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Israel, Palästina und die deutsche Linke - Buko

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Reader zum BUKO-Ratschlag: <strong>Israel</strong>, <strong>Palästina</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>deutsche</strong> <strong>Linke</strong> 1<br />

Perspektiven im <strong>Palästina</strong>konflikt<br />

Alexander Flores<br />

Ich möchte hier einige prinzipielle Überlegungen zu den Perspektiven des <strong>Palästina</strong>konflikts vorstellen. Dabei gehe ich<br />

von der gegenwärtigen Situation aus, sage dann etwas zum Charakter <strong>und</strong> zur Substanz des Konflikts sowie zu den<br />

Veränderungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se im Verlauf der Entwicklung durchgemacht haben, dann gehe ich auf <strong>die</strong> Hauptprobleme des<br />

heutigen Stadiums ein <strong>und</strong> komme schließlich zu den Desideraten der Konfliktregelung aus palästinensischer Sicht, zu<br />

den Erwartungen <strong>und</strong> den Perspektiven. Den Begriff "Friedensperspektiven" vermeide ich dabei bewusst - <strong>die</strong> Rede<br />

vom Frieden ist in unserem Zusammenhang allzu oft strapaziert worden. Vielleicht täte ihm eine Karenzzeit gut <strong>und</strong><br />

man sollte besser von Konfliktregelung sprechen.<br />

Wir sehen schon seit längerer Zeit, ganz dramatisch aber in den letzten Monaten, dass der sog. Oslo-Prozeß, d.h. der<br />

Versuch, den Konflikt aufgr<strong>und</strong> einer ganz bestimmten Formel einer Regelung näherzubringen, nicht zu dem gewünschten<br />

Ergebnis geführt hat. So, wie der Oslo-Prozeß gelaufen ist, hat er das Verhältnis der Konfliktpartner nicht<br />

verbessert; <strong>die</strong> al-Aqsa-Intifada, ihre harte Unterdrückung <strong>und</strong> <strong>die</strong> terroristischen Anschläge der letzten Zeit zeigen<br />

eher eine dramatische Verschlechterung des Verhältnisses. Um das zu verstehen, müssen wir nach einem Blick auf <strong>die</strong><br />

Substanz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Entwicklung des Konflikts den Oslo-Prozeß selber etwas genauer unter <strong>die</strong> Lupe nehmen.<br />

Substanz <strong>und</strong> Entwicklung des <strong>Palästina</strong>konflikts<br />

Es wird oft angenommen, der <strong>Palästina</strong>konflikt sei ein Nullsummenspiel, ein Kampf auf Leben <strong>und</strong> Tod zwischen zwei<br />

nationalen Gruppen - zionistische Juden <strong>und</strong> palästinensische Araber - um dasselbe begrenzte Territorium, nämlich<br />

<strong>Palästina</strong> in den Grenzen des Mandats. Diese Annahme ist in mancher Hinsicht richtig. Sie wird aber irreführend, wenn<br />

man nicht <strong>die</strong> Dynamik des Konflikts in all ihrer Tragweite in <strong>die</strong> Betrachtung einbezieht. Diese Dynamik ist <strong>die</strong> einer<br />

enormen Verschiebung in der Bevölkerungszusammensetzung <strong>und</strong> in der jeweiligen Kontrolle der Konfliktparteien<br />

über das Land. In den ersten Sta<strong>die</strong>n <strong>die</strong>ser Entwicklung war <strong>die</strong> Auseinandersetzung tatsächlich existentiell; beide<br />

Parteien wollten <strong>die</strong> Oberhand gewinnen, <strong>und</strong> Gegenstand des Kampfs war das ganze Mandatspalästina. In den letzten<br />

Jahrzehnten änderte sich das - Gegenstand des Kampfs sind jetzt in jeder praktischen Hinsicht nur noch <strong>die</strong> 1967<br />

von <strong>Israel</strong> besetzten palästinensischen Gebiete, Westbank einschließlich Jerusalem <strong>und</strong> Gazastreifen. Das Staatsgebiet<br />

<strong>Israel</strong>s ist im wesentlichen nicht mehr umstritten - was auch immer gelegentlich in <strong>die</strong>ser Hinsicht behauptet wird.<br />

Und das eröffnet auch <strong>die</strong> Möglichkeit eines territorial angelegten Kompromisses zwischen beiden Völkern über <strong>die</strong><br />

Zukunft des Landes, konkret gesprochen, seiner Teilung.<br />

Um einmal einige Sta<strong>die</strong>n der Entwicklung zu nennen:<br />

1. Im Anfang rannten <strong>die</strong> Zionisten gegen <strong>die</strong> überwältigende demographische Überlegenheit der Palästinenser an.<br />

Sie taten das vor 1918 unter ungünstigen, danach unter für sie günstigen politischen Bedingungen, nämlich im<br />

Bündnis mit der britischen Mandatsmacht, <strong>die</strong> ihnen massive Einwanderung <strong>und</strong> Landerwerb sowie den Aufbau<br />

eines Protostaats ermöglichte. Das führte dann 1948 zu dem gewaltigen Umschwung in der Bevölkerungszusammensetzung<br />

<strong>und</strong> der Kontrolle über das Land: Gründung des Staats <strong>Israel</strong> auf 78 Prozent von Mandatspalästina<br />

einerseits, Nakba oder palästinensische Katastrophe, Flucht, Vertreibung <strong>und</strong> Deposse<strong>die</strong>rung von 750.000 Palästinensern<br />

<strong>und</strong> Verhinderung palästinensischer Staatlichkeit auf der anderen Seite.<br />

2. Im nächsten Stadium dann rannten <strong>die</strong> Palästinenser gegen <strong>die</strong> israelische Dominanz über das Land an; zunächst<br />

aus der äußerst schwachen Position ihrer Zerstreuung, dann mit dem Aufbau einer neuen, unabhängigen palästinensischen<br />

Widerstandsbewegung, <strong>die</strong> unter den gegebenen Bedingungen dem Staat <strong>Israel</strong> jede Legitimation absprach,<br />

ihn zerstören <strong>und</strong> durch einen palästinensischen Nationalstaat ersetzen wollte, in dem allerdings Juden<br />

Existenzrecht haben sollten. Im Hinblick auf <strong>die</strong>ses Ziel blieben <strong>die</strong> Palästinenser allerdings ganz erfolglos.<br />

3. Ganz im Gegenteil übernahm <strong>Israel</strong> dann in der Folge des Kriegs von 1967 <strong>die</strong> Kontrolle auch über <strong>die</strong> bis dahin<br />

arabisch verbliebenen Teile von <strong>Palästina</strong>, <strong>die</strong> Westbank <strong>und</strong> den Gazastreifen. Damit war es im Besitz von ganz<br />

Mandatspalästina, aber im Unterschied zu 1948 blieb <strong>die</strong> arabische Bevölkerung der neu eroberten Gebiete mehrheitlich<br />

im Land. Es trat also eine Überlappung ein: israelische Herrschaft, palästinensische Bevölkerung. Unmittelbar<br />

nach dem Krieg von 1967 wollte <strong>Israel</strong> offiziell <strong>die</strong> besetzten Gebiete als Faustpfand für eine Friedensregelung<br />

verstanden wissen, etwa nach dem Muster: Rückgabe der Gebiete gegen Anerkennung durch <strong>und</strong> Friedensverträge<br />

mit den Arabern. Das lehnten <strong>die</strong> arabischen Staaten zu <strong>die</strong>ser Zeit ab, besonders heftig aber <strong>die</strong> in der<br />

PLO vertretene palästinensische Bewegung. Die meisten arabischen Staaten änderten <strong>die</strong>se Position recht bald.<br />

4. Die Palästinenser als Hauptgeschädigte der israelischen Staatsgründung taten sich mit einer Revision ihrer Position<br />

schwerer. Auch sie änderten ihre Haltung, aber in einem längerdauernden Prozeß. Ohne das den Palästinensern<br />

angetane Unrecht zu legitimieren, erkannten <strong>die</strong> Führer der PLO, daß sie mit dem von ihnen proklamierten bewaffneten<br />

Kampf gegen <strong>Israel</strong> wenig ausrichten konnten, <strong>und</strong> sie erkannten auch immer deutlicher <strong>die</strong> Dringlichkeit<br />

einer Regelung, welche <strong>die</strong> Palästinenser selbst vor noch größerem Schaden bewahren würde. In erster Linie<br />

wurde das an <strong>und</strong> in den 1967 besetzten Gebieten klar. Hier vollzogen sich Prozesse der Anbindung <strong>und</strong> jüdischen<br />

Besiedlung, <strong>die</strong> im Fall ihrer Fortsetzung den Palästinensern auch das letzte Stück normaler Existenz auf

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