Sie resultieren aber – neben dem meist primär zu bestimmenden<br />

Alter der Probe – auch aus der Untersuchung<br />

<strong>und</strong> erlauben Aussagen über eventuelle Einflüsse der Umwelt<br />

auf die Messungen.<br />

98


Zu Lebens-Beginn des Sonnensystems gab es in den solaren<br />

Nebeln bereits die relativ kurzlebigen Radionuklide 26 Al,<br />

60 53 129<br />

Fe, Mn <strong>und</strong> J, die vermutlich durch Explosionen von<br />

Supernovae entstanden waren. Sie selbst sind zwar inzwischen<br />

völlig zerfallen, aber ihre Folgeprodukte können noch<br />

in alten Meteoriten entdeckt <strong>und</strong> gemessen werden (z. B.<br />

durch Massenspektrometer). Mit Hilfe von Isochrondiagrammen<br />

können dann relative Zeiten seit Ereignissen in der<br />

Frühgeschichte unseres Universums bestimmt werden; bei<br />

zusätzlicher U-Pb Datierung können hier manchmal sogar<br />

absolute Alter abgeschätzt werden.<br />

Viele Minerale zeigen auch die physikalische Eigenschaft<br />

der Thermolumineszenz. Die Gehalte an natürlichen 40 K-,<br />

238 232<br />

U- <strong>und</strong> Th-Isotopen <strong>und</strong> das natürliche externe Strahlungsfeld<br />

am Gesteinsort bewirken bei der Wechselwirkung<br />

von ionisierender Strahlung mit den Steinen (oder zivilisatorischen<br />

Keramikobjekten) die Bildung von Elektronen-<br />

Lochpaaren. Diese Mineralien verhalten sich wie ein zeitlich<br />

integrierendes Dosimeter, was u. a. in der Archäologie zur<br />

Altersbestimmung ausgenutzt wird. Die Elektronen bleiben<br />

recht langfristig in den energetisch höheren Haftstellen der<br />

vorhandenen Verunreinigungen hängen <strong>und</strong> senden erst bei<br />

der Aufheizung des Minerals <strong>und</strong> der dabei stattfindenden<br />

Leerung der Haftstellen <strong>und</strong> Rücksetzung des Signals im<br />

Labor (oder durch eine Erhitzung im Feld oder bei der Keramikfabrikation)<br />

optisch messbare Strahlung aus. Aus der<br />

Menge dieser Strahlung an geeigneter Stelle im Spektrum<br />

kann – nach dann erfolgter Kalibrierung – das Alter oder die<br />

thermische Vorgeschichte eines Steins oder einer Keramik<br />

bestimmt werden.<br />

In der Archäologie werden auch Radionuklide verwendet, allerdings<br />

mit bedeutend kürzeren HWZ. Hier wird sehr oft die<br />

Radiokohlenstoff ( 14 C)- Datierung (HWZ = 5.730 Jahre) auf<br />

organische Testobjekte angewandt, die allerdings dann nicht<br />

älter als 60.000 Jahre sein sollten.<br />

Radiokohlenstoff entsteht ständig (mit leichten, durch die<br />

Sonnenaktivität gegebenen Schwankungen) global in der<br />

Atmosphäre durch Einwirkung von sek<strong>und</strong>ären, thermalisierten<br />

Neutronen der kosmischen Strahlung auf Luft-Stickstoff<br />

nach dem Schema 14 N (n,p) 14 C. Dieser zuerst atomare<br />

99


Kohlenstoff ist schnell in der chemischen Form von CO 2 zu<br />

finden, nimmt so am normalen Kohlenstoffkreislauf in der<br />

Biosphäre <strong>und</strong> an der pflanzlichen Assimilation teil, solange<br />

diese Pflanzen leben. Nach dem Absterben verringert sich<br />

durch den radioaktiven Zerfall des 14 C ständig sein Konzentrations-Verhältnis<br />

zu stabilem 12 C (z. Zt. ist dieses bei<br />

lebenden Pflanzen ca. 16 Zerfälle pro Minute pro Gramm<br />

Kohlenstoff), woraus die Zeit seit dem Absterben der Pflanzen<br />

abgeleitet werden kann.<br />

Partikel- <strong>und</strong> Photonenstrahlung<br />

Es gibt weltweit eine große Anzahl großer wissenschaftlicher<br />

linearer oder kreisförmiger Teilchenbeschleuniger (z. B.<br />

bei CERN, DESY, GSI, etc.) <strong>und</strong> viele Beschleuniger niedrigerer<br />

Energien an Universitäten <strong>und</strong> außeruniversitären<br />

Forschungseinrichtungen, die letztlich ionisierende Strahlung<br />

zu wissenschaftlichen Zwecken erzeugen. Diese haben<br />

zu großartigen wissenschaftlichen Entdeckungen geführt<br />

(z. B. unzählige neue Isotope <strong>und</strong> Elementarteichen wurden<br />

entdeckt), die durch eine große Zahl hierfür vergebener Nobelpreise<br />

ausgezeichnet wurden.<br />

Seit der Entwicklung der Prinzipien eines Zyklotrons durch<br />

den Schweizer Wideroe <strong>und</strong> dessen erste, Handteller-große<br />

Realisierung (10 cm Durchmesser) durch E.O. Lawrence<br />

1930 an der University of California in Berkeley haben derartige<br />

kreisförmigen Maschinen (Synchrotrons) heute deutlich<br />

größere Dimensionen (LEP-CERN 8,5 km Durchmesser)<br />

angenommen <strong>und</strong> benutzten supraleitende Magnete. Kreisförmige<br />

Beschleuniger erzeugen auch Photonenstrahlung,<br />

Synchrotronstrahlung genannt, die heute weltweit (z. B.<br />

deutsche Anlagen BESSY <strong>und</strong> DESY, europäische Anlage<br />

in Grenoble, Rutherford-Appleton Laboratory, Harwell, UK,<br />

Advanced Light Source, Argonne,USA, Stanford Linear Accelerator<br />

(3 km lang): SPEAR, CA) intensiv auch zur Strukturaufklärung<br />

biologischer Moleküle (z. B. Röntgenstreuung<br />

an Proteinen) eingesetzt wird.<br />

Der Schutz der Ges<strong>und</strong>heit der an Hochenergie-Beschleunigeranlagen<br />

Arbeitenden vor ionisierender Strahlung <strong>und</strong><br />

die geforderte Orts- <strong>und</strong> Personendosimetrie stellen in vielen<br />

Fällen eine ungewöhnlich schwierige Aufgabe des Strah-<br />

100


lenschutzes dar. Dies liegt zum einen an der großen Vielfalt<br />

von primären <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ären Teilchen <strong>und</strong> Atomen, die zur<br />

externen <strong>und</strong> internen Strahlenexposition in Beschleunigerumwelten<br />

beitragen können. Zum anderen können die Messungen<br />

der externen Photonen- <strong>und</strong> Teilchen-Strahlungen<br />

an diesen Stellen wegen der teilweise extrem kurzen Pulszeiten,<br />

den oft sehr hohen Teilchen-Energien <strong>und</strong> der dort<br />

noch fehlenden Strahlenwirkungsquerschnitte <strong>und</strong> Instrumentenkalibrierungen<br />

sehr schwierige Aufgaben des Strahlenschutzes<br />

darstellen.<br />

Untersuchungen im Forschungsreaktor FRM2-<br />

Die neue deutsche Hochfluss-Neutronenquelle "Heinz Maier-Leibnitz<br />

(FRM-II)", als Nachfolger des berühmten Garchinger<br />

Atom-Ei's, dient vielfältigen Zwecken der Forschung,<br />

Wissenschaft, Medizin <strong>und</strong> Technik. Vor allem ist sie ausgelegt<br />

für Strahlrohrexperimente in den Materialwissenschaften<br />

<strong>und</strong> der Katalyseforschung, für Oberflächen- <strong>und</strong> Defektanalyse<br />

mit Positronen, für verschiedenste Forschungsfragen<br />

in den Lebenswissenschaften <strong>und</strong> der Medizin (z. B.<br />

Tumortherapie), aber auch für Radiographie <strong>und</strong> Tomographie.<br />

Es können zusätzlich Proben intern bestrahlt werden,<br />

unterschiedliche Isotope produziert <strong>und</strong> Silizium dotiert werden.<br />

3.4 Beispiele für Anwendungen in der Medizin zur<br />

Diagnostik <strong>und</strong> Therapie<br />

Radionuklide in der modernen medizinischen<br />

Diagnostik <strong>und</strong> Therapie<br />

- Voraussetzungen zur Anwendung von Radionukliden<br />

in der Medizin<br />

Radioaktive Elemente, auch Radionuklide genannt, sind zur<br />

Untersuchung elementarer Lebensprozesse in den verschiedenen<br />

Organen <strong>und</strong> Geweben eines Patienten heute<br />

unentbehrliche Werkzeuge der medizinischen Diagnostik.<br />

Darüber hinaus können sie auch therapeutisch höchst wirksam<br />

sein.<br />

101


Wie alle lebenden Gewebe ist auch der menschliche Körper<br />

aus nur wenigen Atomarten aufgebaut: im wesentlichen sind<br />

es Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel<br />

<strong>und</strong> Phosphor; dazu kommen Kalzium, insbesondere für den<br />

Knochenaufbau, <strong>und</strong> darüber hinaus noch eine Vielzahl sehr<br />

kleiner Mengen von Elementen, die als Spurenelemente<br />

Hilfsfunktionen zur Aufrechterhaltung der elementaren Lebensvorgänge<br />

wahrnehmen. Atome einzelner Elemente sind<br />

im Körper nach bestimmten Gesetzen zu vielfältigen Molekülen<br />

verb<strong>und</strong>en. Ihre besondere Struktur <strong>und</strong> Funktion<br />

bestimmen wiederum als Bausteine größere Strukturen.<br />

Der Mensch nimmt mit seiner Nahrung die für ihn notwendigen<br />

Bausteine auf. Diese werden im Körper auf eine höchst<br />

komplexe Weise mit Hilfe von spezifischen biologischen<br />

Konstruktionsmolekülen, den so genannten Enzymen, für<br />

den Aufbau von größeren, funktionstragenden Strukturen<br />

eingesetzt <strong>und</strong> kompensieren dadurch gleichzeitig ablaufende<br />

strukturelle Abbauprozesse im Körper. Diese Vorgänge<br />

nennt man in ihrer Gesamtheit den Stoffwechsel.<br />

Auch die einzelnen Zellen sind wie in einem großen Netzwerk<br />

aufeinander abgestimmt <strong>und</strong> unterliegen Regulationen,<br />

die durch als Signalsubstanzen bezeichnete Moleküle vermittelt<br />

werden. Diese werden von spezialisierten Zellen abgegeben<br />

<strong>und</strong> finden auf der Oberfläche anderer Zellen für<br />

die Erkennung der Signalsubstanzen spezifische Rezeptoren,<br />

die wie ein Schlüsselloch nur bestimmte Schlüssel erkennen<br />

können. Jeder Zelltyp im Körper hat ganz spezielle<br />

Aufgaben, die den Organen <strong>und</strong> Geweben ihre besondere<br />

Funktion verleihen. In Organen mit hohem Zellverlust, wie<br />

der Haut, der Magen-Darm-Schleimhaut, dem Knochenmark<br />

<strong>und</strong> den Lymphknoten findet man stets eine mehr oder weniger<br />

stark ausgeprägte Zellteilung, die den normalen Zellverlust<br />

ersetzt. Auch die Zellteilungen werden nicht nur<br />

durch den Stoffwechsel der Zellen selbst, sondern auch<br />

durch Signalsubstanzen zwischen verschiedenen Zellen gesteuert.<br />

Fällt diese gezielte Zellteilung aus, kann dies zu<br />

bösartigen Tumoren führen.<br />

Auch einzelne Organe kommunizieren als Ganzes über spezialisierte<br />

Zellen mit entsprechend spezialisierten Zellen<br />

anderer Organe, da auch Steuerungsmechanismen zwischen<br />

den verschiedenen Organen des Körpers bestehen.<br />

102


Nur so funktioniert der Körper als Einheit. Die Gesamtfunktion<br />

des Körpers ist somit schließlich abhängig vom Stoffwechsel<br />

der einzelnen Organe.<br />

Bis Anfang des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts waren Stoffwechselvorgänge<br />

nur wenig bekannt, da man sie nur indirekt mit<br />

aufwändigen biochemischen Methoden an dem Organismus<br />

entnommenem Gewebe untersuchen konnte. Nach Entdeckung<br />

der Radionuklide <strong>und</strong> nach deren Einsatz für wissenschaftliche<br />

Untersuchungen bekamen Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Medizin ein ideales Werkzeug in die Hand, mit dem die<br />

Stoffwechselprozesse im lebenden Organismus untersucht<br />

werden konnten. Radioaktive Isotope eines Elementes sind<br />

zwar chemisch identisch mit den entsprechenden nicht radioaktiven<br />

Elementen, sie senden jedoch Strahlen aus, die<br />

man mit entsprechend empfindlichen Geräten außerhalb<br />

des Körpers nachweisen kann. Da der Organismus nicht<br />

zwischen radioaktiven <strong>und</strong> nicht radioaktiven Elementen unterscheiden<br />

kann, nimmt er auch die radioaktiven Substanzen<br />

in gleicher Weise wie die nicht radioaktiven Elemente in<br />

seinen Stoffwechsel auf, wenn ihm die radioaktiven Isotope<br />

angeboten werden. Dies kann mit der Nahrungsaufnahme<br />

(per oral) oder, in der Regel, als intravenöse Injektion erfolgen.<br />

Radionuklide, die am Stoffwechsel teilnehmen, können<br />

mit einer geeigneten Technik außerhalb des Körpers verfolgt<br />

werden.<br />

Die Möglichkeit zur Nutzung von Radionukliden als Indikatoren<br />

des Stoffwechsels wurde früh von G. von Hevesy erkannt,<br />

der 1923 mit dem natürlichen Radionuklid des Blei Untersuchungen<br />

an Pflanzen durchführte. Dieser Anstoß zum<br />

Einsatz von Radionukliden als Indikatoren zur Prüfung des<br />

Stoffwechsels in lebenden Systemen führte letztlich zu deren<br />

heutigen breiten Anwendung in der gesamten Biologie <strong>und</strong><br />

Medizin. Von Hevesy erhielt hierfür 1943 den Nobelpreis.<br />

Schon wenige Jahre nach der ersten Veröffentlichung durch<br />

von Hevesy konnten H. L. Blumgard <strong>und</strong> S. Weiss 1927 mit<br />

Hilfe des natürlichen Radionuklids Wismut (Wismut-210,<br />

auch Radium C genannt) <strong>und</strong> einfachen Strahlennachweisgeräten<br />

die Zirkulationszeit des Blutes im Menschen von der<br />

Injektionsstelle am Arm zum Herzen <strong>und</strong> wieder zum anderen<br />

Arm messen; dabei wurden bei Patienten mit Herzschwäche<br />

veränderte Werte gef<strong>und</strong>en. Diesen <strong>und</strong> anderen<br />

103


vereinzelten Pionierleistungen folgte im Jahr 1934 die Entdeckung<br />

der künstlichen Radionuklide Stickstoff-13 <strong>und</strong><br />

Phosphor-30 durch Madame I. Curie <strong>und</strong> ihren Mann, J. F.<br />

Joliot. Dadurch wurde eine größere Anwendung der Radionuklide<br />

als Indikatoren für Stoffwechseluntersuchungen<br />

überhaupt erst möglich. Sehr bald wurden auch weitere<br />

künstlich hergestellte Radionuklide entdeckt. So erzeugte<br />

noch im selben Jahr 1934 E. Fermi radioaktives Iod, das<br />

biologisch deswegen interessant ist, weil die Schilddrüse als<br />

einziges Organ eine relativ große Menge Iod benötigt, <strong>und</strong><br />

zwar für die Synthese der Schilddrüsenhormone. 1935 berichtete<br />

v. Hevesy über seine Experimente mit radioaktivem<br />

Phosphor (Phosphor-32) an Ratten <strong>und</strong> konnte feststellen,<br />

dass der im Körper vorkommende Phosphor in den einzelnen<br />

Organen einen unterschiedlichen Umsatz hat, der in<br />

bösartigen Tumoren relativ hoch ist. Schon 1937 begann in<br />

Boston eine interdisziplinäre Gruppe mit dem Arzt S. Hertz<br />

<strong>und</strong> den Physikern A. Roberts <strong>und</strong> R. D. Evans radioaktives<br />

Iod (Iod-128) als Indikator der Schilddrüsenfunktion bei Kaninchen<br />

auszuprobieren. Die Gr<strong>und</strong>lage der Schilddrüsendiagnostik<br />

mit radioaktivem Iod wurde 1938 von diesen Forschern<br />

veröffentlicht.<br />

Nach dem zweiten Weltkrieg konnte der von E. Fermi am<br />

2.12.1942 in Betrieb genommene Kernreaktor in Chicago<br />

als große Neutronenquelle für die Großproduktion von vielen<br />

verschiedenen Radionukliden eingesetzt werden, womit<br />

der Weg für den allgemeinen klinischen Einsatz dieser Indikatortechnik<br />

freigemacht wurde. Das erste Angebot zum<br />

Verkauf von Radionukliden wurde am 14.6.1946 in der Zeitschrift<br />

„Science" bekannt gegeben.<br />

- Radionuklide in der Diagnostik<br />

Voraussetzung für die Anwendung von Radionukliden in der<br />

medizinischen Diagnostik ist, dass die von diesen Radionukliden<br />

ausgehende Strahlung den Organismus der Patienten<br />

durchdringen <strong>und</strong> von außen gemessen werden kann. Hierfür<br />

eignen sich nur Radionuklide mit einer höheren Reichweite der<br />

Strahlung, der Gammastrahlung.<br />

Die erweiterte Anwendung von Radionukliden in der medizinischen<br />

Diagnostik setzte die Entwicklung von Strahlennachweisgeräten<br />

voraus, welche auch in der Lage sein mussten, die<br />

104


äumliche Verteilung der Radionuklide im Organismus bildlich<br />

darzustellen. Gr<strong>und</strong>prinzip aller dieser Nachweisgeräte<br />

ist ein besonders aktivierter Natrium-Iodid-Kristall, der in der<br />

Lage ist, einfallende Gammastrahlen in sichtbares Licht umzuwandeln,<br />

das dann weiter verarbeitet werden kann. Die<br />

ersten Geräte dieser Art, Szintigraphen genannt, wurden Anfang<br />

der 50er Jahre entwickelt. Bei diesen Geräten bewegte<br />

sich ein kleiner Mess-Kristall zeilenförmig über das zu untersuchende<br />

Gebiet des Körpers hinweg <strong>und</strong> das jeweilige<br />

Messergebnis wurde in Form von schwarzen, bzw. bunten<br />

Strichmarkierungen auf Papier ausgedruckt (Szintigramm).<br />

Dabei war die Intensität der Schwärzung, bzw. die Art der<br />

Farbe proportional zur Intensität der gemessenen Strahlung.<br />

Schon wenige Jahre später wurde diese Technik durch so<br />

genannte Gammakameras (Abb. 3.6a) bereichert, die durch<br />

einen großen Mess-Kristall gleichzeitig die Intensität <strong>und</strong><br />

die Lokalisation der Strahlung in einem Feld von bis zu etwa<br />

50 cm x 50 cm erfassen können. Zusätzlich haben diese<br />

Gammakameras den Vorteil, auch sehr schnell ablaufende<br />

Änderungen der von den Radionukliden stammenden Strahlung<br />

registrieren zu können; so sind z. B. bei der Herzdiagnostik<br />

bis zu 100 Aufnahmen pro Sek<strong>und</strong>e möglich, so dass<br />

die im Herzen sehr schnell ablaufenden Funktionsabläufe erfasst<br />

werden können. Diese Szintigramme werden heute in<br />

der Regel an speziellen EDV-Bearbeitungsstationen sichtbar<br />

gemacht <strong>und</strong> ausgewertet (Abb. 3.6b). Eine zusätzliche Dokumentation<br />

dieser digitalen Daten kann auf CD, Papier oder<br />

Röntgenfilm erfolgen.<br />

Abb. 3.6a Doppelkopf-Gamma-Kamera<br />

105


Abb. 3.6b EDV-Bearbeitungsstation zur Bildbetrachtung <strong>und</strong><br />

Bef<strong>und</strong>ung<br />

Im Laufe der letzten Jahrzehnte gelang es, eine Vielzahl<br />

von Substanzen, die in den Stoffwechsel einzelner Orga-<br />

ne eingeschleust werden können, mit gammastrahlenden<br />

Nukliden zu markieren <strong>und</strong> damit die Funktion dieser Organe<br />

zu erfassen. Die radioaktiven Substanzen, die für die<br />

Diagnostik am Menschen eingesetzt werden, werden Radiopharmaka<br />

oder Radiopharmazeutika genannt.<br />

Auch heute noch ist man bei dieser Technik mit der Schwierigkeit<br />

konfrontiert, dass nur die Radiopharmaka mit Radionukliden<br />

markiert werden können, welche sich wie natürliche<br />

Bausteine im Stoffwechsel der Zellen <strong>und</strong> Organe verhalten.<br />

Ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für diese Schwierigkeit liegt in der<br />

Tatsache, dass es von den meisten Elementen, welche den<br />

Körper aufbauen, nur Radionuklide gibt, die entweder keine<br />

Gammastrahler sind oder nur eine sehr kurze Zeit strahlen.<br />

Deshalb musste für den Routineeinsatz nach Alternativen<br />

gesucht werden: das heute in der Medizin meist gebräuchliche<br />

Radionuklid ist das Technetium-99m (Tc-99m), mit dem<br />

sich sehr viele für eine Organuntersuchung relevante Substanzen<br />

markieren lassen. Für spezielle Untersuchungen<br />

werden auch Indium-111, Iod-123 <strong>und</strong> Iod-131 verwendet.<br />

Da die für die verschiedenen diagnostischen Untersuchungen<br />

dem Patienten verabreichten Radiopharmaka zu einer<br />

nicht unerheblichen Strahlenexposition führen (Tab. 3.3),<br />

verlangen nuklearmedizinische Untersuchungen im Rahmen<br />

106


einer Nutzen-Risiko-Betrachtung eine besondere Sorgfalt<br />

bei der Indikationsstellung, Auswahl des geeigneten Radionuklids<br />

(möglichst kurze biologische <strong>und</strong> physikalische<br />

Halbwertszeit) <strong>und</strong> Durchführung der Untersuchung. Allgemein<br />

soll für eine bestimmte Untersuchung dasjenige Radionuklid<br />

als Indikator ausgesucht werden, das aufgr<strong>und</strong> der<br />

Energie der Strahlung <strong>und</strong> der Zerfallszeit die niedrigste<br />

Strahlenexposition bei größtmöglicher diagnostischer Aussage<br />

mit sich bringt.<br />

Untersuchtes<br />

Organ<br />

Schilddrüse (Tc-<br />

99m-Pertechnetat)<br />

Skelett<br />

(Tc-99m -MDP)<br />

Aktivitätsmenge<br />

(Referenzwert,<br />

MBq)<br />

Effektive<br />

Dosis<br />

(mSv)<br />

75 1,0<br />

500–700 2,9–4<br />

Herz (Tc-99m-MIBI) 600–1000 7,2–8,2<br />

Nieren<br />

(Tc-99m-MAG3)<br />

Positronen-<br />

Emissions-<br />

Tomographie<br />

(PET ) (F18-FDG)<br />

100 0,7<br />

200–370 3,8–7,0<br />

Tab. 3.3 Größenordnung der Strahlenexposition in der<br />

nuklearmedizinischen Diagnostik<br />

Die diagnostischen Referenzwerte dieser Tabelle sowie die<br />

mit den Untersuchungen verb<strong>und</strong>enen Strahlenexpositionen<br />

wurden der Publikation von D. Noßke, V. Minkov <strong>und</strong> G. Brix<br />

“Festlegung <strong>und</strong> Anwendung diagnostischer Referenzwerte<br />

für nuklearmedizinische Untersuchungen“ in: Nuklearmedizin<br />

(2004) 3:79-85 entnommen.<br />

107


- Spezielle nuklearmedizinische Untersuchungen<br />

Die Schilddrüse verwendet für die Synthese ihrer Hormone<br />

Iod. Der Einbau von radioaktivem Iod in die Schilddrüse erlaubt<br />

so die Untersuchung von Organstruktur <strong>und</strong> -funktion.<br />

Das kurzlebige Iod-123 (Halbwertszeit 12 St<strong>und</strong>en) bringt im<br />

Vergleich zur selben Menge von langlebigerem Iod-131<br />

(Halbwertszeit 8 Tage) eine Reduktion der Strahlenexposi-<br />

tion für die Schilddrüse um den Faktor 100. Die Nutzung von<br />

Technetium-99m, das auch von der Schilddrüse aufgenommen<br />

wird, jedoch im Gegensatz zu Iod nicht in die Schilddrüsenhormone<br />

eingebaut wird, reduziert pro applizierter<br />

Menge des Radionuklids die Strahlenexposition im Vergleich<br />

zum Iod-123 noch einmal um den Faktor 30. Daher wird<br />

heute zur Darstellung von funktionstüchtigem Schilddrüsengewebe<br />

Technetium-99m bevorzugt. Etwa 20 Minuten nach<br />

intravenöser Injektion von Technetium-Pertechnetat wird die<br />

Radionuklidverteilung in der Schilddrüse mit der Gamma-<br />

Kamera bildlich dargestellt (Abb. 3.7).<br />

5<br />

c c<br />

m m<br />

108<br />

Normalbef<strong>und</strong><br />

Abb. 3.7 Schilddrüsen-Szintigramm (ohne krankhaften Bef<strong>und</strong>)


Neben Größe <strong>und</strong> Form der funktionsfähigen Schilddrüse<br />

kann mit diesem Verfahren bei verminderter Speicherung<br />

des Technetiums eine Unterfunktion (Hypothyreose) sowie<br />

bei vermehrter Speicherung eine Überfunktion (Hyperthyreose)<br />

nachgewiesen werden. Von noch wesentlicherer Bedeutung<br />

ist jedoch die Beurteilung, ob Knoten in der Schilddrüse<br />

eine vermehrte Speicherung (heiße Knoten) oder eine<br />

verminderte Speicherung (kalte Knoten) aufweisen.<br />

Für Skelettuntersuchungen werden mit Technetium-99m<br />

markierte Phosphonat-Verbindungen, die in das Blut eingeschleust<br />

werden, durchblutungsabhängig in die einzelnen<br />

Knochenstrukturen eingebaut. Da das Skelettsystem einem<br />

kontinuierlichen Knochenaufbau <strong>und</strong> Knochenabbau unterworfen<br />

ist – wobei bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen der Knochenaufbau<br />

überwiegt, während bei Älteren der Knochenabbau<br />

überwiegt (Osteoporose) – lässt sich mit Hilfe der<br />

Skelettszintigraphie das gesamte Skelett 3 Std. nach Injek-<br />

tion der radioaktiven Substanz detailreich darstellen (Abb.<br />

3.8).<br />

Alle Erkrankungen mit Knochenbeteiligung wie Knochenverletzungen,<br />

Entzündungen, Tumoren <strong>und</strong> Verschleißerscheinungen<br />

führen zu einem erhöhten Knochenumbau <strong>und</strong> lassen<br />

sich durch eine vermehrte Aufnahme des Radiopharmakons<br />

im betroffenen Skelettareal nachweisen. Da diese<br />

Methode außerordentlich empfindlich ist, können z. B. entzündliche<br />

Veränderungen oder auch Verletzungsfolgen des<br />

Knochens zu einem Zeitpunkt erkannt werden, zu dem das<br />

Röntgenbild dieses Skelettabschnittes noch unauffällig ist.<br />

Nach Injektion des Radiopharmakons wird dessen Weg in<br />

den betroffenen Skelettabschnitt mit der Gammakamera<br />

aufgezeichnet (Angiographie- <strong>und</strong> Blutpoolphase). 3 bis 4<br />

Std. nach Injektion erfolgt die Abbildung des gesamten Skelettes<br />

mit Hilfe einer Ganzkörper-Gammakamera (Mineralisationsphase,<br />

Abb. 3.8).<br />

109


Abb. 3.8 Ganzkörper-Szintigramm des Skelett eines Kindes (besonders<br />

deutlich sind die einzelnen Wachstumsfugen zu erkennen,<br />

kein krankhafter Bef<strong>und</strong>)<br />

Bei der Diagnose von Herzerkrankungen hat die Anwendung<br />

von Radionukliden in den letzten Jahren eine wesentliche<br />

Bedeutung erlangt. So können mit dieser Technik sowohl<br />

die Pumpleistung, die Muskelwandbewegung, die<br />

Muskeldurchblutung <strong>und</strong> schließlich der Energiestoffwechsel<br />

des Herzmuskels untersucht werden.<br />

Für die Ermittlung der Pumpleistung werden mit Techne-<br />

tium-99m markierte rote Blutkörperchen verwendet, welche<br />

nach Verteilung im zirkulierenden Blut im Gamma-Kamera-<br />

Bild die Herzhöhlen <strong>und</strong> ihre Bewegung <strong>und</strong> damit die<br />

Pumpleistung messbar machen.<br />

Für die diagnostische Abklärung des Verdachts einer<br />

Durchblutungsstörung des Herzmuskels, z. B. bei Verengung<br />

der Koronararterien, werden heute vorwiegend mit<br />

Technetium-99m markierte Isonitrile verwendet.<br />

Dieses Radionuklid wird durchblutungsabhängig in die Muskelzellen<br />

des Herzens aufgenommen; eine Verminderung<br />

der Durchblutung führt somit zu einer verminderten Anreicherung<br />

des Radiopharmakons in dem zugehörigen Muskelbereich.<br />

110


Die Untersuchung selbst wird in zwei Phasen durchgeführt<br />

<strong>und</strong> zwar nach körperlicher oder medikamentöser Belastung<br />

sowie in körperlicher Ruhe nach jeweiliger intravenöser Injektion<br />

des Radiopharmakons. Ist bei der Ruheuntersuchung<br />

der Herzmuskel unauffällig dargestellt <strong>und</strong> zeigt sich<br />

bei der Untersuchung nach Belastung eine verminderte<br />

Speicherung, so handelt es sich um eine belastungsabhängige<br />

Minderdurchblutung (Ischämie, Abb. 3.9), während eine<br />

verminderte <strong>Radioaktivität</strong>sspeicherung sowohl in Ruhe als<br />

auch nach Belastung für eine Narbe (Infarkt) spricht.<br />

Abb. 3.9 Herzmuskel-Szintigraphie mit Minderdurchblutung<br />

unter Belastung (Ischämie) in der Seitenwand des Herzmuskels<br />

(Pfeil)<br />

Mit Radionukliden lassen sich die Funktionen der Urinproduktion<br />

in den Nieren <strong>und</strong> des Urinflusses in die Blase<br />

seitengetrennt quantitativ verfolgen. Dabei werden unterschiedliche<br />

Erkrankungen der Nieren <strong>und</strong> einzelner<br />

Nierenabschnitte funktionell getrennt erfassbar. Zudem kann<br />

auch ein krankhaftes Zurückfließen des Urins aus der Blase<br />

in die Nieren sichtbar gemacht werden (Reflux).<br />

Als Radiopharmakon wird heute vorwiegend Technetium-<br />

99m-Mercaptoacetyltriglycin (MAG3) verwendet, das sich<br />

sehr schnell im Nierengewebe anreichert <strong>und</strong> anschließend<br />

über das Nierenhohlraumsystem <strong>und</strong> die Harnleiter in die<br />

Blase ausgeschieden wird.<br />

111


- Nuklearmedizinische Tomographie-Untersuchungen<br />

Single-Photon-Emissions-Computertomographie<br />

(SPECT)<br />

Bei diesem Verfahren dreht sich der Kopf einer Gamma-<br />

kamera bzw. drehen sich die Köpfe einer Mehrkopf-<br />

Gammakamera um den Patienten, bleiben kurz stehen,<br />

messen die Strahlung, die aus dem Patienten herauskommt<br />

(Emission), drehen sich erneut, bleiben wieder stehen <strong>und</strong><br />

messen usw.. Auf diese Weise entsteht ein “Datenwürfel“,<br />

der anschließend mit speziellen nuklearmedizinischen Auswertecomputern<br />

in einzelne Schichten des Körpers aufgelöst<br />

werden kann. Diese einzelnen Schichten – vergleichbar<br />

den Schichtaufnahmen der röntgenologischen Computertomographie<br />

– haben den Vorteil, dass sie die dreidimensionale<br />

Lokalisation des die Strahlung aussendenden Organs<br />

(z. B. des Herzens) überlagerungsfrei darstellen können. Ein<br />

Beispiel findet sich in Abb. 3.9, die SPECT-Aufnahmen des<br />

Herzmuskels darstellt.<br />

Positronen-Emissions-Tomographie (PET)<br />

In den letzten Jahren sind die technischen Voraussetzungen<br />

auch zur Anwendung der sehr kurzlebigen Radionuklide<br />

Kohlenstoff-11, Stickstoff-13, Sauerstoff-15 <strong>und</strong> Fluor-18 mit<br />

Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie geschaffen<br />

worden. Diese Radionuklide senden Positronen aus, die<br />

sich praktisch sofort mit benachbarten Elektronen vereinigen.<br />

Dabei entsteht eine Vernichtungsstrahlung mit 2 Gam-<br />

maquanten, welche im Winkel von 180 Grad zueinander<br />

ausgesandt werden. Ein spezielles Messgerät für diese<br />

„doppelte" Gammastrahlung der Positronen-Emissions-<br />

Tomographie (PET-Scanner, Abb. 3.10) erlaubt die Szintigraphie<br />

in Form von Körperschnittbildern.<br />

112


Abb. 3.10 Positronen-Emissions-Tomograph mit Bedienungsplatz.<br />

Während in der “konventionellen" Nuklearmedizin in der Regel<br />

größere Moleküle radioaktiv markiert werden, die meist<br />

nicht direkt in den menschlichen Stoffwechsel eingeschleust<br />

werden können, werden für die Positronen-Emissions-Tomographie<br />

die Bausteine des Lebens, wie Kohlenstoff, Stickstoff<br />

<strong>und</strong> Sauerstoff, in radioaktiver Form in einem Zyklotron hergestellt.<br />

Diese radioaktiven Verbindungen zeigen bei Verwendung<br />

eines PET-Scanners direkt den Stoffwechsel <strong>und</strong><br />

insbesondere krankhafte Stoffwechselveränderungen an.<br />

Dies gilt auch für den mit dem Positronenstrahler Fluor-18<br />

markierten Zucker, Difluorodeoxyglucose (FDG), der insbesondere<br />

im Bereich der onkologischen Diagnostik eingesetzt<br />

wird. Da seit langer Zeit bekannt ist, dass die Zellen vieler<br />

Tumorarten einen vermehrten Zuckerverbrauch aufweisen, ist<br />

es verständlich, dass bei Verwendung von FDG mit Hilfe der<br />

PET diese Tumoren <strong>und</strong> deren Metastasen durch ihren erhöhten<br />

Zuckerverbrauch sichtbar gemacht werden können.<br />

Wesentlicher Nachteil der Positronenstrahler ist, dass sie in<br />

der Regel nur eine sehr kurze physikalische Halbwertszeit<br />

haben, die die Kombination von Zyklotron <strong>und</strong> PET-Scanner<br />

erforderlich macht; lediglich das Fluor-18-FDG macht hier eine<br />

Ausnahme, da bei einer Halbwertszeit von 110 Minuten<br />

auch noch ein Transport vom Zyklotron in andere Krankenhäuser<br />

<strong>und</strong> Praxen möglich ist. Die Abb. 3.11 zeigt eine<br />

113


Ganzkörper-F18-FDG-PET-Untersuchung eines 11-jährigen<br />

Mädchens mit bösartigem Tumor der Muskulatur. Die PET<br />

zeigt multiple Steigerungen des Zuckerstoffwechsels, die Metastasen<br />

entsprechen (der intensive Zuckerstoffwechsel im<br />

Gehirn des Kindes ist durch seine Aktivität bedingt <strong>und</strong> somit<br />

normal).<br />

Weitere Anwendungsgebiete der Positronen-Emissions-Tomographie<br />

sind entzündliche Erkrankungen, Erkrankungen<br />

des Herzmuskels <strong>und</strong> des Gehirnes.<br />

Abb. 3.11 Das F18-FDG-PET zeigt multiple Metastasen<br />

Seit kurzer Zeit stehen insbesondere für die Diagnostik in der<br />

Onkologie kombinierte Systeme aus Positronen-Emissions-<br />

Tomographie (PET) <strong>und</strong> Computer-Tomographie (CT) zur<br />

Verfügung (Abb. 3.12). Diese PET/CT-Systeme haben den<br />

wesentlichen Vorteil, dass die funktionellen Aussagen der<br />

PET, die primär nur schwer den anatomischen Strukturen des<br />

Körpers zuzuordnen sind, mit den morphologischen Aussagen<br />

der CT zusammen aufgezeichnet werden. Durch die<br />

Überlagerung der Funktionsaussage im PET <strong>und</strong> der morphologischen<br />

Aussage des CT lässt sich eine genaue Zuordnung,<br />

z. B. von Tumoren <strong>und</strong> Metastasen, erreichen. Allerdings<br />

ist die Strahlenexposition für den Patienten bei den<br />

kombinierten PET/ CT-Systemen erheblich höher; sie liegt bei<br />

10 bis 25 mSv.<br />

114


Gleiches gilt für eine neue Generation von Geräten, die seit<br />

kurzer Zeit erhältlich ist, die SPECT/CT-Systeme. Bei diesen<br />

Geräten ist eine SPECT-fähige Doppelkopfkamera mit einem<br />

Computertomographie (CT)-System fest verb<strong>und</strong>en. Dabei<br />

dient die Röntgenstrahlung der Computertomographie sowohl<br />

zur Schwächungskorrektur der SPECT-Aufnahmen, als auch<br />

– wie beim PET/CT – zur gleichzeitigen morphologischen<br />

Diagnostik.<br />

Abb. 3.12 PET <strong>und</strong> CT-Kombinationsgerät (links CT, rechts PET)<br />

- Radionuklide in der Therapie<br />

Neben dem Einsatz für diagnostische Zwecke werden Radionuklide<br />

auch in der Therapie zur Zerstörung von wuchernden,<br />

meist bösartigen, Tumorzellen oder von solchen Zellen, die<br />

z. B. in Gelenken eine chronische Entzündung unterhalten,<br />

eingesetzt.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich können bestimmte Zellen <strong>und</strong> Gewebe im Körper<br />

auf drei Wegen vernichtet werden:<br />

1. durch chirurgische Entfernung des die Zellen enthaltenden<br />

Gewebes,<br />

2. durch Behandlung mit solchen Medikamenten, die Zellen<br />

abtöten, so genannte Zytostatika, <strong>und</strong><br />

115


3. durch ionisierende Strahlung, wobei das zu behandelnde<br />

Gewebe entweder von außen oder durch die Einschleusung<br />

von Radionukliden in das betroffene Gebiet bestrahlt<br />

wird.<br />

Hierbei haben die Radionuklide generell den Vorteil, dass sie<br />

ähnlich wie bei ihrem diagnostischen Einsatz in das kranke<br />

Gewebe eingeschleust werden können, wo ihre Strahlung lokal<br />

bei nahezu vollständiger Schonung des ges<strong>und</strong>en Gewebes<br />

wirken kann. Entsprechend der Zielsetzung der Strahlentherapie,<br />

Zellen abzutöten, liegen die applizierten lokalen<br />

Dosen sehr hoch, z. B. bei Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)<br />

bei etwa 400 Gy.<br />

Trotz dieser hohen Dosen wird das den Krankheitsherd umgebende<br />

ges<strong>und</strong>e Gewebe weitestgehend geschont. Es ist<br />

ein aktuelles Forschungsziel, möglichst alle Krebsarten so<br />

speziell behandeln zu können wie die z. B. der Schilddrüse.<br />

Röntgendiagnostik<br />

Die von Wilhelm Konrad Röntgen 1895 entdeckten <strong>Röntgenstrahlen</strong><br />

eroberten in wenigen Jahren das Gebiet der medizinischen<br />

Diagnostik, da es mit ihnen zum ersten Mal möglich<br />

wurde, Bilder vom Inneren des lebenden <strong>und</strong> unverletzten<br />

Menschen herzustellen. 1901 erhielt Röntgen für diese wissenschaftliche<br />

Leistung als erster den Nobelpreis für Physik.<br />

Zur Durchführung von Röntgenuntersuchungen ist es notwendig,<br />

einerseits <strong>Röntgenstrahlen</strong> zu erzeugen <strong>und</strong> mit diesen<br />

das zu untersuchende Objekt – in unserem Fall den Patienten<br />

– zu durchdringen <strong>und</strong> andererseits die in den einzelnen<br />

Teilen des Patientenkörpers unterschiedlich geschwächten<br />

unsichtbaren <strong>Röntgenstrahlen</strong> im Röntgenbild für unser<br />

Auge sichtbar werden zu lassen. Erzeugt werden die <strong>Röntgenstrahlen</strong><br />

in einer Röntgenröhre, zu deren Betrieb ein<br />

Röntgengenerator erforderlich ist. In der Röntgenröhre sind<br />

eine Glühkathode in Form einer kleinen Drahtspirale aus hitzebeständigem<br />

Wolframdraht <strong>und</strong> eine Anode eingeschmolzen.<br />

Wird die Kathode auf über 2000 Grad Celsius aufgeheizt,<br />

so treten aus ihrer Oberfläche kleinste negativ geladene<br />

Masseteilchen – Elektronen – aus. Wird zwischen Anode <strong>und</strong><br />

Kathode eine Hochspannung angelegt – die vom Generator<br />

116


erzeugt wird –, so werden die Elektronen mit großer Geschwindigkeit<br />

von der Anode angezogen <strong>und</strong> erzeugen beim<br />

Aufprallen <strong>und</strong> Abbremsen die <strong>Röntgenstrahlen</strong>.<br />

Die Wiedergabe des durch die <strong>Röntgenstrahlen</strong> erzeugten<br />

Röntgenbildes – hier muss erneut betont werden, dass die in<br />

der Röntgenröhre erzeugten <strong>Röntgenstrahlen</strong> im lebenden<br />

Organismus unterschiedlich geschwächt werden, so werden<br />

sie durch die Lunge kaum, durch das Skelettsystem dagegen<br />

sehr intensiv abgeschwächt – erfolgt entweder auf Röntgenfilmen<br />

oder heute zunehmend in digitaler Form auf speziellen<br />

radiologischen Monitoren (Workstations).<br />

Der Begriff „digitale Radiographie“ fasst alle Bereiche der digitalen<br />

Röntgentechnik zusammen, bei denen die auftreffenden<br />

<strong>Röntgenstrahlen</strong> mittels Speicherfolie oder Halbleiterdetektoren<br />

ausgelesen <strong>und</strong> digitalisiert werden. Mit digitalen Bildverarbeitungssystem<br />

können diese Bilder aufgenommen <strong>und</strong><br />

weiter bearbeitet werden.<br />

Bei einer konventionellen Aufnahme ist der Röntgenfilm<br />

gleichzeitig Aufnahme -, Speicher- <strong>und</strong> Darstellungsmedium.<br />

Im Gegensatz hierzu wird es mit der digitalen Radiographie<br />

möglich, jede einzelne Bearbeitungsstufe zu optimieren <strong>und</strong><br />

zwar die Aufnahme des durch die <strong>Röntgenstrahlen</strong> erzeugten<br />

Bildes, seine Verarbeitung sowie seine Darstellung <strong>und</strong> Speicherung.<br />

Generell wird die Röntgendiagnostik heute in vier Bereiche<br />

unterteilt <strong>und</strong> zwar:<br />

- Röntgendurchleuchtung<br />

- konventionelle Röntgendiagnostik (Projektionsradiographie)<br />

- Interventionelle Radiologie<br />

- Computertomographie (CT)<br />

Die Röntgendurchleuchtung hatte in früheren Jahren eine<br />

weite Verbreitung, da mit ihr insbesondere die Lunge, aber<br />

auch Strukturen <strong>und</strong> Bewegungen von Speiseröhre, Magen<br />

<strong>und</strong> Darm beurteilt werden konnten. Da diese Untersuchungen<br />

jedoch bei angeschalteter Röntgenröhre <strong>und</strong> damit kontinuierlicher,<br />

zum Teil über viele Minuten andauernder Röntgenstrahlung<br />

durchgeführt wurden, waren sie trotz aller Strah-<br />

117


lenschutzmaßnahmen mit einer hohen Strahlenexposition<br />

sowohl des Patienten als auch des Untersuchers verb<strong>und</strong>en.<br />

Aus diesen Strahlenschutzgründen, aber auch weil heute andere<br />

diagnostische Maßnahmen für diese Zwecke zur Verfügung<br />

stehen, hat die Röntgendurchleuchtung heute nur noch<br />

eine geringe Bedeutung, vor allem in speziellen internistischen<br />

Fachgebieten.<br />

Die konventionelle Röntgendiagnostik wird heute zunehmend<br />

als Projektions-Radiographie bezeichnet.<br />

Hierunter versteht man alle Röntgenuntersuchungen, bei denen<br />

Röntgenaufnahmen als Röntgenfilme oder in digitaler<br />

Form angefertigt werden, z. B. nach Verletzungen von Extremitäten.<br />

Die interventionelle Radiologie ist ein spezielles Arbeitsfeld<br />

der Radiologie, das die Möglichkeit bietet, mit Hilfe von venösen<br />

oder arteriellen Kathetern röntgenologisch-kontrolliert Zugang<br />

zu den Gefäßregionen <strong>und</strong> Organen des Patienten zu<br />

erlangen <strong>und</strong> an diesen diagnostische (mit Kontrastmittel) <strong>und</strong><br />

insbesondere auch therapeutische Maßnahmen durchzuführen.<br />

So können beispielsweise verschlossene Gefäße mittels<br />

Ballonkatheter wieder geöffnet oder durch Katheter spezielle<br />

dauerhafte Materialen in den Körper eingebracht werden, wie<br />

z. B. gefäßerweiternde Hülsen (Stents) oder knochenausfüllenden<br />

Zement bei den Knochen auflösenden Metastasen.<br />

Ein wesentliches röntgendiagnostisches Verfahren u. a. in der<br />

interventionellen Radiologie ist die Digitale Subtraktions-<br />

angiographie (DSA). Bei der DSA handelt es sich um ein<br />

Verfahren zur besseren Darstellung der mit einem Röntgenkontrastmittel<br />

markierten Blutgefäße im Körper. Hierfür wird<br />

zuerst ein digitales Röntgenbild des Untersuchungsgebietes<br />

zu einem Zeitpunkt, zu dem die Gefäße noch nicht kontrastiert<br />

sind („Leeraufnahme“), aufgenommen <strong>und</strong> gespeichert.<br />

Zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem die Blutgefäße bereits<br />

maximal mit Kontrastmittel gefüllt sind, erfolgt eine neue digitale<br />

Röntgenaufnahme, die von der vorher erstellten “Leeraufnahme“<br />

subtrahiert wird. Das daraus resultierende neue<br />

Bild zeigt als Differenz der beiden subtrahierten Bilder die<br />

kontrastgefüllten Gefäße (Abb. 3.13).<br />

118


Abb. 3.13 Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) zur Darstellung<br />

der Beckengefäße<br />

Zwar ist die Kontrastauflösung dieser digitalen Angiographie<br />

etwas schlechter als die der konventionellen Angiographie,<br />

jedoch führt sie zu einer erheblich geringeren Strahlenexposition<br />

des Patienten. Zudem kann nach der durchgeführten Untersuchung<br />

mit Hilfe von EDV-Bildverarbeitungsmethoden eine<br />

Optimierung der Bildqualität herbeigeführt werden.<br />

Die Computer-Tomographie (CT) ist ein Verfahren zur Herstellung<br />

von Querschnittsbildern des Körpers mit Hilfe von<br />

<strong>Röntgenstrahlen</strong>. Die Anfertigung dieser Schnittbilder erfolgt<br />

durch ein eng begrenztes <strong>Röntgenstrahlen</strong>bündel, welches<br />

die zu untersuchende Körperschnittebene aus verschiedenen<br />

Richtungen abtastet. Zu diesem Zweck umkreisen der Strahler<br />

<strong>und</strong> der Detektor den Patienten in der Schnittebene. Die<br />

so erreichten Körperquerschnitte haben eine variable Dicke<br />

zwischen 1 <strong>und</strong> 10 mm. Die durch den Körper abgeschwächten<br />

<strong>Röntgenstrahlen</strong> werden durch Detektoren erfasst, in<br />

elektrische Signale umgewandelt <strong>und</strong> in einem Computersystem<br />

zu einem Querschnittsbild aufgebaut. Dieses erscheint in<br />

verschiedenen Grauabstufungen auf einem Monitor, wo es<br />

ausgewertet <strong>und</strong> beurteilt werden kann (Abb. 3.14).<br />

119


Abb. 3.14 CT-Querschnittsbild des Bauchraumes. Zu erkennen<br />

sind die Wirbelsäule, beide Nieren, die Leber, die Bauchspeicheldrüse<br />

<strong>und</strong> die Magenblase (unauffälliger Bef<strong>und</strong>).<br />

Die Scanzeiten haben sich heute auf 0,5 bis 2 Sek<strong>und</strong>en reduziert.<br />

Bei moderneren Geräten können gleichzeitig mehrere<br />

Schichten des Körpers gescannt werden; hierzu stehen zur<br />

Zeit bis zu 64-Schichten-Scanner zur Verfügung, weitere<br />

Entwicklungen sind jedoch abzusehen. Wesentlicher Vorteil<br />

der Mehrschicht-Scanner ist die kürzere Untersuchungszeit<br />

die es z. B. erlaubt, während der Atemstillstandsphase des<br />

Patienten nahezu den ganzen Körper zu untersuchen. Durch<br />

besondere Rechenverfahren ist nicht nur die Darstellung einer<br />

Schicht sondern auch die Darstellung dreidimensionaler<br />

Bilder (3-D-Darstellung) möglich. Diese 3-D-Darstellung gewinnt<br />

für die plastische Chirurgie <strong>und</strong> allgemein für die Operationsplanung<br />

immer mehr an Bedeutung.<br />

Klinische Einsatzbereiche der Computertomographie finden<br />

sich in vielen Gebieten der Medizin, angefangen von der Diagnostik<br />

des Kopfes <strong>und</strong> Gehirnes über die Diagnostik der<br />

Lunge, der Wirbelsäule, über das Herz, bei dem heute mit<br />

dem CT sehr gut Verkalkungen der Herzkranzgefäße erfasst<br />

werden können, bis hin zur Diagnostik von durch Unfälle<br />

schwer verletzter Patienten, aus deren Erstversorgung die<br />

Computertomographie nicht mehr wegzudenken ist.<br />

120


Da alle bisher angeführten Methoden der Röntgendiagnostik<br />

mit einer Strahlenexposition des Patienten verb<strong>und</strong>en sind<br />

(Tab. 3.4), hat sich die Radiologie schon seit vielen Jahrzehnten<br />

intensiv mit bildgebenden diagnostischen Verfahren beschäftigt,<br />

die keine Strahlenexposition mit sich bringen <strong>und</strong><br />

zwar insbesondere mit den Ultraschallverfahren (Sonographie)<br />

<strong>und</strong> der Kernspintomographie (auch Magnet-Resonanz-<br />

Tomographie genannt), auf die hier jedoch nicht eingegangen<br />

werden soll.<br />

Untersuchungsart Effektive<br />

Dosis (mSv)<br />

Durchleuchtung Magen-Darm-<br />

Passage<br />

6–10<br />

Thorax 1–2<br />

Röntgenaufnahmen Thorax 0,05–0,1<br />

LWS 0,5 –1,0<br />

Interventionelle Radiologie<br />

5–10<br />

Computertomographie Thorax 5–10<br />

Abdomen 5–10<br />

Tab. 3.4 Größenordnung der Strahlenexposition in der Röntgendiagnostik<br />

Perkutane Strahlentherapie<br />

Als Begründer der therapeutischen Anwendung von <strong>Röntgenstrahlen</strong><br />

gilt der Wiener Dermatologe Leopold Fre<strong>und</strong>, der bereits<br />

1896 ein Muttermal auf dem Rücken eines Mädchens<br />

bestrahlte <strong>und</strong> zwar erfolgreich, wie eine Nachuntersuchung<br />

der damals mittlerweile 64-jährigen ehemaligen Patientin im<br />

Jahre 1956 zeigte. Die bald erkannten Nachteile der <strong>Röntgenstrahlen</strong><br />

für therapeutische Zwecke wurden in den folgenden<br />

Jahrzehnten durch technische Verbesserungen (Filterung,<br />

Mehrfeldtechnik, Bewegungsbestrahlung usw.) gemindert.<br />

121


Weitere Entwicklungen in der Strahlentherapie waren die Tele-<br />

Radiumtherapie (mit natürlichem Radium 226), die Tele-Kobalttherapie<br />

(mit Kobalt 60) sowie die Tele-Cäsiumtherapie<br />

(mit Cäsium 137). Diese Bestrahlungssysteme, die über viele<br />

Jahrzehnte zusammen mit einfacheren Beschleunigern in der<br />

Strahlentherapie verwendet wurden, sind seit den 70er Jahren<br />

fast vollständig von den technisch stabileren Linearbeschleunigern<br />

abgelöst worden, die neben Photonen auch Elektronen<br />

für die Strahlenbehandlung liefern.<br />

Auch für die so genannte intrakavitäre Strahlentherapie mit<br />

umschlossenen radioaktiven Stoffen, die z. B. für die Behandlung<br />

von bösartigen Erkrankungen der Gebärmutter eingesetzt<br />

wird, sind im Laufe der Jahre wesentliche technische Verbesserungen<br />

möglich geworden. So werden heute hierfür nur<br />

noch Afterloading-Geräte eingesetzt, die zu einer nur noch minimalen<br />

Strahlenexposition des Bedienpersonals führen.<br />

Gr<strong>und</strong>lage der modernen Strahlentherapie (heute vorwiegend<br />

als Radioonkologie bezeichnet) ist die Elektronenstrahlung. Ihre<br />

Attraktivität, vor allem zur Behandlung oberflächlich gelegener<br />

Tumoren <strong>und</strong> Metastasen, verdanken die Elektronen ihrem,<br />

gegenüber der Photonen (elektromagnetischen Wellen),<br />

unterschiedlichem Verhalten beim Durchgang durch die Materie,<br />

in der sie ihre Energie über die Ladungswechselwirkung<br />

an die Atome der zu behandelnden Tumoren <strong>und</strong> Metastasen<br />

abgeben. Weitere strahlentherapeutische Maßnahmen verwenden<br />

Neutronen, die in Forschungsreaktoren, z. B. dem<br />

FRM II, oder in Beschleunigern (Zyklotron) erzeugt werden.<br />

Seit kurzem werden auch Protonen in der Strahlentherapie<br />

verwendet. Diese Teilchen sind trotz des enormen technischen<br />

Aufwandes <strong>und</strong> der hohen Kosten für einige strahlentherapeutische<br />

Anwendungen geeignet, allerdings fehlen für<br />

verschiedene Einsatzbereiche der Protonen noch größere klinische<br />

Studien.<br />

Auch die Integration der modernen bildgebenden Verfahren<br />

CT, MRT <strong>und</strong> PET in die Bestrahlungsplanung <strong>und</strong> die Entwicklung<br />

einer 3-D-Bestrahlungsplanung haben zu weiteren<br />

Verbesserungen in der modernen Strahlentherapie geführt, die<br />

heute unter dem Stichpunkt “intensitätsmodulierte Strahlentherapie“<br />

(IMRT) als Optimum in der Radioonkologie angesehen<br />

werden.<br />

122


Neben der Behandlung von bösartigen Erkrankungen wird die<br />

Strahlentherapie mit niedrigen Dosen bereits seit über 100<br />

Jahren auch zur Behandlung von entzündlichen Veränderungen<br />

eingesetzt. Hauptindikation hierfür sind verschiedene entzündliche<br />

Erkrankungen, insbesondere entzündliche Gelenkerkrankungen<br />

aber auch Verschleißerscheinungen verschiedener<br />

Formen. Die therapeutische Wirkung dieser niedrig dosierten<br />

Strahlentherapie bei entzündlichen Veränderungen erfolgt<br />

durch eine Reduzierung der entzündlich gesteigerten<br />

Durchblutung sowie durch eine Verminderung der die Entzündung<br />

fördernden weißen Blutkörperchen, so dass bei Gesamtdosen<br />

von wenigen Gy eine rasche Verbesserung der<br />

klinischen Symptome möglich ist.<br />

Eine – allerdings umstrittene – Sonderform der Strahlentherapie<br />

stellt die Radon- oder Radiumtherapie dar, die in einzelnen<br />

Heilbädern angeboten wird. Hierbei entsteht die paradoxe Situation,<br />

dass einerseits eine generelle <strong>und</strong> größtenteils auch<br />

berechtigte Sorge über die Gefährdung durch ionisierende<br />

Strahlen aus <strong>Radioaktivität</strong> besteht, andererseits vor allem Patienten<br />

mit chronischen entzündlichen Gelenkerkrankungen in<br />

diese Radonbäder oder -heilstollen kommen, um dort mit Hilfe<br />

der <strong>Radioaktivität</strong> ihre Leiden zu lindern. Bei diesen Kuren erhält<br />

der Patient mit 2-3 mSv in 3 bis 4 Wochen in etwa die<br />

gleiche Strahlenmenge, wie sie jeder Deutsche jedes Jahr aus<br />

natürlichen Quellen aufnimmt.<br />

Die Wirksamkeit dieser Radonkuren ist in Doppelblindversuchen<br />

bewiesen worden; insbesondere bei Patienten mit entzündlichen<br />

Gelenk- <strong>und</strong> Wirbelsäulenveränderungen können<br />

lang andauernde Linderungen der Schmerzen <strong>und</strong> der entzündlichen<br />

Veränderungen beobachtet werden.<br />

Versucht man, diese paradoxe Situation zusammenzufassen,<br />

so lässt sich sagen, dass zwar durch die erhöhte Radonkonzentration<br />

in den Heilbädern eine potenzielle Gefährdung der<br />

Patienten besteht, dass aber letztlich die nachgewiesene heilende<br />

Wirkung bei den meist älteren Patienten, die in der Regel<br />

ohne die Behandlung unter außerordentlich unangenehmen<br />

Schmerzen leiden, im Vordergr<strong>und</strong> steht.<br />

123


3.5 Behandlung radioaktiver Abfälle<br />

Was sind radioaktive Abfälle?<br />

Beim Umgang mit radioaktiven Stoffen fallen viele unterschiedliche<br />

Formen radioaktiver Abfälle an, d.h. radioaktive<br />

Stoffe, die nicht weiter genutzt werden können, die aber<br />

auch nicht einfach wie normaler Müll in eine Deponie verbracht<br />

werden können. Vielmehr müssen die radioaktiven<br />

Abfälle derart behandelt <strong>und</strong> gelagert werden, dass die<br />

durch sie hervorgerufenen Strahlenexpositionen für die beteiligten<br />

Arbeiter <strong>und</strong> die Bevölkerung so niedrig wie praktisch<br />

möglich gehalten werden, <strong>und</strong> dass die vorgegebenen<br />

Grenzwerte für die Strahlenexposition eingehalten werden.<br />

Bei der Sortierung, Verarbeitung, Verpackung <strong>und</strong> Entsorgung<br />

radioaktiver Abfälle spielen eine Reihe von physikalischen<br />

<strong>und</strong> chemischen Eigenschaften eine Rolle, so dass<br />

es sinnvoll ist, sie durch Einteilung in verschiedene Klassen<br />

zu charakterisieren. Man unterscheidet aufgr<strong>und</strong> des Aktivitätsgehaltes<br />

zwischen hoch-, mittel- <strong>und</strong> schwachradioaktiven<br />

Abfällen. Häufig werden hierfür die Bezeichnungen<br />

HAW, MAW <strong>und</strong> LAW (von den englischen Bezeichnungen<br />

high, middle <strong>und</strong> low active waste) verwendet. Die mittel<strong>und</strong><br />

schwachradioaktiven Abfälle werden häufig noch in<br />

kurz- <strong>und</strong> langlebige Abfälle eingeteilt (je nachdem, ob die<br />

Halbwertszeiten der enthaltenen Radionuklide kürzer oder<br />

länger als 30 Jahre sind). Für die Behandlung der Abfälle ist<br />

wegen der großen biologischen Wirksamkeit von Alphastrahlung<br />

oft auch eine Unterteilung in solche, die wenig<br />

oder keine, <strong>und</strong> solche die viele Alpha-Strahler enthalten,<br />

sinnvoll. Für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen<br />

spielt vor allem eine wesentliche Rolle, ob ihre Wärmeentwicklung<br />

(aufgr<strong>und</strong> ihrer <strong>Radioaktivität</strong>) vernachlässigbar ist<br />

oder nicht: im Wirtsgestein eines Endlagers sollen aus geologischen<br />

Gründen keine wesentlichen Temperaturerhöhungen<br />

(d.h. mehr als 3 Grad) auftreten.<br />

Quellen radioaktiver Abfälle<br />

Eine wesentliche Quelle für radioaktive Abfälle ist der nukleare<br />

Brennstoffkreislauf (einschließlich Uranabbau <strong>und</strong> -aufbereitung,<br />

Anreicherung, Behandlung bestrahlter Kern-<br />

124


ennstoffe). In Kernkraftwerken fallen neben den bestrahlten<br />

Brennelementen eine Reihe weiterer Abfälle wie Verdampferkonzentrate,<br />

Filter, Reinigungsmittel <strong>und</strong> Schutzkleidung<br />

an. Das Abfallaufkommen eines typischen Kernkraftwerks<br />

liegt in der Größenordnung von einh<strong>und</strong>ert m³<br />

konditionierter Abfälle im Jahr. Nur ein kleiner Anteil davon<br />

zählt zu den hochaktiven Abfällen mit starker Wärmeentwicklung.<br />

Hochaktive, wärmeentwickelnde Abfälle (Rückstände<br />

der Brennelemente, Spaltproduktkonzentrat, Hülsen<br />

<strong>und</strong> Strukturteile, Schlämme), aber auch alle anderen Arten<br />

radioaktiver Abfälle fallen in Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

an. Eine Vielfalt an verschiedenen radioaktiven Abfällen entsteht<br />

auch bei der Stilllegung <strong>und</strong> dem Rückbau kerntechnischer<br />

Anlagen.<br />

Neben dem nuklearen Brennstoffkreislauf stammen radioaktive<br />

Abfälle aus der Anwendung von Radioisotopen in Medizin,<br />

Industrie <strong>und</strong> Forschung. Diese in der Regel mittel- <strong>und</strong><br />

schwachaktiven Abfälle werden in Landessammelstellen gesammelt<br />

<strong>und</strong> zwischengelagert, bevor sie einer geeigneten<br />

Behandlung <strong>und</strong> Entsorgung zugeführt werden.<br />

Radioaktive Abfälle fallen aber auch beim Umgang mit Materialien,<br />

welche natürlich radioaktive Stoffe enthalten, an.<br />

So sind z. B. die Bohr- <strong>und</strong> Fördergestänge aus der Erdölförderung<br />

mit radioaktiven Stoffen wie Radium oder Uran<br />

aus dem Untergr<strong>und</strong> kontaminiert <strong>und</strong> sind deswegen als<br />

radioaktiver Abfall zu betrachten.<br />

Behandlungsmethoden<br />

Die Anforderungen an Sortierung, Verarbeitung, Verpackung<br />

<strong>und</strong> Entsorgung der radioaktiven Abfälle richten sich nach<br />

deren Eigenschaften. Hauptziel der Abfallbehandlung ist die<br />

Reduzierung des zu entsorgenden Abfallvolumens <strong>und</strong> der<br />

Einschluss in feste Strukturen.<br />

Radionuklide mit sehr kurzen Halbwertszeiten können dem<br />

natürlichen Zerfall überlassen werden. Dies wird z. B. bei<br />

den kurzlebigen Iodisotopen, die in der medizinischen Diagnose<br />

<strong>und</strong> Therapie verwendet werden, angewandt. Die radioaktiv<br />

kontaminierten Abwässer eines Krankenhauses<br />

werden in Abklingbehältern gesammelt <strong>und</strong> gelagert, bis<br />

125


sich ihre Aktivität so weit verringert hat, dass sie in die Kanalisation<br />

entlassen werden können.<br />

Feste radioaktive Abfälle werden, soweit möglich, in ihrem<br />

Volumen reduziert (Zerkleinern, Pressen, Veraschen) <strong>und</strong><br />

dann in Fässern oder Containern eingeschlossen. Handhabung<br />

<strong>und</strong> Transport schwachaktiver Abfälle erfordern dabei<br />

keinen wesentlichen Aufwand für die Abschirmung der<br />

Strahlung.<br />

Sind die radioaktiven Stoffe in nichtaktiven Flüssigkeiten gelöst<br />

oder suspendiert, so werden sie durch Eindampfen, Fällen,<br />

Filtern oder Ionenaustausch daraus abgetrennt. Die<br />

verbleibenden radioaktiven Rückstände werden z. B. mit Bitumen<br />

oder Zement verfestigt <strong>und</strong> dann in Stahlfässern o. ä.<br />

verpackt.<br />

Hochaktive Abfälle mit erheblicher Wärmeentwicklung aus<br />

Wiederaufarbeitungsanlagen (so genannte Spaltproduktlösungen)<br />

liegen in flüssiger Form vor. Sie werden durch Verdampfen<br />

aufkonzentriert <strong>und</strong> in Edelstahltanks gelagert.<br />

Während einer Lagerzeit von fünf Jahren sinkt die Rate der<br />

Wärmeproduktion auf etwa 6 %. Dies erleichtert die Überführung<br />

in eine endlagerungsfähige Form, wobei die Abfälle<br />

mit glasbildenden Stoffen gemischt <strong>und</strong> daraus Glasblöcke<br />

geschmolzen werden, welche dann zusätzlich mit Edelstahl<br />

umkleidet werden.<br />

Zwischen- <strong>und</strong> Endlager<br />

Für eine Endlagerung der behandelten radioaktiven Abfälle<br />

ist in Deutschland die Einlagerung in geeignete tiefe geologische<br />

Strukturen – z. B. in Steinsalzlagerstätten – vorgesehen.<br />

Lediglich 1967 wurden 80 Fässer mit radioaktiven Abfällen<br />

im Atlantik versenkt.<br />

Das Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel wurde 1965 von<br />

der B<strong>und</strong>esregierung als Forschungsbergwerk zur Untersuchung<br />

von Verfahren <strong>und</strong> Techniken zur Endlagerung radioaktiver<br />

Abfälle erworben. Die Gesellschaft für Strahlenforschung<br />

(GSF; heutiger Name: Forschungszentrum für Umwelt<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit) übernahm die Betriebsführung <strong>und</strong><br />

startete 1967 mit Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsarbeiten.<br />

Bis 1978 wurden hier ca. 125.000 Behälter mit schwach-<br />

126


<strong>und</strong> r<strong>und</strong> 1.300 Fässer mit mittelaktiven Abfällen eingelagert.<br />

Seit 1979 findet keine Einlagerung radioaktiver Abfälle<br />

mehr statt, doch liefen die Forschungsarbeiten weiter. Bis<br />

2017 soll die Schließung der Schachtanlage nach B<strong>und</strong>esberggesetz<br />

vollzogen sein.<br />

Auch in der bei Salzgitter gelegenen Eisenerzgrube Konrad,<br />

welche 1976 ihre Produktion wegen Unwirtschaftlichkeit einstellte,<br />

wurden seit 1975 Voruntersuchungen zur Endlagerung<br />

radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung<br />

durchgeführt. 1982 stellte die Physikalisch-Technische<br />

B<strong>und</strong>esanstalt (PTB) einen ersten Antrag auf Einleitung<br />

eines Planfeststellungsverfahrens. 2002 erging hierfür<br />

der Planfeststellungsbeschluss an das B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz<br />

(BfS). Am 8. März 2006 hat das Oberverwaltungsgericht<br />

Lüneburg alle Klagen gegen diesen Planfeststellungsbeschluss<br />

abgewiesen, eine Revision gegen dieses<br />

Urteil wurde nicht zugelassen. Allerdings steht den Klägern<br />

noch der Weg einer Nichtzulassungsbeschwerde beim B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht<br />

offen. Sollte das Urteil rechtskräftig<br />

werden, kann nach der notwendigen technischen Einrichtung<br />

des Endlagers frühestens ab 2012/13 mit der Einlagerung<br />

radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung<br />

begonnen werden.<br />

1970 begann in der Steinsalzgrube Bartensleben bei Morsleben<br />

(damals DDR) die Einrichtung eines Endlagers für mittel-<br />

<strong>und</strong> schwachaktiven Abfall. Seit Anfang der 80er Jahre<br />

wurden in das „Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben“<br />

(ERAM) insgesamt etwa 37.000 m 3 niedrig- <strong>und</strong> mittelradioaktive<br />

Abfälle mit überwiegend kurzlebigen Radionukliden<br />

<strong>und</strong> einer Gesamtaktivität von etwa 10 14 Bq eingelagert. Die<br />

Dauerbetriebsgenehmigung für dieses Endlager ging bei der<br />

Wiedervereinigung Deutschlands als befristete Genehmigung<br />

auf das B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz (BfS) über.<br />

1998 wurde die Annahme <strong>und</strong> Einlagerung radioaktiver Abfälle<br />

aufgr<strong>und</strong> einer Klage des B<strong>und</strong>es für Umwelt <strong>und</strong> Naturschutz<br />

(BUND) ausgesetzt, <strong>und</strong> 1999 wurde beschlossen,<br />

die Einlagerung nicht wieder aufzunehmen. Seitdem laufen<br />

die Arbeiten zur Stilllegung des Endlagers. So wurden seit<br />

2003 Teile des Zentralteils zur bergbaulichen Gefahrenabwehr<br />

mit Salzbeton verfüllt. Nach dem Vorliegen eines Plan-<br />

127


feststellungsbeschlusses wird für die Stilllegungsarbeiten mit<br />

einem Zeitraum von 17 Jahren gerechnet (/BFS-05/).<br />

Die 2000/2001 getroffene „Vereinbarung zwischen der B<strong>und</strong>esregierung<br />

<strong>und</strong> den Energieversorgungsunternehmen“<br />

(„Atomkonsens“) enthielt u. a. das Verbot, ab 2005 abgebrannte<br />

Brennelemente zur Wiederaufarbeitung an ausländische<br />

Wiederaufarbeitungsanlagen abzugeben. Damit ist<br />

für bestrahlte Brennelemente die direkte Endlagerung der allein<br />

mögliche Entsorgungsweg. Da jedoch hierfür noch kein<br />

Endlager existiert, ergab sich für den Weiterbetrieb der laufenden<br />

Kernkraftwerke die Notwendigkeit, die verbrauchten<br />

Brennelemente für lange Zeit – bis zur Betriebsbereitschaft<br />

eines Endlagers – zwischenzulagern. Deshalb wurden so<br />

genannte Standortzwischenlager (Trockenlager) beantragt<br />

<strong>und</strong> zum Teil bereits errichtet. Einige Kernkraftwerke haben<br />

Interimslager errichtet, in denen die Brennelemente vorübergehend<br />

(etwa 5-6 Jahre) aufbewahrt werden sollen, da die<br />

Fertigstellung der eigentlichen Zwischenlager nicht schnell<br />

genug geschehen kann, ohne den Betrieb der Anlagen zu<br />

unterbrechen.<br />

Die Suche nach einem Endlager für hochaktive Abfälle wurde<br />

in Deutschland bereits in den siebziger Jahren begonnen.<br />

Im Jahre 1974 wurde von der B<strong>und</strong>esregierung das<br />

Konzept eines „Integrierten Nuklearen Entsorgungszentrums“<br />

erstellt. Hier sollten an einem Ort die Wiederaufarbeitung<br />

bestrahlter Brennelemente, die Fabrikation von Brennelementen,<br />

die Behandlung <strong>und</strong> die Endlagerung aller Arten<br />

radioaktiver Abfälle durchgeführt werden. Nach Prüfung einer<br />

Reihe von potentiellen Standorten hierfür wurde 1977<br />

das Planfeststellungsverfahren zur Endlagerung schwach-,<br />

mittel- <strong>und</strong> hochradioaktiver Abfälle im Salzstock Gorleben,<br />

nahe an der Grenze zur DDR, eingeleitet. Nach dem Gorleben-Hearing<br />

1979 (welches vom Unfall im amerikanischen<br />

Kernkraftwerk Harrisburg überschattet wurde) gab man die<br />

Wiederaufarbeitung am Standort Gorleben auf <strong>und</strong> es wurde<br />

nur noch die Eignung des Salzstocks als Endlagerstätte weiter<br />

untersucht. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden<br />

für den Fall, dass sich Gorleben als ungeeignet für ein<br />

Endlager erweisen sollte, eine Reihe weiterer Salzlagerstätten,<br />

aber auch andere Gesteinsformationen zur Vervollständigung<br />

des Kenntnisstandes über potentielle Endlager-<br />

128


standorte überprüft. Dabei wurden vier als weiter untersuchungswürdig<br />

eingestuft. Derzeit ist die Erk<strong>und</strong>ung des<br />

Salzstocks Gorleben unterbrochen (Gorleben-Moratorium).<br />

Aus den bisherigen Resultaten der bereits weit fortgeschrittenen<br />

Erk<strong>und</strong>ung ergeben sich allerdings keine Hinweise,<br />

die gegen eine Eignungshöffigkeit dieses Standorts sprechen<br />

würden.<br />

3.6 Literatur<br />

Büll, U., H. Schicha, H.J. Biersack, et al. (1999) Nuklearmedizin.<br />

Stuttgart, Thieme Verlag. 3. Auflage.<br />

Kauffmann, G.W., E. Moser, R. Sauer (2006). Radiologie.<br />

München, Jena, Elsevier-Verlag, Urban & Fischer. 3. Aufl.<br />

B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz (2005). Endlagerung radioaktiver<br />

Abfälle als nationale Aufgabe. (/BFS-05/).<br />

http://www.bfs.de/bfs/druck/broschueren/Endlagerung_natio<br />

nal.pdf<br />

Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) (2005). Forschungsneutronenquelle.<br />

Landolt-Börnstein. 3.<br />

http://www.new.frm2.tum.de.<br />

Bryant, P. J. (1994). A brief history and review of accelerators.<br />

CERN Report 199.<br />

http://documents.cern.ch/archive/cernrep/199.<br />

Koelzer, W. (2001). Lexikon der Kernenergie. Karlsruhe,<br />

Forschungszentrum Karlsruhe GmbH.<br />

Landolt-Börnstein (2005). Energy Technologies: Nuklear<br />

Energy. Landolt-Börnstein – Group VIII Advanced Materials<br />

and Technologies 3, Subvolume B. Berlin, Heidelberg, New<br />

York, Springer Verlag.<br />

Paretzke, H. G. (2001). Konzentrationen <strong>und</strong> Wirkungen von<br />

Radionukliden in Böden <strong>und</strong> Pflanzen. Handbuch der Umweltveränderungen<br />

<strong>und</strong> Ökotoxiologie. R. Guderian. Springer<br />

Verlag, Berlin: 149-172.<br />

Siehl, A. (1996). Umweltradioaktivität. Berlin, Ernst & Sohn.<br />

United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic<br />

Radiation (UNSCEAR) (2000). Report to the General<br />

Assembly.<br />

Bamberg, M, M. Molls, H. Sack (2004). Radioonkologie.<br />

München, Wien, New York, W. Zuckschwerdt Verlag.<br />

129


4. Strahlenexposition <strong>und</strong> Umweltradioaktivität<br />

4.1 Das Verhalten radioaktiver Stoffe in der Umwelt<br />

(Radioökologie)<br />

Die Radioökologie beschäftigt sich damit, was mit radioaktiven<br />

Stoffen geschieht, wenn sie in unsere Umwelt freigesetzt<br />

werden. Dies umfasst<br />

� die Ausbreitung in der Atmosphäre <strong>und</strong> in Gewässern,<br />

� die Ablagerung auf Pflanzen, Böden oder anderen<br />

Oberflächen in der Umgebung des Menschen,<br />

� weitere Transportvorgänge, z. B. in Böden oder in<br />

Nahrungsketten (Pflanzen � Futtermittel � Tiere<br />

� Tierprodukte � Nahrungsmittel � Mensch),<br />

� das Verhalten der radioaktiven Stoffe im Körper des<br />

Menschen <strong>und</strong> die von ihnen ausgehende Strahlung.<br />

Das Ziel dieser Betrachtungen ist es, die resultierende<br />

Strahlenexposition des Menschen abzuschätzen. Diese<br />

kann dadurch zustande kommen, dass der Körper durch die<br />

radioaktiven Stoffe außerhalb seines Körpers bestrahlt wird<br />

(externe Exposition), oder aber die radioaktiven Stoffe gelangen<br />

in den menschlichen Körper <strong>und</strong> bestrahlen ihn von<br />

innen heraus (interne Exposition).<br />

All diese Überlegungen gelten sowohl für natürliche, in unserer<br />

Umwelt seit jeher vorhandene radioaktive Stoffe, als<br />

auch für solche, die durch menschliche Aktivitäten (z. B. bei<br />

Kernwaffentests, in kerntechnischen Anlagen, Verwendung<br />

in Medizin, Wissenschaft <strong>und</strong> Technik) erzeugt worden sind.<br />

Die meisten der beschriebenen Prozesse treffen außerdem<br />

auch für nicht-radioaktive Stoffe zu.<br />

Das Gebiet der Radioökologie entwickelte sich ganz wesentlich<br />

in den Zeiten der weltweiten Verteilung <strong>und</strong> Ablagerung<br />

radioaktiver Stoffe, welche bei den mehr als tausend oberirdischen<br />

Kernwaffentests vor allem Anfang der sechziger<br />

Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts freigesetzt wurden. Die Beobachtung<br />

der radioaktiven Stoffe, die in fast allen Bereichen<br />

unserer Umwelt messbar waren, führte zu einem um-<br />

130


fangreichen Wissen über das Verhalten von Stoffen in der<br />

Umwelt, wie es mit nicht-radioaktiven Stoffen wegen des in<br />

der Regel viel höheren Messaufwands nicht erreichbar ist.<br />

Um diese Kenntnisse praktisch zur Abschätzung von Strahlenexpositionen<br />

anwenden zu können, wurden verschiedene<br />

Rechenmodelle entwickelt, welche die einzelnen Ausbreitungsprozesse<br />

durch mehr oder weniger vereinfachende<br />

Formeln beschreiben. Je nach dem Ziel der Berechnungen<br />

ist dabei die Komplexität der Modelle unterschiedlich: geht<br />

es darum, nachzuweisen, dass aus einer Freisetzung radioaktiver<br />

Stoffe eine bestimmte Strahlenexposition der Menschen<br />

nicht überschritten wird, so genügen relativ einfache<br />

Modellannahmen, welche den ungünstigsten Fall betrachten.<br />

Ein Beispiel hierfür ist die Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung<br />

der Strahlenexposition (B<strong>und</strong>esanzeiger 1990; eine<br />

Neufassung ist in Vorbereitung), welche im Genehmigungsverfahren<br />

für kerntechnische Anlagen Anwendung findet.<br />

Wenn andererseits Berechnungen der Strahlenexpositionen<br />

in einem akuten Fall von Umweltkontaminationen durchgeführt<br />

werden sollen mit dem Ziel, eventuell nötige Schutz- <strong>und</strong><br />

Gegenmaßnahmen zu optimieren, dann muss das Rechenmodell<br />

möglichst realistische Abschätzungen machen. Hierzu<br />

muss es viele Ausbreitungs- <strong>und</strong> Transportprozesse detaillierter<br />

betrachten. Ein Beispiel hierfür ist das am GSF-Forschungszentrum<br />

für Umwelt <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit (früher Gesellschaft<br />

für Strahlen- <strong>und</strong> Umweltforschung) entwickelte radioökologische<br />

Rechenmodell ECOSYS (Matthies et. al. 1982,<br />

Müller u. Pröhl 1993), welches inzwischen u. a. im Entscheidungshilfesystem<br />

RODOS (Real-time, on-line decision support<br />

system, Ehrhardt et al.1997) in vielen Ländern eingesetzt wird.<br />

Ein zweiter Anstoß für die radioökologische Forschung <strong>und</strong><br />

die Entwicklung von Rechenmodellen war die großräumige<br />

radioaktive Kontamination der Umwelt durch den Reaktorunfall<br />

von Tschernobyl (1986). Durch die Vielzahl der in der<br />

Folge durchgeführten Messungen konnten die vorhandenen<br />

Rechenmodelle überprüft <strong>und</strong> weiterentwickelt werden.<br />

Ausbreitung in der Atmosphäre<br />

Werden radioaktive Stoffe in Form von sehr kleinen Partikeln<br />

oder gasförmig in die Atmosphäre freigesetzt, so kön-<br />

131


nen sie hier u. U. weit transportiert werden, wobei die Konzentration<br />

dieser Stoffe auf ihrem Weg durch die Atmosphäre<br />

i. Allg. stetig abnimmt. Der Transport wird dabei im Wesentlichen<br />

von den großräumigen Luftbewegungen (Advektion,<br />

„Wind“) bestimmt, die Verdünnung durch die Turbulenzen<br />

der Luft <strong>und</strong> durch Diffusion.<br />

Einflussgrößen bei der Ausbreitung<br />

Die Ausbreitung der radioaktiven Stoffe in der Atmosphäre<br />

wird von vielen Dingen beeinflusst, von denen hier nur die<br />

wichtigsten genannt werden:<br />

- Wind<br />

Es mag vielleicht zunächst trivial klingen, dass die Windrichtung<br />

bestimmt, wohin die freigesetzten Stoffe transportiert<br />

werden. Das Problem bei der Prognose der atmosphärischen<br />

Ausbreitung ist jedoch, dass es meist die Windrichtung<br />

nicht gibt: sie kann sich von einem Ort zum anderen<br />

ändern, hervorgerufen durch Einflüsse der Landschaftsform<br />

(Hügel, Täler) oder auch durch Luftmassengrenzen. Auch<br />

mit der Höhe ändert sich die Windrichtung: Durch den Einfluss<br />

der Reibung <strong>und</strong> der Erdrotation dreht sich die Windrichtung<br />

mit wachsender Entfernung vom Boden. In Extremfällen,<br />

etwa wenn Kaltluft <strong>und</strong> Warmluft aufeinander stoßen,<br />

kann die Windrichtung am Boden sich bis zu 180° von der<br />

Windrichtung in der Höhe unterscheiden.<br />

Natürlich hat auch die Windgeschwindigkeit einen großen<br />

Einfluss auf die Konzentration der freigesetzten Stoffe: je<br />

höher die Windgeschwindigkeit, desto stärker die Verdünnung.<br />

Wie die Windrichtung, so kann sich auch die Windgeschwindigkeit<br />

räumlich ändern: zum einen kann die Landschaftsform<br />

Änderungen hervorrufen (z. B. Kanalisierungseffekt<br />

in einem Tal), zum anderen bewirkt die Reibung der<br />

Luft am Boden, dass mit zunehmender Höhe die Windgeschwindigkeit<br />

zunimmt.<br />

- Turbulenzzustand der Atmosphäre<br />

In der Atmosphäre bilden sich ständig Luftwirbel ganz unterschiedlicher<br />

Größe, hervorgerufen z. B. durch die Reibung<br />

am Boden, durch die Landschaftsform, <strong>und</strong> durch Erwärmung<br />

<strong>und</strong> Abkühlung der Erdoberfläche. Diese Turbulenzen<br />

132


ewirken, dass die freigesetzten Partikel nicht einfach geradlinig<br />

mit dem Wind transportiert werden, sondern dass<br />

sich die Wolke zur Seite, nach oben <strong>und</strong> unten ausbreitet.<br />

Die Turbulenzen in der Atmosphäre hängen stark damit<br />

zusammen, wie sich die Lufttemperatur mit der Höhe ändert.<br />

Im Normalfall nimmt die Temperatur alle 100 Meter<br />

etwa um 1 Grad ab. Wird der Erdboden <strong>und</strong> damit die unteren<br />

Luftschichten durch starke Sonneneinstrahlung aufgeheizt<br />

(Temperaturabnahme mit der Höhe mehr als 1 Grad<br />

pro 100 m), so steigt die erwärmte Luft auf <strong>und</strong> es bilden<br />

sich verstärkte Turbulenzen. Kühlt sich dagegen der Boden<br />

<strong>und</strong> damit die unteren Luftschichten ab (z. B. in einer klaren<br />

Nacht), so bleibt die kühle Luft am Boden liegen <strong>und</strong> die<br />

Turbulenz nimmt ab; dies wird als stabile Luftschichtung bezeichnet.<br />

Je stabiler die Luftschichtung, desto geringer ist also die<br />

Turbulenz, <strong>und</strong> damit desto geringer die Ausbreitung der<br />

freigesetzten Stoffe in vertikaler Richtung. Umgekehrt: je<br />

turbulenter die Atmosphäre ist, desto stärker die vertikale<br />

Durchmischung, desto schneller erreicht die Wolke den Erdboden.<br />

Bei instabiler (turbulenter) Luftschichtung liegt also<br />

das Konzentrationsmaximum am Boden nahe am Freisetzungspunkt,<br />

bei stabiler Schichtung weiter entfernt.<br />

Jeder hat dies schon an der „Rauchfahne“ (meist Wasserdampf)<br />

an einem Schornstein beobachten können. Nach einer<br />

klaren Winternacht (stabile Schichtung) ist die Fahne oft<br />

über eine weite Strecke hin sichtbar <strong>und</strong> sehr schmal. Am<br />

Mittag bei Sonneneinstrahlung (instabile, turbulente Schichtung)<br />

verbreitert sich die Fahne dagegen sehr schnell <strong>und</strong><br />

löst sich bald auf (Abb. 4.1).<br />

- Freisetzungshöhe<br />

Je höher der Schornstein ist, aus dem die radioaktiven Stoffe<br />

freigesetzt werden, desto länger dauert es, bis die Fahne<br />

den Erdboden erreicht. Deshalb nimmt der Abstand des Ortes<br />

am Boden mit maximaler Konzentration mit wachsender<br />

Freisetzungshöhe zu. Wegen der dabei auch zunehmenden<br />

Verbreiterung der Wolke ist die maximale Konzentration am<br />

Boden umso niedriger, je höher die Freisetzung erfolgt.<br />

133


m<br />

200<br />

100<br />

134<br />

0<br />

18 19 20 °C<br />

m<br />

200<br />

100<br />

0<br />

18 19 20 °C<br />

m<br />

200<br />

100<br />

0<br />

18 19 20 °C<br />

Instabile Wetterlage<br />

neutrale Wetterlage<br />

stabile Wetterlage (Inversion)<br />

Abb. 4.1 Luftschichtungen <strong>und</strong> zugehörige Rauchfahnen<br />

Werden die radioaktiven Stoffe am Kaminende mit einem<br />

Luftstrom nach oben geblasen, oder werden sie zusammen<br />

mit heißer Luft freigesetzt (was einen Auftrieb erzeugt), so<br />

liegt die Achse der Abluftfahne höher als die Kaminhöhe.<br />

Durch diese Vergrößerung der „effektiven Freisetzungshöhe“<br />

werden ebenfalls eine Vergrößerung des Abstandes <strong>und</strong><br />

eine Verringerung der Konzentration des Punktes maximaler<br />

Konzentration am Boden erreicht.<br />

Beim Thema „Wind“ wurde schon darauf hingewiesen, dass<br />

sich Windrichtung <strong>und</strong> Windgeschwindigkeit mit der Höhe<br />

ändern können, manchmal sogar sehr stark. Deshalb kann<br />

eine Vergrößerung der Freisetzungshöhe auch bewirken,<br />

dass die freigesetzten Stoffe in eine andere Richtung transportiert<br />

werden. Dies macht eine Prognose der atmosphärischen<br />

Ausbreitung bei einer unfallbedingten Freisetzung


sehr schwierig, wenn man nicht weiß, wie viel Wärme (z. B.<br />

bei einem Brand) dabei mit freigesetzt wird.<br />

- Physikalisch-chemische Form<br />

Die in die Atmosphäre freigesetzten Teilchen werden dort so<br />

lange mit dem Wind transportiert, bis sie durch trockene<br />

Deposition oder durch den Regen auf den Boden, auf<br />

Pflanzen oder andere Oberflächen abgelagert werden. Wie<br />

im Abschnitt “Depositon“ näher erläutert wird, spielt bei den<br />

Depositionsprozessen die Größe der Teilchen, auch die<br />

chemische Form eine Rolle. So werden z. B. sehr große<br />

Teilchen schnell abgelagert <strong>und</strong> können deshalb nicht weit<br />

in der Atmosphäre transportiert werden. Auf der anderen<br />

Seite werden Edelgase nicht abgelagert <strong>und</strong> verbleiben<br />

deshalb in der Atmosphäre, bis sie durch radioaktiven Zerfall<br />

verschwinden (sofern es sich um ein radioaktives Edelgas<br />

handelt).<br />

Ausbreitungsmodelle<br />

Entsprechend den komplexen Prozessen <strong>und</strong> Einflussfaktoren<br />

bei der atmosphärischen Ausbreitung gibt es eine Vielzahl<br />

von Modellen, mit denen sich die Ausbreitung berechnen<br />

lässt. Es sollen hier nur kurz einige wichtige Modell-<br />

Typen vorgestellt werden.<br />

- Gauss-Modelle<br />

Der für praktische Anwendungen wichtigste Modelltyp ist<br />

das Gauss-Modell. Es hat seinen Namen daher, dass es die<br />

Konzentrationsverteilung in der Abluftwolke senkrecht zur<br />

Windrichtung (horizontal <strong>und</strong> vertikal) in Form einer<br />

Gauss’schen-Normalverteilung („Glockenkurve“) beschreibt<br />

(siehe Abb. 4.2). Diese Verteilung ergibt sich aus den physikalischen<br />

Modellansätzen, wenn man eine Reihe von vereinfachenden<br />

Annahmen macht, z. B. dass<br />

� Windgeschwindigkeit <strong>und</strong> -richtung räumlich <strong>und</strong><br />

zeitlich konstant sind,<br />

� die atmosphärische Turbulenz sich räumlich <strong>und</strong><br />

zeitlich nicht ändert,<br />

� die Ausbreitung in ebenem Gelände stattfindet,<br />

135


� die Rauhigkeit des Untergr<strong>und</strong>s räumlich konstant<br />

ist,<br />

� usw.<br />

Das Gauss-Modell verwendet zur Beschreibung des vertikalen<br />

<strong>und</strong> horizontalen Auseinanderdriftens der Abluftwolke<br />

(Breite der Gauss-Verteilungen) Parameter, welche experimentell<br />

bestimmt wurden.<br />

Wenn auch die genannten vereinfachenden Annahmen in<br />

der Realität nie ganz erfüllt sind, so gibt das Gauss-Modell<br />

doch oft ohne viel Rechenaufwand eine brauchbare Abschätzung<br />

für die Konzentration in der Umgebung des Emittenten.<br />

Allerdings muss man sich davor hüten, dieses Modell<br />

in ungeeigneten Situationen anzuwenden, etwa in stark<br />

hügeligem Gelände oder in zu großem Abstand (mehr als<br />

etwa 10 km) vom Freisetzungspunkt.<br />

y<br />

136<br />

z<br />

Konzentrationsverteilung<br />

horizontal<br />

vertikal<br />

x<br />

=Windrichtung<br />

Abb. 4.2 Konzentrationsverteilung in einer Abluftwolke nach<br />

dem Gauss-Modell<br />

Um die oben genannten vereinfachenden Annahmen abzumildern<br />

wurde eine Reihe von verfeinerten Gauss-Modellen<br />

entwickelt, welche jeweils mit geeigneten Korrekturen näherungsweise<br />

den Einfluss von nicht im Gauss-Modell enthaltenen<br />

Effekten abschätzen. So lassen sich etwa zeitliche<br />

Änderungen der Atmosphäreneigenschaften (Windrichtung<br />

<strong>und</strong> -geschwindigkeit, Turbulenz) dadurch berücksichtigen,


dass man die Abluftfahne für jeweils kurze Zeitintervalle<br />

(z. B. 10 Minuten) mit dem Gauss-Modell berechnet <strong>und</strong> diese<br />

dann im nächsten Zeitintervall als Freisetzungsquelle<br />

einer erneuten Ausbreitungsrechnung betrachtet, wobei gegenüber<br />

dem ersten Zeitintervall geänderte Ausbreitungsbedingungen<br />

herrschen können.<br />

Ein großer Vorteil der Gauss-Modelle ist, dass sie mit relativ<br />

geringem Rechenaufwand zu Ergebnissen führen. In vielen<br />

Fällen ist es jedoch nötig, sehr viel detailliertere Modelle zu<br />

verwenden, um die Ausbreitungsverhältnisse in der Atmosphäre<br />

hinreichend genau zu beschreiben. Hierbei sind<br />

dann sehr leistungsfähige Computer nötig. Für solche komplexen<br />

Rechenmodelle gibt es zwei gr<strong>und</strong>sätzlich verschiedene<br />

Modellansätze, die im Folgenden kurz charakterisiert<br />

werden.<br />

- Eulersche Ausbreitungsmodelle<br />

Die Atmosphäre in der Umgebung des Freisetzungsortes<br />

wird in dreidimensionale Gitterzellen eingeteilt. Die Größe<br />

der Gitterzellen ändert sich dabei meist mit der Höhe über<br />

Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> mit dem Abstand vom Freisetzungsort. In jeder<br />

Gitterzelle können individuelle, zeitlich variable Bedingungen<br />

(z. B. Temperatur, Windrichtung <strong>und</strong> -geschwindigkeit, Turbulenz)<br />

herrschen. Die Ausbreitungsepisode wird in kleine<br />

Zeitabschnitte unterteilt. In jedem Zeitabschnitt wird berechnet,<br />

welche Menge des freigesetzten Stoffes von jeder Zelle<br />

in ihre Nachbarzellen transportiert wird.<br />

- Lagrangesche Ausbreitungsmodelle<br />

Zur Bestimmung des Ausbreitungsverhaltens eines Schadstoffes<br />

werden im Computer die „Flugbahnen“ (Trajektorien)<br />

von einzelnen Schadstoffpartikeln verfolgt. Die Partikelbewegung<br />

wird dabei in kurzen Zeitabschnitten berechnet unter<br />

Berücksichtigung des aktuellen Windfeldes (das sich<br />

räumlich <strong>und</strong> zeitlich ändern kann) <strong>und</strong> einer Zufallskomponente,<br />

welche die turbulente Diffusion beschreibt. Nacheinander<br />

werden sehr viele Partikel verfolgt, von denen jedes<br />

einen anderen Weg nimmt. An den interessierenden<br />

Stellen wird gezählt, wie viele Partikel ein bestimmtes Volumen<br />

durchqueren; dies ist ein Maß für die Konzentration des<br />

freigesetzten Stoffes an diesem Ort.<br />

137


Lagrangesche Ausbreitungsmodelle sind heute Stand der<br />

Technik: sie finden z. B. in der Technischen Anleitung Luft<br />

(TA-Luft) für konventionelle Schadstoffe Anwendung.<br />

Deposition <strong>und</strong> Verbleib auf Oberflächen<br />

Die in die Atmosphäre freigesetzten radioaktiven Stoffe<br />

verbleiben natürlich nicht beliebig lange dort, sondern werden<br />

durch verschiedene Prozesse auf den Boden, auf<br />

Pflanzen <strong>und</strong> andere Oberflächen (z. B. Häuser, Gewässer)<br />

abgelagert. Bei dieser so genannten Deposition unterscheidet<br />

man je nach den vorherrschenden Mechanismen vor allem<br />

trockene <strong>und</strong> nasse Deposition.<br />

- Trockene Deposition<br />

Bei trockenen Wetterbedingungen tragen vor allem zwei<br />

Prozesse zu einer Deposition der radioaktiven Stoffe (oft<br />

auch Fallout genannt) bei:<br />

� bei relativ großen Partikeln (d.h. Teilchen von mehr<br />

als etwa 1/100 Millimeter Durchmesser) bewirkt die<br />

Schwerkraft ein Absinken auf den Boden,<br />

� sehr kleine Partikeln (vor allem bei Teilchen mit<br />

Durchmessern von weniger als ein Tausendstel<br />

Millimeter) sinken durch die Schwerkraft kaum ab,<br />

sondern bewegen sich im Wesentlichen mit den<br />

turbulenten Luftbewegungen. Kommen sie dabei in<br />

Bodennähe, so können sie mit Hindernissen (z. B.<br />

Pflanzen) zusammenstoßen <strong>und</strong> daran haften bleiben.<br />

Radioaktive Stoffe, welche nicht partikelgeb<strong>und</strong>en, sondern<br />

gasförmig vorliegen, können ebenfalls z. B. auf Pflanzenoberflächen<br />

abgelagert werden, besonders, wenn es sich<br />

um reaktionsfähige Gase handelt: wenn es sich um ein Gas<br />

handelt, welches am Stoffwechsel der Pflanzen teilnimmt<br />

(z. B. elementares Iod, Tritium, Kohlenstoff-14 in Form von<br />

Kohlendioxid), können dabei relativ schnell durch die Blattoberflächen<br />

ins Innere der Pflanze gelangen <strong>und</strong> dort geb<strong>und</strong>en<br />

werden. Reaktionsträge Gase dagegen, vor allem<br />

Edelgase, werden dagegen praktisch nicht abgelagert.<br />

138


Bei der technischen Nutzung der Kernenergie, besonders aus Wiederaufarbeitungsanlagen,<br />

werden auch radioaktive Edelgase in die<br />

Atmosphäre freigesetzt. Hier spielt besonders das langlebige Krypton-85<br />

(Halbwertszeit 10,8 Jahre) eine Rolle. Da es nicht abgelagert<br />

wird, reichert es sich in der Atmosphäre an: in den vergangenen<br />

20 Jahren stieg seine Konzentration in der Atmosphäre um etwa<br />

den Faktor 3 an. Für die Strahlenexposition von Mensch <strong>und</strong><br />

Umwelt spielt dieses Krypton-85 jedoch keine nennenswerte Rolle.<br />

- Nasse Deposition<br />

Wenn es während des atmosphärischen Transports von partikelgeb<strong>und</strong>enen<br />

radioaktiven Stoffen regnet, so können diese<br />

mit dem Niederschlag zum Boden transportiert werden.<br />

Bei dieser so genannten nassen Deposition können zwei<br />

Mechanismen eine Rolle spielen:<br />

� Die radioaktiven Partikel können in der Atmosphäre<br />

als Kondensationskeime für Regentröpfchen dienen<br />

<strong>und</strong> mit diesen zum Boden fallen, sobald die Tröpfchen<br />

groß genug geworden sind. Dieser Prozess<br />

wird als „Rainout“ bezeichnet.<br />

� Wenn sich die Regenwolke oberhalb der Abluftfahne<br />

mit den radioaktiven Partikeln befindet, können<br />

die aus der Regenwolke fallenden Regentropfen die<br />

Partikel „einfangen“ <strong>und</strong> mit zum Boden transportieren<br />

(„Washout“).<br />

Die nasse Deposition findet naturgemäß nur in bestimmten<br />

Situationen, nämlich wenn Niederschlag fällt, statt. Wenn sie<br />

aber erfolgt, so spielt sie eine weit wichtigere Rolle als die<br />

trockene Deposition.<br />

Dies konnte besonders deutlich in den 60-er Jahren des vergangenen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts beobachtet werden: Die durch die oberirdischen<br />

Kernwaffentests hoch in die Atmosphäre gebrachten radioaktiven<br />

Partikel wurden dort weiträumig transportiert bis sie relativ gleichmäßig<br />

in hohen Atmosphäreschichten verteilt waren. Die Deposition<br />

auf den Erdboden ging über viele Jahre vor sich. Das Ausmaß<br />

der auf den Boden deponierten Aktivität z. B. von Cäsium-137 oder<br />

Strontium-90 hing dabei in hohem Maße von der regionalen mittleren<br />

Niederschlagsmenge ab, d.h. in trockenen Gebieten waren wesentlich<br />

geringere Aktivitäten messbar als in Regionen mit hohen<br />

Niederschlägen.<br />

139


Auch nach dem Durchzug der Wolke mit radioaktiven Partikeln aus<br />

dem Tschernobyl-Unfall war vor allem in Süddeutschland eine ausgeprägte<br />

räumliche Variabilität der deponierten radioaktiven Stoffe<br />

feststellbar, welche durch die starken regionalen Unterschiede der<br />

Regenmengen (aufgr<strong>und</strong> lokaler Gewitterschauer) hervorgerufen<br />

wurde.<br />

Trockene Deposition (Fallout)<br />

Nasse Deposition (Rainout)<br />

Nasse Deposition (Washout)<br />

Abb. 4.3 Depositionsprozesse<br />

- Interzeption<br />

Wie im letzten Abschnitt beschrieben, ist für die gesamte<br />

Deposition aus der Atmosphäre zum Boden hin vor allem<br />

die nasse Deposition wichtig. Fällt der Niederschlag dabei<br />

140


auf eine Fläche, welche mit Pflanzen bewachsen ist, so<br />

bleibt nur ein gewisser Anteil der insgesamt deponierten radioaktiven<br />

Stoffe auf den Blättern hängen, der Rest fällt mit<br />

dem Regenwasser zum Boden. Das Ausmaß dieser Rückhaltung<br />

durch die Pflanzen (Interzeption genannt) spielt vor<br />

allem dann eine Rolle, wenn es sich bei den Pflanzen um<br />

Nahrungsmittel (z. B. Salat, Gemüse) oder Futtermittel für<br />

Haustiere (z. B. Gras für Kühe) handelt, denn nur der von<br />

der Pflanze zurückgehaltene Anteil deponierter radioaktiver<br />

Stoffe gelangt unmittelbar in die menschliche Nahrungskette.<br />

Das Ausmaß der Interzeption hängt von verschiedenen<br />

Faktoren ab, z. B.<br />

� Je weiter die Pflanzen entwickelt sind, d.h. je größer<br />

die Blattfläche ist, desto höher ist die Rückhaltung.<br />

� Je größer die Regenmenge ist, desto geringer ist<br />

der Anteil, der auf der Blattoberfläche verbleibt.<br />

� Die physikalisch-chemischen Eigenschaften des radioaktiven<br />

Stoffs beeinflussen, wie stark die<br />

Pflanzenoberfläche diesen Stoff binden kann.<br />

Das Ausmaß der Interzeption kann über einen weiten Bereich<br />

variieren, von 100 % (alles verbleibt auf den Blättern;<br />

dies kann z. B. bei sehr dichtem Blattwerk <strong>und</strong> nur leichtem<br />

Nieselregen auftreten) bis nahe 0 % (alles geht auf den Boden;<br />

bei kleinen Pflänzchen, starkem Regen).<br />

- Verbleib auf Oberflächen<br />

Nach einer Ablagerung von radioaktiven Stoffen auf den<br />

Erdboden, auf Pflanzen oder andere Oberflächen, verbleiben<br />

diese häufig nur für eine beschränkte Zeit an dieser<br />

Stelle. Nur wenn eine chemische oder physikalische Bindung<br />

an die Oberfläche (z. B. Aufnahme ins Blattinnere von<br />

Pflanzen, Adhäsion an kristalline Strukturen von Bodenpartikeln)<br />

erfolgt, verbleiben die abgelagerten Stoffe lange Zeit<br />

am selben Ort. Ansonsten bewirkt vor allem das Regenwasser,<br />

dass die Stoffe im Laufe der Zeit abgewaschen <strong>und</strong><br />

fortgespült werden. Allgemein gilt: je glatter die Oberflächen<br />

sind <strong>und</strong> je steiler deren Neigung ist, desto schneller werden<br />

die darauf deponierten Stoffe wieder entfernt.<br />

141


Man kann dies näherungsweise durch Halbwertszeiten beschreiben,<br />

d.h. durch Angabe des Zeitraums, in dem die Hälfte des deponierten<br />

Stoffes wegtransportiert wird. Diese Halbwertszeiten<br />

können z. B. bei Fenstern (glatte, vertikale Fläche) in der Größenordnung<br />

von Tagen, bei rauen Dächern dagegen in der Größenordnung<br />

von Jahren liegen.<br />

Insbesondere in städtischen Umgebungen spielt dieses so<br />

genannte „Abwittern“ eine große Rolle; es führt im Laufe der<br />

Zeit zu einer ganz anderen räumlichen Verteilung der radioaktiven<br />

Stoffe im Vergleich zur Situation unmittelbar nach<br />

der Deposition. Durch ein Einspülen in die Kanalisation können<br />

sich so manche Stoffe im Klärschlamm anreichern.<br />

Nach einer Deposition auf den Erdboden verbleiben die<br />

Stoffe dagegen meist relativ lange am gleichen Ort. Durch<br />

das Regenwasser können sie zwar etwas in den Boden ein-<br />

gewaschen werden, doch aufgr<strong>und</strong> von Bindungen an Bodenpartikel<br />

geht dies meist langsam vor sich.<br />

So ist z. B. das radioaktive Casium-137, welches von den oberirdischen<br />

Kernwaffenversuchen zu Beginn der 1960er Jahre stammt,<br />

in den meisten Böden auch heute noch fast vollständig in den<br />

obersten Bodenschichten zu finden.<br />

- Resuspension<br />

Wenn radioaktive Stoffe auf dem Boden oder auf anderen<br />

Oberflächen abgelagert worden sind, dann können sie durch<br />

den Wind auch wieder aufgewirbelt werden <strong>und</strong> dann in der<br />

Atmosphäre weiter transportiert werden. Diesen Effekt nennt<br />

man Resuspension. Durch die Resuspension kann sich das<br />

Verteilungsmuster der radioaktiven Stoffe, das sich durch<br />

atmosphärische Ausbreitung <strong>und</strong> Depositionsprozesse im<br />

Anschluss and eine Freisetzung ergeben hat, auch langfristig<br />

noch ändern. Allerdings ist das Ausmaß der Resuspension<br />

abhängig davon, wie feucht es in einer Region ist. In<br />

Mitteleuropa z. B. spielt sie keine wesentliche Rolle, dagegen<br />

ist sie in Trockengebieten viel stärker ausgeprägt.<br />

Durch die Resuspension kann es auch längerfristig zu einer<br />

Deposition der radioaktiven Stoffe auf Pflanzenoberflächen<br />

kommen. Neben dem Aufwirbeln mit dem Wind kann hierfür<br />

auch das Hochspritzen von Wasser <strong>und</strong> Erdpartikeln (mit<br />

anhaftenden radioaktiven Stoffen) bei starkem Regen wirksam<br />

sein („Rainsplash“).<br />

142


Die Resuspension führt auch zu einer langfristigen Aufnahme<br />

der radioaktiven Stoffe in den Körper durch Einatmen<br />

(Inhalation). Im Vergleich zur Aufnahme mit kontaminierten<br />

Nahrungsmitteln ist sie aber nur für solche radioaktiven Stoffe<br />

bedeutsam, die eine sehr geringe Mobilität in den Nahrungsketten<br />

(z. B. Aufnahme aus dem Boden in die Pflanzen,<br />

Übergang vom Tierfutter in Milch oder Fleisch) haben.<br />

Ein Beispiel hierfür ist das Plutonium.<br />

Ausbreitung in Gewässern<br />

Werden radioaktive Stoffe in ein Gewässer freigesetzt, so<br />

findet auch dort, ähnlich wie in der Atmosphäre, eine Ausbreitung<br />

dieser Stoffe aufgr<strong>und</strong> des Fließens des Wassers,<br />

aber auch aufgr<strong>und</strong> von Turbulenzen statt.<br />

Bei einer Einleitung in einen Fluss sind drei Phasen zu beobachten.<br />

Ganz zu Beginn wird die Ausbreitung oft überwiegend<br />

durch die Turbulenzen, welche durch den eingeleiteten<br />

Strahl verursacht werden, bestimmt. Bei geplanten Einleitungen<br />

in Gewässer wird oft durch entsprechende Einleitungsvorrichtungen<br />

ganz gezielt eine möglichst starke anfängliche<br />

Durchmischung erzeugt. In der zweiten Phase findet<br />

die Ausbreitung der eingeleiteten Stoffe durch turbulente<br />

Diffusion im Fließgewässer statt. Besonders Flusskrümmungen,<br />

Buhnen etc. verstärken dabei die Ausbreitung quer<br />

zur Fließrichtung. Nach genügend langer Wegstrecke (bei<br />

einem großen Fluss nach mehreren Kilometern bis mehreren<br />

10 Kilometern) wird die dritte Phase erreicht, in der die<br />

eingeleiteten Stoffe gleichmäßig horizontal <strong>und</strong> vertikal über<br />

das gesamte Flussprofil verteilt sind.<br />

Bei einer Einleitung radioaktiver Stoffe in stehende Gewässer<br />

(Teich, See) sind die Ausbreitungsverhältnisse viel stärker<br />

von den individuellen Eigenschaften des Gewässers abhängig.<br />

Dabei haben die Strömungsverhältnisse, z. B. verursacht<br />

durch Zu- <strong>und</strong> Abflüsse, einen großen Einfluss. Außer<br />

durch Strömung wird Turbulenz durch Wind <strong>und</strong> durch<br />

Temperaturunterschiede hervorgerufen. Eine besondere<br />

Rolle spielt dabei die vertikale Temperaturschichtung des<br />

Wassers. Im Laufe des Winters sinkt das an der Oberfläche<br />

abgekühlte Wasser in die Tiefe. Im Sommer erfolgt eine Er-<br />

143


wärmung des oberflächennahen Wassers, welches aufgr<strong>und</strong><br />

seiner geringeren Dichte über dem kalten Tiefenwasser<br />

liegt. Hierbei erfolgt kaum ein Austausch zwischen den verschiedenen<br />

Höhenschichten. Im Laufe des Sommers weitet<br />

sich die erwärmte Oberflächenschicht aus, <strong>und</strong> wenn im<br />

Herbst Stürme stattfinden, dann erreicht die vertikale<br />

Durchmischung des Sees ein Maximum.<br />

Radionuklide in Nahrungsketten<br />

Bei der Deposition von radioaktiven Stoffen aus der Atmosphäre<br />

auf den Boden oder auf Pflanzen, welche der Viehfütterung<br />

oder der menschlichen Ernährung dienen, gelangen<br />

diese Stoffe in die Nahrungsketten, an deren Ende der<br />

Mensch steht. Der Mensch nimmt damit radioaktive Stoffe in<br />

seinen Körper auf, was zu einer internen Strahlenexposition<br />

des Körpers führt.<br />

- Kontamination von Pflanzen<br />

Die Kontamination von pflanzlichen Produkten durch radioaktive<br />

Stoffe kann auf verschiedenen Wegen erfolgen (siehe<br />

Abb. 4.4).<br />

Die direkte Deposition auf die als Futter- oder Nahrungsmittel<br />

genutzten Pflanzenteile spielt vor allem bei solchen<br />

Pflanzen eine Rolle, die als Ganzes geerntet <strong>und</strong> gegessen<br />

oder verfüttert werden (z. B. Blattgemüse, Gras, Silomais).<br />

Je größer hierbei das Verhältnis von exponierter Blattoberfläche<br />

zur Gesamtmasse ist, desto höher ist die Aktivitätskonzentration<br />

im geernteten Produkt: während z. B. Kopfsalat,<br />

Spinat oder Gras mit am höchsten kontaminiert werden,<br />

ist die Aktivitätskonzentration z. B. in Weiß- oder Blaukraut<br />

deutlich niedriger, da bei letzteren nur die äußeren Blätter,<br />

welche meist bei der Zubereitung entfernt werden, kontaminiert<br />

werden. Bei Pflanzen, von denen nur bestimmte Teile<br />

genutzt werden (z. B. Tomaten, Bohnen) spielt die direkte<br />

Deposition auf diese Teile seltener eine wichtige Rolle, da<br />

diese Früchte nur während eines relativ kleinen Zeitraums<br />

im Jahr eine entsprechend große Oberfläche haben. Zudem<br />

sind manche Pflanzenteile z. B. durch Spelzen oder den<br />

Erdboden (Kartoffeln) vor einer direkten Deposition geschützt.<br />

144


Ein wichtiger Kontaminationspfad bei teilweise genutzten<br />

Pflanzen ist die Deposition auf das Blattwerk (große Oberfläche)<br />

<strong>und</strong> der anschließende Transport (Translokation) in<br />

die genutzten Teile. Dies spielt z. B. bei Getreide <strong>und</strong> Kartoffeln<br />

eine große Rolle. Das Ausmaß der Translokation hängt<br />

davon ab, in welchem Entwicklungszustand die Pflanzenblätter<br />

kontaminiert werden; am effektivsten ist die Translokation,<br />

wenn die Deposition etwa zu Beginn der Entwicklung<br />

der Speicherorgane (Kartoffelknollen, Getreidekörner) stattfindet.<br />

Die Translokation ist auch nicht für alle radioaktiven<br />

Stoffe gleich groß. Manche Elemente (z. B. Cäsium, Iod)<br />

sind hier als mobil, andere (z. B. Strontium) als immobil einzustufen.<br />

Um das Ausmaß der Translokation zu veranschaulichen:<br />

Wird Cäsium zu Beginn des Ährenschiebens<br />

auf die Blätter von Getreide abgelagert, so werden r<strong>und</strong><br />

10 % der abgelagerten Aktivität in die Getreidekörner verlagert.<br />

Während die direkte Ablagerung auf den Pflanzenblättern<br />

(mit oder ohne Translokation) nur bei einer Deposition zu<br />

bestimmten Jahreszeiten (nämlich dann, wenn die Pflanzen<br />

auf den Feldern stehen) eine Rolle spielt, kann eine Deposition<br />

auf den Boden immer stattfinden. Durch Regenwasser,<br />

Pflügen usw. wird die deponierte Aktivität im oberen Boden<br />

verteilt <strong>und</strong> kann von den Pflanzen über die Wurzeln aufgenommen<br />

werden. Diese Art der Pflanzenkontamination ist<br />

– im Gegensatz zur direkten Deposition auf den Blättern –<br />

nicht nur im ersten Jahr nach der Deposition, sondern langfristig<br />

wirksam. Auch hier gibt es Elemente, die von den<br />

Pflanzen gut aufgenommen werden (z. B. Strontium), <strong>und</strong><br />

andere, die nur in sehr geringem Maße über die Wurzeln<br />

transportiert werden (z. B. Plutonium). Die in den Boden eingebrachten<br />

Radionuklide stehen auch nicht voll für die<br />

Wurzelaufnahme zur Verfügung, sondern manche Elemente,<br />

z. B. Cäsium, werden relativ schnell an Bodenpartikel<br />

geb<strong>und</strong>en.<br />

Ein anderer Transportweg vom Boden hin zu den Pflanzen<br />

ist das Aufwirbeln von Bodenpartikeln (mit den daran haftenden<br />

radioaktiven Stoffen) durch den Wind <strong>und</strong> die anschließende<br />

Deposition auf der Pflanze. Diese so genannte<br />

Resuspension ist der dominierende langfristige Kontaminationspfad<br />

für die Pflanzen bei Elementen mit sehr geringer<br />

145


Wurzelaufnahme (z. B. Plutonium). Auch das Hochspritzen<br />

von Bodenpartikeln bei starken Regenfällen kann den Pflanzen<br />

radioaktive Stoffe aus dem Boden zuführen.<br />

146<br />

2<br />

3<br />

1<br />

4<br />

Abb. 4.4 Pfade für die Kontamination von Pflanzenprodukten:<br />

1: Direkte Deposition auf die genutzten Pflanzenteile (z. B. Früchte),<br />

2: Deposition auf die Blätter <strong>und</strong> anschließender Transport in die<br />

Früchte (Translokation),<br />

3: Deposition auf den Boden <strong>und</strong> anschließende Aufnahme in die<br />

Pflanze über die Wurzeln,<br />

4: Deposition auf den Boden <strong>und</strong> anschließendes Hochwirbeln <strong>und</strong><br />

Deposition auf die Blätter oder Früchte (Resuspension).<br />

- Kontamination von Tierprodukten<br />

Werden radioaktiv kontaminierte Futtermittel an Tiere verfüttert,<br />

so wird ein Teil der radioaktiven Stoffe durch das Blut in<br />

verschiedene Organe transportiert <strong>und</strong> so in den Tierprodukten<br />

(Fleisch, Milch, Eier) zu finden sein.<br />

Die Zufuhr radioaktiver Stoffe zum Tier wird dabei wesentlich<br />

durch die Art <strong>und</strong> Menge der Futtermittel bestimmt. Häufig<br />

wird der so genannte „Weide-Kuh-Milch-Pfad“ betrachtet,<br />

der zumindest in der Anfangsphase nach einer Deposition<br />

radioaktiver Stoffe zu einer relativ hohen Kontamination der


Milch führt. Will man dagegen realistische Werte der Kontamination<br />

von Tierprodukten abschätzen, so müssen die tatsächlichen<br />

Fütterungsgewohnheiten zugr<strong>und</strong>e gelegt werden.<br />

Diese können regional <strong>und</strong> saisonal stark schwanken,<br />

so dass es zu einer großen Bandbreite der beobachteten<br />

Kontamination von Tierprodukten kommen kann.<br />

Wird einem Tier von einem bestimmten Zeitpunkt an täglich<br />

die gleiche Menge eines radioaktiven Stoffs gefüttert, so ist<br />

in der Milch oder im Fleisch nicht schlagartig eine bestimmte<br />

Konzentration dieses Radionuklids zu finden, sondern es<br />

stellt sich erst im Laufe der Zeit ein Gleichgewichtswert ein<br />

(siehe Abb. 4.5). Dieser wird meist beschrieben durch den<br />

so genannten Transferfaktor, welcher das Verhältnis der Aktivitätskonzentration<br />

im Tierprodukt (angegeben in Bq/kg) zu<br />

der täglich dem Tier zugeführten Aktivitätsmenge (Bq/Tag)<br />

angibt. Nach Beendigung der Aktivitätszufuhr zum Tier geht<br />

die Aktivität im Tierprodukt auch nicht schlagartig zurück,<br />

sondern sie klingt langsam ab, weil der im Körper vorhandene<br />

radioaktive Stoff langsam ausgeschieden wird.<br />

Aktivität im Tierprodukt<br />

Zeitraum der<br />

Aktivitätszufuhr<br />

Gleichgewichtswert<br />

Zeit<br />

Abb. 4.5 Schematische Darstellung des Radionuklid-Transfers<br />

in Tierprodukte<br />

Die Transferfaktoren können sehr unterschiedliche Werte<br />

annehmen; sie hängen stark vom betrachteten radioaktiven<br />

Stoff <strong>und</strong> der chemischen Verbindung, in der er vorliegt,<br />

147


aber auch von der Tierart bzw. dem Tierprodukt ab. Es ist<br />

aber auch zu bedenken, dass die Transferfaktoren keine<br />

Naturkonstanten, wie man sie aus der Physik kennt, sind. In<br />

biologischen Systemen gibt es immer natürliche Variationen,<br />

<strong>und</strong> so kann z. B. der Transferfaktor für Milch von einer Kuhrasse<br />

zur anderen verschieden sein, aber auch innerhalb einer<br />

Rasse gibt es Variabilitäten von einer Kuh zur anderen.<br />

Der Zeitraum, in dem sich bei konstanter Aktivitätszufuhr ein<br />

Gleichgewichtswert im Tierprodukt einstellt, hängt ebenfalls<br />

von vielen Faktoren ab. Während sich z. B. beim Übergang<br />

von Cäsium in die Milch bereits nach wenigen Tagen ein<br />

mehr oder weniger konstanter Wert einstellt, dauert es bei<br />

Elementen, welche sich langfristig in bestimmten Organen<br />

akkumulieren (z. B. Strontium im Knochen), viel länger.<br />

- Einfluss der Verarbeitung <strong>und</strong> Lagerung auf die<br />

Kontamination<br />

Häufig werden pflanzliche oder tierische Produkte erst eine<br />

Zeit lang gelagert <strong>und</strong>/oder verarbeitet, bevor sie als Futteroder<br />

Nahrungsmittel dienen. Dies kann den Transfer der radioaktiven<br />

Stoffe in den Nahrungsketten deutlich beeinflussen.<br />

Durch die Lagerung ergibt sich bei kurzlebigen Radionukliden<br />

durch den radioaktiven Zerfall eine Reduktion der Kontamination.<br />

So bewirkt z. B. eine Lagerung von 2 Monaten<br />

bei dem potentiell wichtigen Radionuklid Iod-131 (8 Tage<br />

Halbwertszeit) eine Reduktion der Aktivität um den Faktor<br />

180. Ein anderer Effekt der Lagerung besteht darin, dass<br />

sich die Aktivitätszufuhr zum Menschen am Ende der Nahrungskette<br />

zeitlich nach hinten verschiebt. Nach dem<br />

Tschernobyl-Unfall Ende April 1986 wurde so der maximale<br />

Körper-Gehalt an Cäsium-137 bei einer großen Probanden-<br />

Gruppe in München erst im April 1987 gemessen.<br />

Bei der Verarbeitung von Pflanzen- oder Tierprodukten zu<br />

Futter- <strong>und</strong> Nahrungsmitteln kann es in den verarbeiteten<br />

Produkten zu einer Erhöhung oder Reduktion der Aktivitätskonzentration<br />

gegenüber dem Rohprodukt kommen. Im Jahre<br />

1986 hatte Winterweizen im Raum München eine Cäsium-137-Konzentration<br />

von r<strong>und</strong> 100 Bq/kg. Nach dessen<br />

Verarbeitung in einer Mühle war im Mehl eine Kontamination<br />

148


von 50 Bq/kg zu messen, während das Nebenprodukt des<br />

Mahlvorgangs, die Kleie, einen Cäsium-137-Gehalt von r<strong>und</strong><br />

300 Bq/kg aufwies (Abb. 4.6). Für die Radioökologie wichtige<br />

Verarbeitungsprozesse in den Nahrungsketten sind auch<br />

die Herstellung von Butter, Käse <strong>und</strong> anderen Produkten<br />

aus Milch.<br />

Abb. 4.6 Änderung der Aktivitätskonzentration beim Mahlen<br />

von Getreide<br />

Auch die Verarbeitung von Nahrungsmitteln in der Küche<br />

kann zu Veränderungen (in der Regel zur Reduktion) der<br />

radioaktiven Kontamination führen. Äußerlich auf Pflanzen<br />

haftende radioaktive Partikel können teilweise abgewaschen<br />

werden. Beim Kochen gehen die wasserlöslichen radioaktiven<br />

Stoffe teilweise ins Kochwasser <strong>und</strong> werden so – falls<br />

das Kochwasser weggeschüttet wird – aus der Nahrungskette<br />

entfernt. Es wurden nach dem Tschernobyl-Unfall eine<br />

Reihe von „Rezepten“ weitergegeben, mit denen sich z. B.<br />

aus Pilzen oder Fleisch der allergrößte Teil des Radio-<br />

Cäsiums entfernen ließ; es erscheint jedoch dabei teilweise<br />

fraglich, was dabei an Nährstoffen <strong>und</strong> Geschmack der Lebensmittel<br />

übrig bleibt.<br />

Interne Strahlenexposition<br />

Von einer internen Strahlenexposition spricht man dann,<br />

wenn ein radioaktiver Stoff in den menschlichen Körper gelangt.<br />

Während des Aufenthalts im Körper zerfallen dessen<br />

Atome teilweise <strong>und</strong> senden dabei Strahlung aus, die den<br />

Körper von innen heraus bestrahlt.<br />

149


Die wichtigsten Pfade, auf denen bei einer radioaktiven Kontamination<br />

der Umwelt radioaktive Stoffe in den Körper gelangen<br />

können, sind die Aufnahme durch kontaminierte<br />

Nahrungsmittel (Ingestion) <strong>und</strong> mit der Atemluft (Inhalation).<br />

Darüber hinaus gibt es auch die Aufnahme über die Haut,<br />

über eine W<strong>und</strong>e oder durch Injektion; diese Pfade sind<br />

aber im Allgemeinen weniger wichtig <strong>und</strong> werden hier nicht<br />

weiter behandelt.<br />

Für eine Abschätzung der internen Strahlenexposition sind<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich zwei Schritte nötig: zum einen die Abschätzung,<br />

wie groß die Menge (Aktivität) des vom Menschen in<br />

den Körper aufgenommenen radioaktiven Stoffes ist, zum<br />

anderen die Berücksichtigung, wo <strong>und</strong> wie lange der Stoff im<br />

Körper verbleibt <strong>und</strong> wie viel der ausgesandten Strahlung<br />

die verschiedenen Organe <strong>und</strong> Gewebe des Körpers trifft.<br />

- Ingestion<br />

Die Menge (Aktivität) eines mit der Nahrung aufgenommenen<br />

radioaktiven Stoffes hängt zum einen davon ab, wie<br />

hoch die Nahrungsmittel kontaminiert sind (dies wurde im<br />

letzten Abschnitt diskutiert), zum anderen, wie viel der<br />

Mensch von den Nahrungsmitteln isst. Will man also eine<br />

quantitative Abschätzung der Aktivitätszufuhr machen, benötigt<br />

man realistische Daten über die Verzehrsmengen.<br />

Meist werden hierfür mittlere Verzehrsmengen der Gesamtbevölkerung<br />

genommen. Die Verzehrsgewohnheiten von Individuen<br />

können jedoch stark von den mittleren abweichen;<br />

deswegen sind auch Abschätzungen für besondere Gruppen<br />

(z. B. Vegetarier, überdurchschnittliche Milchtrinker,<br />

Fleischesser etc.) von Interesse.<br />

Das Ausmaß der aktuellen radioaktiven Kontamination der<br />

Nahrungsmittel lässt sich durch Messung an repräsentativen<br />

Nahrungsmittelproben ermitteln. Um eine Prognose in die<br />

Zukunft zu erstellen, kann man es aber auch mit radioökologischen<br />

Rechenmodellen abschätzen, welche die im letzten<br />

Abschnitt diskutierten Prozesse in den Nahrungsketten berücksichtigen.<br />

Ausgangspunkt hierzu ist die Menge der auf<br />

Böden <strong>und</strong> Pflanzen deponierten <strong>Radioaktivität</strong>.<br />

Wenn eine Region (Land, Wirtschaftsraum) jedoch sehr unterschiedlich<br />

hoch mit radioaktiven Stoffen kontaminiert ist, wie es<br />

150


z. B. nach dem Tschernobyl-Unfall in Deutschland der Fall war,<br />

dann ist es für die Abschätzung der Aktivitätszufuhr einer bestimmten<br />

Personengruppe wichtig zu wissen, welche Nahrungsmittel von<br />

wo bezogen werden. Dies ist kein Problem für Selbstversorger, die<br />

sämtliche Nahrungsmittel lokal produzieren. Allerdings hat diese<br />

Gruppe heutzutage einen verschwindend geringen Anteil an der<br />

Gesamtbevölkerung. Selbst auf dem Land werden heute viele Nahrungsmittel<br />

im Handel bezogen, wobei die Nahrungsmittel häufig<br />

einen weiten Transport vom Ort der Produktion zum Ort des<br />

Verbrauchs hinter sich haben.<br />

Noch vor wenigen Jahrzehnten wäre die Abschätzung der Nahrungsmitteltransporte<br />

wesentlich einfacher gewesen, denn es gab<br />

viele Gebiete, welche mehr oder weniger autark waren, d. h. weitgehend<br />

alle verzehrten Nahrungsmittel produziert haben. Heute<br />

dagegen liegt die Nahrungserzeugung <strong>und</strong> -verteilung weitgehend<br />

in den Händen großer Handelsketten, was ein starkes Anwachsen<br />

<strong>und</strong> auch eine große Variabilität der Nahrungsmitteltransporte zur<br />

Folge hat. Nahrungsmittel werden überwiegend dort gekauft, wo sie<br />

gerade am billigsten sind; Transportkosten spielen dabei meist keine<br />

entscheidende Rolle. Traditionell wichtige Erzeuger-Verbraucher-Beziehungen<br />

sind dabei unwichtiger geworden.<br />

Dies macht es äußerst schwer, in einer Abschätzung der Strahlenexposition<br />

durch kontaminierte Nahrungsmittel die wahren Transportwege<br />

zu berücksichtigen. Das Problem wird noch größer bei<br />

einer Prognose der Ingestionsdosis nach einer größeren radioaktiven<br />

Kontamination (wie z. B. der Situation nach dem Tschernobyl-<br />

Unfall): hierbei können sich die vorhandenen Handelswege schlagartig<br />

<strong>und</strong> unvorhersagbar ändern, auch aufgr<strong>und</strong> der Reaktion der<br />

Bevölkerung.<br />

- Inhalation<br />

Solange radioaktive Stoffe als sehr feine Partikel oder an<br />

Aerosolpartikel geb<strong>und</strong>en in der Luft schweben, können Sie<br />

vom Menschen beim Einatmen inkorporiert werden. Je nach<br />

Größe der Partikel gelangen die Teilchen mehr oder weniger<br />

tief in den Atemtrakt <strong>und</strong> werden dort abgeschieden. Je<br />

nach Eindringtiefe verbleiben sie einige Zeit in der Lunge,<br />

<strong>und</strong> die beim radioaktiven Zerfall ausgesandte Strahlung<br />

bestrahlt das umgebende Gewebe.<br />

Die Menge der dabei inkorporierten radioaktiven Stoffe<br />

hängt zum einen von der Konzentration dieser Stoffe in der<br />

Luft, zum anderen von der Menge der eingeatmeten Luft ab.<br />

151


Die Atemrate, d. h. das pro Zeiteinheit eingeatmete Luftvolumen,<br />

hängt vor allem vom Lebensalter des Menschen <strong>und</strong><br />

von der momentanen körperlichen Aktivität ab, schwankt<br />

aber auch individuell von Person zu Person. Einen Eindruck<br />

von der Schwankungsbreite vermittelt Abb. 4.7.<br />

Atemrate<br />

(Liter/Minute)<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

152<br />

Kleinkind<br />

(1 Jahr)<br />

Kind<br />

(10 Jahre)<br />

schwere<br />

Arbeit<br />

leichte<br />

Aktivität<br />

ruhend<br />

Erwachsene<br />

Abb. 4.7 Schwankungsbreiten von Atemraten<br />

Nach einer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Atmosphäre<br />

kann die Inhalation zu einer bedeutenden Quelle der<br />

Strahlenexposition werden, wenn sich der Mensch in der<br />

Ausbreitungsfahne aufhält. Besonders bei kurzlebigen Radionukliden,<br />

die beim Transfer in den Nahrungsketten zerfallen,<br />

gewinnt die Inhalation relativ an Bedeutung. Das Einatmen<br />

radioaktiver Edelgase jedoch führt nur zu sehr geringen<br />

Dosen, da diese sich nicht in der Lunge ablagern, sondern<br />

schnell wieder ausgeatmet werden.<br />

Langfristig führt die Inhalation von resuspendierten radioaktiven<br />

Partikeln zu einer Strahlenexposition. Diese spielt aber<br />

nur für solche Radionuklide eine nennenswerte Rolle, die<br />

über die Nahrungsketten nur in sehr geringem Umfang zum<br />

Menschen gelangen <strong>und</strong> die aufgr<strong>und</strong> ihrer ausgesandten<br />

Strahlung bei Einatmen zu einer hohen Dosis führen (z. B.<br />

Plutonium).<br />

- Verhalten der radioaktiven Stoffe im Körper<br />

Die Abschätzung der in den Körper durch Ingestion oder Inhalation<br />

aufgenommenen Aktivität besagt noch nichts über


die daraus resultierende Wirkung, wie z. B. das Risiko einer<br />

Krebsentstehung. Um ein Maß für die Wirkung zu haben,<br />

muss erst noch abgeschätzt werden, welche Dosis aus der<br />

Inkorporation des radioaktiven Stoffes entsteht. Die Umrechnung<br />

von der aufgenommenen Aktivität in die Dosis ist<br />

für jedes Radionuklid verschieden, denn sie hängt u. a. davon<br />

ab<br />

� in welchem Ausmaß der radioaktive Stoff ins Blut aufgenommen<br />

(resorbiert) wird,<br />

� wie er sich im Körper verteilt,<br />

� wie schnell er wieder ausgeschieden wird,<br />

� wie schnell er durch radioaktiven Zerfall reduziert wird,<br />

� welche Art von Strahlung er aussendet,<br />

� welche Energie diese Strahlung hat.<br />

Um das Verhalten von Radionukliden im Körper <strong>und</strong> die<br />

daraus resultierende Strahlenexposition abzuschätzen, gibt<br />

es so genannte biokinetische Rechenmodelle, welche den<br />

Transport des Stoffes zwischen den einzelnen Organen <strong>und</strong><br />

Geweben simulieren.<br />

Ist in einem Organ oder Gewebe die Aktivität eines bestimmten<br />

Radionuklids je Masseeinheit bekannt, lässt sich aus der absorbierten<br />

Energie die Energiedosisleistung (pro Zeiteinheit an das<br />

betroffene Gewebe übertragene Energiemenge) errechnen. Berücksichtigt<br />

man dabei zusätzlich, dass in lebendem Gewebe die<br />

einzelnen Strahlenarten unterschiedliche Qualitätsfaktoren der<br />

biologischen Wirksamkeit besitzen, ergibt sich die Äquivalentdosisleistung<br />

(siehe Kapitel 1.3). Aus der Dosisleistung (beispielsweise<br />

in Mikrosievert pro St<strong>und</strong>e) <strong>und</strong> der Zeit, über die sie<br />

einwirkt (beispielsweise 1 Jahr), ist die Dosis in diesem Zeitraum<br />

errechenbar (im gewählten Beispiel die Jahresdosis in Mikrosievert<br />

oder Millisievert).<br />

Die auf Aktivitätszufuhr bezogene Integraldosis, also diejenige<br />

Dosis, die ein Organ oder Gewebe als Folge einer einmaligen<br />

Zufuhr eines oder mehrerer Radionuklide im gesamten (unbegrenzten)<br />

Zeitraum nach der Aufnahme bis zum vollständigem<br />

Verschwinden dieser Nuklide aus dem Körper erhält,<br />

wird als Folgedosis bezeichnet.<br />

153


Begrenzt man den betrachteten Zeitraum nach der Aufnahme,<br />

ergibt sich die beschränkte Folgedosis (englisch: dose commitment),<br />

zum Beispiel die 50-Jahre Folgedosis.<br />

Daten über anatomische Werte oder das Stoffwechselgeschehen<br />

unterliegen naturgemäß starken individuellen<br />

Schwankungen. Für die Berechnung der Strahlendosis hat<br />

die ICRP daher in ihrer Veröffentlichung Nr. 23 /ICR-75/ für einen<br />

Durchschnittsmenschen (Reference Man) Standardwerte<br />

in allen Einzelheiten festgelegt. Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser Standardwerte<br />

ist auch die Referenzperson der deutschen Strahlenschutzverordnung<br />

definiert.<br />

Im praktischen Strahlenschutz ist es zur Ermittlung der Folgedosis<br />

aus einer Inkorporation eines radioaktiven Stoffes<br />

nicht nötig, aufwendige Rechnungen mit einem biokinetischen<br />

Modell durchzuführen. Vielmehr kann auf Dosisfaktoren<br />

zurückgegriffen werden, welche aus solchen Rechenmodellen<br />

gewonnen wurden. Diese Faktoren geben jeweils für ein<br />

bestimmtes Nuklid die aus der Inkorporation von einem Becquerel<br />

resultierende Folgedosis an. Dosisfaktoren sind getrennt<br />

für Ingestion <strong>und</strong> Inhalation <strong>und</strong> für verschiedene Altersgruppen<br />

verfügbar.<br />

Aufgenommene Radionuklide werden dann zu einer vergleichsweise<br />

hohen Strahlenexposition führen, wenn sie<br />

• eine hohe spezifische Aktivität (Becquerel pro Gramm)<br />

besitzen,<br />

• im Körper stark angereichert werden,<br />

• lange dort verweilen <strong>und</strong> schließlich noch<br />

• eine biologisch besonders wirksame Strahlung aussenden.<br />

Solche Radionuklide (beispielsweise die Alpha-Strahler Radium-226<br />

oder Plutonium-238 <strong>und</strong> -239) bezeichnet man als<br />

hoch radiotoxisch (strahlengiftig). Auf der anderen Seite gibt<br />

es auch radioaktive Stoffe, die vom Körper kaum aufgenommen<br />

werden, eine biologisch wenig wirksame Strahlung<br />

aussenden <strong>und</strong> im Falle der äußeren Strahlenexposition nur<br />

die Haut bestrahlen. Ihre Radiotoxizität ist gering (Beispiel:<br />

Krypton-85).<br />

154


Bei Iod-131, das bevorzugt in die Schilddrüse aufgenommen wird,<br />

führt zum Beispiel die Zufuhr von 1.000 Becquerel mit der Nahrung zu<br />

Folgedosen für die Schilddrüse von 0,43 mSv beim Erwachsenen beziehungsweise<br />

3,5 mSv beim Kleinkind (wegen einer hohen Aktivitätskonzentration<br />

in der sehr kleinen Schilddrüse).<br />

Bei Cäsium-137, das sich im Körper annähernd gleichmäßig verteilt,<br />

liegt die Folgedosis (Effektivdosis) durch Zufuhr von 1.000 Bq für den<br />

Erwachsenen bei ca. 0,01 mSv. Für Kinder (mit Ausnahme der unter<br />

1-Jährigen) ist die Dosis wegen der kürzeren Verweilzeit des Cäsiums<br />

im Körper niedriger als für Erwachsene.<br />

Externe Strahlenexposition<br />

Radioaktive Stoffe können zu einer externen Strahlenexposition<br />

des Menschen führen, wenn sie sich außerhalb des<br />

Körpers befinden <strong>und</strong> die von ihnen ausgehende Strahlung<br />

auf den Körper trifft.<br />

- Strahlung aus einer „radioaktiven Wolke“<br />

Wenn radioaktive Stoffe in die Atmosphäre freigesetzt wurden<br />

<strong>und</strong> sich in der Atmosphäre ausbreiten, so zerfällt ein<br />

Teil der radioaktiven Atome hierbei <strong>und</strong> sendet ionisierende<br />

Strahlung aus. Hält sich ein Mensch in oder nahe bei der<br />

vorbeiziehenden radioaktiven Wolke auf, so kann diese<br />

Strahlung von außen seinen Körper treffen. Hierbei hat Alpha-Strahlung<br />

keine Bedeutung, da sie in Luft nur eine<br />

Reichweite von wenigen Zentimetern hat. Auch Beta-<br />

Strahlung ist hier von sehr untergeordneter Bedeutung, da<br />

ihre Reichweite in Luft maximal einige Dezimeter bis einige<br />

Meter beträgt. Es kommt dazu, dass Alpha- <strong>und</strong> Betastrahlung<br />

beim Auftreffen auf den Körper in der Haut absorbiert<br />

werden, so dass die strahlenempfindlicheren Organe <strong>und</strong><br />

Gewebe keine Strahlung abbekommen.<br />

Gammastrahlung dagegen hat eine Reichweite in Luft, die in<br />

der Größenordnung von 100 m liegt (abhängig von der Photonenenergie<br />

des jeweiligen Radionuklids). Dies bedeutet,<br />

der Mensch kann von Gammastrahlung der Radionuklide im<br />

diesem Umkreis getroffen werden. Gammastrahlung kann<br />

auch ins Innerste des Körpers eindringen, d.h. alle Organe<br />

<strong>und</strong> Gewebe des Menschen werden bestrahlt. Aus diesen<br />

Gründen spielt bei der äußeren Bestrahlung die Gammastrahlung<br />

die überragende Rolle.<br />

155


Die Strahlenexposition des Menschen beim Vorbeiziehen<br />

einer radioaktiven Wolke wird stark reduziert, wenn sich der<br />

Mensch in einem Gebäude aufhält. Je nach Gebäudeausmaßen,<br />

Wandstärken <strong>und</strong> Baumaterial kann die Bestrahlung<br />

im Gebäude einen Faktor 2 bis 20 niedriger sein als beim<br />

Aufenthalt im Freien, beim Aufenthalt im Keller bei großen<br />

Gebäuden kann der Reduktionsfaktor sogar bis in die Größenordnung<br />

von 1.000 gehen!<br />

- Strahlung von abgelagerten Nukliden<br />

Die Bestrahlung durch die in der Atmosphäre vorbeiziehenden<br />

Radionuklide stellt lediglich eine relativ kurzzeitige<br />

Strahlenquelle dar. Dagegen können die am Boden <strong>und</strong> auf<br />

anderen Oberflächen in der Umgebung des Menschen (z. B.<br />

Bäume, Hausdächer) deponierten Radionuklide als eine<br />

sehr lang anhaltende Strahlenquelle wirken. Deswegen<br />

kann dieser Expositionspfad einen relativ großen Beitrag zur<br />

gesamten Strahlenexposition liefern. So stammt der größte<br />

Teil der Strahlenexposition, den ein Mensch in Deutschland<br />

langfristig durch die Ablagerung radioaktiver Stoffe vom Reaktorunfall<br />

in Tschernobyl bekommt, von den am Boden abgelagerten<br />

Radionukliden, vor allem vom Cs-137.<br />

Auch hier spielen Alpha- <strong>und</strong> Beta-Strahlung eine unwesentliche<br />

Rolle, in erster Linie ist hier die Gammastrahlung maßgebend. Wegen<br />

der großen Reichweite der Gammastrahlung trägt hier die gesamte<br />

Umgebung bis zu mehreren 10 Metern Abstand zur Bestrahlung<br />

bei: wenn man sich auf einer ebenen Wiese aufhält, die<br />

gleichmäßig mit Cs-137 kontaminiert worden ist, dann stammt r<strong>und</strong><br />

die Hälfte der auf einen wirkenden Strahlung aus Bereichen, die<br />

mehr als 7 m entfernt sind, <strong>und</strong> r<strong>und</strong> ein Viertel stammt aus Bereichen,<br />

die mehr als 25 m entfernt sind (Zähringer <strong>und</strong> Pfister 1998)!<br />

Radioaktive Edelgase werden nicht am Boden abgelagert,<br />

spielen deswegen bei diesem Expositionspfad keine Rolle.<br />

Auch bei der Strahlenexposition durch am Boden abgelagerte<br />

Radionuklide ergibt sich eine starke Reduktion der Bestrahlung,<br />

wenn man sich in Gebäuden aufhält. So verringert<br />

sich beispielsweise die Dosisleistung nach einer Deposition<br />

von Cs-137 in Gebäuden gegenüber einem Aufenthalt<br />

im Freien um den Faktor 2 bis 100, im Keller sogar bis zum<br />

Faktor 500 (Jacob 1991).<br />

156


Eine spezielle Art der Strahlenexposition durch abgelagerte<br />

radioaktive Stoffe entsteht, wenn die Ablagerung auf die<br />

Haut oder die Kleidung des Menschen erfolgt. Hierbei vergrößert<br />

sich der relative Anteil von Alpha- <strong>und</strong> Betastrahlung<br />

an der Strahlenexposition etwas, da eine Bestrahlung der<br />

Haut durch diese Strahlenarten auftritt. Insgesamt ist dieser<br />

Expositionspfad aber im Allgemeinen von geringer Bedeutung,<br />

da davon auszugehen ist, dass die Verweilzeit der radioaktiven<br />

Stoffe durch Waschen, Duschen <strong>und</strong> Kleidungswechsel<br />

relativ gering ist.<br />

4.2 Strahlenexposition aus natürlichen Quellen<br />

Seit es Leben gibt, ist dieses unter dem Einfluss der natürlichen<br />

Strahlung. Die so genannte „natürliche Untergr<strong>und</strong>strahlung“,<br />

d.h. die ionisierende Strahlung, die durch in unserer<br />

Natur vorhandenen Quellen bedingt ist, hat mit Sicherheit<br />

eine wichtige Rolle in der Evolution gespielt, kann<br />

zugleich aber erkennbare Strahlenschäden verursachen. So<br />

ist zweifelsfrei das natürliche radioaktive Edelgas Radon für<br />

viele ernste Lungenschädigungen bei Bergwerksarbeitern<br />

bereits in den vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erten ursächlich.<br />

Wenn man auch jede Exposition des Menschen mit ionisierender<br />

Strahlung als potentiell ges<strong>und</strong>heitsschädigend betrachtet,<br />

wobei die Wahrscheinlichkeit eines Schadens mit<br />

der Dosis ansteigt, so haben wir doch bisher damit überlebt<br />

<strong>und</strong> uns trotz der natürlichen Untergr<strong>und</strong>strahlung (vielleicht<br />

sogar mit ihrer Hilfe) zu unserer gegenwärtigen Form entwickelt.<br />

Häufig denkt man bei der natürlichen Untergr<strong>und</strong>strahlung<br />

nur an die leicht messbare Strahlung, die von außen<br />

auf uns einwirkt, dabei darf man gerade die so genannte innere<br />

Strahlenexposition, die durch natürliche Radionuklide<br />

in unserem Körper verursacht wird, keinesfalls vernachlässigen,<br />

zumal sie verglichen mit der äußeren Strahlenexposition<br />

eine deutlich höhere Dosis <strong>und</strong> damit ein größeres Risiko<br />

beschert.<br />

Externe Strahlenexposition<br />

Die äußere Strahlenexposition stammt aus ganz unterschiedlichen<br />

Quellen, die die Natur für uns bereithält. Neben<br />

157


der ionisierenden Strahlung, die von den in der Erdkruste<br />

vorhandenen radioaktiven Isotopen als so genannte ter-<br />

restrische Strahlung ausgeht, „prasseln“ ständig hochenergetische<br />

ionisierende Teilchen aus dem Weltraum als kosmische<br />

Strahlung auf uns nieder.<br />

- Kosmische Strahlung<br />

Entstehung<br />

Der Ursprung der Strahlung aus dem Weltall ist bislang noch<br />

nicht endgültig geklärt, wenngleich mehrere plausible Theorien<br />

angeboten werden können. Prinzipiell können Supernova-Explosionen<br />

als ihr Ursprung angesehen werden, bei<br />

denen durch den Gravitationskollaps große Energiemengen<br />

freigesetzt werden, doch können kosmische Magnetfelder<br />

geladene Teilchen ebenfalls auf beträchtliche Energien beschleunigen<br />

(aber auch abbremsen), wobei nach vielen derartigen<br />

Wechselwirkungen bei hochenergetischen Teilchen<br />

der Energiegewinn gegenüber dem -verlust durch Abbremsung<br />

überwiegt. Nach heutiger Vorstellung ist davon auszugehen,<br />

dass die kosmische Strahlung in unserer eigenen<br />

Galaxis, der Milchstraße, entsteht, lediglich der Ursprung<br />

sehr hochenergetischer Teilchen (� 10 17 eV) dürfte in fremden<br />

Galaxien (schwarze Löcher, Neutronensterne, Quasare)<br />

zu finden sein.<br />

Unsere Sonne leistet nur einen geringen Beitrag zur kosmischen<br />

Strahlung, die wir auf der Erdoberfläche erleben. In<br />

unregelmäßigen Abständen werden bei Strahlungsausbrüchen<br />

auf der Sonne („solar flares“) geladene Teilchen mit<br />

Energien bis zu einigen GeV in den Weltraum geschleudert<br />

<strong>und</strong> führen einige Male im Jahr zu einer kurzfristig messbaren<br />

Dosisleistungserhöhung in den unteren Atmosphärenschichten.<br />

Wenngleich solche Eruptionen für uns auf der Erde<br />

vernachlässigbar sind, da die Erdatmosphäre sehr gut<br />

gegen diese relativ niederenergetischen Teilchen schützt, so<br />

können sie in den äußeren Atmosphärenschichten kurzfristig<br />

die Flussdichte um mehr als das H<strong>und</strong>ertfache ansteigen<br />

lassen <strong>und</strong> für die Kosmonauten im freien Weltraum ohne<br />

jeglichen Schutz durch die Atmosphäre ernste Probleme bereiten.<br />

158


Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass<br />

magnetische „Stürme“ auf der Sonnenoberfläche zusammen<br />

mit dem Erdmagnetfeld die Erde gegen niederenergetische<br />

Nukleonen aus dem Kosmos abschirmen <strong>und</strong> die galaktische<br />

Strahlung kurzfristig verringern können. Allerdings ist<br />

dieser Effekt für uns zwar messbar aber ohne größere Bedeutung.<br />

Abb. 4.8 lässt auch erkennen, dass die Sonnenaktivität<br />

(etwa 11-jähriger Zyklus) die Dosis in Äquatorgegend<br />

selbst in typischer Flughöhe nicht mehr beeinflusst.<br />

1<br />

1<br />

Abb. 4.8 Zeitlicher Verlauf der Dosisleistung (effektive Dosis<br />

pro St<strong>und</strong>e) vergangener Jahrzehnte in 11,3 km Höhe für verschiedene<br />

geographische Breiten (mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung<br />

der AG3, Inst. f. Strahlenschutz, GSF)<br />

Primäre <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre kosmische Strahlung: Die Erdatmosphäre<br />

schwächt die kosmische Strahlung nicht nur, sie<br />

verändert sie auch, sodass die für die Strahlenexposition auf<br />

der Erdoberfläche verantwortliche sek<strong>und</strong>äre kosmische<br />

Strahlung keinesfalls identisch ist mit der primären kosmischen<br />

Strahlung, die vom Weltall auf die oberen Atmosphärenschichten<br />

trifft.<br />

Die primäre kosmische Strahlung aus dem Weltraum besteht<br />

überwiegend aus energiereichen Protonen (bis zu 10 14<br />

MeV), weiters aus Heliumkernen (etwas mehr als 10 %) <strong>und</strong><br />

zu einem kleineren Anteil aus schwereren Kernen, Elektronen<br />

<strong>und</strong> Photonen (Abb. 4.9). Die hochenergetischen Protonen<br />

<strong>und</strong> Kernteilchen aus dem Kosmos werden nicht nur<br />

159


über Ionisation <strong>und</strong> Anregung abgebremst, sondern erzeugen<br />

über die starke Wechselwirkung mit den Sauerstoff- <strong>und</strong><br />

Stickstoffkernen der Atmosphäre Sek<strong>und</strong>ärteilchenkaskaden<br />

einschließlich vieler kurzlebiger Elementarteilchen, mit einem<br />

Maximum in ungefähr 20 km Höhe (Pfotzer-Maximum).<br />

In den oberen Atmosphärenschichten tragen vornehmlich<br />

Protonen <strong>und</strong> Neutronen zur effektiven Dosis bei, in Meereshöhe<br />

hingegen vorwiegend Myonen.<br />

Abb. 4.9 Beiträge der Komponenten der kosmischen Strahlung<br />

zur effektiven Dosis in unterschiedlichen Höhen der Atmosphäre<br />

in Äquatorgegend bei Minimum der Sonnenaktivität (mit<br />

fre<strong>und</strong>licher Genehmigung der AG3, Inst. f. Strahlenschutz, GSF)<br />

Auf Meeresniveau liefert die kosmische Strahlung eine<br />

effektive Dosis von etwa 0,3 mSv pro Jahr. In größeren<br />

Höhen steigt der Beitrag zur effektiven Dosis durch die erwähnten<br />

Teilchenkaskaden merklich an, in typischen Flughöhen<br />

von 10 bis 12 Kilometern auf etwa das H<strong>und</strong>ertfache<br />

(Abb. 4.10).<br />

160


Abb. 4.10 Höhenabhängigkeit der Ortsdosisleistung durch<br />

kosmische Strahlung<br />

Abb. 4.11 Weltübersichtskarte der Dosisleistung (effektive Dosis<br />

pro St<strong>und</strong>e) in 11,3 km Höhe (April 2005) (mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Genehmigung der AG3, Inst. f. Strahlenschutz, GSF)<br />

Aus Abb. 4.11 ist deutlich zu erkennen, dass die Dosis neben<br />

der Flughöhe maßgeblich durch die geographische<br />

Breite mitbestimmt wird, was den Einfluss des Erdmagnetfeldes<br />

auf die geladenen Teilchen der primären kosmischen<br />

161


Strahlung widerspiegelt. Aufgr<strong>und</strong> der Form des Erdmagnetfeldes<br />

(siehe Abb. 4.12) werden die geladenen Teilchen der<br />

kosmischen Strahlung, die in Polgegend annähernd parallel<br />

zu den Magnetfeldlinien auf die Erde niederprasseln, viel<br />

weniger abgelenkt als Teilchen, die in Äquatorgegend weitgehend<br />

senkrecht zu den Feldlinien fliegen. Dank der Erdatmosphäre<br />

ist dieser Einfluss auf die Dosis in Meereshöhe<br />

nur gering, für typische Flughöhen liest man hingegen aus<br />

Abb. 4.11 eine etwa 3 mal höhere Dosis für Flüge in Polargegend<br />

gegenüber der Äquatorregion ab, was einem etwa<br />

100fachen bzw. 30fachen Dosisleistungsanstieg verglichen<br />

mit dem Beitrag auf der Erdoberfläche entspricht.<br />

Abb. 4.12 Schematische Darstellung des Magnetfelds der Erde<br />

Dieser Unterschied macht sich in der folgenden Abb. im Vergleich<br />

der Dosiswerte mit der Flugdauer der jeweiligen<br />

Flugrouten deutlich bemerkbar. Individuelle Flugdosen können<br />

mit einer von der GSF kostenlos zur Verfügung gestellten<br />

Online-Version von EPCARD (European Program Pack-<br />

age for the Calculation of Aviation Route Doses) berechnet<br />

werden unter: www.gsf.de/epcard.<br />

Für die Strahlenexposition des Flugpersonals ist das<br />

vorwiegend durch die sek<strong>und</strong>äre kosmische Strahlung bedingte<br />

Strahlungsfeld in etwa 10 bis 14 Kilometer Höhe ausschlaggebend.<br />

Während die daraus resultierende Dosis für<br />

162


Abb. 4.13 Vergleich von effektiver Dosis <strong>und</strong> Dauer für Flüge<br />

von München oder Frankfurt(*) zu ausgewählten Zielen auf<br />

dem jeweils kürzesten Weg in 11,3 km Flughöhe; Steig- <strong>und</strong><br />

Sinkflug sind mit je 30 min berücksichtigt (mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung<br />

der AG3, Inst. f. Strahlenschutz, GSF)<br />

einzelne Flüge verglichen mit der Jahresdosis der natürlichen<br />

Strahlenexposition von insgesamt etwa 2,1 Millisievert<br />

im allgemeinen bedeutungslos ist (Abb. 4.13), ist sie für das<br />

fliegende Personal mit vielen Flugst<strong>und</strong>en als berufliche<br />

Strahlenexposition durchaus zu berücksichtigen. Als obere<br />

Abschätzung der jährlichen Strahlenexposition des Flugpersonals<br />

gibt das B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz einen Wert<br />

von etwa 8 mSv effektive Dosis an, wenn ausschließlich<br />

Flüge auf der Nordatlantik-Route angenommen werden <strong>und</strong><br />

die maximal zulässige Arbeitszeit von 1.000 Flugst<strong>und</strong>en<br />

jährlich voll ausgenutzt wird.<br />

- Kosmogene Radionuklide<br />

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass durch die Wechselwirkung<br />

der kosmischen Strahlung mit der Atmosphäre auch<br />

radioaktive Nuklide gebildet werden, deren Inkorporation<br />

ebenfalls zu einer geringen Strahlenexposition führt. In der<br />

folgenden Tabelle sind einige dieser Radionuklide mit ihren<br />

Halbwertzeiten angeführt.<br />

163


Radionuklid Halbwertzeit Radionuklid Halbwertzeit<br />

Tritium (H-3) 12,3 Jahre<br />

Silizium-32<br />

(Si-32)<br />

101 Jahre<br />

Beryllium-7<br />

(Be-7)<br />

53,3 Tage<br />

Phosphor-<br />

32 (P-32)<br />

14,3 Tage<br />

Beryllium-10<br />

(Be-10)<br />

1,6 � 10 6<br />

Jahre<br />

Argon-39<br />

(Ar-39)<br />

269 Jahre<br />

Kohlenstoff-<br />

14 (C-14)<br />

5730 Jahre<br />

Krypton-81<br />

(Kr-81)<br />

2,1 � 10 5<br />

Jahre<br />

Natrium-22<br />

(Na-22)<br />

2,6 Jahre<br />

Krypton-85<br />

(Kr-85)<br />

10,7 Jahre<br />

Tab. 4.1 Kosmogene Radionuklide<br />

Für die Strahlenexposition des Menschen sind die kos-<br />

mogenen Radionuklide mit einem Gesamtbeitrag von ca.<br />

15 µSv effektive Dosis pro Jahr von untergeordneter Bedeutung.<br />

Der größte Beitrag geht auf Kohlentstoff-14 zurück (ca.<br />

12 µSv/a), gefolgt von Beryllium-7, welches für eine effektive<br />

Dosis von etwa 3 µSv pro Jahr verantwortlich ist.<br />

- Terrestrische Strahlung<br />

Die Erdkruste enthält eine Vielzahl natürlicher radioaktiver<br />

Stoffe, von denen die meisten einer der drei Zerfallsreihen<br />

entstammen, deren Anfangsglieder eine dem Alter des Sonnensystems<br />

vergleichbar lange Halbwertzeit �1/2 besitzen:<br />

Uran/Radium-Reihe<br />

(Muttersubstanz U-238; �1/2 = 4,5 Mrd. Jahre)<br />

Uran/Actinium-Reihe<br />

(Muttersubstanz U-235; �1/2 = 0,7 Mrd. Jahre)<br />

Thorium-Reihe<br />

(Muttersubstanz Th-232; �1/2 = 14 Mrd. Jahre)<br />

Diese langlebigen Nuklide sind somit noch immer in unserer<br />

Erdkruste vorhanden, andererseits entstehen durch ihre<br />

Umwandlung (radioaktiver Zerfall) ständig weitere, oft viel<br />

kurzlebigere Radionuklide, die in unserer Erdkruste ebenfalls<br />

als natürliche Radionuklide zu finden sind.<br />

Außer den Radionukliden der natürlichen Zerfallsreihen sind<br />

noch mehrere primordiale Radionuklide (Radionuklide, die<br />

164


ei der Bildung der irdischen Materie entstanden <strong>und</strong> heute<br />

noch vorhanden sind) mit zum Teil extrem langen Halbwertzeiten<br />

anzutreffen, von denen dem Kalium-40 im Hinblick<br />

auf die Strahlenexposition des Menschen die größte Bedeutung<br />

zukommt.<br />

Nuklid<br />

K-40<br />

V-50<br />

Ge-76<br />

Se-82<br />

Rb-87<br />

Zr-96<br />

Mo-100<br />

Cd-113<br />

Halbwertzeit<br />

Jahre<br />

1,3 �<br />

10 9<br />

1,4 �<br />

10 17<br />

1,5 �<br />

10 21<br />

1,0 �<br />

10 20<br />

4,8 �<br />

10 10<br />

3,9 �<br />

10 19<br />

1,2 �<br />

10 19<br />

9,0 �<br />

10 15<br />

Nuklid<br />

Cd-116<br />

In-115<br />

Te-123<br />

Te-128<br />

Te-130<br />

La-138<br />

Nd-144<br />

Nd-150<br />

Halbwertzeit<br />

Jahre<br />

2,6 �<br />

10 19<br />

4,4 �<br />

10 14<br />

1,2 �<br />

10 13<br />

7,2 �<br />

10 24<br />

2,7 �<br />

10 21<br />

1,1 �<br />

10 11<br />

2,3 �<br />

10 15<br />

1,7 �<br />

10 19<br />

Tab. 4.2 Primordiale Radionuklide (aus /KOE-06/)<br />

Nuklid<br />

Sm-147<br />

Sm-148<br />

Gd-152<br />

Lu-176<br />

Hf-174<br />

Ta-180<br />

Re-187<br />

Os-186<br />

Pt-190<br />

Halbwertzeit<br />

Jahre<br />

1,1 �<br />

10 11<br />

7,0 �<br />

10 15<br />

1,1 �<br />

10 14<br />

2,6 �<br />

10 10<br />

2,0 �<br />

10 15<br />

1,2 �<br />

10 10<br />

5,0 �<br />

10 10<br />

2,0 �<br />

10 15<br />

6,5 �<br />

10 11<br />

Die unterschiedliche Aktivitätskonzentration im Boden bedingt<br />

regionale Schwankungen der Strahlenexposition. Die<br />

folgende Abbildung (Abb. 4.14) gibt eine Übersicht über die<br />

mittlere Gamma-Ortsdosisleistung für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland einschließlich des Beitrags der kosmischen<br />

Strahlung. Die üblichen Werte für Norddeutschland liegen<br />

zwischen 0,5 <strong>und</strong> 0,9 mSv/Jahr, während die Spitzenwerte<br />

in den Mittelgebirgen bis zu 2 mSv/Jahr betragen <strong>und</strong> im<br />

weltweiten Vergleich mit Spitzenwerten von etwa 50 mSv/a<br />

165


in Kerala (Indien), 180 mSv/a in Esperito Santo (Brasilien)<br />

bzw. über 800 mSv/a in Ramsar (Iran) noch relativ günstig<br />

liegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil durch<br />

kosmische Strahlung (Jahresdosis in Meereshöhe ca.<br />

0,3 mSv) sich alle 1.500 Höhenmeter etwa verdoppelt. In<br />

unseren Breiten kann man von einer mittleren Strahlen-<br />

exposition von etwa 0,4 mSv effektive Dosis pro Jahr infolge<br />

der terrestrischen Strahlung ausgehen.<br />

Abb. 4.14 Übersicht über die mittlere Gamma-Ortsdosisleistung<br />

in Deutschland (aus /BMU-04/).<br />

166


Interne Strahlenexposition<br />

- Das radioaktive Edelgas Radon<br />

Im Rahmen der natürlichen Zerfallsreihen entstehen als Zerfallsprodukte<br />

auch die radioaktiven Isotope Radon-222<br />

(Halbwertzeit: 3,8 Tage), Radon-220 (Halbwertzeit 55,6 Sek<strong>und</strong>en)<br />

<strong>und</strong> Radon-219 (Halbwertzeit: 3,96 Sek<strong>und</strong>en), die<br />

als Edelgas aus dem Erdboden in die Luft freigesetzt <strong>und</strong><br />

eingeatmet werden <strong>und</strong> zu einer nicht unbeträchtlichen Teilkörperexposition<br />

der Lungen führen können. Wegen der größeren<br />

Halbwertzeit trägt besonders das Radon-222 mit seinen<br />

kurzlebigen Folgeprodukten Polonium-218, Blei-214<br />

<strong>und</strong> Polonium-214 zur Strahlenexposition des Menschen bei<br />

<strong>und</strong> ist für den größten Beitrag zur natürlichen Strahlenexposition<br />

verantwortlich. Jedoch sind auch die Beiträge des<br />

Radon-220 nicht ganz zu vernachlässigen. Der Zerfall des<br />

Radons selbst verursacht den geringeren Teil der Strahlenexposition,<br />

den deutlich größeren Teil liefern seine kurzlebigen<br />

Folgeprodukte.<br />

Als Anhaltspunkt zur Einschätzung geologisch bedingter Gefährdung<br />

durch zu hohe Radonexposition kann die Radonkonzentration<br />

in der Bodenluft gesehen werden, deren regionale<br />

Verteilung für Deutschland in folgender Übersichtskarte<br />

(Abb. 4.15) dargestellt ist.<br />

Die Radonkonzentration in der Raumluft hängt maßgeblich<br />

davon ab, wie viel Radon aus dem Boden austreten kann<br />

<strong>und</strong> zeigt große regionale <strong>und</strong> zeitliche Schwankungen nicht<br />

nur infolge Unterschieden der geologischen Verhältnisse,<br />

sondern auch der Bausubstanz (Abdichtung des Kellers gegen<br />

das Erdreich) als auch der Lüftungsgewohnheiten. Hinzu<br />

kommen jahreszeitlich <strong>und</strong> klimatisch bedingte Schwankungen.<br />

In Deutschland sind erhöhte Radonkonzentrationen in Gebäuden<br />

vornehmlich auf eine erhöhte Radonfreisetzung aus<br />

dem Untergr<strong>und</strong> zurückzuführen, Baumaterialien sind hier<br />

zu Lande selten die Ursache einer erhöhten Radonkon-<br />

zentration. Damit kommt in geologisch belasteten Gebieten,<br />

wo vor allem Kellerwohnungen, Souterrain-Wohnungen, in<br />

geringerem Maße auch Wohnungen im Erdgeschoss betroffen<br />

sind, der Abdichtung des Kellers gegen das Erdreich be-<br />

167


Abb. 4.15 Übersichtskarte der regionalen Verteilung der Radonkonzentration<br />

in der Bodenluft für Deutschland (Kemski &<br />

Partner 2004)<br />

sondere Bedeutung zu. In höher gelegenen Wohnungen<br />

(Hochhäuser), in denen die Radonkonzentration durch den<br />

Beitrag der Baumaterialien bestimmt wird, ist im Mittel mit<br />

einer Radonaktivitätskonzentration von 30 Bq/m 3 zu rechnen.<br />

168


Eine besondere Situation ergibt sich in einigen Gebieten, wo<br />

durch hohe Permeabilität des Untergr<strong>und</strong>es (Sand- oder<br />

Schotterböden) hohe Radonmengen freigesetzt werden<br />

bzw. in Bergbaugebieten über Klüfte <strong>und</strong> Risse im Deckgebirge<br />

Grubenwetter mit sehr hoher Radonkonzentration<br />

auftreten <strong>und</strong> über Undichtigkeiten in die Gebäude gelangen<br />

können. So wurden in Gegenden mit Granit-haltigem<br />

Untergr<strong>und</strong> lokal Raumluftkonzentrationen von bis zu<br />

10.000 Bq/m 3 gemessen, in einzelnen Häusern in Uran-<br />

Bergbaugebieten kurzzeitig sogar mehr als 100.000 Bq/m 3 .<br />

Von untergeordneter Bedeutung für die Radonkonzentration<br />

in den meisten Haushalten hingegen ist das Radon, das<br />

im Wasser gelöst bei dessen Verwendung im Haushalt<br />

freigesetzt wird, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, da<br />

durch die Nutzung individueller Brunnen in Granitgebieten<br />

erhöhte Radon-Konzentrationen in Gebäuden auftreten<br />

können, ebenso wie generell in Anlagen der Wassergewinnung,<br />

<strong>und</strong> -aufbereitung.<br />

Will man die Radonkonzentration in der Wohnung bestimmen,<br />

so stehen mehrere Messverfahren zur Verfügung. Um<br />

über die erheblichen tageszeitlichen Schwankungen zu mitteln,<br />

die, abgesehen von Luftdruckschwankungen, in Wohnräumen<br />

primär auf die übliche Lüftung zurückgehen, sind integrierende<br />

Methoden erforderlich, die mindestens über<br />

mehrere Tage mitteln. Neben elektronischen Messgeräten<br />

sind als wichtige integrative <strong>und</strong> kostengünstige Messverfahren<br />

das track-etch-Verfahren, Elektrete <strong>und</strong> Aktivkohlenexposimeter<br />

zu nennen. Während als einer der Hauptvorteile<br />

des track-etch-Verfahrens lange Integrationszeiten bis zu<br />

einem Jahr <strong>und</strong> darüber hinaus anzuführen sind, ist als<br />

Nachteil anzusehen, dass Messperioden von ein bis zwei<br />

Wochen wegen zu geringer Empfindlichkeit bei üblichen<br />

Raumluftkonzentrationen nicht erreichbar sind. Hier setzen<br />

sowohl die Elektret-Ionisationskammer als auch die Aktivkohlenmethode<br />

mit ihrem Vorteil kurzer Integrationszeiten<br />

ein.<br />

Der b<strong>und</strong>esweite Jahresmittelwert der Radonkonzentration<br />

in Wohnräumen liegt bei ungefähr 50 Bq/m 3 Raumluft, die<br />

Mehrzahl der Messwerte liegt unter diesem Wert. Die Radonkonzentration<br />

im Freien ist etwa um einen Faktor 3 bis 5<br />

169


geringer, da das Radon dort nicht in geschlossenen Räumen<br />

„gefangen“ wird. Für den größten Teil Deutschlands<br />

liegen die Werte im Freien im Bereich von 5 bis 30 Bq/m 3 ,<br />

unter ungünstigen atmosphärischen Bedingungen wie bei<br />

Inversion in Tallagen wurden jedoch Spitzenwerte bis<br />

350 Bq/m 3 gemessen (vornehmlich in unmittelbarer Nähe<br />

von Abwetterschächten oder großflächigen Halden). Unter<br />

der Annahme, dass wir etwa 80 % unserer Zeit in Gebäuden<br />

verbringen, resultiert daraus eine mittlere jährliche effektive<br />

Dosis von etwas über 1 Millisievert.<br />

- Natürliche radioaktive Stoffe in der Nahrung<br />

Wie erwähnt, enthält unsere Erdkruste eine Vielzahl natür-<br />

licher radioaktiver Stoffe, die für die terrestrische Strahlung<br />

verantwortlich sind, von denen aber auch unser Nahrungskreislauf<br />

nicht verschont bleibt. Infolge dieser mit Nahrung<br />

<strong>und</strong> Trinkwasser aufgenommenen Radionuklide ist in<br />

Deutschland eine jährliche effektive Dosis im Bereich<br />

von 0,3 mSv zu erwarten, etwa 0,17 mSv davon ist dem<br />

primordialen Radionuklid Kalium-40 zuzuschreiben.<br />

Gesamte natürliche Strahlenexposition<br />

Die natürliche Umgebungsstrahlung bewirkt im Mittel für eine<br />

Person der Bevölkerung in Deutschland eine effektive<br />

Dosis von 2,1 mSv pro Jahr, vergleichbar mit dem weltweiten<br />

Mittelwert von 2,4 mSv/a. Weltweite Spitzenwerte liegen<br />

bei etwa 50 mSv/a in Kerala (Indien), 180 mSv/a in Esperito<br />

Santo (Brasilien) bzw. über 800 mSv/a in Ramsar (Iran).<br />

Den mit Abstand größten Beitrag in Deutschland mit mehr<br />

als 1 mSv effektive Dosis pro Jahr liefert die Inhalation des<br />

radioaktiven Edelgases Radon, gleichzeitig besitzt dieser<br />

Beitrag die größte Variationsbreite. Die übrigen Beiträge,<br />

bedingt durch kosmische Strahlung, terrestrische Strahlung<br />

<strong>und</strong> durch mit der Nahrung aufgenommene natürliche Radionuklide<br />

liegen jeweils etwa bei 0,3 bis 0,4 mSv pro Jahr<br />

effektive Dosis.<br />

170


4.3 Strahlenexposition aus zivilisatorischen<br />

Quellen<br />

Strahlenexposition in der Nähe kerntechnischer<br />

Anlagen<br />

Mehr als 98 % der gesamten Strahlenexposition durch den<br />

bestimmungsgemäßen Betrieb einer kerntechnischen Anlage<br />

werden von relativ wenigen Radionukliden verursacht.<br />

Für die Abschätzung der maximal möglichen Strahlenexposition<br />

in der Umgebung genügt daher im Regelfalle die Betrachtung<br />

der Nuklide in der nachfolgenden Zusammenstellung.<br />

Von den physikalischen Daten nach Seelmann-Eggebert<br />

1981 sind dabei nur die wichtigsten Zerfallsarten <strong>und</strong><br />

-energien angegeben (bei Betastrahlung jeweils die maximale<br />

Energie des Kontinuums), angeregte zwischenstabile<br />

Zustände sind nur aufgeführt, wenn sie radiologisch relevant<br />

sind. Kritische Organe sind in der Reihenfolge ihrer radiologischen<br />

Bedeutung angegeben.<br />

• Tritium (H 3)<br />

Beta-Strahlung 0,02 MeV;<br />

Tochternuklid: Helium-3 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit:12,3 Jahre,<br />

kritische Organe: Ganzkörper, Körperflüssigkeiten.<br />

• Kohlenstoff-14 (C 14)<br />

Beta-Strahlung 0,2 MeV;<br />

Tochternuklid: Stickstoff-14 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit: 5730 Jahre,<br />

kritisches Organ: Ganzkörper<br />

• Phosphor-32 (P 32)<br />

Beta-Strahlung 1,7 MeV;<br />

Tochternuklid: Schwefel-32 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit:14,3 Tage,<br />

kritische Organe: Knochen, Ganzkörper, Hirn, Leber.<br />

• Schwefel-35 (S 35)<br />

Beta-Strahlung 0,2 MeV;<br />

Tochternuklid: Chlor-35 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit: 87,5 Tage<br />

kritische Organe: Haut, Hoden, Knochen, Ganzkörper.<br />

171


• Kobalt-60 (Co 60)<br />

Beta-Strahlung 0,3 <strong>und</strong> 1,5 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 1,2 <strong>und</strong> 1,3 MeV;<br />

Tochternuklid: Nickel-60 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit: 5,27 Jahre,<br />

kritische Organe: Leber, Milz, Pankreas, Ganzkörper.<br />

• Krypton-85 (Kr 85)<br />

Beta-Strahlung 0,7 MeV,<br />

kaum Gamma-Strahlung;<br />

Tochernuklid: Rubidium-85 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit: 10,76 Jahre;<br />

keine Teilnahme am Stoffwechsel;<br />

kritische Organe: Haut (Submersion), Lunge, Blut, Fettgewebe,<br />

Ganzkörper (Inhalation).<br />

• Strontium-89 (Sr 89)<br />

Beta-Strahlung 1,5 MeV,<br />

kaum Gamma-Strahlung;<br />

Tochternuklid: Yttrium-89 (stabil).<br />

• Strontium-90 (Sr 90)<br />

Beta-Strahlung 0,5 MeV;<br />

Tochternuklid: Yttrium-90 (radioaktiv);<br />

physikalische Halbwertszeit: 50,5 Tage (Sr 89), 28,5 Jahre (Sr 90)<br />

kritische Organe: Knochen, Ganzkörper.<br />

• Yttrium-90 (Y 90)<br />

Beta-Strahlung 2,3 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,2 <strong>und</strong> 0,48 MeV,<br />

Tochternuklid des Strontium-90,<br />

physikalische Halbwertszeit: 61,1 St<strong>und</strong>en<br />

im Körper im Gleichgewicht mit Sr 90.<br />

• Ruthenium-103(Ru 103)<br />

Beta-Strahlung 0,2 <strong>und</strong> 0,7 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,5 <strong>und</strong> 0,61 MeV;<br />

Tochternuklid: Rhodium-103 (stabil).<br />

• Ruthenium-106 (Ru 106)<br />

Beta-Strahlung 0,04 MeV;<br />

Tochternuklid: Rhodium-106 (radioaktiv, phys. Halbwertszeit<br />

2,2 St<strong>und</strong>en)<br />

physikalisch Halbwertszeit: 39,35 Tage (Ru 103), 368 Tage<br />

(Ru 106)<br />

kritische Organe: Knochen, Ganzkörper, Nieren.<br />

Beta-Strahlung 0,2 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,04 MeV, Konversionselektronen;<br />

Tochternuklid: Xenon-129 (stabil).<br />

172


• Iod-131 (1131)<br />

Beta-Strahlung 0,6 <strong>und</strong> 0,8 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,28, 0,36 <strong>und</strong> 0,64 MeV;<br />

Tochternuklid: Xenon-131 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit: 15,7 Millionen Jahre (1129), 8 Tage<br />

(I 131)<br />

kritisches Organ: Schilddrüse.<br />

• Xenon-133(Xe133)<br />

Beta-Strahlung 0,3 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,08 MeV;<br />

Tochternuklid: Cäsium-133 (stabil);<br />

physikalisch Halbwertszeit: 5,25 Tage<br />

keine Teilnahme am Stoffwechsel;<br />

kritische Organe: Haut (Submersion), Lunge, Ganzkörper (Inhalation).<br />

• Cäsium-134(Cs134)<br />

Beta-Strahlung 0,7 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,6 <strong>und</strong> 0,79 MeV;<br />

Tochternuklid: Barium-134 (stabil).<br />

• Cäsium-137(Cs137)<br />

Beta-Strahlung 0,5 <strong>und</strong> 1,2 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,66 MeV aus dem angeregten Zustand des<br />

Tochternuklids (Barium-137m), das mit einer Halbwertszeit von<br />

2,55 Minuten in den Gr<strong>und</strong>zustand übergeht;<br />

Tochternuklid: Barium-137 (stabil);<br />

physikalische Halbwertszeit: 2,06 Jahre (Cs 134), 30,17 Jahre<br />

(Cs 137)<br />

kritische Organe: Ganzkörper, Muskel, Leber.<br />

• Cer-144(Ce144)<br />

Beta-Strahlung 0,3 MeV,<br />

Gamma-Strahlung 0,08 <strong>und</strong> 0,13 MeV;<br />

Tochternuklide: Zerfall über Praseodym-144 (Beta-Strahler, Halbwertszeit<br />

17,3 Minuten) zum Neodym-144, einem natürlich vorkommenden<br />

praktisch stabilen Alpha-Strahler (Halbwertszeit<br />

2,1 Billiarden Jahre);<br />

physikalische Halbwertszeit: 284,8 Tage<br />

kritische Organe: Knochen, Nieren, Ganzkörper, Leber.<br />

• Die Actinidenelemente<br />

wichtig sind besonders Plutonium, Neptunium, Americium <strong>und</strong><br />

Curium<br />

meist Alpha-Strahler.<br />

Kritische Organe: bei Inhalation Lunge, Lymphknoten <strong>und</strong><br />

Knochen, bei Ingestion Knochen, Leber <strong>und</strong> Lymphknoten.<br />

173


Aus den Daten über die Ableitung radioaktiver Stoffe mit<br />

Fortluft oder Abwasser aus kerntechnischen Anlagen lässt<br />

sich die Strahlenexposition der Bevölkerung in der Umgebung<br />

der Anlagen abschätzen. Dazu wird die Exposition für<br />

eine fiktive Referenzperson an den ungünstigsten Einwirkstellen<br />

gemäß Anlage VII, Teil A bis C der Strahlenschutzverordnung<br />

ermittelt, um sicherzustellen, dass der so ermittelte<br />

Referenzwert die reale Strahlenexposition von Einzelpersonen<br />

der Bevölkerung selbst im ungünstigsten Fall nicht<br />

unterschätzt. Für das Jahr 2004 wurden unter diesen Annahmen<br />

folgende Strahlenexpositionen in der Umgebung<br />

von Atomkraftwerken durch die Ableitung radioaktiver Stoffe<br />

mit der Fortluft oder mit dem Abwasser ermittelt *) (/BMU-<br />

04/):<br />

*) Werte < 0,1 µSv werden im Balkendiagramm als 0,1 µSv wieder-<br />

gegeben.<br />

Abb. 4.16 Strahlenexposition für das Jahr 2004 in der Umgebung<br />

von Kernkraftwerken durch Ableitung radioaktiver Stoffe<br />

mit der Fortluft für eine Referenzperson unter ungünstigsten<br />

Bedingungen (aus /BMU-04/)<br />

174


*)<br />

Werte < 0,1 µSv werden im Balkendiagramm als 0,1 µSv wiedergegeben.<br />

Abb. 4.17 Strahlenexposition für das Jahr 2004 in der Umgebung<br />

von Kernkraftwerken durch Ableitung radioaktiver Stoffe<br />

mit dem Abwasser für eine Referenzperson unter ungünstigsten<br />

Bedingungen (aus /BMU-04/)<br />

Die Abb. 4.16 <strong>und</strong> 4.17 zeigen als größten Wert für die effektive<br />

Jahresdosis 3 µSv für Erwachsene bzw. 5 µSv für<br />

Kleinkinder beim Kernkraftwerk Philippsburg, jeweils bedingt<br />

durch Ableitung radioaktiver Stoffe mit der Fortluft. Die entsprechenden<br />

Werte aus den Ableitungen radioaktiver Stoffe<br />

mit dem Abwasser sind meist geringer. Der größte daraus<br />

resultierende Wert der effektiven Dosis beträgt 1,3 µSv für<br />

Kleinkinder am Standort Emsland.<br />

Ähnliche Werte erhält man auch für einschlägige Forschungszentren,<br />

wobei für 2004 der höchste Referenzwert<br />

der effektiven Dosis infolge Ableitung radioaktiver Stoffe mit<br />

der Fortluft mit 5 µSv für Erwachsene bzw. 8 µSv für Kleinkinder<br />

für das Forschungszentrum Jülich angegeben wird.<br />

Für die Ableitung radioaktiver Stoffe über das Abwasser<br />

weist das Forschungszentrum Rossendorf mit 22 µSv effektive<br />

Dosis für Erwachsene den höchsten errechneten Wert<br />

der betrachteten Forschungszentren auf.<br />

175


Für die Kernbrennstoff verarbeitenden Betriebe in Deutschland<br />

wird für 2004 als ungünstigster Referenzwert der effektiven<br />

Dosis infolge Ableitung radioaktiver Stoffe mit der Fortluft<br />

3 µSv für Kleinkinder bzw. 1 µSv für Erwachsene beim<br />

Betrieb NUKEM in Hanau angegeben. Die durch Ableitungen<br />

von Alphastrahlern mit dem Abwasser bedingten Werte<br />

lagen in diesen Fällen jeweils bei weniger als 0,1 µSv effektive<br />

Dosis.<br />

Für das Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben führt die<br />

Ableitung radioaktiver Stoffe mit der Abluft im Jahr 2004 unter<br />

den erwähnten ungünstigen Annahmen zu einer effektiven<br />

Dosis von 0,2 µSv für eine erwachsene Referenzperson,<br />

für Kleinkinder (Altersgruppe 1 bis 2 Jahre) bzw. für mit<br />

Muttermilch ernährte Säuglinge liegen die Werte bei 0,4<br />

bzw. 1,2 µSv pro Jahr. Die entsprechenden Werte infolge<br />

Ableitung mit dem Abwasser liegen in allen diesen Fällen<br />

unter 0,1 µSv pro Jahr.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Strahlenexposition<br />

durch reguläre Ableitungen radioaktiver Stoffe<br />

aus kerntechnischen Anlagen weniger als 10 µSv effektive<br />

Dosis pro Jahr für die Bewohner in der Nähe der Anlagen<br />

beträgt <strong>und</strong> damit deutlich kleiner ist als es der Schwankungsbreite<br />

der natürlichen Strahlenexposition in Deutschland<br />

entspricht.<br />

Strahlenexposition durch den Reaktorunfall von<br />

Tschernobyl<br />

Die Strahlenexposition durch die beim Reaktorunfall in<br />

Tschernobyl in Deutschland deponierten Radionuklide rührt<br />

heute fast ausschließlich von Cäsium-137 mit 30 Jahren<br />

Halbwertzeit her, die Radionuklide mit kürzerer Halbwertzeit<br />

sind schon weitgehend zerfallen. Das B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz<br />

kalkuliert mit einer externen Strahlenexposition<br />

von etwa 10 µSv effektive Dosis für das Jahr 2004 durch<br />

das im Boden deponierte Cs-137. Die Abschirmwirkung der<br />

Wände bei Aufenthalt in Gebäuden ist in dieser Abschätzung<br />

bereits berücksichtigt.<br />

Zur Abschätzung der Dosis infolge des mit der Nahrung aufgenommenen<br />

Cs-137 (Ingestion) wurden in Deutschland<br />

176


verzehrsfertige Menüs aus Kantinen, Heimen, Gaststätten<br />

<strong>und</strong> Krankenhäusern hinsichtlich ihres Aktivitätsgehalts vermessen.<br />

Mit knapp 1,5 µSv effektive Dosis pro Jahr ist dieser<br />

Beitrag vergleichsweise gering. In Gebieten mit höherer<br />

Radionukliddeposition nach dem Unfall, wie man sie südlich<br />

der Donau findet, können diese Werte bis zu einer Größenordnung<br />

höher sein. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick<br />

über den zeitlichen Verlauf der mittleren effektiven Dosis<br />

in Deutschland durch den Reaktorunfall in Tschernobyl.<br />

Jahr Strahlenexposition<br />

extern<br />

(mSv/a)<br />

Strahlenexposition<br />

intern<br />

(mSv/a)<br />

gesamte<br />

Strahlenexposition<br />

1986 ca. 0,07 a) ca. 0,04 b) ca. 0,11<br />

1987 ca. 0,03 ca. 0,04 c) ca. 0,07<br />

1988 ca. 0,025 ca. 0,015 d) ca. 0,04<br />

1989 ca. 0,02 ca. 0,01 ca. 0,03<br />

1990 ca. 0,02 < 0,01 ca. 0,025<br />

1991-<br />

1993<br />

< 0,02 < 0,01 ca. 0,02 e)<br />

1994 < 0,02 < 0,01 < 0,02<br />

1995-<br />

1999<br />

< 0,015 < 0,001 < 0,02<br />

2000-<br />

2003<br />

< 0,01 0,001 < 0,015<br />

Tab. 4.3 Mittlere effektive Dosis durch den Reaktorunfall in<br />

Tschernobyl für Erwachsene in Deutschland in verschiedenen<br />

Zeiträumen (aus /BMU-03/)<br />

a) Im Münchner Raum um etwa den Faktor 4, im Berchtesgadener<br />

Raum um etwa den Faktor 10 höher; dies<br />

gilt in etwa auch für die folgenden Jahre<br />

b) In Bayern um etwa den Faktor 4, in Südbayern um etwa<br />

den Faktor 6 höher<br />

c) In Bayern um etwa den Faktor 3, in Südbayern um etwa<br />

den Faktor 6 höher<br />

d) Die regionalen Unterschiede sind nicht mehr so stark<br />

ausgeprägt wie in den Vorjahren<br />

e) Die mittlere effektive Dosis wird ab 1991 fast ausschließlich<br />

durch die Bodenstrahlung des deponierten<br />

Cs-137 verursacht<br />

177


Für einzelne Personen kann die individuelle Dosis insbesondere<br />

im südbayerischen Raum nach wie vor die in der<br />

Tabelle angegebenen Werte beträchtlich überschreiten. So<br />

wurden auch 2003 in einzelnen Nahrungsmitteln wie Blütenhonig,<br />

Waldbeeren oder Pilzen Cäsium-137-Aktivitäten von<br />

einigen h<strong>und</strong>ert Becquerel pro Kilogramm Frischmasse<br />

nachgewiesen, der Mittelwert von im Rahmen eines BMU-<br />

Forschungsvorhabens analysierten 45 Wildschweinproben<br />

aus dem Bayerischen Wald lag sogar bei 3.900 Bq/kg Muskelfleisch,<br />

wobei Werte über 600 Bq/kg nicht mehr verkehrsfähig<br />

sind. Der Verzehr eines Nahrungsmittels mit einer Aktivität<br />

von 1.000 Becquerel Cs-137 würde zu einer effektiven<br />

Dosis von etwa 13 Mikrosievert insgesamt führen (d.h. auf<br />

die gesamte Lebenszeit hochgerechnet).<br />

Der Strontium-90-Gehalt der Nahrungsmittel blieb in letzter<br />

Zeit ziemlich konstant <strong>und</strong> verursachte eine effektive Dosis<br />

von ca. 2 µSv pro Jahr, wobei dieses Radionuklid zu mehr<br />

als 90 Prozent aus oberirdischen Kernwaffenversuchen der<br />

Fünfziger <strong>und</strong> Sechziger Jahre stammt <strong>und</strong> nur zu einem<br />

kleinen Teil aus dem Reaktorunfall von Tschernobyl.<br />

Strahlenexposition durch den Transport von radioaktiven<br />

Stoffen (Castor)<br />

Der Transport von radioaktiven Stoffen unterliegt strengen<br />

Bestimmungen hinsichtlich der zulässigen Strahlenexposition<br />

sowohl für die Bevölkerung als auch für das Begleitpersonal.<br />

Abgebrannte Brennelemente aus einem Kernreaktor,<br />

die in eine Zwischen- oder Endlagerstätte bzw. in eine Wiederaufbereitungsanlage<br />

transportiert werden, stellen die am<br />

stärksten emittierenden radioaktiven Frachten dar. Ihr<br />

Transport erfolgt in speziell konstruierten unfallsicheren<br />

Transportbehältern (z. B. CASTOR – Cask for Storage and<br />

Transport of Radioactive Material), die extremen mechanischen<br />

<strong>und</strong> thermischen Belastungen standhalten <strong>und</strong> strengen<br />

Sicherheitsanforderungen genügen müssen. Weiters<br />

darf in zwei Metern Abstand von der Fahrzeugoberfläche die<br />

Dosisleistung 0,1 mSv effektive Dosis pro St<strong>und</strong>e nicht überschreiten,<br />

wobei die tatsächlich gemessenen Werte in<br />

der Regel eine Größenordnung unter diesem Grenzwert lagen.<br />

In umfangreichen Messkampagnen wurde die Personendosis<br />

von mehr als 1.000 Personen der Polizei- <strong>und</strong> Si-<br />

178


cherheitskräfte während ihres Einsatzes bei CASTOR-<br />

Transporten ermittelt, keiner der Messwerte fand sich oberhalb<br />

der Nachweisgrenze des Personendosimeters von<br />

0,1 mSv. Lediglich bei Dosimetern, die einige St<strong>und</strong>en direkt<br />

an der Oberfläche des Containers fixiert waren, wurden<br />

Werte über der Nachweisgrenze registriert.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass nach bisher<br />

vorliegenden Ergebnissen <strong>und</strong> Sicherheitsanalysen<br />

beim Transport von radioaktiven Brennelementen keine nennenswerten<br />

Strahlenexpositionen für die polizeilichen Sicherheitskräfte<br />

oder die Bevölkerung aufgetreten sind <strong>und</strong><br />

die Dosen für alle Beteiligten deutlich unter den vorgeschriebenen<br />

Grenzwerten lagen.<br />

Strahlenexposition durch Quellen in Industrie, Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Medizin<br />

In der Industrie kommen vor allem umschlossene radioaktive<br />

Quellen als auch Röntgenanlagen oder Beschleuniger<br />

zum Einsatz. Laut UNSCEAR /UNS-00/ ist die Strahlenexposition<br />

für die Beschäftigten generell gering. Im Folgenden<br />

sollen einige Anwendungsgebiete genannt werden.<br />

- Bestrahlungsanlagen<br />

Besonders hohe Dosen sind zur Sterilisation von medizinischen<br />

<strong>und</strong> pharmazeutischen Produkten erforderlich. Meist<br />

werden in Gamma-Bestrahlungsanlagen 60 Co- oder 137 Cs-<br />

Quellen verwendet, wobei die Bestückung der Anlagen wegen<br />

der extremen Dosen in unmittelbarer Umgebung der<br />

Quellen unter ganz speziellen Abschirm- <strong>und</strong> red<strong>und</strong>ant<br />

ausgelegten Sicherheitseinrichtungen zu erfolgen hat. Der<br />

Betrieb selbst benötigt nur wenig Bedienpersonal, die Strahlenexposition<br />

ist niedrig.<br />

- Zerstörungsfreie Materialprüfung<br />

Die zerstörungsfreie Materialprüfung verwendet sowohl umschlossene<br />

radioaktive Quellen als auch Röntgenanlagen.<br />

Spezielle Sicherheitsvorschriften <strong>und</strong> Schutzmaßnahmen<br />

gewährleisten bei korrekter Handhabung, dass die Strahlenexposition<br />

des Personals sowohl bei fest installierten Anlagen<br />

als auch beim variablen Einsatz auf Bau- oder Monta-<br />

179


gestellen im üblichen niedrigen Dosisbereich für beruflich<br />

strahlenexponierte Personen liegt.<br />

- Leuchtziffern (Lumineszenz)<br />

Radioaktive Stoffe in Lumineszenzmaterialien für Leuchtziffern<br />

stellen eine der ältesten Anwendungsgebiete ionisierender<br />

Strahlung dar. Im Gegensatz zu früher, als man Radium<br />

unter absolut unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen<br />

gehandhabt hat, trägt dieser Industriezweig heute kaum<br />

noch zur Strahlenexposition des Personals bei. Meist verwendet<br />

man Tritium-haltige Leuchtfarben oder Tritium als<br />

Gas eingeschlossen in mit phosphoreszierendem Material<br />

ausgekleidetem Glas, die jedoch im Konsum-Bereich in<br />

Deutschland nicht zugelassen sind.<br />

- Radioisotope – Produktion <strong>und</strong> Versand<br />

Radioisotope finden in vielen Industriezweigen Anwendung,<br />

zum Beispiel für Füllstands- oder Schichtdickenmessungen<br />

oder zur Präzisionsuntersuchung des Verschleißes von Maschinenteilen<br />

nach radioaktiver Markierung ihrer Oberfläche.<br />

Die Strahlenexposition der in Produktion <strong>und</strong> Versand Beschäftigten<br />

stammt größtenteils von außen, in Einzelfällen<br />

ist die Inkorporation von Radionukliden von Bedeutung.<br />

- Bohrlochmessungen („Well Logging“)<br />

Für geophysikalische Bohrlochmessungen kommen sowohl<br />

Gammastrahler als auch Neutronenquellen zum Einsatz.<br />

Wenngleich für dieses Einsatzgebiet keine detaillierten Angaben<br />

der Einzeldosen vorliegen, kann der Beitrag zur von<br />

der Industrie verursachten Strahlenexposition auf weniger<br />

als 10 % geschätzt werden. /UNS-00/<br />

- Beschleuniger<br />

Der Hauptbeitrag zur Strahlenexposition von Beschleunigern<br />

im Forschungsbereich entstammt den Aktivierungsprodukten<br />

in der unmittelbaren Umgebung der Targets. Die größten<br />

Dosen treten bei der Wartung, Reparatur oder bei Umbauten<br />

der Anlagen auf.<br />

- Medizinische Strahlenexposition<br />

Betrachtet man die im medizinischen Bereich applizierte<br />

Dosis, so muss man zweifelsfrei die Strahlentherapie an erster<br />

Stelle nennen. Die Anwendung der Strahlentherapie be-<br />

180


schränkt sich auf einen kleinen, schwer erkrankten Teil der<br />

Bevölkerung *) mit dem Ziel, durch hohe Dosen im Tumorbereich<br />

die bösartig veränderten Zellen zu zerstören. Da bei<br />

derart hohen Dosen eindeutig die deterministische Wirkung<br />

im Vordergr<strong>und</strong> steht, verliert das Konzept der effektiven<br />

Dosis, das ausschließlich auf stochastische Schäden abzielt,<br />

seine Gültigkeit. Eine Mittelung der therapeutisch verabreichten<br />

Dosen über die Gesamtbevölkerung ist daher<br />

nicht geeignet, die therapeutische Strahlenexposition zu<br />

charakterisieren.<br />

Dies gilt nicht für die Anwendung ionisierender Strahlung im<br />

Rahmen der Diagnostik. Für Röntgenuntersuchungen oder<br />

in der nuklearmedizinischen Diagnostik kann man aus der<br />

effektiven Dosis einen vernünftigen Anhaltspunkt zum Vergleich<br />

der strahlenbedingten Risiken ableiten. Der entscheidende<br />

Vorteil der effektiven Dosis besteht zweifelsfrei darin,<br />

Teilkörperexpositionen mit unterschiedlichen Expositionsbedingungen,<br />

wie sie in der Röntgen- oder nuklearmedizinischen<br />

Diagnostik vorliegen, mit einer Dosisangabe charakterisieren<br />

<strong>und</strong> hinsichtlich des Risikos vergleichen zu können,<br />

wenngleich das Konzept der effektiven Dosis nicht vorbehaltlos<br />

anzuwenden ist. So kann das Konzept nicht den<br />

mitunter für den Behandlungserfolg entscheidenden Nutzen<br />

der jeweiligen Untersuchung berücksichtigen. Ebenso findet<br />

die unterschiedliche Altersverteilung von medizinisch strahlenexponierten<br />

Patienten <strong>und</strong> der Gesamtbevölkerung im<br />

Konzept der effektiven Dosis keine Entsprechung, genauso<br />

wie die Tatsache, dass viele (oft dosisintensive) Untersuchungen<br />

vornehmlich schwer kranke Personen betreffen, für<br />

die das strahlenbedingte Krebsmortalitätsrisiko angesichts<br />

ihres krankheitsbedingten Sterberisikos <strong>und</strong> der langen Latenzzeiten<br />

bis zum Auftreten der meisten Malignome deutlich<br />

geringer ist als bei der gleichen Altersgruppe der Normalbevölkerung.<br />

Diese Aspekte dürfen insbesondere beim<br />

Vergleich der auf die Gesamtbevölkerung umgelegten Do-<br />

*) In Deutschland werden etwa 220.000 Personen jährlich mit ionisierender<br />

Strahlung behandelt, ca. 20.000 davon durch Brachytherapie<br />

(Bezugsjahr 2001)<br />

181


sen der medizinischen Strahlenexposition <strong>und</strong> der natürlichen<br />

Umgebungsstrahlung nicht unbeachtet bleiben.<br />

Der folgenden Tabelle 4.4 sind typische Dosiswerte für häufige<br />

Röntgenuntersuchungen zu entnehmen. Die Werte beziehen<br />

sich auf einen Standardpatienten von 70 kg ± 5 kg,<br />

dickere Patienten haben bei Untersuchungen im Körperstammbereich<br />

mit höheren Dosen zu rechnen, entsprechend<br />

einer Halbwertschichtdicke von etwa 3 cm bezogen auf<br />

Weichteilgewebe <strong>und</strong> typische <strong>Röntgenstrahlen</strong>qualitäten im<br />

Diagnostikbereich.<br />

Untersuchungsart Effektive<br />

Dosis [mSv]<br />

Untersuchungen mit Röntgenaufnahmen<br />

Zahnaufnahme � 0,01<br />

Extremitäten (Gliedmaßen) 0,01–0,1<br />

Schädelaufnahme 0,03–0,1<br />

Halswirbelsäule in 2 Ebenen 0,1–0,2<br />

Brustkorb (Thorax), 1 Aufnahme 0,02–0,08<br />

Mammographie beidseits in je 2 Ebenen 0,2–0,6<br />

Brustwirbelsäule in 2 Ebenen 0,5–0,8<br />

Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen 0,8–1,8<br />

Beckenübersicht 0,5–1,0<br />

Bauchraum (Abdomenübersicht) 0,6–1,1<br />

Röntgenuntersuchungen mit Aufnahmen <strong>und</strong> Durchleuchtung<br />

Magen 6–12<br />

Darm (Dünndarm bzw. Kolonkontrast-<br />

10–18<br />

einlauf)<br />

Galle 1–8<br />

Harntrakt 2–5<br />

Bein-Becken-Phlebographie 0,5–2<br />

Arteriographie <strong>und</strong> Interventionen<br />

CT-Untersuchungen<br />

10–30<br />

Kopf 2–4<br />

Wirbelsäule / Skelett 2 –11<br />

Brustkorb (Thorax) 6–10<br />

Bauchraum (Abdomen) 10 –25<br />

Tab. 4.4 Bereiche mittlerer Dosiswerte einiger Röntgenuntersuchungen<br />

(bezogen auf Standardpatienten von 70 ± 5 kg Körpergewicht)<br />

(aus /BMU-03/)<br />

182


Im Jahr 2001 wurden in Deutschland etwa 147 Millionen<br />

Röntgenuntersuchungen durchgeführt, womit die Anzahl der<br />

Untersuchungen seit 1996 annähernd konstant bei etwa 1,8<br />

Untersuchungen pro Einwohner geblieben ist. Ebenso lässt<br />

die relative Häufigkeit der verschiedenen Untersuchungsverfahren<br />

nur wenig Veränderung erkennen, wobei in den vergangenen<br />

Jahren eine stete Zunahme der CT-Untersuchungen<br />

um etwa 7 % pro Jahr sowie ein geringer Rückgang der<br />

konventionellen Untersuchungen im Bauchraum am auffälligsten<br />

waren. Auf die Bevölkerung hochgerechnet liegt die<br />

effektive Dosis durch röntgendiagnostische Maßnahmen bei<br />

1,8 mSv pro Jahr <strong>und</strong> Einwohner (Bezugsjahr 2001).<br />

Die folgenden Abbildungen zeigen die Häufigkeit der einzelnen<br />

Röntgenuntersuchungen sowie den Anteil an der kollektiven<br />

effektiven Dosis in Deutschland für das Jahr 2001.<br />

Mammographie<br />

5 %<br />

Verdauungsu.<br />

Harntrakt<br />

4 %<br />

Arteriographie,<br />

Intervention<br />

Zähne<br />

34 %<br />

2 %<br />

CT<br />

6 %<br />

Sonstige<br />

3 % Thorax<br />

15 %<br />

Skelett<br />

35 %<br />

Abb. 4.18 Relative Häufigkeit von Röntgenuntersuchungen in<br />

Deutschland 2001<br />

183


Sonstige<br />

2 %<br />

Abb. 4.19 Relativer Anteil an der kollektiven effektiven Dosis<br />

von Röntgenuntersuchungen in Deutschland 2001<br />

Für die meisten nuklearmedizinischen Untersuchungen werden<br />

vom B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz mittlere effektive<br />

Dosen zwischen 5 mSv <strong>und</strong> 10 mSv angegeben (/BMU-02/),<br />

abgesehen von Nierenuntersuchungen (0,7 mSv) <strong>und</strong><br />

Schilddrüsenszintigraphien (0,9 mSv). Im Bericht /UNS-00/<br />

finden sich etwas niedrigere Werte. In den Jahren 1996 bis<br />

2000 wurden etwa 47 nuklearmedizinische Untersuchungen<br />

pro 1.000 Einwohner jährlich durchgeführt mit einer hochgerechneten<br />

effektiven Dosis von 0,14 mSv pro Jahr <strong>und</strong> Einwohner.<br />

Die nominelle Strahlenexposition der Bevölkerung<br />

in Deutschland durch Röntgendiagnostik <strong>und</strong> nuklearmedizinische<br />

Untersuchungen lässt sich damit auf etwa 1,9 mSv<br />

effektive Dosis jährlich pro Einwohner schätzen.<br />

Berufliche Strahlenexposition<br />

Gemäß § 40 der Strahlenschutzverordnung bzw. § 35 der<br />

Röntgenverordnung unterliegen alle Personen, die mit radioaktiven<br />

Stoffen umgehen, <strong>Röntgenstrahlen</strong> anwenden<br />

oder an anderen Anlagen zur Erzeugung ionisierender<br />

Strahlung tätig sind <strong>und</strong> sich dabei im Kontrollbereich aufhalten,<br />

der physikalischen Strahlenschutzüberwachung. In<br />

der Regel erfolgt die Strahlenschutzüberwachung durch<br />

Personendosimeter, die von amtlichen Personendosismessstellen<br />

ausgegeben <strong>und</strong> ausgewertet werden. Besteht die<br />

Möglichkeit der Inkorporation radioaktiver Stoffe, kann die<br />

184<br />

Thorax<br />

9 %<br />

Skelett<br />

11 %<br />

Zähne<br />

0,2<br />

%<br />

Verdauungsu.<br />

Harntrakt<br />

11 % Mammographie<br />

2 %<br />

Arterio-<br />

graphie, Intervention<br />

18 %<br />

Computer-Tomographie<br />

47 %


effektive Dosis durch spezielle Messverfahren wie Ganzkörperzähler<br />

oder Ausscheidungsmessungen ermittelt werden.<br />

Im Jahr 2004 lag der Jahresmittelwert der mehr als 313.000<br />

in Deutschland überwachten Personen bei 0,13 mSv, für<br />

mehr als 262.000 der Überwachten war keine Dosis nachweisbar.<br />

Das folgende Diagramm (Abb. 4.20) gibt einen<br />

Überblick über die Verteilung der Jahrespersonendosen der<br />

beruflich strahlenexponierten Personen einschließlich des<br />

fliegenden Personals für das Jahr 2004 (/BMU-04/)<br />

Abb. 4.20 Verteilung der Jahrespersonendosen beruflich strahlenexponierter<br />

Personen im Jahr 2004<br />

4.4 Problematik epidemiologischer Studien<br />

zur Strahlenexposition der Bevölkerung (Fall-<br />

Kontroll-Studien)<br />

Epidemiologie beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen<br />

Untersuchung von Faktoren, die die Ges<strong>und</strong>heit (z. B. toxische<br />

Stoffe, ionisierende Strahlung) <strong>und</strong> die Krankheit (z. B.<br />

Suche nach optimalen Heilverfahren) von Individuen <strong>und</strong><br />

von menschlichen Populationen beeinflussen können. Sie<br />

dient als Gr<strong>und</strong>lage für Interventionen im Interesse der öffentlichen<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> der Vorsorgemedizin, aber auch<br />

185


der Verbesserung von medizinischen diagnostischen <strong>und</strong><br />

therapeutischen Verfahren. Epidemiologen versuchen deshalb<br />

u. a. möglichst unverfälschte Beziehungen zwischen<br />

einer vorherigen Exposition durch eine toxische Substanz,<br />

ein Spektrum von Nahrungsmittel, von Stressfaktoren, Viren,<br />

ionisierende Strahlung, einem Medikament, einer Therapiemaßnahme,<br />

etc. <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Konsequenzen zu erkennen.<br />

Die dabei durchgeführten Studienarten können als beschreibend,<br />

analytisch oder experimentell klassifiziert werden.<br />

Epidemiologen arbeiten immer in einem Dreieck aus a)<br />

betrachteter Person, b) Agens <strong>und</strong> c) Umwelt um diese<br />

Person. Nicht immer lassen sich diese drei Punkte eindeutig<br />

voneinander trennen. So wird z. B. ein Zigaretten-<br />

(Agens)raucher nicht nur die Verdickung seiner (Person)<br />

Schleimschicht in der Lunge bewirken, sondern auch durch<br />

die emittierten Aerosolteilchen in seiner Umwelt die Exposition<br />

durch partikelgeb<strong>und</strong>ene Radonfolgeprodukte verändern.<br />

Es gibt verschiedene Arten von epidemiologischen Studien,<br />

für die es wissenschaftliche Standards gibt. Bei so genannten<br />

Fall-Kontrollstudien werden zu jeder erkrankten Person<br />

ein bis zwei Kontrollpersonen nach dem Zufallsprinzip gesucht,<br />

die aber im Alter, Geschlecht <strong>und</strong> anderen wichtigen<br />

Faktoren sehr ähnlich sind. Für die mathematische Korrelationsrechnung<br />

muss die Exposition der Individuen bekannt<br />

sein. Bei Kohortenstudien vergleicht man Bevölkerungsgruppen,<br />

von denen eine Gruppe als belastet oder exponiert<br />

bezeichnet wird. Betrachtet man einen zurückliegenden Zeitraum,<br />

spricht man von retrospektiven Studien, bei denen die<br />

methodische Schwierigkeit in der Erfassung der Exposition<br />

liegt. Bei prospektiven Studien kann die Exposition für die<br />

kommende Zeit genau bestimmt werden, aber das Personenkollektiv<br />

kann sich ändern. Der "Gold-Standard" eines<br />

Studiendesigns ist die doppelt blinde, prospektive, randomisierte<br />

Kontrollstudie. Dieser wird gefolgt von der Kohortenstudie.<br />

Um aber mit einer dieser beiden Methoden bei sehr<br />

seltenen Ereignissen zu statistisch signifikanten Fallzahlen<br />

zu kommen, werden sehr große Populationen benötigt (in<br />

der außergewöhnlich großen <strong>und</strong> lang andauernden Kohortenstudie<br />

der Atombombenüberlebenden von Hiroshima <strong>und</strong><br />

186


Nagasaki sind in einer Population von etwa 80 000 Überlebenden<br />

in den über 50 Beobachtungsjahren bislang gerade<br />

etwas über 500 zusätzliche Krebsfälle aufgetreten für beide<br />

Städte, beide Geschlechter, alle Jahre seit der Exposition,<br />

alle Tumorarten <strong>und</strong> alle Geburtsjahrgänge). Wenn die Entwicklung<br />

des Ges<strong>und</strong>heitseffektes eine lange Zeit benötigt,<br />

müssen diese großen Populationen über eine lange Zeit<br />

wissenschaftlich beobachtet werden. Dies kann auch zu vielen<br />

"Verlusten" (z. B. durch unbekanntem Verzug) führen.<br />

Epidemiologische Studien, die über viele Beobachtungsjahre<br />

mit großen Kollektiven durchgeführt werden, führen zu<br />

hohen Gesamtkosten.<br />

Schneller <strong>und</strong> viel billiger sind da Fall-Kontroll-Studien. Hierbei<br />

handelt es sich um rückblickende (retrospektive) Untersuchungen<br />

einerseits einer Stichprobe erkrankter Personen<br />

(Fälle) <strong>und</strong> andererseits einer Stichprobe ges<strong>und</strong>er Personen<br />

(Kontrollen), die ansonsten in möglichst allen anderen<br />

relevanten Werten/Eigenschaften mit den Werten/Eigenschaften<br />

der jeweils zugeordneten Fallperson übereinstimmen<br />

sollten. Für beide Personengruppen wird nun untersucht,<br />

ob in der Vergangenheit Unterschiede in der Art <strong>und</strong><br />

dem Ausmaß der Exposition durch ein hypothetisches<br />

Agens vorlagen. Dies sollten möglichst die einzigen Unterschiede<br />

sein. Finden sich signifikante Unterschiede, kann<br />

eine Korrelation/Assoziation zwischen dem Risiko-Agens<br />

<strong>und</strong> der Erkrankung vorliegen. Man darf allerdings deswegen<br />

keinesfalls auf eine Ursache-Wirkungs-Beziehung für<br />

dieses Agens <strong>und</strong> diese Erkrankung schließen. Allenfalls<br />

sollten dann robustere <strong>und</strong> umfassendere Studien der beiden<br />

weiter oben genannten Arten zu diesem Thema durchgeführt<br />

werden, um den Verdacht zu erhärten oder entkräften.<br />

Fall-Kontroll-Studien haben zu einer Reihe wichtiger epidemiologischer<br />

Entdeckungen <strong>und</strong> Fortschritte geführt. Das<br />

klassische Beispiel für eine erfolgreiche Fall-Kontroll-Studie<br />

ist die Aufdeckung der Korrelation zwischen Zigarettenrauchen<br />

<strong>und</strong> Lungenkrebs durch Sir Richard Doll (Doll u. Hill,<br />

1954). Mittels einer Fall-Kontroll-Studie konnte Doll eine statistisch<br />

signifikante Assoziation zwischen beiden feststellen.<br />

Aber erst die Ergebnisse einer daraufhin durchgeführten<br />

prospektiven doppelten Blindstudie ergab die notwendige<br />

187


Sicherheit über diese Ursache-Wirkungsbeziehung, die für<br />

ernste Schlussfolgerungen aus diesem Verdacht unbedingt<br />

nötig war.<br />

Die Verdienste von Fall-Kontroll-Studien durch Hinweise auf<br />

Assoziationen, zu denen genauere Studien durchgeführt<br />

werden sollten, haben aber leider auch zu unberechtigt großem<br />

Vertrauen in ihre Aussagekraft <strong>und</strong> in der Folge auch<br />

zu einem Verlust ihrer Glaubwürdigkeiten geführt hat (z. B.<br />

bei Studien zu Hormonersatztherapie <strong>und</strong> Herzkreislauferkrankungen<br />

(Lawlor et al. 2004, Pettiti 2004, Stampfer et al.<br />

2004), Sicherheitsgewinn durch Fahrradhelme). Schuld haben<br />

wohl hauptsächlich Missverständnisse über die Natur<br />

<strong>und</strong> Grenzen (z. B. wegen des Einflusses der durchführenden<br />

Person bei Spezifikationen, investigation, selection and<br />

recall biases) eines derartigen Studiendesigns.<br />

In dieser Stelle soll kurz die Problematik in epidemiologischen<br />

Studien betrachtet werden, die in der Quantifizierung<br />

der Strahlenexposition (<strong>und</strong> nicht die der Strahlenwirkung)<br />

bestehen <strong>und</strong> dies insbesondere für Fall-Kontroll- Studien.<br />

Strahlenepidemiologische Studien wurden durchgeführt für<br />

eine Vielzahl exponierter Gruppen (UNSCEAR 2000) u. a.<br />

- der Atombombenüberlebenden von Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki,<br />

- der beruflich strahlenexponierten Radiologen,<br />

- der beruflich strahlenexponierten Arbeiter in vielen kerntechnischen<br />

Anlagen ,<br />

- von durch den Reaktorunfall von Tschernobyl höher exponierten<br />

Arbeitern <strong>und</strong> Personen in der allgemeinen<br />

Bevölkerung,<br />

- von Bevölkerungsgruppen, die höher dem natürlichen Edelgas<br />

Radon <strong>und</strong> seinen Folgeprodukten exponiert sind,<br />

- von Bevölkerungsgruppen, die im Bereich des russischen<br />

Flusses Techa gelebt haben, in den nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg für längere Zeit größere Mengen an <strong>Radioaktivität</strong><br />

aus der Wiederaufarbeitungsanlage MAJAK abgeleitet<br />

wurden,<br />

- von weiteren Bevölkerungsgruppen, die in Bereichen gelebt<br />

haben in denen die Explosion eines großen Lager-<br />

188


tanks bei Kyschtym am 29.09.1957 <strong>und</strong> die Verteilung von<br />

Radionukliden durch einen Wirbelwind aus dem vertrockneten<br />

See Karachay (benutzt als offene Deponie für radioaktives<br />

Material) im Sommer 1967 zur Kontaminierung von<br />

Tausenden von Quadratkilometern <strong>und</strong> geringfügiger Exposition<br />

von H<strong>und</strong>erttausenden von Menschen geführt hat,<br />

- von Bevölkerungsgruppen, die um tatsächliche oder geplante<br />

Standorte von kerntechnischen Anlagen leben,<br />

- von Personen, die aus diagnostischen Gründen mit Röntgenstrahlung<br />

oder Radioisotopen medizinisch untersucht<br />

wurden,<br />

- von Personen, die aus therapeutischen Gründen mit externer<br />

ionisierender Strahlung oder mit Radionukliden exponiert<br />

wurden,<br />

- etc., etc.<br />

Zumeist waren die Häufigkeiten von Krebs- <strong>und</strong> Leukämieerkrankungen<br />

die studierten Wirkungen, aber auch andere<br />

medizinische Endpunkte (fruchtschädigende – teratogene –<br />

Wirkungen, nicht-Krebserkrankungen, Lebenserwartung)<br />

wurden vereinzelt epidemiologisch untersucht.<br />

In praktisch allen Fällen mussten retrospektiv die früheren<br />

externen <strong>und</strong> internen Strahlenexpositionen für viele Personen<br />

möglichst genau abgeschätzt werden. Zu diesem Themenkreis<br />

<strong>und</strong> über die in der Praxis erreichbare Genauigkeit<br />

hat die ICRU für die verschiedensten wissenschaftlichen<br />

Möglichkeiten (Orts-, Personen-, biologische Dosimetrie, radioökologische<br />

Rechenmodelle, etc.) einen ausführlichen<br />

Bericht veröffentlicht (ICRU 2002). Dabei ist sie zu dem Ergebnis<br />

gekommen, dass derartige retrospektive Abschätzungen<br />

der individuellen Strahlenexpositionen insbesondere<br />

in dem Fall niedriger, zusätzlicher externer Strahlenexpositionen<br />

mit sehr großen Unsicherheiten verb<strong>und</strong>en sein können.<br />

Für den Fall interner Strahlenexpositionen ergibt sich<br />

eine noch größere Unsicherheit durch die Tatsache, dass<br />

zum einen die von der ICRP für Referenzpersonen publizierten<br />

Dosis-Konversions-koeffizienten für Inhalation <strong>und</strong> Ingestion<br />

für viele Radionuklide von Tierdaten ausgehend für<br />

den Menschen geschätzt werden müssen <strong>und</strong> zum zweiten<br />

hier eine noch größere individuelle natürliche Variabilität im<br />

189


Metabolismus als in der Geometrie bei der externen Bestrahlung<br />

besteht. Außerdem bestehen über die Höhe der<br />

Aufnahmerate verschiedener Nahrungsmittel <strong>und</strong> deren<br />

Herkunftsorte in längst vergangenen Zeiten, sowie über die<br />

örtlichen Aufenthaltsgewohnheiten sehr große Quantifizierungsunsicherheiten.<br />

Für das für die Bevölkerung wichtige, überall vorkommende<br />

(ubiquitäre) Agens Radon (7) <strong>und</strong> seine Folgeprodukte ergeben<br />

sich zusätzliche messtechnische Schwierigkeiten.<br />

Üblicherweise können nur ortsdosimetrische Daten für Konzentrationen<br />

an natürlichem Edelgas Radon erhoben werden<br />

<strong>und</strong> dies meist nicht einmal für die Zeit der täglich ca.<br />

10 St<strong>und</strong>en Aufenthalt außerhalb des eigenen Hauses. Für<br />

die epidemiologischen Studien wären aber individuelle Personendosen<br />

durch die an den Aerosolteilchen der Atemluft<br />

anhaftenden <strong>und</strong> nicht anhaftenden (unattached fraction)<br />

Folgeprodukte seines radioaktiven Zerfalls nötig. Letztere<br />

zeichnen nach mechanistischen Organ-Dosisabschätzungen<br />

für ca. 90 % der Lungenexposition verantwortlich, das Gas<br />

nur für ca. 10 %. Das Verhältnis von Gas- zu Folgeproduktkonzentration<br />

hängt u. a. vom Lüftungsverhalten in einem<br />

Raum, seiner Möblierung <strong>und</strong> der variablen Aerosol-Teilchen-Konzentration<br />

in der Luft, die durch Raucher (ca. 95 %<br />

der Lungenkrebserkrankungen treten bei Rauchern auf),<br />

Kerzen, Klimaanlagen, etc. stark beeinflusst wird.<br />

Für entsprechende Fall-Kontroll-Studien wären diese individuellen<br />

Expositionsdaten retrospektiv zumindest für die letzten<br />

dreißig Jahre, jeweils zu den damaligen Lebensbedingungen<br />

zu bestimmen. Darüber hinaus ist dabei eine Genauigkeit<br />

notwendig, die Unterschiede in zeitlich differentiellen<br />

<strong>und</strong> integralen Expositionen zu anderen Personen erkennen<br />

lassen würden. Die zeitliche Differenzierung ist auch<br />

deshalb notwendig, da gegenwärtig keine ausreichend abgesicherten<br />

theoretischen Strahlenkrebs-Entstehungsmodelle<br />

existieren, die die relative Gewichtung von historischen<br />

Expositionswerten hinsichtlich des zeitabhängigen Risikos<br />

einer Erkrankung eines exponierten Organs erlauben würden.<br />

Eine genaue Expositionsquantifizierung wäre nötig, da im<br />

Niedrigdosisbereich epidemiologische Studien zudem schon<br />

190


durch kleine Unterschiede in den Parametern (wie z. B. genetischer<br />

Untergr<strong>und</strong>, Lebensweise, andere Agentien, etc.),<br />

die nicht gemessen werden, von höher <strong>und</strong> geringer exponierten<br />

Personen verfälscht werden können. Diese Personen<br />

führen jeweils ein normales Leben <strong>und</strong> leben nicht unter<br />

eng <strong>und</strong> stark kontrollierten experimentellen Bedingungen<br />

(z. B. "SPF" - specific pathogene free environment") in einem<br />

Labor. Deshalb haben Studien insbesondere im Niedrigdosisbereich<br />

ein großes Potential für falsch-negative oder<br />

falsch-positive Assoziationen <strong>und</strong> für eine substantielle<br />

Überschätzung der wahren Größe von Risiken (Land, 1980).<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es aus prinzipiellen<br />

Gründen, die zu einem großen Teil in der oben angesprochenen<br />

Problematik der methodisch unvermeidbaren<br />

(inhärenten) Unsicherheiten bei der Expositionsabschätzung<br />

liegen, nicht erwartet werden kann, dass die möglichen<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Wirkungen niedriger Strahlendosen<br />

(< 10 mSv) mit Hilfe von in diesem Dosis-Bereich durchgeführten<br />

epidemiologischen Studien quantifiziert werden können.<br />

Hier ist Fortschritt nur vom besseren mechanistischen<br />

Verständnis der molekularen, zellulären <strong>und</strong> systemaren<br />

Vorgänge in betroffenen Organen bei Störungen des Funk-<br />

tionsgleichgewichts (der Homöostase) durch niedrige Strahlendosen<br />

zu erhoffen.<br />

191


4.5 Literatur:<br />

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192


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193


5. Strahlenschutz <strong>und</strong> gesetzliche Vorschriften<br />

5.1 Planung <strong>und</strong> Durchführung des praktischen<br />

Strahlenschutzes<br />

Der Zweck des Strahlenschutzes ist es, die Exposition von<br />

Mensch <strong>und</strong> Umwelt mit ionisierender Strahlung so gering<br />

wie möglich zu halten. Insbesondere hat der Betreiber einer<br />

Anlage, in der mit radioaktiven Substanzen umgegangen<br />

wird, dafür Sorge zu tragen, dass die Radionuklide nicht in<br />

die Umwelt gelangen.<br />

Schutz vor äußerer Exposition<br />

Die wichtigsten Verhaltensregeln zur Verringerung der äußeren<br />

Strahlenexposition sind die drei „A“ des Strahlenschutzes:<br />

- Abstand<br />

- Abschirmung<br />

- Aufenthaltszeit im Strahlungsfeld.<br />

Den Abstand von der Strahlenquelle zu vergrößern, ist immer<br />

die erste Schutzmaßnahme <strong>und</strong> meistens einfach zu<br />

realisieren. Für einen isotrop strahlenden punktförmigen<br />

Strahler im Vakuum verringert sich die Dosis bei Verdoppelung<br />

des Abstandes zur Strahlenquelle auf ein Viertel, oder<br />

allgemein: die Dosis ist umgekehrt proportional zum Quadrat<br />

des Abstandes. Dies wird als Abstandsquadratgesetz bezeichnet.<br />

Das Abstandsquadratgesetz ist rein geometrischer natur. Es<br />

lässt sich am einfachsten anhand der Abb. 5.1 erklären. Bei<br />

einem divergierenden Strahl deckt die rechteckige Fläche im<br />

Abstand 1r einen bestimmten Teil des Strahlungsfeldes ab.<br />

Beim doppelten Abstand 2r werden nach dem Strahlensatz<br />

vier solcher Flächenstücke benötigt um dasselbe Strahlenbündel<br />

abzudecken. Wegen der Erhaltung der Strahlungsenergie<br />

entfällt auf jedes dieser Flächenstücke nur noch ein<br />

Viertel der Dosis. Beim dreifachen Abstand 3r sind es dann<br />

schon 9 Flächenstücke, die Dosis verringert sich auf ein<br />

Neuntel.<br />

194


Abb. 5.1 Das Abstandsquadratgesetz<br />

In der Praxis kann das Abstandsquadratgesetz für viele<br />

Strahlenquellen in Luft mit ausreichender Genauigkeit angewendet<br />

werden. Eine Strahlenquelle kann als punkförmig<br />

angesehen werden, wenn ihre räumliche Ausdehnung sehr<br />

viel kleiner ist als der zu betrachtende Abstand. Für Strahlenquellen,<br />

die nicht als Punkförmig angesehen werden<br />

können (z. B. Linienquellen), oder für stark kollimierte Strahlung<br />

ist dieses Gesetz nicht gültig. Ebenso muss für Alphastrahlung<br />

auch die beträchtliche Abschirmwirkung der Luft<br />

(Reichweite in Luft nur wenige Zentimeter) in Betracht gezogen<br />

werden.<br />

Eine wichtige Konsequenz des Abstandquadratgesetzes ist<br />

die Verwendung von Pinzetten beim Arbeiten mit radioaktiven<br />

Stoffen. Eine gewöhnliche Pinzette vergrößert den Abstand<br />

der Quelle zur Hand von 1 mm auf 10 cm (Faktor 100)<br />

<strong>und</strong> verringert die Hautdosis auf ein Zehntausendstel.<br />

Die zweite wichtige Schutzmaßnahme ist die Abschirmung<br />

der ionisierenden Strahlung. Je nach Strahlenart <strong>und</strong> Strahlenqualität<br />

muss eine geeignete Abschirmung gewählt werden.<br />

195


Alpha- <strong>und</strong> Betastrahlung sind relativ leicht abzuschirmen<br />

(Alphastrahlung: Blatt Papier, Betastrahlung: einige cm Plexiglas,<br />

vgl. Kapitel 1.2). Prinzipiell kann zur Abschirmung jedes<br />

Material verwendet werden, solange es nur genügend<br />

dick ist. Bei der Abbremsung von geladenen Teilchen (�, ß)<br />

in Materie entsteht allerdings Bremsstrahlung. Gerade bei<br />

Betastrahlung darf die Bremsstrahlung nicht vernachlässigt<br />

werden. Die Intensität der Bremsstrahlung nimmt annähernd<br />

proportional mit der Kernladungszahl Z des Abschirmmaterials<br />

zu. Idealerweise sollte die Abschirmung von Betastrahlung<br />

daher aus zwei Komponenten bestehen: die erste<br />

Schicht aus einem niedrig Z Material (z. B. Plexiglas) zur<br />

vollständigen Abschirmung der Betateilchen, die zweite<br />

Schicht aus einem hoch Z Material (z. B. Blei oder Wolfram)<br />

zur Abschirmung der entstandenen Bremsstrahlung.<br />

Zur Abschirmung von Gamma- <strong>und</strong> Röntgenstrahlung ist ein<br />

Material von hoher Dichter <strong>und</strong> hoher Ordnungszahl am<br />

besten geeignet. Gängige Materialien sind Blei, Wolfram<br />

oder Schwerbeton. Neuere Untersuchungen zeigen, dass<br />

unter gewissen Voraussetzungen auch körniger Gips geeignet<br />

ist. Das Spektrum der benötigten Abschirmdicken reicht<br />

je nach Energie <strong>und</strong> Intensität der Strahlung von einigen<br />

Zehntel Millimetern Blei in Röntgenschürzen in der Medizin<br />

über Zentimetern bei typischen Radionukliden in der Nuklearmedizin<br />

(I-131, F-18) bis zu Meter dicken Betonwänden in<br />

Kernreaktoren oder Teilchenbeschleunigern. Bei letztern<br />

beiden handelt es sich allerdings auch um eine Kombination<br />

aus Neutronen- <strong>und</strong> Gammastrahlung bzw. Protonen- <strong>und</strong><br />

Gammastrahlung.<br />

Die dritte Verhaltensregel ist die Minimierung der Aufenthaltszeit<br />

im Strahlungsfeld. Die Dosisreduktion durch diese<br />

Vorsichtsmaßnahme ist leicht einzusehen. Die Halbierung<br />

der Expositionszeit halbiert ebenfalls die absorbierte Dosis.<br />

Eine einfache Maßnahme hierzu ist die gute Vorbereitung<br />

jeglicher Arbeiten in Strahlungsfeldern. Die Arbeitszeit selber,<br />

z. B. Reparaturmaßnahmen oder radiochemische Analysen<br />

oder Synthesen, kann nur in den seltensten Fällen<br />

verkürzt werden. Allerdings sollten Verzögerungen durch<br />

das Beschaffen benötigter Werkzeuge <strong>und</strong> Hilfsmittel vermieden<br />

werden.<br />

196


Ionisierende Strahlung ist mit den menschlichen Sinnen<br />

nicht wahrnehmbar. So weiß zwar der Verursacher eines<br />

erhöhten Strahlungspegels (Einschalten eines Beschleunigers<br />

/ einer Röntgenröhre, Herausnehmen eines radioaktiven<br />

Präparats aus der Abschirmung) von der möglichen Gefährdung,<br />

nicht aber seine Mitarbeiter, geschweige denn der<br />

zufällige Passant. Zu diesem Zweck sieht der Gesetzgeber<br />

die Einrichtung von gekennzeichneten Strahlenschutzbereichen<br />

vor. Je nach möglicher Jahresdosis bzw. Dosisleistung<br />

sind dies der Überwachungsbereich, der Kontrollbereich <strong>und</strong><br />

der Sperrbereich. Außerhalb des Betriebsgeländes können<br />

keine Strahlenschutzbereiche ausgewiesen werden. Daher<br />

hat der Betreiber einer Einrichtung, in der ionisierende<br />

Strahlung erzeugt wird oder in der mit radioaktiven Substanzen<br />

umgegangen wird, dafür zu sorgen, dass außerhalb des<br />

Betriebsgeländes eine über dem Grenzwert erhöhte Dosisleistung<br />

ausgeschlossen ist.<br />

Die Zuweisung der Strahlenschutzbereiche <strong>und</strong> der Nachweis,<br />

dass keine Gefährdung der übrigen Bevölkerung besteht,<br />

erfolgt anhand eines Strahlenschutzplans. Bei dessen<br />

Aufstellung müssen die Äquivalentdosen aller Strahlenquellen<br />

unter Berücksichtigung des Abstands <strong>und</strong> der Abschirmung<br />

addiert werden. Bei innerbetrieblichen Strahlenschutzbereichen<br />

kann auch die eingeschränkte Aufenthaltszeit<br />

der Mitarbeiter in diesen Bereichen in Betracht gezogen<br />

werden. Außerhalb des Betriebsgeländes muss allerdings<br />

von einem Daueraufenthalt ausgegangen werden. Strahlenschutzbereiche,<br />

die aufgr<strong>und</strong> temporärer Strahlenquellen<br />

(Röntgengeräte, Beschleuniger) eingerichtet wurden, können<br />

ebenfalls temporär sein, also nur bei laufendem Betrieb<br />

der Strahlenquellen.<br />

Vorraussetzung zur Aufstellung eines Strahlenschutzplans<br />

ist die Kenntnis der Äquivalentdosisleistung jeder Strahlenquelle.<br />

Diese kann durch Messung oder Rechnung erlangt<br />

werden. Die von radioaktiven Stoffen verursachte Dosisleistung<br />

wird durch Multiplikation der Aktivität mit der entsprechenden<br />

Dosisleistungskonstante �H dividiert durch das<br />

Quadrat des Abstandes ermittelt. Die Dosisleistungskonstante<br />

berücksichtigt Strahlenart <strong>und</strong> -qualität <strong>und</strong> damit die<br />

biologische Wirksamkeit der Strahlung individuell für jedes<br />

Radionuklid. Sie hat die Dimension µSv·m 2 /GBq/h. Einige<br />

197


Dosisleistungskonstanten gängiger Radionuklide sind in Tabelle<br />

5.1 zusammengestellt.<br />

Radionuklid<br />

�H in µSv·m 2 /GBq/h<br />

F-18 155<br />

Na-22 322<br />

Mn-56 243<br />

Co-60 351<br />

Tc-99m 16<br />

I-123 39<br />

I-125 39<br />

I-128 14,31<br />

I-131 59<br />

Ba-133 80<br />

Cs-137 88<br />

Ir-192 125<br />

Ra-226 251<br />

U-235 19,17<br />

Am-241 6,6<br />

Tab. 5.1 Dosisleistungskonstanten gängiger Radionuklide<br />

Die Abschirmwirkungen verschiedener Materialen, die ebenfalls<br />

in die Aufstellung eines Strahlenschutzplans eingehen,<br />

kann für die Strahlung einiger Radionuklide der DIN 6844<br />

Teil 3 <strong>und</strong> für die Strahlung aus Röntgenanlagen der DIN<br />

6812 entnommen werden. Für nicht aufgeführte Strahlungsarten<br />

<strong>und</strong> Abschirmmaterialien bzw. Abschirmungen unbekannter<br />

Materialzusammensetzung sind Messungen notwendig,<br />

um die Schwächungsfaktoren zu bestimmen.<br />

Personenkontamination <strong>und</strong> Dekontaminationsmöglichkeiten<br />

Beim Umgang mit offenen radioaktiven Substanzen besteht<br />

neben der rein äußerlichen Strahlenexposition die Gefahr<br />

der Kontamination der Kleidung oder, noch gefährlicher, der<br />

Haut. Eine Kontamination ist das Aufbringen eines radioaktiven<br />

Stoffes auf eine Person oder einen Gegenstand, d.h. die<br />

Person, der Gegenstand ist kontaminiert. Oft sind die Stoff-<br />

198


mengen so klein, dass eine Kontamination unter Umständen<br />

erst viel später bemerkt wird, aber dennoch eine erhebliche<br />

Strahlenexposition verursacht. Dies bewirkt der minimale<br />

Abstand durch den direkten Körperkontakt. Zudem kann das<br />

Strahlungsfeld nicht wie bei einer stationären Strahlungsquelle<br />

ohne weiteres verlassen werden.<br />

Besonders Radionuklide, die Alpha- oder Betastrahlung<br />

emittieren, können nicht unerhebliche Strahlenschäden verursachen.<br />

Die Eindringtiefe der Strahlung ins Gewebe ist<br />

zwar relativ begrenzt, das heißt aber, dass ihre gesamte<br />

Energie lokal deponiert wird. Entsprechend groß ist ihre<br />

schädigende Wirkung. Gerade Alphastrahlung, deren Anteil<br />

an der Personendosis sonst allein wegen der Abschirmwirkung<br />

der Luft vernachlässigt werden kann, ist besonders gefährlich.<br />

Die anzuwendenden Schutzmaßnahmen sind trivial, werden<br />

in der Praxis aber leider häufig vernachlässigt. Das Tragen<br />

von entsprechender Schutzkleidung ist beim Umgang mit offenen<br />

radioaktiven Stoffen obligatorisch. Diese lässt sich im<br />

Falle einer Kontamination leicht wechseln. Kontaminationen<br />

der Haut lassen sich so vermeiden. Beim Umgang mit Alpha-<br />

oder Betastrahlern sollte auf besonders dichte Kleidung<br />

<strong>und</strong> Handschuhe geachtet werden.<br />

Da eine Kontamination nicht ohne weiteres bemerkt werden<br />

kann, ist eine regelmäßige Messung mit einem Kontaminationsmonitor<br />

notwendig. Das sind Strahlungsmessgeräte, mit<br />

denen je nach Auslegung kleine Flächenstücke (tragbare<br />

Handgeräte), Hände <strong>und</strong> Füße gleichzeitig (stationäre Hand-<br />

Fuß-Kleider-Monitore) oder sogar der ganze Körper (Ganzkörperzähler)<br />

auf Kontaminationen untersucht werden können.<br />

Eine regelmäßige Kontrolle von Kleidung <strong>und</strong> Arbeitsplatz<br />

ist nicht nur aus Gründen des Selbstschutzes geboten,<br />

sondern auch zum Schutz der übrigen Mitarbeiter durch die<br />

Vermeidung unbemerkter Verschleppungen von radioaktiven<br />

Substanzen.<br />

Hat eine Kontamination stattgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ist diese erkannt<br />

worden, so müssen unverzüglich Dekontaminationsmaßnahmen<br />

getroffen werden. Der radioaktive Stoff muss entfernt<br />

<strong>und</strong> so gelagert werden, dass eine weitere Personengefährdung<br />

ausgeschlossen werden kann. Betrifft die Kon-<br />

199


tamination ausschließlich die Kleidung, so kann die Dekontamination<br />

durch einen einfachen Kleiderwechsel vorgenommen<br />

werden. Die kontaminierten Kleidungsstücke sind<br />

dann solange zu lagern, bis die Aktivität durch den radioaktiven<br />

Zerfall auf ein ungefährliches Maß abgeklungen ist,<br />

wobei die Lagerzeit von der Aktivitätsmenge, der Qualität<br />

der emittierten Strahlung <strong>und</strong> den Halbwertszeiten der zur<br />

Kontamination beitragenden Radionuklide abhängt.<br />

Bei einer Kontamination der Haut ist vor allen Dingen<br />

Schnelligkeit gefragt, nicht nur wegen der akuten Strahlenexposition,<br />

sondern auch weil je nach chemischer Verbindung<br />

der Radionuklide die Gefahr einer Diffusion der radioaktiven<br />

Stoffe in die Haut besteht. Eine Dekontamination ist<br />

dann sehr viel aufwendiger wenn nicht gar unmöglich. Die<br />

Dekontamination des Körpers erfolgt durch sorgfältiges Waschen<br />

der betroffenen Körperteile. Hierzu gibt es spezielle<br />

Waschlotionen, die die Dekontamination auf mechanische<br />

(Peeling) oder chemische Art unterstützen. Beim Waschen<br />

ist darauf zu achten, dass eine Aufnahme der Radionuklide<br />

in den Körper vermieden wird. So sollte z. B. die Dekontamination<br />

der Haare nur über den Hinterkopf erfolgen (wie<br />

beim Friseur), so dass kein Wasser in Augen, Ohren oder<br />

gar Nase <strong>und</strong> M<strong>und</strong> gerät. Deswegen sollte bei der Dekontamination<br />

des Kopfes eine weitere Person behilflich sein.<br />

In der Regel ist eine Dekontamination so oft zu wiederholen,<br />

bis die Kontamination vollständig beseitigt ist oder keine<br />

Verbesserungen mehr erreicht werden.<br />

Inkorporation <strong>und</strong> Dekorporationsmöglichkeiten<br />

Die größte Gefahr geht von der Aufnahme radioaktiver Stoffe<br />

in den Körper aus. Die Inkorporation kann über den Magen<br />

(Ingestion), die Lunge (Inhalation) oder über offene<br />

W<strong>und</strong>en geschehen. Die Radionuklide gelangen so in den<br />

Stoffwechselkreislauf <strong>und</strong> können sich unter Umständen in<br />

einigen für die jeweilige chemische Verbindung typischen<br />

Organen anreichern. Hierdurch kann es zu erheblichen Aktivitätskonzentrationen<br />

<strong>und</strong> hohen Organdosen in diesen Organen<br />

kommen. Wie bei der Kontamination sind auch bei<br />

der Inkorporation die Alpha- <strong>und</strong> Betastrahler die Nuklide mit<br />

dem größten Gefährdungspotential. Sie deponieren die<br />

200


Energie ihrer Strahlung direkt in den betroffenen Organen.<br />

Bei manchen Radionukliden (z. B. Uran, Plutonium) geht die<br />

Radiotoxizität mit einer Chemotoxizität einher, die meist das<br />

weitaus größere Risiko darstellt.<br />

Ein zusätzliches Problem stellt die unter Umständen lange<br />

Verweildauer der Radionuklide im Körper dar. Sie verbleiben<br />

solange im Organismus bis sie abgeklungen sind oder auf<br />

natürlichem Wege ausgeschieden werden. Durch die zusätzliche<br />

Möglichkeit der Ausscheidung nimmt die Aktivität<br />

im Körper schneller ab als alleine durch den radioaktiven<br />

Zerfall. Man spricht in diesem Fall auch von einer effektiven<br />

Halbwertszeit.<br />

Da die Abnahme der Aktivität im Körper von zwei voneinander<br />

unabhängigen Prozessen bestimmt wird, ist der Kehrwert<br />

der effektiven Halbwertszeit gleich der Summe der<br />

Kehrwerte der physikalischen <strong>und</strong> der biologischen Halbwertszeit<br />

(1/T1/2,eff = 1/T1/2,phys + 1/T1/2,biol). Beispiel: I-131 in<br />

der Schilddrüse, T1/2,phys � 8 Tage, T1/2,biol � 80 Tage, T1/2,eff �<br />

7,27 Tage.<br />

Im praktischen Strahlenschutz kann zur Ermittlung der Folgedosis,<br />

also derjenigen Dosis, die ein Organ oder Gewebe<br />

als Folge einer einmaligen Zufuhr eines oder mehrerer Radionuklide<br />

im gesamten Zeitraum nach der Aufnahme bis<br />

zum vollständigen Verschwinden dieser Nuklide aus dem<br />

Körper erhält, auf Dosiskoeffizienten zurückgegriffen werden.<br />

Diese Koeffizienten geben jeweils für ein bestimmtes<br />

Nuklid die aus der Inkorporation von einem Becquerel resultierende<br />

Folgedosis an. Dabei werden folgende Daten berücksichtigt:<br />

Physikalisch/chemische Daten des zugeführten Nuklids:<br />

Nuklidart<br />

Halbwertszeit (physikalisch)<br />

Aus der Aktivitätszufuhr abgeleitete Aktivitätskonzentration im Organ<br />

oder Gewebe<br />

Strahlenart(en)<br />

Strahlenenergie(n)<br />

Zerfallsenergie<br />

Absorbierter Anteil der Zerfallsenergie<br />

Chemische Form<br />

Stofflicher Zustand (Gas, Aerosol usw.)<br />

201


Biologische Daten für die Aufnahme durch den Menschen:<br />

Alter (Kleinkind, Kind, Erwachsener)<br />

Geschlecht<br />

Körpergewicht<br />

Aufnahmeweg (Inhalation, Ingestion)<br />

Resorbierter Anteil der zugeführten Aktivitätsmenge<br />

Verteilungsmuster des aufgenommenen Nuklids im Körper (bestimmt<br />

durch physikalische Halbwertszeit sowie Anreicherung,<br />

Stoffwechsel <strong>und</strong> Ausscheidung)<br />

Kritische Organe für das aufgenommene Nuklid<br />

Gewicht <strong>und</strong> Größe der kritischen Organe<br />

Die heute gültigen Dosiskoeffizienten sind im B<strong>und</strong>esanzeiger<br />

veröffentlicht (Bekanntmachung der Dosiskoeffizienten<br />

zur Berechnung der Strahlenexposition vom 23.07.2001,<br />

BAnz. Nr. 160a <strong>und</strong> 160b) /BUA-01/.<br />

In der Medizin ist die Inkorporation <strong>und</strong> Anreicherung von Radionukliden<br />

zu therapeutischen Zwecken erwünscht, wie z. B. bei der<br />

Radioiod-Therapie bei Schilddrüsenerkrankungen. Der Betastrahler<br />

I-131 reichert sich vorwiegend in der Schilddrüse an <strong>und</strong> kann dort<br />

seine strahlentherapeutische Wirkung entfalten. Das übrige Iod,<br />

das nicht in der Schilddrüse gespeichert wird, wird über die Nieren<br />

ausgeschieden. Der Ausscheidungsprozess kann durch Flüssigkeitsgabe<br />

beschleunigt werden, um die Strahlenexposition der Nieren<br />

<strong>und</strong> der Blase gering zu halten.<br />

Ein Beispiel für die unerwünschte Inkorporation ist die Inhalation<br />

von Polonium-210 mit dem Zigarettenrauch. Das in der Natur seltene<br />

Polonium-210, ein Alphastrahler, reichert sich auf den Tabakblättern<br />

an <strong>und</strong> wird mit dem Feinstaub des Zigarettenrauchs inhaliert.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der geringen Selbstreinigungsfähigkeit der Lunge<br />

von Feinstaub verbleibt es dort praktisch ein Leben lang <strong>und</strong> ist<br />

mitverantwortlich für das erhöhte Lungenkrebsrisiko.<br />

Generell gilt zur Vermeidung von Inkorporationen wie auch<br />

zur Vermeidung von Kontaminationen das Tragen von<br />

Schutzkleidung am Arbeitsplatz, speziell von Handschuhen.<br />

Leicht flüchtige Substanzen sollten nur in einem Abzug verarbeitet<br />

werden, die Abluft ist mit entsprechenden Filtern zu<br />

reinigen. Insbesondere gilt an allen Arbeitsplätzen, an denen<br />

mit offenen radioaktiven Substanzen umgegangen wird, ein<br />

absolutes Verbot von Rauchen, Essen, Trinken, Schminken<br />

etc. Hierdurch wird die Möglichkeit einer Inkorporation durch<br />

eventuell kontaminierte Hände eingeschränkt. Alle Tätigkei-<br />

202


ten, bei denen die Hände ins Gesicht bzw. an den M<strong>und</strong> geführt<br />

werden, sollten erst dann durchgeführt werden, nachdem<br />

die Hände auf eventuelle Kontamination geprüft worden<br />

sind.<br />

Ähnlich wie bei der Kontaminationsüberwachung bedient<br />

man sich zur Überwachung möglicher Inkorporationen<br />

hochempfindlicher Messgeräte wie z. B. Ganzkörper- bzw.<br />

Teilkörperzähler. Daneben besteht auch die Möglichkeit der<br />

Messung der Aktivitätskonzentrationen in den Ausscheidungen<br />

oder im Blut. Ein gängiges Verfahren zur Abschätzung<br />

eines generellen Inkorporationsrisikos durch Inhalation ist<br />

die Bestimmung der Aktivitätskonzentration in der Raumluft.<br />

Die erste Dekorporationsmaßnahme ist die Beschleunigung<br />

des natürlichen Stoffwechsels, um die Ausscheidung der<br />

Radionuklide zu forcieren. Denkbar ist z. B. die verstärkte<br />

Gabe von Flüssigkeit zur Ausschwemmung oder Abführmittel,<br />

sofern sich die Radionuklide noch im Verdauungstrakt<br />

befinden.<br />

Generell ist nach einer Inkorporation rasches Handeln erforderlich.<br />

Hat erst mal die Anreicherung der inkorporierten<br />

Substanzen in den Organen stattgef<strong>und</strong>en, sind die Radionuklide<br />

meist nur schwer <strong>und</strong> in langwierigen Prozessen<br />

wieder aus dem Körper entfernbar. In diesen Fällen muss<br />

zwischen den Ges<strong>und</strong>heitsgefährdungen der medikamentösen<br />

Ausscheidungskuren einerseits <strong>und</strong> des Verbleibs der<br />

radioaktiven Nuklide im Körper andererseits sorgfältig abgewogen<br />

werden. Sind die inkorporierten Elemente nicht toxisch,<br />

so können auch große Mengen stabiler Nuklide desselben<br />

Elements eingenommen werden. Dies führt zu einer<br />

Verdünnung <strong>und</strong> Verdrängung der instabilen, radioaktiven<br />

Nuklide im Körper. Genau dieses Verfahren lag der Empfehlung<br />

zu Gr<strong>und</strong>e, nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl<br />

Algen zu essen. Die iodreiche Nahrung sollte den Iodbedarf<br />

der Schilddrüse mit stabilem Iod-127 stillen, so dass das radioaktive<br />

Iod-131 nicht aufgenommen <strong>und</strong> gespeichert wird.<br />

Zum Zweck der medizinischen Versorgung <strong>und</strong> Risikoabschätzung<br />

bei Inkorporationen größerer Mengen radioaktiver<br />

Stoffe sowie bei schweren Kontaminationen sind regionale<br />

Strahlenschutzzentren eingerichtet worden. In ihnen ist das<br />

203


physikalische <strong>und</strong> medizinische Know-how für sofortige<br />

Hilfsmaßnahmen vorhanden. In Bayern sind dies:<br />

Regionales Strahlenschutzzentrum München<br />

Städtisches Krankenhaus Schwabing<br />

Institut für medizinische Physik<br />

Regionales Strahlenschutzzentrum Neuherberg<br />

GSF Forschungszentrum<br />

Institut für Strahlenschutz<br />

Regionales Strahlenschutzzentrum Würzburg<br />

Universität Würzburg<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

5.2 Gesetzliche Schutzvorschriften<br />

Der Umgang mit radioaktiven Substanzen sowie die Errichtung<br />

<strong>und</strong> der Betrieb von Anlagen, die ionisierende Strahlung<br />

erzeugen, sind im Atomgesetz (AtG) /ATG-85/ geregelt.<br />

Vornehmlich ist damit die friedliche Nutzung der Kernenergie<br />

gemeint. Das Atomgesetz enthält aber auch alle Rechtsvorschriften,<br />

um Leben, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Sachgüter vor der<br />

schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen zu schützen. Im<br />

Atomgesetz ist die Möglichkeit vorgesehen Rechtsverordnungen<br />

zur Konkretisierung der Schutzmaßnahmen zu erlassen.<br />

Dies ist mit dem Erlass der Strahlenschutzverordnung<br />

(StrlSchV) <strong>und</strong> der Röntgenverordnung (RöV) geschehen.<br />

Vorsorgemaßnahmen <strong>und</strong> ein wirksames <strong>und</strong> koordiniertes<br />

Vorgehen aller beteiligten Dienststellen in B<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> Ländern bei großräumig wirkenden Verfrachtungen von<br />

<strong>Radioaktivität</strong> auf das Gebiet der B<strong>und</strong>esrepublik sind im<br />

Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) geregelt.<br />

Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)<br />

Die Strahlenschutzverordnung /STR-01/ enthält Gr<strong>und</strong>sätze<br />

<strong>und</strong> Anforderungen für Vorsorge- <strong>und</strong> Schutzmaßnahmen<br />

zum Schutz von Mensch <strong>und</strong> Umwelt vor der schädigenden<br />

Wirkung ionisierender Strahlung natürlichen oder zivilisatorischen<br />

Ursprungs. Mit der Neufassung der Strahlenschutzverordnung<br />

vom 20.7.2001 (zuletzt geändert am 1.9.2005)<br />

sind die europäischen Richtlinien 96/29/EURATOM <strong>und</strong><br />

204


97/43/EURATOM in deutsches Recht umgesetzt worden. In<br />

ihr sind weiterführende Regelungen zum Umgang mit radioaktiven<br />

Stoffen sowie zu der Errichtung <strong>und</strong> dem Betrieb von<br />

Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung enthalten.<br />

Für die Genehmigung <strong>und</strong> die Überwachung des Umgangs<br />

mit radioaktiven Stoffen <strong>und</strong> des Betriebs von Beschleunigeranlagen<br />

nach der Strahlenschutzverordnung ist in Bayern<br />

das Landesamt für Umwelt zuständig.<br />

- Festlegung der Grenzwerte unter ges<strong>und</strong>heitlichen,<br />

gesellschaftspolitischen <strong>und</strong> ökonomischen Aspekten<br />

Die internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) bewertet<br />

die Ergebnisse <strong>und</strong> Erkenntnisse über die biologische<br />

Wirksamkeit ionisierender Strahlung <strong>und</strong> veröffentlicht in regelmäßigen<br />

Abständen aktualisierte Strahlenschutzempfehlungen.<br />

Die derzeit gültigen Empfehlungen zu Dosisgrenzwerten<br />

sind 1991 in der ICRP Publikation Nr. 60 erschienen<br />

/ICR-91/. Der Entwurf einer Neufassung ist als Diskussionsgr<strong>und</strong>lage<br />

erhältlich. Die ICRP ist ein international anerkanntes,<br />

unabhängiges Expertengremium von derzeit 13 Wissenschaftlern.<br />

Ihre Empfehlungen bilden in vielen Ländern<br />

die Gr<strong>und</strong>lage für die gesetzlichen Schutzvorschriften. So<br />

sind die empfohlenen Grenzwerte unter anderem auch in<br />

der europäischen Richtlinie 96/29/EURATOM übernommen<br />

worden <strong>und</strong> seit Bekanntgabe der Strahlenschutzverordnung<br />

vom 20.7.2001 <strong>und</strong> der Röntgenverordnung (RöV)<br />

vom 18.06.2002 in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bindend.<br />

Die festgelegten Grenzwerte sollen die möglichen Risiken<br />

auf ein akzeptables Maß begrenzen. Diese Begründung<br />

bedeutet, dass das Risiko auch bei Einhaltung des<br />

Grenzwertes nicht gleich Null ist <strong>und</strong> bei Überschreitung<br />

nicht sofort bedrohliche Ausmaße erreicht.<br />

Dem praktischen Strahlenschutz liegt das ALARA-Prinzip<br />

(As Low As Reasonably Achievable) der internationalen<br />

Strahlenschutzkommission zugr<strong>und</strong>e. Im Einzelnen beinhaltet<br />

das ALARA-Prinzip:<br />

Rechtfertigung<br />

Der Nutzen aus einem Umgang mit ionisierender Strahlung<br />

muss die möglichen Gefährdungen überwiegen.<br />

205


Dosisbegrenzung<br />

Die Grenzwerte der Personendosis für Einzelpersonen der<br />

Bevölkerung (1 mSv/a, StrlSchV, RöV) <strong>und</strong> für beruflich<br />

strahlenexponierte Personen (20 mSv/a, StrlSchV, RöV)<br />

müssen eingehalten werden.<br />

Dosisreduzierung<br />

Die Dosis soll auch unterhalb der Grenzwerte nach wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> sozialen Gesichtspunkten bestmöglich reduziert<br />

werden.<br />

Kritiker halten der ICRP oft vor, zu industriefre<strong>und</strong>lich zu<br />

sein. Sie würde mit ihren Grenzwerten <strong>und</strong> dem Zusatz der<br />

Wirtschaftlichkeit bei der Dosisreduzierung den aktuellen<br />

Belastungsstand festschreiben. Ebenso seien neue wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse, dass das Risiko niederer Strahlendosen<br />

unterschätzt wird, nicht berücksichtigt worden. Umgekehrt<br />

versuchen einige Vertreter der Industrie, die ICRP<br />

zur Wiedereinführung des Schwellenmodels für stochastische<br />

Strahlenschäden zu bewegen. Beträchtliche Investitionsersparnisse<br />

im baulichen Strahlenschutz aufgr<strong>und</strong> höherer<br />

Grenzwerte wären die Folge.<br />

Es sollte dabei aber nicht vergessen werden, dass es gute<br />

Argumente für die Wahl der Grenzwerte gibt. So liegt der<br />

Grenzwert für die effektive Dosis von 1 mSv/a, die Einzelpersonen<br />

der Bevölkerung zugemutet werden darf, innerhalb<br />

der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenbelastung.<br />

Auswirkungen auf die Ges<strong>und</strong>heit des Menschen<br />

konnten in diesem Dosisbereich bisher nicht nachgewiesen<br />

werden. Bei einer effektiven Jahresdosis von 20 mSv, das<br />

ist der Grenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen,<br />

ist das Risiko strahlenbedingter Erkrankungen ebenso hoch<br />

wie das Unfallrisiko in anderen hoch technisierten Berufszweigen,<br />

in denen das Unfallrisiko gesellschaftlich akzeptiert<br />

ist.<br />

Bei der Anwendung des Konzepts der effektiven Dosis, das<br />

die relative Strahlenempfindlichkeit der einzelnen Organe<br />

<strong>und</strong> Gewebe berücksichtigt, wird die Festsetzung gesonderter<br />

Dosisgrenzwerte für einzelne Organe oder Gewebe im<br />

Prinzip unnötig, zur sicheren Vermeidung akuter (nichtstochastischer)<br />

Schäden ist sie jedoch in bestimmten Fällen<br />

sinnvoll (vgl. Tabelle 5.2).<br />

206


Organ Über 18 Unter 18<br />

Augenlinse 150 15<br />

mSv/a mSv/a<br />

Haut, Hände, Unterarme, Füße, 500 50<br />

Knöchel<br />

mSv/a mSv/a<br />

Keimdrüsen, Gebärmutter, Knochenmark<br />

50 mSv/a<br />

Schilddrüse, Knochenoberfläche 300<br />

mSv/a<br />

Dickdarm, Lunge, Magen, Blase, 150<br />

Brust, Leber, Speiseröhre, andere<br />

Organe<br />

mSv/a<br />

Tab. 5.2 Grenzwerte der jährlichen Organdosen beruflich strahlenexponierter<br />

Personen<br />

Besonderer Schutz gilt dem ungeborenen Leben. So ist die<br />

Dosis an der Gebärmutter gebärfähiger Frauen auf 2 mSv<br />

im Monat beschränkt. Ab Bekantwerden einer Schwangerschaft<br />

darf die Dosis für das ungeborene Kind bis zum Ende<br />

der Schwangerschaft höchstens 1 mSv betragen.<br />

Ausnahmen von den Grenzwerten gibt es in der Anwendung<br />

radioaktiver Stoffe <strong>und</strong> ionisierender Strahlen am Patienten<br />

zu medizinischen Zwecken. Hier sind die Grenzwerte durch<br />

die Vorschrift ersetzt, dass die durch die ärztlichen Untersuchungen<br />

bzw. Therapien bedingte Strahlenexposition so<br />

weit einzuschränken ist, wie dies mit den Erfordernissen der<br />

medizinischen Wissenschaft vereinbar ist. Entsprechende<br />

Regelungen finden sich auch in der Röntgenverordnung.<br />

Das ALARA-Prinzip ist in der deutschen Strahlenschutzverordnung<br />

(StrlSchV) verankert (§§ 4, 5, 6), allerdings mit<br />

einer entscheidenden Änderung. Die Dosisminimierung soll<br />

hier nicht nach wirtschaftlichen Aspekten erfolgen sondern<br />

nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft <strong>und</strong> Technik.<br />

Der Schutz der Einzelperson steht hierbei eindeutig im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) ist das nationale<br />

Pendant zur ICRP. Sie veröffentlicht ebenfalls<br />

Empfehlungen <strong>und</strong> Stellungnahmen zu Strahlenschutzthemen<br />

<strong>und</strong> berät das B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Natur-<br />

207


schutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit. Ihr Einfluss auf die Grenzwerte<br />

ist allerdings gering, da die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

an die EURATOM-Richtlinien geb<strong>und</strong>en ist. Einzig eine Verschärfung,<br />

d.h. eine Absenkung, der nationalen Grenzwerte<br />

gegenüber denjenigen in den europäischen Richtlinien ist<br />

möglich. Der Schwerpunkt der SSK liegt bei Empfehlungen<br />

zur praktischen Durchführung des Strahlenschutzes <strong>und</strong> zur<br />

Handhabung der Grenzwerte.<br />

- Höchstwerte der Oberflächen- <strong>und</strong> massenbezogenen<br />

Kontamination<br />

Dem Betreiber einer Anlage, in der mit radioaktiven Substanzen<br />

umgegangen wird oder in der ionisierende Strahlung<br />

erzeugt wird, obliegt die Einhaltung der Grenzwerte.<br />

Der Schutz vor äußerer Strahlenexposition durch die beim<br />

Betrieb entstehende ionisierende Strahlung kann durch die<br />

bekannten Maßnahmen Abstand, Abschirmung <strong>und</strong> Aufenthaltszeit<br />

(vgl. Kapitel 5.1) realisiert werden.<br />

Ebenso wichtig ist die Vermeidung einer unkontrollierten<br />

Verbreitung radioaktiver Substanzen. Die Verbreitung kann<br />

mit der Abluft, dem Abwasser, Abfällen oder kontaminierten<br />

Gegenständen geschehen. Einmal freigesetzt, gelangen die<br />

radioaktiven Nuklide über die Nahrungskette in den menschlichen<br />

Körper <strong>und</strong> führen so zu einer inneren Strahlenexposition.<br />

Daher ist das Herausbringen eines Gegenstandes<br />

aus Kontrollbereichen, in denen mit offenen radioaktiven<br />

Substanzen umgegangen wird, streng reglementiert. Erlaubt<br />

ist das Entfernen nur für Kleidung, Werkzeuge, Messgeräte<br />

<strong>und</strong> sonstige Apparate, die auf Kontaminationen überprüft<br />

worden sind, d.h. deren Oberflächenaktivität bzw. massenspezifische<br />

Aktivität unterhalb bestimmter Grenzwerte liegt<br />

(StrlSchV § 44).<br />

Die Festlegung von Grenzwerten, die vor den Gefahren einer<br />

inneren Strahlenexposition schützen sollen, kann nur<br />

nuklidspezifisch getroffen werden. Denn neben der freigesetzten<br />

Aktivität sind auch Strahlenart <strong>und</strong> Strahlenqualität<br />

für die biologische Wirksamkeit entscheidend. Genauso gilt<br />

es, die physikalische <strong>und</strong> die biologische Halbwertszeit der<br />

Nuklide zu berücksichtigen, wie auch die unterschiedliche<br />

Strahlenempfindlichkeit der verschiedenen Organe, in denen<br />

208


eine Aktivitätsanreicherung wahrscheinlich ist. Zuletzt sind<br />

die unterschiedlichen Expositionspfade, Ingestion oder Inhalation,<br />

in Betracht zu ziehen. Die effektive Dosis von Einzelpersonen<br />

der Bevölkerung bei Inkorporation von Radionukliden<br />

können der Bekanntmachung der Dosiskoeffizienten zur<br />

Berechnung der Strahlenexposition vom 23.07.2001, BAnz.<br />

Nr. 160a <strong>und</strong> 160b /BUA-01/, entnommen werden. Den Berechnungen<br />

liegt ein alters- <strong>und</strong> geschlechtsabhängiges<br />

Stoffwechselmodell zugr<strong>und</strong>e.<br />

In der Strahlenschutzverordnung wurden die Grenzwerte unter<br />

der Vorgabe festgelegt, dass für Einzelpersonen der Bevölkerung<br />

eine zusätzliche effektive Dosis von nicht mehr<br />

als 10 �Sv/a (1/100 des Jahresgrenzwertes) durch die Freisetzung<br />

kontaminierter Gegenstände auftreten kann. Dem<br />

Ausbreitungsverhalten der freigesetzten radioaktiven Substanzen<br />

wird unter anderem dadurch Rechnung getragen,<br />

dass die Grenzwerte nicht für absolute Aktivitätsmengen<br />

sondern für Aktivitätskonzentrationen angegeben werden<br />

(vgl. Tabelle 5.3). Wenn der Gegenstand mit mehr als einem<br />

radioaktiven Nuklid kontaminiert ist, wird die Summenformel<br />

angewendet. Die Summenformel verhindert die Erhöhung<br />

des Gefährdungspotentials durch Nuklidgemische. Ein Gegenstand<br />

gilt demnach als nicht kontaminiert, wenn die<br />

Summe der Quotienten aus Aktivitätskonzentration <strong>und</strong> dem<br />

jeweiligen Grenzwert kleiner als 1 ist, d.h. wenn z. B. bei einem<br />

Gemisch aus zwei Nukliden die Aktivitätskonzentration<br />

des einen Nuklids bereits 60 % des spezifischen Grenzwertes<br />

beträgt, dann darf die Aktivitätskonzentration des anderen<br />

höchstens 40 % seines Grenzwertes betragen.<br />

In Strahlenschutzbereichen muss die Oberflächenkontamination<br />

der Arbeitsflächen regelmäßig kontrolliert werden. Die<br />

Grenzwerte hierbei beziehen sich allerdings nur auf die nicht<br />

haftenden Kontaminationen zur Vermeidung von unbemerkten<br />

Personenkontaminationen <strong>und</strong> Inkorporationen. Da in<br />

den Strahlenschutzbereichen ausschließlich eingewiesenes<br />

Personal tätig ist, das um die möglichen Gefährdungen weiß<br />

<strong>und</strong> sich entsprechend verhält, liegen die Grenzwerte im<br />

Überwachungsbereich um den Faktor 10, im Kontrollbereich<br />

um den Faktor 100 höher als beim Herausbringen von Gegenständen<br />

aus dem Kontrollbereich.<br />

209


RadioOberflächenkontaminuklidnation in Bq/cm 2<br />

Spezifische Aktivität<br />

in Bq/g<br />

H-3 1 E+2 1 E+3<br />

C-14 1 E+2 8 E+1<br />

F-18 1 1 E+1<br />

Co-60 1 0,1<br />

Tc-99m 1 E+1 1 E+2<br />

I-131 1 E+1 2<br />

Cs-137 1 5 E-1<br />

U-235 1 5 E-1<br />

U-238 1 6 E-1<br />

Tab. 5.3 Grenzwerte einiger Radionuklide für Oberflächen- <strong>und</strong><br />

massenbezogene Kontaminationen (StrlSchV Anlage III Tabelle 1)<br />

- Freigabeverfahren<br />

Bis zur Neufassung der Strahlenschutzverordnung vom<br />

20.7.2001 konnten nur nicht kontaminierte oder dekontaminierte<br />

Gegenstände aus Kontrollbereichen entfernt werden.<br />

Der Gegenstand selbst aber musste inaktiv sein. Zudem beschränkten<br />

sich die entfernbaren Gegenstände auf Kleidung,<br />

Werkzeuge, Messgeräte <strong>und</strong> sonstige Apparate. Aber<br />

auch ursprünglich radioaktive Substanzen zerfallen mit ihren<br />

spezifischen Halbwertszeiten <strong>und</strong> sind schließlich inaktiv.<br />

Eine Abgabe dieser nunmehr inaktiven Stoffe in den normalen<br />

Umgang war bisher nicht vorgesehen, die teure Einlagerung<br />

in Sonderlager war die Regel.<br />

Mit dem neuen Freigabeverfahren unterliegen ehemals radioaktive<br />

Stoffe nach der Freigabe nicht mehr der Strahlenschutzverordnung.<br />

Sie können wie inaktive Stoffe behandelt<br />

werden. Freigegeben werden können bewegliche, feste <strong>und</strong><br />

flüssige Gegenstände, aber auch Einrichtungen, Räume <strong>und</strong><br />

sogar ganze Gebäude. Jede Freigabe muss zuvor bei der<br />

zuständigen Aufsichtsbehörde (in Bayern das Landesamt für<br />

Umwelt) beantragt <strong>und</strong> von dieser genehmigt werden. Das<br />

genaue Verfahren ist in § 29 der Strahlenschutzverordnung<br />

beschrieben.<br />

Vorraussetzung für die Freigabe ist, wie beim Herausbringen<br />

von nicht kontaminierten Gegenständen aus dem Kontrollbereich,<br />

die Beschränkung der zusätzlichen effektiven<br />

210


Dosis von Einzelpersonen der Bevölkerung durch die freigegebenen<br />

Aktivitäten auf höchstens 10 �Sv/a. Die Grenzwerte<br />

der erlaubten Aktivitätskonzentrationen für die Freigabe<br />

sind ebenfalls nuklidspezifisch. Je nach Weiterverwendung<br />

der freigegebenen Gegenstände gelten verschieden strenge<br />

Werte. Unterschieden wird dabei zwischen einer uneingeschränkten<br />

Freigabe <strong>und</strong> einer Freigabe zur Beseitigung.<br />

Die strengeren Grenzwerte gelten für die uneingeschränkte<br />

Freigabe, für die keine Angaben über den Verbleib der<br />

freigegebenen Gegenstände oder Räume gemacht werden<br />

müssen. Sollen die freigegebenen Gegenstände beseitigt<br />

bzw. die Gebäude abgerissen werden, kann davon ausgegangen<br />

werden, dass diese auf einer Mülldeponie landen.<br />

Hier ist mit keinem großen Publikumsverkehr zu rechnen<br />

<strong>und</strong> die Gefährdungswahrscheinlichkeit für Einzelpersonen<br />

der Bevölkerung weitaus geringer als bei einer Wiederverwertung.<br />

Dementsprechend höher sind die Grenzwerte angesetzt.<br />

Unabhängig davon ob eine uneingeschränkte Freigabe oder<br />

eine Freigabe zur Beseitigung / zum Abriss erlangt werden<br />

soll, entscheidend für das Freigabeverfahren ist, dass die<br />

Stoffe nicht absichtlich verdünnt werden dürfen, um die<br />

Grenzwerte für die massenbezogenen Aktivitätskonzentrationen<br />

zu unterschreiten. Das Abklingen der Aktivität durch<br />

entsprechende Lagerzeiten aufgr<strong>und</strong> des radioaktiven Zerfalls<br />

ist das alleinig gültige Verfahren zum Unterschreiten<br />

der Grenzwerte. Bei Nuklidgemischen ist die Summenformel,<br />

wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, anzuwenden.<br />

Röntgenverordnung (RöV)<br />

Auf gleicher Ebene mit der Strahlenschutzverordnung steht<br />

die Röntgenverordnung /RÖV-01/. Wie mit der aktuellen<br />

Strahlenschutzverordnung werden mit der Neufassung der<br />

RöV vom 30.4.2003 die europäischen Richtlinien 96/29/<br />

EURATOM <strong>und</strong> 97/43/EURATOM umgesetzt. Im Gegensatz<br />

zur StrlSchV ist der Zweck der RöV nicht explizit erwähnt. Er<br />

ergibt sich aus §1 des Atomgesetzes <strong>und</strong> dem vollständigen<br />

Titel der Röntgenverordnung: Verordnung über den Schutz<br />

vor Schäden durch <strong>Röntgenstrahlen</strong>.<br />

211


Der Anwendungsbereich der Röntgenverordnung ist auf den<br />

Betrieb von Röntgeneinrichtungen <strong>und</strong> Störstrahlern mit<br />

Elektronenenergien von 5 keV bis 1 MeV beschränkt. Röntgeneinrichtungen<br />

sind Einrichtungen, die zum Zweck der<br />

Erzeugung von <strong>Röntgenstrahlen</strong> betrieben werden. Zur<br />

Röntgeneinrichtung gehören der Röntgenstrahler, der Generator,<br />

Anwendungsgeräte <strong>und</strong> Zubehör. Die bekanntesten<br />

Anwendungen von Röntgeneinrichtungen sind die Aufnahme-<br />

<strong>und</strong> Durchleuchtungseinrichtungen sowie die Computertomographie<br />

in der Medizin. Ein weiteres großes Anwendungsgebiet<br />

ist die zerstörungsfreie Materialprüfung. Stör-<br />

strahler sind Einrichtungen, die <strong>Röntgenstrahlen</strong> erzeugen,<br />

ohne zu diesem Zweck betrieben zu werden. Typische Störstrahler<br />

im genannten Energiebereich sind Spezialröhren<br />

zur Mikrowellenerzeugung, Elektronenröhren zum Senden,<br />

Schalten, Gleichrichten, Geräte zur Materialuntersuchung<br />

durch Elektronenstrahlen, z. B. Elektronenmikroskope, Geräte<br />

zur Materialbearbeitung durch Elektronenstrahlen, z. B.<br />

Elektronenstrahlschweißanlagen oder Elektronenbeschleunigeranlagen<br />

zur Kunststoffvernetzung, Abwasserentfärbung,<br />

Sterilisation. Vielen ist aber nicht bewusst, dass sie<br />

beinahe täglich mit Störstrahlern nach der Röntgenverordnung<br />

zu tun haben, mit dem Fernseher oder dem Computerbildschirm.<br />

Gemeint sind nicht die neuen TFT- oder<br />

Plasmabildschirme, sondern die üblichen Röhrenbildschirme,<br />

in denen Elektronen zur Bilderzeugung beschleunigt<br />

werden. Das ist eine der wenigen Ausnahmen, bei denen<br />

nicht der Betreiber sondern der Hersteller für den Strahlenschutz<br />

verantwortlich ist. Explizit ist hier nur der Betrieb <strong>und</strong><br />

nicht wie in der StrlSchV auch die Errichtung gemeint, da bei<br />

Röntgenanlagen ausschließlich beim Betrieb ionisierende<br />

Strahlung entsteht. Die RöV hat einen uneingeschränkten<br />

Geltungsbereich. Es wird nicht unterschieden zwischen den<br />

industriellen, technischen, wissenschaftlichen oder medizinischen<br />

Zwecken. Die RöV gilt folglich, soweit ihr Geltungsbereich<br />

in den einzelnen Bestimmungen der Verordnung nicht<br />

ausdrücklich beschränkt ist, für den gewerblichen Unternehmer,<br />

freiberuflich Tätige, also für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte,<br />

Wissenschaftler, für Unternehmen ohne Erwerbscharakter,<br />

z. B. gemeinnützige Krankenhäuser, für Privatpersonen<br />

<strong>und</strong> auch für die öffentliche Verwaltung (B<strong>und</strong>, Länder,<br />

212


Gemeinden, Gemeindeverbände, Körperschaften, Stiftungen<br />

<strong>und</strong> Anstalten des öffentlichen Rechts). Für die Genehmigung<br />

<strong>und</strong> die Überwachung des Betriebs von Röntgeneinrichtungen<br />

nach der Röntgenverordnung sind in Bayern die<br />

Gewerbeaufsichtsämter bei den Regierungen zuständig.<br />

Die Strahlenschutzgr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> die Grenzwerte für beruflich<br />

strahlenexponierte Personen sowie für Einzelpersonen<br />

der Bevölkerung sind in der Röntgenverordnung <strong>und</strong> in der<br />

Strahlenschutzverordnung gleich. Die Äquivalentdosis<br />

macht gerade unterschiedliche Strahlenarten vergleichbar,<br />

so dass für die Grenzwerte die Herkunft der Strahlung (<strong>Radioaktivität</strong><br />

oder Röntgenröhre) keine Rolle spielt. Die einzelnen<br />

Regelungen sind ähnlich <strong>und</strong> lediglich an die Besonderheiten<br />

angepasst.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich bedarf der Betrieb jeder Röntgeneinrichtung<br />

der Genehmigung. Unter bestimmten Voraussetzungen genügt<br />

eine Anzeige. Im Genehmigungsverfahren wird geprüft,<br />

ob Strahlenschutzbeauftragte in der entsprechenden Anzahl<br />

schriftlich bestellt sind <strong>und</strong> die Fachk<strong>und</strong>e im Strahlenschutz<br />

auf dem jeweiligen Verwendungsgebiet besitzen, ob Hilfskräfte<br />

Kenntnisse im Strahlenlschutz haben <strong>und</strong> ob alle<br />

Maßnahmen zur Gewährleistung ausreichenden Strahlenschutzes<br />

einschließlich der Qualitätssicherung getroffen<br />

sind.<br />

Alle Röntgeneinrichtungen, auch Hochschutz- <strong>und</strong> Vollschutzgeräte<br />

müssen einer wiederkehrenden Prüfung durch<br />

einen Sachverständigen unterzogen werden. Der Zeitabstand<br />

zwischen den wiederkehrenden Prüfungen beträgt<br />

maximal 5 Jahre.<br />

Personen, denen der Zutritt zum Kontrollbereich erlaubt ist,<br />

oder Personen, die <strong>Röntgenstrahlen</strong> anwenden, sind über<br />

die Arbeitsmethoden, Gefahren <strong>und</strong> Schutzmaßnahmen zu<br />

unterweisen.<br />

Außergewöhnliche Ereignisabläufe oder Betriebszustände<br />

beim Betrieb einer Röntgeneinrichtung oder eines Störstrahlers<br />

nach § 5 Abs. 1 sind der zuständigen Behörde unverzüglich<br />

zu melden, wenn zu besorgen ist, dass eine Person<br />

eine Strahlenexposition erhalten haben kann, die die<br />

Grenzwerte der Körperdosis nach § 31a Abs. 1 oder 2 über-<br />

213


steigt, oder sie von erheblicher sicherheitstechnischer Bedeutung<br />

sind.<br />

Neue Regelungen in der StrlSchV <strong>und</strong> in der RöV<br />

Neben dem bereits besprochenen Freigabeverfahren sind in<br />

die Neufassung der Strahlenschutzverordnung vom 20.7.<br />

2001 weitere bisher nicht enthaltene Regelungen aufgenommen<br />

worden. Einige betreffen die medizinische Anwendung<br />

radioaktiver Stoffe <strong>und</strong> ionisierender Strahlung am<br />

Menschen. Mit den Paragraphen zur rechtfertigenden Indikation,<br />

den Dosisreferenzwerten <strong>und</strong> der ärztlichen Stelle<br />

sollen unnötige Patientendosen vermieden werden. Außerdem<br />

werden nun erstmals natürliche Strahlenquellen bei der<br />

Arbeit berücksichtigt.<br />

- Rechtfertigende Indikation<br />

Bevor ein Patient zu diagnostischen oder therapeutischen<br />

Zwecken ionisierender Strahlung ausgesetzt wird, muss die<br />

rechtfertigende Indikation gestellt werden. Die Frage nach<br />

der rechtfertigenden Indikation steht bewusst vor Beginn der<br />

Untersuchung bzw. Behandlung. Damit wird geklärt, ob der<br />

Nutzen für den Patienten größer ist als der mögliche Schaden<br />

durch die Strahlenexposition.<br />

Verantwortlich ist dabei immer der untersuchende bzw. behandelnde<br />

fachk<strong>und</strong>ige Arzt. Die Anwendung radioaktiver<br />

Stoffe <strong>und</strong> ionisierender Strahlung alleine auf die Anforderung<br />

des überweisenden Arztes ist nicht zulässig. Die rechtfertigende<br />

Indikation muss vom verantwortlichen fachk<strong>und</strong>igen<br />

Arzt gestellt werden. Insbesondere sind dabei eventuell<br />

vorhandene Voruntersuchungen zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen<br />

zu berücksichtigen. Ebenso müssen alternative<br />

Untersuchungs- <strong>und</strong> Behandlungsmethoden erwogen<br />

werden, die eine Strahlenexposition des Patienten verringern<br />

oder sogar ganz vermeiden.<br />

Besonders muss der fachk<strong>und</strong>ige Arzt bei der Stellung der<br />

rechtfertigenden Indikation auf die Möglichkeit einer<br />

Schwangerschaft weiblicher Patienten achten. Zum Schutz<br />

des ungeborenen Kindes ist die Untersuchung bzw. Behandlung<br />

mit radioaktiven Stoffen <strong>und</strong> ionisierender Strah-<br />

214


lung meist nur in besonders dringlichen Situationen angebracht.<br />

Gerade wenn offene radioaktive Stoffe angewendet<br />

werden sollen, gilt dies auch für stillende Patientinnen. Eine<br />

Stillpause ist unbedingt zu empfehlen.<br />

- Teleradiologie<br />

Erstmals werden Regelungen zur Teleradiologie getroffen.<br />

Teleradiologie umfasst die Untersuchung des Patienten mit<br />

Röntgenstrahlung <strong>und</strong> die Feststellung des Bef<strong>und</strong>es mit<br />

Hilfe der angefertigten Röntgenaufnahmen an unterschiedlichen<br />

Orten, die über moderne Telekommunikation „online“<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en sind. Die Regelung soll einerseits<br />

dem Patienten einen unnötigen Transport in ein anderes<br />

Krankenhaus ersparen, aber andererseits zum Schutz des<br />

Patienten gewährleisten, dass er von ausreichend fachk<strong>und</strong>igem<br />

Personal versorgt wird <strong>und</strong> die zur Datenübertragung<br />

genutzten Einrichtungen nicht zu Verfälschungen der übertragenen<br />

Bilder führen. Um zu verhindern, dass Teleradiologie<br />

im Krankenhaus zum „Normalfall“ <strong>und</strong> damit das entsprechende<br />

Fachpersonal nicht mehr vorgehalten wird, wird<br />

Teleradiologie gr<strong>und</strong>sätzlich auf den Nacht-, Wochenend<strong>und</strong><br />

Feiertagsdienst beschränkt. Die zuständige Landesbehörde<br />

kann eine weitergehende Ausnahmegenehmigung erteilen,<br />

wenn hierfür ein Bedürfnis im Hinblick auf die Patientenversorgung<br />

besteht.<br />

- Diagnostische Referenzwerte<br />

Nachdem die rechtfertigende Indikation gestellt <strong>und</strong> die Anwendung<br />

von radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung<br />

am Patienten entschieden ist, gilt es, die Strahlenexposition<br />

auf ein Minimum zu beschränken. Dies geschieht nach<br />

dem Gr<strong>und</strong>satz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.<br />

Aus Sicht des Strahlenschutzes soll die effektive Dosis des<br />

Patienten möglichst gering sein. In der Diagnostik verlangt<br />

der Mediziner detailreiche, rauscharme Bilder, in der Therapie<br />

h<strong>und</strong>ertprozentigen Heilerfolg. Hier gilt es den entsprechenden<br />

Kompromiss zu finden. Ein Szintigramm beispielsweise,<br />

das wegen des Bildrauschens oder der schlechten<br />

Auflösung nicht aussagekräftig ist, verursacht nur unnötige<br />

Strahlenbelastung für den Patienten. Die entsprechende Un-<br />

215


tersuchung müsste wiederholt werden. Umgekehrt bedeutet<br />

jedes Becquerel Aktivität zu viel eine unnötig hohe Strahlenbelastung.<br />

Der Kompromiss schlägt sich in den diagnostischen<br />

Referenzwerten nieder. Für die gängigsten Untersuchungen<br />

werden Dosiswerte bzw. Standardaktivitäten angegeben, die<br />

ohne Begründung nicht überschritten werden dürfen. Mit<br />

den Referenzwerten wird eine einheitliche Basis geschaffen,<br />

fehlerhafte Untersuchungen aufgr<strong>und</strong> falscher Aktivitätsgaben<br />

werden vermieden.<br />

Die diagnostischen Referenzwerte sind Werte aus der Praxis<br />

<strong>und</strong> unter Mitarbeit führender Radiologen <strong>und</strong> Nuklearmediziner<br />

entstanden. Sie spiegeln jahrelange Erfahrungen<br />

gepaart mit den technischen Möglichkeiten wider.<br />

- Ärztliche Stelle<br />

Die rechtfertigende Indikation <strong>und</strong> die diagnostischen Referenzwerte<br />

sind Bestimmungen zur Minimierung der Strahlenexposition<br />

des einzelnen Patienten. Der vollständige Untersuchungs-<br />

<strong>und</strong> Behandlungsprozess mit radioaktiven<br />

Stoffen <strong>und</strong> ionisierender Strahlung wird von der ärztlichen<br />

Stelle überprüft. Mit dieser Form der Qualitätssicherung sollen<br />

generelle, methodische Fehler vermieden werden.<br />

Die ärztliche Stelle entsendet ein Prüfungskomitee, bestehend<br />

aus Medizinern <strong>und</strong> Physikern, das regelmäßig alle<br />

Kliniken <strong>und</strong> Praxen entweder vor Ort oder anhand eingesendeter<br />

Unterlagen bewertet. Kontrolliert wird dabei nicht<br />

nur die Qualität der verwendeten Apparate <strong>und</strong> Einrichtungen,<br />

sondern auch die Durchführung deren regelmäßiger<br />

Funktionsprüfungen. Neu hinzugekommen ist die Bewertung<br />

der ärztlichen Arbeit. Anhand einiger Stichproben vollzieht<br />

die ärztliche Stelle den vollständigen Untersuchungsverlauf<br />

nach. Dies geht von der ersten Anamnese, über die Durchführung<br />

der Untersuchungen bis zur Stellung der Diagnose.<br />

Besonderes Augenmerk wird auf die korrekte Stellung der<br />

rechtfertigenden Indikation <strong>und</strong> die Einhaltung der diagnostischen<br />

Referenzwerte gerichtet.<br />

Die vorrangige Aufgabe der ärztlichen Stelle ist die Beratung<br />

der überprüften Institute. Sie soll vor allem Verbesserungs-<br />

216


vorschläge zur Optimierung der Arbeitsabläufe geben. Entsprechend<br />

der Schwere der gef<strong>und</strong>enen Mängel können die<br />

Intervalle zur nächsten Überprüfung verkürzt werden. Die<br />

Ergebnisse der Untersuchung werden gegebenenfalls an die<br />

zuständige Behörde weitergereicht, die weitere Schritte einleitet.<br />

Besonders wenn die Verbesserungsvorschläge der<br />

ärztlichen Stelle wiederholt ignoriert werden, hat die betreffende<br />

Einrichtung mit Folgen zu rechnen.<br />

- Berücksichtigung natürlicher Strahlenquellen bei der<br />

Arbeit<br />

Bis zur Neufassung der Strahlenschutzverordnung vom<br />

20.7.2001 wurden bei der Bestimmung der beruflichen<br />

Strahlenexposition ausschließlich diejenigen Strahlenquellen<br />

berücksichtigt, mit denen zielgerichtet umgegangen wurde.<br />

Gemeint sind Handlungen, bei denen bewusst ionisierte<br />

Strahlung erzeugt wird oder radioaktive Stoffe verwendet<br />

werden, deren physikalische Eigenschaften genutzt werden<br />

sollen. In der Neufassung der Strahlenschutzverordnung<br />

werden diese Handlungen mit dem Begriff Tätigkeiten bezeichnet.<br />

Neu ist die Berücksichtigung natürlicher Strahlenquellen, die<br />

nicht direkt mit der eigentlichen Arbeit in Verbindung stehen.<br />

Gemeint sind Handlungen, die nicht zum Zweck der Nutzung<br />

der ionisierten Strahlung sondern die aus anderen<br />

Gründen nur an diesen Orten mit erhöhter Strahlenexposition<br />

ausgeführt werden können. Diese Handlungen werden in<br />

der Strahlenschutzverordnung Arbeiten genannt. Arbeiten<br />

im Sinne der Strahlenschutzverordnung sind beispielsweise<br />

Bergwerksarbeiten, ausgenommen die Gewinnung von<br />

Uranerzen, da hier die zielgerichtete Nutzung des Urans beabsichtigt<br />

ist.<br />

Ebenso gehört das fliegende Personal in Flugzeugen (Flugbegleiter,<br />

Piloten), das der extraterrestrischen (Höhen-)<br />

Strahlung verstärkt ausgesetzt ist, zu den beruflich strahlenexponierten<br />

Personen. Die Arbeitgeber sind angehalten zu<br />

prüfen, ob eine Bestimmung der Körperdosis notwendig ist,<br />

d.h. ob die effektive Jahresdosis des fliegenden Personals<br />

über 1 mSv liegt. Die Strahlenexposition ist umso größer, je<br />

höher die Flughöhe ist, da die abschirmende Wirkung der<br />

217


Atmosphäre mit zunehmender Höhe abnimmt. Über den Polen,<br />

an denen die Magnetfeldlinien senkrecht auf der Erdoberfläche<br />

stehen, fällt zusätzlich die Schutzwirkung des<br />

Erdmagnetfeldes weg, das vor Strahlung geladener Teilchen<br />

wie den Elektronen schützt. Daher ist die Strahlenexposition<br />

auf den Polrouten, die wegen des kurzen Weges die bevorzugte<br />

Verbindung zwischen Europa <strong>und</strong> Nordamerika sind,<br />

besonders groß. Diese bedeutet allerdings nach heutigem<br />

Wissensstand keine Gefährdung für den einzelnen Touristen,<br />

der auf dieser Strecke nur wenige Male im Jahr fliegt<br />

(ca. 0,05 mSv pro Transatlantikflug). Erst die vielen Flugst<strong>und</strong>en<br />

der Berufsflieger erhöhen deren Strahlenbelastung<br />

deutlich.<br />

Eine Berufsgruppe, die bislang selten mit einer erhöhten<br />

Strahlenexposition in Verbindung gebracht wurde, sind die<br />

Mitarbeiter der Wasserwirtschaft. Dabei gehören sie zu den<br />

am stärksten exponierten Berufsgruppen. Praktisch jede<br />

Quelle in Bayern spült mit dem Wasser nicht unerhebliche<br />

Mengen Radon, ein Zerfallsprodukt des Uran-238, aus dem<br />

Gestein an die Oberfläche. In geschlossenen Räumen, wie<br />

z. B. den Trinkwasserspeichern, kann die Konzentration des<br />

Edelgases Radon, ein Alphastrahler, in der Raumluft erhöhte<br />

Werte annehmen. Eine Überwachung der Mitarbeiter wird<br />

in vielen Fällen angebracht sein. Auf dem Weg von der<br />

Quelle zum Wasserhahn hat sich das Radon durch die<br />

Wasserbewegung verflüchtigt, so dass für den Endverbraucher<br />

kein Gefährdungspotential besteht.<br />

Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG)<br />

Messungen der Aktivitätskonzentrationen in der Umwelt<br />

werden bereits seit den 50iger Jahren durchgeführt. B<strong>und</strong>esweit<br />

waren aber weder die Messdatenerfassung noch<br />

die Interpretation derselben einheitlich geregelt. Außerdem<br />

führten widersprüchliche Empfehlungen zu Verwirrungen der<br />

Bürger nach dem Unglück in Tschernobyl 1986. Mit dem<br />

Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) /STR-86/ sollte diese<br />

Misere beseitigt werden. Das StrVG regelt Aufgaben <strong>und</strong><br />

Kompetenzen von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern im Ereignisfall, d.h. im<br />

Falle von großräumigen Verfrachtungen von <strong>Radioaktivität</strong><br />

auf das Gebiet der B<strong>und</strong>esrepublik.<br />

218


Zu den Aufgaben des B<strong>und</strong>es zählen insbesondere:<br />

- Großräumige Ermittlung der Umweltradioaktivität<br />

- Entwicklung <strong>und</strong> Festlegung von Mess- <strong>und</strong> Berechnungsverfahren<br />

- Aufbereitung, Sammlung <strong>und</strong> Bewertung der Umweltradioaktivitätsdaten<br />

Die Aufgaben der Länder bestehen in erster Linie in:<br />

- Ermittlung der <strong>Radioaktivität</strong> in bestimmten Umweltbereichen<br />

- Übermittlung der Daten an die B<strong>und</strong>eszentrale<br />

- Umsetzung von Vorsorgemaßnahmen<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage des Strahlenschutzvorsorgegesetzes<br />

können B<strong>und</strong>esbehörden Empfehlungen von Verhaltensweisen<br />

zum Schutz der Bevölkerung aussprechen sowie Verbote<br />

<strong>und</strong> Beschränkungen bei Lebensmitteln, Futtermitteln,<br />

Arzneimitteln <strong>und</strong> sonstigen Stoffen aussprechen, um den<br />

<strong>Radioaktivität</strong>seintrag in die Ernährungsketten zu begrenzen.<br />

- Immissions- <strong>und</strong> Emissionsüberwachung<br />

Die Zuständigkeiten für die Messungen der Umweltradioaktivität<br />

sind zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern aufgeteilt. Der B<strong>und</strong><br />

ist verantwortlich für die großräumige Überwachung der<br />

Ortsdosisleistung <strong>und</strong> der Aktivitätskonzentration in der Luft<br />

<strong>und</strong> in den Niederschlägen. Hierzu wurde ein flächendeckendes<br />

Netz von über 2000 automatischen Messstellen errichtet,<br />

die Daten r<strong>und</strong> um die Uhr ermitteln <strong>und</strong> an die Leitstellen<br />

weiterleiten. Weiterhin gibt der B<strong>und</strong> auch die Mess<strong>und</strong><br />

Analyseverfahren für die von den Ländern durchzuführenden<br />

<strong>Radioaktivität</strong>sermittlungen vor.<br />

Die Länder sind verpflichtet, die Aktivitätskonzentrationen im<br />

Boden <strong>und</strong> im Wasser, in der Nahrung <strong>und</strong> in Medikamenten<br />

zu bestimmen. Dies geschieht durch Auswertung von Stichproben,<br />

die nach einheitlichen Vorgaben gesammelt werden.<br />

Die von den Ländern erhobenen Daten werden ebenfalls<br />

an eine B<strong>und</strong>eszentralstelle weitergeleitet. Im Rahmen<br />

dieses Umweltüberwachungsprogramms werden zur Zeit in<br />

Bayern jährlich rd. 7000 Messdaten erhoben. Ein landeseigenes<br />

Überwachungsprogramm liefert zusätzlich mehrere<br />

100 weitere Messungen in verschiedensten Medien, u. a.<br />

219


auch bei Wild <strong>und</strong> wild wachsenden Pilzen. Als Serviceleistung<br />

für den Bürger können die in Bayern ermittelten Messwerte<br />

auf den Internetseiten des Landesamtes für Umwelt<br />

unter http://www.bayern.de/lfu/strahlen/ abgerufen werden.<br />

Zur Sammlung, Bearbeitung <strong>und</strong> Darstellung der aus den<br />

verschiedenen <strong>Radioaktivität</strong>süberwachungsprogrammen<br />

gewonnenen Daten hat der B<strong>und</strong> Anfang 1994 das Integrierte<br />

Mess- <strong>und</strong> Informationssystem zur Überwachung der<br />

Umweltradioaktivität (IMIS) eingerichtet. In dieses System<br />

werden auch die in Bayern gesammelten Daten zur Umweltradioaktivität<br />

vom zuständigen Landesamt für Umwelt eingespeist<br />

<strong>und</strong> auf diese Weise allgemein verfügbar gemacht.<br />

Auch die Daten der automatischen Messnetze des B<strong>und</strong>es<br />

sowie die Daten aus rd. 40 Messlaboren in den Ländern<br />

fließen hier ein.<br />

Die Auswertung der so gewonnenen Daten im IMIS-System<br />

ermöglicht einen schnellen Überblick über die großflächige<br />

radiologische Belastungssituation. Darauf wiederum würden<br />

sich die Empfehlungen der zuständigen B<strong>und</strong>sbehörden<br />

zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gründen.<br />

Außerdem betreibt das Bayerische Landesamt für Umwelt<br />

ein eigenes flächendeckendes Messsystem, das bayerische<br />

Immissionsmessnetz für <strong>Radioaktivität</strong> (IfR). Die Messstationen<br />

überwachen ebenfalls automatisch <strong>und</strong> kontinuierlich<br />

die Ortsdosisleistung <strong>und</strong> die Aktivitätskonzentrationen in<br />

der Luft. Das IfR ist ein unabhängiges Messnetz zur Früherkennung<br />

erhöhter Luftaktivitätskonzentration. Es ist wie das<br />

IMIS nach den Erfahrungen mit dem Tschernobyl-Unglück<br />

entstanden. Bis dahin existierte lediglich das 1978 errichtete<br />

bayerische Kernreaktor-Fernüberwachungssystem (KFÜ).<br />

Mit seinen ringförmig um die Kernreaktoren angeordneten<br />

Messsonden war es das weltweit erste System zur automatischen<br />

Immissionsüberwachung. Damit sollen Unregelmäßigkeiten<br />

im Betrieb <strong>und</strong> Emissionen radioaktiver Stoffe aus<br />

den Anlagen frühzeitig entdeckt werden können. Weitere<br />

Einzelheiten zur Überwachung der Umweltradioaktivität in<br />

Bayern sind in Kapitel 6.3 zu finden.<br />

Die Immissionsüberwachung wird durch die Emissionskontrolle<br />

wirkungsvoll ergänzt, z. B. durch das KFÜ, das auch<br />

der Überwachung der Aktivitätsemissionen dient. Daher soll<br />

220


in diesem Kapitel ebenfalls die Emissionsüberwachung besprochen<br />

werden, die in der Strahlenschutzverordnung<br />

(StrlSchV § 48) geregelt ist. Der Betreiber einer Anlage, in<br />

der mit radioaktiven Stoffen umgegangen wird, muss für die<br />

kontinuierliche Überwachung der Abluft <strong>und</strong> des Abwassers<br />

sorgen. Die abgegebenen Aktivitätskonzentrationen, aufgeschlüsselt<br />

nach den einzelnen Nukliden, sind mindestens<br />

einmal jährlich an das Landesamt für Umwelt zu melden.<br />

Darüber hinaus ist das Landesamt für Umwelt selber oder<br />

ein von ihm beauftragter Sachverständiger jederzeit berechtigt,<br />

die Gr<strong>und</strong>stücke bzw. Anlagen zu betreten, Proben zu<br />

ziehen <strong>und</strong> Messungen der <strong>Radioaktivität</strong>skonzentrationen<br />

vorzunehmen.<br />

- Höchstwerte der Aktivitätskonzentration in Luft <strong>und</strong><br />

Wasser<br />

Bei der Festlegung der Höchstwerte für die Aktivitätskonzentrationen<br />

in Abwasser <strong>und</strong> Abluft aus Strahlenschutzbereichen<br />

werden analog zu der Festlegung der Grenzwerte<br />

für die Freigabe die möglichen Expositionspfade berücksichtigt.<br />

Unterschieden wird hier zwischen der direkten Einwirkung,<br />

wie z. B. der Aufenthalt im Abluft- bzw. Abwasserstrom,<br />

<strong>und</strong> der indirekten Einwirkung über die Aufnahme mit<br />

der pflanzlichen <strong>und</strong> tierischen Nahrung. Zur Festlegung der<br />

indirekten Einwirkungen sind detaillierte radioökologische<br />

Berechnungen notwendig, die das Verhalten radioaktiver<br />

Stoffe in der Biosphäre beschreiben. Es handelt sich dabei<br />

um sehr komplexe Vorgänge (siehe auch Kapitel 4.1), wie<br />

- Ausbreitungs- <strong>und</strong> Verdünnungsvorgänge in Luft, Wasser<br />

<strong>und</strong> Boden,<br />

- Ablagerungen auf Boden <strong>und</strong> Pflanzen,<br />

- Verteilungs- <strong>und</strong> Anreicherungsvorgänge in Pflanze <strong>und</strong> Tier,<br />

- Verhalten der mit Nahrung <strong>und</strong> Atemluft aufgenommenen<br />

radioaktiven Stoffe im Körper des Menschen.<br />

Die Verfolgung des Weges radioaktiver Stoffe vom Abgabeort<br />

bis in ein menschliches Organ erlaubt die Abschätzung<br />

der möglichen Strahlenexposition des Menschen <strong>und</strong> damit<br />

auch die Festlegung maximal zulässiger Ableitungswerte<br />

(Emissionswerte) für bestimmte radioaktive Stoffe aus kern-<br />

221


technischen Anlagen. In die Berechnung gehen auch einige<br />

unsichere Faktoren ein, wie z. B. Annahmen über die Wetterlage<br />

<strong>und</strong> damit der Ausbreitung der Aktivität oder die Lebensgewohnheiten<br />

der Bevölkerung. Generell darf die effektive<br />

Dosis für eine Einzelperson der Bevölkerung, die sich<br />

an der ungünstigsten Stelle aufhält, 0,3 mSv im Jahr nicht<br />

überschreiten.<br />

Für die Betreiber einer Anlage oder Einrichtung, die keine<br />

Kernbrennstoffe verarbeitet oder lagert, das sind z. B. die<br />

Forschungslaboratorien der Physik oder der Radiochemie<br />

<strong>und</strong> die Nuklearmedizin, ergeben sich Erleichterungen. Hier<br />

ist die aufwändige Berechnung der möglichen Strahlenexposition<br />

nicht nötig. Stattdessen sind in der Strahlenschutzverordnung<br />

nuklidspezifische Grenzwerte für die Aktivitätskonzentrationen<br />

in Abluft <strong>und</strong> Abwasser vorgegeben, die im<br />

Jahresmittel eingehalten werden müssen (vgl. Tabelle 5.4).<br />

Die Grenzwerte sind so gewählt, dass eine Gefährdung der<br />

Bevölkerung ausgeschlossen ist. Sind mehrere Nuklide im<br />

Abwasser bzw. in der Abluft enthalten, dann gilt auch hier<br />

wiederum die Summenformel, um ein Ansteigen des Gefährdungspotentials<br />

zu verhindern.<br />

Radionuklid<br />

A = Aerosol (Luft)<br />

B = elementar (Luft) in der Luft<br />

O = organisch<br />

in Bq/m 3<br />

im Wasser<br />

in Bq/m 3<br />

H-3 A 1 E+2 1 E+7<br />

H-3 O 1 E+2 1 E+6<br />

C-14 A 6 6 E+5<br />

F-18 A 5 E+2 2 E+6<br />

Co-60 A 1 2 E+4<br />

Tc-<br />

99m<br />

A 2 E+3 4 E+6<br />

I-131 E 5 E-1 5 E+3<br />

Cs-<br />

137<br />

A 9 E-1 3 E+4<br />

U-235 A 4 E-3 3 E+3<br />

U-238 A 5 E-3 3 E+3<br />

Tab. 5.4 Grenzwerte einiger Radionuklide für Aktivitätskonzentrationen<br />

aus Strahlenschutzbereichen (StrlSchV Anlage VII<br />

Tabelle 4 /STR-01/)<br />

222


5.3 Genehmigungspflicht des Umgangs mit radioaktiven<br />

Stoffen<br />

In den Paragraphen 3, 4, 6, 7 <strong>und</strong> 9 des Atomgesetzes heißt<br />

es sinngemäß: Wer mit radioaktiven Stoffen umgeht, bedarf<br />

einer Genehmigung. Entsprechende Paragraphen finden<br />

sich in der Strahlenschutzverordnung für den Umgang mit<br />

radioaktiven Stoffen <strong>und</strong> den Betrieb von Anlagen, die ionisierende<br />

Strahlung erzeugen. Ausgenommen ist der Umgang<br />

mit radioaktiven Stoffen unterhalb der Freigrenze, wobei<br />

bei Nuklidgemischen wiederum die Summenformel zu<br />

berücksichtigen ist. Ist einmal eine Genehmigung für ein bestimmtes<br />

Radionuklid notwendig <strong>und</strong> erteilt, so muss auch<br />

für alle weiteren Nuklide, mit denen umgegangen werden<br />

soll, eine Genehmigung eingeholt werden, auch wenn die<br />

entsprechenden Mengen unterhalb der Freigrenze liegen.<br />

Genehmigungsvoraussetzungen<br />

(Rechtfertigung, Sicherheitsanforderungen)<br />

Die erste Voraussetzung zur Genehmigung des Umgangs<br />

mit radioaktiven Stoffen ist bereits in den Strahlenschutzgr<strong>und</strong>sätzen<br />

festgelegt. Hierin heißt es, dass der Nutzen aus<br />

einem Umgang größer sein muss als die möglichen Gefahren.<br />

Nur ein gerechtfertigter Umgang, der überwiegenden öffentlichen<br />

Interessen nicht entgegensteht, ist genehmigungsfähig.<br />

Weiterhin muss die Zuverlässigkeit des Antragstellers, des<br />

Strahlenschutzverantwortlichen, gegeben sein. Der Strahlenschutzverantwortliche<br />

bestellt zu seiner Unterstützung eine<br />

ausreichende Anzahl Strahlenschutzbeauftragte. Die<br />

Strahlenschutzbeauftragten sorgen in ihrem jeweiligen, vorher<br />

festgelegten Aufgabenbereich für die Einhaltung der<br />

Schutzvorschriften <strong>und</strong> der in der Genehmigung festgeschriebenen<br />

Auflagen. Verantwortlich für den Schutz von<br />

Mensch <strong>und</strong> Umwelt bleibt der Strahlenschutzverantwortliche.<br />

Die Strahlenschutzbeauftragten müssen ihre Fachk<strong>und</strong>e<br />

im Strahlenschutz nachweisen, die durch eine geeignete<br />

Ausbildung, durch praktische Erfahrung <strong>und</strong> durch die erfolgreiche<br />

Teilnahme an anerkannten Kursen erworben wird.<br />

Alle übrigen Mitarbeiter müssen wenigstens Kenntnisse im<br />

Umgang mit radioaktiven Stoffen <strong>und</strong> ionisierender Strahlung<br />

besitzen.<br />

223


Bei der Anwendung radioaktiver Stoffe am Menschen in der<br />

Medizin muss der Antragsteller oder wenigstens ein Strahlenschutzbeauftragter<br />

als Arzt approbiert sein. Die erforderliche<br />

Fachk<strong>und</strong>e zur Bestellung als Strahlenschutzbeauftragter<br />

erhält der Arzt in der Regel mit der Facharztprüfung<br />

in einer der drei Strahlenfächern, Radiologie, Strahlentherapie<br />

<strong>und</strong> Nuklearmedizin, wobei nur in den letzten beiden Fällen<br />

der Umgang mit radioaktiven Stoffen gestattet ist.<br />

Neben der Rechtfertigung <strong>und</strong> den personellen Voraussetzungen<br />

müssen geeignete Räume, Ausrüstungen <strong>und</strong><br />

Geräte vorhanden sein, um die geltenden Schutzvorschriften<br />

einhalten zu können. Neben der Gewährleistung eines<br />

regulären Betriebs schließt dies auch den Schutz vor äußeren<br />

Einwirkungen ein, durch die radioaktive Stoffe freigesetzt<br />

werden können. Denkbar sind Feuer <strong>und</strong> Naturereignisse,<br />

wie Erdbeben <strong>und</strong> Überschwemmungen, aber auch<br />

zerstörerische Absichten Dritter.<br />

Zuletzt ist für eine Ausreichende Deckungsvorsorge zu sorgen,<br />

d.h. der Antragsteller muss nachweisen, dass er die<br />

gesetzlichen Schadensersatzverpflichtungen erfüllen kann.<br />

Die Höhe der Deckungsvorsorge wird alle 2 Jahre von der<br />

zuständigen Behörde erneut festgelegt.<br />

Nachweis der Einhaltung der Schutzbestimmungen<br />

(Radioökologische Berechnungen u. a.)<br />

Der aufwändigste Teil im Genehmigungsverfahren ist der<br />

Nachweis der Einhaltung der gesetzlichen Schutzbestimmungen,<br />

insbesondere die Einhaltung der Grenzwerte für<br />

die effektive Dosis. Für den Fall einer äußeren Strahlenexposition<br />

durch ortsfeste Strahlenquellen geschieht dies mit<br />

Hilfe eines Strahlenschutzplans. Im Strahlenschutzplan wird<br />

die Äquivalentdosis aus den Aktivitätsmengen mit Hilfe der<br />

Dosisleistungskonstanten (vgl. Tabelle 5.1) unter Berücksichtigung<br />

des Abstandquadratgesetzes (vgl. Abb. 5.1) <strong>und</strong><br />

der vorhandenen Abschirmung (vgl. Abb. 1.5) berechnet.<br />

Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit der Einrichtung<br />

von Strahlenschutzbereichen <strong>und</strong> die Pflicht der Überwachung<br />

der Personendosis der Mitarbeiter.<br />

Ferner müssen die Aktivitätskonzentrationen aller Ableitungen<br />

aus der Anlage kontrolliert werden. Je nach Verbreitung<br />

224


der Radionuklide in der Umwelt kann sich hieraus sowohl<br />

eine äußere wie auch eine innere Strahlenexposition für<br />

Einzelpersonen der Bevölkerung ergeben. Zu deren Abschätzung<br />

sind detaillierte radioökologische Berechnungen<br />

vorzulegen, die alle denkbaren Expositionspfade berücksichtigen.<br />

Das in seinen Abläufen außerordentlich komplexe radioökologische<br />

Geschehen lässt sich nicht in allen Details vollständig<br />

mathematisch erfassen. Eine Abschätzung der höchstmöglichen<br />

Dosis ist jedoch durch eine modellhafte Beschreibung<br />

durchaus möglich. Dazu werden alle notwendigen<br />

Annahmen so getroffen, dass sie stets den ungünstigsten<br />

Fall mit einbeziehen.<br />

Das Ergebnis eines solchen Vorgehens ist ein Rechenwert,<br />

der insgesamt höher liegt, als es der Realität entspricht, also<br />

„konservativ“ ist. Die Anwendung der Berechnungsprinzipien<br />

auf die Messwerte der <strong>Radioaktivität</strong> aus den Ablagerungen<br />

nach dem Tschernobyl-Unfall hat nun gezeigt, dass in allen<br />

Fällen die Strahlendosis überschätzt wurde. Die Rechenwerte<br />

lagen also in der Tat auf der sicheren Seite.<br />

Bei radioökologischen Berechungen im Rahmen des atomrechtlichen<br />

Genehmigungsverfahrens muss nicht jeder Einzelwert,<br />

sondern das Gesamtergebnis konservativ sein. So<br />

überschätzt beispielsweise der überdurchschnittlich hoch<br />

angenommene Nahrungsverbrauch der Referenzperson die<br />

stark unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten von Einzelpersonen,<br />

wie extremen Fleischessern, Vegetariern <strong>und</strong><br />

anderen. Die für die Referenzperson errechneten Höchstdosen<br />

werden deshalb von real existierenden Personen mit Sicherheit<br />

nicht erreicht.<br />

Für Überwachungsmessungen muss eine ausreichende Anzahl<br />

von Messinstrumenten zur Erfassung der Aktivitätskonzentrationen<br />

im Abfall, im Abwasser <strong>und</strong> in der Abluft vorhanden<br />

sein. Das Landesamt für Umwelt schreibt die Messprotokolle<br />

vor <strong>und</strong> kann im Einzelfall die korrekte Durchführung<br />

der Messungen kontrollieren. Genauso müssen Messgeräte<br />

zur Feststellung von Personenkontaminationen verfügbar<br />

sein <strong>und</strong> gegebenenfalls geeignete Dekontaminationseinrichtungen.<br />

Der Nachweis, dass alle Mitarbeiter mit den betriebsinternen<br />

Regelungen zum Einhalten der Schutzmaßnahmen vertraut<br />

225


gemacht worden sind, wird durch eine Strahlenschutzanweisung<br />

erbracht. Die Strahlenschutzanweisung wird von den<br />

zuständigen Strahlenschutzbeauftragten erstellt <strong>und</strong> ist von<br />

allen Mitarbeitern zur Kenntnis zu nehmen. Sie enthält alle<br />

Verhaltensweisen zum Umgang mit radioaktiven Stoffen im<br />

normalen Betrieb, sowie Verhaltensanweisungen bei möglichen<br />

Unfällen. Zudem müssen alle Mitarbeiter jährlich im<br />

Umgang mit radioaktiven Stoffen unterwiesen werden. Neben<br />

der Auffrischung allgemeiner Strahlenschutzgr<strong>und</strong>sätze<br />

soll hierbei auch auf betriebsspezifische Besonderheiten<br />

<strong>und</strong> Neuerungen hingewiesen werden.<br />

Ist der Umgang genehmigt <strong>und</strong> die Anlage in Betrieb, überprüft<br />

das Landesamt für Umwelt die Einhaltung aller<br />

Schutzmaßnahmen <strong>und</strong> Auflagen. Außerdem besteht eine<br />

Mitteilungspflicht über jeglichen Zu- <strong>und</strong> Abgang von Aktivitäten<br />

mit ihrem jeweiligen Verbleib. Die Überprüfung wird in<br />

regelmäßigen Abständen in Form einer Begehung der Einrichtung<br />

vollzogen. Neben der augenscheinlichen Begutachtung<br />

der örtlichen Gegebenheiten sind den Prüfern die Dokumentation<br />

der regelmäßigen Qualitätskontrollen der verwendeten<br />

Messgeräte, die Aufzeichnungen über die jährliche<br />

Unterweisung der Mitarbeiter <strong>und</strong> die Bestätigung ihrer<br />

Fachk<strong>und</strong>e bzw. Kenntnisse vorzulegen.<br />

5.4 Literatur<br />

Atomgesetz (1985). (/ATG-<br />

85/).http://b<strong>und</strong>esrecht.juris.de/atg/index.html.<br />

Dosiskoeffizienten bei äußerer <strong>und</strong> innerer Strahlenexposition.<br />

B<strong>und</strong>esanzeiger (/BUA-01/). (2001). 160 a <strong>und</strong> b.<br />

Röntgenverordnung (2001). (/RÖV-01/).<br />

http://b<strong>und</strong>esrecht.juris.de/strlschv_2001/index.html.<br />

Strahlenschutzvorsorgegesetz (1986). (/STR-86/).<br />

http://b<strong>und</strong>esrecht.juris.de/strvg/index.html.<br />

Strahlenschutzverordnung (2001). (/STR-01/).<br />

http://b<strong>und</strong>esrecht.juris.de/b<strong>und</strong>esrecht/strlschv_2001/<br />

gesamt.pdf.<br />

226


6. Vorsorgemaßnahmen bei Strahlenunfällen<br />

6.1 Reaktorunfälle (Beispiel Tschernobyl)<br />

Reaktorunfälle vor Tschernobyl<br />

Im Oktober 1957 kam es in Windscale, UK, in einem gasgekühlten<br />

Reaktor mit Graphitkern ohne Sicherheitscontainment<br />

zu einem schweren Unfall. Die Überhitzung des<br />

Graphitkerns führte zu einem Brand, der nur unter größten<br />

Schwierigkeiten am nächsten Tag gelöscht werden konnte.<br />

Es folgte eine Freisetzung von <strong>Radioaktivität</strong>, wobei Partikel<br />

von vorhandenen Filtern zurückgehalten werden konnten.<br />

Insgesamt wurden ca. 750 TBq flüchtiges I-131 in die Atmosphäre<br />

freigesetzt. In einem Umfeld von 300 Quadratkilometern<br />

wurde kontaminierte Milch für die Dauer von einem Monat<br />

mit einem Verzehrsverbot belegt. Die kollektive Schilddrüsendosis<br />

für die englische Bevölkerung wurde mit<br />

2,5*10 4 Personen-Sievert geschätzt. Hieraus wurden zusätzlich<br />

6,5 Schilddrüsenkrebsfälle pro Jahr abgeschätzt, die<br />

bei einer erwarteten natürlichen Inzidenz von über 600 pro<br />

Jahr statistisch nicht nachweisbar sind.<br />

Im März 1979 ereignete sich ein schwerer Unfall im Kernkraftwerk<br />

Three Mile Island in Harrisburg, Pennsylvania,<br />

USA. Hierbei handelt es sich um einen wassergekühlten<br />

Reaktor mit Sicherheitscontainment. Aufgr<strong>und</strong> einer Verkettung<br />

von Fehlern in der Bedienung des Reaktors kam es zu<br />

einem Versagen der Haupt- <strong>und</strong> Notkühlung. Die Folge war<br />

eine Kernschädigung mit einer Freisetzung von r<strong>und</strong> 50 %<br />

des Reaktorinventars an Radiocäsium <strong>und</strong> 40 % an Radioiod.<br />

Diese enormen <strong>Radioaktivität</strong>smengen wurden aber<br />

weitgehend vom Reaktorgebäude zurückgehalten, so dass<br />

kein Radiocäsium <strong>und</strong> nur ein sehr geringer Teil (0,00002 %)<br />

des Radioiods in die Umgebung entwichen. Die Gesamtmenge<br />

an freigesetztem Iod wurde mit 550 GBq geschätzt.<br />

Systematische Untersuchungen der exponierten Bevölkerung<br />

ergaben keine eindeutigen Hinweise dafür, dass die<br />

Freisetzung zu einer Erhöhung der Krebsmortalität geführt<br />

hat.<br />

227


Der Tschernobylunfall<br />

Am 26. April 1986 ereignete sich im Reaktorblock 4 der<br />

ukrainischen Kernkraftwerksanlage Tschernobyl 100 km<br />

nördlich von Kiew unweit der Grenze zu Weißrussland der<br />

folgenschwerste Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung<br />

der Kernenergie. Die Bedienmannschaft hatte einen<br />

unangekündigten Test des Kühlsystems nach Abschalten<br />

der Elektrizitätsversorgung für die Turbinen vorgenommen.<br />

Der Graphit moderierte Reaktor, der über kein heutigen<br />

Maßstäben genügendes Reaktordruckgefäß <strong>und</strong> kein Sicherheitscontainment<br />

verfügte, geriet innerhalb kürzester<br />

Zeit außer Kontrolle.<br />

Abb. 6.1 Der havarierte Reaktorblock 4 des KKW Tschernobyl<br />

am 26.04.1986 (Russian Research Centre „Kurchatov Institute“<br />

1996)<br />

Aufgr<strong>und</strong> der speziellen Bauweise des Reaktors führte die<br />

sich verstärkende Kettenreaktion zur Explosion des Reaktorkerns,<br />

wobei die Sprengkraft mit 30-40 t TNT gleichgesetzt<br />

wurde. Freigesetzt wurden große Teile des radioaktiven<br />

Reaktorinventars von etwa 40–50 % des Radiocäsiums<br />

<strong>und</strong> des Radioiods. Da der Graphitbrand innerhalb eines<br />

228


Zeitraums von 10 Tagen nicht gelöscht werden konnte, wurden<br />

täglich etwa 10 16 Bq I-131 <strong>und</strong> 10 15 Bq Cs-137 freigesetzt.<br />

Abb. 6.2 Freisetzung von I-131, Te-132 <strong>und</strong> Cs-137 während<br />

des Brands des Reaktorblocks 4 des KKW Tschernobyl in den<br />

10 Tagen nach dem 26.04.1986 (UNSCEAR 2000)<br />

Infolge der heftigen Explosion <strong>und</strong> des Feuers reichte die<br />

radioaktive Wolke bis zu 10 km hoch <strong>und</strong> führte zu einer<br />

Verfrachtung des radioaktiven Materials über Teile der<br />

Ukraine, Russlands <strong>und</strong> Weißrusslands. Die Wolke wurde<br />

aufgr<strong>und</strong> der anfangs vorherrschenden Winde zunächst<br />

nach Nordwesten abgetrieben, was dazu führte, dass vor allem<br />

weißrussische Gebiete (wie z. B. um die Großstadt Gomel<br />

herum) besonders vom Fallout betroffen wurden. Aber<br />

auch das Gebiet unmittelbar um den Reaktor <strong>und</strong> die Nachbarstadt<br />

Pripyat wurden erheblich kontaminiert. Die Bevölkerung<br />

von Pripyat wurde innerhalb von 2 Tagen evakuiert <strong>und</strong><br />

die Einwohner der Dörfer innerhalb einer 30-km-Zone in der<br />

Folgezeit. Insgesamt wurden etwa 30.000 Quadratkilometer<br />

mit mehr als 185 kBq/m 2 kontaminiert, was die Evakuierung<br />

von r<strong>und</strong> 115.000 Einwohnern zur Folge hatte. In den Jahren<br />

nach dem Unfall wurden zusätzlich 210.000 Einwohner<br />

in weniger kontaminierte Gebiete umgesiedelt.<br />

229


Abb. 6.3 Kontamination der näheren <strong>und</strong> weiteren Umgebung<br />

des Tschernobylreaktors mit Cs-137 (UNSCEAR 2000)<br />

Nachdem die Windrichtung in den folgenden Tagen mehrfach<br />

wechselte, wurden auch weiter entfernte Gebiete Europas<br />

zum Teil erheblich kontaminiert. In Skandinavien beispielsweise<br />

wurden Expositionen von Cäsium-137 bis zu<br />

120 kBq/m 2 gemessen. Aufgr<strong>und</strong> einer ausschließlich stabilen,<br />

mehrere Tage andauernden Ostwindlage zog die radioaktive<br />

Wolke auch über Deutschland hinweg, wobei sie insbesondere<br />

im süddeutschen Raum durch stärkere Regenfälle<br />

niedergeschlagen wurde. Südlich der Donau <strong>und</strong> im Bayerischen<br />

Wald wurde zwischen 10 <strong>und</strong> 50 kBq/m 2 Cäsium-<br />

137 am Boden gemessen.<br />

230


Abb. 6.4 <strong>Radioaktivität</strong>sverfrachtungen während 7 Tagen nach der<br />

Reaktorkatastrophe in Tschernobyl am 26.04.1986 (GRS 1996)<br />

Ges<strong>und</strong>heitliche Folgen des Tschernobylunfalls<br />

Die ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen der Tschernobylkatastrophe<br />

wurden kürzlich von dem Tschernobylforum, einer Initiative<br />

der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) <strong>und</strong> der Internationalen<br />

Atomenergie-Organisation (IAEO), bewertet. Zu diesem<br />

Tschernobylforum zählten zahlreiche internationale Experten<br />

sowie Vertreter der Wissenschaft aus den von der Tschernobylkatastrophe<br />

betroffenen Ländern Ukraine, Weißrussland<br />

<strong>und</strong> Russland. Das Tschernobylforum machte sich zur Aufgabe,<br />

die im Bericht des United Nations Scientific Committee<br />

on the Effects of Atomic Radiation (UNSCEAR) aus dem Jahre<br />

2000 publizierten Daten zu den Folgen des Tschernobylunfalls<br />

zur aktualisieren <strong>und</strong> durch neuere Publikationen in „peer<br />

reviewed journals“ sowie durch Berichte staatlicher Einrichtungen<br />

der betroffenen Länder zu ergänzen.<br />

231


Mangels Verfügbarkeit geeigneter Messinstrumente <strong>und</strong> der<br />

Durchführung systematischer Untersuchungen in der Bevölkerung<br />

unmittelbar nach der Katastrophe ist die Datenlage<br />

zu den Strahlendosen der Bevölkerung relativ schlecht. Hinzu<br />

kommt, dass die Exposition auf den kontaminierten Gebieten<br />

teilweise relativ niedrig ist. Hiervon ist allerdings die<br />

hohe, besser dokumentierte Strahlenbelastung der Schilddrüse,<br />

die vor allem auf den Verzehr kontaminierter Milch<br />

zurückzuführen ist, abzugrenzen. Auch zu den hoch exponierten<br />

Ersthelfern auf der Kernkraftwerksanlage liegen belastbarere<br />

Dosisabschätzungen vor.<br />

Was die ges<strong>und</strong>heitlichen Risiken infolge des Tschernobylunfalls<br />

betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass die Lebenserwartung<br />

der davon betroffenen Bevölkerung nach dem Zusammenbruch<br />

der Sowjetunion auch in nicht kontaminierten<br />

Regionen dramatisch abgenommen hat. Über einen Zeitraum<br />

von 15 Jahren reduzierte sich die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung für einen Mann von 70 auf 61 Jahre in<br />

Russland <strong>und</strong> von 67 auf 61 Jahre in der Ukraine (zum Vergleich:<br />

die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer in<br />

Westeuropa liegt derzeit bei 75 Jahren). Man geht davon<br />

aus, dass die reduzierte Lebenserwartung durch die Verschlechterung<br />

der sozioökonomischen Bedingungen <strong>und</strong><br />

des Ges<strong>und</strong>heitssystems bedingt ist.<br />

Die von der Expertengruppe analysierten Studien weisen<br />

leider häufig Mängel durch kleine Fallzahlen oder unzulängliche<br />

Kontrollgruppen auf. Der Einfluss des Rauchens <strong>und</strong><br />

des Alkoholkonsums kann zu starken Veränderungen der<br />

Mortalität <strong>und</strong> Morbidität führen (insbesondere verschiedener<br />

Krebs- <strong>und</strong> kardiovaskulärer Erkrankungen). Ohne Zweifel<br />

kann die psychische Belastung durch bestehende oder<br />

vermutete Strahlenexposition zu einer Zunahme des Tabakoder<br />

Alkoholkonsums führen, was den Anstieg der Häufigkeit<br />

von Krebs <strong>und</strong> kardiovaskulärer Erkrankungen zur Folge<br />

haben kann, ohne dass Strahlung hierbei direkt die Ursache<br />

ist.<br />

Bei den ges<strong>und</strong>heitlichen Effekten müssen stochastische<br />

von deterministischen Strahleneffekten unterschieden werden<br />

(vgl. Kapitel 2.2).<br />

232


- Exponierte Personen<br />

Die von der Tschernobylkatastrophe betroffene Bevölkerung<br />

kann in drei Kategorien eingeteilt werden:<br />

� So genannte Liquidatoren, die unmittelbar nach dem<br />

Reaktorunfall oder später während der Aufräumphase<br />

strahlenexponiert wurden. Besonders hoch exponiert waren<br />

die 150 zum Zeitpunkt des Unfalls auf der Anlage beschäftigten<br />

Mitarbeiter. In den Jahren 1986 <strong>und</strong> 1987<br />

setzte man 240.000 Liquidatoren zur Beseitigung der<br />

Folgen der Reaktorkatastrophe ein. Bis 1990 wurde eine<br />

große Zahl weiterer ziviler <strong>und</strong> militärischer Kräfte hinzugezogen,<br />

so dass insgesamt 600.000 Personen an den<br />

Aufräumarbeiten beteiligt waren. Das gesamte Einsatzpersonal<br />

erhielt spezielle Zertifikate als Liquidatoren <strong>und</strong><br />

damit auch soziale Vergünstigungen. Es muss allerdings<br />

davon ausgegangen werden, dass nur ein kleiner Teil<br />

dieses Personenkreises hoch exponiert war, während der<br />

weitaus größte Teil der Liquidatoren, der in einiger Entfernung<br />

von der Anlage <strong>und</strong> auch zu späten Zeitpunkten<br />

eingesetzt wurde, allenfalls niedrige Strahlendosen erhielt.<br />

� Einwohner, die aus kontaminierten Gebieten evakuiert<br />

wurden. Hierbei handelt es sich um 116.000 Personen,<br />

die im Jahre 1986 aus der Umgebung des Tschernobylreaktors<br />

evakuiert wurden <strong>und</strong> zusätzliche 220.000<br />

Personen, die nach 1986 aus verschiedenen, relativ hoch<br />

kontaminierten Gebieten Weißrusslands, Russlands <strong>und</strong><br />

der Ukraine umgesiedelt wurden.<br />

� Einwohner kontaminierter Gebiete, die nicht evakuiert<br />

wurden. Es wird geschätzt, dass r<strong>und</strong> 5 Mio. Einwohner<br />

auf geringer kontaminierten Gebieten leben, für die eine<br />

Evakuierung als nicht erforderlich ertrachtet wurde.<br />

Die Art der Exposition war dabei meist unterschiedlich, so<br />

wurden die Ersthelfer <strong>und</strong> die höher exponierten Liquidatoren<br />

hauptsächlich einer äußeren Strahlenexposition ausgesetzt<br />

(durch Gamma- <strong>und</strong> Betastrahlung während der Tätigkeit<br />

auf der Anlage). Die allgemeine Bevölkerung wurde einerseits<br />

Direktstrahlung aus der radioaktiven Wolke <strong>und</strong><br />

233


später von auf dem Boden deponierten Radionukliden ausgesetzt.<br />

Hinzukommt die mögliche Inhalation von <strong>Radioaktivität</strong><br />

aus der Luft <strong>und</strong> die Ingestion von kontaminierter Nahrung<br />

<strong>und</strong> Wasser.<br />

- Strahlendosen<br />

Nachdem sich 1991–1992 erstmals zeigte, dass die steigende<br />

Häufigkeit von Schilddrüsenkrebs bei Kindern in Zusammenhang<br />

mit der Strahlenexposition zu bringen ist, wurden<br />

die Schilddrüsendosen intensiv untersucht. Sie variieren<br />

über einen weiten Bereich in Abhängigkeit vom Lebensalter<br />

der exponierten Personen, der Höhe der Bodenkontamination,<br />

dem Milchverzehr <strong>und</strong> der Höhe der Aktivitätskonzentration<br />

in der Milch. Die individuellen Schilddrüsendosen erreichten<br />

bis zu 50 Gy, mit durchschnittlichen Dosen zwischen<br />

0,03 <strong>und</strong> 0,3 Gy. Die Einschätzung dieser Schilddrüsendosen<br />

basieren auf r<strong>und</strong> 350.000 Messungen, die innerhalb<br />

weniger Wochen nach dem Unfall bei Einwohnern<br />

Weißrusslands, der Ukraine <strong>und</strong> Russlands durchgeführt<br />

wurden. Was die Strahleneffekte an der Schilddrüse betrifft,<br />

so ist zu berücksichtigen, dass die kontaminierten Gegenden<br />

Weißrusslands, Russlands <strong>und</strong> der Ukraine zum Teil als<br />

Gebiete mit mildem oder moderatem Iodmangel zu betrachten<br />

sind. Mit der verringerten Zufuhr stabilen Iods nehmen<br />

die Schilddrüsenmasse <strong>und</strong> die Aufnahme von Iod-131 zu.<br />

Iodtabletten zur Blockierung der Aufnahme von Radioiod<br />

wurden nur vereinzelt (wie z. B. in der Stadt Pripyat) innerhalb<br />

von 6 bis 30 St<strong>und</strong>en nach der Freisetzung von Radioiod<br />

verteilt. Man nimmt an, dass dies bei den Einwohnern<br />

Pripyats zu einer Reduktion der Schilddrüsendosis um etwa<br />

den Faktor 6 geführt hat. Im übrigen hat sich die Iodblockade<br />

in Polen, wo ebenfalls erhebliche Expositionen mit I-131<br />

zu vermelden waren, außerordentlich bewährt.<br />

Die Anlagenmitarbeiter <strong>und</strong> Ersthelfer erhielten Strahlendosen<br />

zwischen einigen Gy bis zu 16 Gy. Von den derart hoch<br />

exponierten verstarben 28 innerhalb der ersten 4 Monate<br />

nach der Strahlenexposition. Die Dosen, die bei den Liquidatoren<br />

registriert wurden, erreichten bis zu 500 mGy, mit<br />

einer durchschnittlichen Dosis von etwa 100 mGy.<br />

234


Die Strahlenexposition der Bevölkerung im Zeitraum 1986<br />

bis 2005 wird mit wenigen mSv bis zu einigen 100 mSv<br />

geschätzt, wobei die Durchschnittsdosen zwischen 10 <strong>und</strong><br />

20 mSv liegen (zum Vergleich: Die durchschnittliche Dosis<br />

durch natürliche Umgebungsstrahlung in Deutschland pro<br />

Person liegt bei etwa 2,4 mSv/Jahr. Während des gesamten<br />

Lebens kommt es somit zu einer akkumulierten Dosis von<br />

wenigstens 100 mSv).<br />

- Schilddrüsenerkrankungen<br />

Die Schilddrüse benötigt Iod als Baustein für die Schilddrüsenhormonsynthese<br />

<strong>und</strong> konzentriert auf die Art <strong>und</strong><br />

Weise auch Radioiod sehr stark. Es ist seit langem bekannt,<br />

dass ionisierende Strahlung Schilddrüsenkrebs erzeugen<br />

kann, wobei Kinder besonders strahlenempfindlich sind.<br />

Zwischen 1992 <strong>und</strong> 2000 wurden in Weißrussland, Russ-<br />

land <strong>und</strong> der Ukraine ca. 4.000 Fälle von Schilddrüsenkrebs<br />

bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen (jünger als 18 Jahre zum<br />

Zeitpunkt der Reaktorkatastrophe) diagnostiziert, wobei etwa<br />

die Hälfte dieser Fälle auf die Strahlenexposition zurückzuführen<br />

ist. Nach den vorliegenden Daten zu den Verläufen<br />

der Krebserkrankungen bei 1.152 Schilddrüsenkrebsfällen<br />

bei Kindern aus Weißrussland liegen die Überlebensraten<br />

für den Zeitraum 1992 bis 2002 bisher bei r<strong>und</strong> 99 %. Da die<br />

Schilddrüsenkrebsfälle bei einem nicht unerheblichen Teil<br />

dieses weißrussischen Kollektivs (ca. 20 %) in fortgeschrittenen<br />

Tumorstadien (N+, M+) diagnostiziert wurden, ist eine<br />

sichere Beurteilung der Prognose erst nach Jahrzehnten<br />

möglich.<br />

In jüngster Zeit wird auch über eine Zunahme der Schilddrüsenkrebs-Häufigkeit<br />

bei Erwachsenen berichtet. Bei auch in<br />

anderen Regionen der Welt steigenden Inzidenzen <strong>und</strong> einer<br />

nicht eindeutigen Korrelation der zunehmenden Inzidenzen<br />

bei Erwachsenen aus den unmittelbar betroffenen Gebieten<br />

der ehemaligen Sowjetunion mit der Strahlendosis<br />

durch Tschernobyl ist ein kausaler Zusammenhang bisher<br />

unklar.<br />

235


Fälle pro 100 000<br />

236<br />

Kinder (0 - 14)<br />

Jugendliche (15 - 18)<br />

Erwachsene (19 - 34)<br />

Jugendliche<br />

Erwachsene<br />

Kinder<br />

Abb. 6.5 Jährliche Inzidenz der Schilddrüsenkarzinome bei<br />

Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen in Weißrussland<br />

(Cardis et al. 2006)<br />

Andere Schilddrüsenerkrankungen – wie gutartige Schilddrüsenerkrankungen,<br />

Hypothyreose oder Autoimmunthyreo-<br />

iditis – wurden vereinzelt berichtet. Die Zusammenhänge<br />

zwischen der Strahlenexposition nach Tschernobyl <strong>und</strong> derartigen<br />

Beobachtungen sind jedoch noch unklar.<br />

- Leukämie<br />

Nach den Beobachtungen, die an den Überlebenden der<br />

Atombombenabwürfe auf Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki gemacht<br />

wurden, zählt die Leukämie zu den gesicherten Folgen einer<br />

Strahlenexposition. Insbesondere Kinder gelten hierbei als<br />

besonders strahlenempfindlich. Die vorliegenden Daten lassen<br />

den Schluss nicht zu, dass die Strahlenexposition durch<br />

Tschernobyl zu einer signifikanten Erhöhung der Rate kindlicher<br />

Leukämien geführt hat. Gleichermaßen liegt kein eindeutiger<br />

Hinweis dafür vor, dass die Leukämie bei erwachsenen<br />

Einwohnern der exponierten Gebiete zugenommen<br />

hat. Für die Liquidatoren zeichnet sich ab, dass das Risiko<br />

der Leukämie nach Exposition mit mehr als 150 mGy um<br />

den Faktor 2 zunimmt. Diese Beobachtung bedarf jedoch<br />

noch einer Bestätigung durch weitere Untersuchungen.


- Andere solide Tumoren als Schilddrüsenkrebs<br />

Nach dem aktuellen Bericht des Tschernobylforums liegen<br />

für die Bevölkerung bisher keine gesicherten Erkenntnisse<br />

über die Zunahme der Inzidenzen anderer solider Tumoren<br />

als Schilddrüsenkrebs durch die Tschernobylkatastrophe<br />

vor. Eine Ausnahme stellt allerdings möglicherweise der<br />

Brustkrebs bei prämenopausalen Frauen dar. Auch die Gesamtzahl<br />

solider Tumoren bei Liquidatoren steigt möglicherweise<br />

an. Für die Nicht-Schilddrüsenkrebse müssen Latenzzeiten<br />

von 10 bis 15 <strong>und</strong> mehr Jahren angenommen<br />

werden, so dass die Beobachtungszeiträume hier zum Teil<br />

noch zu kurz sind.<br />

- Andere ges<strong>und</strong>heitliche Effekte<br />

Die Angaben zu durch Tschernobyl bedingten Todesfällen,<br />

die in den letzten 20 Jahren gemacht wurden, bewegen sich<br />

zwischen zweistelligen <strong>und</strong> sechsstelligen Zahlen. Als gesichert<br />

kann gelten, dass bis heute r<strong>und</strong> 48 Personen verstorben<br />

sind (darunter 31 an Folgen des akuten Strahlensyndroms<br />

<strong>und</strong> 9 an Schilddrüsenkrebs). Angaben zu mehr als<br />

100.000 nach Tschernobyl verstorbenen Einwohnern der<br />

Ukraine beziffern die Gesamtmortalität <strong>und</strong> nicht die auf die<br />

Strahlenexposition zurückzuführende Sterblichkeitsrate. Die<br />

Gesamtzahl aller in der Zukunft zu erwartenden Todesfälle<br />

durch Krebs, die auf den Tschernobylunfall zurückzuführen<br />

sind, wird nach derzeitigen Schätzungen mit 4.000 bis maximal<br />

9.000 beziffert.<br />

Was die psychologischen Effekte der Tschernobylkatastrophe<br />

betrifft, so handelt es sich hierbei um das bei weitem<br />

größte Problem. Das Ausmaß der Tschernobylkatastrophe<br />

<strong>und</strong> die große Zahl der betroffenen Personen auch in wei-<br />

ter entfernten Gebieten mit den dadurch verb<strong>und</strong>en Fol-<br />

gen der Evakuierung <strong>und</strong> Umsiedelung sowie dem Verlust<br />

der ökonomischen Stabilität der Länder der ehemaligen<br />

Sowjetunion führten bei den Betroffenen zu verständli-<br />

chen Ängsten, massiver Verunsicherung <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />

psychischen <strong>und</strong> psychosomatischen Beschwerden.<br />

Unter den Stresssymptomen herrschen Depression <strong>und</strong><br />

Angstsymptome vor; die Selbstmordrate ist stark angestiegen.<br />

Die Tatsache, dass diese Störungen auch von man-<br />

237


chen Ärzten als direkte Folgen der Strahlenexposition erklärt<br />

werden, verschlechtert die Befindlichkeit der betroffenen<br />

Personen.<br />

Besondere Besorgnis haben Berichte zur Störung der kindlichen<br />

Hirnentwicklung in utero durch die Tschernobylkatastrophe<br />

ausgelöst. Eine Pilotstudie der WHO <strong>und</strong> zwei<br />

weitere Untersuchungen ergeben hierfür jedoch keinen Hinweis.<br />

Bezüglich hereditärer Effekte <strong>und</strong> Sterilität bzw. Infertilität<br />

zeigen die Erfahrungen aus Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki, dass<br />

derartige Störungen nur oberhalb von Schwellendosen auftreten,<br />

mit denen allenfalls die Ersthelfer auf der Anlage exponiert<br />

waren. Für die Bevölkerung könnten somit derartige<br />

Effekte ausgeschlossen werden. Dies steht nicht in Widerspruch<br />

zu der Beobachtung, dass die Geburtenraten in den<br />

betroffenen Gebieten abgenommen haben, wobei hierfür<br />

andere Effekte, wie z. B. die Unsicherheit über die sozioökonomische<br />

Entwicklung, ursächlich verantwortlich sein<br />

dürften.<br />

Kardiovaskuläre Erkrankungen haben in den letzten Jahren<br />

in der Ukraine, Weißrussland <strong>und</strong> Russland stark zugenommen.<br />

Aus Russland wird auch über eine groß angelegte<br />

Studie an Liquidatoren berichtet, die eine Zunahme des relativen<br />

Risikos für Tod an kardiovaskulären Erkrankungen<br />

zeigt. Eine Korrelation mit der Strahlendosis fehlt jedoch. Es<br />

bedarf weiterer Studien an Ersthelfern unter Verwendung<br />

geeigneter Kontrollgruppen <strong>und</strong> adäquater Dosimetrie, um<br />

diesen Effekten nachzugehen.<br />

Ein weiteres in der Öffentlichkeit viel diskutiertes Thema ist<br />

eine auf die Strahlenexposition zurückgeführte Immunschwäche,<br />

auch als „Tschernobyl-AIDS“ bezeichnet. Bisher<br />

lassen sich für Dosen bis zu einigen 10 mGy keine eindeutigen,<br />

auf die Strahlenexposition zurückzuführenden Effekte<br />

nachweisen.<br />

- Strahlenexposition in Deutschland durch Tschernobyl<br />

Die Strahlenexposition von Menschen in Deutschland wurde<br />

durch folgende Expositionspfade verursacht:<br />

238


� Bestrahlung von außen durch radioaktive Stoffe in der<br />

umgebenden Luft <strong>und</strong> durch ihre Ablagerung am Boden<br />

� Bestrahlung von innen durch Inhalation von kontaminierter<br />

Luft sowie Ingestion von kontaminierten Lebensmitteln<br />

Die Bestrahlung aus der umgebenden Luft lieferte im Vergleich<br />

zu den anderen Expositionspfaden nur geringe Beiträge,<br />

dies gilt auch für die Inhalation von kontaminierter Luft<br />

(inklusive der Aufnahme von radioaktivem Iod). Die Aufnahme<br />

kontaminierter Nahrungsmittel (Ingestion) trug in höherem<br />

Maße zu der Gesamtdosis bei, die durch die Reaktorkatastrophe<br />

in Tschernobyl verursacht worden ist. Auch<br />

heute noch sind in damals hochkontaminierten Gebieten<br />

Wildfleisch <strong>und</strong> bestimmte Waldpilze mit langlebigem Cä-<br />

sium kontaminiert.<br />

Abb. 6.6 Strahlenexposition im ersten Jahr nach der Reaktorkatastrophe<br />

von Tschernobyl <strong>und</strong> als kumulative 50 Jahre-<br />

Folgedosis für verschiedene deutsche Gebiete in Relation zur<br />

Variationsbreite der natürlichen jährlichen Strahlenexposition<br />

(SSK 1996)<br />

239


Die gesamte Strahlenexposition der Menschen in Deutschland<br />

ist in Abb. 6.6 dargestellt. Im ersten Jahr nach der Reaktorkatastrophe<br />

war die zusätzliche Strahlendosis im Mittel<br />

kleiner als die normale Variation der jährlichen natürlichen<br />

Strahlenexposition, die durch Unterschiede im Aufenthaltsort<br />

innerhalb Deutschlands bedingt ist. Die Strahlenschutzkommission<br />

schätzte bereits 1996 zutreffend ab, dass die<br />

gesamte Lebenszeitdosis der Menschen in den relativ hoch<br />

kontaminierten Voralpengebieten durch den Reaktorunfall<br />

etwa gleich sein wird wie die Strahlendosis aus natürlichen<br />

Quellen innerhalb eines Jahres (2,4 mSv). Der mittlere Wert<br />

der Exposition für die deutsche Bevölkerung durch den<br />

Tschernobylunfall liegt unterhalb von einem mSv. Ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Effekte für die Bevölkerung in Deutschland sind<br />

zwar vielfältig diskutiert worden. So finden sich Berichte<br />

über die Erhöhung von Missbildungen, Sterberaten bei<br />

Frühgeborenen <strong>und</strong> genetische Effekte (Mongolismus). Eine<br />

sorgfältige Überprüfung dieser Daten hat aber ergeben,<br />

dass ges<strong>und</strong>heitliche Effekte bei der Bevölkerung in<br />

Deutschland durch die Strahlendosen infolge der Reaktor-<br />

katastrophe in Tschernobyl nicht verursacht sein können.<br />

Dies gilt auch für Krebserkrankungen bzw. Krebstodesfälle.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der strahlenbiologischen <strong>und</strong> klinischen Erfahrungen<br />

mit ionisierenden Strahlen waren derartige Effekte bei<br />

den aufgetretenen Strahlendosen auch nicht zu erwarten.<br />

Iodblockade als Maßnahme zur Strahlenschutzvorsorge<br />

Im Falle der Freisetzung von radioaktivem Iod durch einen<br />

Reaktorunfall kann die Aufnahme des radioaktiven Iods<br />

durch stabiles Iod in Tablettenform effektiv blockiert werden.<br />

Derartige Iodtabletten sind prinzipiell leicht verfügbar, preiswert<br />

<strong>und</strong> in geeigneter Verpackung lange haltbar. Um eine<br />

ausreichende Wirkung zu erzielen, muss die Tabletteneinnahme<br />

wenige St<strong>und</strong>en vor oder nach der Exposition mit radioaktivem<br />

Iod erfolgen.<br />

240


Vermeidbare<br />

Schilddrüsendosis (%)<br />

Iodversorgung ausrei-<br />

Iodman-<br />

Zeit der Kaliumiodid-Gabe relativ<br />

zur Radioiod-Inkorporation (h)<br />

Abb. 6.7 Effektivität – ausgedrückt als vermeidbare Dosis in Prozent<br />

– der Verordnung von Kaliumiodid in Relation zur Inkorporation<br />

von Radioiod (in St<strong>und</strong>en). Unterschiedliche Betrachtung für<br />

ausreichende (durchgezogene Linie) bzw. unzureichende (gestrichelte<br />

Linie) Zufuhr von Iod mit der Nahrung (Reiners 2006<br />

Die Iodtabletten dienen in erster Linie der Blockierung der<br />

Aufnahme von Radioiod durch Inhalation aus einer radioaktiven<br />

Wolke. Iodtabletten sollten im Prinzip nur einmal verabreicht<br />

werden, da ggf. zusätzliche Schutzmaßnahmen greifen<br />

müssen (wie Evakuierung oder Verzehrsverbot für kontaminierte<br />

Milch <strong>und</strong> Nahrungsmittel).<br />

Nach den vorliegenden epidemiologischen Erkenntnissen<br />

sind Ungeborene, Kleinkinder, Kinder sowie Schwangere<br />

<strong>und</strong> stillende Frauen besonders schutzbedürftig. Kinder bis<br />

zu 4 Jahren sind besonders empfindlich gegen die möglichen<br />

schädigenden Effekte ionisierender Strahlung. Außerdem<br />

nehmen kindliche Schilddrüsen – bezogen auf das geringere<br />

Volumen – stärker Iod auf als die Schilddrüsen älterer<br />

Personen. Neben dem Zeitpunkt der Verabreichung ist<br />

die Menge des stabilen Iods entscheidend für die Reduktion<br />

der Speicherung radioaktiven Iods. Eine möglichst vollständige<br />

Blockade wird durch die in der nachfolgenden Tabelle<br />

altersabhängig angegebenen Dosierungen erreicht.<br />

241


Personengruppe Tagesgabe<br />

in mg Iodid<br />

242<br />

< 1 Monat<br />

1–36 Monate<br />

3–12 Jahre<br />

13–45 Jahre<br />

> 45 Jahre<br />

12,5<br />

25<br />

50<br />

100<br />

0<br />

Tagesgabe<br />

in mg Kaliumiodid<br />

16,25<br />

32,5<br />

65<br />

130<br />

0<br />

Tabletten<br />

à 65 mg<br />

Kalium-<br />

iodid<br />

1/4<br />

1/2<br />

1<br />

2<br />

0<br />

Tab. 6.1 Empfohlene Dosis Iodid bzw. Kaliumiodid nach Alter<br />

(SSK 2004)<br />

Iodtabletten sind nur nach Aufforderung durch die zuständige<br />

Behörde einzunehmen. Schwangere <strong>und</strong> Stillende erhalten<br />

die gleiche Ioddosis wie die Gruppe der 13- bis 45-Jährigen.<br />

Im Regelfall ist eine einmalige Einnahme der Iodtabletten<br />

ausreichend, im Ausnahmefall kann die zuständige<br />

Behörde eine weitere Tabletteneinnahme empfehlen. Die<br />

Tabletteneinnahme ist jedoch bei Neugeborenen stets auf<br />

einen Tag, bei Schwangeren <strong>und</strong> Stillenden auf zwei Tage<br />

zu beschränken. Aufgr<strong>und</strong> des sehr geringen Risikos der<br />

Krebsinduktion durch radioaktives Iod bei älteren Menschen<br />

<strong>und</strong> einer zunehmenden Häufigkeit funktioneller Autonomien<br />

mit Krankheitswert bei fortschreitendem Lebensalter soll die<br />

Iodblockade bei über 45-Jährigen nicht durchgeführt werden.<br />

Kontraindikationen gegen die Iodblockade sind Iodallergien<br />

(nicht zu verwechseln mit einer Unverträglichkeitsreaktion<br />

gegenüber iodhaltigen Medikamenten oder Röntgenkontrastmitteln),<br />

Dermatitis herpetiformis Duhring, Iododerma<br />

tuberosum, hypokomplementämische Vaskulitis <strong>und</strong> Myotonia<br />

congenita. Für diese Patienten kommt alternativ eine<br />

Schilddrüsenblockade durch Natriumperchlorat (1 g täglich<br />

über 7 Tage) infrage.<br />

In der B<strong>und</strong>esrepublik wurden erstmals 1975 Empfehlungen<br />

zur Iodblockade für den Fall eines Kernkraftwerkunfalls ausgesprochen<br />

<strong>und</strong> Iodtabletten in einer Dosierung von 130 mg<br />

Kaliumiodid von den Ländern für den Katastrophenschutz im<br />

Umkreis von 25 km um die Atomkraftwerke beschafft. Auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage aktueller Empfehlungen der Strahlenschutz-


kommission wurden diese Tabletten im Frühjahr 2004 ausgetauscht.<br />

In der unmittelbaren Umgebung der Atomkraftwerke<br />

(bis 25 km) sorgen die Länder für die Versorgung der<br />

Bevölkerung. Neu ist, dass für den Entfernungsbereich bis<br />

100 km Iodtabletten in 7 Zentrallagern aufbewahrt werden<br />

<strong>und</strong> allen Ländern bei Bedarf für die Iodblockade zur Verfügung<br />

stehen. Geändert wurde auch die Dosierung: Die neuen<br />

Iodtabletten enthalten 65 mg Kaliumiodid, was die Dosierung<br />

bei Kindern erleichtert. Die Beschaffung von insgesamt<br />

137 Mio. Iodtabletten wurde von den Atomkraftwerksbetreibern<br />

finanziert <strong>und</strong> erfolgte in enger Kooperation mit dem<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(BMU).<br />

6.2 Missbrauch von radioaktiven Stoffen<br />

Der Missbrauch von nuklearen oder anderen radioaktiven<br />

Stoffen wird nach Auflösung der Sowjetunion <strong>und</strong> angesichts<br />

der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ausgehend<br />

von Staaten, Gruppen oder Einzeltätern <strong>und</strong> durch<br />

die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen nicht länger nur als<br />

hypothetische sondern als reale Gefahr betrachtet. Das<br />

Spektrum des Missbrauchs reicht von der Nuklearkriminalität<br />

bis hin zum Nuklearterrorismus. Die zugr<strong>und</strong>e liegenden Motive<br />

sind entweder finanzieller oder terroristischer Art.<br />

Nuklearkriminalität<br />

Fälle von Nuklearkriminalität (illegaler Handel, vorsätzlicher<br />

Erwerb, Verkauf oder Schmuggel sowie versehentliches<br />

Verbringen von nuklearem oder anderem radioaktiven Material,<br />

wie unbeabsichtigte Entsorgung oder der Nachweis von<br />

kontaminierten Produkten) sind in der umfassenden IAEA<br />

Datenbank „Illicit Trafficking Database“ (ITDB) dokumentiert.<br />

243


Abb. 6.8 Bestätigte Vorfälle in der IAEA Datenbank „Illicit Trafficking<br />

Database“, 1993-2004 (IAEA 2005)<br />

Von 1993 bis Ende Dezember 2004 wurden 662 Vorfälle<br />

bestätigt, davon 196 mit nuklearem Material, 400 mit anderem<br />

radioaktiven Material sowie 24 Vorfälle sowohl mit nuklearem<br />

als auch anderem radioaktiven Material. Im Jahr<br />

1996 wurde mit 26 Vorfällen die geringste Zahl dokumentiert,<br />

2004 die höchste Anzahl mit 93 Vorkommnissen. In<br />

50 % der Fälle handelte es sich um kriminelle Aktivitäten<br />

wie Diebstahl, illegalen Besitz, versuchten Verkauf oder<br />

Schmuggel.<br />

Abb. 6.9 Verteilung der Vorkommnisse von illegalem Handel<br />

mit nuklearem Material, 1993-2003 (IAEA 2004)<br />

244


In der Mehrzahl der Vorfälle zwischen 1993–2004 lag nukleares<br />

Material in Form von natürlichem Uran, abgereichertem<br />

Uran oder niedrig angereichertem Uran vor. Bei 17 Vorfällen<br />

bis 2003 <strong>und</strong> bei einem Vorfall 2004 lag Handel mit hoch<br />

angereichertem Uran <strong>und</strong> Plutonium vor. Hoch angereichertes<br />

Uran (high enriched uranium: HEU) <strong>und</strong> Plutonium (Pu)<br />

sind geeignet für den unmittelbaren Gebrauch in einer improvisierten<br />

Nuklearbombe. Nuklearmaterial in der Form von<br />

niedrig angereichertem Uran (low enriched uranium), abgereichertem<br />

Uran (depleted uranium), natürlichem Uran (natural<br />

uranium) <strong>und</strong> Thorium erfordert dagegen eine intensive,<br />

technisch komplexe Verarbeitung, um in einer improvisierten<br />

Nuklearbombe Verwendung zu finden.<br />

Wie Tabelle 6.1 zeigt, kam es nach Auflösung der Sowjetunion<br />

in den frühen 90er Jahren zu einem Anstieg der Vorfälle<br />

mit nuklearem Material. Seit 1994 ist diese Tendenz<br />

stark rückläufig. In nur ganz wenigen Fällen ging es um waffentaugliches<br />

Nuklearmaterial, wobei es sich meist um kleine<br />

Proben von größeren Mengen Nuklearmaterials handelte,<br />

selten um waffentaugliches Nuklearmaterial in der Größenordnung<br />

von Kilogrammmengen. In Deutschland ist illegaler<br />

Handel mit nuklearem Material seit 1992 bekannt. Auch<br />

in Bayern wurden mehrere Fälle festgestellt. Die Herkunftsländer<br />

des nuklearen Materials waren überwiegend Staaten<br />

des ehemaligen Ostblocks.<br />

245


Datum Ort Material Vorfallbeschreibung<br />

24.05.<br />

1993<br />

März<br />

1994<br />

10.05.<br />

1994<br />

13.06.<br />

1994<br />

25.07.<br />

1994<br />

10.08.<br />

1994<br />

14.12.<br />

1994<br />

Juni<br />

1995<br />

06.06.<br />

1995<br />

08.06.<br />

1995<br />

246<br />

Vilnius<br />

Litauen<br />

St. Petersburg<br />

Russland<br />

Tengen-<br />

Wiechs<br />

Deutschland<br />

Landshut<br />

Deutschland<br />

München<br />

Deutschland<br />

München<br />

Deutschland<br />

Prag<br />

Tschechien<br />

Moskau<br />

Russland<br />

Prag<br />

Tschechien<br />

Ceske Budejovice<br />

Tschechien<br />

HEU/ 150 g<br />

HEU/ 2.972<br />

kg<br />

Pu/ 6.2 g<br />

HEU/ 0.795 g<br />

Pu/ 0.24 g<br />

Pu/ 363.4 g<br />

HEU/ 2.73 kg<br />

HEU/ 1.7 kg<br />

HEU/ 0.415 g<br />

HEU/ 16.9 g<br />

Auffinden von 140 kg mit<br />

HEU kontaminiertem Beryllium<br />

im Tresorraum einer<br />

Bank in Teilen einer Frachtsendung<br />

von 4.4 t legal importiertem<br />

Beryllium<br />

Verhaftung einer Person<br />

wegen Besitz von in einer<br />

nukleartechnischen Anlage<br />

gestohlenem HEU<br />

Auffinden von Pu bei einer<br />

polizeilichen Hausdurchsuchung<br />

Verhaftung mehrerer Personen<br />

wegen Besitz von<br />

HEU<br />

Konfiszierung einer geringen<br />

Menge eines PuO2-<br />

UO2 Gemischs im Zusammenhang<br />

mit einer größeren<br />

Beschlagnahme auf<br />

dem Flughafen München<br />

am 10.08.1994<br />

Beschlagnahme eines<br />

PuO2-UO2 Gemischs auf<br />

dem Flughafen München<br />

Beschlagnahme von HEU<br />

durch die Polizei in Prag<br />

Verhaftung einer Person<br />

wegen Besitz von in einer<br />

nukleartechnischen Anlage<br />

gestohlem HEU<br />

Beschlagnahme einer Probe<br />

HEU durch die Polizei<br />

in Prag<br />

Beschlagnahme einer Probe<br />

HEU durch die Polizei<br />

in Ceske Budejovice


29.05.<br />

1999<br />

02.10.<br />

1999<br />

19.04.<br />

2000<br />

16.09.<br />

2000<br />

Dezember<br />

2000<br />

28.01.<br />

2001<br />

16.07.<br />

2001<br />

26.06.<br />

2003<br />

Rousse<br />

Bulgarien<br />

Kara-Balta<br />

Kirgisien<br />

Batumi<br />

Georgien<br />

Tbilisi<br />

Georgien<br />

Karlsruhe<br />

Deutschland<br />

Asvestochori<br />

Griechenland<br />

Paris<br />

Frankreich<br />

Sadahlo<br />

Georgien<br />

HEU/ 10 g<br />

Pu/ 1.49 g<br />

HEU/ 770 g<br />

Pu/ 0.4 g<br />

Pu/ 0.001 g<br />

Pu/ ~3 g<br />

HEU/ 0.5 g<br />

HEU/ ~170 g<br />

Verhaftung einer Person<br />

durch Zollbehörden beim<br />

versuchten Schmuggel von<br />

HEU am Zollkontrollpunkt<br />

Rousse<br />

Verhaftung zweier Personen<br />

wegen versuchten<br />

Verkaufs von Pu<br />

Verhaftung von vier Personen<br />

wegen Besitz von<br />

HEU<br />

Beschlagnahme von nuklearem<br />

Material einschließlich<br />

Pu durch die Polizei<br />

auf dem Flughafen Tbilisi<br />

Diebstahl unterschiedlichen<br />

radioaktiven Materials einschließlich<br />

einer winzigen<br />

Menge Pu aus der ehemaligen<br />

Versuchsanlage zur<br />

Wiederaufarbeitung<br />

Auffinden von 245 kleinen<br />

Pu-haltigen Metallplatten in<br />

einem Geheimlager im<br />

Wald Kouri beim Dorf Asvestochori<br />

Verhaftung von drei Personen<br />

in Paris beim versuchten<br />

Verkauf von HEU<br />

Verhaftung einer Person<br />

wegen Besitz von HEU<br />

beim versuchten Schmuggel<br />

des Materials<br />

Tab. 6.2 Bestätigte Vorfälle mit high enriched uraniuim (HEU)<br />

oder Plutonium (Pu) (nach IAEA 2005)<br />

Bei anderem radioaktiven Material handelte es sich zumeist<br />

um umschlossene radioaktive Quellen mit unterschiedlicher<br />

Aktivität <strong>und</strong> unterschiedlichem Verwendungszweck.<br />

Die Mehrzahl der Quellen war Cs-137, gefolgt von<br />

247


Sr-90, Am-241, Co-60 <strong>und</strong> Ir-192. Bei einem Großteil der<br />

Vorkommnisse lag kein krimineller Hintergr<strong>und</strong> vor.<br />

Abb. 6.10 Verteilung der angegebenen Aktivität von anderem<br />

radioaktiven Material bei bestätigten Vorfällen, 1993-2003 (vorläufige<br />

Zahlen für 2003) (IAEA 2004)<br />

Nuklearterrorismus<br />

Unter Nuklearterrorismus versteht man den Gebrauch von<br />

nuklearem oder anderem radioaktiven Material sowie Handlungen<br />

gegen nukleare Anlagen aus terroristischen Motiven.<br />

Verschiedene Szenarien des Nuklearterrorismus mit unterschiedlicher<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> unterschiedlichen<br />

Auswirkungen <strong>und</strong> Folgen lassen sich differenzieren. Die<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit ist beim Nuklearterrorismus von<br />

der technischen Machbarkeit abhängig; durch diese wird das<br />

Risiko in erster Linie bestimmt, nicht durch die Auswirkungen<br />

<strong>und</strong> Folgen.<br />

Drei Arten des Nuklearterrors lassen sich unterscheiden, erstens<br />

der Einsatz von radioaktivem Material als „schmutziger<br />

Bombe“ bzw. der Strahlenterrorismus (z. B. die Kontamination<br />

von Trinkwasser <strong>und</strong> Nahrungsmitteln oder das Ablegen<br />

von radioaktiven Quellen in dicht bewohnten Gebieten),<br />

zweitens die Sabotage von oder der Angriff auf kerntechnische<br />

Anlagen oder Wiederaufarbeitungsanlagen <strong>und</strong> drittens<br />

der Diebstahl von Nuklearwaffen oder von nuklearem Material<br />

zum Bau einer improvisierten nuklearen Bombe.<br />

248


Strahlenterrorismus<br />

/<br />

„Schmutzige<br />

Bombe“<br />

Sabotage /<br />

Anschlag<br />

auf kerntechnische<br />

Anlage<br />

ImprovisierteNuklearbombe<br />

Machbarkeit<br />

/<br />

Wahrscheinlichkeitschwierig,<br />

aber<br />

machbar<br />

sehr<br />

schwierig<br />

extrem<br />

klein<br />

Betroffenes<br />

Gebiet<br />

Vorwiegend<br />

lokal<br />

sehr groß<br />

(>100km 2)<br />

groß<br />

(>50km 2)<br />

Effekte / Schäden<br />

Mensch<br />

klein bis<br />

mittel<br />

beschränkt<br />

sehr<br />

groß bis<br />

katastrophal<br />

Umwelt /<br />

Wirtschaft<br />

groß<br />

sehr<br />

groß<br />

verheerend<br />

Psyche<br />

Risiko<br />

sehr<br />

groß mittel<br />

gewaltig<br />

sehr<br />

klein<br />

traum<br />

atisch extrem<br />

klein<br />

Tab. 6.3 Vergleichende Risikoabschätzung für verschiedene<br />

Formen des Nuklearterrorismus (nach Anet 2001)<br />

- „Schmutzige Bombe“<br />

Bei einer „schmutzigen Bombe“ handelt es sich um konventionellen<br />

Sprengstoff, z. B. Dynamit, dem radioaktive Stoffe<br />

in Form von Puder oder kleinsten Kugeln beigefügt oder<br />

beigemischt sind. Durch die Explosion kommt es zu einer<br />

Verteilung (Dispersion) von radioaktivem Material. Dadurch<br />

unterscheidet sich das Szenario eines „Radiological Dispersion<br />

Device“ („RDD“) bzw. einer „schmutzigen Bomben“ von<br />

einer Nuklearbombe, die auf einer Kernspaltung beruht.<br />

Unterschiedliche Radionuklide mit stark variierenden Aktivitäten<br />

finden in der zivilen Industrie, in Forschung <strong>und</strong> Medizin<br />

breite Anwendung. Zu den gebräuchlichsten radioaktiven<br />

Quellen gehören Kobalt-60 für die Bestrahlung von Lebensmitteln,<br />

Cäsium-137 für medizinische <strong>und</strong> wissenschaftliche<br />

Geräte, Americium-241 in Rauchmeldern <strong>und</strong> technischen<br />

Messgeräten, Tritium für Leuchtfarben, Iridium-192 in Geräten<br />

zur Überprüfung von Schweißnähten <strong>und</strong> Nickel-63 für<br />

chemische Analysen. Weitere wichtige Nuklide im Zusammenhang<br />

mit der "schmutzigen Bombe" sind Strontium-90<br />

<strong>und</strong> Plutonium-239.<br />

249


- Sabotage bzw. terroristischer Anschlag<br />

Als Ziele von Sabotage oder eines terroristischen Anschlags<br />

könnten vor allem Kernkraftwerke dienen. Radioaktive Freisetzungen<br />

aus nuklearen Anlagen sind nicht mit einer<br />

Nuklearbombe vergleichbar, da Nuklearanlagen nicht explodieren<br />

können. Auch Lager für militärisches <strong>und</strong> ziviles<br />

nukleares Material <strong>und</strong> für radioaktive Abfälle, Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

für nukleare Brennstoffe, Urananreicherungsanlagen,<br />

Forschungsreaktoren <strong>und</strong> Nukleartransporte<br />

kämen als Ziele in Frage.<br />

Angriffe auf Kernkraftwerke sind zwar möglich, in Anbetracht<br />

der umfassenden Sicherheitsmaßnahmen von kerntechnischen<br />

Anlagen zeichnet sich dieses Szenario jedoch durch<br />

eine geringe Machbarkeit aus <strong>und</strong> stellt damit ein sehr unwahrscheinliches<br />

Ereignis dar.<br />

Im Gegensatz zur geringen Wahrscheinlichkeit steht das<br />

große Gefährdungspotential, das einem nuklearen Fallout<br />

gleichkäme. Aber selbst wenn Anschläge nicht oder nur zu<br />

einer geringen Freisetzung von <strong>Radioaktivität</strong> führen würden,<br />

wären die psychologischen Auswirkungen in der Bevölkerung<br />

sehr groß <strong>und</strong> der Schaden würde sich auf die gesamte<br />

Nuklearindustrie erstrecken.<br />

- Improvisierte Nuklearbombe<br />

Der Bau von improvisierten Nuklearbomben durch Terroristen<br />

setzt die Beschaffung einer genügenden Menge von geeignetem<br />

nuklearem Material, hoch angereichertem Uran<br />

bzw. Plutonium, voraus. Trotz der bekannt gewordenen Fälle<br />

von Schmuggel ist eine unentdeckte Abzweigung großer<br />

Mengen nuklearen Materials durch nicht-staatliche Organisationen<br />

äußerst unwahrscheinlich oder gar unmöglich. Zudem<br />

ist die Entwicklung selbst einer einfachen Nuklearbombe<br />

technisch äußerst anspruchsvoll <strong>und</strong> setzt eine aufwendige<br />

<strong>und</strong> teuere Ausrüstung voraus, die überdies unter internationaler<br />

Kontrolle steht. Das Szenario einer improvisierten<br />

Nuklearbombe ist daher äußerst unwahrscheinlich. Die<br />

Verwendung von gestohlenen Nuklearwaffen scheint dagegen<br />

eher möglich. Schwer berechenbare Risiken stellen der<br />

Verlust der Kontrolle Russlands <strong>und</strong> der Folgestaaten der<br />

250


früheren Sowjetunion über nukleares Material, über sensitive<br />

Technologien <strong>und</strong> über das Know-how auf dem Gebiet<br />

der Nuklearwaffen dar sowie die Rekrutierung arbeitsloser<br />

Nuklearspezialisten durch Länder <strong>und</strong> terroristische Organisationen.<br />

Die Folgen einer Nuklearbombe wären unvorstellbar groß,<br />

wobei die Auswirkungen von Druckwelle <strong>und</strong> Hitze die Folgen<br />

von <strong>Radioaktivität</strong> übersteigen würden. Die Anzahl der<br />

Betroffenen wäre groß <strong>und</strong> weite Gebiete wären kontaminiert.<br />

Gegenmaßnahmen<br />

Die in der B<strong>und</strong>esrepublik getroffenen Maßnahmen begründen<br />

einen im europäischen Vergleich hohen Standard. Initiativen<br />

der Europäischen Union zur Angleichung der in den<br />

Mitgliedsstaaten noch unterschiedlichen Standards sind eingeleitet.<br />

Der Prävention des illegalen Handels <strong>und</strong> des missbräuchlichen<br />

Einsatzes nuklearer <strong>und</strong> anderer radiologischer Quellen<br />

kommt der höchste Stellenwert zu. Maßnahmen gegen<br />

den illegalen Handel beinhalten einmal effektive Schutzmaßnahmen<br />

<strong>und</strong> zum anderen Kontroll- <strong>und</strong> Sicherungsmaßnahmen.<br />

Der sog. physische Schutz umfasst den<br />

Schutz des nuklearen Materials vor Diebstahl, Sabotage<br />

oder anderen illegalen Aktivitäten innerhalb der Landesgrenzen.<br />

Schutzmaßnahmen des Betreibers schließen umfassende<br />

technische <strong>und</strong> administrative Vorkehrungen gegen<br />

Abzweigung von nuklearem Material ein, z. B. Zaunüberwachung<br />

oder Wachdienste, die gesicherte Lagerung<br />

des nicht in Nutzung bzw. Verarbeitung befindlichen nuklearen<br />

Materials <strong>und</strong> die laufende Beobachtung mit automatischen<br />

Kameras. Aufgabe der IAEA <strong>und</strong> ihrer Mitgliedsstaaten<br />

ist es, illegalen Handel durch entsprechende Kontrollmaßnahmen<br />

zu verhindern. Kontroll- <strong>und</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />

beinhalten die laufende Buchführung über den Eingang<br />

<strong>und</strong> Ausgang radioaktiver Stoffe <strong>und</strong> Abfälle, also die<br />

regelmäßige Bestimmung des Inventars <strong>und</strong> mindestens eine<br />

jährliche Inventur. Hoheitliche Kontrollen umfassen die<br />

regelmäßige visuelle Kontrolle vor Ort <strong>und</strong> Durchsicht der<br />

251


Dokumentation durch Inspektoren der IAEA sowie der Europäischen<br />

Atomgemeinschaft (EURATOM).<br />

Die Kontrolle des Schmuggels etwa durch <strong>Radioaktivität</strong>smessung<br />

beim grenzüberschreitenden Verkehr kommt zum<br />

Einsatz, wenn Präventionsmaßnahmen nicht greifen.<br />

6.3 Überwachung der Umweltradioaktivität<br />

in Bayern<br />

Die Überwachung der Umweltradioaktivität ist auch aufgr<strong>und</strong><br />

des § 1 des Strahlenschutzvorsorgegesetzes (StrVG) eine<br />

Verpflichtung für B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Landesbehörden (siehe Nr.<br />

5.4.2). Die Überwachung der Umweltradioaktivität ist eine<br />

wichtige Komponente des präventiven Notfallschutzes bei<br />

einem nuklearen Ereignisfall <strong>und</strong> dient als Basis für die Bewertung<br />

eines Ereignisses <strong>und</strong> für das Ergreifen von entsprechenden<br />

Maßnahmen.<br />

Bei der <strong>Radioaktivität</strong>süberwachung werden zwei Bereiche<br />

unterschieden, erstens die großräumige Überwachung der<br />

allgemeinen Umweltradioaktivität im gesamten Staatsgebiet<br />

bzw. in einem B<strong>und</strong>esland <strong>und</strong> zweitens die Umgebungsüberwachung<br />

im Nahbereich einer kerntechnischen Anlage.<br />

Integriertes Mess- <strong>und</strong> Informationssystems (IMIS) zur<br />

Überwachung der allgemeinen Umweltradioaktivität<br />

In Deutschland begann die Überwachung der Umwelt in den<br />

frühen fünfziger Jahren mit der Messung des radioaktiven<br />

Fallouts der oberirdischen Atomwaffentests. Der Reaktorunfall<br />

in Tschernobyl war der Anlass, das bisherige seit dem<br />

EURATOM-Vertrag bestehende Überwachungssystem flächenmäßig<br />

auszuweiten, messtechnisch erheblich auszubauen<br />

<strong>und</strong> mit Hilfe der Informationstechnik zum Integrierten<br />

Mess- <strong>und</strong> Informationssystem (IMIS) zusammenzufassen.<br />

IMIS gewährleistet mit seinen Daten aus den Messstationen<br />

des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> ca. 400 Messstationen in Bayern, dass eine<br />

erhöhte Umweltradioaktivität flächendeckend, schnell <strong>und</strong><br />

sicher erkannt wird. Diese Überwachung erfolgt routinemäßig<br />

(Routinebetrieb) <strong>und</strong> bei Störfällen oder Unfällen (Störfallbetrieb).<br />

Damit spielt IMIS eine wichtige Rolle bei der<br />

252


Notfallvorsorge. Überschreitet die <strong>Radioaktivität</strong> einen bestimmten<br />

Schwellenwert wird automatisch ein Alarm ausgelöst.<br />

Dies ist eine wesentliche Gr<strong>und</strong>lage für Entscheidungen<br />

des BMU zur Einleitung umgehender koordinierter Vorsorgemaßnahmen.<br />

4. Ebene: „Entscheidung- <strong>und</strong><br />

Informationsebene“<br />

3. Ebene: „Datenzusammenführung“<br />

B<strong>und</strong>esmessnetze von<br />

B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz<br />

Deutscher Wetterdienst<br />

B<strong>und</strong>esamt für Gewässerk<strong>und</strong>e<br />

B<strong>und</strong>esamt für Seeschifffahrt<br />

<strong>und</strong> Hydrographie<br />

B<strong>und</strong>esumweltamt<br />

2. Ebene: „Sammlung, Auswertung<br />

<strong>und</strong> Dokumentation von<br />

<strong>Radioaktivität</strong>sdaten in Bayern“<br />

1. Ebene: „Datenermittlung“<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

Zentralstelle des B<strong>und</strong>es für die<br />

Überwachung der Umweltradioaktivität<br />

(ZdB)<br />

B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz<br />

Neuherberg<br />

Zentralstelle für die Überwachung der<br />

Umweltradioaktivität in Bayern<br />

Landesmessstelle<br />

<strong>Bayerisches</strong> Landesamt für Umwelt,<br />

Augsburg<br />

B<strong>und</strong><br />

B<strong>und</strong>esleitstellen für<br />

die Überwachung der<br />

Umweltradioaktivität<br />

Freistaat Bayern<br />

Abb. 6.11 Übersicht über beteiligte Institutionen bei der Überwachung<br />

der Umweltradioaktivität (IMIS) in Bayern<br />

Die B<strong>und</strong>eseinrichtungen überwachen Luft, Niederschlag,<br />

Boden, Wasser, Schwebstoffe <strong>und</strong> Sediment, die Landeseinrichtungen<br />

überwachen Lebensmittel, Futtermittel, Düngemittel,<br />

Arzneimittel, Gebrauchsgegenstände usw. IMIS<br />

greift auf die b<strong>und</strong>esweit existierenden Messnetze der folgenden<br />

Behörden zu:<br />

� B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz (BfS): etwa 2.150 Messstellen<br />

zur Überwachung der bodennahen Gamma-Ortsdosisleistung,<br />

die flächendeckend in einem Raster von<br />

jeweils 15 x 15 km über Deutschland verteilt sind <strong>und</strong><br />

12 Messstellen zur Überwachung der <strong>Radioaktivität</strong> in der<br />

Luft.<br />

� Deutscher Wetterdienst (DWD): 39 Messstellen zur Überwachung<br />

der <strong>Radioaktivität</strong> in Luft <strong>und</strong> Niederschlag.<br />

253


� B<strong>und</strong>esanstalt für Gewässerk<strong>und</strong>e (BfG): 40 Messstellen<br />

zur Überwachung der B<strong>und</strong>eswasserstraßen (Flüsse <strong>und</strong><br />

Kanäle).<br />

� B<strong>und</strong>esamt für Seeschifffahrt <strong>und</strong> Hydrografie (BSH): 12<br />

Messstellen zur Überwachung der Küstengewässer.<br />

� Die Dienststelle Freiburg des BfS sammelt die Daten der<br />

Messnetze des BfS <strong>und</strong> des DWD, wertet sie aus <strong>und</strong><br />

übergibt sie an die Zentralstelle des B<strong>und</strong>es (ZdB) im BfS<br />

zur Weiterleitung an das BMU.<br />

Abb. 6.12 Mittlere externe Strahlenexposition in Deutschland in<br />

Bodennähe im Freien, 2004 (BMU 2005)<br />

Immissionsmessnetz für <strong>Radioaktivität</strong> (IfR) zur Über-<br />

wachung der Umweltradioaktivität<br />

Neben dem b<strong>und</strong>esweiten IMIS haben einzelne Länder<br />

zusätzlich eigene Umweltüberwachungssysteme eingerichtet.<br />

In Bayern werden Daten zur Umweltradioaktivität mit<br />

dem Immissionsmessnetz für <strong>Radioaktivität</strong> (IfR) erfasst <strong>und</strong><br />

an die jeweiligen Landesbehörden automatisch weitergegeben.<br />

IfR entstand als Konsequenz des Reaktorunfalls von<br />

254


Tschernobyl 1986 ergänzend zum Kernreaktor-Fernüberwachungssystem<br />

(KFÜ).<br />

Bei einer <strong>Radioaktivität</strong>sbelastung der Umwelt sind für den<br />

Menschen 3 Belastungspfade von Bedeutung, erstens die<br />

externe Belastung durch Gamma-Strahlen, zweitens die Aufnahme<br />

luftgetragener Radionuklide mit der Atmung <strong>und</strong> drittens<br />

die Aufnahme von Radionukliden mit der Nahrung.<br />

Das IfR des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz (LfU)<br />

misst in 31 automatischen Messstationen kontinuierlich <strong>und</strong><br />

flächendeckend die Gamma-Ortsdosisleistung <strong>und</strong> die Aktivitätskonzentrationen<br />

in der Luft sowie mit 24 weiteren Messgeräten<br />

den Niederschlag. Als wichtigste Messgrößen werden<br />

radioaktive Edelgase mittels Proportional-Zählrohr-Detektoren,<br />

radioaktive Aerosole mittels Plastik-Szintillations-Detektoren<br />

<strong>und</strong> die Iod-131-Aktivitätskonzentration in der Luft mit Natrium-<br />

Iodid-Detektoren erfasst. Zusätzlich können auf der Zugspitze<br />

<strong>und</strong> in der Außenstelle des LfU in Kulmbach Aerosol geb<strong>und</strong>ene<br />

radioaktive Nuklide getrennt erfasst werden. Die Messergebnisse<br />

werden an die Messnetzzentrale im LfU in Augsburg<br />

zur Auswertung gesandt. Als Folge einer Überschreitung<br />

von Grenzwerten wird im LfU ein Alarm ausgelöst, um ggf.<br />

rechtzeitig Schutzmaßnahmen vorbereiten zu können.<br />

Abb. 6.13 IfR-Messstation mit Messgerät: Blick vom Schneeferner<br />

Haus auf das Zugspitzplatt (LfU 2005)<br />

255


Umgebungsüberwachung bayerischer Kernkraftwerke<br />

Die Umgebungsüberwachung kerntechnischer Anlagen stellt<br />

eine zusätzliche Überprüfung der Emissionsüberwachung<br />

dar <strong>und</strong> gibt unmittelbar Aufschluss über die Auswirkungen<br />

der Emissionen. Im Rahmen der Umgebungsüberwachung<br />

werden von den Betreibern der kerntechnischen Anlagen<br />

<strong>und</strong> von unabhängigen Messstellen regelmäßig Proben genommen<br />

<strong>und</strong> deren <strong>Radioaktivität</strong> bestimmt. Zu den unabhängigen<br />

Messstellen in Bayern gehören das Bayerische<br />

Landesamt für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit<br />

(LGL), die Framatome ANP GmbH, Standort Erlangen<br />

(FANPE), die Universität Regensburg, Zentrales Radionuklidlaboratorium,<br />

UmweltRadioAktivität-Laboratorium (URA)<br />

<strong>und</strong> das Forschungszentrum für Umwelt <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Oberschleißheim (GSF). Die zehn erfassten Umweltbereiche<br />

sind Luft, Niederschlag, Boden/-Oberfläche, Pflanzen/Bewuchs,<br />

Futtermittel, Ernährungskette Land, Milch <strong>und</strong><br />

Milchprodukte, oberirdische Gewässer, Ernährungskette<br />

Wasser <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>-/Trinkwasser.<br />

Abb. 6.14 Übersicht über Expositionspfade in der Umgebung<br />

eines Kernkraftwerkes (BfS 2005)<br />

256


Kernreaktor-Fernüberwachungssystem (KFÜ)<br />

Ein Störfall des Kernkraftwerks G<strong>und</strong>remmingen im Jahre<br />

1977 war Anlass für das von Bayern ausgehende Kernreaktor-<br />

Fernüberwachungssystem (KFÜ). Dieses System erfasst automatisch<br />

die sicherheitstechnischen Parameter, die Emissionen,<br />

meteorologischen Werte <strong>und</strong> Immissionsgrößen in der<br />

Umgebung von Kernkraftwerken <strong>und</strong> leitet die Resultate an die<br />

atomrechtlichen Aufsichtsbehörden im Allgemeinen an die<br />

Länderministerien weiter. Die Betreiber des Kernreaktor-<br />

Fernüberwachungssystems (KFÜ), dessen Messstellen entlang<br />

des Zauns von Kernkraftwerken kreisförmig verteilt sind,<br />

sind die Kernkraftwerksbetreiber <strong>und</strong> die Länder.<br />

6.4 <strong>Radioaktivität</strong>smessungen beim<br />

grenzüberschreitenden Verkehr<br />

„Tschernobyl-Verordnung“<br />

Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurden bei<br />

der Einfuhr von bestimmten Lebensmitteln aus Osteuropa<br />

erhöhte Werte für <strong>Radioaktivität</strong> nachgewiesen. 1987 hat<br />

deshalb die Europäische Kommission in der Verordnung<br />

(EWG) Nr. 3955/87, der „Tschernobyl-Verordnung“, zuletzt<br />

geändert durch Verordnung (EG) Nr. 616/2000 vom 20.03.<br />

2000, für die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse mit<br />

Ursprung in Drittländern Höchstwerte an <strong>Radioaktivität</strong> festgelegt.<br />

So darf die maximale kumulierte <strong>Radioaktivität</strong> von<br />

Cäsium 134 <strong>und</strong> 137 für Milch <strong>und</strong> Milcherzeugnisse sowie<br />

für Lebensmittel für die Ernährung speziell von Kleinkindern<br />

370 Bq/kg <strong>und</strong> für alle anderen betroffenen Erzeugnisse<br />

600 Bq/kg nicht überschreiten.<br />

Insbesondere bei bestimmten Pilzarten aus Drittländern sind<br />

wiederholt Fälle der Nichteinhaltung der zulässigen Höchstwerte<br />

an <strong>Radioaktivität</strong> festgestellt worden. Obgleich die<br />

festgelegten Höchstwerte nur für die Einfuhr von Nahrungsmitteln<br />

in die Europäische Union gelten, werden sie in der<br />

Praxis aber auch innerhalb der EU als solche angewendet.<br />

Die Einfuhr aller von der Verordnung erfassten Erzeugnisse<br />

aus osteuropäischen Ländern ist nur mit dem vorgeschriebenen<br />

Ausfuhrzeugnis zulässig, d.h. dass die Höchstwerte<br />

257


an radioaktiven Stoffen nicht überschritten werden. Die Geltungsdauer<br />

dieser Überwachungsmaßnahmen wurde bis<br />

zum 31. März 2010 verlängert.<br />

Die Zulässigkeit der Einfuhr der von der Tschernobyl-<br />

Verordnung erfassten Waren wird im Rahmen der Überwachung<br />

des grenzüberschreitenden Warenverkehrs geprüft<br />

<strong>und</strong> im Zweifelsfall wird von der Zollverwaltung eine Probeentnahme<br />

<strong>und</strong> Untersuchung durch die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden<br />

veranlasst. Für Fragen<br />

im Zusammenhang mit der Einfuhr von Lebensmitteln, die<br />

von der Tschernobyl-Verordnung erfasst werden, <strong>und</strong> den<br />

damit verb<strong>und</strong>enen besonderen Kontroll- <strong>und</strong> Überwachungsmaßnahmen<br />

stehen neben dem B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong><br />

den zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden auch<br />

örtlich zuständige Zollstellen sowie das Zoll-Infocenter in<br />

Frankfurt/Main zur Verfügung.<br />

Grenzmonitoring<br />

Die Ein- <strong>und</strong> Ausfuhr von nuklearem oder sonstigem radioaktiven<br />

Material nach Deutschland ist gr<strong>und</strong>sätzlich nur mit<br />

einer Genehmigung des B<strong>und</strong>esamtes für Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Ausfuhrkontrolle (BAFA) zulässig (§ 3 Atomgesetz <strong>und</strong> § 11<br />

Strahlenschutzverordnung). Die Zollverwaltung überprüft im<br />

Rahmen der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs<br />

die Zulässigkeit der Ein- <strong>und</strong> Ausfuhr von nuklearem<br />

oder sonstigem radioaktiven Material. Ziel ist die<br />

Prävention bzw. Kontrolle des Schmuggels über Landesgrenzen.<br />

Zum Aufspüren von illegal befördertem nuklearem oder anderem<br />

radioaktiven Material bzw. der unabsichtlichen<br />

Verbringung dieser Stoffe werden von den Zollstellen Messgeräte<br />

zur <strong>Radioaktivität</strong>süberwachung von Fracht, Fahrzeugen<br />

<strong>und</strong> Personen eingesetzt. Das Monitoring von Neu-<br />

tronenstrahlung ist essentiell für die Entdeckung von nukle-<br />

arem Material, anderes radioaktives Material wird durch<br />

Messung der Gamma-Strahlung erfasst. Zur Erstidentifizierung<br />

sind Strahlenmonitore geeignet, die radioaktives Material<br />

schnell <strong>und</strong> qualitativ erfassen. Zur Lokalisation, Verifizierung<br />

<strong>und</strong> Nuklididentifizierung werden Radioisotopen-<br />

258


detektoren eingesetzt. Nach ihrem Verwendungszweck lassen<br />

sich drei Messgerätetypen unterscheiden, erstens Taschenmonitore,<br />

zweitens tragbare oder mobile Messgeräte,<br />

die auch in Fahrzeugen, Helikoptern oder auf Schiffen zur<br />

Verfügung stehen <strong>und</strong> stationäre Monitore, die üblicherweise<br />

an Landesgrenzen <strong>und</strong> Flughäfen fest eingebaut sind. Ergibt<br />

sich bei der Überprüfung der Verdacht, dass radioaktive<br />

Stoffe illegal befördert oder mitgeführt werden, so benachrichtigt<br />

die Zollstelle unverzüglich die zuständige Landesbehörde<br />

<strong>und</strong> regelt das weitere Verfahren.<br />

Abb. 6.15 <strong>Radioaktivität</strong>smessung eines Fahrzeugs bei der<br />

Grenzkontrolle mit einem tragbaren Handmonitor (IAEA 2005)<br />

Zur Bekämpfung der Nuklearkriminalität hat die IAEA mit<br />

Schaffung eines neuen Programms reagiert <strong>und</strong> die Durchführung<br />

einer Pilotstudie zur praktischen Erprobung von<br />

Grenzmonitorsystemen angeregt. Die Pilotstudie ITRAP (Illicit<br />

Trafficking Radiation Detection Assessment Program)<br />

wurde von September 1997 bis September 2000 von den<br />

Austrian Research Centres Seibersdorf (ARCS) durchgeführt,<br />

um die technischen Voraussetzungen zur Detektion<br />

von nuklearem <strong>und</strong> anderem radioaktiven Material an<br />

Grenzübergängen zu erarbeiten <strong>und</strong> die Machbarkeit eines<br />

solchen Überwachungssystems abzuschätzen. Die Vorauswahl<br />

der Geräte <strong>und</strong> umfassende Laboruntersuchung im<br />

Forschungszentrum Seibersdorf bildeten die Basis für den<br />

Testbetrieb der Überwachungsgeräte am Flughafen Schwechat<br />

in Wien <strong>und</strong> am österreichisch-ungarischen Grenzübergang<br />

Nickelsdorf.<br />

259


Vier zentrale Ergebnisse sind:<br />

� einheitliche, international verwendbare Spezifikationen für<br />

die Überwachungssysteme<br />

� der Nachweis, dass Monitoringsysteme an den Grenzen<br />

installiert werden können, ohne den Ablauf gravierend zu<br />

stören, ein entsprechendes Training der Beamten vorausgesetzt<br />

� die Erarbeitung eines einheitlichen Verfahrensablaufs,<br />

der die reibungslose Zusammenarbeit der betroffenen<br />

Einsatzorgane sicherstellt<br />

� die Möglichkeit der Instandhaltung <strong>und</strong> Wartung der Geräte<br />

ohne größeren Aufwand.<br />

Die Resultate der Studie können somit zur Erarbeitung von<br />

realistischen Durchführungsbestimmungen für Grenzmonitorsysteme<br />

dienen unter Berücksichtigung von technischen<br />

<strong>und</strong> ökonomischen Gesichtspunkten.<br />

6.5 Katastrophenschutz-Maßnahmen<br />

Im Hinblick auf kerntechnische Unfälle wird in Deutschland<br />

zwischen anlageinternem <strong>und</strong> anlageexternem Notfallschutz<br />

unterschieden. Der anlageinterne Notfallschutz, Vorsorge<strong>und</strong><br />

Schutzmaßnahmen obliegen dem Betreiber auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage der Strahlenschutzverordnung. Beim Konzept des<br />

anlageexternen Notfallschutzes ist zu berücksichtigen, dass<br />

in Deutschland die gesetzlich vorgeschriebene Unterscheidung<br />

zwischen Katastrophenschutz <strong>und</strong> Strahlenschutzvorsorge<br />

gilt. In anderen Staaten dagegen werden die den deutschen<br />

Vorsorgemaßnahmen vergleichbaren Maßnahmen als<br />

Notfallschutzmaßnahmen in der späten Phase eines kerntechnischen<br />

Unfalls angesehen.<br />

Der Notfallschutzplanung liegen Eingreifrichtwerte zugr<strong>und</strong>e,<br />

bei deren Überschreitung die Einleitung von Maßnahmen zu<br />

prüfen ist <strong>und</strong> Eingreifwerte bei deren Überschreitung die<br />

Maßnahmen durchzuführen sind.<br />

Katastrophenschutz<br />

- Zuständigkeit <strong>und</strong> rechtliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Die Planung <strong>und</strong> die Durchführung des Katastrophenschutzes<br />

fallen in die Zuständigkeit der B<strong>und</strong>esländer. Nach dem<br />

260


Bayerischen Katastrophenschutzgesetz vom 24. Juli 1996 ist<br />

das Staatsministerium des Innern das zuständige Ministerium<br />

für den allgemeinen Katastrophenschutz. Die zwischen<br />

B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern abgestimmten „Rahmenempfehlungen für<br />

den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer<br />

Anlagen (RE 99)“ zielen auf die Angleichung der Verfahrensweisen<br />

im gesamten B<strong>und</strong>esgebiet <strong>und</strong> beinhalten die<br />

organisatorischen Vorgaben. Vorschläge für die Einleitung<br />

medizinischer Maßnahmen sind in den „Radiologischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum<br />

Schutz der Bevölkerung bei Unfall bedingten Freisetzungen<br />

von Radionukliden“ beschrieben.<br />

Für den Fall, dass bei einem kerntechnischen Unfall die gestaffelten<br />

Sicherheitsmaßnahmen nicht greifen <strong>und</strong> die Eingreifwerte<br />

überschritten werden könnten, wurden Katastrophenschutzplanungen<br />

für die Umgebung von Kernkraftwerken<br />

erarbeitet. Die Katastrophenschutzmaßnahmen zielen<br />

primär auf den Schutz der Bevölkerung vor einer Unfall<br />

bedingten Exposition <strong>und</strong> auf die Vermeidung deterministischer<br />

Strahlenschäden.<br />

- Maßnahmen<br />

Die Aufgaben der Katastrophenschutzbehörden sind vorbeugender<br />

<strong>und</strong> abwehrender Katastrophenschutz, der Maßnahmen<br />

für die Umgebung der kerntechnischen Anlage bis zu<br />

einem Radius von 25 km vorsieht.<br />

Die vorbeugenden Maßnahmen der behördlichen Katastrophenschutzplanungen<br />

beinhalten besondere festgelegte<br />

Planungszone, Alarmpläne <strong>und</strong> Alarmierungsprozeduren. Eine<br />

gr<strong>und</strong>legende Maßnahme bildet die Einteilung der Umgebung<br />

der kerntechnischen Anlage in 3 Planungszonen, die<br />

Zentralzone mit bis zu 2 km Umkreis um die Anlage, die Mittelzone<br />

mit etwa 10 km <strong>und</strong> die Außenzone mit ca. 25 km um<br />

die Anlage. Bei der Anordnung von Katastrophenschutzmaßnahmen<br />

kann hiermit auf eindeutige <strong>und</strong> einfache Weise<br />

festgelegt werden, in welchen Zonen <strong>und</strong> Sektoren welche<br />

Maßnahmen erforderlich sind.<br />

Zwei Alarmstufen werden unterschieden: Voralarm wird ausgelöst,<br />

wenn bei einem Ereignis noch keine oder geringe<br />

261


Auswirkungen auf die Umgebung auftreten. Katastrophenalarm<br />

wird ausgelöst, wenn bei einem kerntechnischen Unfall<br />

eine Gefahr bringende Freisetzung radioaktiver Stoffe in die<br />

Umgebung festgestellt wird oder droht. Die Bevölkerung wird<br />

dann durch Sirenensignale <strong>und</strong> Lautsprecherfahrzeuge gewarnt<br />

bzw. informiert. Weitere vorbeugende Maßnahmen sind<br />

Lageermittlung, d. h. Prognose der radiologischen Lage,<br />

Messungen in der Umgebung gemäß der „Richtlinie zur<br />

Emissions- <strong>und</strong> Immissionsüberwachung kerntechnischer<br />

Anlagen (REI)“ von Gamma-Ortsdosisleistung, Aktivitätskonzentrationen<br />

verschiedener Radionuklide <strong>und</strong> der Luft <strong>und</strong><br />

flächenbezogener Aktivität auf dem Boden. Die dabei gewonnenen<br />

Erkenntnisse sind Gr<strong>und</strong>lage für die zu treffenden<br />

Schutz- <strong>und</strong> Abwehrmaßnahmen.<br />

Abwehrende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung<br />

sind in erster Linie der „Aufenthalt in Gebäuden“, die „Ausgabe<br />

von Iodtabletten“ <strong>und</strong> die „Evakuierung“. Weitere Maßnahmen<br />

des Katastrophenschutzes sind u. a. Umsiedlung,<br />

Unterrichtung <strong>und</strong> Warnung der Bevölkerung, Verkehrseinschränkungen<br />

(Zugangsbeschränkungen <strong>und</strong> Sperrung von<br />

Gebieten), Warnung vor dem Verzehr frisch geernteter Lebensmittel,<br />

Dekontamination in Notfallstationen <strong>und</strong> ärztliche<br />

Betreuung <strong>und</strong> Versorgung. Ziele, Konzepte, Strategien <strong>und</strong><br />

Methoden des medizinischen Notfallschutzes werden im<br />

Notfallplan festgelegt <strong>und</strong> umfassen alle administrativen<br />

Maßnahmen zur Vorbereitung auf Strahlennotfälle.<br />

Vier Bereiche der medizinischen Notfallvorbereitung lassen<br />

sich unterscheiden:<br />

� Der Aufbau <strong>und</strong> die Vorhaltung notwendiger Organisationsstrukturen<br />

beinhalten die Festlegung der Zuständigkeiten<br />

bei der Rettung, die Bestimmung der ärztlichen<br />

Leitung der Notfallstation, die Regelung des Einsatzablaufs<br />

sowie Anordnungen zur Informationsvermittlung <strong>und</strong><br />

Dokumentation.<br />

� Die raumplanerische Notfallvorbereitung definiert neben<br />

den Gefahren- <strong>und</strong> Kontrollbereichen am Unfallort, Planungszonen<br />

von Notfallstationen, d. h. Ausweisung eines<br />

separaten Eingangs, von kontaminierten, Puffer- <strong>und</strong><br />

nicht kontaminierten Zonen <strong>und</strong> die Festlegung von<br />

Messstellen an den Übergangszonen.<br />

262


� Die technische Notfallvorbereitung umfasst die Planung<br />

<strong>und</strong> Einrichtung der Notfallstation, Lagerhaltung <strong>und</strong> Bereitstellung<br />

von Ausrüstung zur Kontaminationskontrolle<br />

der Notfallstation, Ausrüstung zum Selbstschutz des Personals,<br />

von Hilfs- <strong>und</strong> Arbeitsmitteln zur Dekontamination,<br />

Mess- <strong>und</strong> Analysegeräten, medizinischen Hilfsmitteln<br />

<strong>und</strong> Medikamenten zur Dekorporation.<br />

� Zu den personellen Kapazitäten gehören Rufbereitschaften<br />

von ärztlichen <strong>und</strong> nicht ärztlichen Fachkräften, medizinischem<br />

<strong>und</strong> technischem Assistenzpersonal sowie ihre<br />

fachliche Schulung, Fortbildung <strong>und</strong> Übung.<br />

Abb. 6.16 Organisationsschema der ärztlichen Versorgung in<br />

Notfallstationen (SSK 1995)<br />

Die Durchführung effektiver <strong>und</strong> rechtzeitiger medizinischer<br />

Notfallmaßnahmen zur Rettung <strong>und</strong> Behandlung von Betroffenen<br />

beinhaltet die Übernahme von Patienten an der<br />

Grenze zum Gefahrenbereich, den Transport der Patienten,<br />

Triage <strong>und</strong> medizinische Erstversorgung in Notfallstationen,<br />

Identifizierung von bzw. Weiterleitung an geeignete stationäre<br />

Behandlungszentren, Durchführung von Dekorporations-<br />

<strong>und</strong> Dekontaminationsmaßnahmen, Ausführung von Kontrollmessungen,<br />

Probenentnahme <strong>und</strong> Dokumentation.<br />

263


Strahlenschutzvorsorgezentren<br />

Regionale Strahlenschutzzentren<br />

Zur Versorgung bei betrieblichen Strahlenunfällen wurde<br />

von der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik <strong>und</strong> Elektrotechnik<br />

das Institut für Strahlenschutz (IfS) gegründet,<br />

das ein System der Regionalen Strahlenschutzzentren<br />

(RSZ) aufgebaut hat. Durch vertragliche Vereinbarungen<br />

entstanden so an verschiedenen Instituten, Kliniken <strong>und</strong><br />

Forschungseinrichtungen die RSZ als Leitstellen für alle<br />

Fragen, die einer strahlenmedizinischen Beratung <strong>und</strong> Versorgung<br />

bedürfen. Das RSZ Netzwerk umfasst zurzeit 11<br />

Einrichtungen. Die RSZ verfügen im Allgemeinen über alle<br />

erforderlichen Einrichtungen für eine eventuell notwendige<br />

Direktversorgung <strong>und</strong> für die ambulante oder stationäre<br />

Überwachung von beruflich Strahlenverunfallten. Bei schweren<br />

Strahlenunfällen kann die Spezialstation der Berufgenossenschaftlichen<br />

Unfallklinik in Ludwigshafen-Oggersheim<br />

<strong>und</strong> bei schweren Hautverbrennungen die Fachklinik Hornheide<br />

bei Münster nach Vermittlung durch ein RSZ in Anspruch<br />

genommen werden.<br />

264<br />

Jülich<br />

Homburg<br />

Hamburg<br />

Karlsruhe<br />

Hannover<br />

Würzburg<br />

Ludwigshafen<br />

München<br />

Greifswald<br />

Berlin<br />

Dresden<br />

Neuherberg<br />

Abb. 6.17 Netz der Regionalen Strahlenschutzzentren (RSZ) in<br />

Deutschland


Ein Arzt <strong>und</strong> ein Physiker des Regionalen Strahlenschutzzentrums<br />

sind 24 St<strong>und</strong>en erreichbar, stehen telefonisch für<br />

konkrete Beratungen zur Verfügung <strong>und</strong> bieten Informationen<br />

<strong>und</strong> Entscheidungshilfen an. Ärzte geben Anweisungen<br />

zu Dekontaminationsmaßnahmen, Dekorporationstherapien,<br />

zur Überwachung von Verunfallten, zum Vorgehen bei kombinierten<br />

Verletzungen (Kontamination <strong>und</strong> offene W<strong>und</strong>en,<br />

Frakturen <strong>und</strong> Verbrennungen) <strong>und</strong> zu Selbstschutzmaßnahmen<br />

von Einsatzkräften <strong>und</strong> Sicherheits- <strong>und</strong> Rettungspersonal.<br />

REMPAN-Netzwerk der WHO – Kollaborationszentren für<br />

medizinische Vorsorge <strong>und</strong> Hilfe bei Strahlenunfällen<br />

Das REMPAN (Radiation Emergency Medical Preparedness<br />

and Assistance Network) System der WHO ist der Zusammenschluss<br />

von zurzeit 17 fachk<strong>und</strong>igen medizinischen Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> etwa 15 assoziierten Instituten zu einem<br />

weltweiten Wissens- <strong>und</strong> Kompetenznetzwerk. Die primären<br />

Ziele sind die medizinische Vorsorge <strong>und</strong> Förderung von<br />

vorkehrenden Schutzmaßnahmen im Hinblick auf Strahlenunfälle,<br />

die internationale Hilfeleistung <strong>und</strong> Beratung bei<br />

Strahlenunfällen <strong>und</strong> die Förderung der Nachbereitung eines<br />

Unfalls in Form von wissenschaftlichen Studien.<br />

*<br />

* *<br />

*<br />

*<br />

* **<br />

* * *<br />

*<br />

* *<br />

* * * *<br />

* *<br />

*<br />

* *<br />

Abb. 6.18 Internationales Netzwerk der WHO REMPAN Zentren<br />

*<br />

*<br />

*<br />

265


Seit Juni 2005 ist die Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

des Universitätsklinikums Würzburg das offizielle deutsche<br />

WHO REMPAN-Kollaborationszentrum für medizinische Vorsorge<br />

<strong>und</strong> Hilfe bei Strahlenunfällen, das im Auftrag des<br />

B<strong>und</strong>esministeriums für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(BMU) etabliert wurde. Die drei Aufgabenschwerpunkte<br />

des WHO REMPAN-Zentrums Würzburg liegen in der<br />

Verbesserung der medizinischen Versorgung von Strahlenunfallpatienten<br />

in Deutschland, der Repräsentanz Deutschlands<br />

im internationalen WHO REMPAN-Netzwerk zur gegenseitigen<br />

Hilfe bei Strahlenunfällen <strong>und</strong> in der medizinischen<br />

Auswertung von Strahlenunfällen auf der Basis des<br />

Datenbanksystems SEARCH (System for Evaluation and<br />

Archiving of Radiation Accidents based on Case Histories).<br />

6.6. Literatur<br />

Gesellschaft für Anlagen- <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (GRS) mbH<br />

(1996). Der Unfall <strong>und</strong> die Sicherheit der RBMK-Anlagen.<br />

Köln.<br />

Russian Research Centre "Kurchatov Institute" (1996).<br />

Tschernobyl nach dem Unfall. Moskau, Bilddokumentation.<br />

Strahlenschutzkommission des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Umwelt, Naturschutz- <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (SSK) (1996).<br />

10 Jahre nach Tschernobyl, Informationen der Strahlenschutzkommission<br />

zu den radiologischen Auswirkungen <strong>und</strong><br />

Konsequenzen insbesondere in Deutschland. Berichte der<br />

Strahlenschutzkommission 4.<br />

Strahlenschutzkommission des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (SSK) (1997).<br />

Durchführung der Iodblockade der Schilddrüse bei kerntechnischen<br />

Unfällen. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission<br />

41.<br />

Gesellschaft für Anlagen- <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (GRS) mbH<br />

(2000). Tschernobyl: Ges<strong>und</strong>heitliche Folgen. BMU-<br />

Sachstandsbericht 1. Köln.<br />

266


Reiners, Chr. Iodblockade der Schilddrüse bei kerntechnischen<br />

Unfällen. Nuklearmedizin 3 (2006) 97-100.<br />

Cardis E. et al. Consequences of the Chernobyl accident:<br />

20 years on. J. Radiol. Prot. 26 (2006) 127-140.<br />

National Research Council of National Academies (2003).<br />

Distribution and Administration of Potassium Iodide in the<br />

Event of a Nuclear Incident. Washington, DC, National<br />

Academies Press.<br />

Strahlenschutzkommission des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (SSK) (2004).<br />

Verwendung von Iodtabletten zur Iodblockade der Schilddrüse<br />

bei einem kerntechnischen Unfall (Iodmerkblätter).<br />

BAnz 220.<br />

United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic<br />

Radiation (UNSCEAR) (2000). Sources and Effects of Ionizing<br />

Radiation. Report to the General Assembly. New York,<br />

United Nations.<br />

World Health Organization (WHO) (1999). Guidelines for<br />

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1999. Geneva, WHO.<br />

World Health Organization (WHO) (2005). Health Effects of<br />

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Geneva, UN Chernobyl Forum Expert Group<br />

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http://www.unscear.org/.<br />

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Anet, B. (2001). Terrorismus: Stehen wir vor der letzten Stufe,<br />

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<strong>Bayerisches</strong> Staatsministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Verbraucherschutz (2005). Verhinderung des Spaltstoffmissbrauchs.<br />

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<strong>Bayerisches</strong> Staatsministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Verbraucherschutz (2005). Risiko des Spaltstoffmissbrauchs<br />

im Brennstoff-Kreislauf. München.<br />

http://www.stmugv.bayern.de.<br />

267


B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz (BfS) (2005). Strahlenschutz<br />

bei der Verwendung von radioaktivem Material ("Schmutzige<br />

Bombe") in Verbindung mit konventionellem Sprengstoff.<br />

Salzgitter.<br />

http://www.bfs.de/ion/papiere/schmutzige_bombe.html.<br />

B<strong>und</strong>esministerium des Innern (2001). Zweiter Gefahrenbericht<br />

der Schutzkommission beim B<strong>und</strong>esminister des Inneren.<br />

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http://www.who.int/ionizing_radiation/en/WHORAD_<br />

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http://www.who.int/ionizing_radiation/en/WHORAD_<br />

InfoSheet_Dirty_bombs21Feb.pdf.<br />

Bayer, A. (1993). Überwachung der radioaktiven Kontamination<br />

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Bayer, A., L. Hornung-Lauxmann, et al. (1999). Stand der<br />

Überwachung der Umweltradioaktivität in Deutschland.<br />

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http://www.bayern.de/lfu/strahlen/index.html.<br />

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B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz (BfS) (2005). Strahlenthemen:<br />

Integriertes Mess- <strong>und</strong> Informationssystem zur Überwachung<br />

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B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz (BfS) (2005). <strong>Radioaktivität</strong>smessnetz.<br />

Salzgitter.<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(2005). Umweltradioaktivität <strong>und</strong> Strahlenbelastung<br />

im Jahr 2004. Berlin.<br />

269


B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(2004). Internationaler Vergleich der Modelle <strong>und</strong><br />

Parameter zur Entscheidungsbegründung in Notfallsituationen.<br />

Berlin.<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(2005). Überwachung der Umweltradioaktivität. Berlin.<br />

http://www.bmu.de/strahlenschutz.<br />

<strong>Bayerisches</strong> Landesamt für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensmittelsicherheit<br />

(2005). <strong>Radioaktivität</strong> in Lebensmitteln. München.<br />

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<strong>Bayerisches</strong> Staatsministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Verbraucherschutz (2005). <strong>Radioaktivität</strong> in <strong>und</strong> radioaktive<br />

Kontamination von Lebensmitteln. München.<br />

http://www.vis-ernaehrung.bayern.de/de/left/fachinformatio<br />

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html.<br />

<strong>Bayerisches</strong> Staatsministerium für Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Verbraucherschutz (2005). Aktuelle Empfehlungen <strong>und</strong> Hinweise.<br />

München.<br />

http://www.stmugv.bayern.de/de/strahl/notfall/empfehl.html.<br />

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http://www.bayern.de/lfu/strahlen/wild/wild/Caesium.html.<br />

Beck, P. (2000). ITRAP, Illicit Trafficking Radiation Detection<br />

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Research Center.<br />

B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz (2005). Nuklearmedizinische<br />

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radioaktiv belastete Lebensmittel. Bonn.<br />

http://www.zoll.de/b0_zoll_<strong>und</strong>_steuern/d0_verbote_<strong>und</strong>_<br />

beschraenkungen/c0_schutz_menschI_ges<strong>und</strong>h/f0_<br />

lebensmittel/I0_radioaktiv/index.html.<br />

B<strong>und</strong>esministerium der Finanzen (2005). Kernbrennstoffe<br />

<strong>und</strong> sonstige radioaktive Stoffe. Bonn.<br />

http://www.zoll.de/b0_zoll_<strong>und</strong>_steuern/d0_verbote_<strong>und</strong>_<br />

beschraenkungen/a0_oeffentliche_ordnung/c0_radioaktive_<br />

stoffe/.<br />

270


B<strong>und</strong>esministerium der Finanzen (2005). Überwachungen<br />

im Bereich der Verbote <strong>und</strong> Beschränkungen. Bonn.<br />

http://www.zoll.de/d0_zoll_im_einsatz/d0_mkg/d0_bereich_<br />

vub/index.html.<br />

B<strong>und</strong>esministerium der Finanzen (2005). Verbote <strong>und</strong> Beschränkungen.<br />

Bonn.<br />

http://www.zoll.de/b0_zoll_<strong>und</strong>_steuern/d0_verbote_<strong>und</strong>_<br />

beschraenkungen/index.html.<br />

B<strong>und</strong>esministerium der Finanzen (2005). Warenkreis der<br />

Tschernobyl-Verordnung. Bonn.<br />

http://www.zoll.de/b0_zoll_<strong>und</strong>_steuern/d0_verbote_<strong>und</strong>_<br />

beschraenkungen/c0_schutz_menschI_ges<strong>und</strong>h/f0_lebensmittel/<br />

I0_radioaktiv/a0_warenkreis/.<br />

Duftschmid, K. (1999). Preventing the next case. IAEA Bulletin<br />

41(3).<br />

European Commission (2005). Einfuhrregelung landwirtschaftlicher<br />

Erzeugnisse nach Tschernobyl. Brussels.<br />

http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/I21110.html.<br />

International Atomic Energy Agency (IAEA) (2005). Combating<br />

Illicit Trafficking. Vienna.<br />

http://www.iaea.org/Publications/Booklets/Ssp/trafficking.html.<br />

International Atomic Energy Agency (IAEA) (2002). Prevention<br />

of the inadvertent movement and illicit trafficking of<br />

radioactive materials. IAEA-Tecdoc-1311. Vienna.<br />

International Atomic Energy Agency (IAEA) (2002). Detection<br />

of radioactive materials at borders. IAEA-Tecdoc-1312.<br />

Vienna.<br />

International Atomic Energy Agency (IAEA) (2005). Combating<br />

Illicit Trafficking. Vienna.<br />

http://www.iaea.org/Publications/Booklets/Ssp/trafficking.html.<br />

Umweltinstitut München e. V. (2004). 18 Jahre nach<br />

Tschernobyl. EU-Grenzwerte <strong>und</strong> radioaktive Belastung von<br />

Lebensmitteln. München.<br />

http://www.umweltinstitut.org/frames/all/m386.html.<br />

271


B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(1999). Übersicht über Maßnahmen zur Verringerung<br />

der Strahlenexposition nach Ereignissen mit nicht unerheblichen<br />

radiologischen Auswirkungen (Maßnahmenkatalog).<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(2004). Internationaler Vergleich der Modelle <strong>und</strong><br />

Parameter zur Entscheidungsbegründung in Notfallsituationen.<br />

Berlin.<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit<br />

(2005). Schriftenreihe: Reaktorsicherheit <strong>und</strong><br />

Strahlenschutz. Berlin.<br />

http://www.bmu.de/strahlenschutz/schriftenreihe_<br />

reaktorsicherheit_strahlenschutz/doc/20112.php<br />

http://www.bmu.de/strahlenschutz/aktuell/aktuell/1782.php.<br />

Eder, E. (1999). Kernreaktor-Fernüberwachung. Strahlenschutz:<br />

wissenschaftliche Gr<strong>und</strong>lagen, rechtliche Regelungen,<br />

praktische Anwendungen. D. Borchardt, A. Kaul, W.<br />

Kraus and H. Rühle. Berlin, Hoffmann Verlag.<br />

Institut für Strahlenschutz (2005). Regionale Strahlenschutzzentren.<br />

Köln.<br />

Korn, H. and K. D. Borchardt (1999). Der anlageninterne<br />

Notfallschutz bei kerntechnischen Unfällen <strong>und</strong> die Information<br />

der betroffenen Bevölkerung. Strahlenschutz: Wissenschaftliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen, rechtliche Regelungen, praktische<br />

Anwendungen. D. Borchardt, A. Kaul, H. Rühle. Berlin,<br />

Hoffmann Verlag.<br />

Pfenninger, E., S. Himmelseher, et al. (2004). Untersuchung<br />

zur Einbindung des öffentlichen Ges<strong>und</strong>heitsdienstes in die<br />

katastrophenmedizinische Versorgung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland. Bonn, B<strong>und</strong>esamt für Bevölkerungsschutz <strong>und</strong><br />

Katastrophenhilfe.<br />

Ständige Konferenz für Katastrophenvorsorge <strong>und</strong> Katastrophenschutz<br />

(2000). Katastrophenschutz in Gesetzen der<br />

Länder. Köln.<br />

272


Starke, H. (1993). Beitrag <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit der B<strong>und</strong>esmessnetze<br />

in IMIS. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission<br />

25.<br />

Strahlenschutzkommission des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Umwelt (1995). Medizinische Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen.<br />

Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission<br />

4.<br />

Strahlenschutzkommission des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Umwelt, Naturschutz- <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (1996). Der<br />

Strahlenunfall, Ein Leitfaden für Erstmaßnahmen. Veröffentlichungen<br />

der Strahlenschutzkommission 32.<br />

Strahlenschutzkommission des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (2000). Rahmenempfehlungen<br />

für den Katastrophenschutz in der Umgebung<br />

kerntechnischer Anlagen. Berichte der Strahlenschutzkomission<br />

24.<br />

Strahlenschutzkommission des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Umwelt, Naturschutz <strong>und</strong> Reaktorsicherheit (2000). Radiologische<br />

Gr<strong>und</strong>lagen für Entscheidungen über Maßnahmen<br />

zum Schutz der Bevölkerung bei Unfall bedingten Freisetzungen<br />

von Radionukliden. Berichte der Strahlenschutzkomission<br />

24.<br />

Weiss, W. (1993). Beitrag <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit der B<strong>und</strong>esmessnetze<br />

in IMIS. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission<br />

25.<br />

World Health Organization (WHO). Würzburg, REMPAN<br />

Collaboration Center. http://www.rempan.de.<br />

World Health Organization (WHO).<br />

http://www.who.int/ionizing_radiation/en/.<br />

273


7. Erläuterung von Fachbegriffen<br />

A<br />

Absorption<br />

Aufnahme<br />

Aerosole<br />

Gase mit festen oder flüssigen Schwebeteilchen.<br />

Afterloading<br />

Nachladetechnik für die intrakavitäre <strong>und</strong> interstitielle Strahlentherapie,<br />

z. B. mit 137-Cäsium-Quellen, bei der zunächst<br />

der leere Applikator in das Zielvolumen, z. B. die weibliche<br />

Gebärmutter, gebracht <strong>und</strong> erst nach Lagekontrolle <strong>und</strong><br />

ferngesteuert mit dem radioaktiven Präparat beschickt wird.<br />

Akkumuliert<br />

-� kumulativ<br />

Aktivierung<br />

Entstehung eines -� Radionuklids aus einem stabilen -�<br />

Nuklid durch Beschuss von -� Protonen, -� Neutronen<br />

oder anderen Teilchen.<br />

Aktivität<br />

Maß für die -� <strong>Radioaktivität</strong>. Einheit: -� Becquerel.<br />

Aktivitätskonzentration<br />

Verhältnis der -� Aktivität eines -� Radionuklids zum Volumen<br />

des Materials, in dem das Radionuklid verteilt ist.<br />

Aktivkohledosimeter (-exposimeter)<br />

Mit Aktivkohle gefüllte, luftdicht verschließbare Dose (ca. 10<br />

cm Durchmesser), mit der die Radonkonzentration in der<br />

Luft bestimmt werden kann.<br />

Akutes Strahlensyndrom<br />

Folge einer Ganzkörperexposition ab 1 -� Gray. Schweregrad,<br />

Verlauf <strong>und</strong> -� Prognose sind von Art <strong>und</strong> -� Dosis<br />

der -� ionisierenden Strahlung abhängig.<br />

Alpha-Strahler<br />

-� Radionuklid, das unter Aussendung eines -� Alpha-<br />

Teilchens zerfällt (-� radioaktiver Zerfall).<br />

274


Alpha-Strahlung<br />

-� Strahlung aus -� Alpha-Teilchen.<br />

Alpha-Teilchen<br />

Heliumkern, bestehend aus zwei -� Protonen <strong>und</strong> zwei -�<br />

Neutronen.<br />

Alpha-Zerfall<br />

Kernumwandlung unter Aussendung eines -� Alpha-Teilchens.<br />

Americium-241<br />

Künstliches radioaktives Element, das -� Alpha-Strahlung<br />

aussendet.<br />

Anderes radioaktives Material<br />

Nicht durch -� Kernspaltung entstandene -� radioaktive<br />

Stoffe.<br />

Angiographie<br />

Radiologisches Verfahren zur Darstellung der Blutgefäße<br />

(Arterien <strong>und</strong> Venen) durch Injektion eines Röntgenkontrastmittels<br />

<strong>und</strong> anschließende Anfertigung schneller programmierter<br />

Aufnahmeserien.<br />

Äquivalentdosis<br />

Dosisgröße im Strahlenschutz unter Berücksichtigung der<br />

biologischen Wirksamkeit der -� Strahlung. Einheit: -�<br />

Einheit: -� Sievert.<br />

Atom<br />

Elektrisch neutraler Baustein der Materie, bestehend aus einem<br />

positiv geladenen -� Atomkern <strong>und</strong> einer negativ geladenen<br />

Elektronenhülle.<br />

Atomkern<br />

Zusammengesetzt aus den Kernbausteinen (-� Nukleonen).<br />

Er trägt beinahe die gesamte Masse des Atoms.<br />

Atomreaktor<br />

Umgangssprachlich für -� Kernreaktor.<br />

Atomwaffentest, oberirdischer<br />

Oberirdische Zündung eines nuklearen Sprengsatzes zu<br />

Testzwecken.<br />

275


Austrian Research Centres Seibersdorf (ARCS)<br />

Größte Tochtergesellschaft des ARC-Konzerns, die u. a. in<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsprojekten für nationale <strong>und</strong> internationale<br />

Auftraggeber interdisziplinär zusammenarbeitet.<br />

B<br />

Becquerel (Bq)<br />

Einheit der -� Aktivität. Zerfälle pro Sek<strong>und</strong>e.<br />

Beryllium<br />

Leichtmetall, das meist als Legierungszusatz verwendet<br />

wird. Durch -� Alpha-Teilchen werden aus Beryllium -�<br />

Neutronen freigesetzt.<br />

Beta-Strahler<br />

-� Radionuklid, das unter Aussendung eines -� Beta-Teilchens<br />

zerfällt (-� radioaktiver Zerfall).<br />

Beta-Strahlung<br />

-� Strahlung aus -� Beta-Teilchen.<br />

Beta-Teilchen<br />

-� Elektron<br />

Beta-Zerfall<br />

Kernumwandlung unter Aussendung eines -� Beta-Teilchens.<br />

Biologische Halbwertszeit<br />

-� Halbwertszeit, biologische<br />

Brachytherapie<br />

Minimalinvasive strahlentherapeutische Methode, bei der<br />

radioaktive Strahlungsquellen entweder im Tumorgewebe<br />

oder kontaktierend am Tumorgewebe positioniert werden.<br />

Bremsstrahlung<br />

Elektromagnetische Strahlung. Sie entsteht durch Beschleunigung<br />

oder Abbremsung geladener Teilchen in Materie.<br />

Brennelement<br />

Aus einer Vielzahl von -� Brennstäben montierte Anordnung<br />

in der -� Kernbrennstoff in den -� Kernreaktor eingesetzt<br />

wird.<br />

276


Brennstab<br />

Bestimmte Form, in der -� Kernbrennstoff, umgeben von<br />

einem Hüllmaterial, in einem -� Kernreaktor eingesetzt<br />

wird.<br />

C<br />

Cäsium-137<br />

Das bedeutendste künstliche Cäsium- -� Isotop ist ein -�<br />

Beta- <strong>und</strong> -� Gamma-Strahler.<br />

Chemotoxizität<br />

Giftigkeit einer Substanz auf Gr<strong>und</strong> ihrer chemischen Eigenschaften.<br />

Chromosomen<br />

Strukturen einer lebenden Zelle, auf denen die Erbanlagen<br />

(Gene) lokalisiert sind. Die Gesamtheit der Chromosomen<br />

bezeichnet man als Genom. Außer bei den niederen Lebewesen<br />

(z. B. Bakterien) befinden sich die Chromosomen in<br />

einem Zellkern. Die Zellkerne der meisten Lebewesen enthalten<br />

mehrere Chromosomen, die sich in der Größe voneinander<br />

unterscheiden. Je nach der Zahl, in der jedes<br />

Chromosom vorhanden ist, spricht man von einem haploiden<br />

(jedes Chromosom einmal), von einem diploiden (jedes<br />

Chromosom doppelt) oder einem polyploiden (jedes Chromosom<br />

vielfach) Chromosomensatz.<br />

Curie (Ci)<br />

Alte Einheit für die -� Aktivität. 1 Ci = 37 GBq.<br />

D<br />

Dekontamination<br />

Beseitigung oder Verminderung von oberflächlichen Verunreinigungen<br />

mit -� radioaktiven Stoffen (-� Kontamination).<br />

Dekorporation<br />

Entfernung -� radioaktiver Stoffe, die vom menschlichen<br />

Organismus aufgenommen wurden.<br />

Deponiert<br />

abgelagert<br />

277


Deposition<br />

Ablagerung von in der Atmosphäre vorhandenen Schwebstoffen<br />

oder Gasen auf dem Boden, Pflanzen oder anderen<br />

Oberflächen.<br />

Detektor<br />

Hier Gerät zum Nachweis <strong>und</strong> zur Messung -� ionisierender<br />

Strahlung.<br />

Deterministische Strahleneffekte<br />

Treten in der Regel ab einer bestimmten -� Schwellendosis<br />

auf; die Schwere des Schadens nimmt mit der Dosis zu (vgl.<br />

-� stochastische Strahleneffekte).<br />

Diagnose<br />

Zuordnung der Symptome <strong>und</strong> Untersuchungsergebnisse in<br />

ein Krankheitsbild.<br />

Diagnostischer Referenzwert<br />

Auf Vorschlag der Strahlenschutzkommission wurden in<br />

Deutschland im Jahre 2003 vom B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz<br />

diagnostische Referenzwerte für Radiopharmaka<br />

festgelegt <strong>und</strong> im B<strong>und</strong>esanzeiger veröffentlicht. Darin sind<br />

Referenzwerte der Radiopharmaka für häufige nuklearmedizinische<br />

Untersuchungsverfahren sowie dosisintensive nuklearmedizinische<br />

Untersuchungsverfahren enthalten. Eine<br />

Überschreitung dieser Referenzwerte bedarf einer Begründung<br />

durch einen fachk<strong>und</strong>igen Nuklearmediziner <strong>und</strong> muss<br />

entsprechend dokumentiert werden.<br />

Dicht ionisierend<br />

Strahlung, die bei Wechselwirkung mit Materie ihre Energie<br />

auf einem sehr kurzen Weg an diese überträgt <strong>und</strong> daher<br />

dicht beieinander liegende lonisationsereignisse auslöst.<br />

DNS<br />

Desoxyribonukleinsäure, im englischen Schrifttum mit DNA<br />

bezeichnet. Riesenmolekül, das aus zwei Strängen besteht<br />

<strong>und</strong> die Erbinformation in Form eines chemischen Codes<br />

enthält. Bestandteil der -� Chromosomen.<br />

278


Dosimeter<br />

Dosimeter dienen zur Messung der externen Strahlendosis<br />

(-� Personendosis). Man unterscheidet zwischen direkt anzeigenden<br />

Dosimetern (z. B. Stabdosimeter) <strong>und</strong> indirekt<br />

messenden Dosimetern (z. B. Filmplakette, Glasdosimeter),<br />

bei denen messtechnisch erfassbare Veränderungen der<br />

Dosis proportional sind.<br />

Dosimetrie<br />

Bestimmung der -� Dosis.<br />

Dosis<br />

-� lonendosis -� Energiedosis -� Äquivalentdosis -� effektive<br />

Äquivalentdosis<br />

Maß für die Wirkung -� absorbierter -� ionisierender Strahlung.<br />

- Gesamtdosis<br />

Summe der in Teilen zu verschiedenen Zeitpunkten -� applizierten<br />

oder erhaltenen -� Dosis.<br />

- Lebenszeitdosis<br />

Summe der im Lauf des Lebens in Teilen -� applizierten<br />

oder erhaltenen -� Dosis.<br />

Dosisabschätzung<br />

Abschätzung der -� Strahlenexposition unter Einbeziehung<br />

aller relevanten -� Expositionspfade.<br />

Dosisfaktor<br />

Faktor zur Umrechnung von -� Aktivität in Dosis. Dosisfaktoren<br />

für aufgenommene Aktivität berücksichtigen neben<br />

den physikalischen Größen (Energie pro Zerfallsereignis,<br />

Strahlenart, -Halbwertszeit) <strong>und</strong> der chemischen Form des<br />

aufgenommenen Radionuklids auch noch biologische Parameter<br />

(Alter, Aufnahmedauer, Anreicherung, Organgröße,<br />

Dosisverteilung u. s. w.) <strong>und</strong> schließlich die Art der Aufnahme<br />

(-� Inhalation, -� Ingestion). Dosisfaktoren für Inhalation<br />

erlauben z. B. aus der Aktivitätskonzentration in der Luft<br />

eine Berechnung der Organ-Dosen; Dosisfaktoren für äußere<br />

Bestrahlung erlauben aus der Aktivitätskonzentration in<br />

Luft oder Aktivität pro Fläche am Boden eine Berechnung<br />

der externen Körper-Dosen.<br />

Dosisleistung<br />

-� Dosis pro Zeiteinheit.<br />

279


Dosisrichtwert<br />

-� Eingreifrichtwert<br />

Down-Syndrom<br />

Angeborene Erkrankung, die auf das dreifache Vorhandensein<br />

des -� Chromosoms 21 zurückzuführen ist.<br />

DSA<br />

Digitale Subtraktionsangiographie<br />

Röntgenologische Kontrastdarstellung des Herzens <strong>und</strong> von<br />

Blutgefäßen unter Anwendung der digitalen Subtraktionsmethode.<br />

Dabei werden die digitalen Aufnahmen der Gefäße<br />

mit Kontrastmittel von denen ohne Kontrastmittel abgezogen:<br />

Es entsteht eine reine Darstellung der Gefäße.<br />

E<br />

Edelgas<br />

Gruppenbezeichnung für die Elemente Helium, Neon, Argon,<br />

Krypton, Xenon <strong>und</strong> das radioaktive Radon.<br />

Effektive Äquivalentdosis, effektive Dosis<br />

Größe im Strahlenschutz, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen<br />

Strahlenempfindlichkeiten der Organe. Einheit:<br />

Sievert.<br />

Effektive Halbwertszeit<br />

-� Halbwertszeit eines radioaktiven Stoffes im Körper. Dabei<br />

gehen sowohl der -� radioaktive Zerfall wie auch die<br />

Ausscheidung des Stoffes ein.<br />

Eingreifrichtwert<br />

Dosiswert, bei dessen Erreichen die Einleitung von Schutzmaßnahmen<br />

zu prüfen ist.<br />

Elektron<br />

Elementarteilchen mit einer Ladung von einer negativen -�<br />

Elementarladung.<br />

Elektronenvolt (eV)<br />

Gebräuchliche Energieeinheit für -� Strahlung.<br />

Element<br />

Hier chemisches Element, -� Atom mit einer bestimmten<br />

-� Kernladungszahl bzw. -� Ordnungszahl.<br />

280


Elementarladung<br />

Kleinste nachgewiesene elektrische Ladung. Ein -� Elektron<br />

trägt eine negative E., ein -� Proton eine positive E.<br />

Embryo<br />

Frühes Entwicklungsstadium des keimenden Lebens (beim<br />

Menschen bis zum 3. Monat).<br />

Emission<br />

Abgabe von (Schad-)Stoffen an die Atmosphäre oder in<br />

Gewässer.<br />

Emittent<br />

Verursacher von -� Emissionen.<br />

Endlager<br />

Anlage zur langfristig wartungsfreien, zeitlich unbefristeten<br />

sicheren Lagerung von radioaktiven Abfällen ohne beabsichtigte<br />

Rückholung.<br />

Energiedosis<br />

Absorbierte Strahlungsenergie je Masseneinheit.<br />

Enzym<br />

„Biokatalysator", Eiweißstoff, der jeweils nur ganz bestimmte<br />

Stoffwechselreaktionen beschleunigt.<br />

Epidemiologie<br />

Erforschung von Krankheiten anhand der Beobachtung großer<br />

Bevölkerungs- -� kollektive.<br />

EURATOM<br />

Die 1957 gegründete Europäische Atomgemeinschaft<br />

EURATOM hat die friedliche Nutzung der Kernenergie sowie<br />

die Entwicklung einer entsprechenden Kernindustrie zum<br />

Ziel.<br />

EURATOM-Vertrag<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage für die Arbeit von -� EURATOM trat 1958 in<br />

Kraft.<br />

Evakuierung<br />

Vorübergehende Räumung eines Gebietes.<br />

Exposition, exponiert<br />

-� Strahlenexposition<br />

281


Expositionspfad<br />

Weg radioaktiver Stoffe von der Ableitung aus einer Anlage<br />

oder Einrichtung über einen Ausbreitungs- oder Transportvorgang<br />

bis zu einer -� Strahlenexposition des Menschen<br />

(z. B. Luft - Futterpflanze - Kuh - Milch).<br />

Extraterrestrisch<br />

außerirdischen Ursprungs<br />

F<br />

Fälle<br />

Gruppe von Erkrankten, die mit einer Gruppe vergleichbarer<br />

Personen ohne diese Krankheit, sog. -� Kontrollgruppe, in<br />

Untersuchungen verglichen wird.<br />

Fallout<br />

Radioaktiver Niederschlag aus kleinsten Teilchen in der Atmosphäre.<br />

Fallzahl<br />

-� Fälle<br />

Fetus<br />

Spätes Entwicklungsstadium des Keimes der Säugetiere<br />

(beim Menschen ab dem 3. Monat).<br />

Folgedosis<br />

Strahlendosis, die als Folge einer einmaligen Aktivitätsaufnahme<br />

im gesamten (unbegrenzten) Zeitraum nach der Aufnahme<br />

resultiert. Die in der Radioökologie häufig verwendete<br />

50-Jahre-Folgeäquivalentdosis ist die Äquivalentdosis, die<br />

als Folge einer einmaligen Aktivitätszufuhr in einem Zeitraum<br />

von 50 Jahren (das Bezugsjahr mitgerechnet) resultiert<br />

(beschränkte Folgedosis).<br />

Forschungsreaktor<br />

Kernreaktor, der für wissenschaftliche Forschung verwendet<br />

wird.<br />

Freisetzung radioaktiver Stoffe<br />

Entweichen radioaktiver Stoffe aus den vorgesehenen Umschließungen<br />

in die Anlage oder in die Umgebung.<br />

282


G<br />

Gamma-Ortsdosisleistung<br />

-� Strahlenexposition, die von außen auf den Menschen<br />

einwirkt. Sie wird angegeben als -� Äquivalentdosis, gemessen<br />

an einem bestimmten Ort pro St<strong>und</strong>e.<br />

Gamma-Strahler<br />

-� Radionuklid, das unter Aussendung eines -� Gamma-<br />

Quants zerfällt (-� radioaktiver Zerfall).<br />

Gamma-Strahlung<br />

-� Strahlung aus -� Gamma-Quanten.<br />

Gamma-Quant<br />

-� Photon aus einem Kernzerfall.<br />

Gamma-Zerfall<br />

Kernumwandlung unter Aussendung eines -� Gamma-<br />

Quants.<br />

Gen, Genom<br />

-� Chromosomen<br />

Genmutation<br />

Änderungen des Erbgutes.<br />

Gray (Gy)<br />

Einheit der -� Energiedosis.<br />

Grenzmonitoring<br />

Messung der -� <strong>Radioaktivität</strong> des grenzüberschreitenden<br />

Verkehrs.<br />

H<br />

Halbwertszeit, biologische<br />

Zeit, nach der von der ursprünglichen Menge eines in den<br />

Körper aufgenommenen Stoffes die Hälfte vom Organismus<br />

ausgeschieden oder abgebaut ist.<br />

Halbwertszeit, effektive<br />

Zeit, nach der durch radioaktiven Zerfall <strong>und</strong> biologische<br />

Vorgänge (z. B. Ausscheidung) die Aktivitätskonzentration in<br />

einem Organismus auf den halben Wert abgeklungen ist.<br />

283


Halbwertszeit, physikalische<br />

Zeit, nach der von der ursprünglichen Menge der-� Radionuklide<br />

die Hälfte zerfallen ist.<br />

Havariert<br />

verunglückt<br />

Hereditärer Effekt<br />

Erblicher Effekt, Weitergabe von (Krankheits-)Anlagen an<br />

die nächste Generation.<br />

Hypothyreose<br />

Unterfunktion der Schilddrüse.<br />

I<br />

ICRP<br />

International Commission on Radiological Protection (Internationale<br />

Strahlenschutzkommission).<br />

ICRU<br />

International Commission on Radiation Units and Measurements<br />

(Internationale Kommission für radiologische Einheiten<br />

<strong>und</strong> Messungen).<br />

Immissionsgrößen<br />

Maß für schädliche Umwelteinwirkungen, die durch -� Emission<br />

entstanden sind.<br />

Infertilität<br />

Unfähigkeit, eine Schwangerschaft bis zu einem entwickelten<br />

Kind auszutragen.<br />

Ingestion<br />

Aufnahme von Stoffen durch den Magen-Darmtrakt.<br />

Inhalation<br />

Aufnahme von Stoffen über die Atemwege.<br />

Inkorporation<br />

Aufnahme von Stoffen in den Körper.<br />

Internationale Atomenergie Organisation (IAEO)<br />

Englisch: International Atomic Energy Agency (IAEA), ist eine<br />

eigenständige Organisation innerhalb der UN zur Förderung<br />

der friedlichen Anwendung <strong>und</strong> Nutzung der Atomenergie.<br />

284


Integriertes Mess- <strong>und</strong> Informationssystem (IMIS)<br />

Dient zur Überwachung der Umweltradioaktivität.<br />

Interzeption<br />

Anteil der deponierten Luftschwebstoffe (=> Deposition), der<br />

auf den Pflanzen verbleibt.<br />

In utero<br />

im Mutterleib<br />

Inzidenz<br />

Anzahl von Personen, die innerhalb eines Jahres neu an einer<br />

bestimmten Krankheit erkranken.<br />

J<br />

Iod<br />

Baustein für die -� Synthese von Schilddrüsenhormonen.<br />

- Stabiles Iod<br />

Nicht radioaktives -� Isotop des Iods<br />

- Instabiles Iod<br />

radioaktives -� Isotop des Iods (-� Radioiod).<br />

Iodblockade<br />

Vorbeugende Maßnahme zur Verhinderung der Einlagerung<br />

von -� radioaktivem Iod nach -� Reaktorunfällen durch<br />

z. B. Kaliumiodid.<br />

Iodid<br />

Chemisches Salz der Iodwasserstoffsäure, z. B. Kaliumiodid.<br />

Iododerma tuberosum<br />

Hautveränderung, die bei langer Iodeinnahme bei Überempfindlichkeit<br />

gegenüber -� Iod entsteht.<br />

Ion<br />

Durch überschüssige oder fehlende -� Elektronen geladenes<br />

-� Atom.<br />

Ionisationskammer<br />

Gerät zur Messung -� ionisierender Strahlung durch Messung<br />

des elektrischen Stromes, der entsteht, wenn Strahlung<br />

das Gas in der Kammer ionisiert.<br />

285


lonendosis<br />

Die erzeugte Ladung je Masseneinheit, gemessen in Coulomb<br />

pro Kilogramm (C/kg).<br />

Ionisierende Strahlung<br />

-� Strahlung, die in der Lage ist -� Ionen zu erzeugen.<br />

Iridium-192<br />

Eines der 20 radioaktiven Iridium -� Isotope.<br />

Isotope<br />

Unterscheiden sich in ihrem Kernaufbau durch die Anzahl<br />

ihrer -� Neutronen.<br />

ITRAP<br />

Abkürzung für Illicit Trafficking Radiation Detection Assessment<br />

Program, deutsch: Programm zur Aufdeckung des illegalen<br />

Schmuggels <strong>und</strong> Handels mit radioaktiven Stoffen.<br />

K<br />

Kardiovaskuläre Erkrankung<br />

Herzerkrankung<br />

Karzinogen<br />

krebserregend<br />

Kausal<br />

ursächlich<br />

Kernbrennstoff<br />

Spaltbare Materialien in Form von -� Uran als Metall, Legierung<br />

oder chemischer Verbindung (einschließlich -� natürlichen<br />

Urans), -� Plutonium als Metall, Legierung oder<br />

chemischer Verbindung.<br />

Kernkraftwerk (KKW)<br />

Ein mit -� Kernreaktoren betriebenes Dampfkraftwerk; umgangssprachlich<br />

Atomkraftwerk.<br />

Kernladungszahl<br />

Anzahl der -� Protonen, positiven -� Elementarladungen,<br />

in einem Atom.<br />

Kernreaktor<br />

Anlage zur Nutzung von Kernenergie.<br />

286


Kernspaltung<br />

Spaltung schwerer Atomkerne durch Beschuss mit -� Neutronen<br />

in jeweils zwei mittelgroße Kerne, die radioaktiven<br />

Spaltprodukte, wobei große Energiemengen freigesetzt<br />

werden.<br />

Kernspurdetektor<br />

Bestimmte Materialien, bei denen nach elektrochemischer<br />

Ätzung die Einschlagstellen der Alpha-Teilchen vergrößert<br />

dargestellt <strong>und</strong> elektronisch oder visuell mit dem Mikroskop<br />

gezählt werden können.<br />

Kerntechnische Anlagen<br />

Kerntechnische Anlagen sind -� Kernkraftwerk (KKW), -�<br />

Wiederaufarbeitungsanlagen, militärische Anlagen zur Erzeugung<br />

von -� Kernwaffen, Zwischenlager, -� Endlager<br />

<strong>und</strong> -� Anreicherungsanlagen <strong>und</strong> -� Forschungsreaktoren.<br />

Kernumwandlung<br />

Alle nicht stabilen Atomkerne („Radionuklide") wandeln sich<br />

– teilweise in mehreren Stufen – unter Abgabe energiereicher<br />

Strahlung in stabile Kerne um. Das jeweilige Produkt<br />

einer Kernumwandlung wird als Tochternuklid bezeichnet.<br />

Die Erscheinung, dass ein Stoff ohne vorherige Anregung<br />

<strong>und</strong> von außen nicht beeinflussbar Strahlung aussendet,<br />

wird als <strong>Radioaktivität</strong> bezeichnet. Da der ursprüngliche<br />

Stoff dabei allmählich „verschwindet", prägte man dafür den<br />

Begriff – radioaktiver Zerfall. Manche schweren Kerne zeigen<br />

mit einer gewissen Häufigkeit Spontanspaltungen; der<br />

Kern zerbricht dabei ohne äußere Einwirkung in zwei etwa<br />

gleich große Bruchstücke <strong>und</strong> es tritt Neutronenstrahlung<br />

auf.<br />

Kettenreaktion<br />

Die durch -� Absorption eines -� Neutrons ausgelöste -�<br />

Kernspaltung setzt ihrerseits wieder einige Neutronen frei,<br />

die weitere Spaltungen auslösen können.<br />

Kollektiv<br />

Gruppe von Personen mit ähnlichen Eigenschaften.<br />

287


Kontamination, kontaminierte<br />

Verunreinigung von Flächen, Gegenständen oder Personen<br />

mit -� radioaktiven Stoffen.<br />

Kontaminationsmonitor<br />

Messgerät zum Aufspüren von -� Kontaminationen.<br />

Kontrollbereich<br />

-� Strahlenschutzbereich in dem mit einer erhöhten -�<br />

Strahlenexposition zu rechnen ist.<br />

Kontrollgruppe<br />

Gruppe von Nicht-Erkrankten, die bezogen auf Risikofaktoren<br />

mit den sog. -� Fällen vergleichbar ist.<br />

Korrelation<br />

-� Statistische Bezeichnung für einen Zusammenhang.<br />

Krebsinduktion<br />

Hervorrufen einer Krebserkrankung.<br />

L<br />

Landesamt für Umwelt (LfU)<br />

Aufsichtsbehörde für Strahlenschutzbelange in Bayern.<br />

LET<br />

Linear energy transfer, Energieübertragungsvermögen einer<br />

Strahlung pro Wegeinheit.<br />

Linearbeschleuniger<br />

Teilchenbeschleuniger, in dem die Teilchen geradlinig,<br />

hochfrequenzgesteuert, energiezuführende elektrische Felder<br />

durchlaufen. Spezielle Konstruktionen für die Strahlentherapie<br />

liefern Elektronenstrahlen <strong>und</strong> ultraharte <strong>Röntgenstrahlen</strong>.<br />

Liquidator<br />

Person, die an der Beseitigung (Liquidation) der Folgen des<br />

Reaktorunfalls von Tschernobyl beteiligt war.<br />

Locker ionisierend<br />

Strahlung, die bei Wechselwirkung mit Materie ihre Energie<br />

auf einem verhältnismäßig langen Weg an diese überträgt<br />

<strong>und</strong> daher relativ weit voneinander entfernte lonisationsereignisse<br />

auslöst.<br />

Lymphatisches System<br />

Lymphbahnen <strong>und</strong> Lymphdrüsen.<br />

288


M<br />

Massenzahl<br />

Anzahl der Kernbausteine, -� Nukleonen, in einem Atom.<br />

Metastabiler Zustand<br />

Scheinbar stabiler Zustand eines -� Radionuklids mit beschränkter<br />

Lebensdauer.<br />

Moderiert, Moderator<br />

Ein Moderator bremst die schnellen bei einer Kernspaltung<br />

freigesetzten Neutronen ab. Der Moderator umgibt in der<br />

Regel den Brennstoff; er besteht z. B. aus Wasser oder Graphit.<br />

Molekül<br />

Chemische Verbindung aus mehreren -� Atomen.<br />

Monitor<br />

Gerät zur Aufzeichnung <strong>und</strong> Messung von nuklearem oder<br />

anderem radioaktivem Material.<br />

N<br />

NaI-Detektor<br />

Standard- -� detektor für -� Gamma-Strahlung in der<br />

Nuklearmedizin.<br />

Natriumperchlorat<br />

Hemmt die Aufnahme von -� radioaktivem Iod in die<br />

Schilddrüse dadurch, dass es wie -� Iod von der Schilddrüse<br />

aufgenommen wird.<br />

Natürliche Umgebungsstrahlung<br />

-� Exposition<br />

Neutron<br />

Elektrisch neutrales Elementarteilchen. Kernbaustein (-�<br />

Nukleon).<br />

Neutronenstrahlung<br />

Strahlung in Form elektrisch neutraler Elementarteilchen<br />

(-� Neutronen), die insbesondere bei der Kernspaltung freigesetzt<br />

werden.<br />

289


Nuklearbombe<br />

Beruht auf der Kernspaltung von -� Uran-235 oder -� Plutonium-239.<br />

Nukleares Material<br />

Durch -� Kernspaltung entstandene -� radioaktive Stoffe,<br />

abzugrenzen von -� anderem radioaktiven Material.<br />

Nuklearmedizin<br />

Anwendung radioaktiver Stoffe in der Medizin zu diagnostischen<br />

<strong>und</strong> therapeutischen Zwecken.<br />

Nuklearwaffen<br />

Bezeichnung für Geschosse, Raketen, -� Bomben, Minen<br />

mit Sprengladungen aus -� Kernbrennstoff.<br />

Nukleonen<br />

Kernbausteine: -� Protonen <strong>und</strong> -� Neutronen.<br />

Nuklid<br />

Atomkern<br />

Nuklididentifizierung<br />

Nachweis <strong>und</strong> Messung von -� Nukliden.<br />

O<br />

Ordnungszahl<br />

Anzahl der -� Protonen, positiven Ladungen, in einem -�<br />

Atom.<br />

Organdosis<br />

Mittelwert der -� Äquivalentdosis über ein Organ.<br />

Ortsdosis<br />

-� Äquivalentdosis gemessen an einem bestimmten Ort.<br />

P<br />

Partikel<br />

Teilchen<br />

Peer reviewed journals<br />

Wissenschaftliche Zeitschriften, in denen nur Veröffentlichungen<br />

erscheinen, die zuvor von mindestens einem Gutachter<br />

kritisch bewertet wurden.<br />

290


Personendosis<br />

Die an einer repräsentativen Stelle der Körperoberfläche<br />

gemessene -� Äquivalentdosis.<br />

PET<br />

Positronen-Emisssions-Tomographie.<br />

Nuklearmedizinisches, diagnostisches Verfahren, bei dem<br />

Positronen aussendende radioaktive Substanzen, insbesondere<br />

der radioaktiv markierte Zucker ( 18 F-FDG), vorwiegend<br />

zur Darstellung von vitalem Tumorgewebe verwendet werden.<br />

Photon<br />

Quant elektromagnetischer -� Strahlung. Ein Photon ist die<br />

kleinste Strahlungsmenge. Sie kann jede beliebige Energie<br />

tragen, aber nur als ganzes erzeugt oder vernichtet werden.<br />

Pilotstudie<br />

oder Machbarkeitsstudie untersucht, ob <strong>und</strong> unter welchen<br />

Bedingungen eine geplante aufwändige Untersuchung erfolgreich<br />

sein kann.<br />

Plutonium-239<br />

Der Alpha-Strahler entsteht bei normalem Betrieb eines -�<br />

Reaktors <strong>und</strong> kann in -� Nuklearwaffen verwendet werden.<br />

Positron<br />

Antiteilchen des -� Elektrons mit einer positiven -� Elementarladung.<br />

Prämenopausal<br />

Zeit vor den Wechseljahren.<br />

Primordiale Radionuklide<br />

Radionuklide, die bei der Bildung der irdischen Materie entstanden<br />

<strong>und</strong> heute noch vorhanden sind.<br />

Prognose<br />

Vorhersage einer zukünftigen Entwicklung, z. B. eines<br />

Krankheitsverlaufs.<br />

Proton<br />

Elementarteilchen mit einer positiven Elementarladung.<br />

Kernbaustein (-� Nukleon).<br />

PuO2-UO2<br />

Chemische Formel für Plutoniumdioxid <strong>und</strong> -� Urandioxid.<br />

291


R<br />

Radikal<br />

Kurzlebiges, extrem reaktionsfähiges Bruchstück eines -�<br />

Moleküls.<br />

Radioaktive Quelle<br />

bzw. Strahlungsquelle ist ein Gerät oder Material, das -�<br />

ionisierende Strahlung aussenden kann.<br />

- Umschlossene radioaktive Quellen sind ständig von einer<br />

allseitig dichten, festen, inaktiven Hülle umschlossen oder<br />

in festen inaktiven Stoffen ständig so eingebettet, dass bei<br />

üblicher betriebsmäßiger Beanspruchung ein Austritt radioaktiver<br />

Stoffe mit Sicherheit verhindert wird.<br />

- Offene radioaktive Quellen sind alle radioaktiven Quellen<br />

mit Ausnahme der umschlossenen.<br />

Radioaktiver Zerfall<br />

Kernumwandlung unter Aussendung von -� Strahlung. Das<br />

entstehende -� Tochternuklid kann wiederum instabil, d.h.<br />

radioaktiv, sein.<br />

<strong>Radioaktivität</strong><br />

-� Radioaktiver Zerfall<br />

Radiocäsium<br />

Radioaktives Cäsium -� Isotop<br />

Radioisotop<br />

Radioaktives � Isotop<br />

Radioisotopendetektor<br />

-� Detektor zur Lokalisation, -� Verifikation <strong>und</strong> -� Nuklididentifizierung.<br />

Radiological Dispersion Device (RDD)<br />

Englischer Fachbegriff für sog. -� „Schmutzige Bombe“.<br />

Radionuklid<br />

Instabiler Kern, der sich durch Aussendung von -� Strahlung<br />

in einen stabileren Kern umwandelt.<br />

Radioökologie<br />

Lehre vom Verhalten radioaktiver Stoffe in der Umwelt.<br />

Radiotoxizität<br />

Giftigkeit einer Substanz auf Gr<strong>und</strong> -� radioaktiver Strahlung.<br />

292


Reaktor<br />

Kurzbezeichnung für -� Kernreaktor.<br />

Reaktorunfall<br />

-� Strahlenunfall<br />

Regionale Strahlenschutzzentren (RSZ)<br />

Von der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik <strong>und</strong> Elektrotechnik<br />

<strong>und</strong> der Berufsgenossenschaft der Chemischen<br />

Industrie eingerichtete Leitstellen zur optimalen Versorgung<br />

von -� beruflich strahlenexponierten Personen bei einem -<br />

� Strahlenunfall.<br />

Relatives Risiko<br />

Gibt den Faktor an, um den sich die Erkrankungshäufigkeit<br />

in einer -� exponierten Gruppe von der in einer -� Kontrollgruppe<br />

unterscheidet.<br />

REMPAN (Radiation Emergency Medical Preparedness and<br />

Assistance Network)<br />

Netzwerk von zur Zeit ca. 30 Kollaborationszentren der -�<br />

WHO.<br />

Resuspension<br />

Wiedereintritt von am Boden oder auf Pflanzen deponierten<br />

Luftschwebstoffen in die Atmosphäre, z. B. infolge Aufwirbelns<br />

durch den Wind.<br />

Röntgenkontrastmittel<br />

Substanz zur Verbesserung der röntgenologischen Darstellung<br />

von u. a. Körperräumen <strong>und</strong> Gefäßen.<br />

Röntgenstrahlung<br />

Elektromagnetische -� ionisierende Strahlung, entstanden<br />

durch Beschleunigen oder Abbremsen geladener Teilchen (-<br />

� Bremsstrahlung) oder Elektronenübergänge in der Atomhülle<br />

(charakteristische Röntgenstrahlung).<br />

RöV<br />

Verordnung über den Schutz vor Schäden durch <strong>Röntgenstrahlen</strong><br />

(Röntgenverordnung).<br />

293


S<br />

Schilddrüsendosis<br />

-� Organdosis für die Schilddrüse.<br />

Schmutzige Bombe<br />

Umgangssprachlicher Begriff für konventionellen Sprengstoff,<br />

dem -� radioaktive Stoffe beigefügt oder beigemengt<br />

sind (englisch: -� Radiological Dispersion Device (RDD)).<br />

SEARCH (System for Evaluation and Archiving of Radiation<br />

Accidents based on Case Histories).<br />

Datenbank zur Archivierung <strong>und</strong> Auswertung von -� Strahlenunfällen<br />

basierend auf Patientenkrankenakten.<br />

Sicherheitscontainment<br />

Schutzhülle zum Einschluss der -� <strong>Radioaktivität</strong> eines -�<br />

Reaktors, die besonders hohe Anforderungen hinsichtlich<br />

Dichtheit <strong>und</strong> Stabilität erfüllt.<br />

Sievert<br />

Einheit der -� effektiven Dosis <strong>und</strong> der -� Äquivalentdosis.<br />

Solider Tumor<br />

-� Tumor eines Organs.<br />

Somatisch<br />

körperlich<br />

Somatisches Strahlenrisiko<br />

Risiko für eine körperliche Schädigung der von der Bestrahlung<br />

betroffenen Person; zur Unterscheidung vom genetischen<br />

Risiko, das für die Schädigung der Folgegenerationen<br />

besteht.<br />

Spaltprodukte<br />

-� Nuklide, die bei der Spaltung schwerer -� Atomkerne<br />

entstehen.<br />

Spezifische Aktivität<br />

Verhältnis der -� Aktivität eines -� Radionuklids zur Masse<br />

des Materials, in dem das Radionuklid verteilt ist.<br />

Spontanspaltung<br />

Spaltung schwerer Atomkerne in mehrere größere Bruchstücke<br />

ohne äußere Einwirkungen.<br />

294


Sterilität<br />

Zustand der Unfruchtbarkeit.<br />

Stochastische Strahleneffekte<br />

Hierbei führt eine Erhöhung der -� Dosis zu einer höheren<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit der Strahlenschäden. Eine -�<br />

Schwellendosis gibt es hier nicht (vgl. -� deterministische<br />

Strahleneffekte).<br />

Strahlenbiologisch, Strahlenbiologie<br />

Wissenschaft, die die Wechselwirkungen zwischen -�<br />

ionisierender Strahlung mit biologischer Materie untersucht.<br />

Strahlendosis<br />

Dosis an -� ionisierender Strahlung.<br />

Strahlenexposition<br />

Einwirkung -� ionisierender Strahlung auf den Menschen.<br />

Strahlenschutzbereich<br />

Gekennzeichneter Bereich, in dem mit erhöhter -� Strahlenexposition<br />

zu rechnen ist.<br />

Strahlenunfall<br />

Ereignisablauf, der für eine oder mehrere Personen eine -�<br />

effektive Dosis von mehr als 50 Millisievert zur Folge haben<br />

kann.<br />

Strahlung<br />

Energieform, die sich als elektromagnetische Welle oder als<br />

Teilchenstrahlung ausbreitet.<br />

- direkte Strahlung: -� Alpha- oder -� Beta-Strahlung<br />

- indirekte Strahlung: -� Photonen (-� Gamma- <strong>und</strong> Röntgenstrahlung)<br />

oder -� Neutronenstrahlung<br />

Strahlungsquelle<br />

-� Radioaktive Quelle<br />

Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)<br />

Verordnung über den Schutz vor Schäden durch die Anwendung<br />

radioaktiver Substanzen.<br />

Strontium-90<br />

Der -� Beta-Strahler entsteht bei der -� Kernspaltung von<br />

-� Uran.<br />

295


Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG)<br />

Verordnung zur Vorsorge vor Schäden durch ionisierende<br />

Strahlung.<br />

Szintigramm<br />

Abbildung der <strong>Radioaktivität</strong>skonzentration im Körper.<br />

T<br />

Teilchenstrahlung<br />

Aus geladenen (z. B. -� Elektronen, -� Protonen) oder ungeladenen<br />

Teilchen (z. B. Neutronen, Neutrinos) bestehende<br />

Strahlung (im Gegensatz zur elektromagnetischen Wellenstrahlung).<br />

Teleradiologie<br />

Durchführung einer Röntgenuntersuchung, bei der der verantwortliche<br />

Arzt per (Bild-)Telefon mit den durchführenden<br />

Personen in Verbindung steht.<br />

Thorium<br />

-� Isotop 232 ist ein -� Alpha-Strahler.<br />

TNT<br />

Abkürzung für den wichtigen Explosivstoff Trinitrotoluol,<br />

dessen Sprengwirkung als Maß der Wirkung von -� Nuklearwaffen<br />

dient.<br />

Tochternuklid<br />

Aus einer Kernumwandlung (-� radioaktiver Zerfall) entstehendes<br />

Nuklid.<br />

Track-etch-Detektor (Kernspurdetektor)<br />

Bestimmte Materialien, bei denen nach elektrochemischer<br />

Ätzung die Einschlagstellen der Alpha-Teilchen vergrößert<br />

dargestellt <strong>und</strong> elektronisch oder visuell mit dem Mikroskop<br />

gezählt werden können.<br />

Transferfaktor<br />

Beschreibt quantitativ den Übergang eines Radionuklids von<br />

einem Compartment in ein anderes (z. B. Boden - Pflanze,<br />

Futterpflanze - Milch usw.).<br />

Triage<br />

Einteilen von Verletzten (unter Katastrophenbedingungen)<br />

nach zunehmender Verletzungsschwere.<br />

296


Tritium<br />

Radioaktives -� Isotop des Wasserstoffs, das -� Betastrahlung<br />

sehr niedriger Energie aussendet.<br />

Tschernobylforum<br />

Sammelt seit 2003 im Auftrag der -� Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation<br />

(WHO) wissenschaftliche Daten über die Auswirkungen<br />

der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl auf die Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Psyche, Wirtschaft <strong>und</strong> Umwelt<br />

Tschernobyl-Verordnung<br />

Die Verordnung (EWG) Nr. 737/90 der Europäischen Kommission<br />

legt für die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse<br />

mit Ursprung in Drittländern Höchstwerte an -� <strong>Radioaktivität</strong><br />

fest, deren Einhaltung von den Mitgliedsstaaten überprüft<br />

wird.<br />

U<br />

United Nations Scientific Committee on the Effects of<br />

Atomic Radiation (UNSCEAR)<br />

Deutsch: Komitee der Vereinten Nationen über die Wirkung<br />

von atomarer Strahlung, ein wissenschaftliches Komitee,<br />

das regelmäßig Berichte für die UN-Vollversammlung über<br />

die -� Strahlenexposition <strong>und</strong> die Wirkungen -� ionisierender<br />

Strahlung erstellt.<br />

Uptake<br />

Aufnahme eines -� Radionuklids <strong>und</strong> dessen Anreicherung<br />

in einem bestimmten Organ.<br />

Uran<br />

Uran kommt in der Natur (-� Natururan) hauptsächlich in<br />

zwei -� Isotopen vor: U-238 <strong>und</strong> U-235; es enthält weniger<br />

als 1 Prozent spaltbares Uran (U-235).<br />

- Beim angereicherten Uran wird der Anteil an U-235 gegenüber<br />

dem U-238 durch Anreicherung erhöht. Schwach<br />

angereichertes Uran, englisch: low-enriched uranium<br />

(LEU), enthält etwa 2-4 % U-235; es wird gewöhnlich in<br />

-� Kernreaktoren eingesetzt. Hoch angereichertes, eng-<br />

lisch: high-enriched uranium (HEU), enthält mehr als 20 %<br />

U-235; es kann auch zur Herstellung von -� Nuklearwaffen<br />

verwendet werden.<br />

297


- Abgereichertes Uran, englisch: depleted uranium (DU), ist<br />

ein Rückstand, der bei der Erzeugung von -� Brennstäben<br />

oder -� Nuklearbomben entsteht. Es besteht zu fast<br />

100 Prozent aus U-238. DU ist chemisch hochgiftig <strong>und</strong><br />

schwach radioaktiv.<br />

Urananreicherungsanlage<br />

Einrichtung, in der der Prozentsatz des spaltbaren -� lsotops<br />

-� Uran-235 über den Gehalt von 0,72 % des -� Natururans<br />

hinaus gesteigert wird.<br />

Urandioxid (UO2)<br />

Häufigstes Uranoxid <strong>und</strong> chemisch sehr stabil. Der -� Kernbrennstoff<br />

für die meisten -� Reaktoren ist heute Urandioxid,<br />

früher wurde dagegen oft metallisches -� Uran (U)<br />

verwendet.<br />

V<br />

Verifikation<br />

Vorgehen, das durch Überprüfung die Richtigkeit bestätigt.<br />

W<br />

Weichteilgewebe<br />

Repräsentiert im Mittel die Eigenschaften aller Körpergewebe<br />

mit Ausnahme der Knochen <strong>und</strong> Knorpel. Definition für<br />

die -� Dosimetrie: Homogenes Material mit einem Massegehalt<br />

von 10,1 % Wasserstoff, 11,1 % Kohlenstoff, 2,6 %<br />

Stickstoff <strong>und</strong> 76,2 % Sauerstoff.<br />

Wellenstrahlung<br />

Aus elektromagnetischen Wellen bestehende Strahlung<br />

(z. B. Licht, Radiowellen, Röntgen- <strong>und</strong> -� Gammastrahlen).<br />

Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation<br />

Englisch: World Health Organization (WHO).<br />

Wiederaufarbeitungsanlage<br />

Anlage, in der die Stoffe -� Uran <strong>und</strong> -� Plutonium (in<br />

Form chemischer Verbindungen) aus verbrauchten -�<br />

Brennelementen zurück gewonnen <strong>und</strong> die hoch radioaktiven<br />

Abfälle abgetrennt werden.<br />

298


Z<br />

Zerfallsreihe<br />

Für ein -� Radionuklid charakteristisches Zerfallsschema<br />

über wiederum instabile -� Tochternuklide bis zu seinem<br />

letztlich stabilen Tochternuklid.<br />

Zwischenlager<br />

Zeitlich befristete Lagerung bestrahlter -� Brennelemente<br />

oder radioaktiver Abfälle vor ihrer -� Endlagerung.<br />

Zyklotron<br />

Beschleuniger für positiv geladene Teilchen (Protonen,<br />

Deuteronen, Alphateilchen). Die Teilchen laufen unter<br />

Einfluss eines magnetischen Feldes auf halbkreisförmigen<br />

Bahnen von zunehmendem Durchmesser <strong>und</strong> treten jeweils<br />

nach halbem Umlauf aus der einen in die andere<br />

Umlaufkammer über, wodurch sie beschleunigt werden <strong>und</strong><br />

hohe kinetische Energien gewinnen. Zyklotrone werden in<br />

der Medizin zur Erzeugung kurzlebiger Radioisotope <strong>und</strong> zur<br />

Neutronentherapie eingesetzt.<br />

299


8. Sachverzeichnis<br />

A<br />

Abschirmung der Strahlung 12<br />

Abwehr- <strong>und</strong> Reparaturmechanismen vielzelliger Systeme 44<br />

Adaptive Reaktionen 43<br />

Äquivalentdosis (H) 20<br />

Ärztliche Stelle 216<br />

Aktivitätskonzentration in Luft <strong>und</strong> Wasser, Höchstwerte 221<br />

Akute Bestrahlung 37<br />

Akute Strahlenkrankheit 51<br />

Akute Strahlenkrankheiten nach einmaliger Ganzkörperexposition<br />

54<br />

Akute Strahlenschäden 53<br />

Alphastrahlung 6<br />

Anpassungsreaktionen von Organismen 62<br />

Apoptose 36<br />

Atome 1<br />

Ausbreitungsmodelle radioaktiver Stoffe in der Atmosphäre<br />

135<br />

Ausbreitung radioaktiver Stoffe in Gewässern 143<br />

B<br />

Bestrahlung des roten Knochenmarks 45<br />

Betastrahlung 6<br />

Biologische Dosimetrie 39<br />

Biologische Gr<strong>und</strong>lagen 25<br />

Bystander Effekte 41<br />

C<br />

Chronische Bestrahlung 37<br />

Chronische Strahlenkrankheit 51<br />

Comptoneffekt 11<br />

Computer-Tomographie (CT) 114, 119<br />

D<br />

Dekontaminationsmöglichkeiten 198<br />

Dekorporationsmöglichkeiten 200<br />

Deterministische Spätschäden 61, 62<br />

Deterministische Strahlenwirkungen 50<br />

Diagnostische Referenzwerte 215<br />

Digitale Radiographie 117<br />

Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) 118<br />

DNS-Doppelstrangbrüche (DSB) 32<br />

300


DNS-Schäden 32<br />

Dosisleistung 18<br />

Druckwasserreaktor 87<br />

E<br />

Effektive Dosis (E) 15<br />

Effekte durch chronische Strahlenexposition mit niedriger<br />

Dosisrate 61<br />

Effektüberschneidungen 48<br />

Energiedosis (D) 13<br />

Energieerzeugung 82<br />

Epidemiologische Studien (Fall-Kontroll-Studien) 185<br />

Epidemiologische Studien an exponierten Populationen 69<br />

Externe Strahlenexposition 155<br />

F<br />

Faktorabhängigkeit der Strahlenwirkungen 52<br />

G<br />

Gammakamera 105<br />

Gammastrahlung 6<br />

Genetisch signifikante Dosis 16<br />

Genetische Mutationen 34<br />

Genetische Strahlenwirkungen 52<br />

Genom-Instabilität 36<br />

Gesetzliche Strahlenschutzvorschriften 204<br />

Gray (Gy) 13<br />

Grenzmonitoring 258<br />

H<br />

Herz-Diagnostik, nuklearmedizinisch 110<br />

Hiroshima <strong>und</strong> Nagasaki, Überlebende 66<br />

Hormesis <strong>und</strong> kleine Dosen 76<br />

I<br />

Immissions- <strong>und</strong> Emissionsüberwachung 219<br />

Immissionsmesssystem für <strong>Radioaktivität</strong> (IfR) 254<br />

Improvisierte Nuklearbombe 250<br />

Industrie 92<br />

Ingestion 150<br />

Inhalation 151<br />

Inkorporation 200<br />

Integriertes Mess- <strong>und</strong> Informationssystem (IMIS) 252<br />

Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) 67<br />

Interne Strahlenexposition 149, 167<br />

Interventionelle Radiologie 118<br />

301


Interzeption 140<br />

Iodblockade zur Strahlenschutzvorsorge 240<br />

Ionendosis (J) 13<br />

Isotope 2<br />

K<br />

Kalibrierquellen 95<br />

Katastrophenschutz 260<br />

Katastrophenschutz, abwehrende Maßnahmen 262<br />

Katastrophenschutz, vorbeugende Maßnahmen 261<br />

Katastrophenschutz-Maßnahmen 260<br />

Kernfusion 83<br />

Kernspaltung 84<br />

Kollektivdosis 16<br />

Kontamination von Pflanzen 144<br />

Kontamination von Tierprodukten 146<br />

Konventionelle Röntgendiagnostik 118<br />

Kosmische Strahlung 158<br />

Kosmogene Radionuklide 163<br />

Kritische Organe 17<br />

L<br />

Letal-Dosen 36<br />

Leukämie 45<br />

Leukämie nach Tschernobylunfall 236<br />

Lineares Energie-Übertragungsvermögen (LET) 20<br />

M<br />

Mechanismen der Zellschädigung 28<br />

Medizinische Strahlenexposition 180<br />

Messgrößen im Strahlenschutz 20<br />

Missbildungen 60<br />

Missbrauch von radioaktiven Stoffen 243<br />

N<br />

Nasse Deposition 139<br />

Neutronen-Therapie 122<br />

Nieren-Diagnostik, nuklearmedizinisch 111<br />

Nuklearkriminalität 243<br />

Nuklearterrorismus 248<br />

Nuklide 2<br />

P<br />

Paarbildung 11<br />

Partikel- <strong>und</strong> Photonenstrahlung 100<br />

Perkutane Strahlentherapie (Radioonkologie) 121<br />

302


Personenkontamination 198<br />

PET/CT-Systeme 114<br />

Photoeffekt 11<br />

Physiologische Abwehr- <strong>und</strong> Anpassungsreaktionen biologi-<br />

scher Systeme 73<br />

Polymerisation von Kunststoffen 94<br />

Positronen-Emissions-Tomographie (PET) 112<br />

Projektions-Radiographie 118<br />

Protonen-Therapie 122<br />

R<br />

Radioaktive Abfälle 124<br />

Radioaktive Abfälle, Behandlungsmethoden 125<br />

Radioaktive Abfälle, Quellen 124<br />

Radioaktive Stoffe, Verhalten in der Umwelt<br />

(Radioökologie) 130<br />

Radioaktive Stoffe, Ausbreitung in der Atmosphäre 132<br />

<strong>Radioaktivität</strong> 2<br />

<strong>Radioaktivität</strong>smessungen beim grenzüberschreitenden Ver--<br />

kehr 257<br />

Radiographie 93<br />

Radioisotope, Herstellung 95<br />

Radioisotope in der Wissenschaft 97<br />

Radionuklide in der Medizin, Voraussetzungen 101<br />

Radionuklide in der medizinischen Diagnostik 104<br />

Radionuklide in der Therapie 115<br />

Radionuklide in Nahrungsketten 144<br />

Radioökologie 17<br />

Radiopharmaka 106<br />

Radiopharmazeutika 106<br />

Radon 167<br />

Radon-/Radium-Therapie 123<br />

Rauchmelder 96<br />

Reaktortypen 85<br />

Reaktorunfälle 227<br />

Reaktorunfall von Tschernobyl 228<br />

Reaktorunfall von Tschernobyl, ges<strong>und</strong>heitliche Folgen 231<br />

Reaktorunfälle vor Tschernobyl 227<br />

Rechtfertigende Indikation 214<br />

Regel- <strong>und</strong> Messeinrichtungen 96<br />

Regionale Strahlenschutzzentren 264<br />

Reichweite der Strahlung 9<br />

Relative Biologische Wirksamkeit (RBW) 31<br />

REMPAN-Netzwerk der WHO 265<br />

303


Reparatur von Strahlenschäden 33<br />

Resuspension 142<br />

Risikoanalyse 63<br />

Risikoanalyse, Modifikationen 71<br />

Risikoanalyse, sek<strong>und</strong>äre Faktoren 65<br />

Röntgendiagnostik 116<br />

Röntgendurchleuchtung 117<br />

Röntgenfluoreszenz-Analyse 93<br />

Röntgenverordnung (RöV) 211<br />

S<br />

Schilddrüsen-Diagnostik, nuklearmedizinisch 108<br />

Schilddrüsenerkrankungen nach Tschernobylunfall 235<br />

Schmutzige Bombe 249<br />

Siedewasserreaktor 87<br />

Sievert (Sv) 14<br />

Single-Photon-Emissions-Computer-Tomographie (SPECT) 112<br />

Skelett-Diagnostik, nuklearmedizinisch 109<br />

Somatische Spätschäden nach Strahlenexposition mit hoher<br />

Dosis/-rate 62<br />

SPECT/CT-Systeme 115<br />

Sterilisation <strong>und</strong> Konservierung 94<br />

Stochastische Spätschäden 49,-63<br />

Stochastische Strahlenwirkungen 47<br />

Strahlenarten 5<br />

Strahlendosen nach Tschernobylunfall 234<br />

Strahlendosisbegriffe 13<br />

Strahleneinfangereignisse 38<br />

Strahlenempfindliche Teile der Zelle 31<br />

Strahlenexposition aus natürlichen Quellen 157<br />

Strahlenexposition aus zivilisatorischen Quellen 171<br />

Strahlenexposition, beruflich 184<br />

Strahlenexposition des Flugpersonals 163<br />

Strahlenexposition durch den Betrieb von Kernkraftwerken, Be-<br />

schäftigte 90<br />

Strahlenexposition durch den Betrieb von Kernkraftwerken, Be-<br />

völkerung 90<br />

Strahlenexposition durch den Reaktorunfall von Tscherno-<br />

byl 176<br />

Strahlenexposition durch den Transport von radioaktiven Stof-<br />

fen (Castor) 178<br />

Strahlenexposition durch nuklearmedizinische Untersuchun-<br />

gen 106, 107<br />

304


Strahlenexposition durch Quellen in Industrie, Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Medizin 179<br />

Strahlenexposition in der Nähe kerntechnischer Anlagen 171<br />

Strahlenexposition in der Röntgendiagnostik 121<br />

Strahlenexposition in Deutschland durch Tschernobyl 238<br />

Strahleninduzierte Störungen des biologischen Gleich-<br />

gewichtes 43<br />

Strahlenschäden der Haut, verstärkende 58<br />

Strahlenschäden der Keimdrüsen 58<br />

Strahlenschäden des ungeborenen Lebens 59<br />

Strahlenschäden, späte 61<br />

Strahlenschutz <strong>und</strong> gesetzliche Vorschriften 194<br />

Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) 204<br />

Strahlenschutz vor äußerer Exposition 194<br />

Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) 218<br />

Strahlenschutzvorsorgezentren 264<br />

Strahlungs-Wichtungsfaktor 13<br />

Szintigramm 105<br />

T<br />

Teleradiologie 215<br />

Terrestrische Strahlung 164<br />

Tomographie-Verfahren, nuklearmedizinisch 112<br />

Trockene Deposition 138<br />

Tschernobyl-Verordnung 257<br />

U<br />

Überwachung der Umweltradioaktivität in Bayern 252<br />

Umgang mit radioaktiven Stoffen, Genehmigungspflicht 223<br />

Umgebungsüberwachung bayerischer Kernkraftwerke 256<br />

Unterschiedliche Strahlenempfindlichkeiten im Körper 35<br />

W<br />

Wechselwirkung der Strahlung mit der Materie 9<br />

Werkstoffprüfung 93<br />

Wirkungsweise ionisierender Strahlen 25<br />

Wirkungsweise ionisierender Strahlen auf vielzellige Orga-<br />

nismen 40<br />

Z<br />

Zellen als kleinste Funktionseinheiten 25<br />

Zellerneuerungssysteme 53<br />

Zwischen- <strong>und</strong> Endlager 126<br />

305


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Herausgeber: <strong>Bayerisches</strong> Staatsministerium für<br />

Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Verbraucherschutz (StMUGV)<br />

Rosenkavalierplatz 2, 81925 München<br />

Internet: www.stmugv.bayern.de<br />

E-Mail: poststelle@stmugv.bayern.de<br />

Stand: Oktober 2006<br />

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