Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept
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23<br />
Rechts:<br />
Abb. 21: Shifu-Garn und -Stoff mit<br />
der charakteristischen Noppenstruktur.<br />
Unten:<br />
Abb. 22: Grob gewebter Arbeitsmantel<br />
eines Bauern aus verarbeiteten<br />
Rechnungsbüchern<br />
und geknüpftes Unterhemd eines<br />
Samurai-Kriegers aus feinstem<br />
Shifu.<br />
Ursprung<br />
Wie so oft bei geschichtlichen Ereignissen, gibt es auch über den Ursprung von Shifu eine<br />
Legende. Laut dieser soll „… ein Spion, der für die Überbringung einer äußerst wichtigen<br />
Botschaft feindliche Gebiete durchqueren musste, der Vater des Shifu sein. Die Nachricht<br />
war auf Washi […] geschrieben und streng geheim. Es hätte den Spion das Leben gekostet,<br />
wäre sie den Feinden in die Hände gefallen. Er hatte eine raffinierte Idee, um sie unerkannt<br />
durch die gegnerischen Lager zu transportieren: Er schnitt das Papier in Schriftzeilenbreite<br />
in Streifen, verdrehte diese zu einem Faden und webte daraus seine Kleider, mit denen er unerkannt<br />
das feindliche Gebiet durchqueren konnte. Bei seinem Auftraggeber angekommen,<br />
zerlegte er das Gewebe wieder in seine Einzelteile, drehte die Fäden auf und erhielt so einen<br />
endlosen Streifen, auf dem die unversehrte Nachricht zu lesen war. Der Herrscher war von<br />
der Spitzfindigkeit seines Untertanen so fasziniert, dass er fortan die Herstellung dieser Papiertextilien<br />
förderte und sie Shifu (Papiertuch) nannte.“ (Leitner, Papiertextilien, 23)<br />
„Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird Shifu erstmals erwähnt. Kojuro Katakura, der Fürst<br />
von Shiroishi, soll der kaiserlichen Familie in Kyoto während eines Besuchs ein Shifu-Gewebe<br />
überbracht haben.“ (Weber, Sprache, 164) Die Wurzeln der Shifu-Herstellung liegen wohl<br />
aber bei den Bauern, die, wie schon vorher erwähnt, in den Wintermonaten Papier schöpften,<br />
um daraus ihre eigene Kleidung herzustellen. Neben Kamiko entst<strong>and</strong>en dabei also<br />
auch Shifu-Stoffe. „In Zusammenarbeit mit Webern des Dorfes entwickelten sie Techniken<br />
zur Herstellung von Papierfäden, die anschließend verwoben wurden. Die daraus genähten<br />
Kleider fühlten sich rau an, waren aber sehr dauerhaft und gut waschbar. Sie gehörten zu<br />
den beliebtesten Sommerkleidern der armen Leute. Mit den Jahren wurde die Technik verfeinert<br />
und die Gewebestücke wurden sorgfältig gefärbt. Kostbar und elegant wie sie nun<br />
waren, wurden sie bald den Seidengeweben gleichgestellt und am Hofe getragen. Zu diesen<br />
edlen Gewändern gehört auch das kamishimo, das Zeremoniegew<strong>and</strong> der Samurais, der Angehörigen<br />
der japanischen Kriegerkaste.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />
Verbreitung<br />
Abgesehen von der zeitaufwändigen Herstellung der Shifu-Stoffe, war auch der Rohstoff Papier<br />
selbst ein wertvolles Gut für die verarmten Bevölkerungsschichten. Auf der Suche nach<br />
Altpapier stieß man auf alte Konto- und Rechnungsbücher, so genannte fukocho, die zum<br />
Ausgangsmaterial für Shifu wurden. Diese Notlösung stellte sich bald als sehr vorteilhaft<br />
heraus: „Da für diese wichtigen Dokumente immer nur hochwertige, insektenresistente Papiere<br />
verwendet werden durften, um eine lange Haltbarkeit zu garantieren, und weil sich die<br />
Materialqualität durch die lange Lagerung noch zusätzlich verbesserte, hatten die Seiten<br />
aus den fukocho die idealen Eigenschaften zum Verweben.“ (Leitner, Papiertextilien, 23)<br />
„Die Tintenschrift der ursprünglichen Seiten ist im verdrehten Faden noch teilweise sichtbar,<br />
deshalb weisen diese Stoffe eine interessante Sprenkelstruktur auf. Ihr besonderer Reiz<br />
liegt im Geheimnis des Textes, der zwar irgendwie präsent ist, dessen Inhalt man aber nicht<br />
mehr entziffern kann.“ (Leitner, Papiertextilien, 24) Im japanischen Bewusstsein wurde<br />
Shifu daher „… über lange Zeit als Träger tieferer Botschaften verst<strong>and</strong>en.“ (Leitner, Papiertextilien,<br />
23)