PDF Download - Geschichten zum Vorlesen
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Impressum<br />
<strong>Geschichten</strong> <strong>zum</strong> <strong>Vorlesen</strong>: Weihnachtsgeschichten<br />
Copyright: © 2012 epubli GmbH<br />
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
präsentiert<br />
<strong>Geschichten</strong><br />
<strong>zum</strong> <strong>Vorlesen</strong><br />
Weihnachtsgeschichten
Inhalt<br />
Vorwort 05<br />
Das Baummädchen 25<br />
Beate Wassermann<br />
Das Wunschzettelengelchen 29<br />
Conni Emde<br />
Wie Jens dem kleinen Fridolin Schneefix in die<br />
Wichtelwerkstatt zurückhalf und danach das<br />
schönste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten bekam<br />
Eva Gruber<br />
Vorwitziges Engelchen 32<br />
Evelyn Goßmann<br />
Schneeflöckchen Katarinchen 36<br />
Gisela Kurfürst-Meins<br />
Nachwort 38<br />
06
Vorwort<br />
Das Weihnachtsfest gehört der Familie und ganz besonders den<br />
ganz Kleinen, die mit strahlenden Augen auf den Weihnachtsmann<br />
warten und schon Tage vorher vor lauter Aufregung keinen Schlaf<br />
finden. Damit die Zeit für die Kleinen ein wenig schneller vergeht<br />
und sie schon vom Christkind träumen können, hat epubli in<br />
diesem eBook fünf Weihnachtsgeschichten herausgegeben. Es<br />
sind <strong>Geschichten</strong> <strong>zum</strong> <strong>Vorlesen</strong> oder selbst lesen. Sie handeln von<br />
Engeln, Weihnachtswichteln und Schneeflocken oder sind einfach<br />
märchenhaft. Die Weihnachtsgeschichten <strong>zum</strong> <strong>Vorlesen</strong> wurden<br />
als Fortsetzung des Wettbewerbes „<strong>Geschichten</strong> <strong>zum</strong> <strong>Vorlesen</strong> –<br />
Gutenachtgeschichten“ herausgegeben, den epubli zur Unterstützung<br />
der Stiftung Lesen und des Vorlesetages ins Leben gerufen hat.<br />
Wir möchten uns herzlich bei allen Autoren bedanken, die Ihre<br />
<strong>Geschichten</strong> eingeschickt haben. Wir hätten gerne mehr <strong>Geschichten</strong><br />
verschenkt, mussten uns aber aus Platzgründen für einige wenige<br />
entscheiden. Alle <strong>Geschichten</strong> sind weiterhin auf www.geschichten<strong>zum</strong>-vorlesen.de<br />
abrufbar.<br />
Wir wünschen Ihnen und Ihren Kindern viel Freude beim Lesen und<br />
ein Frohes Weihnachtsfest mit viel gemeinsamer Zeit für spannende<br />
<strong>Geschichten</strong>.<br />
Vorwort | 5
Das Baummädchen<br />
Beate Wassermann<br />
Es war einmal ein junges hübsches Mädchen mit langen schwarzen<br />
Haaren. Eines Tages lief es <strong>zum</strong> Pilze sammeln in den Wald. Dabei<br />
wurde es von der bösen Zauberin aus dem nahe gelegenen Reich<br />
der Tränen beobachtet, die sich hinter einer Tanne versteckt<br />
hielt. Und weil diese die Jugend und die Schönheit des Mädchens<br />
nicht ertragen konnte, erhob sie ihren Zauberstab und ehe<br />
das Mädchen wusste, was mit ihm geschah, verwandelten sich<br />
seine Beine in einen Baumstumpf und sein langes glänzendes<br />
Haar in grüne Tannennadeln. Seine schlanken Arme wurden<br />
zu knorrigen Ästen. Das Mädchen versuchte zu schreien, aber<br />
es kam nur ein Knacken und Rauschen aus seinem Mund.<br />
In der ersten Nacht, die das Baummädchen nun so allein<br />
im kalten und dunklen Wald verbringen musste, weinte es<br />
bitterlich. Die Tränen, die aus seinen Augen tropften, waren<br />
aus Harz und rannen langsam am Baumstumpf zu Boden.<br />
Auf einmal spürte das Baummädchen ein Kitzeln genau an der<br />
Stelle, an der früher seine Ohren gewesen waren und es hörte eine<br />
leise Stimme: „Sei nicht traurig. Bitte, hör doch auf zu weinen. Du<br />
bist nicht allein. Ich bin bei dir.“ Da sah das Baummädchen einen<br />
kleinen gelben Vogel auf einem seiner Äste sitzen. „Wieso kann ich<br />
hören, was du sagst?“, wollte es fragen, aber es kam wieder nur<br />
ein Rauschen aus seinem Mund. „Weil du jetzt ein Geschöpf des<br />
Waldes bist“, piepste der kleine Vogel. Er hatte es also verstanden.<br />
Von diesem Tag an waren der kleine Vogel und das Baummädchen<br />
Das Baummädchen | 7
die besten Freunde. Der kleine Vogel half wo immer er konnte.<br />
Er brachte Beeren und Kräuter und fütterte das Baummädchen<br />
damit. Er zupfte ihm Blätter und kleine Äste aus seinem Nadelkleid<br />
und er saß unermüdlich auf seinem Kopf und sang die schönsten<br />
Lieder, um seine Freundin auf<strong>zum</strong>untern. Aber trotz allem<br />
war das Baummädchen oft traurig. Es dachte an seine Eltern,<br />
Geschwister und Freunde in der Stadt und hatte großes Heimweh.<br />
Eines Nachmittags kam der kleine Vogel aufgeregt von einem Ausflug<br />
zurück. „Ich warte schon auf dich. Wo bist du so lange gewesen?“,<br />
fragte das Baummädchen besorgt. „Ich habe tolle Neuigkeiten.<br />
Auf der Suche nach Futter bin ich heute bis ins Reich der Tränen<br />
geflogen und dort habe ich die böse Zauberin belauscht, die dich<br />
verwandelt hat. Und da habe ich erfahren, dass es einen Weg<br />
gibt, wie du wieder zu einem Menschenmädchen werden kannst“,<br />
berichtete der kleine Vogel. „Nun erzähl schon. Mach es nicht so<br />
spannend“, rief das Baummädchen. „Leider habe ich nicht alles<br />
gehört. Aber ich habe verstanden, dass nur die Liebe dich retten<br />
kann“, antwortete sein kleiner Freund. Das Baummädchen war<br />
sehr enttäuscht. „Was ist denn damit gemeint? Soll etwa ein Prinz<br />
kommen und mich küssen? Wer würde schon einen Baum küssen?<br />
Abgesehen davon, dass sich in diesen Teil des Waldes noch nie ein<br />
Mensch verirrt hat.“ „Tja, mehr weiß ich leider auch nicht“ sagte der<br />
kleine Vogel traurig.<br />
So lebten die beiden Freunde weiter wie bisher – viele<br />
Jahre lang. Und manchmal, wenn im Herbst die Blätter in der<br />
Luft herumwirbelten, im Winter eine lustige Schneemütze auf<br />
seinem Kopf saß oder im Frühling die Blumen zu Füßen seines<br />
Baumstammes blühten, dann vergaß das Baummädchen fast,<br />
dass es einmal ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen war.<br />
Eines Tages wartete das Baummädchen vergeblich auf seinen<br />
kleinen Freund und auch am nächsten und übernächsten Tag war<br />
8 | Das Baummädchen
von ihm keine Spur zu sehen. Das Baummädchen machte sich<br />
bereits große Sorgen, als der kleine Vogel schließlich am dritten Tag<br />
angeflogen kam. Zusammen mit einer Vogeldame, die sich schüchtern<br />
und vorsichtig auf den äußersten Zweig des Baummädchens setzte.<br />
„Darf ich dir meine Braut vorstellen?“, freute sich der kleine Vogel.<br />
„Von heute an wollen wir gemeinsam in deinen Zweigen leben.“ Das<br />
Baummädchen freute sich sehr mit den beiden. Es dauerte nicht<br />
lange und die Vogeldame begann in den Zweigen und Ästen des<br />
Baummädchens zu wühlen und zu kratzen, so dass das Baummädchen<br />
sich vor Lachen schüttelte. Bald merkte es, dass in seinen Zweigen ein<br />
kleines Nest entstanden war, in dem vier wunderschöne Eier lagen.<br />
Das Baummädchen verhielt sich ganz still, damit die kleine Vogeldame<br />
in Ruhe brüten konnte. Und wenn es regnete oder der Wind heftig<br />
blies, dann hielt es schützend seine Zweige über das Nest.<br />
Und eines Morgens wurde das Baummädchen von einem ganz leisen<br />
Zwitschern geweckt.<br />
Vorsichtig blickte es ins Nest und sah, dass das erste allerliebste<br />
Küken geschlüpft war, dem seine Geschwister bald darauf folgten.<br />
Aber das Baummädchen konnte sich nicht recht mit den Vogeleltern<br />
freuen, weil es starke Schmerzen verspürte. Sein Baumstamm und<br />
alle Äste taten ihm weh. Zuerst dachte es, das lange Stillhalten wäre<br />
schuld daran und versuchte, nicht an die Schmerzen zu denken. Doch<br />
einige Zeit später, die kleinen Küken machten auf dem Waldboden<br />
ihre ersten ungeschickten Hopser, da sah das Baummädchen, dass<br />
sich die kleinen Zweige am Ende eines seiner Äste zu Fingern und<br />
dann zu einer Hand formten. Es blinzelte mit den Augen, da es<br />
natürlich dachte, sich das alles nur einzubilden. Aber es spürte ein<br />
deutliches Kribbeln und als es wieder hinschaute, konnte es bereits<br />
einen ganzen schlanken Frauenarm erkennen. Aufgeregt rief das<br />
Baummädchen die Vogelfamilie herbei. „Seht nur, seht was mit mir<br />
geschieht“, rief es ganz aufgeregt. Und die Vögel sahen erstaunt zu,<br />
Das Baummädchen | 9
wie sich langsam auch der zweite Arm formte, der Baumstamm<br />
wieder zu Beinen wurde und schließlich die grünen Zweige wieder zu<br />
schwarzem Menschenhaar, in dem freilich noch einige Tannennadeln<br />
steckten. Und es waren echte Freudentränen und keine Tränen<br />
aus Baumharz, die dem Mädchen nun über die Wangen liefen.<br />
Vorsichtig machte es ein paar Schritte, noch etwas wackelig. „Wie<br />
ist das möglich? Wie ist das nur möglich?“, rief es immer wieder<br />
laut und aus vollem Halse mit seiner normalen Menschenstimme,<br />
die sich natürlich nach all der Zeit noch etwas krächzend anhörte.<br />
Die Vögel flatterten aufgeregt neben ihm her. Und da wurde dem<br />
Mädchen klar, warum es vom Fluch der bösen Zauberin erlöst worden<br />
war. Es war die Liebe des Vogelpaares gewesen, welches in den<br />
Zweigen des Baummädchens seine Jungen großgezogen hatte. Und die<br />
Freundschaft und Liebe eines kleinen Vogels zu einem Baummädchen.<br />
Überglücklich drückte das Menschenmädchen jedem der Vögel<br />
einen Kuss auf den kleinen Schnabel und versprach, oft zu Besuch<br />
in den Wald zu kommen. Dann lief es so schnell es konnte zurück in<br />
seine Welt.<br />
10 | Das Baummädchen
Das Wunschzettelengelchen<br />
Conni Emde<br />
Jedes Jahr in den Tagen vor dem ersten Advent, sitzt das kleine<br />
Wunschzettelengelchen Elias auf einer Wolke vor dem Himmelstor.<br />
Es wartet ganz gespannt darauf, dass die Menschen die erste Kerze<br />
auf ihrem Kranz anzünden, denn dann darf er endlich hinunter auf<br />
die Erde fliegen und die Wunschzettel aller Kinder einsammeln. Es<br />
macht ihm nämlich immer so viel Freude, durch die weihnachtlich<br />
geschmückten Straßen zu wandern, den Duft der frisch gebackenen<br />
Plätzchen einzuatmen und über die schneebedeckten Felder zu<br />
fliegen.<br />
Aber am allermeisten mochte Elias die Kinder, wenn sie schon<br />
ganz aufgeregt sind und dem Weihnachtsfest entgegen fiebern. Die<br />
Kinder auf der Erde sind so fröhlich und lachen sehr viel und genau<br />
das liebt Elias so sehr. Heute war es wieder so weit, die erste Kerze<br />
leuchtet auf den Adventskränzen und Elias wartet darauf, dass der<br />
Weihnachtsmann ihm den Auftrag <strong>zum</strong> Wunschzetteleinsammeln<br />
gibt, denn der Weihnachtsmann ist der Chef aller Engelchen. Er<br />
ist ein sehr lieber Mann, mit einem langen weißen Bart. Ihm ist<br />
jedes Kind auf der Erde wichtig und er kennt alle ihre Namen. Der<br />
Weihnachtsmann passt gut darauf auf, dass die Engelchen hier oben<br />
in der Himmelswerkstatt für jedes Kind schöne Spielzeuge herstellen<br />
und auch für jedes Kind das Richtige.<br />
Das wäre auch ein Ding, wenn plötzlich der neunjährige<br />
Philipp eine Puppe bekommt oder die dreijährige Melina ein<br />
Skateboard, oder? „So, mein lieber Elias. Jetzt bist du an der Reihe.<br />
Das Wunschzettelengelchen | 11
Nun fliege zur Erde und bring mir bitte jeden Wunschzettel“,<br />
sagte der gute Weihnachtsmann, der gerade aus dem Himmelstor<br />
herausgekommen ist. „Jau, es ist soweit“, freut sich Elias. Er springt<br />
auf, nimmt sich seine braune Umhängetasche und verabschiedet sich<br />
schnell. „Pass gut auf dich auf, Elias“, ruft ihm der Weihnachtsmann<br />
nach, doch das Wunschzettelengelchen ist schon auf dem Weg zur<br />
Erde.<br />
Dort wird es wieder vom Weihnachtszauber empfangen und<br />
an manchen Orten ist schon alles schneebedeckt. Lachend lässt<br />
sich Elias in den Schnee fallen und wälzt sich ein bisschen herum.<br />
„Herrlich, dieser Schnee“, freut er sich und tobt noch eine Weile.<br />
Doch so werden die Wunschzettel ja nie eingesammelt, stimmt´s?<br />
Also klopft sich Elias den Schnee von seinem hellblauen<br />
Kleid und fliegt in die Stadt. Rasch beginnt er mit dem Einsammeln<br />
und es macht sooo viel Spaß! Hin und wieder schaut er sich<br />
die schöne Weihnachtsdekoration an und bestaunt die, von<br />
den Kindern bemalten, Fensterscheiben. Kinder können ja so<br />
wunderschön malen, denkt das Engelchen und fliegt dann weiter.<br />
Einige Kinder waren so lieb und haben neben ihre Wunschzettel<br />
auch ein paar Plätzchen für Elias gelegt, die er nun leise schmatzend<br />
isst. „Hmm lecker sind die“, flüstert er genießerisch, wischt sich die<br />
Krümel von den Lippen und schickt <strong>zum</strong> Dank dafür süße Träume<br />
zu den schlafenden Kindern. Leider kann Elias nicht alle Plätzchen<br />
essen, sonst würde sein Bauch zu voll und er kann nicht mehr so<br />
weit fliegen. Er packt die anderen Plätzchen in seine Tasche, denn<br />
die anderen Engel hätten sicherlich auch gerne welche und dann<br />
sammelt er fleißig weiter die Post von den Fensterbänken ein. Elias<br />
sieht auch viele Wunschzettel, auf denen die Kinder ihre Wünsche<br />
aufgemalt haben. Er betrachtet sie und erkennt Autos, Bücher,<br />
Holzeisenbahnen, Stofftiere, Murmelbahnen und so vieles mehr.<br />
Da freuen sich die Engel in der Werkstatt aber bestimmt, denn sie<br />
12 | Das Wunschzettelengelchen
machen gerne das Spielzeug für die Kinder.<br />
So vergeht die Zeit und die Tasche des kleinen Wunschzettelengelchens<br />
wird voller und voller. Irgendwann hat Elias auch den letzten<br />
Brief eingesammelt und macht sich wieder auf den Weg zur<br />
Himmelswerkstatt. Der Rückweg dauert ein bisschen länger, denn<br />
die Tasche ist ziemlich schwer, doch Elias schafft das. Oben in der<br />
Himmelswerkstatt angekommen, öffnet er die Tasche und überreicht<br />
dem Weihnachtsmann die ganze Post. „Hier sind alle Wunschzettel.“<br />
„Danke mein lieber Elias. Das hast du gut gemacht.“<br />
Anschließend ruft Elias alle Engelchen zu sich und gemeinsam<br />
essen sie die leckeren Plätzchen von den Kindern. Danach geht die<br />
Arbeit in der Himmelswerkstatt richtig los, denn es ist ja nicht mehr<br />
lange bis Weihnachten. Und die Kinder auf der Erde?<br />
Nun, die haben tief und fest geschlafen und freuen sich, als sie<br />
aufgestanden sind, dass ihre Wunschzettel im Himmel sind.<br />
Das Wunschzettelengelchen | 13
Wie Jens dem kleinen Fridolin<br />
Schneefix in die Wichtelwerkstatt<br />
zurückhalf und danach das<br />
schönste Weihnachtsgeschenk<br />
aller Zeiten bekam<br />
Eva Gruber<br />
„Richtige Eltern zu haben, muss etwas Wunderbares sein“, dachte<br />
Jens und schaute durch das Fenster auf die dicken Schneeflocken,<br />
die langsam vom Himmel auf die Erde fielen. Dort angekommen,<br />
bildeten sie einen flauschigen weißen Teppich, der, von abendlichen<br />
Fußspuren unberührt, glitzernd im Vorgarten des Kinderheims lag, in<br />
dem Jens nun schon seit neun Jahren lebte. Der kleine Junge seufzte,<br />
drehte sich vom Fenster weg und schaute in den großen Speisesaal,<br />
in dem sich bereits einige andere Kinder eingefunden hatten. Morgen<br />
war Heiligabend und Frau Schmidt, die Leiterin des Heimes, hatte<br />
sich redlich Mühe gegeben, es überall hübsch und weihnachtlich<br />
herzurichten. Wo man hinblickte, brannten festliche Kerzen. Viele<br />
Bastelarbeiten schmückten die Wände und es gab sogar einen<br />
Tannenbaum. Trotzdem konnte sich Jens einfach nicht freuen. Er hatte<br />
schon sein ganzes Leben in dem Heim am Stadtrand verbringen und so<br />
vielen Freunden, die er dort kennengelernt hatte, „Auf Wiedersehen“<br />
sagen müssen, weil sie eine neue Familie gefunden hatten.<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 15
Nur Jens wollte anscheinend keiner haben. Ein einziges Mal – und das<br />
war schon lange her – hatte ihn eine Familie mitgenommen. Aber als<br />
Jens die Wände der Wohnung mit Buntstiften angemalt hatte, gab es<br />
riesigen Ärger und er wurde schnell wieder ins Heim zurückgebracht.<br />
Dabei wollte er nur zeigen, wie fabelhaft er malen konnte und hatte<br />
trotz langer Suche einfach kein Papier gefunden. Er verstand nicht,<br />
warum diese fremden Leute, die ihn zu sich nach Hause holten, auf<br />
einmal nicht mehr nett und freundlich waren und ihm sogar sagten,<br />
er wäre ein richtiger Rowdy. Das stimmte nämlich nicht. Jens war kein<br />
Rowdy, noch nicht einmal ein ganz kleiner Minirowdy. Im Gegensatz<br />
zu manch anderem Kind liebte Jens es, still vor sich hin zu träumen.<br />
Er glaubte an Wichtel, Kobolde und Feen und ganz besonders an<br />
Wunder. Warum auch nicht? Ihm war klar, dass es so etwas einfach<br />
geben musste und er ließ sich auch nicht davon abbringen, egal wie<br />
sehr sich die anderen Kinder auch ab und zu über ihn lustig machten.<br />
„Das kann mir keiner wegnehmen“, dachte sich Jens und beschloss,<br />
vor dem Abendbrot noch einmal in den Vorgarten zu schleichen,<br />
um die ein oder andere Schneeflocke mit der Zunge aufzufangen<br />
und frische Fußspuren in den Schnee zu setzen. Schnell flitzte er<br />
die große Treppe herauf und ging leise in sein Zimmer. Er schlüpfte<br />
in seine warme Winterjacke und setzte seine Wollmütze auf. Beim<br />
Hinausgehen griff er sich den weichen Wollschal und band ihn, an der<br />
großen Haustür angekommen, fest um den Hals. Vorsichtig öffnete er<br />
die Tür und schaute lange und andächtig auf die wunderbare weiße<br />
Schneelandschaft, die sich vor ihm auftat. Dann trat er endgültig<br />
hinaus und genoss es, durch den tiefen Pulverschnee zu stapfen.<br />
Er bewunderte seine Fußabdrücke, hielt die Zunge in die Luft und<br />
schmeckte die Flocken, die vom Himmel herabfielen.<br />
Er hatte so viel Freude an seiner winterlichen Tätigkeit, dass<br />
er fast das leise Schluchzen überhörte, das aus dem großen bunten<br />
Vogelhäuschen aus der Mitte des großen Gartens kam. Neugierig ging<br />
16 | Vom kleinen Fridolin Schneefix
er darauf zu, stellte sich auf die Stiefelspitzen und schaute hinein. Vor<br />
Überraschung blieb ihm der Mund offen stehen. In dem Vogelhaus,<br />
das notdürftig mit ein paar abgerupften Tannenzweigen und einem<br />
an die Wand gekritzelten Kamin verschönert worden war, saß ein<br />
klitzekleiner Wichtel und weinte. Er schien sehr traurig zu sein. Die<br />
Händchen vor das Gesicht geschlagen, rollten dicke Tränen durch seine<br />
Fingerchen und tropften auf seinen kleinen, grünen Flanellanzug, der<br />
mit dicken Glitzerknöpfen besetzt war. Die rote Zipfelmütze, die den<br />
Aufzug des kleinen Wichtels komplett machte, wackelte unglücklich<br />
bei jedem Schluchzer hin und her. „So nass geweint wie du bist,<br />
bekommst du bald eine richtig schlimme Erkältung“, meinte Jens und<br />
schaute freundlich auf den kleinen Kerl. „Ich heiße Jens und wer bist<br />
du?“, fragte er und rückte ein Stückchen vom Vogelhaus ab, damit<br />
der verstörte Wichtel nicht allzu sehr erschrak. Der nahm erstaunt<br />
die Hände vom geröteten Gesichtchen und schaute ihn entgeistert<br />
an. „Nanu? Du kannst mich sehen?“, fragte er erstaunt. „Na klar,<br />
warum denn nicht?“, fragte Jens zurück, den es im Übrigen nicht<br />
das allerkleinste bisschen wunderte, an einem Winterabend einen<br />
nassgeweinten Wichtel in einem Vogelhäuschen vorzufinden. Der<br />
kleine Knirps mit der roten Zipfelmütze begann zaghaft zu lächeln.<br />
„Na, das ist ja schön! Vielleicht kannst du mir ja helfen. Ich habe mich<br />
nämlich verlaufen und finde nun einfach nicht mehr nach Hause. Ich<br />
heiße übrigens Fridolin Schneefix“, sagte er stolz und machte eine<br />
sehr niedliche kleine Verbeugung. Jens lächelte zurück. „Es freut mich<br />
sehr, dich kennenzulernen Fridolin Schneefix. Erzähl mir doch einfach<br />
was passiert ist, vielleicht kann ich dir ja tatsächlich behilflich sein.“<br />
Jens glaubte nämlich nicht nur an Wunder, sondern war auch sehr<br />
hilfsbereit.<br />
Nachdem er dem kleinen Wichtel aus dem Häuschen geholfen,<br />
die Mütze vom Kopf genommen und den unterkühlten Fridolin<br />
warm darin eingepackt hatte, setzten sich die beiden auf eine von<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 17
einer großen Hecke geschützten Bank. Fridolin berichtete Jens nun<br />
genauer, was eigentlich geschehen war. Dieser staunte nicht schlecht,<br />
als er erfuhr, dass Fridolin schon seit vielen Jahrhunderten in der<br />
Himmels-Wichtelwerkstatt tätig und trotz der vielen Jahre, die er<br />
schon zählte, immer noch einer der kleinsten Wichtel war. Eigentlich<br />
war er sogar der allerkleinste Wichtel dort. Und weil die allerkleinsten<br />
Wichtel es am Tag vor Heiligabend vor Spannung kaum aushielten,<br />
hatte er sich von der großen Wichtelwerkstatt aufgemacht, um sein<br />
Weihnachtsgeschenk zu suchen. Das war natürlich streng verboten.<br />
Es kam, wie es kommen musste: Weil die Wichtelwerkstatt aufgrund<br />
der vielen, vielen Kinderwünsche immer wieder neu ausgebaut<br />
werden musste und Fridolin eben genau deswegen nicht alle Ecken<br />
und Verstecke kannte, hatte er sich auf der Suche nach seiner<br />
Wichtelweihnachtsüberraschung einfach verlaufen. „Irgendwann<br />
bin ich durch eine große Tür hinausgeschlüpft, habe ein bisschen im<br />
Schnee gespielt und bin dann irgendwie, ich weiß es nicht mehr so<br />
ganz genau wie, durch ein kleines Wolkenloch auf die Erde geplumpst.<br />
Und dann habe ich mich da in dem Häuschen versteckt“, schloss<br />
Fridolin Schneefix seinen Bericht und zeigte mit einem vor Kälte roten<br />
Wichtelfinger auf das bunte Vogelhaus.<br />
„Na, und wie helfen wir dir jetzt weiter?“, fragte Jens und zog<br />
ein Stück warme Wollmütze über den kleinen Fridolin. Der dachte<br />
angestrengt nach. „Hm…“, überlegte er mit gerunzelter Stirn. „Kannst<br />
du dich denn nicht einfach zurückwünschen?“, fragte Jens. „Oder hast<br />
du vielleicht einen Zauberring oder so etwas?“ Fridolin schaute streng<br />
zu ihm hoch. „Also wir wollen doch vernünftig bleiben. Wenn das so<br />
einfach wäre, wäre ich schon lange fort.“ Jens freute sich, dass es für<br />
den kleinen Schneefix nicht ganz so einfach war, wegzukommen, denn<br />
so hatte er weiter Gelegenheit, den Fortgang dieser wundersamen<br />
Geschichte mitzuerleben. „Ich habe eine hervorragende Idee!“, rief der<br />
kleine Wichtel plötzlich und schnippste laut mit seinen Fingern. „Wir<br />
18 | Vom kleinen Fridolin Schneefix
müssen die Schneebrücke finden. Wieso bin ich nicht schon viel eher<br />
darauf gekommen? Von dort aus ist es ein Kinderspiel, nach Hause<br />
zu finden!“ Jens hatte da so seine Zweifel. „Ja und wo ist die?“, fragte<br />
er. „Keine Ahnung, sonst wäre ich ja schon losgelaufen“, erwiderte<br />
der kleine Schneefix. „Und es gibt da auch noch ein klitzekleines<br />
Hindernis: Wichtel, die vom Himmel heruntergefallen sind brauchen,<br />
ein liebes Menschenkind, das an echte Wunder glaubt, um diese<br />
Brücke zu finden. Bist du zufällig so eines? Sonst wird es heute Abend<br />
wirklich schwierig, pünktlich zurück zu sein.“ „Ja, schon…“, sagte Jens<br />
verwirrt, denn er war sich nicht sicher, ob er die Verantwortung für<br />
den Nachhauseweg eines so kleinen Geschöpfes übernehmen konnte.<br />
„Wichtelwunderdings, da habe ich ja Glück gehabt“, freute sich der<br />
kleine Wichtel ehrlich und polierte emsig die kleinen Glitzerknöpfe<br />
an seiner Wichteljacke. Dann guckte er aus der warmen Wollmütze,<br />
zeigte durch den fallenden Schnee auf das Ende des Gartenzauns und<br />
rief: „Da lang!“<br />
Ohne einen Blick auf das Kinderheim zurückzuwerfen, machten<br />
sich Jens und Fridolin Schneefix auf den Weg durch den schönen<br />
Winterabend. Der Schnee knirschte fröhlich unter Jens Füßen.<br />
Der kleine Fridolin hatte es sich in der Mütze gemütlich gemacht,<br />
schaute nur mit seiner Wichtelnasenspitze heraus und sang aus<br />
vollem Hals die schönsten Weihnachtslieder, die er kannte – und<br />
das waren nun wirklich nicht wenige. Mit vor Aufregung geröteten<br />
Wangen suchten die zwei zuerst das Ende des langen Gartenzaunes<br />
ab, fanden aber nichts. Dann traten sie durch das kleine Gartentor<br />
auf die schmale verschneite Straße und wandten sich, nachdem sie<br />
den menschenleeren Rathausplatz überquert hatten, in Richtung des<br />
kleinen Waldes, der nicht weit entfernt lag.<br />
Auf der Hälfte des Weges sah Jens durch den leise fallenden Schnee<br />
plötzlich ein kaum wahrnehmbares, feines Glitzern. „Hurra!“, schrie<br />
Fridolin aus der Mütze heraus und lehnte sich gefährlich weit nach<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 19
vorn. Fast wäre er vor lauter Begeisterung in den tiefen Schnee<br />
gefallen. „Da ist er ja! Da haben wir ja schon wieder richtiges<br />
Zuckerstangenwichtelglück gehabt!“ Er tobte wie wild in Jens<br />
Kopfbedeckung herum und bedeutete ihm, schneller zu gehen. Jens<br />
konnte es kaum fassen. Je näher sie dem Glitzern kamen, umso mehr<br />
ließ sich erahnen, was da so wundervoll vor ihnen lag. Es tauchte<br />
immer größer werdend vor Jens und Fridolin auf, bis sie schließlich<br />
vor einem unsagbar großen und funkelnden, aus Milliarden und<br />
Abermilliarden diamantenen Schneeflocken gemachten Regenbogen<br />
standen. In diesem leuchteten alle nur erdenkbaren Farben, obwohl<br />
er doch aus Schnee gemacht war und es sah aus, als hätten die vielen<br />
Schneeflocken Freude daran, lachend und glitzernd in dem großen<br />
Bogen hin und her zu tanzen. Fridolin beobachtete Jens aus der Mütze<br />
heraus. „Schön, nicht wahr?“, fragt er leise. „Mein lieber Scholli!“,<br />
platzte es aus Jens heraus, denn so etwas Zauberhaftes hatte er in<br />
seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Fridolin lächelte stolz. Als<br />
Jens nach dem Schneeregenbogen greifen wollte, hielt ihn der Wichtel<br />
jedoch zurück. „Erst der Spruch, sonst funktioniert es nicht“, sagte er<br />
bedächtig. Er ließ sich von Jens auf den Boden herunterhelfen, stellte<br />
sich vor die glitzernde Brücke in den Schnee und malte mit seinen<br />
Händchen seltsame Zeichen in die Luft.<br />
Dann begann er zu flüstern:<br />
„Aus dem Himmel gefallen, die Nase ganz kalt,<br />
möcht‘ ich nach Haus in den Weihnachtswald.<br />
Dort sind meine Freunde, da gehöre ich hin,<br />
nun holt mich herauf, danach steht mir der Sinn!“<br />
Dann blickte er geheimnisvoll zu Jens auf und bedeutete ihm, ihn an<br />
der kleinen Hand zu fassen. Erst passierte lange Zeit nichts, doch dann<br />
begann das Ende der Schneebrücke, das den verschneiten Boden<br />
20 | Vom kleinen Fridolin Schneefix
erührte, zu verschwimmen und zu glitzern. Ja, es blitzte und funkelte<br />
so strahlend hell, dass Jens für einen kurzen Augenblick seine Augen<br />
schließen musste. Als er sie wieder öffnete, war ein winzig kleiner<br />
Schlitten aus purem Eis vor ihnen erschienen, der mit vielen bunten<br />
Kissen sowie einer dicken, warmen Decke beladen war und ruhig auf<br />
den vielen tausend Flöckchen des Bogens vor sich hin schaukelte.<br />
„Festhalten!“, schrie Fridolin fröhlich und hopste mit Jens an der<br />
Hand mutig auf den kleinen Schlitten zu. „Ja aber der ist doch<br />
viel zu klein!“, wollte Jens gerade rufen, als er sich schon in dem<br />
wundersamen Gefährt wiederfand. Er konnte es kaum fassen, denn<br />
der scheinbar viel zu kleine Schlitten wuchs auf eine Größe an, die<br />
es beiden möglich machte, bequem darin zu sitzen. Fridolin hatte es<br />
sich bereits gemütlich gemacht und packte auch Jens fürsorglich in<br />
die bereitliegende Decke. „Klasse Erfindung, findest du nicht auch?“,<br />
fragte er Jens und lachte über das ganze Gesicht. „Hm“, gab Jens zurück,<br />
der nicht minder strahlte. Er griff aus dem Schlitten heraus und<br />
berührte das fantastische Gebilde. Das Gefühl war einfach wunderbar.<br />
Zuversicht und Vorfreude erfüllten Jens kleines Jungenherz und ihm<br />
war, als schmecke er überall auf der Zunge Dinge, die er am liebsten<br />
aß. „Fertig?“, fragte Fridolin in Jens Gedanken hinein. Jens nickte.<br />
Daraufhin legte der Wichtel gekonnt einen kleinen Hebel aus purem<br />
Gold um, der plötzlich aus der Mitte des Schlittens wuchs. So begann<br />
die wildeste Fahrt, die Jens je mitgemacht hatte.<br />
Nach einer langen Reise den ganzen Schneeregenbogen hinauf, an<br />
Kirchtürmen, Wolken, Mond und so vielen zauberhaften Dingen<br />
vorbei, glitten sie, nun endlich langsamer werdend, auf das Ende<br />
der glitzernden Brücke zu. Sie landeten in einer unendlich weiten,<br />
weißen Landschaft, in der es herrlich glitzerte und funkelte, so als<br />
hätten abertausende von kleinen fleißigen Wichteln zusätzliche kleine<br />
Diamanten in den Schnee gesteckt. In der Ferne sah Jens einen kleinen<br />
Wald aus geschmückten Tannenbäumen und es roch doch tatsächlich<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 21
nach Lebkuchen und den leckersten Weihnachtsspezialitäten!<br />
Nachdem er den glitzernden Bogen <strong>zum</strong> Abschied noch einmal<br />
gestreichelt hatte, dieser kurz darauf im Schneegestöber verschwand<br />
und der kleine Fridolin den mittlerweile wieder winzig kleinen<br />
Eisschlitten gekonnt an einer Säule aus Zucker geparkt hatte, sagte<br />
der Wichtel: „Schön, wir sind daheim! Das wurde aber auch Zeit!“ Er<br />
klatschte vor Freude in seine kleinen Hände, bückte sich und formte<br />
einen für seine Verhältnisse riesigen Schneeball, den er Jens laut<br />
lachend an den Kopf warf. „Schneeballschlacht!“, schrie er aufgeregt<br />
und kicherte, bis er hintenüber in den Schnee fiel. „Aua!“ rief Jens<br />
zurück und begann, auch Fridolin Schneefix mit Schneebällen zu<br />
bewerfen. So tobten sie eine Weile herum, bis Fridolin, von oben bis<br />
unten wie ein kleiner Schneemann aussehend, zu frieren begann.<br />
Durch die sanft fallenden, weißen Flocken zeigte er auf eine kleine<br />
Holzhütte ganz in der Nähe, aus dessen Schornstein kleine, nach<br />
gebrannten Mandeln riechende Wölkchen aufstiegen. Jens war sich<br />
absolut sicher, dass diese Hütte bis vor wenigen Augenblicken noch<br />
nicht dagewesen war. „Na dann komm mal mit. Aber alles mit der Ruhe,<br />
denn wir haben hier wirklich alle Zeit der Welt“, sagte seine kleine<br />
Begleitung geheimnisvoll und winkte Jens, ihr zu folgen. Als sie die<br />
Hütte erreicht hatten, die so klein war, dass Jens sich bestimmt bücken<br />
musste um überhaupt hinein zu gelangen, griff der Wichtel nach einer<br />
kleinen Klinke aus Schokolade und öffnete die Tür. Aufgeregt und mit<br />
klopfendem Herzen folgte Jens seinem kleinen Freund.<br />
22 | Vom kleinen Fridolin Schneefix<br />
***<br />
Als er sich kurz danach aufrichtete, traute er seinen Augen kaum.<br />
Er stand in der größten und schönsten Halle, die er jemals gesehen<br />
hatte! Sie war ganz und gar mit flauschigen Teppichen in den<br />
hübschesten Farben ausgelegt. Die Wände waren nicht nur mit
feinstem Holz getäfelt, sondern auch festlich mit Tannengrün und<br />
Bildern von allerlei Süßigkeiten geschmückt. Kleine Eichhörnchen<br />
und Kohlmeisen steckten hier und da ein Tannenzweiglein nach und<br />
rückten das ein oder andere Bild zurecht. Überall standen kleine<br />
Tische mit passenden Stühlchen herum, auf denen viele kleine und<br />
große Wichtel saßen, die in gemütlichen bunten Anziehsachen<br />
steckten. Manche von ihnen bastelten emsig, andere reparierten<br />
altes Spielzeug oder lasen eine schwierige Gebrauchsanleitung und<br />
wiederum andere bemalten Christbaumkugeln, aßen Plätzchen oder<br />
Aprikosenmarmeladenbrote und tranken Tee oder Kakao mit Sahne.<br />
In einer Ecke des riesigen Raumes wärmten sich ein paar Wichtel vor<br />
einem großen, bunt gekachelten Kamin, in dem ein lustiges Feuer<br />
brannte. Sie übten ein paar schwierige Weihnachtslieder ein. Dabei<br />
brachen sie immer wieder in fröhliches Lachen aus. Ihnen gegenüber<br />
stand ein zauberhafter Weihnachtsbaum. Wo man nur hinsah, funkelte<br />
und blitzte es durch das Tannengrün. Zuckerstangen, schimmernde<br />
Bänder und Girlanden, Zuckeräpfel und Tannenzapfen schmückten<br />
den Baum, der da so festlich von einem lachenden, echten Sternchen<br />
gekrönt wurde. Zwei Wichtel, die wegen der für Wichtel sehr großen<br />
Höhe, zur Sicherheit angeleint waren, bemühten sich eifrig, das<br />
Sternlein auf Hochglanz zu polieren. Das war gar nicht so einfach, weil<br />
es so furchtbar kitzelig war. Jens schaute den Wichteln eine Weile zu,<br />
die immer wieder freundlich auf das kichernde Sternchen einredeten.<br />
In den verbliebenen Ecken entdeckte Jens riesige, große Schalen mit<br />
noch heißen Weihnachtsplätzchen, aus denen sich jeder der mochte,<br />
bedienen konnte. Ganz am Ende des fantastischen Raumes führte<br />
eine große glitzernde Treppe auf eine schöne zweite Etage. Da gab es<br />
bis auf ein kleines Geländer aus Knabberzeug und Tannengrün keine<br />
weiteren Wände oder Barrieren, denn so etwas mochten die Wichtel<br />
nicht. Von dort oben führte eine kleine Seilbahn einmal rund um die<br />
ganze Halle und dann wieder herunter ins Erdgeschoß. Jens sah, dass<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 23
viele der kleinen Kerlchen schwer an den Basteleien, Süßigkeiten und<br />
Geschenken zu tragen hatten und so einfach die Seilbahn benutzten,<br />
um von A nach B zu gelangen. Manche der Wichtel fuhren auch<br />
einfach <strong>zum</strong> Spaß mit der kleinen Bahn, lachten, warfen so manchem<br />
Kollegen von oben ein Plätzchen an den Kopf und winkten fröhlich<br />
in die lustige Runde. Und alle winkten zurück und freuten sich. Es<br />
war schon ein ziemlich großes Hallo. Von der Decke hing nicht etwa<br />
eine große Lampe, sondern eine riesige Schiffsschaukel aus Marzipan,<br />
die mit tausenden kleinen Lichten geschmückt war. Jens wunderte<br />
es mittlerweile nicht mehr, zu erkennen, dass auf den kleinen<br />
Schiffsbänken aus Lakritz viele kleine angeschnallte Wichtel saßen,<br />
die es nicht erwarten konnten, endlich hin und her zu schwingen.<br />
Und kaum war der Gedanke gedacht, fing die große Schaukel an,<br />
genau das zu tun. Viele kleine rote Zipfelmützen flatterten wild im<br />
Fahrtwind und Jens hörte begeisterte Rufe aus dem Marzipangefährt.<br />
Die vielen Lichter der Schaukel erhellten dabei warm die Umgebung,<br />
so hatten die Wichtel gekonnt beides miteinander verknüpft. Zudem<br />
staunte Jens nicht schlecht, als er drei oder vier Wichtel in kleinen<br />
Spielzeugflugzeugen herumfliegen sah, erkannte aber schnell, dass<br />
es hier wohl darum ging, das Spielzeug vor der Auslieferung am<br />
Weihnachtstag zu testen. Denn nach der sicheren Landung auf einer<br />
der vielen silbernen Fensterbänke diskutierten die Wichtel eifrig und<br />
verbesserten hier und da solange, bis alle zufrieden schauten. Ebenso<br />
verhielt es sich mit all den kleinen Lastern, Kränen, Traktoren und<br />
Rennautos, die pausenlos durch die Halle flitzten und von fröhlichen<br />
Wichteltestfahrern gelenkt wurden. Dass die kleinen Gefährte öfter an<br />
den großen Schalen mit den heißen Plätzchen stoppten und viele der<br />
Wichtel dort einen kleinen, fachkundigen Schwatz mit den anderen<br />
hielten, störte nicht im Geringsten.<br />
Jens beobachtete, dass die kleinen Fahrer auch Testberichte auf<br />
kleine goldene Karten schrieben, die dann mithilfe einer gläsernen<br />
24 | Vom kleinen Fridolin Schneefix
Rohrpost durch die ganze Halle zu den verschiedensten Tischen<br />
flitzten, um dort entsprechend bearbeitet zu werden. Aber anstatt<br />
nur die goldenen Nachrichten in die Rohrpost zu stecken, schlüpften<br />
viele der Wichtel ganz hinein, um laut lachend und singend in den<br />
gläsernen Röhren hin und her zu schießen, bis sie irgendwo mit<br />
einem lauten ‚Plopp!‘ wieder ausgespuckt wurden. Darüber mussten<br />
die Wichtel am Ende der Rohrpoströhren oft so sehr lachen, das ihnen<br />
die roten Zipfelmützen vom Kopf fielen. Und es gab noch so viel mehr<br />
zu sehen. Da waren Trampolintestwichtel, die gekonnt auf und ab<br />
hüpften und die wildesten Kunststücke probten, es gab Buntstifttester,<br />
die wunderschöne Bilder auf die Böden malten, Teddybärenkämmer<br />
und Fußballtester, Schneiderwichtel, die Puppenkleider nähten,<br />
Tee- und Kakaowichtel, die Tee und Kakao nachschenkten,<br />
Zauberwichtel, die Zauberkästen ausprobierten und sich dabei auch<br />
schon mal von hier nach da zauberten, Knetgummihersteller und<br />
Bücherwichtelchen, Sterngucker und Kindermikroskoppolierer,<br />
Drachenlenker und Kuschelwichtel, Puppenhaustestbewohner und<br />
Backwichtel, Keksesserwichtel und Gucknurso-Wichtel und, und, und.<br />
Jens fühlte sich in der lebendigen, warmen Halle voller Stimmengewirr<br />
und Vorweihnachtsfreude richtig wohl.<br />
Fridolin stupste Jens an. „Schön ist es hier, nicht wahr?“, fragte<br />
er fröhlich, klopfte sich den Schnee von seinem kleinen Anzug und<br />
hängte die rote Wichtelmütze an einen kleinen goldenen Haken. „Das<br />
kann man wohl sagen“, gab Jens zurück und schlüpfte ebenfalls aus<br />
seiner nassen Winterkleidung. „Aber hier drin ist es viel größer als<br />
es von außen aussieht.“ „Das macht doch nichts“, sagte der kleine<br />
Fridolin Schneefix. „Wir brauchen es doch nur hier drinnen geräumig<br />
und abgesehen davon nimmt es draußen dann auch nicht so viel Platz<br />
weg.“ Das war eine ziemlich logische Wichtelerklärung und Jens nickte.<br />
Während sich die zwei noch über dies und das unterhielten, wurden<br />
sie von einem der hin und her laufenden Wichtel entdeckt, der vor<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 25
Überraschung einen guten Schwung Dominosteine fallen ließ, den<br />
er auf dem Arm trug. „He, hört mal alle her! Fridolin ist wieder da!“,<br />
brüllte er, holte einen bunten Lutscher aus seiner Wichtelhosentasche<br />
und klebte ihn sich vor lauter Begeisterung an seine Zipfelmütze. Die<br />
vorher so beschäftigten Kleinen ließen alles stehen und liegen und<br />
rannten so schnell sie konnten auf Jens und Fridolin zu. Was gab es<br />
da für ein großes Hallo! Die beiden wurden von tausenden kleiner<br />
Ärmchen umarmt, mussten hunderte von kleinen Wichtelhändchen<br />
drücken und bekamen so viele Weihnachtsplätzchen, Tee und warme<br />
Decken angeboten, dass es für eine Million Wichtel ausgereicht hätte.<br />
Die muntere Truppe führte Jens und den kleinen Fridolin dann vor<br />
den großen Kamin, wo noch bis vor wenigen Minuten die große<br />
Wichtelchorprobe stattgefunden hatte. Dort setzten sich alle auf die<br />
weichen, warmen Kissen und lauschten gespannt Fridolins und Jens<br />
Bericht. Weil das Abenteuer der beiden so furchtbar spannend war,<br />
mussten zwei besonders kleine Wichtel sogar vor lauter Aufregung<br />
niesen.<br />
26 | Vom kleinen Fridolin Schneefix<br />
***<br />
Nach einiger Zeit erschien ein sehr, sehr alter Wichtel mit einem<br />
langen weißen Bart oben auf der zweiten Etage und kam bedächtig die<br />
große Treppe herunter. Er schaute streng auf Fridolin, der beschämt<br />
auf den Boden mit den vielen weichen Kissen blickte. „Na, da bist du<br />
ja wieder, Fridolin Schneefix. Auch dieses Jahr konntest du es wieder<br />
einmal nicht sein lassen. Du weißt doch, dass das Suchen deines<br />
Weihnachtsgeschenkes erstens streng verboten und zweitens nicht<br />
ganz ungefährlich ist. Bist du etwa wieder auf die Erde herabgefallen?<br />
Ich glaube, ich werde darüber nachdenken, dir am Sonntag den<br />
Vanillepudding von der Nachtischliste zu streichen.“ Die anderen<br />
Wichtel sahen sich ernst an und mussten zustimmend nicken. In
der Tat, Neugier ist für einen kleinen Wichtel nicht ungefährlich und<br />
eine Weihnachtsüberraschung sollte eine Weihnachtsüberraschung<br />
bleiben. So war das nun mal, daran hatten sie erst gar nicht gedacht.<br />
Aber das Fridolins Sonntags-Vanillepudding gestrichen werden sollte,<br />
war schon eine außergewöhnlich harte Wichtelstrafe. In den hinteren<br />
Reihen fing ein kleiner Wichtel sogar an zu weinen, so furchtbar war<br />
diese Ankündigung. Fridolin wurde röter als ein Zuckerapfel und Jens<br />
sah in seinen Äugelein die ersten, verräterischen Tränen funkeln. Das<br />
konnte er nicht zulassen. Mutig beugte er sich ein Stück nach vorne.<br />
„Lieber Herr Wichtel..“, begann er. „Ich heiße Pummeldi“, gab der<br />
Wichtel mit dem langen Bart zurück. „Also gut, lieber Herr Pummeldi.<br />
Fridolin hat es bestimmt nicht böse gemeint. Er ist ja noch so furchtbar<br />
klein. Im Grunde genommen ist auch gar nichts Schlimmes passiert.<br />
Können Sie ihm nicht noch einmal verzeihen?“ Die anwesenden<br />
Wichtel blickten gespannt von Jens zu Pummeldi und von Pummeldi<br />
zu Fridolin. Dann rissen sie wie auf Kommando jubelnd die Ärmchen<br />
hoch, applaudierten heftig und veranstalteten solch einen Lärm, dass<br />
Pummeldi gar nicht anders konnte, als streng zu bemerken: „Das mir<br />
das aber nicht noch einmal vorkommt, kleiner Fridolin Schneefix.“<br />
Pummeldi zwickte Jens anerkennend in die Seite. „Du magst unseren<br />
wilden Fridolin und scheinst ihm ein guter Freund zu sein. Ich werde<br />
tatsächlich noch einmal ein Auge zudrücken. Das hat Fridolin aber<br />
nur dir zu verdanken“, sagte er und zwinkerte Fridolin zu. Wieder<br />
brachen alle kleinen und großen Wichtel in lautes Jubeln aus, klopften<br />
sich auf die kleinen Schultern, umarmten sich und beglückwünschten<br />
Jens und Fridolin <strong>zum</strong> glücklichen Ausgang dieser Geschichte. Der<br />
Sonntagsvanillepudding von Fridolin war gerettet. Nachdem sich die<br />
allgemeine Aufregung gelegt hatte, machten sich die Kleinen wieder<br />
an die Arbeit und Pummeldi und der erleichterte Fridolin zeigten Jens<br />
die restliche Wichtelwerkstatt. Überall öffneten sich kleine, versteckte<br />
Zaubertüren, erschienen Wendeltreppen und weitere wunderschöne<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 27
Hallen. Stets duftete es nach Weihnachtsvorfreude, Gemütlichkeit und<br />
auch ein bisschen Zimt – und es gab in jeder noch so kleinen Ecke<br />
die zauberhaftesten und schönsten Dinge zu sehen, so dass Jens sich<br />
kaum sattsehen konnte.<br />
Kurz vor dem Wichtelabendbrot, es duftete schon nach<br />
warmem Milchreis und heißen Kirschen, gelangten die drei an eine<br />
letzte, kunstvoll verzierte Tür. „Was gibt es dort zu sehen?“, fragte Jens<br />
neugierig und schaute auf den kleinen Pummeldi. „Nun ja“, erklärte der<br />
Wichtel, während er die Tür mit einem Spezialschlüssel aus weißer<br />
Schokolade aufschloss, „in diesem Raum gehen alle Herzenswünsche<br />
von kleinen und auch großen Kindern auf der ganzen Welt ein. Das<br />
heißt, alles was sie sich wünschen, wird uns hier mitgeteilt und<br />
wir schreiben es dann in ein großes, rotes Buch. Und wenn das gut<br />
mit Wünschen gefüllt ist, geben wir es rasch <strong>zum</strong> Christkind ins<br />
Büro, damit es genauestens über alles informiert ist“. Mit diesen<br />
Worten traten Jens, Fridolin und Pummeldi endgültig in den kleinen,<br />
golden und silbern blitzenden Raum, in dessen Mitte eine große<br />
Weihnachtskugel auf drei diamantenen Füßen stand. Daneben fand<br />
sich ein etwas kleineres Pult, auf dem aufgeschlagen ein dickes, rotes<br />
Buch mit einer Schwanenfeder für Notizen lag. Jens schaute wortlos<br />
auf die große Christbaumkugel. „Aha“, sagte er einfach. „Na, schau doch<br />
mal hinein“, sagten Fridolin und Pummeldi wie aus einem Mund und<br />
schoben Jens ungeduldig auf die Kugel zu. Diese war so groß, das Jens<br />
sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um hineinsehen zu können.<br />
Zunächst erblickte er rein gar nichts, doch nach einigen Sekunden<br />
begann die Mitte der Kugel vor seinen Augen zu verschwimmen<br />
und gab dann ein sympathisches, junges Paar frei, das, in warme<br />
Winterkleidung gepackt, in ein großes Schaufenster mitten in der<br />
Stadt blickte. „Na, was siehst du?“, rief der kleine Fridolin. „Ich glaube,<br />
ich sehe ein Ehepaar“, gab Jens zurück. Er schaute fasziniert auf das<br />
vor ihm liegende Geschehen. „Und weiter?“, drängte Fridolin, der kurz<br />
28 | Vom kleinen Fridolin Schneefix
darauf von Pummeldi ordentlich geknufft wurde, damit er den Mund<br />
hielt. „Sie sehen sich etwas an, ich kann aber nicht erkennen, was es<br />
ist“, gab Jens zurück und schaute weiter angestrengt in die Kugel. Die<br />
beiden jungen Leute drehten sich ein wenig zur Seite und Jens konnte<br />
erkennen, dass sie einen sehr traurigen Gesichtsausdruck hatten. Er<br />
sah, dass hinter ihnen Kinderwagen – und Kleidung sowie einiges an<br />
Spielzeug ausgestellt war. Der junge Mann legte seiner weinenden<br />
Frau tröstend den Arm um die Schultern. Er versuchte, ein fröhliches<br />
Gesicht zu machen und zeigte woanders hin. Die Frau nickte und sah<br />
für einen ganz kurzen Augenblick nach oben in den Himmel. Jens war,<br />
als sähe sie direkt in seine Augen. Doch der Moment verflog so schnell<br />
wie er gekommen war und beide gingen fort. Das Bild verschwamm<br />
und die Christbaumkugel war wieder nur eine Christbaumkugel auf<br />
diamantenen Beinen.<br />
Hinter Jens schrieb der kleine Fridolin eifrig etwas in das große<br />
rote Buch und lächelte dabei geheimnisvoll. „Kannst du dir denken,<br />
was sich diese beiden wünschen?“, fragte Pummeldi freundlich und<br />
legte Jens dabei eine Hand auf die Schulter. „Na ich nehme mal an,<br />
dass sie sich ein hübsches Baby wünschen“, gab Jens etwas verbittert<br />
zurück. Fridolin und Pummeldi schauten sich kurz an, grinsten bis über<br />
beide Ohren und nickten dann kurz. Der kleinere Wichtel schnappte<br />
sich daraufhin seine Notizen und verschwand auf geheimnisvollen,<br />
gläsernen Rohrpostwegen mit einem lauten „Plopp!“ in Richtung<br />
Büro.<br />
Nachdem Jens und Pummeldi die Tür wieder sicher verschlossen<br />
hatten, gab es ein richtig gemütliches Wichtelabendbrot. Die<br />
kleinen Wichtel hatten die großen Tische unten in der Halle<br />
zusammengeschoben und alles nett eingedeckt. Jeder saß auf seinem<br />
Platz, ein goldenes Tellerchen und ein silbernes Becherchen vor sich.<br />
Das Besteck war ganz und gar aus Schokolade und konnte nach der<br />
Mahlzeit aufgegessen werden, das fanden alle sehr praktisch. Als Jens<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 29
und Pummeldi Platz genommen hatten und auch Fridolin grinsend<br />
aus dem Büro zurückgekehrt war, wurde eine riesige Schüssel voll<br />
Milchreis aufgetragen. Dazu gab es heiße Kirschen, jede Menge Sahne,<br />
Vanillekipferl und Lebkuchen, einen großen Topf Wichtelhonig und<br />
jede Menge belegte Brote. Was war das für eine große Schlemmerei!<br />
Jedes Wichtelchen tat dem anderen eine große Portion auf den Teller,<br />
man schenkte sich leckeren Hagebuttentee ein und erzählte sich die<br />
neuesten Witze. Alle lachten und freuten sich. Jens wurde es ganz warm<br />
ums Herz, denn so etwas hatte er sich schon lange gewünscht. Wie<br />
gerne wäre er für immer hier geblieben. Nach der Mahlzeit zeigte so<br />
mancher Wichtel seine Bastelarbeit herum, die ausgiebig bewundert<br />
wurde. Auch Jens kam nicht umhin, die Künste der kleinen Wichtel zu<br />
würdigen. Viele der kleinen Kerlchen waren gespannt auf Jens Urteil<br />
und drängten sich ungeduldig um seinen Platz.<br />
Als der Abendbrottisch abgeräumt wurde, brachten Fridolin<br />
und Pummeldi Jens in eines der vielen liebevoll eingerichteten<br />
Gästezimmer. Sie warteten ab, bis er in einen weichen, flauschigen<br />
Wichtelschlafanzug für große Gäste geschlüpft war und deckten<br />
ihn anschließend mit einer federleichten, warmen Wolkendecke<br />
zu, auf der tausend kleine lachende Sternchen funkelten und leise<br />
Gutenachtgeschichten erzählten. „Danke, dass du unseren Fridolin<br />
zurückgebracht hast“, sagte Pummeldi <strong>zum</strong> Abschied und schaute<br />
Jens freundlich an. „Ach, hab ich doch gern gemacht“, murmelte Jens<br />
schlaftrunken. Auch Fridolin wollte dem kleinen Jens „Gute Nacht“<br />
sagen. „Ich hab dich lieb, Jens“, flüsterte er und gab dem kleinen Jungen<br />
einen Wichtelkuss auf die Stirn. Jens konnte gerade noch „Hab dich<br />
auch lieb, Fridolin“, sagen, da war er auch schon fest eingeschlafen.<br />
Die beiden Wichtel sahen sich an und lächelten. Dann hoben sie<br />
die kleinen Hände, malten einige glitzernde Zeichen in die Luft und<br />
flüsterten leise, unverständliche Zauberworte, die Jens zurück in das<br />
Kinderheim brachten, von welchem er seine Reise gestartet hatte.<br />
30 | Vom kleinen Fridolin Schneefix
Als er am Heiligen Abend in seinem Bett erwachte, schaute er sich<br />
verwundert um. Wo war die Wichtelwerkstatt geblieben und wo<br />
war Fridolin Schneefix? Hatte er das alles nur geträumt? Gerade<br />
als er enttäuscht die Beine aus dem Bett schwingen wollte, hörte<br />
er es unter dem Kopfkissen verdächtig knistern. Überrascht griff<br />
er darunter und zog ein winziges Päckchen hervor, welches in<br />
wunderbar glitzerndes Weihnachtswichtelpapier eingeschlagen<br />
war. Er öffnete es und fand neben einem leckeren Lebkuchen<br />
und einem Zimtstern eine kleine Weihnachtskarte. Darauf stand:<br />
„Lieber Jens, wir wünschen dir ein frohes Weihnachtsfest.<br />
Wenn du magst, kannst du uns jederzeit besuchen kommen!<br />
Nun zieh‘ dich aber schnell an, setze dich unten ans Fenster<br />
und warte ab, was passiert! Wir haben dich sehr lieb,<br />
denn du bist ein echt toller Kerl! Fridolin und Pummeldi.“<br />
Jens freute sich sehr über sein Geschenk und konnte es kaum<br />
abwarten, in seine Sachen zu schlüpfen, an den anderen aufgeregten<br />
Kindern vorbei die große Treppe herunter zu flitzen, sich an sein<br />
Lieblingsfenster im großen Speisesaal zu setzen und erwartungsvoll<br />
hinauszuschauen.<br />
Es dauerte auch nicht lang und Jens sah in der Ferne zwei<br />
Menschen durch den Schnee auf das Kinderheim zu laufen. Als die<br />
beiden Gestalten fast angekommen waren und das kleine Gartentor,<br />
welches <strong>zum</strong> Heim führte, geöffnet hatten, erkannte Jens erstaunt das<br />
junge Paar, das er in der Christbaumkugel in der Wichtelwerkstatt<br />
gesehen hatte. Sein Herz begann vor Aufregung laut zu pochen. Konnte<br />
es etwa sein, dass…? Nein, nein, die beiden wollten doch bestimmt<br />
ein hübsches Baby, nicht einen schon so großen Jungen wie Jens! Die<br />
Schelle riss Jens aus seinen Gedanken und er sah, wie Frau Schmidt<br />
die Tür öffnete und das Ehepaar hereinbat. Die beiden schauten sich<br />
suchend um, während Jens sich hinter dem großen Vorhang am Fenster<br />
versteckte. Er wagte kaum, zu atmen. Dann fand ihn Frau Schmidt<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 31
und zog lachend den Vorhang beiseite. „Na, komm‘ mal vor, du hast<br />
Besuch“. Jens ging schüchtern auf die beiden zu, die ihn freundlich<br />
anblickten. „Du bist Jens, nicht wahr?“, fragte der junge Mann und gab<br />
ihm lachend die Hand. Man merkte ihm deutlich an, wie sehr er sich<br />
freute. Jens nickte und schaute die beiden Erwachsenen mit großen<br />
Augen an. „Ich glaube, wir haben genau den Jungen gefunden, den wir<br />
selbst nie bekommen konnten“, sagte der Mann zu Frau Schmidt. Seine<br />
junge Frau weinte vor Freude. Jens schaute erst auf Frau Schmidt, dann<br />
auf das Ehepaar. Sollte es wirklich wahr sein? Er traute sich kaum,<br />
zu glauben, was hier geschah. „Magst du denn mit uns Weihnachten<br />
feiern?“, fragte die Frau und sah Jens mit himmelblauen Augen an.<br />
„Wenn es dir bei uns gefällt, würden wir dich gern für immer bei uns<br />
haben. Wir haben darüber schon mit Frau Schmidt gesprochen.“ Frau<br />
Schmidt nickte und strahlte Jens an. Jens holte tief Luft und rief: „Das<br />
ist das schönste Weihnachtsgeschenk auf der ganzen Welt! Ich komme<br />
gerne mit! Ach, wie gerne komme ich mit nach Hause!“ Dann fiel er<br />
seinen neuen Eltern in die Arme. „Ich male ganz bestimmt auch keine<br />
Wände mehr an“, schluchzte er vor lauter Glück und drückte sein<br />
tränennasses Gesicht an seine neuen Eltern. „Dann müsst ihr mich<br />
auch nicht zurück ins Kinderheim schicken“. „Das hatten wir sowieso<br />
nicht vor“, erwiderte der Mann lachend. „Stell‘ dir vor, wir haben in<br />
deinem neuen Kinderzimmer sogar eine große Wand extra dafür frei<br />
gelassen, sonst ist es doch langweilig!“ Sie nahmen sich fest in den<br />
Arm und Jens durfte, nachdem er seine kleine Tasche gepackt hatte,<br />
mit seinen neuen Eltern mitfahren, um den Heiligen Abend zu feiern.<br />
Oben in der Wichtelwerkstatt beugten sich Fridolin und Pummeldi<br />
erfreut über die große Christbaumkugel auf den diamantenen Beinen.<br />
„Wie schön, das du diesen wichtigen Wunsch direkt in das große rote<br />
Buch eingetragen hast“, meinte Pummeldi zufrieden. Fridolin Schneefix<br />
lächelte. „Stimmt, das war eine besonders gute Idee. Aber dein Einfall,<br />
die beiden ausgerechnet von unserem Jens träumen zu lassen, war<br />
32 | Vom kleinen Fridolin Schneefix
auch nicht übel! Hoffentlich besucht er uns mal wieder.“ „Das wird<br />
er schon“, erwiderte der alte Wichtel fröhlich. „Nun aber ab zur<br />
Bescherung, schließlich ist Heiligabend!“ Die beiden stürmten in die<br />
wunderschön und festlich geschmückte Halle der Wichtelwerkstatt,<br />
wo schon alle anderen Wichtel mit einer Tasse heißen Kakao und<br />
duftenden Plätzchen auf sie warteten. Es wurde einer der schönsten<br />
Heiligabende, den Fridolin in seinem jungen Wichtelleben erlebt hatte.<br />
Ach, ihr wollt wissen, was er geschenkt bekam? Das kann ich euch<br />
verraten: Neben einer kuscheligen weichen Wichtelmütze und<br />
einem Paar sehr schicker Handschuhe bekam Fridolin einen kleinen<br />
Kompass geschenkt, der an einer glitzernden Kordel aus Elfengarn<br />
hing. Seitdem hat er sich nie wieder in der Wichtelwerkstatt verlaufen<br />
– es sei denn, er wollte es.<br />
Fröhliche Weihnachten euch allen!<br />
Vom kleinen Fridolin Schneefix | 33
Vorwitziges Engelchen<br />
Evelyn Goßmann<br />
Ein kleines Engelchen saß neben einem winzigen Sternlein oben auf<br />
seiner Wolke und bestaunte das geschäftige Treiben in der himmlischen<br />
Backstube. Beide waren noch recht neu dort oben, schauten, was die<br />
anderen machten und gaben sich große Mühe, es ihnen gleich zu tun.<br />
So halfen sie mit beim Plätzchen backen und kamen fast außer Puste,<br />
so angestrengt bemühten sie sich alle Figürchen mit weißem oder<br />
rosaroten Zuckerguss und bunten Streuseln oder Schokoladensplittern<br />
zu verzieren.<br />
Das Engelchen dachte: „Vielleicht habe ich ja das Glück,<br />
im goldenen Schlitten mit den goldenen, klingelnden Glöckchen<br />
gemeinsam mit dem Christkind auf die Erde zu gleiten. Dann würde ich<br />
die festlich weihnachtlich geschmückten Straßen und Stuben sehen,<br />
wo die Kinder in ihren warmen Bettchen mit hochroten Bäckchen<br />
Weihnachtsträume erleben und dem Weihnachtstag selig entgegen<br />
schlummern.“ Seinem Freund, ein Sternlein, hatte er diesen Wunsch<br />
flüsternd erzählt. Es versprach ihm, von oben zu zu zwinkern, damit<br />
es auch genug sehen könnte, falls die rosaroten Wolken dann noch so<br />
dick und undurchdringlich sein würden, durch das Backen der großen<br />
Mengen an Plätzchen und Lebkuchenmännlein hier in der himmlischen<br />
Backstube. Zwischendurch saßen sie beim Nikolaus, der ihnen, durch<br />
seine Erlebnisse auf der Erde, spannende <strong>Geschichten</strong> zu erzählen<br />
wusste. Mit dröhnendem Lachen kam er auf eine Begebenheit zu<br />
sprechen, als er, mit dem schweren Sack voller Geschenke bepackt, durch<br />
dicksten Schnee im Wald stapfen musste, nachdem der Schlitten unter<br />
Vorwitziges Engelchen | 35
der großen Last zusammengebrochen war. Das war eine mühselige<br />
Wanderung gewesen. Er hatte lange gebraucht, bis er sich davon erholt<br />
hatte. Er war ja schon ein hochbetagter Mann. Das Engelchen putzte<br />
beim Zuhören sorgfältig die Zacken des Sternleins, das Sternlein die<br />
Flügel vom Engelchen. Zwischendurch wurde viel gelacht. Dann ging<br />
das Blankputzen der kleinen goldenen Flügel, der Sternenzacken<br />
sowie winziger weißer Wolken-Stühlchen umso besser vonstatten und<br />
viel schneller als gewöhnlich. Der kleine Engel war so gebannt von all<br />
dem, was er hier sah und hörte, dass er nicht recht aufpasste und von<br />
seiner Wolke rutschte. Er versuchte sich krampfhaft, an irgendetwas<br />
festzuhalten. Doch er griff nur ins Leere. Die Rutschpartie ging rasend<br />
schnell. Er erwartete schon etwas furchtsam den lauten Plumps auf die<br />
harte Erde. Von sehr weit her schien das Sternlein das Engelchen zu<br />
rufen. Nur undeutlich vernahm es besorgt das feine, metallene und vor<br />
Angst vibrierende Stimmchen. Daneben aber schien eine recht dunkle<br />
Stimme etwas ärgerlich dazwischen zu poltern. Das war ganz gewiss der<br />
Nikolaus, der immer davor gewarnt hatte, sich zu weit und zu neugierig<br />
vorzubeugen, um sich mit dem Treiben auf der Erde zu beschäftigen.<br />
Darauf aber konnte es sich nun nicht konzentrieren. Es musste schauen,<br />
wo es landen würde. Es war außerdem viel zu aufgeregt, weil es einen<br />
riesengroßen Schrecken bekommen hatte.<br />
Dunkel war es, kalt und gar nicht so schön wie dort, von wo es<br />
herab gerutscht war. Ständig wirbelten ihm so kleine, weiße, kalte<br />
Teilchen ins Gesicht, die es nicht erkannte und beim Namen nennen<br />
konnte. Es lauschte in die dunkle Stille. Waren das nicht Kinderstimmen?<br />
Wie nannten sie diese komischen weißen Dinger? „Schneesterne“,<br />
schien es verstanden zu haben. Ihm war kalt und es bibberte, denn es<br />
trug nur sein feines weißes Hemdchen, wie alle kleinen Engelchen dort<br />
oben. Es schloss die Augen und erwartete schon ergeben den harten<br />
Aufprall, als es sich plötzlich aufgefangen fühlte und ihm eine leise<br />
Stimme beruhigend zuraunte: „Hab keine Angst. Du kannst mit mir<br />
36 | Vorwitziges Engelchen
zusammen auf die Erde schweben, dann tust du dir nicht weh. Ich bin<br />
eine Schneeflocke. Ich reise immer mit all meinen großen und kleinen<br />
Verwandten auf die Erde, damit die Kinder Schneemänner bauen und<br />
Schlitten fahren können und zu Weihnachten die ganze Landschaft<br />
zauberhaft weiß verkleidet ist. Alles ist mit Puderzucker bestäubt,<br />
wie eure Plätzchen in der Backstube dort oben. Das bringt einen<br />
besonderen Zauber auf die Welt. Wenn dann die stillen Kerzen dazu<br />
am Weihnachtsbaum brennen, sieht alles besonders geheimnis- und<br />
stimmungsvoll aus. So werden die Herzen der Menschen weit geöffnet<br />
und Liebe und Frieden neu geweckt.“<br />
Das Englein fühlte sich schmerzlos aufgefangen und schaute<br />
sich verwundert um. Etwas beruhigt, wenn auch erstaunt, hatte der<br />
Vorwitzling zugehört und darüber gar nicht gemerkt, dass sie sanft und<br />
weich auf der Erde gelandet waren. „Oh ja, das sieht ja zauberhaft aus.<br />
Alles ist weiß, fast wie Zuckerwatte. Und die kleinen Lämpchen, mit<br />
denen alles beleuchtet ist, sind wunderschön.“ Es bedankte sich artig<br />
bei der großen Schneeflocke, die es mit sich weiter hinab getragen und<br />
die Landung gemildert hatte. „Warte hier und pass auf dich auf. Sicher<br />
wirst du schon vermisst und gleich abgeholt“, sagte die Schneeflocke<br />
noch. Mit einer eleganten Drehung tänzelte sie weiter, schaute aber<br />
zwischendurch immer nach dem kleinen Unglücksengel.<br />
Vor lauter Begeisterung und Staunen über das, was es hier durch<br />
den kleinen Zwischenfall zu sehen bekam, überhörte das Engelein ein<br />
dumpfes Brausen und übersah sogar den hellen Schein, der ihm direkt<br />
in die Augen leuchtete. „Hohoho, haben wir dich erwischt. Da haben<br />
wir aber Glück gehabt“, polterte da erleichtert eine dröhnende Stimme.<br />
Das gutmütige Brummen dieser tiefen Stimme ließ es den Nikolaus<br />
erkennen, der es schnell in seinen dicken roten Mantel einschlug, damit<br />
es nicht mehr frieren musste und ihm sorgsam seine viel zu große, rote,<br />
pelzverbrämte Mütze schützend auf die silbernen Löckchen stülpte. Er<br />
war gar nicht böse, nur besorgt gewesen, um den kleinen Schützling, der<br />
so zu einer unverhofften Reise mit einer Schneeflocke gekommen war.<br />
Vorwitziges Engelchen | 37
Nun erst entdeckte es auch das Sternlein, das mit seinen frisch<br />
geputzten, hell strahlenden Sternenzacken dem Nikolaus gezeigt hatte,<br />
wo er das verunglückte Engelchen finden konnte, das sonst im Wirbel<br />
der weißen Schneeflocken nicht mehr zu sehen gewesen wäre. „Wie<br />
gut, dass du meine Strahlen so gut geputzt hast“, meinte das Sternlein.<br />
„So konnten wir dich schnell finden.“ Sie freuten sich gemeinsam<br />
darüber, dass alles glimpflich abgelaufen war. Sie bedankten sich artig<br />
bei der gutmütigen Schneeflocke, die nun in den wirbelnden Tanz aller<br />
Schneeflockenkinder mit einstieg und im Sternenlicht besonders schön<br />
schimmerte und glänzte.<br />
So erlebte das Engelchen ein aufregendes Abenteuer und<br />
genoss, vom Glanz seines Sternleins begleitet, die Rückreise im<br />
Nikolausschlitten gen Himmel. Dort warteten die anderen Engelchen<br />
und Sternlein mit süßem Kakao und leckeren Plätzchen gespannt<br />
auf die Schilderung des aufregenden Erlebnisses, vom Sturz und<br />
der Rettung durch die gutmütige Schneeflocke. Danach fiel das<br />
Engelchen, erschöpft von dem aufregenden Abenteuer, in einen<br />
tiefen Schlaf in seinem weichen kuscheligen Wolkenbett und träumte.<br />
Wovon wollt ihr wissen? Na, von der unverhofften, abenteuerlichen<br />
Reise mit einer Schneeflocke auf die Erde und der Rückfahrt im<br />
Nikolausschlitten durch rosarote Himmelswolken.<br />
38 | Vorwitziges Engelchen
Schneeflöckchen Katarinchen<br />
Gisela Kurfürst-Meins<br />
Es war einmal ein kleiner Regentropfen im Himmel, er war ein<br />
Mädchen und hieß Katarinchen. Petrus ließ Katarinchen mit noch<br />
ganz vielen anderen Tröpfchen in eine Wolke steigen und aus<br />
der Wolke regneten viele große und kleine Tropfen auf die Erde.<br />
Katarinchen fiel in einen Bach, der floss in einen Fluss, dieser<br />
wiederum in einen großen Strom und der Strom ins große weite<br />
Meer.<br />
Katarinchen hatte viel Freude, sie sang und lachte mit allen anderen<br />
Tropfen. Ein kleines Tröpfchen hieß Mariechen und erzählte, dass es<br />
einmal zur Winterszeit eine wunderschöne weiße Schneeflocke war.<br />
Katarinchen wollte von da an auch eine sein. Als die Sonne kam und<br />
viele Tröpfchen aufleckte, sodass sie wieder in den Himmel kamen,<br />
ging Katarinchen zu Petrus und fragte ihn ob sie beim nächsten Mal,<br />
wenn sie wieder auf die Erde durfte, eine Schneeflocke sein kann.<br />
Und da es gerade Winter wurde, willigte er ein.<br />
Katarinchen bekam ein wunderschönes weißes Gewand und<br />
sah aus wie ein kleiner Stern. Sie nahm in der Wolke Platz und diese<br />
ließ alle Schneeflocken auf die Erde fallen. Katarinchen landete auf<br />
einem Fensterbrett und sah von oben einen schönen Schneemann,<br />
sie fragte ihn, wie lange er denn schon da war. Der Schneemann<br />
erzählte ihr, dass die Kinder ihn heute Morgen erst gebaut hatten.<br />
Etwas weiter stand ein kleines Tannenbäumchen und es sprach<br />
davon, dass es unbedingt zu Heiligabend der Weihnachtsbaum sein<br />
wollte. Katarinchen wusste nicht, was ein Weihnachtsbaum ist und<br />
Schneeflöckchen Katarinchen | 39
von Weihnachten hatte sie auch noch nie etwas gehört. Der Baum<br />
erzählte ihr, wie schön es Heiligabend bei den Menschen zugeht.<br />
Dass die Kinder ganz große glänzende Augen bekamen, wenn sie<br />
den festlich geschmückten Weihnachtsbaum sahen und sie ihre<br />
Geschenke auspacken durften. Die kleine Schneeflocke freute sich<br />
und wollte auch unbedingt alles sehen.<br />
Sie lag ein paar Tage auf der Fensterbank und hörte den<br />
schönen Erzählungen des kleinen Bäumchens zu. Dann kam der<br />
Weihnachtsmorgen, der Tannenbaum wurde gefällt, in die Stube<br />
getragen und wunderschön mit vielen bunten Kugeln geschmückt.<br />
Katarinchen konnte alles ganz genau sehen und erzählte es ihrem<br />
Freund dem Schneemann. Gegen Abend sah das Schneeflöckchen, dass<br />
auf einmal ein Mann mit weißem Bart und rotem Anzug in die Stube<br />
zu den Kindern kam und aus einem großen Sack Geschenke verteilte.<br />
Die Kleinen mussten ein Gedicht aufsagen und dann sangen alle ein<br />
sehr schönes Lied. Oh du fröhliche, oh du selige, gnadenbringende<br />
Weihnachtszeit…. Es war so schön, Katarinchen vergaß ganz, all das<br />
dem Schneemann zu erzählen. Der war schon sehr ungeduldig. Die<br />
beiden sprachen noch bis in die Nacht hinein über diesen schönen<br />
Weihnachtsabend.<br />
Am anderen Morgen wurde es ziemlich warm, 13 Grad<br />
über Null und bevor die kleine Schneeflocke anfing zu schmelzen,<br />
verabschiedete sie sich von ihrem Freund dem Schneemann und<br />
schwor, dass sie sich nächstes Jahr zur selben Zeit wieder treffen<br />
wollten. Katarinchen hatte es so gut auf der Erde gefallen, dass sie<br />
von nun an, immer zur Winterszeit, als Schneeflöckchen zu den<br />
Menschen zurückkam.<br />
40 | Schneeflöckchen Katarinchen
Nachwort<br />
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Nachwort | 41
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42 | Nachwort
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Nachwort | 43