Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept
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09<br />
ment geschrieben wurden, auf einer Unterlage niederzulegen, die aus Lumpen hergestellt<br />
wurde. Durch die Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts zugeschriebene Erfin-<br />
dung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und seiner wohl berühmtesten Arbeit, dem<br />
Druck der Bibel in einer Auflage von 150 Exemplaren auf Papier, hielt dieses als Schrift-<br />
träger schlussendlich auch erfolgreich Einzug in die westliche Welt. Somit hatte sich das<br />
Papier gegen Ende des 17. Jahrhunderts in allen europäischen Kulturkreisen durchgesetzt.<br />
(Vgl. Berger, Textilforum, 17) In Italien wird noch heute Hadernpapier von H<strong>and</strong> in kleinen<br />
Mengen für limitierte und luxuriöse Editionen geschöpft. (Vgl. Weber, Sprache, 59)<br />
Bis ins 19. Jahrhundert wurden Erdgeschosse von Papiermühlen als Lager für tonnenwei-<br />
se Lumpen und Hadern verwendet. Durch die maschinelle Fertigung von Papier konnten<br />
Massen von Faserstoff, der im Sortierraum nach Qualität getrennt sowie zerkleinert und im<br />
Kugelkocher zur weiteren Verarbeitung aufgeschlossen wurde, in sehr großen Mengen ver-<br />
arbeitet werden. Auch die nahegelegenen Textilfabriken geben großen Anlass zur Vermu-<br />
tung, dass neben Hadern und Lumpen auch Reste aus der Textilverarbeiten für die Herstel-<br />
lung von Papier verwendet wurden. (Vgl. Weber, Sprache, 62<strong>–</strong>63)<br />
Wurde bereits in einem venezianischen Dekret von 1366 festgehalten, „… ‚dass zum Wohle<br />
und Nutzen des Papiers, das sehr stark zum Wohlst<strong>and</strong> der Gemeinde beiträgt, keinesfalls<br />
Hadern aus dem Veneto an einen <strong>and</strong>eren Ort gelangen dürfen‘“ (Weber, Sprache, 79),<br />
kam aufgrund dessen der Beruf des lizensierten Lumpensammlers auf. Zu dieser Zeit zogen<br />
Sammler durch die Städte und Dörfer Europas und versuchten, im Tausch gegen Waren wie<br />
Seidenbänder und Spielzeug, kostbare Lumpen zu erhalten. Mehrere Jahrhunderte lang waren<br />
Leinen und Baumwolle die bevorzugten textilen Rohstoffe für die Papierverarbeitung.<br />
Im Jahre 1666 wurden sogar Wollhemden als Totenhemden vorgeschrieben, da die bisher<br />
aus Leinengeweben bestehenden zu kostbar waren. Doch auch diese Recyclingversuche<br />
und die Reduktion von <strong>and</strong>erwärtigem Textilverbrauch konnten die Verknappung der Rohstoffe<br />
nicht aufhalten und so fing man fieberhaft an, nach <strong>and</strong>eren Quellen zu suchen und<br />
experimentierte mit den verschiedensten pflanzlichen Fasen, wie Brennnesseln oder Stroh,<br />
die jedoch dem Qualitätsanspruch von hochwertigem Papier nicht gerecht werden konnten.<br />
(Vgl. Weber, Sprache, 15, 79 / Berger, Textilforum, 17)<br />
Vor allem durch den Erfolg des Buchdrucks kam es zu einer Rohstoffknappheit. Dies führte<br />
in weiterer Folge zu Konflikten und hohen Zollabgaben. „In Deutschl<strong>and</strong> wurde ein<br />
Schmuggelverbot für Lumpen ausgesprochen. Trotzdem schafften es gewiefte Händler, die<br />
Ware als Halbstoff4 über die Grenze nach Holl<strong>and</strong> zu schmuggeln, um ihn dort in den von<br />
Windrädern betriebenen Mühlen zu gutem Papier verarbeiten zu lassen, und dieses wieder<br />
in Deutschl<strong>and</strong> einzuführen.“ (Weber, Sprache, 79)<br />
Grabschänder sollen sogar Leichentücher für die Papierherstellung geplündert hätten. (Vgl.<br />
Weber, Sprache, 79) Auch ägyptische Fellachen und Beduinen pflegten schon um 1140 auf<br />
pharaonischen Friedhöfen Gräber zu öffnen und Leichentücher aus Leinen von Mumien zu<br />
entwenden, um sie vorerst als Kleidungstücke zu verwenden. Wenn diese nach einiger Zeit<br />
nicht mehr tragbar waren, wurden sie als Rohstoff für die Papierherstellung teuer verkauft<br />
und zu Papierpulpe weiterverarbeitet. (Vgl. Weber, Sprache, 54) „In der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
griff dann der Amerikaner Augustus Stanwood diese unübliche Wiederverwertungsmethode<br />
auf, indem er aus Ägypten antike Mumien einführte, um deren Leichentü-<br />
Links:<br />
Abb. 07: Eine Papiermacherin,<br />
gekleidet in gefärbtes, geprägtes<br />
und mit Gold verziertes Papier,<br />
das auch als „Kattun-Papier“ bezeichnet<br />
wird. Kupferstich um 1740.<br />
Mitte:<br />
Abb. 08: Der Papyrer. Aus: Hans<br />
Sachs, Jost Amman, Eygentliche<br />
Beschreibung aller Stände auff<br />
Erden, Frankfurt/Main 1568. Stadtarchiv<br />
Nürnberg.<br />
Rechts:<br />
Abb. 09: Lumpensammler beim<br />
Abliefern ihres Sammelgutes vor<br />
dem Keller des Lumpenhändlers.<br />
Ausschnitt aus: Die Pariser Lumpensammler.<br />
1.4.1 Wiederkehrende Rohstoffknappheit<br />
und<br />
Suche nach Ersatz-<br />
stoffen<br />
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4 „Lumpen, die zu Fasergefügen zermahlen wurden, meistens durch den Kollergang. Dieser Begriff wird auch für industriell gefertigte Zelluloseplatten verwendet.“ (Weber, Sprache, 206)