Das Codebuch: Aufbau und Kategorienbildung 6 - UVK ...
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D ER E R A UFBAU U F B A U DES D E S C ODEBUCHS O D E B U C H S IN I N DER D E R Ü BERSICHT B E R S I C H T<br />
<strong>Das</strong> <strong>Codebuch</strong>:<br />
<strong>Aufbau</strong> <strong>und</strong> <strong>Kategorienbildung</strong><br />
6.1 Der <strong>Aufbau</strong> des <strong>Codebuch</strong>s in der Übersicht<br />
6.2 Kategoriensystem <strong>und</strong> <strong>Kategorienbildung</strong><br />
Inhalt<br />
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über den Prozess, in dem das zentrale<br />
Instrument der Inhaltsanalyse – das <strong>Codebuch</strong> – entsteht. Nach einer allgemeinen<br />
Beschreibung der Struktur eines <strong>Codebuch</strong>s wird insbesondere<br />
die Formulierung angemessener Kategorien ausführlich behandelt.<br />
Der <strong>Aufbau</strong> des <strong>Codebuch</strong>s in der Übersicht<br />
Eine Kernaufgabe bei Medieninhaltsanalysen besteht darin, das <strong>Codebuch</strong><br />
zu erarbeiten. Als Untersuchungsinstrument enthält es alle wesentlichen<br />
Festlegungen, die in den bisherigen Kapiteln besprochen<br />
wurden, sowie die konkreten Anweisungen für das Vorgehen der Codierer<br />
<strong>und</strong> die Kriterien, anhand derer das Untersuchungsmaterial bearbeitet<br />
werden soll (vgl. Kap. 7 ff.). Angesichts der geforderten Transparenz<br />
des Forschungsprozesses, die diesen für andere Personen intersubjektiv<br />
nachvollziehbar macht, muss das <strong>Codebuch</strong> ausführlich <strong>und</strong> verständlich<br />
formuliert sein, sodass sich die Codierer, aber auch andere Forscher<br />
auf seiner Basis ein vollständiges Bild von der Untersuchungsanlage machen<br />
können. Schließlich sollte es bei wiederholter Anwendung auf dasselbe<br />
Material zu denselben Ergebnissen führen, wozu äußerst detaillierte<br />
Festlegungen erforderlich sind. Der vorliegende Abschnitt stellt in<br />
einem Überblick zunächst den typischen <strong>Aufbau</strong> eines <strong>Codebuch</strong>es dar,<br />
bevor das Kategoriensystem (als sein Herzstück) <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>regeln<br />
zur <strong>Kategorienbildung</strong> in eigenen Kapiteln behandelt werden.<br />
Für die Gestaltung eines <strong>Codebuch</strong>s gibt es keine festen Regeln oder<br />
Vorgaben, sie bleibt prinzipiell dem Forscher selbst überlassen. Sieht<br />
man jedoch die Instrumente aus bisherigen Studien durch, so wird ein<br />
gewisses Muster erkennbar, nach denen ein <strong>Codebuch</strong> üblicherweise<br />
RÖSSLER, Inhaltsanalyse (2.A.) ISBN 978-3-8252-2671-8<br />
© <strong>UVK</strong> Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2010<br />
6<br />
6.1<br />
typischer <strong>Aufbau</strong><br />
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96 6 DAS C ODEBUCH<br />
Abb. 6.1<br />
Der <strong>Aufbau</strong><br />
eines <strong>Codebuch</strong>s<br />
aufgebaut ist. Auch einzelne bewährte, meist formale Kategorien lassen<br />
sich dabei manchmal von anderen Studien übernehmen, müssen dann<br />
aber immer an die konkrete Fragestellung der eigenen Studie angepasst<br />
werden. Abb. 6.1 fasst die Konventionen, die sich über die Zeit hinweg<br />
herausgebildet haben, beispielhaft für hierarchisch zerlegte Analyseeinheiten<br />
zusammen. Instrumente mit anderer Analyselogik wären dementsprechend<br />
abzuwandeln.<br />
<strong>Das</strong> typische <strong>Codebuch</strong> gliedert sich in zwei Teile: einen (meist kürzeren)<br />
Einleitungsteil mit den definitorischen Rahmenbedingungen <strong>und</strong> einen<br />
(meist umfangreicheren) Hauptteil, derdasKategoriensystementhält.<br />
ANHANG KATEGORIENSYSTEM DEFINITORISCHER RAHMEN<br />
ANALYSE-<br />
EINHEIT 1<br />
ANALYSE-<br />
EINHEIT 2<br />
ANALYSE-<br />
EINHEIT n<br />
-<br />
RÖSSLER, Inhaltsanalyse (2.A.) ISBN 978-3-8252-2671-8<br />
© <strong>UVK</strong> Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2010
D ER A UFBAU DES C ODEBUCHS IN DER Ü BERSICHT<br />
In einen Anhang können für den Codierer nützliche Hilfsmaterialien eingefügt<br />
werden, beispielsweise eine tabellarische Übersicht aller Kategorien<br />
oder ein Muster des Codebogens, um ihn ggf. selbst kopieren zu<br />
können. Der Gesamtumfang dieses Instruments kann stark variieren –<br />
von einigen wenigen Seiten bei schlichten Fragestellungen mit geringer<br />
Analysetiefe bis hin zu einh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> mehr Seiten bei einer sehr detaillierten<br />
Erfassung der Medienberichterstattung. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zu<br />
beachten, dass es sich bei dem <strong>Codebuch</strong> nicht um eine Publikation für<br />
eine breitere Fachöffentlichkeit handelt, sondern um ein Arbeitsinstrument,<br />
dessen Hauptzweck darin besteht, die Codierer bei ihrer Tätigkeit anzuleiten.<br />
Um diesem Anspruch möglichst optimal gerecht zu werden,<br />
muss seine Gestaltung entsprechend angepasst werden. Hilfreich sind<br />
beispielsweise:<br />
. eine klare <strong>und</strong> übersichtliche Aufteilung mit grafischen Hervorhebungen;<br />
. eine gut lesbare Schriftgröße für die schnelle Informationsaufnahme<br />
auch beim Durchblättern;<br />
. ein großzügiges Layout, das Platz für handschriftliche Anmerkungen<br />
<strong>und</strong> Ergänzungen im Zuge der Codiererschulung lässt;<br />
. eindeutige, aber dennoch kurze <strong>und</strong> prägnante Kategorientitel;<br />
. eine abgesetzte <strong>und</strong> auf den ersten Blick erkennbare Liste von Ausprägungen<br />
pro Codierung;<br />
. bei Kategorien zur Erfassung inhaltlicher Codiereinheiten die Illustration<br />
jeder Ausprägung mit einem Beispiel.<br />
Im Einleitungsteil werden in Kurzform alle wesentlichen Informationen<br />
niedergelegt, die zum Verständnis des gesamten Projekts wichtig sind. Die<br />
Kenntnis des Untersuchungsziels, der Forschungsfragen <strong>und</strong> HypothesenkanndemCodierernutzen,wennersichineinerCodiersituation<br />
unsicher über die richtige Vorgehensweise ist. Um auf das implizite Wissen<br />
der Codierer (wie oben ausgeführt) zurückgreifen zu können, sind<br />
diese Informationen zum Hintergr<strong>und</strong> der Inhaltsanalyse essenziell. In<br />
der Regel macht es keinen Sinn, die Codierer über den Zweck der Studie<br />
im Dunkeln zu lassen. Besonders bedeutsam ist freilich, einen Konsens<br />
über die Verwendung der wichtigsten Begriffe herzustellen, wie sie sich<br />
aus dem Untersuchungsziel ergeben. Wenn es um die Berichterstattung<br />
über Gentechnik gehen soll, ist beispielsweise zu klären, welche Aspekte<br />
genau darunter fallen – nur die »grüne« Gentechnik im Bereich von<br />
Nutzpflanzen oder auch die »rote« Gentechnik, die medizinische Anwendungen<br />
am Menschen einschließt? Nur wissenschaftliche Aspekte<br />
von Forschung <strong>und</strong> Herstellung, oder auch Spekulationen über gesellschaftliche<br />
Folgen? Gerade dann, wenn die Auswahleinheit so definiert<br />
ist, dass die Codierer noch anhand eines Aufgreifkriteriums entscheiden<br />
RÖSSLER, Inhaltsanalyse (2.A.) ISBN 978-3-8252-2671-8<br />
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Gestaltungsvorschläge<br />
Einleitung<br />
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98 6 DAS C ODEBUCH<br />
Merksatz<br />
Beispiel<br />
Definitionen<br />
müssen, ob eine Analyseeinheit zu bearbeiten ist oder nicht, müssen<br />
diese Definitionen sehr detailliert auf die einzelnen Aspekte des Untersuchungsgegenstands<br />
eingehen.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Codebuch</strong> ist ein Arbeitsinstrument; deshalb müssen Gestaltung<br />
<strong>und</strong> Inhalte primär darauf abzielen, dem Codierer eine möglichst korrekte<br />
<strong>und</strong> effektive Ausübung seiner Tätigkeit zu ermöglichen.<br />
Die Festlegung von Auswahl- <strong>und</strong> Analyseeinheiten wurde in den beiden<br />
vorangegangen Kapiteln ausführlich behandelt. <strong>Das</strong> Ergebnis dieses<br />
Prozesses ist im <strong>Codebuch</strong> niederzulegen, gemeinsam mit einer Aussage<br />
zur Kontexteinheit für jede Analyseeinheit. Aus diesen Definitionen<br />
kann der Codierer unzweifelhaft entnehmen, welches Material zu bearbeiten<br />
ist <strong>und</strong> in welche Einheiten es zerlegt werden muss, auf die dann<br />
die entsprechenden Elemente des Kategoriensystems (siehe Kap. 6.2) anzuwenden<br />
sind. Je mehr unterschiedliche Analyseeinheiten definiert<br />
wurden, desto komplexer wird auch die Codierung. Daher ist es gerade<br />
in der Einarbeitungsphase von Nutzen, dem Codierer anhand eines Ablaufschemas<br />
die Reihenfolge der von ihm verlangten Tätigkeiten <strong>und</strong><br />
Entscheidungen zu verdeutlichen. Als Form kann (muss aber nicht) die<br />
Darstellung durch ein Flussdiagramm gewählt werden, wie es Abb. 6.2<br />
am Beispiel einer Untersuchung von Fernsehnachrichten zum B<strong>und</strong>estagswahlkampf<br />
mit zwei Analyseeinheiten zeigt. Dabei stehen Ovale für<br />
die Handlungen <strong>und</strong> Rauten für die Entscheidungen des Codierers,<br />
Rechtecke für die eigentliche Codierung.<br />
Der Prozess beginnt mit dem Einlegen der Videokassette <strong>und</strong> dem Auffinden<br />
der relevanten Nachrichtensendung. Nach der Betrachtung des<br />
Vorspannes <strong>und</strong> der Begrüßung durch den Sprecher liegen die Informationen<br />
vor, um die Codierung für die Analyseeinheit Sendung vornehmen<br />
zu können: Datum, Ausstrahlungszeit <strong>und</strong> Medium sowie das Geschlecht<br />
des Sprechers sind nun bekannt. Danach kann der erste Beitrag<br />
angesteuert <strong>und</strong> sein Thema identifiziert werden (dabei handelt es sich<br />
bereits um eine codierrelevante Festlegung). Ist das Thema nicht der<br />
B<strong>und</strong>estagswahlkampf, der in diesem Beispiel interessieren soll, wird sofort<br />
der nächste Beitrag aufgesucht <strong>und</strong> dessen Thema identifiziert. Sobald<br />
ein Beitrag zum B<strong>und</strong>estagswahlkampf auftritt, wird dieser zuerst<br />
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© <strong>UVK</strong> Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2010
Codebogen für<br />
Sendung<br />
abheften<br />
nein<br />
Weiter?<br />
Nächsten<br />
Beitrag<br />
ansehen<br />
ja<br />
START<br />
Kassette einlegen,<br />
Anfang der Sendung suchen<br />
Vorspann <strong>und</strong> Begrüßung<br />
anschauen<br />
CODIERUNG AE Medium<br />
Datum<br />
Uhrzeit<br />
Medium<br />
Geschlecht Sprecher<br />
Beitrag: Thema identifizieren<br />
Thema:<br />
B<strong>und</strong>estagswahlkampf<br />
(laut Definition)<br />
nein<br />
Codebogen für<br />
Beitrag <strong>und</strong> Akteur<br />
abheften<br />
D ER A UFBAU DES C ODEBUCHS IN DER Ü BERSICHT<br />
ja<br />
Beitrag komplett ansehen<br />
Codierung<br />
CODIERUNG AE Beitrag:<br />
Thema<br />
Platzierung<br />
Länge<br />
Ereignisort<br />
Erwähnte Parteien<br />
Entscheidung<br />
Handlung<br />
nein<br />
Angela<br />
Merkel<br />
erwähnt/<br />
CODIERUNG AE Akteur:<br />
ja<br />
Pos./Neg. Kontext<br />
gezeigt<br />
Gegenstand<br />
Bild ja/nein<br />
Codebogen für<br />
Beitrag <strong>und</strong> Akteur<br />
abheften<br />
komplett angesehen, bevor der Codierer die Verschlüsselung für die<br />
Analyseeinheit Beitrag vornimmt. Hier gilt es, zunächst den Schlüsselcode<br />
(vgl. Kap. 5.2) zu erfassen, der später die Zuordnung zur Sendung ermöglicht.<br />
Außerdem sind das genaue Thema, der Ereignisort <strong>und</strong> die erwähnten<br />
Parteien sowie als formale Codiereinheiten Platzierung <strong>und</strong><br />
Länge des Beitrags festzuhalten.<br />
Schließlich ist zu entscheiden, ob in dem inzwischen ganz angesehenen<br />
Beitrag Angela Merkel erwähnt oder gezeigt wird. Falls nicht, kann<br />
zum nächsten Beitrag übergegangen werden; falls ja, sind für die Analyseeinheit<br />
»Akteur« der Gegenstand, der Kontext <strong>und</strong> die Visualisierung<br />
RÖSSLER, Inhaltsanalyse (2.A.) ISBN 978-3-8252-2671-8<br />
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Abb. 6.2<br />
99<br />
Ablaufschema für<br />
Codierung (am Beispiel<br />
von Fernsehnachrichten)
100 6 DAS C ODEBUCH<br />
6.2<br />
inhaltliche Logik<br />
vonMerkelzucodieren.DamitkannderCodebogenfürdiesenBeitrag<br />
<strong>und</strong> den Akteur abgelegt <strong>und</strong> der nächste Beitrag begutachtet werden.<br />
WennderCodiererbeimWetter(alsAbschlussderSendung)angelangt<br />
ist, kann er auch den Sendungsbogen abheften <strong>und</strong> die nächste Kassette<br />
einlegen – der Prozess beginnt dann von vorne für die nächste Sendung.<br />
Die Erstellung eines solchen Ablaufschemas hilft aber nicht nur dem Codierer,<br />
sich mit den von ihm verlangten Arbeiten vertraut zu machen:<br />
Auch der Forscher kann dabei überprüfen, ob er eine sinnvolle Analyselogik<br />
entwickelt hat, das Kategoriensystem vollständig ist <strong>und</strong> das <strong>Codebuch</strong><br />
alle erforderlichen Informationen enthält. Damit ist der Einleitungsteil<br />
abgeschlossen, <strong>und</strong> das <strong>Codebuch</strong> spezifiziert in seinem<br />
Hauptteil nun das Kategoriensystem, das an die zu untersuchende Berichterstattung<br />
angelegt wird. Seiner Erstellung widmet sich der nachfolgende<br />
Abschnitt.<br />
Kategoriensystem <strong>und</strong> <strong>Kategorienbildung</strong><br />
<strong>Das</strong> Kategoriensystem spezifiziert, anhand welcher Kriterien die relevanten<br />
Codiereinheiten gemessen werden sollen. Sein <strong>Aufbau</strong> (vgl. Abb. 6.1)<br />
gliedert sich im Regelfall entsprechend der verschiedenen Analyseeinheiten,<br />
die es zu bearbeiten gilt. In einem geschlossenen Block werden<br />
zuerst alle Kategorien für die erste Analyseeinheit vorgestellt, danach<br />
diefürdiezweiteusw.InderAbfolgewürdemanbeihierarchischzerlegten<br />
Analyseeinheiten von der höchsten zur niedrigsten Ebene vorgehen<br />
(z. B. zuerst die Kategorien auf Artikelebene, zuletzt die auf Aussagenebene).<br />
Bei einer parallelen Zerlegung der Auswahleinheit sollte die zentrale<br />
vor der randständigeren Analyseeinheit präsentiert werden (z. B. zuerst<br />
die Kategorien für den Fließtext, dann die für die Pressefotos).<br />
Innerhalb eines jeden Blocks sollte die Abfolge der einzelnen Kategorien<br />
einer inhaltlichen Logik folgen, um den Codierer möglichst sinnvoll<br />
durch den Codierprozess zu leiten <strong>und</strong> den Ablauf eines typischen<br />
Codiervorganges vorzustrukturieren. Es hat sich eingebürgert, an den<br />
Beginn – falls erforderlich – die Schlüsselcodes zu stellen, die eine eindeutige<br />
Identifikation jeder Einheit ermöglichen. Danach werden meist<br />
die formalen Codiereinheiten abgehandelt, bevor die inhaltlichen Kategorien<br />
nach Codiereinheiten gruppiert werden.<br />
RÖSSLER, Inhaltsanalyse (2.A.) ISBN 978-3-8252-2671-8<br />
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