30.12.2012 Aufrufe

Von Jürgen Lossau - Film- und Fernsehmuseum Hamburg

Von Jürgen Lossau - Film- und Fernsehmuseum Hamburg

Von Jürgen Lossau - Film- und Fernsehmuseum Hamburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

36 KOLUMNENTITEL<br />

sentieren sich die neuen<br />

Roland-Betriebe im Deutschlandhaus.<br />

Da ist man up<br />

to date <strong>und</strong> überrascht die<br />

Gäste im Quick-Lunch mit<br />

einer American Soda-Fountain.<br />

Vorsichtshalber sind die<br />

Getränke nummeriert, man möchte dem<br />

braven <strong>Hamburg</strong>er die zungenbrecherische<br />

Mühe erspare, die amerikanischen<br />

Namen korrekt auszusprechen. Das<br />

‚Moccafix‘-Restaurant wurde von dem<br />

<strong>Hamburg</strong>er Architekten Konstanty Gutschow<br />

gestaltet. Die in verkehrsgünstiger<br />

Lage der <strong>Hamburg</strong>er Innenstadt gelegenen<br />

Rolandbetriebe stellen eine ideale<br />

Zusammenfassung verschiedenartiger<br />

Gaststätten dar: Restaurant, Automatenrestaurant,<br />

Tanzcafé für Fünfuhr- <strong>und</strong><br />

Abendbetrieb, Tanzbar <strong>und</strong> das Moccafix.<br />

Letzteres wird hauptsächlich während<br />

den Ladenöffnungszeiten stark frequentiert.<br />

Eine Rolltreppe bringt die<br />

Gäste unmittelbar von der Straße hinauf<br />

direkt an den Tisch ihrer Wahl.“<br />

Er war alles w<strong>und</strong>erbar geplant, eine<br />

solide Mischung aus Handel, Gewerbe<br />

<strong>und</strong> Unterhaltung. Aber nach dem<br />

Schwarzen Freitag Ende Oktober 1929<br />

erreichte die Weltwirtschaftskrise auch<br />

bald <strong>Hamburg</strong>, <strong>und</strong> so kamen auch auf<br />

das Deutschlandhaus schwierige Zeiten<br />

zu. Schon bald geraten die Roland-Betriebe<br />

in finanzielle Schwierigkeiten. Die<br />

Preise für Tanztee <strong>und</strong> Kuchen mussten<br />

gesenkt werden. Geld für den Eintritt<br />

wurde schon lange nicht mehr verlangt.<br />

Es half nichts, 1932 musste Konkurs<br />

angemeldet werden. Als Auffanggesellschaft<br />

wurde die „Stadtschänke GmbH“<br />

gegründet.<br />

Auch die DEBEWA konnte sich nicht<br />

mehr halten. Ihr Nachfolger wird die<br />

DEFAKA (=Deutsche Familien-Kaufhaus<br />

GmbH), ein Unternehmen der Köster AG.<br />

Später bezog die DEFAKA neue Räume<br />

am Großen Burstah, <strong>und</strong> die Etagen im<br />

Foto: Archiv Reinhard Otto<br />

Deutschlandhaus wurden an<br />

verschiedene Büros vermietet.<br />

Währenddessen hatte die<br />

‚Stadtschänke GmbH’ den ge-<br />

samten Betrieb, nach Plänen<br />

der Architekten Block <strong>und</strong><br />

Hochfeld, komplett umbauen<br />

lassen. Ziel war es, ein möglichst ein-<br />

heitliches Erscheinungsbild aller Räum-<br />

lichkeiten herzustellen. Das Amerikanische<br />

mit bunten Fliesen <strong>und</strong> polierten<br />

Metallflächen sollte verschwinden: Jetzt<br />

erfüllten helle Brauntöne, gepaart mit<br />

heimatlich-hanseatischer Malerei, alle<br />

Räumlichkeiten.<br />

Das Konzept der neuen Besitzer ging<br />

auf. Besonders während der täglichen<br />

Geschäftszeiten von 8 bis 18 Uhr waren<br />

die Betriebe der „Stadtschänke“ immer<br />

gut besucht. Gerne ging man mit der Familie<br />

ins Restaurant oder die Konditorei,<br />

mit Fre<strong>und</strong>en in die ‚Elbschlossquelle‘<br />

oder in das Tanzkaffee (eingedeutscht<br />

mit ‚k‘), um dort zu den Klängen des<br />

Orchesters von Alexander Koch das Tanzbein<br />

zu schwingen. Walzer, Polka <strong>und</strong><br />

Foxtrott dominierten, Tango <strong>und</strong> Swing<br />

tanzte man woanders.<br />

Nach der Weltwirtschaftskrise<br />

mussten die Preise für Tanztee<br />

<strong>und</strong> Kuchen gesenkt werden<br />

Den Zweiten Weltkrieg mit Verdunkelung<br />

<strong>und</strong> Bombenangriffen überstanden<br />

Ufa-Palast <strong>und</strong> Stadtschänke zunächst<br />

ohne größere Schäden. Am 18.<br />

Juni 1944 ist es damit vorbei. Auf der<br />

anderen Straßenseite schlugen zwei große<br />

Sprengbomben in das Gebäude der<br />

Finanzbehörde ein. Die dadurch ausgelöste<br />

Druckwelle richtete in <strong>und</strong> an den<br />

umliegenden Gebäuden große Schäden<br />

an. Dann brach auch noch im Ufa-Kino-<br />

Teilansicht vom Hauptrestaurant<br />

im Obergeschoss<br />

saal Feuer aus <strong>und</strong> vernichtete diesen<br />

Teil des Deutschlandhauses vollständig:<br />

Hier wurden bis Kriegsende keine <strong>Film</strong>e<br />

mehr gezeigt.<br />

Notdürftig hergerichtet wurden Stadt-<br />

schänke <strong>und</strong> Büros aber weiter genutzt.<br />

Im Mai 1945 erfolgte die Beschlagnahme<br />

des Deutschlandhauses durch die britische<br />

Militärregierung. Umgehend wurde<br />

mit der Wiederherrichtung des Gebäudes<br />

begonnen. Nun diente es der Siegermacht<br />

als Versorgungszentrum mit integriertem<br />

Kaufhaus. Im NAAFI (Navy-Army-<br />

Airforce-Institute) fanden die „Tommies“<br />

(fast) alles, was sie suchten, seien es<br />

Zivilkleidung, Friseur oder Jazzschallplatten.<br />

Die <strong>Hamburg</strong>er hingegen blickten<br />

von nun an mehrere Jahre neidisch<br />

in Richtung Deutschlandhaus: Erst Ende<br />

1952 zogen sich die britischen Besatzungstruppen,<br />

bis auf zwei Büroetagen,<br />

aus dem Deutschlandhaus zurück. Die<br />

freigemachten Etagen wurden anschließend<br />

in Büros umgewandelt, die wieder<br />

eröffnete „Elbschlossquelle“ erinnerte<br />

noch einige Jahre an vergangene Zeiten.<br />

Dann, in den siebziger Jahren, wurde<br />

der Abriss des Deutschlandhauses geplant,<br />

um an gleicher Stelle ein noch größeres<br />

Bürohaus zu errichten. Seitens des<br />

Denkmalschutzes wollte man allerdings<br />

dieses markante Gebäude an der Nordwestecke<br />

des Gänsemarktes erhalten.<br />

Nach vielen Diskussionen einigte man<br />

sich darauf, nach dem Abriss des alten<br />

Deutschlandhauses den Neubau in gleicher<br />

Optik mit wieder hergestellter Fassade<br />

zu errichten. So geschah es dann in<br />

den Jahren von 1979 bis 1982. Die heutige<br />

Fassade ist somit nur eine Replik der<br />

Ansicht aus den zwanziger Jahren des<br />

letzten Jahrh<strong>und</strong>erts. •<br />

Wir danken Reinhard Otto vom Barmbeker Schallarchiv<br />

für seine Erlaubnis für diesen Vorabdruck<br />

aus einem noch nicht veröffentlichten Manuskript<br />

über <strong>Hamburg</strong>er Tanzpaläste.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!