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Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept

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<strong>Laura</strong> <strong>Steiner</strong>


<strong>Diplomarbeit</strong><br />

eingereicht an der<br />

FH JOANNEUM<br />

Fachhochschulstudiengang Informations-<strong>Design</strong><br />

vorgelegt im Oktober 2008 von<br />

<strong>Laura</strong> <strong>Steiner</strong><br />

Alte Poststraße 152<br />

8020 Graz<br />

Betreuer<br />

Martin Ross<br />

<strong>Design</strong> zum Knicken


The aim of this diploma thesis was to learn more about paper fashion, to promote this fascinating<br />

art form <strong>and</strong> to design my own paper dresses with the knowledge I had acquired.<br />

The first chapter covers the history of paper. It starts with the precursors of this culture bearer<br />

<strong>and</strong> Washi, the Japanese paper, going on to the different attempts to use substitute materials<br />

like rags <strong>and</strong> tatters. The chapter ends with the invention of paper in China <strong>and</strong> how it<br />

changed the Western world forever.<br />

The second chapter deals with the evolution of different textile-like papers. Firstly, the<br />

Japanese papers are discussed: Kozo, Gampi <strong>and</strong> Mitsumata, which are made of the pa-<br />

per mulberry tree. Holohedral paper clothes, the so-called Kamikos are made out of this<br />

paper as well are Shifu fabrics, which are made of paper weaving yarns. Following this,<br />

Tapa <strong>and</strong> Amatl are presented. These are clothes made out of the inner bark of the pa-<br />

per mulberry tree <strong>and</strong> originate from the isl<strong>and</strong>s of the Pacific as well as from South<br />

America. The paper clothes of the mid <strong>and</strong> post war period <strong>and</strong> the industrial-made pa-<br />

per yarns are also explained in greater detail. Finally, felt <strong>and</strong> synthetic paper like Tyvek<br />

which is used in the medicinal branch because of its antiseptic value <strong>and</strong> by artists are<br />

mentioned for the sake of completeness.<br />

In the third chapter, artists <strong>and</strong> fashion designers who followed extraordinary paths with<br />

this art form are introduced. Two of them are Isabelle de Borchgrave <strong>and</strong> Rita Brown, who<br />

recreate clothes from different periods of fashion history with the help of paper. Another duo<br />

are Ann Schmidt-Christensen <strong>and</strong> Grethe Wittrock who started the “Project Papermoon”<br />

where they tried out new techniques with Shifu fabrics.<br />

My work piece is presented in the fourth chapter. Three paper dresses reflect the know-<br />

ledge <strong>and</strong> experience I have gathered so far. They were made of two sorts of Japanese Kozo<br />

that is characterized by particular tensile strength in low grammages as well as by a very<br />

textile-like impression. These clothes were illustratively decorated with various fancy<br />

stained papers. They are presented by a Vietnamese girl who embodies the origin of these<br />

dresses. Furthermore, she establishes the connection to the modern western industrial<br />

world in these partly Asian, partly western cuts. The photos were taken around the harbor<br />

of Hamburg: In the Speicherstadt <strong>and</strong> on the Marco Polo Terassen at the Hafencity, an en-<br />

tirely newly built district.<br />

Das Ziel dieser <strong>Diplomarbeit</strong> war es, mehr über Papierkleider herauszufinden, diese großar-<br />

tige Kunst bekannter zu machen und mit dem erlangten Wissen schließlich selbst Papier-<br />

kleider zu gestalten.<br />

Das zweite Kapitel erzählt die Geschichte des Papiers <strong>–</strong> von den Vorläufern dieses Kultur-<br />

trägers, wie Washi, dem Papier in Japan, über die verschiedensten Experimente mit Ersatz-<br />

stoffen, wie Hadern und Lumpen, bis hin zur Erfindung des Papiers in China und wie diese<br />

schlussendlich die westliche Welt für immer verändern sollte.<br />

Im dritte Kapitel werden die Vorkommnisse verschiedenster textilhafter Papiere aufgezeigt.<br />

Hier ist von den japanischen Papieren Kozo, Gampi und Mitsumata die Rede, die aus dem<br />

Papiermaulbeerbaum hergestellt und entweder zu vollflächigen Kamiko-Kleidern oder als<br />

Papiergarne zu gewebten Shifu-Stoffen verarbeitet werden. Außerdem werden die Rindenbaststoffe<br />

Tapa und Amatl vorgestellt, die auf den pazifischen Inseln und in Südamerika<br />

hergestellt wurden sowie die Papierkleider in der Zwischen- und Nachkriegszeit und die<br />

industriell hergestellten Papiergarne. Nicht zuletzt werden der Vollständigkeit halber auch<br />

Filz und synthetische Papiere, wie Tyvek, das zum Beispiel im Bereich der Medizin wegen<br />

seiner antiseptischen Wirkung und auch von Künstlern verwendet wird, beschrieben.<br />

Das vierte Kapitel stellt Künstler und Modedesigner von heute vor, die mit ihren Papierkleidern<br />

besondere Wege eingeschlagen haben. Beschrieben werden hier beispielsweise die<br />

Arbeiten von Isabelle de Borchgrave und Rita Brown, die Kleider aus der Modegeschichte<br />

aus Papier rekreieren, oder Ann Schmidt-Christensen und Grethe Wittrock, die mit dem<br />

„Project Papermoon“ mit Shifu-Stoffen stets neue Wege gehen.<br />

Das Thema des fünfte Kapitels ist mein Werkstück. Dies sind drei Papierkleider, die mein<br />

gesammeltes Wissen und meine Erfahrung widerspiegeln. Mit zwei Arten von japanischem<br />

Kozo, das sich auch bei geringen Grammaturen durch besondere Reißfestigkeit sowie eine<br />

äußerst textile Anmutung auszeichnet, wurden die Kleider realisiert und mit verschiedenen<br />

Effektpapieren ausdrucksvoll gestaltet. Präsentiert werden die Stücke von einem Mädchen<br />

aus Vietnam, das auf den Ursprung dieser Kleider hinweist und in den teils asiatischen, teils<br />

westlichen Schnitten die Brücke zu der modernen westlichen und industriellen Welt schafft.<br />

Die Fotos wurden rund um den Hamburger Hafen aufgenommen: In der Speicherstadt und<br />

auf den Marco Polo Terassen in der Hafencity, einem komplett neu entstehenden Viertel.


1. Einleitung ------------------------------------------------------------------------------------------------------- 01<br />

2. Papiergeschichte --------------------------------------------------------------------------------------------- 03<br />

1.1 Papyrus in Ägypten 04<br />

1.2 Die Erfindung des Papiers in China 04<br />

1.3 Washi in Japan 06<br />

1.4 Der Westen 07<br />

1.4.1 Wiederkehrende Rohstoffknappheit und Suche nach Ersatzstoffen 10<br />

3. Textilhaftes Papier ------------------------------------------------------------------------------------------- 13<br />

2.1 Washi − Kulturgut im alten Japan 14<br />

2.1.1 Kamiko − Die Körperhülle aus Papier 16<br />

Ursprung 16<br />

Verbreitung 19<br />

Herstellungsverfahren 20<br />

Anwendungen im Alltag 21<br />

2.1.2 Shifu-Stoffe − Kleidung aus Papiergarnen 22<br />

Ursprung 24<br />

Verbreitung 24<br />

Die Nachwirkungen des einstmals so verbreiteten Shifus 25<br />

Herstellungsverfahren 26<br />

2.2 Tapa und Amatl − Die Rindenbaststoffe rund um die Erde 30<br />

2.2.1 Tapa in den verschiedenen Kulturen 30<br />

Der aufwändige Herstellungsprozess von Tapa-Stoffen 34<br />

Anwendung von Tapa-Stoffen auf den pazifischen Inseln 35<br />

2.2.2 Amatl in Mittelamerika 44<br />

2.2.3 Anwendung heute 45<br />

2.2.4 Filz 45<br />

2.3 Textiles Papier im Westen 46<br />

2.3.1 Papierwäsche in Zeiten der Not 46<br />

2.3.2 Industriell hergestellte Papiergarne 47<br />

2.4 Synthetische Papiere 48<br />

2.4.1 Tyvek 50<br />

4. Mehr als Papier ------------------------------------------------------------------------------------------------ 51<br />

3.1 Papier − Der Ersatzstoff in einer Wegwerfgesellschaft 52<br />

3.2 Mode aus Papier − Die <strong>Design</strong>er von heute 54<br />

3.2.1 Isabelle de Borchgrave und Rita Brown 55<br />

3.2.2 Charlie Thomas 57<br />

3.2.3 Rei Kawakubo 58<br />

3.2.4 Ann Schmidt-Christensen und Grethe Wittrock − „Project Papermoon“ 59<br />

3.2.5 Hussein Chalayan 61<br />

3.2.6 Julie Nioche 63<br />

5. Kleider aus Papier von mir ------------------------------------------------------------------------------- 65<br />

4.1 Das Papier 65<br />

4.2 Die Bearbeitung 65<br />

4.3 Die Kleider 66<br />

Stolz 66<br />

Schönheit 67<br />

Mut 67<br />

4.4 Die Dokumentation 68<br />

6. Fazit --------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 87<br />

Literaturverzeichnis ------------------------------------------------------------------------------------------- 89<br />

Abbildungsverzeichnis ---------------------------------------------------------------------------------------- 91


01<br />

Papier strahlt eine einzigartige haptische und optische Anziehungskraft aus, der sich nie-<br />

m<strong>and</strong> so einfach entziehen kann. Nicht nur das Wissen, das auf ihm festgehalten wird, son-<br />

dern auch seine individuelle Qualität schwingt beim Durchblättern von Büchern, Zeit-<br />

schriften und <strong>and</strong>eren Papierprodukten mit. Nicht umsonst verwenden wir eine Zeitung<br />

nach dem Lesen oft auch zum Ausstopfen, würden aber selbst in der heutigen Zeit, in der<br />

Bücher ständig der Aktualität hinterher hinken, ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn<br />

sie im Müll l<strong>and</strong>en. Stattdessen stellen wir sie behutsam in ein Bücherregal, denn die eigent-<br />

lich Aufgabe von Papier liegt im Bewahren. Das papierfreie Büro, das schon seit langer Zeit<br />

prophezeit wird, bleibt wohl noch für längere Zeit ein eher utopischer Gedanke. Im Zeitalter<br />

der Digitalisierung haben wir oft den Eindruck, als würden uns wichtige Daten entgleiten,<br />

weil wir sie einfach nicht mehr angreifen können. Um dieser Datenverlustangst entgegen-<br />

zuwirken und uns in Sicherheit zu wähnen, haben wir angefangen, alles möglich Essenziel-<br />

le festzuhalten und auszudrucken. Infolgedessen spielen wir uns vor, wir könnten alles im<br />

Nachhinein lesen, was wir im Vorhinein gedruckt haben. So verlassen wir, ohne überhaupt<br />

irgendetwas gelesen zu haben, Bibliotheken mit einem Stapel an losen Papieren, die wir<br />

wohl nie mehr ordnen oder zur H<strong>and</strong> nehmen werden.<br />

Neben den offensichtlichen Faktoren, wie Inhalt und Gestaltung eines Magazins, gibt es<br />

noch <strong>and</strong>ere Gründe, weshalb man zu genau diesem einen greift, anstatt sich bei ähnlichem<br />

Inhalt für das <strong>and</strong>ere zu entscheiden. Während es Menschen gibt, die sich schon lange in-<br />

tensive Gedanken machen, welches Papier wohl das Geeignetste wäre, können die meis-<br />

ten dieses Gefühl, mit dem sie etwas positiv belegen, nicht näher definieren. Einer dieser<br />

vom Bewusstsein meist unbemerkten, aber durchaus wesentlichen Faktoren stellt die Wahl<br />

des Papiers dar. Papiere können transparent, lederartig, isolierend, aber auch waschbar sein.<br />

Wir wissen zwar meist von der Vielfältigkeit und den verschiedenen Anwendungen von<br />

Papier, uns ist aber nicht bewusst, wie sehr es unser Leben wirklich beherrscht. Wir ver-<br />

trauen auf seine Wertigkeit als Papiergeld, schätzen seine Beständigkeit als Informations-<br />

träger, verwenden es aufgrund seiner hautfreundlichen Eigenschaften als Toilettenpapier<br />

oder Servietten. Besonders erstaunlich ist aber der Einsatz von Papier als Kleidungsstück.<br />

Aus papierenen Flächen, die außerordentlich stofflich anmuten oder in Form von Streifen<br />

aus Recyclingpapier, die zu Flächen verwoben werden, mit stabilisierenden Substanzen ver-<br />

stärkt, entsteht großartige Mode aus Papier.<br />

Diese den meisten Leuten so fremde Kunstform findet nicht nur seit Jahrhunderten in Ja-<br />

pan, auf den pazifischen Inseln und in Südamerika ihre Anwendung, auch in der Zwischen-<br />

und Nachkriegszeit kleidete man sich im Westen zumindest teilweise in Papier. Viele Modeund<br />

Grafikdesigner wie auch Gestalter entdecken dieses Material immer wieder aufs Neue.<br />

Das Ziel dieser Arbeit ist es also, das Thema Papier mit seiner faszinierenden Anwendung<br />

bei Kleidungsstücken Leuten näher zu bringen und sie in Staunen zu versetzen, was alles<br />

möglich ist.


03<br />

Abb. 01: Ausschnitt aus einer<br />

Grabstele, einem so genannten<br />

Hirschstein bei Mörön. Mongolei,<br />

12./11. Jhd. v. Chr.<br />

Der menschliche Drang, sein Wissen gestalterisch festzuhalten, trieb ihn schon vor über<br />

40.000 Jahren dazu, auf und in Stein zu zeichnen, zu malen oder zu gravieren. Bereits bei<br />

diesen frühen Schriftträgern war der Anspruch zwischen deren Kompatibilität mit dem da-<br />

für verwendeten Schreibmittel und Schrifttyp hoch. So gab es bereits vor dem Papier viele<br />

Kulturträger, die als Nachweis für die Manifestation des menschlichen Gestaltungswillen<br />

stehen: „Zeichen wurden auf Stein und Felsen gemalt und eingraviert. Dort, wo nicht Ero-<br />

sion und Witterungseinflüsse die Informationen verwischt haben, finden sich noch heute<br />

Dokumente aus alter Zeit. Tontafeln mit eingravierter Keilschrift, beschriftete Holz- und<br />

Bambustafeln, auf kostbare Seide geschriebene Texte, Papyrus aus den Sumpfl<strong>and</strong>schaften<br />

Ägyptens und Pergament aus den gekalkten Häuten von Schafen, Ziegen und Kälbern sind<br />

weitere Beispiele für Schriftträger, welche man vor der Erfindung des Papiers gekannt hat.“<br />

(Weber, Sprache, 14)<br />

Die Suche nach Ersatzstoffen setzt sich über die heutige Zeit hinaus fort und so schrieb man<br />

ganze Bücher auf Birkenrinde und fertigte aus dem Rindenbast des Papiermaulbeerbaums<br />

Kleider an.<br />

Als die Ägypter um 2900 v. Chr. Papyrus als Schriftträger entdeckten, war zweifellos eine<br />

neue Epoche angebrochen. Schon im frühen Reich der Thiniten in Ägypten gibt es Nachweise<br />

für Papyrus, der als Bild- und Schriftträger diente. In der gesamten klassischen Welt<br />

fungierte er lange Zeit als wichtigster Beschreibstoff. Erfahrene Schreiber setzten ihren Text<br />

nicht zu dicht an den R<strong>and</strong>, da dieser schnell brüchig werden konnte und somit kostbares<br />

Wissen hätte verloren gehen können. Diese frühe Form von Layout wurde als Qualitätsmerkmal<br />

angesehen. (Vgl. Weber, Sprache, 21<strong>–</strong>25)<br />

Papyrus ist zwar der Vorläufer des Papiers was seine Funktionalität als Schriftträger betrifft,<br />

in seiner Materialität ist das aus der in den Sumpfniederungen des Nils gedeihenden Schilfart<br />

Cyperus papyrus stammende Produkt durch die Art seiner Herstellung aber vielmehr<br />

den Rindenstoffen zugehörig. Auf die ab dem 3. Jahrhundert auf den pazifischen Inseln aus<br />

den Baumrinden produzierten Stoffe, so genannte Tapa- oder Amatlstoffe, wird in Kapitel<br />

3 „Textilhaftes Papier“ eingegangen. Die kreuzweise gelegten und gehämmerten Streifen<br />

des Schilfs geben dem Papyrus seine eindeutige Struktur. Mit hohen Zöllen belegt, wurde<br />

es in alle bekannten Länder exportiert und behielt seine vorherrschende Stellung bis ins 4.<br />

Jahrhundert n. Chr. Laut Funden in der Wüstenoase Fayum wurde in einem frühen Recyclingverfahren<br />

geschichtetes und zusammengeklebtes Papyrus für Mumiensärge verwendet.<br />

Als aber Papyrus von Pergament als Schriftträger verdrängt wurde, weil es beidseitig<br />

beschreibbar und langlebiger war, entwickelte es sich schnell zum bevorzugten Beschreibstoff<br />

der christlichen Mönche, die die heilige Schrift darauf niederlegten. (Vgl. Weber, Sprache,<br />

22 / Berger, Textilforum, 16)<br />

Zeitgleich zur Entdeckung des Papyrus st<strong>and</strong> in China die Erfindung des Papiers kurz bevor.<br />

Es wurde zum ersten Mal ein papierähnlicher Beschreibstoff aus einem Faserbrei aus<br />

Hanf, Canabis sativa und ähnlichen pflanzlichen Fasern hergestellt. Auch Seidenfäden, unter<br />

der Bezeichnung Kokonpapier1 bekannt, wurden für die ersten Papiere in China verwendet.<br />

Die eigentliche Erfindung des Papiers glückte allerdings erst, als man den Rindenbast<br />

des Papiermaulbeerbaums, Seiden- und Hanfabfälle und geringe Mengen an Lumpen und<br />

1.1 Papyrus in Ägypten<br />

1.2 Die Erfindung des<br />

Pa piers in China<br />

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

1 „Wahrscheinlich h<strong>and</strong>elte es sich dabei um kurze, netzartige überlagerte und verfilzte Fadenschichten von Kokons.“ (Weber, Sprache, 22)


05<br />

Oben links:<br />

Abb. 02: Dünne, papyrusartig geschichtete<br />

Streifen aus gekochter<br />

und gepresster Spargelschale.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 03: Wässern der getrockneten<br />

Papyrusstreifen. Ägypten.<br />

Unten:<br />

Abb. 04: Papyrusernte in Ägypten.<br />

Gravur und W<strong>and</strong>malerei im<br />

Grab von König Neferirkare in<br />

Saqqara, 5. Dynastie, 25./24. Jahrhundert<br />

v. Chr.<br />

alte Fischernetzte zu einer Pulpe2 verarbeitete und daraus mit einer Bambusmatte Papier<br />

schöpfen konnte. (Vgl. Weber, Sprache, 22, 38 / Berger, Textilforum, 16)<br />

Hiermit beginnt die eigentliche Geschichte des Papiers „… im 2. Jahrhundert v. Chr. Im Jahre<br />

1957 wurde in einem Grab in der Provinz Shaanxi, China, ein Papierfragment gefunden,<br />

das die Tücken der Zeit über 2000 Jahre überst<strong>and</strong>en hat. Es wurde auf das Jahr 140 v. Chr.<br />

datiert und ist im regionalen Provinzmuseum Lanzhou, Nordwestchina, ausgestellt. Gleichaltrige<br />

Funde wurden 1997 gemacht.“ (Weber, Sprache, 22) Während das Papier also in China<br />

schon seit 105 n. Chr., als es von Ts’ai Lun verfeinert wurde, bereits unter diesem Begriff<br />

Einzug in die Geschichte gehalten hatte, schrieb man in der westliche Welt noch auf Wachstafeln.<br />

(Vgl. Weber, Sprache, 14, 22)<br />

Allerdings konnte sich das Papier in China nicht von Anfang an durchsetzen. Es wurde<br />

schrittweise eingeführt und konnte sich erst 404 n. Chr. behaupten, „… als der chinesische<br />

Kaiser Huan Xuan die Anordnung erließ, anstelle von Bambusstreifen, Holzplatten oder<br />

Seide nur noch Papier zu beschreiben. Damit reduzierte er die Möglichkeit, Dokumente<br />

durch Abschleifen oder Abkratzen der Schrift zu verfälschen, was bei Papier unmöglich ist,<br />

da die Tusche in die Fasern eindringt. Diese Eigenschaft hat neben dem hohen Preis und<br />

den Beschaffungsproblemen der <strong>and</strong>eren Rohstoffe sicher auch dazu beigetragen, dass das<br />

Papier Bambus, Holz und Seide verdrängte.“ (Weber, Sprache, 39)<br />

Im Jahre 610 n. Chr. dehnte sich das Wissen über die Herstellung von Papier in östliche<br />

Richtung nach Japan aus, wo es unter dem Begriff Washi weltberühmt wurde. Diese h<strong>and</strong>geschöpften<br />

Japanpapiere gelten bis heute als sehr kostbar und unübertrefflich in Stärke,<br />

Glanz und Langlebigkeit. (Vgl. Weber, Sprache, 14 / Leitner, Papiertextilien, 11)<br />

„Die Bezeichnung Washi setzt sich zusammen aus Wa mit der Bedeutung ‚altes Japan‘ und<br />

der Nachsilbe shi, die für ‚Papier‘ steht; Washi ist der allgemeine Begriff für alle h<strong>and</strong>geschöpften<br />

Papiere Japans, auch für jene, die mit Dekoration versehen sind. Vollkommener<br />

ist die Bezeichnung Tesuki Washi, da Tesuki ‚h<strong>and</strong>geschöpft‘ bedeutet. Washi gilt als Symbol<br />

der Reinheit und ist nicht mit dem profanen Begriff des Papiers zu vergleichen.“ (Weber,<br />

Sprache, 109) Im Gegensatz zum typisch westlichen Papier, spricht man Washi sogar bei<br />

niedrigen Grammaturen besondere Stärke, Glanz, natürliche Farbe und lange Lebensdauer<br />

zu. Am Anfang wurden die Papiere in Japan noch aus Hanffasern und Textilabfällen gefertigt,<br />

bis heute haben sich jedoch die Bastfasern von zwei Maulbeerstrauchsorten etabliert:<br />

„Kozo, Broussonetia papyrifera, Vent., und [...] Kozo/Kajinoki, Broussonetia kazinoki, Sieb.<br />

Im 9. Jahrhundert wurde die wild wachsende Pflanze Gampi, Wikstroemia sikokiana, entdeckt.<br />

Der ursprünglich beliebte Rohstoff Hanf für feinstes Papier fiel in der Heian-Periode<br />

(794<strong>–</strong>1185 n. Chr.) in Missgunst und wurde von Kozo und Gampi verdrängt. Im Jahre 1598<br />

ergänzten Mitsumata, Edgeworthia papyrifera, Sieb. und Zucc. aus der Familie Thymelaeaceae,<br />

die Rohstoffpalette.“ (Weber, Sprache, 48)<br />

Die drei Japanpapierarten Kozo, Gampi und Mitsumata weisen in Papierform sehr unterschiedliche<br />

taktile Ergebnisse auf. Im Gegensatz zu Kozo und Mitsumata, aus denen faserige,<br />

seidenmatte und weiche Papiere entstehen, gewinnt man aus Gampi glatte, glänzende,<br />

eher harte und transparente Bogen. Das aus der wild wachsenden Pflanze Gampi gewon-<br />

1.3 Washi in Japan<br />

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

2 Zähflüssige Faserbreimasse, aus der die Papierbogen geschöpft werden (auch Suspension genannt).


07<br />

nene Papier ist noch feiner und wurde nicht vom Bücherwurm befallen, sodass es sich zum<br />

Aktenpapier Japans entwickelte. (Vgl. Weber, Sprache, 109 / Berger, Textilforum, 16) Auch<br />

Kleider aus vollflächigem Washi, bekannt unter der Bezeichnung Kamiko, oder verdrehte<br />

und gewobene Papierfäden, so genannte Shifu-Stoffe, haben Tradition und sind unter Ken-<br />

nern ein regelrechter Geheimtipp.<br />

„In der Heian-Periode war in gut vierzig Präfekturen die Papierherstellung verbreitet und im<br />

8. und 9. Jahrhundert wurde dann die typisch japanische Schöpftechnik nagashizuki mit<br />

dem lose aufgelegten Sieb und einer Hängevorrichtung entwickelt.“ (Weber, Sprache, 48)<br />

Diese Papierherstellungsmethode, mit der hauchdünne Papiere hergestellt werden können,<br />

hat sich bis heute kaum verändert. „Das Spezielle an ihr ist, dass das traditionelle japanische<br />

Schöpfsieb suketa mehrere Male in die Papiermasse eingetaucht wird. Dabei entsteht ein<br />

mehrschichtig verkreuztes, starkes Fasergebilde. Das Verfahren ist nur möglich mit dem ge-<br />

leeartigen Zusatz neri 3 , der aus der Wurzel tororo-aoi, Hibiscus manihot, Abelmoschus mani-<br />

hot oder noriutsuki gewonnen wird.“ (Weber, Sprache, 49)<br />

Zum Ursprung dieser Schöpftechnik heißt es in einer japanischen Sage: „Eine Göttin offen-<br />

barte sich an einem Flussufer in Echizen, im westlichen Teil von Honshu, als wunderschö-<br />

ne Frau. Sie legte einen Teil ihres Kimonos über Bambusstäbe und ahmte damit ein Papier-<br />

schöpfsieb nach, welches sie vor ihrem Körper trug und damit im Fluss Schöpfbewegungen<br />

ausführte. Die Dorfbewohner, die den ungewöhnlichen Vorgang beobachteten, waren er-<br />

staunt und fragten sich, was dies zu bedeuten habe. Die Göttin antwortete der Dorfbevöl-<br />

kerung: ‚Der Boden dieser Erde ist arm, und es fehlt ihm an Fruchtbarkeit, aber das Wasser<br />

aus den Bergen ist rein und klar. Deswegen will ich euch lehren, Papier zu machen, damit al-<br />

les durch dieses H<strong>and</strong>werk leben kann.‘ Die Dorfbewohner fragten, wer die Fremde sei, und<br />

erhielten die Antwort: ‚Mizuhaa-Nome-No-Mikoto, ich bin die Göttin des Wassers.‘ Sie ver-<br />

schw<strong>and</strong> und wurde nie mehr gesehen.“ (Weber, Sprache, 49)<br />

Der für die Papierherstellung verwendete Papiermaulbeerstrauch war in den Klimazonen<br />

des Mittleren Ostens nicht vorh<strong>and</strong>en und gedieh in dieser neuen Umgebung auch nicht.<br />

Stattdessen begannen diese Länder mit ihren reichen Flachs- und Baumwollernten sowie<br />

Produktionsabfällen aus der Textilindustrie und gebrauchten Textilresten, so genannten<br />

Lumpen und Hadern, zu experimentieren. Diese Zutaten waren für die Papiere aus China<br />

und Japan nur nebensächlich, doch in den islamischen Ländern wurden sie zur Hauptmasse<br />

für die Pulpe und erzielten damit in kürzester Zeit außergewöhnliche Ergebnisse. Die<br />

daraus gewonnenen Papiere waren kompakter und fester und entwickelten sich schnell zu<br />

einer wichtigen H<strong>and</strong>elsware. Im Grunde h<strong>and</strong>elte sich dabei um ein frühes Recyclingverfahren,<br />

welches später auch in Europa für die Papierherstellung eingesetzt wurde. Um mit<br />

Textilien Papier herzustellen, wurden sie anfangs von H<strong>and</strong> zerkleinert bis ein Faserbrei<br />

entst<strong>and</strong>. 1670 erleichterte die Erfindung des Holländers, eine Maschine mit rotierenden<br />

Messerwalzen, diese harte H<strong>and</strong>arbeit. (Vgl. Weber, Sprache, 14, 55 / Leitner, Papiertextilien,<br />

10 / Berger, Textilforum, 17)<br />

In Mittel- und Nordeuropa erfreute sich das Papier anfangs keiner großen Beliebtheit. Die<br />

mittelalterlichen Christen st<strong>and</strong>en einem aus dem Islam kommenden Produkt ablehnend<br />

gegenüber und waren auch nicht bereit, ihre religiösen Texte, die nach wie vor auf Perga-<br />

1.4 Der Westen<br />

Links:<br />

Abb. 05: Briefträger mit Bambusstock.<br />

Unten:<br />

Abb. 06: Mit einem Sieb aus der<br />

Pulpe Papier schöpfen.<br />

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

3 „Generelle Bezeichnung für den zähflüssigen Zusatz beim nagashizuki-Verfahren. Das Extrakt wird je nach Gegend aus verschiedenen Wurzeln gewonnen.“ (Weber, Sprache, 205)


09<br />

ment geschrieben wurden, auf einer Unterlage niederzulegen, die aus Lumpen hergestellt<br />

wurde. Durch die Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts zugeschriebene Erfin-<br />

dung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und seiner wohl berühmtesten Arbeit, dem<br />

Druck der Bibel in einer Auflage von 150 Exemplaren auf Papier, hielt dieses als Schrift-<br />

träger schlussendlich auch erfolgreich Einzug in die westliche Welt. Somit hatte sich das<br />

Papier gegen Ende des 17. Jahrhunderts in allen europäischen Kulturkreisen durchgesetzt.<br />

(Vgl. Berger, Textilforum, 17) In Italien wird noch heute Hadernpapier von H<strong>and</strong> in kleinen<br />

Mengen für limitierte und luxuriöse Editionen geschöpft. (Vgl. Weber, Sprache, 59)<br />

Bis ins 19. Jahrhundert wurden Erdgeschosse von Papiermühlen als Lager für tonnenwei-<br />

se Lumpen und Hadern verwendet. Durch die maschinelle Fertigung von Papier konnten<br />

Massen von Faserstoff, der im Sortierraum nach Qualität getrennt sowie zerkleinert und im<br />

Kugelkocher zur weiteren Verarbeitung aufgeschlossen wurde, in sehr großen Mengen ver-<br />

arbeitet werden. Auch die nahegelegenen Textilfabriken geben großen Anlass zur Vermu-<br />

tung, dass neben Hadern und Lumpen auch Reste aus der Textilverarbeiten für die Herstel-<br />

lung von Papier verwendet wurden. (Vgl. Weber, Sprache, 62<strong>–</strong>63)<br />

Wurde bereits in einem venezianischen Dekret von 1366 festgehalten, „… ‚dass zum Wohle<br />

und Nutzen des Papiers, das sehr stark zum Wohlst<strong>and</strong> der Gemeinde beiträgt, keinesfalls<br />

Hadern aus dem Veneto an einen <strong>and</strong>eren Ort gelangen dürfen‘“ (Weber, Sprache, 79),<br />

kam aufgrund dessen der Beruf des lizensierten Lumpensammlers auf. Zu dieser Zeit zogen<br />

Sammler durch die Städte und Dörfer Europas und versuchten, im Tausch gegen Waren wie<br />

Seidenbänder und Spielzeug, kostbare Lumpen zu erhalten. Mehrere Jahrhunderte lang waren<br />

Leinen und Baumwolle die bevorzugten textilen Rohstoffe für die Papierverarbeitung.<br />

Im Jahre 1666 wurden sogar Wollhemden als Totenhemden vorgeschrieben, da die bisher<br />

aus Leinengeweben bestehenden zu kostbar waren. Doch auch diese Recyclingversuche<br />

und die Reduktion von <strong>and</strong>erwärtigem Textilverbrauch konnten die Verknappung der Rohstoffe<br />

nicht aufhalten und so fing man fieberhaft an, nach <strong>and</strong>eren Quellen zu suchen und<br />

experimentierte mit den verschiedensten pflanzlichen Fasen, wie Brennnesseln oder Stroh,<br />

die jedoch dem Qualitätsanspruch von hochwertigem Papier nicht gerecht werden konnten.<br />

(Vgl. Weber, Sprache, 15, 79 / Berger, Textilforum, 17)<br />

Vor allem durch den Erfolg des Buchdrucks kam es zu einer Rohstoffknappheit. Dies führte<br />

in weiterer Folge zu Konflikten und hohen Zollabgaben. „In Deutschl<strong>and</strong> wurde ein<br />

Schmuggelverbot für Lumpen ausgesprochen. Trotzdem schafften es gewiefte Händler, die<br />

Ware als Halbstoff4 über die Grenze nach Holl<strong>and</strong> zu schmuggeln, um ihn dort in den von<br />

Windrädern betriebenen Mühlen zu gutem Papier verarbeiten zu lassen, und dieses wieder<br />

in Deutschl<strong>and</strong> einzuführen.“ (Weber, Sprache, 79)<br />

Grabschänder sollen sogar Leichentücher für die Papierherstellung geplündert hätten. (Vgl.<br />

Weber, Sprache, 79) Auch ägyptische Fellachen und Beduinen pflegten schon um 1140 auf<br />

pharaonischen Friedhöfen Gräber zu öffnen und Leichentücher aus Leinen von Mumien zu<br />

entwenden, um sie vorerst als Kleidungstücke zu verwenden. Wenn diese nach einiger Zeit<br />

nicht mehr tragbar waren, wurden sie als Rohstoff für die Papierherstellung teuer verkauft<br />

und zu Papierpulpe weiterverarbeitet. (Vgl. Weber, Sprache, 54) „In der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

griff dann der Amerikaner Augustus Stanwood diese unübliche Wiederverwertungsmethode<br />

auf, indem er aus Ägypten antike Mumien einführte, um deren Leichentü-<br />

Links:<br />

Abb. 07: Eine Papiermacherin,<br />

gekleidet in gefärbtes, geprägtes<br />

und mit Gold verziertes Papier,<br />

das auch als „Kattun-Papier“ bezeichnet<br />

wird. Kupferstich um 1740.<br />

Mitte:<br />

Abb. 08: Der Papyrer. Aus: Hans<br />

Sachs, Jost Amman, Eygentliche<br />

Beschreibung aller Stände auff<br />

Erden, Frankfurt/Main 1568. Stadtarchiv<br />

Nürnberg.<br />

Rechts:<br />

Abb. 09: Lumpensammler beim<br />

Abliefern ihres Sammelgutes vor<br />

dem Keller des Lumpenhändlers.<br />

Ausschnitt aus: Die Pariser Lumpensammler.<br />

1.4.1 Wiederkehrende Rohstoffknappheit<br />

und<br />

Suche nach Ersatz-<br />

stoffen<br />

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4 „Lumpen, die zu Fasergefügen zermahlen wurden, meistens durch den Kollergang. Dieser Begriff wird auch für industriell gefertigte Zelluloseplatten verwendet.“ (Weber, Sprache, 206)


cher aus Leinen für die Papierproduktion zu verwenden. Die<br />

Hadernknappheit manifestierte sich am stärksten im 17. Jahr-<br />

hundert, und dieser Mangel beschleunigte die Suche nach Er-<br />

satzstoffen. Nach langer Forschungsarbeit gelang es, einen<br />

akzeptablen Ersatzstoff zu entwickeln.“ (Weber, Sprache, 79)<br />

Im Jahre 1719 stieß der französische Zoologe René-Antoine<br />

Réaumur auf die Technik der Wespe, die ihr Nest aus einem<br />

sehr feinem Papier fertigt, indem sie Holzsplitter zerkaut, mit<br />

ihrem Speichel angereichert leimt und mit den daraus entste-<br />

henden Schichten das Grundgerüst ihres Nestes auskleidet.<br />

Mit diesem Verhalten führte sie vor, dass es möglich war, Pa-<br />

pier aus Pflanzenfasern herzustellen. Dies gab in weiterer Fol-<br />

ge den Ausschlag, aufgeschlossene Holzfasern als Grundsub-<br />

stanz für Papier zu verwenden. (Vgl. Weber, Sprache, ebd.)<br />

„Zu dieser Zeit stellte man in Asien schon längst Papier direkt<br />

aus Pflanzenfasern her. In Europa folgten reihenweise Versu-<br />

che mit Ersatzstoffen aus Algenarten, Kenaf, Kokos, Jute, Ana-<br />

nas und Agavengewächsen wie Sisal bis hin zu Asbest. Doch<br />

erst die Versuche der Schweden Westbeck und Liungquist<br />

dürfen als wegweisende Experimente in Richtung Holzschliff 5<br />

bezeichnet werden. Die fundiertesten Ausein<strong>and</strong>ersetzungen<br />

mit der Idee Réaumurs (der Verwendung von Holzfasern)<br />

führen zum deutschen Theologen und Naturforscher Jacob<br />

Christian Schäffer, der auch als Pionier der pflanzlichen Ha-<br />

dernersatzstoffe bezeichnet wird, und zum Franzosen Léorier<br />

Delisle. In ihren Experimenten zur Zeit der Aufklärung mani-<br />

festierten sich die Einflüsse der Rohstoffverarbeitung und die<br />

Technik der Papierherstellung in den Endprodukten. Die Re-<br />

sultate ihrer Forschungsarbeit (mit Originalpapieren) finden<br />

sich zum Beispiel in Schäffers sechsbändiger Ausgabe Versuche<br />

und Muster ohne alle Lumpen oder doch mit einem geringen<br />

Zusatze derselben Papier zu machen von 1765<strong>–</strong>1771. Für<br />

Aufsehen sorgte der von Delisle 1786 veröffentlichte B<strong>and</strong> Gedichte<br />

des Marquis de Villette, das erste Buch, das auf haderfreiem<br />

Papier gedruckt wurde.“ (Weber, Sprache, 79) Mit Holz<br />

als Rohstoff erwies sich das neu gewonnene Papier jedoch als<br />

zu wenig haltbar, da ihm die Hadern fehlten.<br />

1790 erf<strong>and</strong> Nicolas-Louis Robert die Maschine zur Herstellung<br />

von Endlospapier und als Ende des 19. Jahrhunderts die<br />

erste Papiermaschine, die so genannte Fourdrinier-Langsiebmaschine<br />

in Betrieb genommen werden konnte, war der Papierrausch<br />

nicht mehr aufzuhalten. Die Papierpreise sanken erheblich<br />

und die Nachfrage wuchs gleichzeitig entsprechend<br />

an <strong>–</strong> dies führte zu einer weiteren Rohstoffknappheit. (Vgl.<br />

Weber, Sprache, 15, 77 / Leitner, Papiertextilien, 11)<br />

„Um 1860 arbeiteten in den Vereinigten Staaten rund 11 000<br />

Arbeitnehmer/innen in 550 Papierfabriken. In der Zeit best<strong>and</strong>en<br />

noch 90 Prozent des Rohstoffes aus Textilabfällen.<br />

Doch dies änderte sich 1854, als der Engländer Watt und<br />

der Amerikaner Burgess den Natronzellstoff6 entdeckten.<br />

1863 erhielt B. C. Tilghman das erste Patent zur Auflösung<br />

von Holzschnitzeln im Sulfitverfahren7 und 1884 erf<strong>and</strong> C.<br />

F. Dahl die Sulfatzellstoffherstellung.“ (Weber, Sprache, 77)<br />

1985 wurden bereits 30 Prozent des Fasermaterials aus Altpapier<br />

verwendet, die restlichen 70 Prozent best<strong>and</strong>en aus<br />

Zellstoff, der aus Holzabfällen gewonnen wird. (Vgl. Berger,<br />

Textilforum, 17)<br />

„Für textile Gewebe oder Gewirke wurden bis ins 19. Jahrhundert<br />

natürliche Fasern verarbeitet, was das Aufschließen<br />

der Textilien zu Faserzellstoff begünstigte. Erst 1884 gelang<br />

es dem Chemiker Graf Louis-Marie-Hilaire Bernigaud,<br />

Chemiefasern zu erzeugen, und 1932 stellte der Amerikaner<br />

Wallace Hume Carothers den ersten spinnbaren synthetischen<br />

Nylonfaden her. Der Siegeszug der synthetischen<br />

Chemiefasern verunmöglichte die Auflösung von Textilien<br />

für die Papierherstellung, weil sich diese in nützlicher Zeit<br />

nicht aufschließen lassen. Seither stammen die für die Papierherstellung<br />

verwendeten Textilien aus der Medizinalindustrie,<br />

zum Beispiel aus Resten der Gazeproduktion.“ (Weber,<br />

Sprache, 63) Ein bekanntes Beispiel ist Tyvek, das sich<br />

durch eine sehr textilhafte Wirkung auszeichnet und mit<br />

dem Künstler experimentieren, um sie zu Papierkleider zu<br />

machen <strong>–</strong> mehr dazu in Kapitel 4, „Mehr als Papier“.<br />

Heute werden über 3000 verschiedene Papiersorten produziert.<br />

Pro Person muss einem Verbrauch von durchschnittlich<br />

200 Kilogramm Papier8 pro Jahr nachgekommen werden.<br />

Neben seinem hohen Wert als Kulturträger steht Papier<br />

daher in unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft auch<br />

für Kurzlebigkeit, Flexibilität und Konsum. (Vgl. Leitner, Papiertextilien,<br />

9)<br />

Abb. 10: Sulfat-Zellstoff aus<br />

Faserholz in geöffnetem Ballen.<br />

Foto: Gert Körner. Feldmühle AG,<br />

Düsseldorf.<br />

11<br />

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5 „Faserrohstoff, der mechanisch an einer Schleifmaschine aus geschältem Holz gewonnen wird. Die Faser wird dadurch sehr kurz und eignet sich nur für kurzlebige Erzeugnisse wie<br />

Zeitungspapier. Die hohe Opazität (Undurchsichtigkeit) ist jedoch eine willkommene Eigenschaft bei Druckerzeugnissen.“ (Weber, Sprache, 207)<br />

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6 „Holzschnitzel werden durch Kochen in Natriumhydrogencarbonat (Ätznatron) aufgelöst. Die Zellulosefasern werden durch den Prozess in der alkalischen Kochlösung freigelegt.“<br />

7 „Holz wird in Form von kleinen Holzschnitzeln in chemischen Substanzen gekocht (aufgeschlossen).“ (Sprache, Weber, 206)<br />

(Sprache, Weber, 206)<br />

8 Dies entspricht ca. 5700 Päckchen Taschentüchern.


13<br />

Betrachtet man den strukturellen Aufbau von Papier und Textil, ihre Eigenschaften und ih-<br />

ren Gebrauch, findet man viele Gemeinsamkeiten. „Schon in der Definition von Papier fin-<br />

det man relativ ‚textil‘ anmutende Begriffe: ‚Papier ist ein flächiger, aus Fasern vorwiegend<br />

pflanzlicher Herkunft entstehender Werkstoff, der durch Entwässerung einer Faserstoffauf-<br />

schwemmung auf einem Sieb gebildet wird. Dabei entsteht ein Faserfilz, der anschließend<br />

verdichtet wird.‘.“ (Leitner, Papiertextilien, 11) Nicht nur einige der Rohstoffe, wie zum Bei-<br />

spiel Baumwolle, Leinen oder Viskose, werden sowohl für Papiere als auch für Textilien ver-<br />

wendet, auch das Herstellungsverfahren der beiden Werkstoffe ähnelt sich in vielerlei Hin-<br />

sicht.<br />

Durch ein Anein<strong>and</strong>erhaften der Pflanzenfasern entsteht bei den zwei Materialien der Zu-<br />

sammenhalt der Fläche, wodurch bei beiden von ‚Verfilzung‘ und ‚Faservlies‘ die Rede ist.<br />

Im Gegensatz zum Verfilzen bei textilen Flächen, wo Fasern eine Mindestlänge von 5 mm<br />

haben, in Bündeln zusammengefasst sind und ihr Zusammenhalt durch das Verhaken der<br />

schuppigen Fasern entsteht, stabilisieren beim Papier chemische Faserverbindungen die<br />

Fläche. Bei dessen Herstellung werden die Fasern gekocht und geschlagen, wodurch die so<br />

genannte Pulpe entsteht. Dabei werden die Fasern teilweise zerstört, wodurch die darin ent-<br />

haltenen Fibrillen freigelegt werden und Wassermoleküle aufnehmen können, die sie beim<br />

anschließenden Entwässern und Trocknen wieder abgeben <strong>–</strong> somit verbinden sich die Ein-<br />

zelteile enger mitein<strong>and</strong>er, was als Hydratation bezeichnet wird. Die Zellulosefasern gehen<br />

damit neue chemische Verbindungen ein <strong>–</strong> ein kompaktes Faservlies bleibt zurück. Durch<br />

die kreuzweise Lagerung der Fasern bekommt die Fläche eine relativ hohe Stabilität. Während<br />

es sich bei der Herstellung von Naturtextilien also in der Regel um mechanische Vorgänge<br />

h<strong>and</strong>elt, laufen bei der Papierherstellung chemische Prozesse ab. (Vgl. Leitner, Papiertextilien,<br />

ebd.)<br />

„Die Grenzen zwischen Textil und Papier sind fließend <strong>–</strong> vor allem dort, wo der Herstellungsprozeß<br />

und die Zusammensetzung des Rohmaterials unmittelbarer Gegenst<strong>and</strong> der Gestaltung<br />

werden.“ (NN, Textilforum, 3) Schon am Beginn der Papierherstellung, wo die ersten<br />

Papiere aus Hadern und Lumpen hergestellt wurden und spätestens heutzutage, wo erfolgreich<br />

Versuche mit Textilien aus Zellulosefäden gemacht werden, wird deutlich, wie nahe<br />

sich diese beiden Materialien sind.<br />

Als Träger von Sprüchen und Botschaften, bemalt, gestanzt, bestickt, mit Spitzen versehen<br />

oder geprägt <strong>–</strong> auch die Bearbeitungsformen der beiden Werkstoffe nähern sich immer<br />

mehr ein<strong>and</strong>er an. Und wenn sich Papier als Ersatzstoff im Textilbereich bemerkbar macht,<br />

wie im folgenden Kapitel aufgezeigt, wird die enge Verw<strong>and</strong>tschaft der beiden Materialien<br />

offensichtlich.<br />

„Obwohl das Papier eine relativ junge Erfindung ist […] eignet seiner Herstellung mittels des<br />

Schöpfsiebes ein archaischer Charakter. Seine spezifische Anmutung, seine ‚Unschuld‘, verdankt<br />

es wohl auch der Tatsache, daß es im Gegensatz zu den meisten <strong>and</strong>eren Werkstoffen<br />

<strong>–</strong> Keramik, Metall, Glas <strong>–</strong> nicht durchs Feuer gegangen ist.“ (Schmitt/Strate, Art, 10)<br />

Bei den durch H<strong>and</strong>arbeit, mit viel Erfahrung, Geschick und Liebe hergestellten Papieren<br />

aus Japan werden vor allem die Nahsinne angesprochen. „Die Qualität der verschiedenen<br />

Oben links:<br />

Abb. 11: Zerkleinerte, gereinigte<br />

Lumpen aus Baumwollgewebe. Im<br />

Holländer werden sie anschließend<br />

zu Pulpe verarbeitet.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 12: Zerfasern des Baumwollgewebes<br />

im Holländer.<br />

Mitte links:<br />

Abb. 13: Mitsumata-Strauch. Die<br />

innere Rindenbastschicht der<br />

Zweige dient neben Kozo- und<br />

Gampi-Fasern als Rohstoff für<br />

Washi.<br />

Mitte rechts:<br />

Abb. 14: Stellera chamaejasme.<br />

Nach dem Ablösen der Wurzelrinde<br />

wird die darunter liegende<br />

Zellulose durch Kochen und Klopfen<br />

zu Pulpe verarbeitet. Diese<br />

Pflanze wird ausschließlich im<br />

Himalaya-Gebiet als Papierrohstoff<br />

verwendet.<br />

Unten:<br />

Abb. 15: Kozo, getrockneter<br />

Maulbeerstrauchrindenbast. In<br />

der Form kann er jahrzehntelang<br />

gelagert und gut transportiert<br />

werden.<br />

2.1 Washi − Kulturgut im<br />

alten Japan


15<br />

Sorten dieses Materials läßt sich über das Auge allein nicht erfassen, ja, der visuelle Ein-<br />

druck reicht kaum aus, auch nur bis an seine Oberfläche vorzudringen.“ (Schmitt/Strate,<br />

Art, 12)<br />

„Leichtigkeit bei gleichzeitiger Strenge wird oft als Merkmal der japanischen Kultur hervor-<br />

gehoben.“ (Weber, Sprache, 169) „Die haptische und visuelle Qualität der Textur von Washi<br />

machen zudem den großen Reiz dieses Papiers aus. Unter dem Begriff ‚Textur‘ versteht man<br />

Oberflächenbeschaffenheit eines Materials, seine Faserung und Körnung, aber auch die Zu-<br />

sammenfügung und Anordnung. Die Textur bestimmt den Ausdruck eines Objekts, sie löst<br />

Empfindungen aus beim Betrachten. Mit Textur meint man die Flächenwirkung an sich, da-<br />

rin unterscheidet sie sich vom aufgesetzten Dekor.“ (Weber, Sprache, ebd.) „… ‚Struktur hat<br />

für uns eine geistig-philosophische Bedeutung. Die Struktur ist das Ganze, von oben bis<br />

unten, bis zum letzten Detail beseelt von der gleichen Idee.‘ Das texturale Gebilde vollendet<br />

‚nur‘ die äußere Gestalt.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />

„In der traditionellen japanischen Kultur gilt weißes Papier als rein und heilig; besonders bei<br />

der Verwendung von Papier in Tempeln und Schreinen trifft dies zu. Die weißen Gewänder<br />

der Priester, die früher auch aus momigami-Papier gefertigt wurden, stehen für diese Attribute.“<br />

(Weber, Sprache, 93) Die Herstellung von Papier wird in Japan als mystischer Prozess<br />

angesehen: Im Endprodukt steckt nicht nur das Können des Papiermachers, sondern<br />

auch seine Persönlichkeit und Spiritualität, seine Liebe zum Detail und sein Sinn für das<br />

Wesentliche.<br />

Eine Besonderheit im Japanischen, wo Dinge oft auf Einfachheit reduziert werden, aber<br />

sehr kunstvoll im Detail überraschen, ist der Glaube an die Beseeltheit aller Dinge, dem sogenannten<br />

Animismus, bei dem der Glaube an Tausende Gottheiten und deren Anwesenheit<br />

in realen Gegenständen vertreten wird. So wird der Hülle von oft sehr simplen Dingen<br />

große Wertschätzung entgegengebracht und besondere Bedeutung beigemessen. Bei Geschenken,<br />

zum Beispiel, ist die Verpackung genauso wichtig wie der Inhalt selbst und wird<br />

von der Person, die das Geschenk entgegen nimmt, analytisch interpretiert. (Vgl. Weber,<br />

Sprache, 172)<br />

In Japan galt Papier wurde „…schon immer als Spiegel der Seele. Es ist schwer herzustellen<br />

und leicht zu zerstören oder zu beschmutzen, bei richtiger Beh<strong>and</strong>lung hingegen erstaunlich<br />

langlebig. Somit besitzt es überaus ‚menschliche‘ Eigenschaften und wird zur Metapher<br />

für das Leben und den Tod. Die Farbe Weiß steht im asiatischen Kulturkreis für Reinheit<br />

und Unberührtheit, aber auch für Trauer und kosmische Einflüsse.“ (Leitner, Papiertextilien,<br />

17) Im Gegensatz zur westlichen Sichtweise, bei der das Ganze wahrgenommen, die Formen<br />

zuerst erkannt, der Aufbau geschätzt wird und man sich erst im zweiten Schritt mit dem Detail<br />

befasst, konzentriert man sich in Japan vor allem auf die einzelnen Elemente, was sich<br />

auch in der Überzeug widerspiegelt, dass sich die großen Dinge im Kleinen offenbaren. „So<br />

sind zum Beispiel die Maße der Reisstroh-Bodenmatte Grundlage für alle Proportionen des<br />

japanischen Hauses, und der Kimono ist nur aus Rechtecken mit gleichen Seitenverhältnissen<br />

aufgebaut.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Hat eine Form ihre Vollkommenheit erreicht,<br />

wird sie immer wieder angewendet. Dies entspricht der traditionellen japanischen Lebensphilosophie.“<br />

(Weber, Sprache, 169)<br />

Kamiko sind Papierkleider, die aus vollflächigem Washi mit dem Namen momigami, koreanisch<br />

jumchi, hergestellt werden. Nach dem Verarbeitungsprozess, in dem die Japanpapiere<br />

so oft zerknüllt und wieder glatt gestrichen sowie imprägniert werden, bis eine geschmeidige<br />

Fläche entsteht, fühlen sich die Papiere schon sehr textilhaft an. Diese Nähe des Papiers<br />

zum Textil findet man auch bei den Tapa-Stoffen der pazifischen Inseln und Südamerikas,<br />

die in diesem Kapitel an späterer Stelle vorgestellt werden. Im Gegensatz zu diesen wird bei<br />

der Herstellung von momigami „… lediglich die Flächenbildung <strong>–</strong> nämlich mit suspendiertem<br />

Faserstoff <strong>–</strong> unterschiedlich vollzogen. Die Feinheit der nach diesem Prinzip entst<strong>and</strong>enen<br />

Fläche erlaubt vielseitigere Schnitte und differenziertere Verarbeitungsvarianten, als<br />

dies mit Tapa möglich ist.“ (Weber, Sprache, 159)<br />

Der Begriff Kamiko setzt sich zusammen aus kami, Papier und koromo, zerknüllt. Übersetzt<br />

heißt dies Papierhemd. Der Legende nach war der Erfinder des Kamiko ein Mönch, der sich<br />

im 8. Jahrhundert n. Chr. aus den Seiten alter Sutras, den heiligen Schriften Buddhas, ein<br />

provisorisches Hemd fertigte als er Gäste erwartete und keine saubere Kleidung mehr hatte.<br />

Mit dieser tief religiösen Geste schien er die heiligen Schriften durch das hautnahe Tragen<br />

regelrecht verinnerlichen zu wollen, was die Verbreitung dieser beinahe rituellen Form der<br />

Körperumhüllen in den Mönchsgemeinschaften und unter <strong>and</strong>eren Bevölkerungsgruppen<br />

zur Folge hatte. (Vgl. Weber, Sprache, 159 / Leitner, Papiertextilien, 18)<br />

Ursprung<br />

„Tatsache ist, dass das Papierkleid in Japan eine über 1000 Jahre alte Geschichte hat und im<br />

Laufe der Zeit in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten getragen wurde.“ (Leitner,<br />

Papiertextilien, ebd.) „Die in der Abgeschiedenheit lebenden Eremiten fertigten ihre<br />

Gewänder seit der Ta-Li-Periode (766<strong>–</strong>779) der Tang-Dynastie (618<strong>–</strong>907) aus Papier, denn<br />

um der buddhistischen Lehre nachzukommen, war es untersagt, solche aus Seidengewebe<br />

zu tragen. Seide widersprach dem Begriff des asketischen Lebens, einerseits weil bei<br />

der Verarbeitung Raupen getötet wurden, <strong>and</strong>ererseits weil Seidenstoffe Luxus bedeuteten.<br />

Der Schriftsteller Su I-Chien (935<strong>–</strong>996) berichtete, dass viele buddhistische und taoistische<br />

Mönche, die in den Bergen lebten, Papierkleider trugen. Auch Gedichte aus den beiden<br />

Song-Dynastien (960<strong>–</strong>1278) illustrierten, dass Papierkleider in allen Jahreszeiten auch von<br />

2.1.1 Kamiko − Die Körperhülle<br />

aus Papier<br />

Abb. 16: Mönche fertigen momigami<br />

für die Herstellung von<br />

Kamikos. Holzschnitt von Seki<br />

Yoshikuni, Japan, 1754 n. Chr.


17<br />

den armen Leuten getragen wurden. Die imprägnierten momigami-Kleider boten angeblich<br />

Schutz vor Kälte und Nässe, sie gaben recht warm, waren aber trotzdem ungesund, weil sie<br />

wegen der Imprägnierung kaum Luftzirkulation zuließen.“ (Weber, Sprache, 159f)<br />

„In der Heian-Zeit (794<strong>–</strong>1185 n. Chr.) herrschten sehr schwierige soziale Verhältnisse, und<br />

den Bauern fehlten für die Herstellung ihrer Textilien immer wieder Rohstoffe. Papier stell-<br />

ten sie in den Wintermonaten selber her, deshalb wurde dieses Material für viele Belange<br />

eingesetzt. Es wird berichtet, dass L<strong>and</strong>arbeiter geölte und gebeizte Papiere verwendeten,<br />

um die Pflanzen auf dem Feld vor dem Frost zu schützen. Ein Bauer soll einmal bei der Feld-<br />

arbeit vom Regen überrascht worden sein, sich zum eigenen Schutz diese Planen überge-<br />

zogen und später die Kleiderherstellung aus Kamiko initiiert haben. Die Bauern gehörten<br />

sicher zu den Ersten, die sich aus der Not heraus die Vorzüge des imprägnierten Papierklei-<br />

des zu Nutze machten.“ (Leitner, Papiertextilien, 19) Aber auch bei <strong>and</strong>eren Bevölkerungs-<br />

gruppen nahm Papier als Bekleidungsstück Einzug. „Die buddhistischen Mönche stellten<br />

ihre Kamiko in einem fast meditativen Prozess selbst her und sahen darin ein Symbol für<br />

ihre religiösen Überzeugungen. Da die Papierkleider nach mehrmaligem Tragen einfach<br />

zerfielen, galten sie als Metapher für die Vergänglichkeit des Lebens und die Zyklen der Natur.<br />

Außerdem wirkten die zerknitterten Kamiko immer zeitlos und bereits gebraucht, man<br />

konnte sich in sie gehüllt nicht von <strong>and</strong>eren abheben oder damit prahlen, sondern machte<br />

eher eine unvorteilhafte Figur. Kamiko verkörperte somit auf geniale Weise die buddhistischen<br />

Ideale von Schlichtheit und Reduktion.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Wer sich in<br />

Papier hüllte, erzeugte beim Gehen Raschelgeräusche, sah eher plump und unbeholfen aus<br />

und bekundete damit, sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen und über die Absurdität<br />

des Lebens lachen zu können.“ (Leitner, Papiertextilien, 19<strong>–</strong>21) Dichter verwendeten ihre Kamiko<br />

als provisorische Schreibunterlage, um ihre spontanen literarischen Ergüsse am eigenen<br />

Leib festzuhalten <strong>–</strong> so galten die papierenen Kleider als Metapher für materielle Armut<br />

und geistigen Reichtum. (Vgl. Leitner, Papiertextilien, ebd.)<br />

Der ursprüngliche Kamiko, der sehr dünn und leicht war, wurde vorwiegend für sommerliche<br />

Bekleidung verwendet. Bei den minderprivilegierten Schichten, die sich nichts <strong>and</strong>eres<br />

leisten konnten, verursachte diese minimalistische Kleidung für die damalige Zeit tödliche<br />

Krankheiten. „So findet sich im Teil ‚Papier‘ des Werkes Wen fang si pu (‚Studien über die<br />

vier Dinge zum Schreiben in einer Gelehrtenstube‘), das 986 n. Chr. verfasst wurde, folgendes<br />

Zitat, das ebenfalls die frühe Existenz der Papierkleider belegt: ‚Nun gehen diejenigen<br />

mit dieser leichten Kleidung nicht hinaus. In zehn Jahren ist ihr Gesicht gelb. Sie haben die<br />

Begierde der Gedanken abgelegt. Der Wind von draußen dringt nicht ein und die Luft von<br />

draußen nicht hinaus.‘.“ (Weber, Sprache, 160) Eine <strong>and</strong>ere Stelle im gleichen Dokument<br />

enthält „... Angaben zum Herstellungsverfahren von Papierkleidern, die deutlich machen,<br />

dass der Begriff ‚Papier‘ auch missverständlich oder irreführend verwendet wurde. ‚Je hundert<br />

Breiten kocht man mit einem Liang (ca. 37 g) Walnuss- und Weihrauchbaum. Man lässt<br />

es ein bisschen dämpfen, indem das Papier mit dem Walnuss-Weihrauch-Wasser getränkt<br />

wird. Unter Hitze lässt man es im Schatten trocknen. Man rollt es auf einen Pfeilschaft, wobei<br />

man gerunzelte Stellen belässt.‘ Diese Darstellung des Verfahrens entspricht vermutlich<br />

der Herstellung von Tapa, bei dem mehrere leicht überlagerte Rindenbaststreifen zu großen<br />

Flächen geklopft werden, und es scheint, dass es sich bei diesen frühen Papiergewändern<br />

eher um Tapa als um Papier geh<strong>and</strong>elt hat. Eine <strong>and</strong>ere Interpretation könnte allerdings<br />

Oben links:<br />

Abb. 17: Beutel aus geöltem jumchi.<br />

Südkorea.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 18: Momigami-Kimono. Hanji<br />

Costume-Play Fashion Show,<br />

Jeonju, Südkorea, Mai 2004.<br />

Unten:<br />

Abb. 19: Geprägte und bemalte<br />

Kamiko-Taschen und -Papiere aus<br />

der Werkstatt von Mashiko und<br />

Tadao Endo, einem berühmten japanischen<br />

Papierschöpferehepaar,<br />

das Kamiko und Shifu herstellte.


19<br />

ergeben, dass hundert Papierbogen gewässert, imprägniert und um Stäbe gewickelt wur-<br />

den. Zur Erlangung der typischen momigami-Struktur wurde anschließend das noch feuch-<br />

te Papier von beiden Seiten her zusammengestoßen und in dieser Form getrocknet.“ (We-<br />

ber, Sprache, ebd.)<br />

Verbreitung<br />

„In Japan entst<strong>and</strong>en vermutlich die ersten Papierkleider in der Muromachi-Periode (1336<strong>–</strong><br />

1573), und ab Mitte der Edo-Periode (1615<strong>–</strong>1868), der Hochblüte der Papierherstellung in Ja-<br />

pan, wurden sie von allen Gesellschaftsschichten vom Norden der Inselgruppe bis in den<br />

Süden als Unterbekleidung oder als Kimono-Jacke haori getragen. Alltags-Kamiko beka-<br />

men zur besseren Wind-, Wasser- und Hitzeresistenz eine Beh<strong>and</strong>lung mit dem Persimo-<br />

nensaft shibu, der eine gelbe bis dunkelbraune Färbung hinterließ; diese war abhängig von<br />

der Intensität des Extraktes und der Anzahl [sic] Beh<strong>and</strong>lungen.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />

Kamiko wurden zum Statussymbol der wohlhabenden Leute. Adelige ließen sich die Pa-<br />

pierkleider in speziellen Werkstätten anfertigen, allerdings war bald kaum mehr etwas von<br />

ihrem schlichten, ursprünglichen Charakter zu erkennen. Die Kleider wurden mit kompli-<br />

zierten Verfahren gefärbt, mit großartigen Mustern für spezielle Feste und Rituale aufwän-<br />

dig bestickt, bedruckt, bemalt, geprägt, mit feinsten Seidenstoffen oder wattierten, wärmen-<br />

den Einlagen gefüttert und sogar mit Goldblatt laminiert. In weiterer Folge wurden daraus<br />

hochwertige Accessoires wie H<strong>and</strong>schuhe, Taschen oder Kopfbedeckungen gefertigt, aber<br />

auch Jacken und Mäntel waren besonders auf Reisen wegen ihrer Leichtigkeit und Wasser-<br />

resistenz sehr beliebt. In der Mitte des 19. Jahrhundert verschw<strong>and</strong> diese Modeform aller-<br />

dings wieder aus den Adelskreisen. Bauern und Mönche stellten weiterhin Kamiko her und<br />

hielten damit diese Tradition weiterhin am Leben. (Vgl. Weber, Sprache, 160 / Leitner, Pa-<br />

piertextilien, 21)<br />

„Die Leichtigkeit des Maulbeerstrauchpapiers führte zur Nutzung des momigamis für Rüs-<br />

tungs- oder Kriegsgewänder. Auch Papierflächen zur Bedeckung von Waffen und <strong>and</strong>eren<br />

Kriegswerkzeugen gehörten zur Ausrüstung der Armee. Vor allem Marinesoldaten oder In-<br />

fanteristen, die zu Fuß unterwegs waren, wussten dieses leichte Material zu schätzen. Die<br />

erste Anwendung in China geht zurück auf die späte Tang-Dynastie (618<strong>–</strong>907) unter dem<br />

Gouverneur Hsü Shang (847<strong>–</strong>894), der eine Armee stets in Bereitschaft hielt. Diese war aus-<br />

gerüstet mit mehrlagigen Papierrüstungen, die auch von starken Pfeilen nicht durchbohrt<br />

werden konnten. Ein Oberhaupt der königlichen Armee der Song-Dynastie (960<strong>–</strong>1278) be-<br />

richtet von gelben Rüstungsgewändern der Verteidiger. Möglicherweise waren diese mit<br />

dem imprägnierenden shibu beh<strong>and</strong>elt worden.“ (Weber, Sprache, 160)<br />

Durch die Industrialisierung in Japan kam die Produktion der Kamiko beinahe gänzlich<br />

zum Stillst<strong>and</strong>. „Als Relikt des Mythos, von dem Kamiko in seiner Geschichte immer um-<br />

geben war, hat sich aber in einer Mönchsgemeinschaft bis heute die über 1000 Jahre alte<br />

Tradition erhalten: Im Todaiji-Tempel in Nara fertigen junge Priester nach wie vor während<br />

eines zweiwöchigen Meditationszyklus ihre eigenen Chorhemden aus h<strong>and</strong>geschöpftem,<br />

weißem Papier an. Lediglich mit dieser Hülle bekleidet, ziehen sie sich anschließend zum<br />

Zweck der inneren Reinigung für zwei Monate in die Natur zurück. Dies geschieht zwischen<br />

Januar und März, den kältesten Monaten in Japan. In der letzten Nacht kehren die Mönche<br />

zu einem großen Fest wieder in ihren Tempel zurück, wo eine Zeremonie die Meditations-<br />

phase beschließt. Es werden Fackeln für die Ahnen entzündet und ein riesiges Bon-Feuer<br />

wird entfacht, in dem die Papierkleider verbrannt werden. Sie sind an den Knien bereits auf-<br />

gescheuert und von Wind und Wetter zerschlissen. Mit dieser Geste verabschieden sich die<br />

Mönche von all dem, was sie während der inneren Einkehr als änderungswürdig erkannten<br />

und nur ihrem Kamiko anvertrauen konnten. So beginnen sie, von der Kraft des Feuers ge-<br />

reinigt, das neue Jahr.“ (Leitner, Papiertextilien, 21)<br />

Herstellungsverfahren<br />

Bei Kamiko h<strong>and</strong>elt es sich um Kleidung aus Papier, das auf eine spezielle Art beh<strong>and</strong>elt<br />

wird, um eine textilhafte Optik und Haptik zu erzielen. Für diese besondere Bekleidungs-<br />

form wird sehr dickes Washi aus dem Maulbeerstrauchpapier Kozo hergestellt. Man imprä-<br />

gniert diese Papiere mit der farblosen Stärke konnyaku, die aus der Maniokwurzel extra-<br />

hiert wird. Ihre ganz spezielle Wirkung erhält man, indem man sie immer wieder knittert,<br />

wodurch auch der Name momigami, übersetzt Knitterpapier, zust<strong>and</strong>e kam. Um einen sehr<br />

weichen, sogar textilhaften Charakter zu erzeugen, werden zwei Knittersysteme angewen-<br />

det: Entweder werden die feuchten Papiere um einen Stab gewickelt oder die Ecken der ge-<br />

tränkten Papierbogen zur Mitte gefaltet, um die Fläche vorsichtig zu einer Kugel zu formen,<br />

das Papier zu zerknüllen, wieder aufzufalten, zu glätten und immer wieder zu imprägnie-<br />

ren. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis das Papier weich und geschmeidig ist und<br />

es deutlich an Elastizität gewonnen hat <strong>–</strong> ein textilanmutendes Produkt ist entst<strong>and</strong>en. (Vgl.<br />

Weber, Sprache, 161 / Leitner, Papiertextilien, 19)<br />

„Die Verletzbarkeit oder Rissgefahr reduziert sich durch den Reliefcharakter des Papiers,<br />

dessen Gesamtfläche im Endprodukt kleiner ist als der vormals glatte Papierbogen.“ (We-<br />

ber, Sprache, ebd.) „Das sehr widerst<strong>and</strong>sfähige, flexible momi-gami ist resistent gegen Was-<br />

ser, Wind und Hitze […]. Je nach verwendetem Pflanzenextrakt, das zum Imprägnieren ver-<br />

wendet wird, ändert sich der Farbton des Papiers, und so haben sich im Laufe der Zeit zwei<br />

unterschiedliche Arten von Kamiko-Stoffen entwickelt: Unterprivilegierte Leute trugen<br />

eher Papierkleider, die mit einem aus Ebenholzgewächsen gewonnenen Gerbstoff einge-<br />

strichen waren. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um einen Persimonsaft, der shibu beziehungsweise<br />

kakishibu genannt wird und das Papier ockergelb bis rostbraun einfärbt. Kamiko-Stoffe, die<br />

weiß bleiben sollten, wurden mit dem Stärkesaft konnya-<br />

ku eingestrichen. Dieser wird aus Amorphophallus konjac,<br />

einem Knollengewächse gewonnen. w macht das Papier<br />

besonders langlebig, ohne dabei seinen natürlichen Farb-<br />

ton zu verändern. Diese weißen Kamiko waren Mönchen<br />

und später auch Adeligen vorbehalten.“ (Leitner, Papier-<br />

textilien, 19)<br />

Für die Herstellung von Kleidung werden die einzelnen<br />

Papierbogen nach dem Knittern und Imprägnieren mit<br />

pflanzlichen Pasten zu langen Bahnen zusammengeklebt<br />

und aufgerollt. Als Stoffballen werden sie dann im H<strong>and</strong>el<br />

Abb. 20: Gefärbtes und für den<br />

H<strong>and</strong>el zusammengeknülltes<br />

momigami.


21<br />

vertrieben und durch Nähen können die textilhaften Flächen problemlos mitein<strong>and</strong>er ver-<br />

bunden werden, allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Stichlänge nicht zu kurz<br />

ist, denn zu enge Stiche würden das Papier zu sehr perforieren und es könnte an der Naht<br />

leicht reißen. Kamiko hielten durch ihre isolierenden Eigenschaften warm, konnten aber<br />

nicht gewaschen werden, was ihnen einen provisorischen Charakter verlieh und ihre Mys-<br />

tik unterstrich. (Vgl. Weber, Sprache, 161 / Leitner, Papiertextilien, ebd.)<br />

„Die ersten schriftlichen Belege für jumchi in Korea stammen aus der frühen Choson-Dynas-<br />

tie (1392<strong>–</strong>1910) Die Herstellung von jumchi erfolgt immer aus drei bis fünf Lagen hanji, Pa-<br />

pier, das aus Maulbeerstrauchfasern, koreanisch tak, geschöpft wird. Die einzelnen gleich-<br />

formatigen Bogen werden in destilliertes Wasser gelegt und eingeweicht. Danach stapelt<br />

man sie lagenweise, drückt sie anein<strong>and</strong>er und presst sie schließlich so fest, dass sich zwi-<br />

schen den einzelnen Papierbogen keine Luftblasen bilden können. Die weitere Verarbei-<br />

tung erfolgt wie bei momigami. Zur Verstärkung und Imprägnierung wird jumchi entspre-<br />

chend der späteren Verwendung mit Perillaöl sowie mit Walnuss- oder Erdnussöl beh<strong>and</strong>elt.<br />

Das Material muss anschließend gut gelüftet werden, damit es den strengen Geruch verliert.<br />

Durch die Beh<strong>and</strong>lung wirkt jumchi lederartig und es wird für Beutel, Taschen, Nackenkissen<br />

sowie für den koreanischen Kimono hampo, aber auch für Truhen und Schränke verwendet.“<br />

(Weber, Sprache, 161)<br />

„In den letzten Jahren haben maschinell geknüllte Papiere in Form von Geschenkpapieren<br />

vermehrt in den Papierabteilungen unserer Kaufhäuser Einzug gehalten. Eine alte Tradition<br />

wird aufgefrischt. Auch <strong>Design</strong>er/innen und Künstler/innen kreieren ihr individuelles momigami,<br />

um es in verschiedensten Produkten anzuwenden.“ (Weber, Sprache, 162)<br />

Anwendungen im Alltag<br />

Das ist aber noch nicht alles. In Japan f<strong>and</strong> Papier auch in den verschiedensten Bereichen<br />

der Alltagskultur Anwendung. „Während man im Westen das Material bis ins 20. Jahrhundert<br />

fast ausschließlich als Trägerstoff für Schrift und Bildgestaltung verst<strong>and</strong>, galt es in Japan<br />

seit jeher als eigenständiges Ausdrucksmittel.“ (Leitner, Papiertextilien, 17) „Neben den<br />

vielen religiösen und rituellen Verwendungszwecken benutzte man es auch zur Herstellung<br />

von Laternen, Schirmen, Fächern, Drachen, Spielzeug, Masken und Verpackungen. Im traditionellen<br />

japanischen Haus ist Papier zu einer unerlässlichen Bausubstanz geworden. Die<br />

berühmten Papierfenster (shoji) und Schiebetüren (fusuma) tragen durch ihre Aufgeschlossenheit<br />

gegenüber der Natur und dem speziellen Licht, das sie verbreiten, wesentlich zum<br />

einzigartigen Charakter der japanischen Architektur bei.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) Sie<br />

„… haben in Japan, dem L<strong>and</strong> mit einer ganzjährigen hohen Luftfeuchtigkeit, eine sehr angenehme<br />

Wirkung. Die durch Washi unterstützte Ventilation verbreitet Wohlbefinden in<br />

den Lebensräumen.“ (Weber, Sprache, 169) Ein weiteres Beispiel sind „Kasas, Papierschirme<br />

aus Papiersegmenten, die über Bambusskelette gespannt werden. Sie vereinen Klarheit und<br />

Einfachheit in höchster Form.“ (Weber, Sprache, 16)<br />

Auch in Korea wird Papier „… nicht nur für Kalligrafie, Malerei- und Druckerzeugnisse, sondern<br />

seit der Silla-Dynastie (668<strong>–</strong>935) auch für Schirme, Schuhe, Laternen und weitere Alltagsprodukte<br />

eingesetzt, und dies zum Teil bis heute. In langen, kalten Winternächten dien-<br />

te es als Glasersatz bei Schiebetüren und Fenstern und schützte vor Einblicke und Kälte.“<br />

(Weber, Sprache, 46) „Neben Fußböden wurden auch Zelte aus Papier errichtet, die jeder<br />

Witterung trotzten. Speziell beh<strong>and</strong>elte Papiere teng phi chih erhielten lederartige Eigenschaften,<br />

weshalb aus ihnen Regenmäntel und Schutzkleider für die Armee geschneidert<br />

wurden. Letztere waren nicht nur Wasser abstoßend, durch ihre Festigkeit sollten sie auch<br />

Schutz vor Waffen gewähren. Doch dem ist nicht genug: Geschichtete und verklebte Papierlagen<br />

dienten den M<strong>and</strong>schu sogar als Leichentücher.“ (Weber, Sprache, 46) „Wie das Papier<br />

wurde auch das Verfahren des Papiermachés in China erfunden, und zwar schon gegen<br />

Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. Die ersten Applikationen waren Helme aus gepresstem Papier<br />

und Gipsplatten, die für das Heer produziert wurden.“ (Weber, Sprache, 171)<br />

„Papier und Licht ergänzen sich sehr schön bei feierlichen Ritualen, zum Beispiel am 14.<br />

Mai, wenn zu Ehren von Buddhas Geburtstag Tausende von Laternen die Straßen Seouls<br />

schmücken. Gestalterische Entwicklungen wie Buntpapier, Papiermaché oder Papiergarn<br />

verhalfen dem koreanischen Papier, seinen guten Ruf zu begründen und zu erhalten.“ (Weber,<br />

Sprache, 46) „Ab dem 9. Jh. wurden Papiere verschiedener Qualitäten hergestellt, einige<br />

‚so stark wie Leinw<strong>and</strong>‘. Dieses Papier wurde im Häuserbau verwendet, vornehmlich im<br />

Innenausbau für Fenster und verschiebbare Wände.“ (Berger, Textilforum, 16)<br />

„Alte Traditionen wie auch kurzlebige Modeerscheinung erleben immer wieder eine Renaissance.<br />

Was ursprünglich vor dem Hintergrund einer asketischen Lebenshaltung oder aus<br />

wirtschaftlicher Not entwickelt wurde, findet im 21. Jahrhundert zum Modetrend auf den<br />

Laufstegen zurück.“ (Weber, Sprache, 159) „Auch das Papiergarn Shifu gehört in diese Kategorie;<br />

es entst<strong>and</strong> aus dem Gedanken der Wiederverwertung alter Textbücher. Früher verwendete<br />

man die aus Papiergarn gewobenen Shifu-Stoffe für profane Alltagsgegenstände,<br />

heute werden aus ihnen auch außerhalb des asiatischen Raums einfache, schlichte <strong>Design</strong>artikel<br />

hergestellt.“ (Weber, Sprache, 16f)<br />

„Mit Shifu umgeben wir den Körper mit einer natürlichen Hülle. Die ursprüngliche Haut des<br />

Strauches wird zur zweiten Haut des Menschen.“ (Weber, Sprache, 163) Shifu sind mit einer<br />

speziellen Technik geschnittene und zu Garnen verdrehte, textilhafte Papiergewebe aus<br />

geschöpften Kozo-Maulbeerstrauchfasern. Wie der vorhin beschriebene Kamiko, hat auch<br />

Shifu seinen Ursprung in dem papieraffinen Japan. Für die Shifu-Herstellung wird das geknüllte<br />

und imprägnierte Washi aus einem Papierbogen zu einem langen Streifen geschnitten.<br />

Im Gegensatz dazu wird das Papier bei Kamiko flächig verwendet. Übersetzt ist shi das<br />

japanische Wort für Papier und fu heißt Gewebe. Ist das Washi in Streifen geschnitten, wird<br />

es zu Fäden verdreht und zu Flächen gewoben, wodurch die für diese Stoffe charakteristische<br />

und unverkennbare Noppenstruktur entsteht. Wie Kamiko wird auch Shifu zur Imprägnierung<br />

mit konnyaku beh<strong>and</strong>elt, wodurch die entst<strong>and</strong>enen Gewebe sogar waschbar<br />

sind. Die verschiedenen Gewebebindungen, die im folgenden Kapitel vorgestellt werden,<br />

erzeugen unterschiedliche Resultate im fertigen Stoff und machen Shifu aufgrund seiner<br />

Luftdurchlässigkeit besonders im Sommer beliebt, während Kamiko wärmende Attribute<br />

zugesprochen werden und sich diese deshalb für die kühleren Temperaturen besser eignen.<br />

Beide Papiertextilien dienten letztlich auch als Ersatz für Seiden-, Leinen- oder Baumwolltextilien.<br />

(Vgl. Weber, Sprache, 163f)<br />

2.1.2 Shifu-Stoffe − Kleidung<br />

aus Papiergarnen


23<br />

Rechts:<br />

Abb. 21: Shifu-Garn und -Stoff mit<br />

der charakteristischen Noppenstruktur.<br />

Unten:<br />

Abb. 22: Grob gewebter Arbeitsmantel<br />

eines Bauern aus verarbeiteten<br />

Rechnungsbüchern<br />

und geknüpftes Unterhemd eines<br />

Samurai-Kriegers aus feinstem<br />

Shifu.<br />

Ursprung<br />

Wie so oft bei geschichtlichen Ereignissen, gibt es auch über den Ursprung von Shifu eine<br />

Legende. Laut dieser soll „… ein Spion, der für die Überbringung einer äußerst wichtigen<br />

Botschaft feindliche Gebiete durchqueren musste, der Vater des Shifu sein. Die Nachricht<br />

war auf Washi […] geschrieben und streng geheim. Es hätte den Spion das Leben gekostet,<br />

wäre sie den Feinden in die Hände gefallen. Er hatte eine raffinierte Idee, um sie unerkannt<br />

durch die gegnerischen Lager zu transportieren: Er schnitt das Papier in Schriftzeilenbreite<br />

in Streifen, verdrehte diese zu einem Faden und webte daraus seine Kleider, mit denen er unerkannt<br />

das feindliche Gebiet durchqueren konnte. Bei seinem Auftraggeber angekommen,<br />

zerlegte er das Gewebe wieder in seine Einzelteile, drehte die Fäden auf und erhielt so einen<br />

endlosen Streifen, auf dem die unversehrte Nachricht zu lesen war. Der Herrscher war von<br />

der Spitzfindigkeit seines Untertanen so fasziniert, dass er fortan die Herstellung dieser Papiertextilien<br />

förderte und sie Shifu (Papiertuch) nannte.“ (Leitner, Papiertextilien, 23)<br />

„Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird Shifu erstmals erwähnt. Kojuro Katakura, der Fürst<br />

von Shiroishi, soll der kaiserlichen Familie in Kyoto während eines Besuchs ein Shifu-Gewebe<br />

überbracht haben.“ (Weber, Sprache, 164) Die Wurzeln der Shifu-Herstellung liegen wohl<br />

aber bei den Bauern, die, wie schon vorher erwähnt, in den Wintermonaten Papier schöpften,<br />

um daraus ihre eigene Kleidung herzustellen. Neben Kamiko entst<strong>and</strong>en dabei also<br />

auch Shifu-Stoffe. „In Zusammenarbeit mit Webern des Dorfes entwickelten sie Techniken<br />

zur Herstellung von Papierfäden, die anschließend verwoben wurden. Die daraus genähten<br />

Kleider fühlten sich rau an, waren aber sehr dauerhaft und gut waschbar. Sie gehörten zu<br />

den beliebtesten Sommerkleidern der armen Leute. Mit den Jahren wurde die Technik verfeinert<br />

und die Gewebestücke wurden sorgfältig gefärbt. Kostbar und elegant wie sie nun<br />

waren, wurden sie bald den Seidengeweben gleichgestellt und am Hofe getragen. Zu diesen<br />

edlen Gewändern gehört auch das kamishimo, das Zeremoniegew<strong>and</strong> der Samurais, der Angehörigen<br />

der japanischen Kriegerkaste.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />

Verbreitung<br />

Abgesehen von der zeitaufwändigen Herstellung der Shifu-Stoffe, war auch der Rohstoff Papier<br />

selbst ein wertvolles Gut für die verarmten Bevölkerungsschichten. Auf der Suche nach<br />

Altpapier stieß man auf alte Konto- und Rechnungsbücher, so genannte fukocho, die zum<br />

Ausgangsmaterial für Shifu wurden. Diese Notlösung stellte sich bald als sehr vorteilhaft<br />

heraus: „Da für diese wichtigen Dokumente immer nur hochwertige, insektenresistente Papiere<br />

verwendet werden durften, um eine lange Haltbarkeit zu garantieren, und weil sich die<br />

Materialqualität durch die lange Lagerung noch zusätzlich verbesserte, hatten die Seiten<br />

aus den fukocho die idealen Eigenschaften zum Verweben.“ (Leitner, Papiertextilien, 23)<br />

„Die Tintenschrift der ursprünglichen Seiten ist im verdrehten Faden noch teilweise sichtbar,<br />

deshalb weisen diese Stoffe eine interessante Sprenkelstruktur auf. Ihr besonderer Reiz<br />

liegt im Geheimnis des Textes, der zwar irgendwie präsent ist, dessen Inhalt man aber nicht<br />

mehr entziffern kann.“ (Leitner, Papiertextilien, 24) Im japanischen Bewusstsein wurde<br />

Shifu daher „… über lange Zeit als Träger tieferer Botschaften verst<strong>and</strong>en.“ (Leitner, Papiertextilien,<br />

23)


25<br />

„Da die Herstellung sehr aufwändig war und es meist an Zeit mangelte, waren diese Gewebe<br />

eher grob, die geschnittene Streifenbreite lag zwischen einem und vier Zentimetern. Haupt-<br />

sächlich entst<strong>and</strong>en daraus Arbeitskleider, Unterwäsche oder Textilien für den Wohnraum.“<br />

(Leitner, Papiertextilien, 24) „Gegen Ende der Edo-Periode verwebten die Samurai Streifen,<br />

die meist nicht breiter als zwei Millimeter waren. Aus einem Blatt Papier im Format von 38<br />

mal 53 cm wurden Garne von über 100 m Länge gewonnen. Wenn man diese feinen Ge-<br />

spinnste verwebte, entst<strong>and</strong>en völlig neue Stoffqualitäten, deren Glanz und Geschmeidig-<br />

keit den Körper auf eine noble Art verhüllten und nur mit edelster Seide vergleichbar wa-<br />

ren. Weil die Herstellung eines einzigen Shifu-Kimonos mehrere Monate dauerte, waren<br />

die Kleidungsstücke extrem kostbar und st<strong>and</strong>en für schlichten, prunklosen Luxus.“ (Leit-<br />

ner, Papiertextilien, ebd.) „Es hieß, man umhülle sich mit einem guten, göttlichen Geist, der<br />

über die Kleidung Einfluss auf das Innere des Trägers nehmen würde. Die feinen Shifu-Ge-<br />

wänder wurden deshalb fast ausschließlich für zeremonielle Zwecke verwendet.“ (Leitner,<br />

Papiertextilien, ebd.) „Außerdem wird berichtet, dass die Samurai für die wenigen kriegeri-<br />

schen Ausein<strong>and</strong>ersetzungen der Edo-Zeit ihre Uniformen aus Shifu genäht haben sollen.<br />

Darin seien erstaunliche Erfolge zu verbuchen gewesen, was auf die schützenden Kräfte des<br />

Materials zurückgeführt wurde. Es hieß, die Schwerter der Gegner wären beim Attackie-<br />

ren durch die Reibung mit dem Papier so schnell stumpf geworden, dass man darin jede<br />

Schlacht zu gewinnen vermochte.“ (Leitner, Papiertextilien, 25)<br />

„Um 1700 kamen Kleider aus feinsten Papiergeweben auch in Adelskreisen in Mode, für etwa<br />

dreißig Jahre verdrängten sie sogar Seide als beliebtestes und teuerstes Material. ‚Wenn ei-<br />

ner genug Seide getragen hat, wechselt er auf Papier‘, hieß eine japanische Redewendung<br />

dieser Zeit.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Binnen kurzer Zeit<br />

wurden die Shifu-Stoffe der Adeligen so wie die Kamiko auf-<br />

wändig verziert, gefüttert, bestickt oder mit Schablonen be-<br />

malt.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) Die Papierfäden wurden<br />

„… wie Seide beh<strong>and</strong>elt, mit denselben Färbemethoden gefärbt<br />

und oft auf seidener Kette verwoben. Stücke von unnachahm-<br />

licher Eleganz entst<strong>and</strong>en.“ (Berger, Textilforum, 16)<br />

„Bauern und Samurai stellten ihre Papiergewebe für den Eigen-<br />

gebrauch selbst her. Als aber auch die Adeligen das Material<br />

für sich entdeckten, entst<strong>and</strong>en große Werkstätten, in denen<br />

in einem arbeitsteiligen Verfahren die steigende Nachfrage<br />

gedeckt wurde. In der zweiten Hälfte der Edo-Zeit wurde bei-<br />

nahe in allen großen Papiermacherdörfern Japans Shifu her-<br />

gestellt.“ (Leitner, Textilien, 25)<br />

Die Nachwirkungen des einstmals verbreiteten Shifus<br />

„Da die Produktion von Shifu […] durch die Shogune gefördert<br />

wurde, erlebte es denselben Aufstieg wie Kamiko.“ (Berger,<br />

Textilforum, 16) Mit Beginn der Industrialisierung Japans im<br />

19. Jahrhundert wurde noch versucht, Shifu maschinell herzu-<br />

stellen, was sich aber schon ab 1910 als unrentabel herausstell-<br />

Shifu − Do it yourself!<br />

Oben links:<br />

Abb. 23: Ein im Zick-Zack gefalteter<br />

Papierbogen wird bis ca. 1<br />

cm vor der Faltkante alle 2-10 mm<br />

eingeschnitten und anschließend<br />

vorsichtig ausgefaltet.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 24: Befeuchten und über<br />

Nacht in feuchte Tücher einschlagen,<br />

um die Elastizität der Fasern<br />

zu erhöhen.<br />

Unten links:<br />

Abb. 25: Rollen der feuchten<br />

Papierstreifen auf einer griffigen<br />

Unterlage, hier eine Bambusmatte.<br />

Unten rechts:<br />

Abb. 26: Vorgeformte Papierstreifen.<br />

te, da der wesentlich billigere Import von Baumwolle und die zunehmende Bedeutung der<br />

Kunstfaser zunahm. 1921 kam schlussendlich dieser Produktionsversuch vollends zum Still-<br />

st<strong>and</strong> und das für die Shifu-Stoffe notwendige Papier wurde wegen nachlassender Nachfra-<br />

ge nicht mehr hergestellt. (Vgl. Weber, Sprache, 164 / Leitner, Papiertextilien, 26)<br />

„Erst durch die Gründung einer Industrie- und H<strong>and</strong>werkskammer im Jahre 1940 wurde die<br />

Shifu- und Kamiko-Verarbeitung wieder ins Leben gerufen. Es waren die Weberinnen, die<br />

die Papiermacher zu motivieren vermochten, erneut das shifugami-Spezialpapier herzustel-<br />

len, und das qualitativ hochstehende Papiergewebe zog für kurze Zeit die Bewunderung<br />

der Fachleute auf sich. Der erhoffte finanzielle Gewinn blieb jedoch aus, und bereits sechs<br />

Jahre später, in der schwierigen Nachkriegssituation, f<strong>and</strong> die ganze Renaissance dieses<br />

Verfahrens mit wenigen Ausnahmen wieder ein klägliches Ende.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />

„1955 wurden Shifu und Kamiko von der Regierung sogar mit dem prestigeträchtigen Titel<br />

‚japanisches Kulturerbe‘ ausgezeichnet, und ihre Erhaltung wird seither staatlich gefördert.“<br />

(Leitner, Papiertextilien, 26)<br />

Herstellungsverfahren<br />

Um den Papierbogen auch bei niedrigen Grammaturen maximale Reißfestigkeit zu gewäh-<br />

ren, wird beim Schöpfvorgang darauf geachtet, dass das Sieb, suketa, nur in eine Richtung<br />

bewegt wird, damit sich die Fasern parallel zur Längsseite ordnen. Auch die Lagerzeit spielt<br />

eine wesentliche Rolle bei der Herstellung der Garne: Washi, das ein Jahr und mehr alt ist,<br />

lässt sich besser rollen als ganz neues Papier. (Vgl. Weber, Sprache, 165)<br />

Für die Herstellung von Shifu-<br />

Garnen wird der Papierbogen<br />

zwei Mal in „… der Längsrich-<br />

tung gefaltet, wodurch vier Sek-<br />

toren entstehen. Dabei ist dar-<br />

auf zu achten, dass die Ränder<br />

der Längskanten mindestens 1<br />

cm vorstehen. Das Papier kann<br />

zuvor auch im Kamiko-Verfahren<br />

geknüllt werden, wodurch<br />

es bereits etwas weicher wird.<br />

Der gefaltete Papierbogen wird<br />

auf einer Unterlage mit dem<br />

Messer in schmale Streifen von<br />

2, 3, 4 mm oder mehr geschnitten,<br />

die kiru genannt werden.<br />

Die Ränder werden dabei nicht<br />

durchgeschnitten, nur so entsteht<br />

aus dem Papierbogen ein<br />

endloses Papierb<strong>and</strong>. Der eingeschnittene<br />

Papierbogen wird<br />

mit Wasser besprüht und wäh-


27<br />

rend zwölf Stunden in feuchte Tücher shimerasu gelegt. Anschließend wird der Bogen auf<br />

einem porösen Stein gerollt, japanisch momu, wodurch sich die einzelnen Papierstreifen<br />

verdrehen. Dieser Arbeitsprozess erfordert großes Geschick und muss rasch vollzogen wer-<br />

den, <strong>and</strong>ernfalls trocknet das Papier, und das Drehen wird dadurch verunmöglicht. Die<br />

gerollten, immer noch zusammenhängenden Papierstreifen werden anschließend seitlich<br />

ausein<strong>and</strong>er gerissen, und die Rissstellen werden von H<strong>and</strong> verdreht, was als tsunagu be-<br />

zeichnet wird. An diesen Stellen entstehen Verdickungen, wie wir sie auch von Leinenfäden<br />

kennen. Sie bilden im Gewebe kleine Noppen. Der mittlerweile zu einem langen Fäden ver-<br />

arbeitete Papierbogen wird auf dem Spinnrad gesponnen, japanisch yoru, oder mit <strong>and</strong>eren<br />

Faden verzwirnt. Die hohe Reißfestigkeit wird durch den Spinnprozess zusätzlich verstärkt.<br />

Erst jetzt wird das Material mit Naturfarbstoffen eingefärbt, genannt someru.“ (Weber, Sprache,<br />

165) „Auf einem 120 cm breiten Webstuhl mit zwölf Schäften werden die Papierfäden<br />

schließlich zu Geweben verarbeitet, was oru genannt wird.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />

Die unterschiedlichen Mischungen der Shifu-Gewebe erzielen im Endprodukt verschiedene<br />

Resultate. Das Material im Schuss9 ist immer ein Papierfaden, lediglich in der Kette wechseln<br />

die Materialien. „Moroshifu ist ein Gewebe mit Kett- und Schußfaden aus Papier in<br />

Leinw<strong>and</strong>bindung und chirimenshifu ist ein Gewebe in Crêpebindung.“ (Weber, Sprache,<br />

163) Weitere Materialkombinationen sind: „... kinujifu (Kette: Seide, Schuss: Papier), menjifu<br />

(Kette: Baumwolle, Schuss: Papier) oder asajifu (Kette: Leinen, Ramie, Hanf oder <strong>and</strong>ere<br />

Bastfasern, Schuss: Papier). Ärmere Bevölkerungsgruppen trugen hauptsächlich grobe,<br />

einfache Gewebe (hira-ori), elitäre Schichten hingegen Shifu-Stoffe mit komplizierter Musterung<br />

(mon-ori) Beliebt waren auch Stoffe, bei denen im Schuss der Shifu-Faden mit einem<br />

<strong>and</strong>eren Material abgewechselt wurde (kobai-ori-shifu) Beispielsweise webte man in eine<br />

Seidenkette in einem bestimmte Rhythmus ein paar Schüsse des seidenen Kettmaterials<br />

und anschließend etwas dickere Papierfäden als Effektgarn ein und erzielte so eine rippenartige<br />

Oberflächenstruktur.“ (Leitner, Papiertextilien, 28) „Die Eigenschaften der Gewebe<br />

richten sich nach der Qualität des Papierrohstoffs, der Stärke respektive dem Durchmesser<br />

der Fäden, der Bindetechnik sowie der Dichte der Fäden im Gewebe pro Quadratzentimeter.<br />

Der Durchmesser der Fäden oder Garne richtet sich nach der Streifenbreite und der Stärke<br />

des Papiers. Aus einer bestimmten Menge Papier können verschiedene Fadenlängen erzielt<br />

werden, so ergibt ein Kilogramm Papier bei einer Streifenbreite von 2 mm 6858 Meter, bei<br />

Oben links:<br />

Abb. 27: Die letzten zusammenhängenden<br />

Stellen werden ausein<strong>and</strong>er<br />

gerissen, wodurch sich der<br />

Bogen in ein endloses Zick-Zack-<br />

B<strong>and</strong> verw<strong>and</strong>elt.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 28: Die Übergangsstellen werden<br />

beim Reißen leicht eingedreht.<br />

Unten:<br />

Abb. 29: Brokatgewebe aus mit<br />

Gold beschichteten Papierstreifen.<br />

Ende der Edo-Periode.<br />

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9 Der Schuss, auch Eintrag, Querfaden oder Einhschlag sind die parallelen Fäden eines textilen Gewebes, die zu den längeren, häufig auch etwas stärkeren Kettfäden bei der Herstellung<br />

eines Gewebes quer liegen. So kreuzen die Schussfäden die so genannten Kettfäden im rechten Winkel, wobei sie mal darunter und mal darüber durchlaufen.<br />

4 mm 3155 Meter, bei 12 mm 925 Meter und bei 16 mm 751 Meter Faden. Das Rollen der Papierstreifen<br />

weist Parallelen zum Spinnverfahren bei der Herstellung von Fäden aus einem<br />

Faservlies auf. In der Regel werden Papierfäden aus Papierbändern jedoch steifer und härter,<br />

da die Fasern durch die Blattbildung bereits verfestigt sind. In der herkömmlichen Textilfabrikation<br />

bleiben pflanzliche oder tierische Fasern, die zum ersten Mal verarbeitet werden,<br />

durch das Spinnen und Zwirnen der Stapelfasern weicher. Die Stapelfasern, auch Spinnfasern<br />

genannt, sind in der Länge begrenzte, natürliche oder chemisch hergestellte Fasern,<br />

die zur Herstellung von Textilien versponnen werden; unversponnen werden sie auch zu<br />

Filz oder Vliesstoffen verarbeitet.“ (Weber, Sprache, 163f)<br />

„Shifu-Gewebe reagieren intensiver als <strong>and</strong>ere Materialien auf Körperwärme und Verdunstung,<br />

können größer und kleiner werden und passen sich organisch den Körperformen an.<br />

Im Sommer sind sie leicht wie Leinen und können viel Feuchtigkeit aufnehmen, sodass<br />

sie den Körperschweiß gut aufsaugen, ohne anzukleben. Dicht gewebte Stoffe halten aufgrund<br />

der isolierenden Wirkung von Papier im Winter aber auch sehr gut warm. Sie können<br />

sich nicht elektrostatisch aufladen und je nachdem, welche Faser für die Papierherstellung<br />

verwendet wurde, kann ihr Wirkung sogar antiseptisch sein.“ (Leitner,<br />

Papiertextilien, 27) „Durch mehrmaliges Tragen werden die Stoffe<br />

aber ohnehin in der Regel weicher. Sie können problemlos gewaschen<br />

und gereinigt werden und weisen eine erstaunliche Stabilität<br />

auf.“ (Leitner, Papiertextilien, 28) „Natürliche Substanzen im Papier<br />

verhindern den Angriff durch Insekten und Bakterien und verleihen<br />

dem Material eine kaum vermutete Dauerhaftigkeit.“ (Leitner, Papiertextilien,<br />

ebd.)<br />

„Seit der Edo-Periode war es in Japan üblich, vergoldete oder versilberte<br />

Papierlamellen (hirahaku) und gedreht, mit Metall beschichtete<br />

Papierfäden ( yorihaku) zu prunkvollen Stoffen zu verweben. Diese<br />

kostbaren Effektmaterialien wurden nach Europa importiert und dort<br />

unter der Bezeichnung Japangold zu aufwändigsten Brokatgeweben<br />

verarbeitet. Als Trägermaterial für hauchdünne Edelmetalle war Papier<br />

in der Textilerzeugung des Westens bereits seit Jahrhunderten<br />

bekannt, aber erst Ende des 19. Jahrhunderts begann man auch hier<br />

das Material zu Garnen zu verdrehen und als eigenständigen Textilwerkstoff<br />

zu betrachten.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.)<br />

„Man verwendete einzelne geschnittene Streifen des speziell beh<strong>and</strong>elten<br />

Papiers, um Kleider zu schnüren, S<strong>and</strong>alen zu binden oder<br />

um Taschenriemen herzustellen.“ (Leitner, Papiertextilien, 23) „Früher<br />

wurde Shifu-Gewebe vor allem für Kimonos und Obi10 verwendet<br />

oder für Alltagsgegenstände wie Sitzkissen. Heute tragen Kenner<br />

und Liebhaber auch Jacketts, Krawatten, Hemden, Kimono-Jacken<br />

und Hüte aus Shifu, die teilweise sogar in der Waschmaschine gereinigt<br />

werden können.“ (Weber, Sprache, 165)<br />

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10 „Eine Art breiter Gürtel, der über dem Kimono mit einer großen Schleife im Rücken getragen wird.“ (Sprache, Weber, 210)


29<br />

Oben:<br />

Abb. 30: Karte der pazifischen<br />

Inseln.<br />

Unten links:<br />

Abb. 31: Das eingedrückte Muster<br />

wird mit der H<strong>and</strong> nachgemalt.<br />

Ihre Farbe steht in einer Metallschüssel<br />

neben ihr, zum Bemalen<br />

dient ihr ein P<strong>and</strong>usblatt als<br />

Pinsel.<br />

Unten rechts:<br />

Abb. 32 und 33: Zwei siapo vala<br />

von Toto und ihren Helfern<br />

gefertigt.<br />

Wie schon im 2. Kapitel erwähnt, findet man bereits bei den Vorläufern des Papiers einen<br />

ganz speziellen Stoff, der ein weiterer Beweis dafür ist, wie sehr sich Papier und Textil in ih-<br />

rer Materialität ähneln. „Im Gegensatz zum relativ steifen und leicht brüchigen Papyrus, der<br />

auf ähnliche Weise hergestellt wird, sind die Rindenbaststoffe flexibel und elastisch. Wie<br />

Gewebe werden die bemalt oder bedruckt, sodass sich insgesamt ein sehr textiler Charak-<br />

ter ergibt.“ (Leitner, Papiertextilien, 12)<br />

Tapa sind Faservliese, die aus dem inneren Rindenbast von bestimmten Bäumen gewon-<br />

nen werden. Wie Papier entsteht Tapa „… durch Verfilzen von Zellulosefasern, nur daß diese<br />

Verfilzung durch Hämmern erzielt wird und nicht wie bei echtem Papier durch ein vorhe-<br />

riges Auffasern der Zellulose in feinste Best<strong>and</strong>teile, die dann aus einer wässrigen Lösung<br />

geschöpft werden.“ (Berger, Textilforum, 15)<br />

Tapa bedeutet das ‚Geklopfte’, ‚Gehämmerte’. Es wird in Südamerika als Amatl bezeichnet,<br />

in Polynesien kapa und auf Samoa siapo genannt. Tapa wurde „über Jahrtausende in un-<br />

terschiedlichsten Ländern entlang des Äquators für Kleidung und Wohnraumtextilien, als<br />

Beschreibstoff oder für zeremonielle Zwecke verwendet.“ (Leitner, Papiertextilien, 12) Zur<br />

höchsten Verfeinerung und Vielfalt kam es vor allem unter den Völkern der pazifischen In-<br />

seln.<br />

„Even the name ‚tapa’, which is now used worldwide for barkcloth, had its origins in Polyne-<br />

sia during the early nineteenth-century years of European contact. The word is derived from<br />

the Samoan word tapa for the uncoloured border of a barkcloth sheet <strong>and</strong> the Hawaiian<br />

kapa for a variety of barkcloth. In several parts of Melanesia, from New Guinea to Vanuatu,<br />

in Fiji, <strong>and</strong> on the most the high isl<strong>and</strong>s of Polynesia from Hawaii in the north of Tahiti, the<br />

Marquesas, Tonga, Samoa, Niue, the Cook Isl<strong>and</strong>s <strong>and</strong> even New Zeal<strong>and</strong>, the manufacture<br />

of barkcloth is an ancient craft which has been practiced for thous<strong>and</strong>s of years.“ (Neich/<br />

Pendergrast, Tapa, 9)<br />

2.2 Tapa und Amatl −<br />

Die Rindenbaststoffe<br />

rund um die Erde<br />

2.2.1 Tapa in den<br />

verschiedenen Kulturen


31<br />

„Bei den Ureinwohnern Taiwans tritt die Vorsilbe tap/tab im Zusammenhang mit Textilbe-<br />

zeichnungen auf, zum Beispiel tabalankas, tapan, tapa oder tapah für Tuch oder Decke;<br />

tarp, tapes für Hüftb<strong>and</strong> und tapir, tapal, tapacha für Hose. Einzelne Stämme verfeiner-<br />

ten das Herstellungsverfahren von Tapa. So belegen chinesische Dokumente, dass der in<br />

den Bergen lebende Stamm der Sui-sa-lian seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. bis zum Anfang<br />

des 19. Jahrhunderts Faserflächen aus verschiedenfarbigem, geschichtetem und geklopftem<br />

Rindenbast produzierte, die eine hell/dunkle Musterung aufwiesen. Für feine und äußerst<br />

bunte Tücher klopften und verflochten die Stammesangehörigen Rindenbaststreifen<br />

vermischt mit gefärbten Hundehaaren, woraus kompakte Faserflächen entst<strong>and</strong>en.“ (Weber,<br />

Sprache, 29)<br />

Tapa wird aus den verschiedensten Pflanzenarten gewonnen. Neben dem Brotfruchtbaum,<br />

der jedoch auf den meisten pazifischen Inseln hauptsächlich für seine Früchte, die das<br />

Hauptnahrungsmittel darstellen, angebaut wird, wird auch die Rinde des Feigenbaums, aus<br />

dem ein stärkeres Endprodukt entsteht, für die Tapaherstellung genutzt. (Vgl. Neich/Pendergrast,<br />

Tapa, 9) Der wohl am meisten verwendete Rohstoff für Tapa auf den pazifischen<br />

Inseln kommt jedoch von der Rinde des Papiermaulbeerbaums. „The early peoples who populated<br />

the Pacific brought cuttings of this plant, which was originally a native of eastern<br />

Asia, with them in their canoes. In the tropical Pacific, the paper mulberry plant does not flower<br />

or set seed, so it has to be propagated from cuttings or suckers <strong>and</strong> is cultivated specifically<br />

for tapa-making.” (Neich/Pendergrast, Tapa, ebd.) So wird der Papiermaulbeerbaum<br />

auf den Inseln des Pazifiks für die Tapaherstellung extra angebaut und sorgfältig gezogen:<br />

Für 10 <strong>–</strong> 14 Monate sollen die Pflanzen gerade, schlank und ohne Äste wachsen, denn diese<br />

würden Löcher und Narben im fertigen Stoff verursachen. Wenn der Baum eine Höhe von<br />

etwa 2 <strong>–</strong> 2 ½ m erreicht hat, wird er am Boden abgeschnitten. (Vgl. Berger, Textilforum, 15)<br />

„The skill <strong>and</strong> knowledge of making cloth from bark, <strong>and</strong> even some of the necessary plants,<br />

were carried out of South-East Asia by the first peoples to move into the South Pacific isl<strong>and</strong>s.<br />

Some archaeological evidence suggests that tapa was being made in southern China<br />

<strong>and</strong> mainl<strong>and</strong> South-East Asia more than five thous<strong>and</strong> years ago. From there, the craft<br />

spread into eastern Indonesia where the techniques were developed <strong>and</strong> refined over some<br />

thous<strong>and</strong>s of years.“ (Neich/Pendergrast, Tapa, 9) „Even while Pacific cultures changed <strong>and</strong><br />

responded to the impact <strong>and</strong> challenge of European intervention, village women in many<br />

areas continued to produce tapa cloth, adapting <strong>and</strong> innovating to suit the new conditions.<br />

Some techniques were streamlined, new tool were utilised, introduced dyes <strong>and</strong> foreign motifs<br />

were incorporated into the work, <strong>and</strong> the finished product was sometimes made up into<br />

new types of clothing, but the basic craft persisted.“ (Neich/Pendergrast, Tapa, 10)<br />

Tapa wurde unter diesen so vielfältigen und vonein<strong>and</strong>er stark unabhängigen Kulturen<br />

für zeremonielle und alltägliche Zwecke verwendet. Die meisten Kulturen verwendeten<br />

Tapa aber hauptsächlich für die wesentlichen Körperbedeckungen <strong>–</strong> als Lendenschurz und<br />

String-Tanga. Trotz dieses alltäglichen Gebrauchs, weisen diese in ihrem Gebrauch sehr<br />

einfachen Kleidungsstücke durch ihre Musterungen auf die Zugehörigkeit zu den verschiedenen<br />

Stämmen hin. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, 11) „Nowadays, for many Pacific Isl<strong>and</strong><br />

people themselves living in the large metropolitan centres around the Pacific Rim, traditional<br />

tapa designs printed on cotton cloth, or applied to plastics, have become a marker of<br />

their special identity in a grey world.“ (Neich/Pendergrast, Tapa, ebd.)<br />

Oben:<br />

Abb. 34 und 35: Vorder- und Rückseite<br />

eines aus Kostengründen<br />

beidseitig eingravierten upeti.<br />

Unten:<br />

Abb. 36: Gemusterter Tapa-Stoff.


33<br />

Tapaherstellung in Toto‘a Fagai,<br />

1980, Vaito‘omuli, Savai‘i, Westsamoa.<br />

Oben links:<br />

Abb. 37: Toto beißt die Rinde<br />

um den Ast ab, um den inneren<br />

Rindenbast freizulegen.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 38: Die äußere, steife Rinde<br />

wird vom inneren Rindenbast<br />

abgezogen.<br />

2. Reihe links:<br />

Abb. 39: Toto kratzt die restlichen<br />

äußeren Rindenstücke mit einer<br />

Muschel ab.<br />

2. Reihe rechts:<br />

Abb. 40: Der Rindenbast wird<br />

auf dem tutua, einem hölzernen<br />

Amboss, geschlagen.<br />

3. Reihe links:<br />

Abb. 41: Ein Streifen des Rindenbasts<br />

nach dem Schlagen.<br />

3. Reihe rechts:<br />

Abb. 40: Der Streifen wird auf einem<br />

hölzernen, eingravierten und<br />

in den Kerben mit Farbe versehenen<br />

upeti mit einer Marantaknolle<br />

gerieben. Langsam entsteht ein<br />

Muster auf dem Tapa-Stoff.<br />

Unten links:<br />

Abb. 41: Der Tapa-Stoff wird vom<br />

upeti gelöst und hat dort, wo er<br />

aufgelegen ist, ein aufgedrucktes<br />

Muster.<br />

Unten rechts:<br />

Abb. 42: Schlagen von Tapa. Insel<br />

Mauna Kea, Hawaii.<br />

Der aufwändige Herstellungsprozess von Tapa-Stoffen<br />

Die Herstellung von Tapa beginnt damit, dass die Rinde durch Beißen oder Schneiden in<br />

Streifen von den ein bis zwei Meter langen Stämmen über das dünnere Ende hinweg ab-<br />

gezogen wird. Um die äußere, graugrüne Bastschicht von der inneren, noch feuchten Rin-<br />

de zu trennen, wird sie mit einer Muschelschale abgeschabt. Früher wurde dieser Vorgang<br />

in einem fließenden Gewässer sitzend hauptsächlich von Frauen durchgeführt. Als diese<br />

sich aber über die unbequeme Arbeit beschwerten, verlegte man diese sehr zeitaufwändige<br />

Aufgabe in Häuser mit einem nahen Wasserbecken. Wenn Tapa für einen speziellen An-<br />

lass besonders schnell benötigt wird, kann der Abschabungsprozess aber auch ausgelassen<br />

werden. Durch das Abschaben wird der Tapa-Stoff zwar feiner und sauberer, für den alltäg-<br />

lichen Gebrauch oder zum Verkauf für Touristen ist die geringere Qualität jedoch ausrei-<br />

chend. Während die äußere Rinde, die sogenannte Borke, nicht mehr gebraucht, sondern<br />

weggeworfen wird, kann die innere Rinde zu Tapa weiterverarbeitet werden. Sie wird spi-<br />

ralförmig aufgerollt und konstant feucht gehalten. Oft werden diese Rindenstreifen auch<br />

über Nacht feucht aufbewahrt. Manchmal werden die Fasern vor der Weiterverarbeitung<br />

mehrere Stunden lang gekocht. Danach werden die Streifen aus der inneren Rinde auf einer<br />

Unterlage aus Holz oder Stein mit speziellen Tapa-Klopfern geschlagen, bis sich die Fasern<br />

aufs Zehnfache vergrößert haben. Währenddessen wird nach Gefühl immer wieder Wasser<br />

beigefügt. Das vollständige Durchtränken und der Anfang eines Gärungsprozesses wird<br />

genutzt, um die Fasern zu erweichen und noch geschmeidiger zu machen. Auch die Zuga-<br />

be von Holzaschenlauge mit alkalischer Wirkung beschleunigt diesen Prozess. Die meist<br />

hölzernen und gerillten Tapa-Klopfer bewirken eine gleichmäßige Verteilung der Fasern.<br />

Gemusterte Klopfer hinterlassen auf dem geschlagenen Tapa eine Art Wasserzeichen. (Vgl.<br />

Weber, Sprache, 29 / Berger, Textilforum, 15) „Um die Zeichen richtig nebenein<strong>and</strong>erzuset-<br />

zen, müssen die H<strong>and</strong>werker geübt sein und eine besondere Schlagtechnik anwenden. Frü-<br />

her konnten sich die Tapaschläger in einer Art Trommelsprache unterhalten, indem sie kur-<br />

ze oder lange Schläge anwendeten. Die Forscher kamen hier zu spät: die Morsesprache der<br />

Tapaarbeiter war bereits in Vergessenheit geraten. Die inzwischen entst<strong>and</strong>enen Rinden-<br />

bastlagen werden befeuchtet, kreuzweise überein<strong>and</strong>er geschichtet und wiederum durch<br />

Schlagen mitein<strong>and</strong>er verfilzt. Ein eindeutiges Kennzeichen für Tapa ist die kreuzweise La-<br />

gerung von Fasern und Faserbündeln, die oft schon mit bloßem Augen [sic] zu erkennen ist.<br />

Größere Stücke von Tapa erhält man, indem man Vliese anein<strong>and</strong>er klebt, auch dünne oder<br />

schadhafte Stellen können durch Aufkleben ausgebessert werden.“ (Berger, Textilforum, 15)<br />

Als Klebstoff werden oft natürliche Harze oder Stärkekleister aus verschiedenen Knollen-<br />

früchten eingesetzt. „Je nach Verwendung werden beliebig große Flächen mit vliesähnli-<br />

chen, textilen Eigenschaften gefertigt.“ (Weber, Sprache, 29)


35<br />

Manche Tapa-Stoffe werden während dieses Prozesses durch die sogenannte Tauchfärbung<br />

vollflächig eingefärbt. Die für Tapa typischen Musterungen werden jedoch erst anschlie-<br />

ßend und für jedes Blatt einzeln aufgetragen. Bei der Verwendung von Matrizen werden<br />

die Tapa-Stoffe „… auf ein mit geritzten Mustern versehenes Hartholz gelegt, dann wird die<br />

Farbe aufgerieben. Farbaufdruck durch H<strong>and</strong>model ist ebenfalls bekannt; das Bemalen der<br />

Stoffe von H<strong>and</strong> findet nur bei kostbaren Stücken Anwendung.“ (Berger, Textilforum, 15)<br />

„This method gives full rein to a women’s creativity, but a range of recognized motifs has de-<br />

veloped as a basic design vocabulary. Some are very ancient motifs that can be traced back<br />

into Indonesia, but others are recent innovations. Many of these motifs are given descripti-<br />

ve names drawn from the natural world, such as breadfruit leaves, p<strong>and</strong>anus leaves, p<strong>and</strong>a-<br />

nus bloom, fishnet, trochus shell, starfish, worm, centipede, <strong>and</strong> footprints of various birds.”<br />

(Neich/Pendergrast, Tapa, 14f)<br />

„Kapitän Cook berichtete, daß auf Tahiti diese Art der Bemalung mit feinen Federn von den<br />

ausführenden Mädchen ‚kippari‘ genannt wurde und daß sie denselben Begriff für die eu-<br />

ropäische Schreibkunst auf Papier anwendeten. Die meisten Farbstoffe waren pflanzlicher<br />

Herkunft, es wurden aber auch mineralische Farben verwendet. Die Gewinnung der Farben<br />

war eine kultische H<strong>and</strong>lung, die nur unter Einhaltung bestimmter Riten vollzogen werden<br />

konnte.“ (Berger, Textilforum, 15)<br />

Anwendung von Tapa-Stoffen auf den pazifischen Inseln<br />

Die weite Verbreitung von Tapa-Stoffen und die verschiedenartigsten Herstellungs- und<br />

Dekoriermethoden beruhen wohl auf der Vielfalt der vielen verschiedenen Völkern, die<br />

sich über Jahrhunderte mit diesem ganz speziellen Material ausein<strong>and</strong>er gesetzt haben.<br />

Ob als Alltagskleidung, wie dem Lendenschurz und Wickelkleid oder als Geschenk zu be-<br />

sonderem Anlass, wo Tapa in riesigen Mengen als Wertschätzung weitergegeben wird, von<br />

vollflächig gefärbtem Tapa, bis hin zu aufwändig bemalten und mit Federn sowie Korallen<br />

geschmückten Kleidungsstücken oder mit Fransen versehen, um den sozialen Status des<br />

Trägers zu unterstreichen <strong>–</strong> Tapa wird von so vielen Völkern auf so unterschiedliche Weise<br />

verwendet, dass es kaum möglich ist, dies alles hier festzuhalten. Stattdessen werden nach-<br />

folgend ein paar wenige Beispiele vorgestellt, die beeindrucken.<br />

Unten links<br />

Abb. 43: Ein junges Paar von hohem,<br />

sozialem Status. 1880, Tonga.<br />

Sie tragen Rindenbastkleider,<br />

die mit Blättern bemalt wurden.<br />

Die Frau trägt um ihre Hüfte<br />

ein sehr seltenes Stück, dunkles<br />

tonganisches Tapa, ngatu‘uli, die<br />

von Braut und Bräutigam auf der<br />

Hochzeit getauscht wurden.<br />

Unten rechts:<br />

Abb. 44: Zwei junge Frauen<br />

gekleidet in Tapa-Kleidern, die<br />

in europäischem Stil geschnitten<br />

und mit der H<strong>and</strong> bemalt wurden.<br />

1900, Apia, Westsamoa.<br />

Oben mitte:<br />

Abb. 45: Zwei junge Männer, die<br />

siapo lavalava tragen. 1900, Apia,<br />

Westsamoa.<br />

Gegenüber oben:<br />

Abb. 46: Ein samoanisches Mädchen<br />

in einem Fotostudio. Apia,<br />

Westsamoa. Fotografen Ende<br />

des 19. Jahrhunderts in Fidschi<br />

und Samoa verwendeten immer<br />

wieder die selben Tapa-Kleider für<br />

Fotos, daher erscheint ein Kleid<br />

öfter auf verschiedenen Fotos.<br />

Gegenüber unten:<br />

Abb. 47: Der Chef-Redner mit seiner<br />

Familie. 1890, Palauli, Savai‘i,<br />

Westsamoa. Der ältere Mann trägt<br />

einen Baumwoll-lavalava, der<br />

jüngere einen siapo lavalava, der<br />

mit einem Tapa-Gürtel zusammengehalten<br />

wird.<br />

In Samoa wurden die sonst unter dem Namen Tapa bekannten<br />

Stoffe siapo genannt und hauptsächlich von ein paar wenigen,<br />

unverheirateten und privilegierten Frauen innerhalb des<br />

Hauses getragen. Irgendwann begannen aber Männer und<br />

Frauen Tapa als so genannten lavalava für zeremonielle Zwecke<br />

sowie im Alltag zu tragen. „Barkcloth was worn […] by men<br />

<strong>and</strong> women, wrapped around men’s heads like a turban, as a<br />

loincloth or girdle by men, <strong>and</strong> in strips as a belt (fusi) over<br />

fine mats other sheets of siapo in the ceremonial dress of the<br />

manaia (leader of the young men of the village) <strong>and</strong> taupou<br />

(village virgin). Early European missionaries soon introduced<br />

the Tahitian-style barkcloth poncho or tiputa to encourage women<br />

to cover their upper bodies in keeping with the missionary<br />

ideas of modesty.“ (Neich/Pendergrast, Tapa, 19) „Imported<br />

cloth soon replaced siapo as an article of general clothing,<br />

but it continued to be worn for special occasions.“ (Neich/Pendergrast,<br />

Tapa, ebd.) „Throughout Samoan history, siapo has<br />

maintained its major role as an item of exchange <strong>and</strong> formal<br />

presentation. At all Samoan special occasions such as births,<br />

funerals, weddings, <strong>and</strong> investiture of matai titles, sheets of<br />

tapa are included in the presentations <strong>and</strong> exchanges of valuables<br />

between families that accompany these ceremonies.“<br />

(Neich/Pendergrast, Tapa, 21)<br />

Obwohl in Tonga seit vielen Jahren westliche Kleidung getragen<br />

wird, werden Tapa-Stoffe nach wie vor von Männern<br />

als Wickelkleid, bei wichtigen zeremonielle Ereignissen als<br />

Bauchmatte, als Tanzkostüm sowie bei einer typisch tongaischen<br />

Hochzeit getragen. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa,<br />

44f)<br />

In Uvea kennt man Tapa unter dem Namen ngatu. Wenn von<br />

holo die Rede ist, sind das große Tapa-Bogen, die als Bettbezug<br />

oder für Leinwände verwendet werden. Lafi wiederum<br />

bezeichnet ein Wickelkleid, das dekoriert wird, indem man<br />

es über einen Musterblock reibt und übermalt. Ein weiteres<br />

Wickelkleid, tohihina genannt, wird verziert, indem feine,<br />

schwarze Motive mit einem Stift auf den weißen Bogen gemalt<br />

werden. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, 60)<br />

In Futuna wird der Begriff siapo verwendet, um große Bogen<br />

eines weicheren Stoffes zu beschreiben. „In this case, the two<br />

layers of cloth are pasted together over the underside of the<br />

hull of an old canoe <strong>and</strong> patterned with rubbed decorations<br />

from design tablets similar to those used in Tonga.“ (Neich/<br />

Pendergrast, Tapa, 63)


37<br />

Links:<br />

Abb. 48: Ahufara, Tahiti. Dieser<br />

Tapa-Stoff wird als Schultertuch<br />

oder als Schal getragen und hat<br />

eine klassisch tahitianische Musterung,<br />

die mit in Farbe getauchten<br />

und aufgedrückten Farnen<br />

und Bärlapp erzeugt wird.<br />

Rechts:<br />

Abb. 49: Masi vulvula (links). Fidschi.<br />

Dieser Tapa-Stoff wurde von<br />

Männern als Turban, Schärpe und<br />

Schal getragen. Kleine Löcher von<br />

Ästen wurden entfernt, indem man<br />

eine Ecke über das Loch gezogen<br />

hat. Dadurch entst<strong>and</strong> ein als<br />

dekoratives Element angesehenes<br />

Dreiecksmuster.<br />

Masi vakadrau (rechts). Fidschi.<br />

Vakadrau, bei dem die Ecken der<br />

Verbindungsstellen wie hauchdünne<br />

Fransen lose in der Luft<br />

hängen, heißt übersetzt Blattmäßig.


39<br />

Um die Menschen in Niue davon zu überzeugen, ihre Kör-<br />

per zu bedecken, lernten samoanische Missionare den Völ-<br />

kern ihre Methoden zur Tapaherstellung und führten auch<br />

dort den so genannten tiputa ein, eine Art Poncho, der von<br />

Samoa bis Tahiti bereits verbreitet war. Hier und da kann<br />

man auf den Stoffen naive, naturalistische Zeichnungen<br />

von Frauen und Männern in westlicher Kleidung erkennen.<br />

Kleine Sterne, Blätter und Fische dienten als Lückenfüller<br />

und manchmal wurden sogar Namen von Personen und<br />

Ortsbezeichnungen an den R<strong>and</strong> geschrieben. Die Ein-<br />

heitlichkeit des Stils, die Wiederholung der Motive und die<br />

Häufigkeit ihrer Verwendung deuten darauf hin, dass viele<br />

Stoffe gemeinschaftlich hergestellt wurden. Ohne Zweifel<br />

gab es in diesen Gruppen einen starken, kreativen Anfüh-<br />

rer, der die Muster zuvor geplant und deren Herstellung be-<br />

aufsichtigt hat. Im Gegensatz zu samoanischem Tapa ist<br />

die Textur des Stoffes aus Niue viel dicker und steifer und<br />

wurde zusammengefilzt und nicht, wie in Polynesien, ge-<br />

klebt. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, 69f)<br />

Links:<br />

Abb. 50: Dieses Hüftb<strong>and</strong> wird bei<br />

einem Mann mehrmals um die<br />

Taille gewickelt. Es ist naturfarben<br />

und hat ein vom Schlagen<br />

eingekerbtes Muster, Aneityum,<br />

Vanuatu.<br />

Rechts:<br />

Abb. 51−53: Tapa-Textur von den<br />

Cook Inseln, die durch einen eingekerbten<br />

Schlegel erzeugt wurde.<br />

Drei verschiedene Arten sind<br />

typisch: Die Kerben von Schlegel<br />

und Fasern stehen willkürlich<br />

zuein<strong>and</strong>er (oben), die Fasern und<br />

Kerben stehen quer zuein<strong>and</strong>er<br />

(mitte), die Fasern stehen quer zu<br />

den parallelen Kerben des Schlegels<br />

(unten).


41<br />

Auf den Cook Isl<strong>and</strong>s, vor allem in Mangaia, wurden kleine, eckige Muster, die in Reihen an-<br />

geordnet waren, aus den Tapa-Stoffen geschnitten, was den Ponchos ein spitzenartiges Aus-<br />

sehen verlieh. Manchmal wurde ein eingefärbter Bogen auf einen naturfarbenen geklebt.<br />

Der Kontrast ergab sich durch die Farbe, die durch das Muster zu sehen war. Die Ränder<br />

waren normalerweise mit Fransen verziert, die oft auch zu komplexen Formen geschnitten<br />

wurden. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, 76)<br />

„Today, little remains of the ancient art of tapa-making of Tahiti. By the early 1790s, imported<br />

cotton cloth was already beginning to replace it, <strong>and</strong> by the 1840s Tahitian tapa was a<br />

thing of the past. Contemporary Tahitian artists <strong>and</strong> scholars are now showing an increasing<br />

interest in reviving the knowledge <strong>and</strong> skills of traditional Tahitian tapa.“ (Neich/Pendergrast,<br />

Tapa, 86)<br />

„Tapa, or kapa as it is called in Hawaiian, was made mainly from the bark of the paper mulberry,<br />

or wauke, which was cultivated especially for this purpose.“ (Neich/Pendergrast, Tapa,<br />

91) Frauen trugen einen Rock, der pa’u genannt wurde und aus mehreren Schichten Tapa<br />

hergestellt wurde, die auch mehrere Meter lang sein konnten. Eine weitere Verwendung f<strong>and</strong><br />

Tapa in Babywindeln und Totenkleidern sowie in Bildern von Göttern, die sich in feinem,<br />

weißen Tapa kleideten. Auch Türme wurden mit Tapa umhüllt und in Tempeln aufgestellt,<br />

um die Götter an dieser Stelle zu empfangen. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, ebd.) Hawaii<br />

ist eine der wenigen Regionen im Pazifik, in der ein steinerner Amboss mit einem abgerundeten<br />

Schlegel für das erste Schlagen des Stoffes verwendet wurde. Manchmal vor allem im<br />

19. Jahrhundert, kamen Schlegel zum Einsatz, die graviert waren und somit charakteristische<br />

Wasserzeichen auf der Oberfläche hinterließen. Eine <strong>and</strong>ere Möglichkeit, diesen Effekt<br />

zu erzielen, war den noch feuchten Stoff zwischen parallele, eingekerbte Hölzer zu spannen.<br />

Oben links:<br />

Abb. 54: Tiputa. Rarotonga, Cook<br />

Inseln. Dieses Kleidungsstück wurde<br />

wahrscheinlich mit Kurkuma<br />

gelb eingefärbt und durch ausgeschnittene<br />

Muster dekoriert.<br />

Oben mitte:<br />

Abb. 55: Tiputa. Aitutaki, Cook<br />

Inseln. Lange Fransen waren bei<br />

diesen Tanzkostümen um die<br />

Jahrhundertwende üblich. Dieses<br />

wurde zusätzlich mit der H<strong>and</strong><br />

bemalt.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 56: Zeremonielle Schürze.<br />

Manus, Admiral Inseln, Papua<br />

Neu Guinea. Dieses Tanzkleid<br />

wurde von verheirateten Frauen<br />

bei festlichen Anlässen getragen<br />

und besteht aus weichem, dickem<br />

Rindenbast, der mit Muschelgeld<br />

auf einer Perlenschnur und Quasten<br />

dekoriert wurde.<br />

Unten rechts:<br />

Abb. 57: Tanztunika von einem<br />

Kind, auf die eine Szene gemalt<br />

wurde, in der zwei Flieger die Sonne<br />

attackieren. Wahrscheinlich in<br />

Anlehnung an die RAF Kriegsflieger<br />

gemalt, die mit Geldern von<br />

der tonganischen Bevölkerung<br />

gekauft wurden.<br />

Eine weitere, typisch hawaiianische Anwendung war,<br />

den Stoff während des Herstellungsprozesses oder im<br />

Nachhinein mit einem wohlriechenden Duft zu parfümieren.<br />

(Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, ebd.)<br />

Das fidschianische Tapa, besser bekannt unter dem<br />

Begriff masi, war meist weiß. Manche Bezirke in Ra<br />

wurden berühmt für den weißen Tapa-Stoff. Sie produzierten<br />

ausschließlich diesen und verbreiteten ihn<br />

durch den H<strong>and</strong>el über weite Gebiete hinweg. Es wurde<br />

auch gemustertes masi hergestellt, aber die Menge<br />

dieser in Museen ausgestellten Stoffe zeugt eher von<br />

westlichem Enthusiasmus für Muster als deren Häufigkeit.<br />

Trotzdem wurden in Fidschi die meisten Dekorationsmethoden<br />

verwendet. Besonders berühmt wa-


43<br />

Oben:<br />

Abb. 58: Zeugnis von traditionellem<br />

Reichtum. 1920, Tonga. Wahrscheinlich<br />

wurden die Waren<br />

(Kopfstütze, gewebte Stücke, feine,<br />

tonganische Körbe und Flaschen<br />

mit parfümiertem Kokosnussöl<br />

gefüllt sowie zwei Bündel Tapa-<br />

Stoffe, die lose in geflochtene<br />

Matten gewickelt wurden) für<br />

die Aussteuer einer Hochzeit<br />

gesammelt.<br />

Mitte:<br />

Abb. 59: Vorführung der Verzierung<br />

von Tapa. 1930, Nukualofa,<br />

Tonga. Als eines der charakteristischsten<br />

H<strong>and</strong>werke auf den<br />

pazifischen Inseln wurde die<br />

Herstellung von Tapa oft zu einem<br />

öffentlichen Ereignis. Auf diesem<br />

Bild posieren tonganische Frauen<br />

mit ihrem Werkzeug, das für das<br />

Reiben des Tapa-Stoffes über das<br />

kupesi dient.<br />

Unten:<br />

Abb. 60: Zeremonielle Vorführung<br />

von Geschenken. 1953, Fidschi.<br />

Junge Frauen, die in Tapa-Röcken<br />

über Baumwoll-lavalava gekleidet<br />

sind, tragen geflochtene Mattenrollen,<br />

die anlässlich eines<br />

Besuchs von Königin Elisabeth II.<br />

gezeigt werden.<br />

ren die einlagigen, sehr feinen Tapa-Bogen aus noch nicht reifem Papiermaulbeerbaum.<br />

Diese filigranen Stoffe wurden oft wie eine Ziehharmonika gefaltet und fingen beim ge-<br />

ringsten Lufthauch an zu flattern.<br />

Die wichtigste Verwendung f<strong>and</strong> Tapa in Fidschi als Geschenk, im H<strong>and</strong>el oder zur Ehrung.<br />

Noch immer gibt es spezielle Anlässe, bei denen enormen Mengen an Tapa, die für Außen-<br />

stehende erstaunlich scheinen mögen, aber nichts im Vergleich zu früher sind, getauscht<br />

werden. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, 97<strong>–</strong>100)<br />

„The importance of tapa also extended to religion. The only way to obtain access to the influ-<br />

ence of the gods was through the medium of the priest. A long piece of white cloth, suspen-<br />

ded from the beam of the temple house, hung down so that the end lay on the floor in front<br />

of the corner post. When summoned, it was down this path that the god passed to enter the<br />

priest <strong>and</strong> commune with him.“ (Neich/Pendergrast, Tapa, 103)<br />

Die kulturelle Vielfalt Papua Neu Guineas spiegelt sich in den vielen unterschiedlichen<br />

Traditionen zur Herstellung von Tapa wider. Der Umfang und die Verschiedenartigekeit<br />

der Fransen an jem<strong>and</strong>es Kleidung, unterstrichen zum Beispiel seinen hohen sozialen Status<br />

und spezielle Muster durften nur von einem bestimmten Stamm oder einer Familie verwendet<br />

werden, vor allem wenn sie deren spirituelles Tier oder Pflanze repräsentierten. Diese<br />

mit stammeszugehörigen Mustern versehenen Tapa-Stoffe wurden normalerweise nicht<br />

als Geschenk oder im H<strong>and</strong>el weitergegeben. Jem<strong>and</strong>en, der diese <strong>Design</strong>s ohne Genehmigung<br />

benutzte, befielen laut ihrem Glauben Krankheit und Tod. Dieses sehr strenge Urheberrechtssystem<br />

brach mit dem Verkauf an Touristen und nachdem Frauen Muster aus<br />

Magazinen und <strong>and</strong>eren, ausländischen Quellen in die typischen Muster integrierten, allerdings<br />

zusammen. (Vgl. Neich/Pendergrast, Tapa, 133<strong>–</strong>136)<br />

„Amate [sic], auch als huun, Maya- oder Otomi-Papier bezeichnet, besteht aus dem inneren<br />

Rindenbast verschiedener Ficus-Arten. Der frische Rindenbast enthält Latex, und die daraus<br />

hergestellten Rindenbastpapiere werden durch diesen Extrakt imprägniert.“ (Weber,<br />

Sprache, 30)<br />

Die dünnen Rindenbaststreifen werden aus den ehemals wild und üppig wachsenden Ficus-Bäume<br />

gewonnen. Damit sie weich und die in der Pflanze vorh<strong>and</strong>enen Leime aktiviert<br />

werden, werden sie in Holzaschenlauge gekocht. Kreuzweise oder spiralförmig auf einem<br />

Brett angeordnet, werden die Fasern durch Klopfen mit einem gerillten Steinklopfer von<br />

ovaler oder quadratischer Form verfilzt. (Vgl. Weber, Sprache, ebd.) „Es entsteht eine Fläche,<br />

die kompakter und dichter ist als polynesisches Tapa, weil die Fasern in einem Kreuzraster<br />

angeordnet werden. Außerdem weist Amate [sic] eine einseitig glatte Oberfläche auf, die<br />

durch das Trocknen auf der Holzunterlage entsteht, Tapa hingegen wird zum Trocknen aufgehängt<br />

oder ausgelegt.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />

„Allein in Mittelamerika wurden aus Rindenstoffen auch Bücher hergestellt.“ (Berger, Textilforum,<br />

15) „Diese Blätter wurden mit kohlensaurem Kalk bestrichen, geglättet und dann<br />

beschrieben, bzw. bemalt. Anschließend wurden sie wie ein Leporello anein<strong>and</strong>ergefügt.<br />

Es gab viele solcher Bücher bei Mayas und Azteken. Letztere ließen sich von unterworfe-<br />

2.2.2 Amatl in Mittelamerika


45<br />

nen Stämmen Tribut in Form von ‚Amatl‘ […] bezahlen. Die christlichen Eroberer veran-<br />

stalteten ob der ‚Teufelsbilder‘ Bücherverbrennungen ungeheuren Ausmaßes, bei der der<br />

Wissenschaft unermeßliche Schätze verlorengingen. Nur drei Mayah<strong>and</strong>schriften sind der<br />

Vernichtung entgangen. Die Otomi-Indianer und die Lac<strong>and</strong>onen, die als direkte Maya-<br />

Nachfahren gelten, stellen heute noch Amatl her; verwendet wird es für Tuniken, für den<br />

Dorfzauberer <strong>–</strong> und für Touristen, grell mit Acrylfarben bemalt. Die starke Nachfrage bedroht<br />

bereits den Best<strong>and</strong> der Spenderpflanzen. Tapa hat also nicht nur eine große Vergangenheit,<br />

sondern erfreut sich überall da, wo sich seine Traditionen finden, auch noch lebendiger<br />

Gegenwart.“ (Berger, Textilforum, 15)<br />

„Heute finden die Stoffe ihre Verwendung als Schambinden, Schurze, Kleiderstoffe, Tuniken,<br />

Turbane, Mäntel und Schlafdecken. Sie dienen jedoch auch nach wie vor kultischen Zwecken<br />

als Maskenhemden und Totentücher. Stoffe aus Ficus-Rinde, die zwar grob und dunkel<br />

sind, werden sehr geschätzt, da sie wasserundurchlässig sind und folglich zu Regenjacken<br />

verarbeitet werden.“ (Berger, Textilforum, 15) „In der Lop-Nor-Gegend, in der westchinesischen<br />

Provinx [sic] Xinjiang, wird Tapa bis heute für Tücher und Kleider verwendet.“ (Weber,<br />

Sprache, 29)<br />

„Weit vom Äquator entfernt, entwickelt der Spitzenhändler Boileau 1718 in Paris ganz neue<br />

Dimensionen dieses Materials. Er stellt Mäntel, Jupes und selbst Corsagen aus ‚indianischem<br />

Papier‘ vor, und diese Kleidungsstücke waren mit Leinw<strong>and</strong> gefüttert. Es heißt, dass<br />

Damen, die etwas auf sich hielten, in jenem Sommer kostspielige Tapa-Kleider von Boileau<br />

trugen. Die Rinde des Baumes <strong>–</strong> eine Haut die noch heute zu Kleidern verarbeitet wird. Dies<br />

trifft zum Beispiel auf die Lop-Nor-Gegend bei Loulan im äußersten Osten der Wüste Taklamakan<br />

zu, aber auch Baumrindenstoffe aus Ug<strong>and</strong>a finden in Form von modischen Kleidungsstücken<br />

oder Polsterstoffen in Europa ihre Kundschaft. Tapa ist möglicherweise die<br />

erste Form von non-woven’s oder Vliesstoffen, die in der modernen Textiltechnologie zunehmend<br />

gefragt sind. Wegen der mit Papier artverw<strong>and</strong>ten Rohstoffe und Verarbeitungsprozesse<br />

wird Tapa auch ‚Pseudopapier‘ genannt.“ (Weber, Sprache, 30)<br />

„Die Herstellungsprozesse von Filz und Papier weisen durchaus Parallelen auf. Während<br />

der Rohstoff für Filz hauptsächliche aus Tierhaaren besteht (in der maschinellen Produktion<br />

auch aus synthetischen Fasern), sind es beim Papier pflanzliche Fasern, die zu Schichten<br />

verdichtet werden. Beim Filz erfolgt beim Walken eine Verkettung der Haare, verursacht<br />

durch das richtungsabhängige Friktionsverhalten (Verfilzen) und durch die Schuppenstruktur<br />

der Haare. Beim Papier überlagern sich die Fasern während des Schöpfens oder<br />

Gießens. Die Faserbindung entsteht nach der Blattbildung ohne weitere Lageveränderung<br />

durch Nebenvalenzbindungen von Faser zu Faser bei der Trocknung. Mikroskopisch betrachtet<br />

sind bei Papier und Filz ähnliche Faserverkettungen feststellbar. Bei beiden Verfahren<br />

ist die Überlagerung der Fasern nicht nur bezüglich ihrer Festigkeit und Stärke kontrollierbar,<br />

sondern auch was den Verlauf der Faserrichtung angeht. Während beim Filz die<br />

Fasern von H<strong>and</strong> in die gewünschte Richtung oder auch kreuzweise überlagert geschichtet<br />

werden, wird dies beim Papier durch die Bewegung des Schöpf- oder Eingusssiebes beeinflusst.“<br />

(Weber, Sprache, 34) „Filz wäre demnach das Bindeglied zwischen Tapa und Papier.“<br />

(Weber, Sprache, ebd.)<br />

2.2.3 Anwendung heute<br />

2.2.4 Filz<br />

Im ersten Weltkrieg kam es zu einer ökonomischen Rohstoffknappheit <strong>–</strong> diesmal war der<br />

Mangel allerdings in der Textilindustrie zu verzeichnen. Aus den geschichtlichen Begebenheiten<br />

war es naheliegend, auf Papier als Ersatzstoff zurückzugreifen. Im Gegensatz zu den<br />

geschmeidigen Papierkleidern aus Japan, die Charme und Mystik gleichermaßen ausstrahlen,<br />

war das westliche Papier jedoch steif, spröde und hatte eine anonyme Anmutung <strong>–</strong> der<br />

Ersatzstoffcharakter war deutlich wahrnehmbar und in keinster Weise eine vergleichbare<br />

Alternative für Textilien.<br />

Aus diesen Papiertextilien, die so offensichtlich industriell und papieren waren, wurden aber<br />

kaum ganze Kleidungsstücke hergestellt. Vielmehr wurden aus ihnen Teilstücke wie Unter-<br />

wäsche, Krawatten und Bettbezüge gefertigt. Hemdkrägen, Manschetten und Vorhemden<br />

aus Papier waren außerdem nicht ausschließlich ein Notbehelf. Aus festem, imprägniertem<br />

Papier hatten sie den Vorteil, dass sie in einem industriellen Verfahren äußerst billig herge-<br />

stellt werden konnten, nach dem Gebrauch einfach zu entsorgen waren und seit Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts zur besseren Haltbarkeit häufig mit Gewebe kaschiert wurden. (Vgl. Leitner,<br />

Papiertextilien, 30 / Schmitt/Strate, Art, 7)<br />

„Unter Bemühung patriotischer Gefühle wurde sogar versucht, aus der Not eine Tugend zu<br />

machen und das Ausweichmaterial als hinreißende Neuheit zu verkaufen: ‚Eine ganze Mo-<br />

de-Industrie ist durch die Verwendung des Papiers zu Bekleidungszwecken aus dem Boden<br />

gestampft worden, und es lassen sich mit diesem neuesten Stoff Wirkungen erzielen, die<br />

über seine Herkunft völlig hinwegtäuschen. …wir werden in Papier gepackt und als Überra-<br />

schungspakete in den Frühling hineingeschickt, Pakete, die beim Auspacken ein glänzen-<br />

des Zeugnis für deutschen Fleiß und [...] Industrie darstellen.‘.“ (Schmitt/Strate, Art, 7)<br />

„Ursprünglich wurde die Papierwäsche in den USA erfunden, wo diese neuartige Form des<br />

Konsums rasch großen Erfolg hatte. Bald verbreitete sich die Reformwäsche aber auch in Eu-<br />

ropa. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen Männerhemden aus einfachem Baumwoll-<br />

trikot in Mode, an die separat produzierte Krägen, Manschetten und den vorderen Brustteil<br />

bedeckende Vorhemden, so genannte Serviteurs, aus Papier geknöpft werden konnten. Dies<br />

hatte den Vorteil, dass die Einzelteile je nach Notwendigkeit getrennt, ersetzt oder gereinigt<br />

werden konnten. Oft prägte man auch Spitzenmuster oder Gewebestrukturen in das Papier,<br />

um die textile Wirkung zu erhöhen.“ (Leitner, Papiertextilien, 30)<br />

Vor allem in den Kriegsjahren konnten es sich wenige Leute leisten, Verstorbene in textiler<br />

Sterbewäsche begraben zu lassen, daher waren papierene Totenhemden bis in die 1960er-<br />

Jahre unter der ärmeren Bevölkerung üblich. (Vgl. Leitner, Papiertextilien, 30 / Schmitt/<br />

Strate, Art, 7) „Nur wer sich nichts Besseres leisten konnte, griff wie der arme Meister Ge-<br />

petto zu geblümtem Papier, um seinem Pinocchio einen Anzug zu machen. Daher konnte<br />

die Mitte der sechziger Jahre propagierte Wegwerfmode, von wenigen, speziellen Verwen-<br />

dungsbereichen abgesehen, sich so wenig durchsetzen wie in den achtziger Jahren die ex-<br />

travaganten Papierkleider von Enrica Massei und die Papierblusen von Corregiari, die nach<br />

25maligem Waschen weggeworfen wurden.“ (Schmitt/Strate, Art, 7) Als das Umweltbe-<br />

wusstsein in den letzten Jahren stieg, wurde die Idee des papierenen Totenhemdes wieder<br />

aktuell, aus dem alltäglichen Gebrauch ist die Papierwäsche jedoch gänzlich verschwun-<br />

den. (Vgl. Leitner, Papiertextilien, 30)<br />

2.3 Textiles Papier im<br />

Westen<br />

2.3.1 Papierwäsche in Zeiten<br />

der Not


47<br />

„Neben der Papierwäscheindustrie, die insgesamt eine eher geringe Bedeutung hatte, ent-<br />

wickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts im westlichen Kulturkreis auch ein Verfahren, Pa-<br />

pier in Form von Garnen zu verarbeiten. Dieser Industriezweig wuchs vor allem während<br />

der Kriegs- und Zwischenkriegszeiten, in denen <strong>and</strong>ere Rohstoffe Mangelware waren, zu ei-<br />

nem bedeutenden Wirtschaftsfaktor an.“ (Leitner, Papiertextilien, 30) Im Gegensatz zu dem<br />

in Japan in mühevoller H<strong>and</strong>arbeit gefertigtem Shifu, war die Herstellung von Papiergar-<br />

nen im Westen von Beginn an ein industrialisierter Prozess, der immer schon zur Massen-<br />

fertigung gedacht war.<br />

Im Gegensatz zu den sehr geschmeidigen und leichten Shifu-Stoffen aus Japan, die in mü-<br />

hevoller H<strong>and</strong>arbeit hergestellt werden und ihre charakteristische Noppenstruktur aufwei-<br />

sen, sind die industriell gefertigten Papiergarne auf Endlosrollen deutlich steifer und härter<br />

im Griff. Mit dieser weder besonders angenehmen noch textilen Haptik waren die damali-<br />

gen Papiergarne unmöglich aufzuwerten. „Als 1914 aber dann der Erste Weltkrieg ausbrach<br />

und die Rohstoffe für Alltagstextilien immer knapper wurden, sah man sich gezwungen,<br />

das Material zu verfeinern und auch für <strong>and</strong>ere Produktsparten verwendbar zu machen.“<br />

(Leitner, Papiertextilien, 31) „Nun wurden neue Technologien entwickelt, die auch die Pro-<br />

duktion ganz feiner Papiergarne ermöglichten, um daraus Textilien für Bekleidung und<br />

Wohnraum zu schaffen. Bald kamen Ober- und Unterbekleidung, Einlage- und Futterstof-<br />

fe, Nachthemden, Unterwäsche, Mieder, Hüte, Gürtel,<br />

Hosenträger, Taschen, Schuhe und für den Wohn-<br />

raumbereich Möbelbezugsstoffe, Sesselgeflechte,<br />

W<strong>and</strong>schoner, Decken, Teppiche, Tisch- und Bett-<br />

wäsche, Vorhänge, Tapeten, H<strong>and</strong>tücher und vieles<br />

mehr aus dem Ersatzstoff auf den Markt. Außerdem<br />

stellte man daraus Uniformen für Militär, Marine,<br />

Verwaltung und Behörden her. Pro Monat wurden<br />

in Deutschl<strong>and</strong> zwischen 1915 und 1918 nicht weni-<br />

ger als 600 Tonnen Papiergewebe produziert. Das<br />

neu entwickelte Papiergarn war zwar dünn, trotzdem<br />

aber noch sehr unelastisch und hart im Griff. Insge-<br />

samt war die Qualität der Produkte relativ schlecht,<br />

vor allem was ihre Waschbarkeit und den Tragekom-<br />

fort betraf, denn der ursprüngliche Charakter des<br />

Verpackungs- und Schnürmaterials ging nie ganz<br />

verloren. Unter der Bevölkerung waren die Produkte<br />

daher eher unbeliebt.“ (Leitner, Papiertextilien, 32)<br />

„Trotz dieser Aufwertungsversuche verbesserte sich<br />

das Image des Materials kaum, und nach Beendi-<br />

gung des Kriegs verschw<strong>and</strong> es wieder relativ rasch<br />

aus dem täglichen Leben. Die Produktion ging in der<br />

Zwischenkriegszeit drastisch zurück. Nur mehr we-<br />

nige Betriebe stellten das Material weiterhin her und<br />

trugen durch ihre stille Pionierarbeit zur laufenden<br />

Oben:<br />

Abb. 61: Kinderleibchen aus Papiergewebe.<br />

Deutschl<strong>and</strong>, 1916/17.<br />

Unten:<br />

Abb. 62: Papierkragen der Firma<br />

Mey & Edlich. Leipzig.<br />

2.3.2 Industriell hergestellte<br />

Papiergarne<br />

Verbesserung der Garnqualität bei.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) Durch die technische<br />

Weiterentwicklung der Papiergarne in der Zwischenkriegszeit war das Verfahren in ganz<br />

Europa bekannt geworden, und auch einige <strong>and</strong>ere Länder hatten die Produktion aufge-<br />

nommen. „Es konnte nun wasserfest imprägniert werden, und sein etwas stumpfes Ausse-<br />

hen verbesserte man durch verschiedene Veredelungsverfahren, sodass die Garnqualität<br />

viel höher als noch während des Ersten Weltkriegs war.“ (Leitner, Papiertextilien, 33) „Die-<br />

ser sogenannte Pextil-Jersey wurde auf speziellen Rundstrickmaschinen erzeugt. Die dabei<br />

entstehende Maschenware war weicher und dehnbarer als die relativ steifen Gewebe und<br />

somit angenehmer auf direkter Haut zu tragen. Es wurden daraus hauptsächlich Strümpfe,<br />

Nachthemden, Unterleibchen und Gardinen erzeugt.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) Doch<br />

selbst nach diversen Versuchen, die Papiergarne aufzuwerten, die W<strong>and</strong>lung vom Ersatzstoff<br />

zum Werkstoff zu propagieren und den Namen Papiergarn durch Zellstoffgarn zu ersetzen,<br />

konnte das minderwertige Image dieses Materials nicht aufgewertet werden. (Vgl.<br />

Leitner, Papiertextilien, 33)<br />

In Finnl<strong>and</strong> herrschte bis Ende der 1950er Jahre Armut und eine Rohstoffknappheit, da<br />

große Mengen, unter <strong>and</strong>erem auch ein Großteil der im L<strong>and</strong> vorh<strong>and</strong>en Textilfasen, an<br />

das frühere Herrschaftsl<strong>and</strong> Russl<strong>and</strong> abgeben werden mussten, weshalb sich Textilgestalter<br />

dort zwangsläufig viel länger als <strong>and</strong>erswo mit den Ersatzstoffen befassen mussten. Da<br />

die billig produzierten Papiergarne als minderwertig angesehen wurden und somit nicht<br />

abgegeben werden mussten, wurden sie in den Nachkriegszeiten in großen Mengen und<br />

auf hohem technischen Niveau weiterverarbeitet. (Vgl. Leitner, Papiertextilien, 36) „Anstatt<br />

in Baumwolle, Leinen oder Seide drückten die Textilschaffenden ihre Ideen in Ersatzmaterialien<br />

aus.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Oft wurden dabei die bunten Papierschnüre<br />

aus Mangel an Alternativen mit <strong>and</strong>eren, ungewöhnlichen Materialien wie Plastikschnüren,<br />

Plexiglasstäben, Birkenrinde, Kunststoffleisten, Bast oder Ähnlichem kombiniert. Die originellen<br />

Musterproben waren Ausgangspunkt für die Produktion von Lampen, Taschen oder<br />

Möbelstoffen.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Erst als sich gegen Ende der 1950er-Jahre die<br />

wirtschaftliche Situation in Finnl<strong>and</strong> verbesserte, verschw<strong>and</strong> die Papierschnur langsam<br />

auch dort.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Aufgrund der historischen Umstände ist es somit<br />

auch nicht verwunderlich, dass der Papierschnurboom der sich zurzeit in ganz Europa<br />

ausbreitet, in den 1980er-Jahren in Finnl<strong>and</strong> seinen Anfang nahm.“ (Leitner, Papiertextilien,<br />

ebd.)<br />

„Im Laufe der Technisierung der Papierherstellung gelang es 1965 einer Fabrik in Tokio, ein<br />

chemisch präpariertes Papier zur Kamiko-Herstellung zu entwickeln. In einer Modeschau<br />

präsentierten die <strong>Design</strong>er dieser Firma Gewänder aus dem neuartigen Produkt, darunter<br />

auch ein Hochzeitskleid. In den USA führten 1966 Papierkleider, die von der Herstellerfima<br />

als Werbekampagne gedacht waren, zu ungeahntem Erfolg. Gegen eine Gebühr von 1,25<br />

Dollar erhielten die Interessentinnen ein Papierkleid per Post zugeschickt. In wenigen Monaten<br />

gingen 500 000 Bestellungen ein, sodass die Firma in Lieferschwierigkeiten geriet.<br />

Die Vielfalt der chemisch präparierten Papiere zeigt sich auch in der Herstellung von Kleidern<br />

aus einem synthetischen Papier, das die Arbeiter in Atomkraftwerken gegen die radioaktive<br />

Strahlung schützt. Ebenfalls in den 60er-Jahren wurden in Deutschl<strong>and</strong> erstmals die<br />

synthetischen Papiervliese Elasil und Pretex hergestellt, die in der Einweganwendung im<br />

Hygienebereich und als Betttücher eingesetzt werden. Yookanshi- und Takeya-Shibori-Pa-<br />

2.4 Synthetische Papiere


49<br />

piere gehen noch weiter, sie wirken wie Leder und sind sehr fest. Diese Materialien entstam-<br />

men der Weiterentwicklung der geölten und mit Tannin beh<strong>and</strong>elten Papiere. Sie werden<br />

zur Produktion von Schirmen, Taschen, Schuhen und Jacken verwendet.“ (Weber, Sprache,<br />

161f)<br />

Ein Material, mit dem <strong>Design</strong>er wie der Modeschöpfer Hussein Chalayan arbeiten, wenn sie<br />

von Kleidung aus Papier sprechen, ist Tyvek <strong>–</strong> papierähnlich an diesem Material ist jedoch<br />

nur dessen Haptik und Optik. Die wirkliche Definition ist: „Ein papiervliesartiges Faser-<br />

funktionstextil aus thermisch verschweißten Fasern aus Polyethylen hoher Dichte (HDPE)<br />

Es wird als dauerhaftes ‚synthetisches Papier‘ in der Verpackungs- und Bürobedarfs-Indus-<br />

trie und als Material für Schutzkleidung in der Reinraumtechnologie, im Operationssaal<br />

und der Spurensicherung verwendet.“ (NN, Tyvek, online) Tyvek wurde 1955 von der Firma<br />

DuPont entwickelt und konnte sich durch seine Leichtgewichtigkeit und Langlebigkeit in<br />

Bezug auf Schutz und Sicherheit in den verschiedensten Anwendungsbereichen als Weltmarktführer<br />

durchsetzen. „Ein ähnliches Endlos-Faser-Vlies aus Polypropylen, das als Teppichrücken<br />

und als Geotextil Anwendung findet, ist Typar der Fa. DuPont.“ (NN, Tyvek, online)<br />

In der Haptik verhält es sich wie Papier, allerdings ist es verformbarer, viel strapazierfähiger<br />

und geschmeidiger als Papier. „Als Material für Schutzkleidung ist es deshalb geeignet, weil<br />

Tyvek einerseits selbst nur sehr wenige Fasern verliert, <strong>and</strong>ererseits durch das Vlies nahezu<br />

keine vom Körper abgeschiedenen Zellen aus dem Anzug heraustreten können.“ (NN, Tyvek,<br />

online) Tyvek wird für Schutzkleidung für Reinbereiche oder als Schutz vor Verschmutzung,<br />

zum Beispiel beim Lackieren sowie als Verpackungsmaterial für Sterilgut verwendet.<br />

Durch die Wasserdichtigkeit und Dampfstoffdiffusionsoffenheit des Materials wird es auch<br />

als zweite Dachhaut verwendet und durch seine Reißfestigkeit für Kontrollarmbänder auf<br />

Festen genutzt. (Vgl. NN, Tyvek, online)<br />

„Versuche um 1980, Tyvek auch für die Herstellung von Kunststoffgeldscheinen zu nutzen,<br />

haben jedoch, außer auf kleinen Inseln, keine breite Anwendung gefunden. Als Tyvek<br />

HomeWrap wird es besonders bei Wohnhäusern aus Holz, wie sie besonders auf dem amerikanischen<br />

Kontinent gebaut werden, als Wetterschutz benutzt. Dazu wird das Haus bis auf<br />

Türen und Fenster nahezu eingewickelt […]. Dadurch kann Feuchtigkeit nicht eindringen<br />

und überschüssige Feuchtigkeit nach außen gelangen.“ (NN, Tyvek, online)<br />

2.4.1 Tyvek


51<br />

„Die Funktion von Papier wird im 21. Jahrhundert meistens auf die eines kurzlebigen Kom-<br />

munikations- und Verpackungsmaterials oder auf die der Basis für gestalterische und<br />

künstlerische Ausdrucksformen reduziert. Papier wird aber auch in ganz <strong>and</strong>eren Kontex-<br />

ten verwendet und je nach Eigenschaft des Rohstoffs, Verarbeitungsmethode und späterer<br />

Funktion setzt es ganz unterschiedliche Maßstäbe.“ (Weber, Sprache, 154) Als Ersatzstoff<br />

für verschiedene <strong>and</strong>ere Materialien ist Papier zum geeignetsten erkoren worden. Vor al-<br />

lem unter den ursprünglich textilen Produkten <strong>–</strong> wie Taschentücher, Servietten und H<strong>and</strong>-<br />

tücher, Tischtücher, Babywindeln, Taschen, Kaffeefilter und Teebeutel <strong>–</strong> hat sich das Papier<br />

als preiswerter und praktischer herausgestellt, weil es nach einmaligem Gebrauch einfach<br />

entsorgt werden kann und somit ganz den Anforderungen unserer Zeit entspricht.<br />

„Unterschied man früher nur zwei Sorten von Papier, nämlich das feine Hadernpapier, das<br />

als Schreib- und Druckpapier verwendet wurde, vom groben Packpapier unterschiedlicher<br />

Farbe, so werden heute 3000 verschiedene Sorten von Papier hergestellt, die unterschiedli-<br />

chen Anforderungen genügen.“ (Kohl, mehr, 190) Vor allem bei Verpackungs- und Hygie-<br />

neprodukten konnte sich das Papier durchsetzen und wurde schnell zum ‚wisch-und-weg‘-<br />

Artikel in unserer Wegwerfgesellschaft.<br />

„Eine der umwälzenden Erfindungen im Bereich der täglichen Hygiene führt zur Ersetzung<br />

des Stofftaschentuchs durch das Papiertaschentuch. 1929 hatte eine Nürnberger Firma<br />

beim Reichspatentamt in Berlin das Warenzeichen TEMPO angemeldet und sechs Jahre<br />

später wurde bereits 35 millionenmal zum Tempo-Taschentuch gegriffen. 1977 überschritt<br />

die Produktion allein der unter dem Markenzeichen TEMPO hergestellten Papiertaschen-<br />

tücher die 10 Milliarden-Grenze. Trotz zahlreicher Mitbewerber am Markt steht noch heute<br />

der Begriff Tempo-Taschentuch für den Artikel schlechthin. Papierserviette und Papierta-<br />

schentuch, hygienisch verpackt, weich und billig, oft in Weiß, erledigen heute die ‚Schmutz-<br />

arbeit‘. Sie haben die Damast- und Batisttücher zwar nicht vollends verdrängt, aber sich im<br />

alltäglichen Gebrauch scheinbar unersetzlich gemacht.“ (Kohl, mehr, 190)<br />

Die in der westlichen Welt in den Zwischen- und Nachkriegszeiten beworbene Papierkleidung<br />

f<strong>and</strong> aufgrund ihres negativen Images keine Anerkennung. „Vorrangige Bedeutung<br />

hat Papierkleidung heute im Arbeitsbereich, wie zum Beispiel in Krankenhäusern. Erstaunlicherweise<br />

hat sie sich aber im Alltag nicht in dem Maße durchsetzen können, wie es eigentlich<br />

aufgrund der leichten H<strong>and</strong>habbarkeit zu erwarten wäre. Selbst Andy Warhol machte<br />

sich über dieses Phänomen bereits Gedanken: ‚Ich habe mir immer gewünscht, ich hätte die<br />

Papierunterhose erfunden, obwohl ich genau weiß, daß sie überhaupt nicht gut eingeschlagen<br />

haben, als sie auf den Markt kamen. Ich bin immer noch der Meinung, daß Papierunterhosen<br />

eine gute Idee sind, und ich weiß auch nicht, warum die Leute keine wollen, wo sie<br />

sich doch längst mit Papierservietten und Papiertischtüchern, mit Papiervorhängen und Papierh<strong>and</strong>tüchern<br />

angefreundet haben <strong>–</strong> es wäre doch sinnvoller, keine Unterhosen waschen<br />

zu müssen, als keine H<strong>and</strong>tücher waschen zu müssen.‘.“ (Kohl, mehr, ebd.)<br />

Auch der papierenen Verpackung wurde immer mehr Bedeutung beigemessen. Ohne Papier<br />

hätten Waren durch die Leichtigkeit des Materials nie so kostengünstig transportiert<br />

und durch die Widerst<strong>and</strong>sfestigkeit nie so problemlos gelagert werden können. „Neben<br />

Holzspanschachteln wurden um 1650 auch Pappschachteln verwendet. Die Gestaltung der<br />

3.1 Papier − Der Ersatzstoff<br />

in einer Wegwerfgesellschaft<br />

Abb. 63: Werbefoto für Tempo-<br />

Taschentücher. VP-Schickedanz<br />

AG, Nürnberg.


53<br />

Verpackung hatte früher noch keinen Bezug zum Inhalt der Packung, sondern schmückte<br />

lediglich. Durch die Erfindung der Wellpappe, die 1871 in New York zum Patent angemeldet<br />

wurde, änderte sich die Nutzbarkeit von Papier für Verpackungszwecke erheblich: Die stabi-<br />

len Wellen schützen empfindliches Gut vor Stoß und f<strong>and</strong>en schnell große Verbreitung. Ein<br />

weiterer Schritt ergab sich durch die erste Rundsiebkartonmaschine, die 1903 in Arnsberg<br />

in Betrieb genommen wurde. Durch die industriell nun relativ günstige Verfügbarkeit von<br />

Packmitteln, die in exakt gleichbleibender Aufmachung gestaltet wurden, erreichte die Ver-<br />

packung neue Qualität und trug zur Produktdifferenzierung bei. Durch ihre unterschiedli-<br />

che und jeweils typische Hülle wurden die Waren vonein<strong>and</strong>er unterscheidbar, entst<strong>and</strong> der<br />

ästhetische und gleichzeitig verführerische Charakter der Verpackung: der Reiz der Hülle.“<br />

(Kohl, mehr, 194<strong>–</strong>196) Heutzutage werden unglaubliche Papiere für Verpackungen produ-<br />

ziert, die mit den verschiedensten Materialien versetzt und kombiniert werden: Sei es in<br />

Schlangenlederoptik, weich wie Plüsch, glänzend und funkelnd wie Plastik oder rustikal<br />

und hart wie eine hauchdünne Scheibe Holz <strong>–</strong> in den Papiermachereien werden schon lange<br />

keine Kosten und Mühen mehr gescheut, geschweige denn Grenzen gesetzt.<br />

„Oft kommen heute auch so genannte Faserverbundstoffe oder ‚Non woven fabrics‘ zum<br />

Einsatz, deren Technologie in den 1960er-Jahren entwickelt wurde. Darunter versteht man<br />

ungewebte, synthetisch hergestellte Vliesstoffe, die gleichzeitig eine papierene und textile<br />

Wirkung haben. Die Fasern werden mittels verschiedener Methoden in Wirrlage gebracht<br />

und durch Verkleben, Verschmelzen und<br />

Ähnliches zu einer Fläche verbunden. Bil-<br />

lige Kleidung, Bettwäsche und Wohn-<br />

raumaccessoires aus Vliesstoffen waren<br />

in den 1960er- und 1970er-Jahren popu-<br />

lär. Bis heute wird das Material als Ein-<br />

lagestoff und aus hygienischen Gründen<br />

in Krankenhäusern, Hotelbetrieben, wis-<br />

senschaftlichen Laboratorien und beim<br />

Militär eingesetzt. Für Theaterkostüme<br />

und zu Dekorationszwecken werden ähn-<br />

liche Materialien, so genannte Tyvek-Stof-<br />

fe, die im vorherigen kurz vorgestellt wer-<br />

den, verwendet, die in den letzten Jahren<br />

wegen ihres papierenen Charakter auch<br />

im Bereich der Alltagskleidung modern<br />

wurden. Es schließt sich also der Kreis:<br />

Einerseits wird Papier als Ersatzstoff für<br />

Textilien verwendet, um den alltäglichen<br />

Gebrauch zu vereinfachen, <strong>and</strong>ererseits<br />

imitiert man neuerdings aber auch be-<br />

reits mit modernen Hightech-Materialien<br />

das Aussehen des Papiers, um zeitgemä-<br />

ße Inhalte zu transportieren <strong>–</strong> ein fortwäh-<br />

rendes Wechselspiel.“ (Leitner, Papiertex-<br />

tilien, 12)<br />

Links<br />

Abb. 64: Dieses Kleid entst<strong>and</strong><br />

im Auftrag von „The Sun“, einer<br />

britischen Zeitung, und besteht<br />

aus über 250 aus Zeitungspapier<br />

gefalteten und zuammengenähten<br />

Blumen. Die Kombination von<br />

Falten und Bildern lässt eine hochwertige,<br />

visuelle Textur entstehen.<br />

Rachael Sleight, Großbritannien.<br />

Rechts:<br />

Abb. 65 und 66: Kostengünstiges<br />

Hochzeitskleid aus Papier. Die<br />

Braut kann aus verschiedenen<br />

Röcken, Miedern und Blumenmustern<br />

wählen. Das Kleid kommt<br />

kurze Zeit später flach gefaltetet<br />

per Post. Die Abfälle der ausgeschnittenen<br />

Muster können sogar<br />

als Konfetti verwendet werden.<br />

Rachael Sleight, Großbritannien,<br />

Rock und Blumen: Fabriano Spa<br />

cartridge 120 g/m 2 , Mieder: Japan-<br />

und Krepppapier.<br />

Spricht man von „Mode aus Papier“, reagieren die Leute unwissend, erstaunt und fasziniert<br />

zugleich. „Wie soll das denn funktionieren?“, wird gefragt. Doch trotz dieses allgemeinen<br />

Unwissens und der anfangs eher erfolglosen Suche nach Informationen und Anwendungen,<br />

wird man schlussendlich fündig: Zahlreiche Künstler, <strong>Design</strong>er, Modeschöpfer, Papierlieb-<br />

haber und Neugierige beschäftigen sich schon seit langer Zeit mit dem Werkstoff Papier als<br />

Ersatzstoff für Textilien. ‚Papier ist dankbar‘, heißt es und so wird probiert und experimen-<br />

tiert, gefaltet, geknittert und wieder glatt gestrichen, geschnitten, gerissen, geklebt, bemalt,<br />

geprägt, gestanzt und in neue Formen gebracht. „Das Manipulieren mit Papier ist anregend,<br />

weil seine Eigenschaften beim Umformen nicht verloren gehen.“ (Özay, Textilforum, 37)<br />

Daraus entstehen künstlerische Meisterwerke, wie die von Isabelle de Borchgrave und Rita<br />

Brown, die Stücke aus der Modegeschichte mit Hilfe von Papier rekreieren. Humorvolle,<br />

dreidimensionale Collagenkleidung, wie die von Charlie Thomas, ein sagenhaftes, individuell<br />

zusammenstellbares Hochzeitskleid, wie das von Rachael Sleight. Das „Project Papermoon“,<br />

bei dem Ann Schmidt-Christensen und Grethe Wittrock mit Papiergarnen in Kombination<br />

mit <strong>and</strong>eren textilen Materialien experimentieren, um daraus gewebte tragbare<br />

Mode zu entwickeln.<br />

Um den Rahmen nicht zu sprengen, werden im folgenden Kapitel nur ein paar der beeindrucktesten<br />

Beispiele vorgestellt.<br />

3.2 Mode aus Papier −<br />

Die <strong>Design</strong>er von heute


55<br />

Schon in der Ausstellung „Papiers à la mode“ stellten Isabelle de Borchgrave und Rita Brown<br />

ihr kreatives Können unter Beweis, indem sie Kleidungsstücke aus der Modegeschichte aus<br />

Papier herstellten. „Inspired by a catalogue from the Kyoto Costume Institute entitled ‚Re-<br />

volution in Fashion’, painter <strong>and</strong> designer Isabelle de Borchgrave decided to recreate some<br />

of the dresses using paper <strong>–</strong> her stock in trade. It soon became a passion <strong>and</strong>, in collabora-<br />

tion with costumier Rita Brown, she has interpreted costumes from museums around the<br />

world. These are certainly not reproductions <strong>and</strong> it is the transition into paper, <strong>and</strong> the way<br />

in which paint is applied to give the impression of lace or fabric that makes the costumes so<br />

imposing.“ (Williams, paperwork, 114)<br />

Als ich Anfang April diesen Jahres den Palazzo Fortuny in Venedig betrat, wurde mir die<br />

Atmosphäre der Kleider von Isabelle de Borchgrave und Rita Brown körperlich bewusst.<br />

Bisher hatte ich ihre Werke nur auf Fotografien gesehen, was mich schon sehr beeindruckt<br />

hatte, nichts aber im Vergleich zu ihnen im Original! Trotz der aufmerksamen Augen der<br />

Museumswärter war es mir ein Mal möglich, kurz über die Papiere zu streichen, um einen<br />

Eindruck von der Haptik zu bekommen <strong>–</strong> die Kleider vermittelten einen stofflichen Eindruck,<br />

der selbst aus der Nähe nicht verschw<strong>and</strong>. Isabelle de Borchgrave war mit dieser Ausstellung<br />

eine Rekreation der imposanten Kollektion des Modeschöpfers Mariano Fortuny,<br />

dessen Räumlichkeiten für die Ausstellung genutzt wurden und dessen textile Vorgänger<br />

in Glasvitrinen hinter den Papierkleidern ausgestellt waren, gelungen. Mit perfektionistischem<br />

Detailreichtum st<strong>and</strong>en die papierenen Kleider den Originalen nur in der Hinsicht<br />

nach, dass man diese nicht tragen konnte. Die Künstlerin hatte mit gekonnten Pinselstrichen<br />

und in aufwändigster Kleinarbeit Papier in textilhafte Meisterwerke verw<strong>and</strong>elt.<br />

3.2.1 Isabelle de Borchgrave<br />

und Rita Brown<br />

„Un Mondo di Carta“ eine Ausstellung<br />

von Isabelle de Borchgrave<br />

in Anlehnung an die Kleider von<br />

Mariano Fortuny, Palazzo Fortuny,<br />

Venedig, 2008.<br />

Unten links:<br />

Abb. 67: Isabelle de Borchgrave.<br />

Oben links und Mitte links:<br />

Abb. 68 und 70: Englisches Abendkleid<br />

aus den 1850er Jahren.<br />

Oben rechts:<br />

Abb. 69: Rekreation eines Mariano<br />

Fortuny Kleides.<br />

Mitte rechts:<br />

Abb. 71: Originale von Mariano<br />

Fortuny.<br />

Unten rechts:<br />

Abb. 72: Rekreation eines Mariano<br />

Fortuny Kleides.


57<br />

„Charlie Thomas ist Grafikdesigner und entwirft auch Kleidungsstücke aus Papier. Seinen<br />

ersten Ausflug in die Welt der Papierkleidung unternahm er, als er in Melbourne am Gra-<br />

fikkonzept für einen Terence-Conran-Laden mitarbeitete. Er entwarf die gesamte Schau-<br />

fenstergestaltung für die Modedesignerin Colette Dinnigan, bestehend aus einem Kleid in<br />

Originalgröße, einer Tasche und Schuhen <strong>–</strong> natürlich alles aus Papier. Auch für Burberry ge-<br />

staltete Charlie Thomas Schaufenster. Damit war er so erfolgreich, dass man ihn einlud, bei<br />

einer Verkaufsausstellung bei Sotheby’s unter dem Titel ‚Out of the Closet <strong>–</strong> Clothes of the<br />

Unwearable‘ teilzunehmen, bei der unter <strong>and</strong>erem Werke von Hussein Chalayan<br />

gezeigt wurden [...]. Die Papierkreationen von Charlie Thomas waren ursprüng-<br />

lich flach <strong>–</strong> eine Art dreidimensionale Collage <strong>–</strong>, doch er hat sich zwischenzeit-<br />

lich weiterentwickelt und stellt nun tragbare Modelle her, auch wenn sie nur einen<br />

Abend überstehen. Die Stilkönigin Isabella Blow beauftragte ihn, ein Ballkleid<br />

aus Papier und eine Jacke aus Folienkrepp für sie anzufertigen, die sie bei den<br />

Modeschauen in Paris trug, Die Beispiele [...], die aus Papier der Qualität Keayko-<br />

lour bestehen, wurden bei einer Ausstellung mit dem Titel ‚On Paper‘ des Crafts<br />

Council gezeigt.“ (Avella, Engineering, 124)<br />

Für die Ausstellung „Out of the Closet <strong>–</strong> Clothes of the Unwearable“ verwendete<br />

Charlie Thomas auf Pappe kaschierte, lebensgroße Fotos von Prada. Den Mann<br />

kleidete er in einen gerade geschnittenen Anzug, die Frau in ein oranges Kostüm,<br />

wobei er die komplette Kleidung aus Papier realisierte.<br />

„He created a whole Channel line, including the suit with the classic buttons, the<br />

shoes, the quilted h<strong>and</strong>bag. People came up to me <strong>and</strong> said why on earth are you<br />

showing Channel here? And I said, actually they’re made in paper. They were so<br />

realistic that people could not see the difference. In terms of collaboration, an interesting<br />

example occurred in connection with this exhibition. We approached<br />

Burberry with a very specific sponsorship proposal: to sponsor Charlie Thomas<br />

to recreate their current range, but made from metallic paper <strong>and</strong> other types [...],<br />

these pieces then to be displayed in their shop windows. Our intention was to<br />

create interest in the Sotheby’s exhibition, a kind of indirect sponsorship.<br />

Burberry agreed <strong>and</strong> showed the designer collection in the windows<br />

in Madison Avenue, <strong>and</strong> I then think it moved to LA <strong>and</strong> then it<br />

went to Paris, <strong>and</strong> finally we had it on a show at Sotheby’s. This particular<br />

collaboration worked very well, for Burberry, for the exhibition,<br />

for Sotheby’s <strong>and</strong> for Charlie, who’s now doing all kinds of other interesting<br />

things <strong>and</strong> is connected with Gucci <strong>and</strong> does a lot of work for<br />

magazines <strong>and</strong> has moved into ceramics.“ (Blackburn, Presentation,<br />

online)<br />

Links<br />

Abb. 73−75: Collagenartige Papierkleider<br />

inklusive Schuhen und<br />

Taschen.<br />

Rechts:<br />

Abb. 76: Spitzenartige Kleider.<br />

3.2.2 Charlie Thomas<br />

Rei Kawakubo wurde 1942 in Tokyo geboren und studierte Kunstwissenschaft und Litera-<br />

tur. 1967 fing sie in einer Textilfirma als Freelancerin zu arbeiten an. 1973 gründete sie ihre<br />

eigene Firma <strong>–</strong> Comme des Garçons. Sie begann mit einer Modekollektion für Frauen und<br />

fügte 1978 auch eine Männerlinie hinzu. Zwei Jahre später zog sie nach Paris und präsen-<br />

tierte saisonal ihre Modekollektionen. Zur selben Zeit eröffnete sie ihre erste Filiale in Paris.<br />

(Vgl. Krebs, Biography, online)<br />

Mit Comme des Garçons spezialisierte sie sich in ‚Anti-Mode‘, streng, oft dekonstruiert mit<br />

fehlenden Ärmeln oder <strong>and</strong>eren Elementen. Ihre Mode ist vorwiegend in schwarz, weiß und<br />

dunkelgrau gehalten und wird mit Militärstiefeln kombiniert. (Vgl. Krebs, Biography, on-<br />

line) „Den Namen ihres Labels hat sie einem Song der französischen Popsängerin Françoi-<br />

se Hardy entlehnt. Er bedeutet: wie die Jungs. In diesen Worten steckt ihre Botschaft: Jungs<br />

verkleiden sich nicht. Jungs drücken sich durch Kleidung aus. Das Gleiche sollte für Frauen<br />

gelten: Sie sind tapfer <strong>–</strong> das muss man sehen können. Sie sind zerbrechlich <strong>–</strong> das muss man<br />

fühlen können. Also veränderte Rei Kawakubo die Chiffren der Weiblichkeit und zerknitter-<br />

te Seide wie Papier. Sie kochte Wolle, bis das Material fest wie ein Panzer wirkte und scheu-<br />

erte Baumwolle zu Lappen. Ihre Schnitte? Ein Desaster. Ausgebeult, übergroß, asymmet-<br />

risch, fransig. Das Futter nach außen gekehrt. Eine Infragestellung aller kleidsamen Werte.<br />

Mode als Kunst <strong>–</strong> und doch bequem für die Trägerin. „Bei Rei Kawakubo“, sagt Suzy Menkes,<br />

die Gr<strong>and</strong>e Dame der Fashionkriti-<br />

ker, „kontrollieren nicht die Kleider<br />

die Menschen, sondern die Men-<br />

schen die Kleider.“ (Friedman, Ka-<br />

wakubo, online)<br />

„Part of the ‚Unfinished’ collection<br />

from the Kyote Costume Institute,<br />

a gift of Comme des Garçons, these<br />

delicate lace-like dresses use a traditional<br />

Japanese cut-out technique<br />

to stencil patterns onto cloth.<br />

Here the stencil becomes the dress<br />

itself, symbolizing the theme of the<br />

collection.“ (Williams, paperwork,<br />

123)<br />

3.2.3 Rei Kawakubo


59<br />

Ann Schmidt-Christensen wurde 1964 in Frederiksberg in Kopenhangen geboren und war<br />

ab 1984 im Atelier MAHU in Frankreich tätig. 1987 arbeitete sie in der Kostümabteilung des<br />

‚Folketeatret‘ in Kopenhagen mit und machte 1993 ihren Abschluss an The Danish School<br />

of Art & <strong>Design</strong>, im selben Jahr startete sie das „Project Papermoon“ mit Grethe Wittrock.<br />

(Vgl. Schmitt/Strate, Art, 34)<br />

Grethe Wittrock wurde 1964 in Kalundborg in Dänemark geboren und absolvierte 1986 eine<br />

Weberlehre bei Anette Juel in Kopenhagen. 1992 schloss sie ihr Studium an The Danish<br />

School of Art & <strong>Design</strong> ab und führte 1990 Textilstudien an der Seika University, am Col-<br />

lege of Fine Art in Kyoto durch. 1993 begab sie sich auf Studienreise nach Japan, die auch<br />

den Beginn des „Project Papermoon“ mit Ann Schmidt-Christensen markierte. Seit 1994 ist<br />

die <strong>Design</strong>erin für Raumtextilien bei Creation Baumann in der Schweiz. (Vgl. Schmitt/Strate,<br />

Art, ebd.)<br />

„Das Project Papermoon ist ein experimentelles Forschungsvorhaben im Bereich des Bekleidungsdesigns.<br />

Es erprobt neue Wege sowohl in Form und Funktion als auch in ästhetischer<br />

und technischer Hinsicht. Die Ergebnisse sind interessant sowohl im Hinblick auf industrielle<br />

Anwendung als auch in Beziehung auf eine innovative Ästhetik und deren Sprache. Als<br />

Material dienen Japanpapiere verschiedener Qualität, Papiergarne <strong>–</strong> gewebt, gestrickt und<br />

geflochten-, Papierbogen <strong>–</strong> speziell beh<strong>and</strong>elt und vorbereitet: gefärbt, bedruckt und mit<br />

neu strukturierter Oberfläche. Dann kommt die räumliche Umsetzung in ein sowohl funktionales<br />

als auch plastisches Kleidungsstück, in dem Material und Form sich zu einem Ganzen<br />

verbinden.“ (Schmitt/Strate, Art, 34)<br />

3.2.4 Ann Schmidt-<br />

Christensen und<br />

Grethe Wittrock − Das<br />

„Project Papermoon“<br />

Unten links:<br />

Abb. 77: The Polar Bear.<br />

Unten rechts:<br />

Abb. 78: The Bird.<br />

Gegenüber oben:<br />

Abb. 79 und 80: Shifu Kleidung<br />

von Gisela Progin.<br />

Gegenüber unten links:<br />

Abb. 81: Kamikoartige Kleidung.<br />

Gegenüber unten rechts:<br />

Abb. 82: Kimono aus dem „Project<br />

Papermoon“. 1995. Gewebe aus<br />

Shifu. Fotografische Inszenierung<br />

für den Scheufelen Kalender 1997.<br />

„So wird zum Beispiel zum schlichten, glatten Papier flauschiges Mohair, Wol-<br />

le oder Baumwollb<strong>and</strong> in Kontrast gesetzt. Die Gewebe sind technisch perfekt<br />

gearbeitet und werden vor dem Zuschnitt gewaschen, sodass sie weicher und<br />

saugfähiger sind.“ (Leitner, Papiertextilien, 165) „Die Schnitte sind sehr schlicht,<br />

bestehend oft nur aus strengen geometrischen Formen oder einzelnen Elemen-<br />

ten, die sich in raffinierten Faltungen zu dreidimensionalen Körperhüllen ver-<br />

w<strong>and</strong>eln.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Trotz dieses künstlerischen Konzepts<br />

ist die Mode von Project Papermoon durchaus tragbar. Die Formen sind falt- oder<br />

schnitttechnisch perfekt an den menschlichen Körper angepasst, und auch das<br />

Material selbst hat angenehme Trageeigenschaften <strong>–</strong> von steifen, formstabilen<br />

Geweben bis hin zu flexiblen, fließenden, fast transparenten Wirkwaren. Diese<br />

Mode ist leicht, wärmeisolierend, schmutzabweisend, waschbar und erzeugt bei<br />

Bewegungen ein sympathisches Rascheln.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.)


61<br />

Hussein Chalayan wurde 1970 in Zypern geboren und machte seine Ausbildung zuerst in<br />

Istanbul, später dann in London. 1993 präsentierte er seine Abschlussarbeit „Buried“ im<br />

Central Saint Martin College for Art <strong>and</strong> <strong>Design</strong>, die den Beginn seiner Karriere markierte.<br />

Ab Oktober 2001 zeigte Hussein Chalayan diese Kollektion auch in Paris. 2003 zeichnete er<br />

als Stylist bei Asprey eine Stilreihe für die Konfektion. (Vgl. Marchetti/Quinz, Dysfashional,<br />

32) „Hussein Chalayans Kreationen konzentrieren sich auf die Körperfunktionen, sowohl<br />

im physischen Bereich, als auch in Bezug auf das Volumen, die Umwelt und der soziokul-<br />

turellen Kontext. Er erforscht seit jeher die Idee des Reisens, der Ortveränderung und der<br />

Verschiebung von Identität. Seine Kleidungsstücke sind so stark von technischer Genauig-<br />

keit und Präzision geprägt, dass sie manchmal architektonisch wirken. Anstelle des klassi-<br />

schen Podiums zieht er für seine Modenschauen spektakuläre Inszenierungen vor, die an<br />

die Grenzen zwischen Mode, <strong>Design</strong>, Performance und Kunst stoßen. Hussein Chalayan ist<br />

heute einer der innovativsten, experimentierfreudigsten und konzeptuellsten Modeschöp-<br />

fer.“ (Marchetti/Quinz, Dysfashional, 32)<br />

„Eine luftige, intime und inhaltsvolle Nachricht, das ist es was Hussein Chalayan mit Air-<br />

mail dress vorschlägt.“ (Marchetti/Quinz, Dysfashional, 33) Dieses wohl bekannteste ‚Pa-<br />

pierkleid‘ von Modeschöpfer Hussein Chalayan geht aus einer ganzen Kollektion von Klei-<br />

dungsstücken aus Papier hervor und ist, wenn man den Brief auffaltet, anziehbar. Dieses<br />

sehr ausgeklügelte Kleid besteht aus Tyvek, ist sogar waschbar und erhielt man mit einer<br />

Anleitung zum Anziehen sowie Aufklebern, um die Reißfestigkeit zu erhöhen, den Schnitt<br />

anzupassen und das Kleid zu versiegeln, per Post. Die Briefhüllenschleppe war am R<strong>and</strong><br />

perforiert, damit man sie, wenn man wollte, auch entfernen konnte. (Vgl. Williams, paper-<br />

work, 124) „Die Idee, die hinter der Kollektion Airmail steht, war, eine Spur von der Anwe-<br />

senheit oder Abwesenheit einer Person zu erschaffen, idem [sic] ihre Kleidung an eine an-<br />

dere Person vers<strong>and</strong>t wird.“ (Marchetti/Quinz, Dysfashional, 34)<br />

„For a designer to use fashion as a laboratory is no novelty. It is the bedrock of teaching at<br />

Saint Martin’s […]. And 35 years before Dior‘s bourgeois clients were sc<strong>and</strong>alized by the<br />

abstract constructs, Paco Rabanne had built a career on his 1960s ‘manifesto’ collection<br />

of ‘Twelve’ Unwearable Dresses’ made of riveted plastic, metal <strong>and</strong> paper. When designers<br />

push the limits of their craft, the results can generate scorn, derision or even rage from people<br />

who consider it decadent or just plain ridiculous to create clothes that can‘t be worn. This<br />

was Blackburn‘s jumping off point: the idea that the current reaction to an image-making<br />

runway show is so often ‘Who wears those clothes?’ Yet Chalayan says that designers cannot<br />

necessarily claim to be artists. And that even if an original abstract idea is so moving<br />

<strong>and</strong> stimulating that it could be considered art, it can still be realized in the form of fashion.<br />

‘People call things art much more easily these days,’ Chalayan said. ‘Fashion comes from<br />

an industrial process, but so now does a lot of art. And I find it quite satisfying to do something<br />

people can wear that still has the remnants of an idea, although the person who wears<br />

it would not know.’” (Menkes, Closet, online)<br />

3.2.5 Hussein Chalayan<br />

Oben:<br />

Abb. 83: Airmail Dress aus Tyvek.<br />

Unten:<br />

Abb. 84−86: Auspacken des Airmail<br />

Dresses.


63<br />

Julie Nioche studierte Tanz am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse<br />

in Paris und entwickelte ihr Können weiter, indem sie mit berühmten Choreographen wie<br />

beispielsweise Meg Stuart zusammenarbeitete. 1996 gründet Julie Nioche zusammen mit<br />

Rachid Ouramdane das Forschungs- und Produktionsinstitut L‘Association Fin Novembre.<br />

Als Psychologie- und Osteopathiestudentin führte sie therapeutische Workshops mit Pati-<br />

enten durch, die an Essstörung leiden. Auf diese Weise verb<strong>and</strong> sie ihr Studium mit der kre-<br />

ativen Arbeit. Die konzentrierte Besinnung auf den Körper wie Körperbild, die Entwicklung<br />

des Körpers und die Identitätskrise, die durch die allgegenwärtige, gesellschaftliche Fixierung<br />

auf den Körper entstehen sind Mittelpunkt ihrer Arbeit. „She questions the ‘territory’<br />

of dance <strong>and</strong> the conveyance of this practise in other contexts such as architecture, the medical<br />

sphere, or the field of education, in which the body should be given much more space.“<br />

(NN, Nioche, online)<br />

„Julie Nioches Lieblingsthema ist die Wechselhaftigkeit des Alltags. In ‚Matter‘ 11 konfrontiert<br />

sie sich selbst mit den Elementen, um ihre eigene Persönlichkeit und die ihrer Mittänzerinnen<br />

herauszustellen. Mit einfachen Papierkostümen und Wasser schafft Julie Nioche<br />

einen Raum der Verletzlichkeit. Doch die ist wie das Versprechen einer neuen Geburt.“<br />

(NN, Treffen, online) „Three girl’s matter ist ein Film von Laure Delamotte, der während<br />

einer Arbeitsphase für das Projekt Matter der Choreographin Julie Nioche gedreht wurde.<br />

Three girl’s matter ist eine Etappe im Schaffungsprozess von Matter, einem Projekt der<br />

Choreographin Julie Nioche. Diese Arbeitsphase f<strong>and</strong> im Januar 2007 in der Ménagerie de<br />

Verre in Paris statt <strong>–</strong> mit drei der insgesamt fünf, an dem Projekt beteiligten Tänzer-Choreographinnen.<br />

Matter ist eine Verbindungslinie zwischen Künstlern, die sich alle für einen<br />

utopischen Platz des ‚sensibel-sinnlichen‘ in der Gesellschaft einsetzen. Fünf Tänzerinnen,<br />

die zugleich Choreographinnen sind, (Mia Habib, Filiz Sisanli, Bouchra Ouizgen, Rani<br />

Nair und Julie Nioche) arbeiten daran, ihre jeweilige Identität durch die Ausdünnung der<br />

Oberflächenschichten <strong>–</strong> flüchtige Bekleidungsstücke <strong>–</strong> zum Vorschein bringen: die Modeschöpferin<br />

Nino Chubinishvili bekleidet alle diese geisterhaften Frauen mit einer Haut aus<br />

Papierkostümen, die sich im Wasser auflösen; die Architektin Virginie Mira und der Filmemacher<br />

Sylvain Gireaudeau bemühen sich, die Wasservorrichtungen zu schaffen, die den<br />

Raum und die Körper mit dem feuchten Element infiltrieren; und der Musiker Alex<strong>and</strong>re<br />

Meyer macht sich zum Echo der diversen Formen von Musikalität, die den Darstellerinnen<br />

jeweils zueigen ist. Die Premiere von Matter ist für 2008 vorgesehen.“ (Marchetti/Quinz,<br />

Dysfashional, 137)<br />

3.2.6 Julie Nioche<br />

Links:<br />

Abb. 87: Frame aus einem Video,<br />

in dem das choreografische Stück<br />

„Matter“ gezeigt wird, in dem<br />

drei Frauen in Papierkleidern<br />

auftreten.<br />

Rechts:<br />

Abb. 88 und 89: Ausschnitte aus<br />

dem Projekt „Matter“.<br />

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

11 Ein Ausschnitt aus "Matter" ist auch unter dem Link http://www.arte.tv/de/Videos-auf-ARTE-TV/2151166,CmC=2066372.html, zuletzt aufgerufen am 22.09.2008, als Stream anzuschauen.<br />

Bei Minute 01:55 beginnt der Teil über Julie Nioche und ihre Aufführung.


65<br />

Im Zusammenspiel von Erfahrenem, Erhaltenem und der Suche nach dem Möglichen ent-<br />

st<strong>and</strong> mein Wunsch, selbst etwas aus Papier entstehen zu lassen. Ich musste das, was ich<br />

bisher gelesen und gesehen hatte, einfach ausprobieren, wollte das Papier auch angreifen,<br />

knüllen und wieder glatt streichen, und mit Schere, Kleber und viel Geduld, die nicht immer<br />

nur vom Papier ausgehen sollte, Kleidungsstücke entstehen lassen.<br />

Nach einer langwierigen Papierrecherche habe ich mich für die Maulbeerstrauchsorte Kozo<br />

entschieden. Unter den vielen Proben, die ich mir zuschicken ließ, waren die Papiere aus<br />

Kozo diejenigen, die optimal für meine Experimente geeignet waren. Beim modulor-Shop<br />

im Internet (www.modulor.de) habe ich mich dann für zwei Arten dieser Papiere entschie-<br />

den:<br />

• Strohseide Silk mit Fasern in Weiß und einer Grammatur von 25 g/m², das transluzent,<br />

seidig, sehr fein anmutet, und dessen Fasern in weißen Fäden im Bogen deutlich sicht-<br />

bar sind, sowie<br />

• Strohseide Kozo in Natur und einer Grammatur von 105 g/m², das wesentlich grober,<br />

dennoch aber sehr weich und voluminös und dadurch flexibler und geschmeidiger ist.<br />

Außerdem hat mir Winter&Company dicke Mustermappen mit faszinierenden Papierpro-<br />

ben zukommen lassen. Diese haben mich, obwohl ich eigentlich vorhatte im Naturpapier-<br />

bereich zu bleiben, so beeindruckt, dass ich mich für weitere fünf Papiersorten aus ihren<br />

Mustern entschied, um meine Kleidungsstücke doch noch mit Farben zu schmücken. Die-<br />

se Sorten sind:<br />

• Corvon Metal-X aus der Reihe Corvon, das ein mit Latex imprägniertes Papier ist, wo-<br />

durch es sich wie Kunststoff anfühlt, sehr flexibel wirkt, kombiniert mit einer golde-<br />

nen Optik, die ganz feine, erhabene Linien aufweist,<br />

• Corvon Senzo in Schwarz. Es ist, wie Metal-X, mit Latex beschichtet und fühlt sich da-<br />

durch weich, im Griff fast feucht und gummiartig an,<br />

• Khepera Madera,<br />

das durch eine spezielle Prägung eine Holzstruktur-Narbung er-<br />

hält und dadurch wie hauchdünn geschnittenes Holz wirkt,<br />

• Nymphea in Hellrosa, das durch Prägung eine ganz besondere gerillte Struktur auf-<br />

weist, sowie<br />

• Papur Natural in Violett, das wie Naturpapier aussieht, sich aber besonders glatt und<br />

weich anfühlt.<br />

Diese Papiere werden normalerweise für Verpackungen, Broschüren, Schreibwaren und<br />

mehr verwendet und sind von der Rolle erhältlich, was bedeutet, dass es sie auch in langen<br />

Bahnen gibt.<br />

Die Kleidungsstücke habe ich komplett aus einem der zwei Japanpapiersorten gefertigt,<br />

die ich immer wieder geknittert und glatt gestrichen habe, bis sie eine weitaus weichere<br />

und textilere Haptik bekamen. Ich habe sie mit einem oder mehreren Papiersorten von<br />

Winter&Company illustrativ versehen und mich an der Technik von den Cook Isl<strong>and</strong>s ori-<br />

entiert. Dabei werden zwei Lagen Papier verwendet, aus der oberen werden Muster ausge-<br />

schnitten, durch die die untere Papierlage sichtbar wird. In ähnlicher Weise habe auch ich<br />

4.1 Das Papier<br />

4.2 Die Bearbeitung<br />

gearbeitet und hinter ein ausgeschnittenes Muster ein weiteres Papier geklebt oder illustra-<br />

tive Elemente aus dem einen Papier geschnitten und auf dem <strong>and</strong>eren angebracht.<br />

Zum Zusammenfügen der Papiere habe ich mich nach den verschiedensten Versuchen mit<br />

Nähen, Flüssigkleber oder Klebeb<strong>and</strong> für das effektivste entschieden <strong>–</strong> ein sehr starkes, dop-<br />

pelseitiges Klebeb<strong>and</strong>. Damit konnte ich nicht nur gezielt die Teile mitein<strong>and</strong>er verbinden,<br />

es drückte sich auch nicht wie Flüssigkleber durch oder ließ, wie beim Nähen, das Papier bei<br />

zu starkem Zug einreißen sondern ist an den Klebestellen sogar noch flexibler geworden.<br />

Außerdem konnte ich durch das Klebeb<strong>and</strong> Raffungseffekte erzielen, die an bestimmten<br />

Stellen für taillierte Schnitte sorgen und sich so besser an die Körperformen anpassen.<br />

Um die Kleider gut an- und wieder ausziehen zu können, habe ich mich für ein so genann-<br />

tes Dual-Lock-System entschieden, das ich auch bei modulor bestellen konnte. Dieses sieht<br />

aus wie die eine Hälfte eines Klettverschlusses. Durch die feinen, gebogenen Kunststoffhär-<br />

chen verhaken sich diese beim Zusammendrücken inein<strong>and</strong>er. Auf der Rückseite sind sie<br />

mit Klebestreifen versehen, mit denen man sie gut und fest an den entsprechenden Stellen<br />

des Papiers anbringen kann.<br />

Stolz<br />

Für dieses Kleid habe ich das Kozo-Papier Strohseide Silk mit Fasern verwendet. Es war mein<br />

erster Versuch <strong>–</strong> ich musste das Papier einfach in dieser Größe sehen und war neugierig, wie<br />

es sich in diesen Proportionen verhält. Daraus ist eine sehr lehrreiche Studie geworden, wie<br />

man praktisch mit diesen Papieren arbeiten kann und muss. In der Größe einer Person wirkt<br />

das so feine Papier noch luftiger. Mir wurde auch klar, dass ich dringend etwas Beschwerendes<br />

am unteren Teil des Kleides benötige. So brachte ich dort, wie auch an den Seiten, einen<br />

Streifen von dem Papier Corvon Metal-X an wodurch sich die Möglichkeit einer Raffung ergab.<br />

Somit formt sich das Kleid ab der Hüfte auf eine ganz spezielle Art und Weise und wird<br />

an einer Seite mehr nach oben gezogen als an der <strong>and</strong>eren.<br />

Auch der Schulterüberwurf war relativ kompliziert. Da das Kozo-Papier transluzent ist,<br />

musste ich darauf achten, dass gewisse Körperstellen mit dem Goldpapier verdeckt wurden.<br />

Bei der Gelegenheit wurde ich darauf aufmerksam, dass eine Schneiderpuppe nicht<br />

ein menschlicher Körper ist. Außerdem habe ich alle Falten des Überwurfs auf dem darunter<br />

liegenden Goldpapier mit doppelseitigem Klebeb<strong>and</strong> und Flüssigkleber so fixiert, dass<br />

absolut nichts verrutschen kann.<br />

Wie schon vorhin erwähnt, habe ich das unkomplizierte An- und Ausziehen des Kleides<br />

durch den Dual-Lock-Verschluss ermöglicht. Das Kleid ist dabei in zwei Komponenten aufgeteilt:<br />

Das Oberteil, das man sich über den Kopf ziehen als auch am Rücken seitlich mit<br />

einem angebrachten Streifen verschließen kann sowie der corsagenartige Teil, an den der<br />

Rock geklebt ist und der am Rücken zugemacht werden kann.<br />

Die Form des Kleides, wie auch die Wahl des Papiers verleihen der Trägerin ein stolzes Aus-<br />

sehen. Das Kleid wirkt sehr klassisch, durch das Material Papier aber auch modern und klar.<br />

Das goldene Effektpapier erzeugt zusätzlich eine edle Optik.<br />

4.3 Die Kleider


67<br />

Schönheit<br />

Bei diesem Kleid, das mein zweites war, habe ich das Papier Strohseide Kozo in Verbindung<br />

mit zwei Effektpapieren verwendet: Khepera Madera und Papur Natural. Eine große Er-<br />

leichterung im Vergleich zum ersten Kleid war die Blickdichte dieses Papiers. So habe ich<br />

es aus zwei Stücken Kozo-Papier, die an den Seiten zusammengeklebt wurden, gefertigt.<br />

Das Kleid ist trägerlos, wodurch der obere R<strong>and</strong> sehr genau angepasst werden musste. Dem<br />

entsprechend habe ich den Abschluss am Dekolleté mit Khepera Madera gestaltet, das ich<br />

in einem dünnen Streifen angebracht habe, sowie weiterführende, geschwungene Muster,<br />

die sich bis an die Hüfte ziehen, eingearbeitet. Am oberen R<strong>and</strong>, wie auch kurz unter dem<br />

Brustteil habe ich wieder Raffungen erzielt, durch die an diesen Stellen Taillierungen ent-<br />

stehen. Aus dem Kozo-Papier habe ich illustrative Elemente geschnitten und dahinter das<br />

Papier Khepera Madera angebracht. So sieht man durch die ausgeschnittenen Stellen das<br />

dahinter liegende Papier, zusätzlich beschwert es das sehr luftige Kozo-Papier nach unten<br />

hin. Etwas feinere, illustrative Elemente habe ich mit Papur Natural vom Saum nach oben<br />

hin weitergeführt.<br />

Dieses Kleid kann an der Seite problemlos auf- und zugemacht werden. Der Dual-Lock-Ver-<br />

schluss ist hier durchgängig und hält, wie auch bei den <strong>and</strong>eren Kleidern fest verschlos-<br />

sen. Durch das naturfarbene Kozo-Papier sowie die braun-violetten Effektpapiere wirkt das<br />

Kleid natürlich und lieblich. Die Muster verleihen dem Kleid ein verspieltes Aussehen.<br />

Zusätzlich habe ich eine Art Schal, der gut in Kombination mit diesem Kleid zu tragen ist,<br />

angefertigt. Dieser besteht komplett aus dem Papier Strohseide Kozo. Man kann ihn einfach<br />

über den Kopf ziehen und trägt ihn etwas über die Schultern gezogen. Um einen faltigen<br />

Look zu erzielen und ihn zu fixieren, habe ich doppelseitiges Klebeb<strong>and</strong> verwendet.<br />

Mut<br />

Das dritte Kleidungsstück wurde durch meine gesammelten Erfahrungen das Ausgereif-<br />

teste. Man kann den Fortschritt darin gut erkennen, den ich gemacht habe. Ich war schon<br />

beim Anfertigen wesentlich routinierter und konnte dadurch noch kreativer arbeiten, weil<br />

ich mich nicht mehr so auf die Schnitte, Klebe- und Verschlussarten konzentrieren musste.<br />

Bei diesem Kleidungsstück habe ich wieder das Papier Strohseide Kozo verwendet, das mir<br />

von seiner Optik und Haptik mittlerweile wesentlich sympathischer geworden war. Das<br />

blickdichtere und viel geschmeidigere Papier war vor allem durch seine höhere Reißfestig-<br />

keit für diese Art der Kleidung geeigneter. Der tiefe Schritt ist einer japanischen Kampfho-<br />

se und die Ärmel des Oberteils denen eines Kimonos nach empfunden. Um das sehr sport-<br />

liche Outfit zu unterstreichen, habe ich die Papiere Corvon Senzo in glattem Schwarz und<br />

Nymphea in Hellrosa gewählt. Die daraus entst<strong>and</strong>enen Muster sind kantiger und wirken<br />

entsprechend strukturierter und härter.<br />

Das Oberteil, das man wie eine Jacke anziehen und hinten verschließen kann, besteht aus<br />

einem Brustteil mit kimonoartigen Ärmeln. Dieses habe ich aus Kozo-Papier gefertigt, um<br />

für mehr Flexibilität im Brustbereich und Leichtigkeit in den großflächigen Ärmel zu sor-<br />

gen. Außerdem habe ich noch einen corsagenartigen Teil aus dem Papier Corvon Senzo<br />

angefertigt, der am Rücken verschlossen wird. Am Abschluss der Corsage habe ich einen<br />

Streifen Kozo-Papier angebracht, der rüschenartig darunter hervorsteht.<br />

Die Hose hat, einer japanischen Kampfhose ähnlich, einen tiefsitzenden Schritt. Durch ei-<br />

nen Verschluss entlang des Oberschenkels kann man problemlos in die Hose schlüpfen.<br />

Zusätzlich habe ich am Bund der Hose einen Streifen Corvon Senzo angebracht, den man<br />

enger und weiter ziehen kann, und an dem seitlich ein ausgeschnittenes Muster des Papiers<br />

Nymphea hängt. Auf der <strong>and</strong>eren Seite der Hose habe ich ein Muster im selben Stil aus den<br />

Papieren Corvon Senzo und Nymphea mit doppelseitigem Klebeb<strong>and</strong> befestigt. Außerdem<br />

habe ich an der unteren Seite jedes Hosenbeins ein kurzes Stück Dual-Lock angebracht, so-<br />

dass man sie bis zum Knie hochziehen kann und sie dort auch gut halten.<br />

Um die Papierkleider optimal dokumentieren zu können, entst<strong>and</strong>en die Fotos von meinen<br />

Werkstücken. Als Location habe ich nach etwas gesucht, das rustikal und modern industri-<br />

ell zugleich wirkt. Als geeignet für meine Vorstellungen hat sich die Gegend rund um den<br />

Hamburger Hafen angeboten, die den zum einen industriellen, zum <strong>and</strong>eren aber auch so<br />

charakteristischen Ausblick auf die Verladegebiete gewährt und als Umfeld ihre rustika-<br />

len, aber bereits renovierten Backsteinbauten. Die alten Speicher strahlen dabei ihre ganz<br />

besondere Atmosphäre vergangener Zeiten aus. Die gegenwärtig sehr futuristische Umge-<br />

bung der Hafencity von den Marco Polo Terassen aus verbindet das Bild mit heute.<br />

So hat sich die Kunst der Papierkleidherstellung auch mir dargestellt und ich wollte den<br />

Gegensatz zwischen damals und heute, Tradition und Moderne unterstreichen. Die Kunst,<br />

Kleider herzustellen hat eine lange Tradition und erfreut sich in der heutigen Zeit wieder<br />

größerer Beliebtheit. Der Werkstoff Papier, der tief in vielen Kulturen verwurzelt ist, hat<br />

nichts an Attraktivität eingebüßt und wird noch immer als etwas Modernes, Klares und<br />

Einzigartiges angesehen.<br />

Diesen Kontrast habe ich durch die Wahl des Models, das meine Papierkleider auf den Fo-<br />

tos trägt, dargestellt. Sawitri ist typisch asiatisch: Sie hat feine Züge, eine zierliche Figur und<br />

eine zurückhaltende, grazile Anmutung.<br />

So verbinden sich die alten asiatischen Traditionen mit der Gegenwart.<br />

4.4 Die Dokumentation<br />

Seite 71-74:<br />

Abb. 90-93: Das erste Kleid, „Stolz“,<br />

fotografiert bei den Marco Polo<br />

Terassen mit Blick auf den Hamburger<br />

Hafen. September 2008.<br />

Seite 75-79:<br />

Abb. 94-98: Das zweite Kleid,<br />

„Schönheit“, fotografiert bei den<br />

Marco Polo Terassen (Abb. 96-98)<br />

sowie auf einer Backsteintreppe,<br />

die in die Elbe führt (Abb. 94 und<br />

95). September 2008.<br />

Seite 80-86:<br />

Abb. 99-104: Das dritte Outfit,<br />

„Mut“, fotografiert auf einer metallenen<br />

Brücke in der Hamburger<br />

Speichstadt. September 2008.


87<br />

Mit meiner <strong>Diplomarbeit</strong> möchte ich eine Grundlage über Papier und seine Verarbeitung<br />

als Bekleidungsstück in den verschiedensten Kulturen bis hin zu den vielfältigsten, kreati-<br />

ven Herangehensweisen moderner Gestalter schaffen.<br />

Durch die Arbeit zieht sich das Motiv Papier als Medium und als solches habe ich es auch<br />

weiter in meinem Werkstück beh<strong>and</strong>elt. Dieses Material, das als Botschafts- und Kulturträ-<br />

ger Einzug in die Geschichte gefunden hat, wird von mir von einer ganz <strong>and</strong>eren, aber min-<br />

destens genauso faszinierenden Seite beleuchtet. In meinen Werkstücken beschäftige ich<br />

mich nicht direkt mit den Schnitten der Kleider, weil ich mir das nicht anmaßen möchte und<br />

kann, sondern weil die Experimente mit dem Material vorrangig für mich waren. Ich wollte<br />

das Papier als Werkstoff in angew<strong>and</strong>ter Form begreifen. Ich habe mich im Zuge dieser Ar-<br />

beit mit der Optik, vor allem aber mit der Haptik der verschiedensten Papiersorten intensiv<br />

ausein<strong>and</strong>er gesetzt.<br />

Ich habe herausgefunden, wie besonders, voluminös und weich sich h<strong>and</strong>geschöpftes Pa-<br />

pier im Gegensatz zu dem in Massen industriell erzeugtem anfühlt, und wie sich japanische<br />

Papiere von den westlichen unterscheiden. Ich habe eine deutliche Entwicklung in meinem<br />

Bewusstsein für die haptischen Qualitäten von Papier erkennen können. So habe ich zum<br />

ersten Mal Toilettenpapiere, papierene Tischdecken oder Zettel in Kleidungsstücken bewusst<br />

angegriffen und mich oft gefragt: Papier oder Textil? Oder vielleicht doch Synthetik?<br />

Deshalb finde ich es auch sehr schade, dass ich nie die Möglichkeit hatte, die so faszinierend<br />

klingenden Tapa-Stoffe anzugreifen. Mich würde wirklich interessieren, wie sie sich vor allem<br />

im Gegensatz zu Washi anfühlen.<br />

Außerdem bedaure ich es sehr, dass ich, trotz der Versicherung ihrer Assistentin, das Interview<br />

mit Frau Borchgrave nie führen konnte. Neben Fragen zu ihrer Person und ihrer persönlichen<br />

Geschichte, die sie auf Kleidung aus Papier gebracht hatte, hätten mich besonders<br />

ihre Antworten auf praxisorientierte Fragen interessiert. Es hätte mich sehr gefreut, zu<br />

erfahren, welche Papiersorten sie für ihre Kleider verwendet und wie sie diese beh<strong>and</strong>elt <strong>–</strong><br />

ob sie sie auch knittert oder ob durch das „bloße“ Bemalen die textile Wirkung erzeugt wird.<br />

Außerdem hatte ich gehofft, mir Tipps und Tricks für die Herstellung und Tragbarkeit von<br />

Papierkleidern von ihr zu holen. Vom Besuch ihrer Ausstellung in Venedig konnte ich mir<br />

zumindest eines mitnehmen: Um die leichten Papiere zu beschweren, hatte sie aus Papiergarn<br />

und Perlen eine Schnur entlang der unteren Enden ihrer Kleider gezogen. In ähnlicher<br />

Form musste auch ich arbeiten. So habe ich jeweils einen in Größe und Form variierenden<br />

Streifen eines Effektpapiers jeweils an den Säumen der Kleider angebracht, damit das Papierkleid<br />

schön zu Boden fällt.<br />

Im Zuge meiner Recherche habe ich eine derartige Fülle an Kunstwerken gesehen, sodass<br />

ich sehr lange überlegen musste, was ich genau machen möchte. Allerdings war mir von<br />

Anfang an klar, dass ich durch die japanischen Papiere auch diese Ästhetik, zumindest teilweise<br />

in meinen Kleidern verarbeiten würde. Ich wagte mich jedoch erst mit meinem letzten<br />

Kleidungsstück, „Mut“, an die etwas komplizierteren Kimonoärmel und den tiefsitzenden<br />

Schritt heran. Vor lauter Aufregung mit diesen kostbaren Papieren vorsichtig und sparsam<br />

zu arbeiten, konnte ich mich auf die zurückhaltende und geometrische Ästhetik der japanischen<br />

Tradition auch erst bei diesem Outfit einlassen. Bei dem vorangegangenen Kleid,<br />

„Schönheit“, habe ich mich vorwiegend auf die Muster und ihre Anbringung konzentriert.<br />

Das erste Kleid, „Stolz“, war hingegen eher ein Versuch, bei dem ich mich mit der Materie<br />

erst vetraut machen musste.<br />

Um eine inhaltliche Brücke zwischen der japanischen Tradition und der industriellen, westlichen<br />

Welt zu schaffen, hatte ich das Fotoshooting mit zwei Mädchen geplant. Eines sollte<br />

asiatisch sein, das <strong>and</strong>ere typisch westlich: Eine kühle, nordische Schönheit, groß und blond.<br />

Aufgrund von diversen, sehr kurzfristigen Absagen, war es mir leider nicht möglich, diese<br />

zwei Mädchentypen zu kombinieren. Nichtsdestotrotz haben die Fotos mit Sawitri meine<br />

Erwartungen übertroffen. Nicht nur, dass sie mich mit ihrer Ausstrahlung und Schönheit<br />

in den Bann gezogen hat, die Kleider haben ihr auch wie angegossen gepasst. Die schwarzen,<br />

glatten Haare, die grazile und sehr feine Gestalt und ihre delikaten Gesichtszüge haben<br />

die Dokumentation der Kleidungsstücke vervollständigt und abgerundet. So schaffe<br />

ich die Verbindung zwischen Ost und West nun doch durch Sawitri und die Umgebung auf<br />

den Fotos.<br />

Alles in allem habe ich sehr viel gelernt, habe viel an Wissen und Erfahrung gesammelt, an<br />

praktischem Arbeiten mit Papieren, sowie an dem Vertrauen, mich in ein sehr unbekanntes<br />

Thema einarbeiten zu können gewonnen. So hoffe ich, etwas mit dieser Arbeit weitergeben<br />

zu können!


89<br />

Avella, Natalie: Paper Engineering. Papier als 3D-Werkstoff, München: Stiebner Verlag<br />

GmbH 2004<br />

Berger, Dorit: Die Geschichte des Papiers, Hannover: Werkstatt-Verlag 1985<br />

Berger, Dorit: Tapa. Papier aus Rindenbast, Hannover: Werkstatt-Verlag 1985<br />

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Rei%20Kawakubo/169834.html, zuletzt aufgerufen am 22.09.2008<br />

Krebs, Jost: Biography, http://www.infomat.com/whoswho/reikawakubo.html, zuletzt auf-<br />

gerufen am 22.09.2008<br />

Kohl, Isolde M. Th.: Es ist mehr als „nur“ Papier, in: Franzke, Jürgen / von Stromer, Wolf-<br />

gang (Hg.): Zauberstoff Papier, München: Hugendubel 1990<br />

Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Passau: Haupt<br />

2005<br />

Marchetti, Luca / Quinz, Emanuele: Dysfashional, Luxemburg: Actar 2007<br />

Menkes, Suzy: Clothes Come ‚Out of the Closet‘ for Display at Sotheby‘s: Unwearable, for<br />

Art‘s Sake, http://www.iht.com/articles/2000/02/01/fash.t_0.php, zuletzt aufgerufen am<br />

22.09.2008<br />

Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London: Thames<br />

<strong>and</strong> Hudson 1997<br />

NN: Choreographische Treffen, http://www.arte.tv/de/suche/2062604.html, zuletzt aufge-<br />

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NN: Julie Nioche. Three Girls’ Matter, http://www.idans.org/julie-nioche-eng.html, zuletzt<br />

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Özay, Suh<strong>and</strong>an: Aussteuertruhe <strong>–</strong> Hochzeitsschuhe, Hannover: Textil-Forum-Service/B.<br />

Sterk, 2004<br />

Schmitt, Peter / Strate, Ursula: papier <strong>–</strong> art <strong>–</strong> fashion. Kunst und Mode • Kleider aus Papier<br />

(Katalog Badisches L<strong>and</strong>esmuseum Karlsruhe), Karlsruhe: Engelhardt & Bauer 1996<br />

Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch Glad-<br />

bach: Haupt 2004


91<br />

Abb. 01: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 20<br />

Abb. 02: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 25<br />

Abb. 03: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 25<br />

Abb. 04: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 24<br />

Abb. 05: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 106<br />

Abb. 06: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 8<br />

Abb. 07: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 75<br />

Abb. 08: Beyerstedt, Horst-Dieter: Ich brauch Hadern zu meiner Mühl. Zur Rohstoffversor-<br />

gung der Nürnberger Papiermühlen in: Franzke, Jürgen / von Stromer, Wolfgang (Hg.):<br />

Zauberstoff Papier, München: Hugendubel 1990, S. 99<br />

Abb. 09: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 60<br />

Abb. 10: Kohl, Isolde M. Th.: Es ist mehr als „nur“ Papier, in: Franzke, Jürgen / von Stromer,<br />

Wolfgang (Hg.): Zauberstoff Papier, München: Hugendubel 1990, S. 193<br />

Abb. 11: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 107<br />

Abb. 12: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 107<br />

Abb. 13: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 107<br />

Abb. 14: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 107<br />

Abb. 15: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 107<br />

Abb. 16: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 161<br />

Abb. 17: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 162<br />

Abb. 18: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 162<br />

Abb. 19: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 20<br />

Abb. 20: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 160<br />

Abb. 21: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 26<br />

Abb. 22: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 29<br />

Abb. 23−28: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente,<br />

Passau: Haupt 2005, S. 54<br />

Abb. 29: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 28<br />

Abb. 30: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 8<br />

Abb. 31: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 14<br />

Abb. 32 und 33: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific,<br />

London: Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 15<br />

Abb. 34 und 35: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific,<br />

London: Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 15<br />

Abb. 36: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 13<br />

Abb. 37−41: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, Lon-<br />

don: Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 12<br />

Abb. 42: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 29<br />

Abb. 43: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 45


93<br />

Abb. 44 und 45: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific,<br />

London: Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 20<br />

Abb. 46: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 11<br />

Abb. 47: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 20<br />

Abb. 48: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 87<br />

Abb. 49: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 105<br />

Abb. 50: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 154<br />

Abb. 51−53: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, Lon-<br />

don: Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 83<br />

Abb. 54: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 83<br />

Abb. 55: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 74<br />

Abb. 56: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 137<br />

Abb. 57: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 54<br />

Abb. 58: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 45<br />

Abb. 59: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 42<br />

Abb. 60: Neich, Roger / Pendergrast Mick: Traditional Tapa. Textiles of the Pacific, London:<br />

Thames <strong>and</strong> Hudson 1997, S. 102<br />

Abb. 61: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 32<br />

Abb. 62: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente, Pas-<br />

sau: Haupt 2005, S. 30<br />

Abb. 63: Kohl, Isolde M. Th.: Es ist mehr als „nur“ Papier, in: Franzke, Jürgen / von Stromer,<br />

Wolfgang (Hg.): Zauberstoff Papier, München: Hugendubel 1990, S. 191<br />

Abb. 64: Williams, Nancy: more paperwork. exploring the potential of paper in design <strong>and</strong><br />

architecture, London: Phaidon Press Limited 2005, S. 125<br />

Abb. 65 und 66: Williams, Nancy: more paperwork. exploring the potential of paper in de-<br />

sign <strong>and</strong> architecture, London: Phaidon Press Limited 2005, S. 126−127<br />

Abb. 67: Pascaline, Vatin Barbini: Un mondo di carta. Isabelle de Borchgrabe incontra Ma-<br />

riano Fortuny, Milano: Skira 2008, S. 106<br />

Abb. 68: de Borchgrave, Isabelle / Brown, Rita: Papiers à la Mode. A Fashion Collections of<br />

Paper Dresses, Brüssel: Bellew Publishinh Co Ltd. 2000, S. 6<br />

Abb. 69: Pascaline, Vatin Barbini: Un mondo di carta. Isabelle de Borchgrabe incontra Ma-<br />

riano Fortuny, Milano: Skira 2008, S. 72<br />

Abb. 70: de Borchgrave, Isabelle / Brown, Rita: Papiers à la Mode. A Fashion Collections of<br />

Paper Dresses, Brüssel: Bellew Publishinh Co Ltd. 2000, S. 34<br />

Abb. 71: Pascaline, Vatin Barbini: Un mondo di carta. Isabelle de Borchgrabe incontra Mari-<br />

ano Fortuny, Milano: Skira 2008, S. 17<br />

Abb. 72: Pascaline, Vatin Barbini: Un mondo di carta. Isabelle de Borchgrabe incontra Ma-<br />

riano Fortuny, Milano: Skira 2008, S. 16<br />

Abb. 73−75: Avella, Natalie: Paper Engineering. Papier als 3D-Werkstoff, München: Stiebner<br />

Verlag GmbH 2004, S. 124<br />

Abb. 76: Williams, Nancy: more paperwork. exploring the potential of paper in design <strong>and</strong><br />

architecture, London: Phaidon Press Limited 2005, S. 123<br />

Abb. 77 und 78: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente,<br />

Passau: Haupt 2005, S. 167<br />

Abb. 79−81: Leitner, Christina: Papiertextilien. Geschichte <strong>–</strong> Materialien <strong>–</strong> Experimente,<br />

Passau: Haupt 2005, S. 149<br />

Abb. 82: Weber, Therese: Die Sprache des Papiers. Eine 2000-jährige Geschichte, Bergisch<br />

Gladbach: Haupt 2004, S. 163<br />

Abb. 83: Williams, Nancy: more paperwork. exploring the potential of paper in design <strong>and</strong><br />

architecture, London: Phaidon Press Limited 2005, S. 124<br />

Abb. 84−86: Marchetti, Luca / Quinz, Emanuele: Dysfashional, Luxemburg: Actar 2007, S. 34<br />

Abb. 87: Marchetti, Luca / Quinz, Emanuele: Dysfashional, Luxemburg: Actar 2007, S. 136<br />

Abb. 88 und 89: http://www.flickr.com/photos/imagesdedanse/2527862320/in/set-<br />

72157605282801857/, zuletzt aufgerufen am 19.09.2008<br />

Abb. 90−104: Fotografien der Autorin.

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