Newsletter 2/2010 - Scout.ch
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AUS ALT MACH NEU 3/3<br />
Das Gesi<strong>ch</strong>t einer Hauptstadt am Rande Europas<br />
Jeder, der Georgien bereist hat, weiss: Das Land ist steinrei<strong>ch</strong> im wahrsten Sinne<br />
des Wortes. Überall gibt es alte Gemäuer aus über drei Jahrtausenden, wel<strong>ch</strong>e<br />
von der langen, traditionsrei<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der georgis<strong>ch</strong>en Ar<strong>ch</strong>itektur zeugen.<br />
Ein Grund genug, um einen Blick auf die zeitgenössis<strong>ch</strong>e Bautätigkeit zu<br />
werfen.<br />
Seit dem Regierungswe<strong>ch</strong>sel Anfang 2004<br />
hat der Bausektor in Georgien eine bewegte<br />
Entwicklung dur<strong>ch</strong>gema<strong>ch</strong>t. Zuerst explodierte<br />
die Zahl an Neubauten, vor allem in<br />
Tbilisi. Grosse, neue Überbauungen, wel<strong>ch</strong>e<br />
mit ihrem „08/15“ Stil in keiner Weise<br />
zur Berei<strong>ch</strong>erung und Entwicklung der georgis<strong>ch</strong>en<br />
Ar<strong>ch</strong>itektur beitragen, wurden in<br />
Angriff genommen. Die sowjetis<strong>ch</strong>en Plattenbausiedlungen<br />
sehen verglei<strong>ch</strong>sweise<br />
hübs<strong>ch</strong> aus neben den gesi<strong>ch</strong>ts- und fantasielosen<br />
Bauten mit kleinen Fenstern und<br />
bünzligen Balkonen, wel<strong>ch</strong>e beispielsweise<br />
grosse Gebiete des Vake Quartiers überziehen.<br />
Die Käufers<strong>ch</strong>aft war offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> vorhanden,<br />
denn Tbilisi litt unter akutem Wohnungsmangel.<br />
In vielen Wohnungen lebten<br />
mehrere Generationen zusammen und mit<br />
dem si<strong>ch</strong> wandelnden Lebensstil wüns<strong>ch</strong>ten<br />
si<strong>ch</strong> viele junge Paare eine eigene Wohnung.<br />
Die monatli<strong>ch</strong>en Hypotekarzinsen für<br />
eine Neuwohnung waren ungefähr glei<strong>ch</strong><br />
ho<strong>ch</strong> wie die Mieten. Glei<strong>ch</strong>zeitig bewirkte<br />
die Korruptionsbekämpfung, wel<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong><br />
die neue Regierung Saakashvili energis<strong>ch</strong><br />
an die Hand genommen wurde, dass eine<br />
ni<strong>ch</strong>t zu verna<strong>ch</strong>lässigende Menge an<br />
(S<strong>ch</strong>warz-)Geldern in Wohnungen investiert<br />
wurden. So kamen Mütter, S<strong>ch</strong>wiegermütter,<br />
Tanten, Grossväter etc. plötzli<strong>ch</strong> in den<br />
Besitz eines Hauses oder einer Wohnung.<br />
Der Konflikt mit Russland und die weltweite<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftskrise ma<strong>ch</strong>ten aber au<strong>ch</strong> vor<br />
dem lukrativen georgis<strong>ch</strong>en Bauges<strong>ch</strong>äft<br />
ni<strong>ch</strong>t Halt. Die zuvor in astronomis<strong>ch</strong>e Höhen<br />
gestiegenen Bodenpreise passten si<strong>ch</strong><br />
wieder einigermassen der Realität an. Viele<br />
Baufirmen gingen Konkurs, andere mussten<br />
ihre Bautätigkeit bis auf Weiteres, spri<strong>ch</strong> bis<br />
zur Ers<strong>ch</strong>liessung neuer Bankkredite, einstellen.<br />
<strong>2010</strong> s<strong>ch</strong>eint si<strong>ch</strong> die Lage wieder<br />
etwas zu normalisieren – ni<strong>ch</strong>t zuletzt darum,<br />
weil der Staat den grössßten Baufirmen<br />
mit Grossprojekten unter die Arme greift.<br />
Primär sind da die Renovationsarbeiten von<br />
historis<strong>ch</strong>en Denkmälern, wel<strong>ch</strong>e unter der<br />
Ägide des Kulturministeriums dur<strong>ch</strong>geführt<br />
werden. Hunderten von Kir<strong>ch</strong>en wird so<br />
neues Leben eingehau<strong>ch</strong>t. Eine Plakatkampagne<br />
in den grösseren Städten des Landes<br />
zeigt die Vielfalt sol<strong>ch</strong>er Projekte:<br />
Aufs<strong>ch</strong>rift auf den Plakaten am Beispiel oben<br />
links: “I<strong>ch</strong> liebe Georgien – Gareds<strong>ch</strong>a, 6.-18.<br />
Jahrhundert, restauriert 2007”. Analog oben<br />
re<strong>ch</strong>ts im Uhrzeigersinn: Fitareti, Dsveli Gavasi,<br />
Nekresi.<br />
An sol<strong>ch</strong>en denkmals<strong>ch</strong>ützeris<strong>ch</strong>en Unterfangen<br />
s<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> aber oftmals die Geister.<br />
So zum Beispiel im Falle der Kathedrale<br />
von Bagrati (Kutaissi). Auf der einen Seite<br />
mö<strong>ch</strong>te der Staat, insbesondere der Präsident,<br />
dass die Kathedrale mögli<strong>ch</strong>st bald in<br />
ihrem ursprüngli<strong>ch</strong>en Glanz wieder in Betrieb<br />
genommen werden kann. Die Arbeiten<br />
laufen auf Ho<strong>ch</strong>touren. Kritis<strong>ch</strong>e Stimmen,<br />
hingegen warnen, dass denkmalpflegeris<strong>ch</strong>en<br />
Normen der UNESCO in diesem<br />
S<strong>ch</strong>nellverfahren ausser A<strong>ch</strong>t gelassen<br />
würden.<br />
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