Israel, Palästina und die deutsche Linke - Buko
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Reader zum BUKO-Ratschlag: <strong>Israel</strong>, <strong>Palästina</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>deutsche</strong> <strong>Linke</strong> 31<br />
„Kollaborateur mit dem Feind“.[19] Selbst der sich sonst liberal gebende Vorsitzende der Shinui-Partei Lapid sprach<br />
von „gescheiterten Politikern der <strong>Linke</strong>n“, <strong>die</strong> hier verhandelt hätten <strong>und</strong> untersagte seiner Partei eine Unterstützung<br />
der Intitiative.[20] Natan Sharansky, Minister für Jerusalem <strong>und</strong> Diaspora-Angelegenheiten sprach unter der Überschrift<br />
„Der Tempelberg ist wichtiger, als Frieden“ von unverantwortlichen Konzessionen <strong>und</strong> meinte: „Ohne Jerusalem<br />
wird <strong>Israel</strong> zu einer weiteren jüdischen Gemeinde werden wie so viele auf der Welt, wie <strong>die</strong>jenige in New York,<br />
London, oder Toronto, nur gefährlicher, weniger reich <strong>und</strong> weniger bequem.“[21] Den vorläufigen Höhepunkt erreichte<br />
<strong>die</strong> Kritik mit einem Schreiben des Abgeordneten Shaul Jahalom von der an der Regierung beteiligten Nationalreligiösen<br />
Partei an den Rechtsberater der Regierung. Die Taten der Initiatoren der Genfer Vereinbarung stellten einen<br />
Verrat dar, der mit Todes- oder lebenslanger Haftstrafe bestraft werden müsse.[22] In seiner Antwort schreibt der<br />
Rechtsberater Rubinstein, <strong>die</strong> Öffentlichkeit <strong>und</strong> <strong>die</strong> politische Arena sei der angemessene Ort der Auseinandersetzung<br />
mit der Angelegenheit <strong>und</strong> nicht <strong>die</strong> strafrechtliche Ebene. Die liberale Tageszeitung Ha’aretz kommentierte: „Diejenigen,<br />
<strong>die</strong> jetzt eine Kampagne zur Delegitimierung einer Person oder Gruppe starten, sind verantwortlich für jeglichen<br />
Akt politischer Gewalt, der stattfindet, wenn <strong>die</strong> Dinge außer Kontrolle geraten.“[23]<br />
Die schärfste Kritik außerhalb des Regierungslagers kam vom früheren Ministerpräsidenten Ehud Barak. Er sprach von<br />
einem irreführenden Friedensplan, der eindeutig <strong>die</strong> Interessen des Staates <strong>Israel</strong> verletzte.[24] Wiederum Ha’aretz<br />
kommentierte <strong>die</strong>se <strong>und</strong> andere Kritiken aus der Arbeitspartei mit der Bemerkung: „Niemand von ihnen hat eine Alternative<br />
zu dem diplomatischen Ödland der Scharon-Regierung vorgelegt. (...) Die Arbeitspartei muss entscheiden, ob sie<br />
stumm hinter der Rechten her trottet, oder ob sie Partner bei dem mutigen Versuch sein will, Frieden zu einem<br />
schwierigen Preis zu erringen.“[25] Parteichef Shimon Peres äußerte sich zunächst nicht zu der Initiative, dann vorsichtig<br />
positiv.[26] Erst in der ersten Sitzung des israelischen Parlaments nach der Sommerpause verteidigt er <strong>die</strong> Initiative<br />
offensiv. Jeder Bürger habe das Recht, zu reden <strong>und</strong> Modelle für den Frieden zu suchen.[27] Der ehemalige Generalstabschef<br />
Amnon Lipkin-Shakak, der zu den Initiatoren des Dokuments gehört, erklärte, er würde sich freuen,<br />
wenn Ministerpräsident Scharon aus den Übereinkünften, <strong>die</strong> zwischen einer Gruppe von <strong>Israel</strong>is <strong>und</strong> einer Gruppe<br />
von Palästinensern erzielt wurden, eine noch bessere Vereinbarung bilden könnte. „An <strong>die</strong> israelische Regierung habe<br />
ich eine Botschaft: wenn Ihnen <strong>die</strong>se Lösung nicht behagt, dann sagen Sie dem israelischen Volk, was <strong>die</strong> Lösung ist.<br />
Sagen Sie, wohin <strong>die</strong>s alles führen soll.“[28] In der gleichen Zeitung schrieb Industrie- <strong>und</strong> Handelsminister Ehud<br />
Olmert am gleichen Tag: „Das Herz zieht sich vor Wut, Schmerz <strong>und</strong> Erstaunen zusammen, dass <strong>Israel</strong>is eine solche<br />
Vereinbarung unterschrieben haben.“[29] Yossi Sarid, ehemaliger Vorsitzender <strong>und</strong> Abgeordneter der Partei Meretz<br />
sprach von einem guten <strong>und</strong> effektiven Dokument <strong>und</strong> prophezeite: „Man sollte sich vormerken: wenn eines Tages ein<br />
Friedensabkommen zwischen uns <strong>und</strong> den Palästinensern unterzeichnet wird, dann wird es aussehen wie <strong>die</strong>ses Genfer<br />
Dokument, vielleicht mit leichten Änderungen. Oder es wird überhaupt kein Abkommen geben, <strong>und</strong> Menschenleben<br />
werden hier weiterhin so viel wert sein wie das Leben einer Mücke.“[30] Amram Mitzna, von November 2002 bis März<br />
2003 Vorsitzender der Arbeitspartei warf Ministerpräsident Scharon vor, drei Jahre lang <strong>die</strong> Bevölkerung einer Gehirnwäsche<br />
mit dem Argument, nur Gewalt könne den Sieg bringen, ausgesetzt zu haben. „Die Genfer Initiative ist der<br />
kleine Junge, der ruft, dass der Kaiser keine Kleider trägt; dass <strong>die</strong> Regierung uns in <strong>die</strong> Katastrophe führt. Die wütenden<br />
Reaktionen von ihnen belegen das. Die Regierung ist in zu Recht Panik. Eine Führungspersönlichkeit, <strong>die</strong> sein<br />
Volk wissend <strong>und</strong> mit Absicht in den Krieg führt <strong>und</strong> das Blut der Bürger frei fließen lässt, ist eine illegitime Führungspersönlichkeit.[31]<br />
An anderer Stelle erklärte er, wenn <strong>Israel</strong> der Inhalt <strong>die</strong>ses Dokumentes am Tag nasch dem 6-<br />
Tage-Krieg angeboten worden wäre, hätte man in den Straßen getanzt.[32] Der israelische Präsident Katzav äußerte<br />
sich im Prinzip positiv über Gespräche mit Palästinensern mit dem Ziel, eine Friedensvereinbarung zu erreichen. Allerdings<br />
äußerte er Verärgerung über den Zeitpunkt <strong>und</strong> <strong>die</strong> Konsequenzen <strong>die</strong>ser Initiative: „Zu <strong>die</strong>sem schwierigen<br />
Zeitpunkt ist es wichtig, <strong>die</strong> israelische Regierung nicht in <strong>die</strong> Ecke zu drängen.“[33]<br />
Beilin wird vorgeworfen, wie schon beim Einfädeln des Oslo-Abkommens, alles im Geheimen zu unternehmen <strong>und</strong><br />
sich dabei aus der EU <strong>und</strong> anderen Quellen finanzieren zu lassen.[34]<br />
Der Vorwurf, <strong>die</strong> <strong>Israel</strong>is, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Initiative involviert waren, hätten kein politisches Mandat, wird von dem israelischen<br />
Schriftsteller Amos Oz zurückgewiesen. Woche für Woche zeigten Umfragen, dass ungefähr 70% der Wahlberechtigten<br />
auf beiden Seiten für einen Waffenstillstand <strong>und</strong> für eine Zwei-Staaten-Regelung einträten.[35] Die Initiatoren<br />
seien sich sehr wohl bewusst, dass Scharon <strong>und</strong> sein Kabinett <strong>die</strong> rechtmäßige Regierung <strong>Israel</strong>s seien. Das Ziel<br />
ihrer „Übung“ sei, der israelischen <strong>und</strong> palästinensischen Bevölkerung ein Fenster aufzuzeigen, durch das <strong>die</strong>se eine<br />
andere Landschaft sehen könnten: „keine Autobomben <strong>und</strong> Selbstmordattentate mehr, keine Besatzung <strong>und</strong> Unterdrückung<br />
<strong>und</strong> Enteignung, kein weiterer endloser Krieg <strong>und</strong> Hass.[36] Yossi Beilin begründet <strong>die</strong> Initiative so: „Eine<br />
Fortsetzung der derzeitigen israelischen Politik, nach der ein Dialog verboten ist, bis der Terrorismus ein Ende hat,<br />
gibt den Terroristen einen Preis, <strong>die</strong> kein Interessen an einem Frieden haben. Drei Jahre nachdem Ministerpräsident<br />
Scharon Sicherheit <strong>und</strong> Frieden versprochen hat – <strong>und</strong> uns weniger Frieden <strong>und</strong> weniger Sicherheit gegeben hat – ist<br />
<strong>die</strong> Zeit gekommen um einen Anderen Weg zu gehen: <strong>die</strong> Genfer Vereinbarung bietet <strong>die</strong> einzige praktische Alternative.“[37]<br />
Auch Nathan Sznaider spricht von einer wirklichen Alternative <strong>und</strong> schreibt zur Problematik der Zwei-Staaten-<br />
Regelung: „Ethno-nationale Staaten mögen zwar im globalen, multikulturellen Zeitalter ein Anachronismus sein. Doch<br />
in Regionen, in denen sich ethno-nationale Gruppen eben wegen ihres Ethnos noch ermorden, ist es in erster Linie<br />
angebracht, für <strong>die</strong> Souveränität <strong>und</strong> Sicherheit <strong>die</strong>ser Gruppen zu sorgen, ganz gleich, ob <strong>die</strong>s anachronistisch ist,