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Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept

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Sorten dieses Materials läßt sich über das Auge allein nicht erfassen, ja, der visuelle Ein-<br />

druck reicht kaum aus, auch nur bis an seine Oberfläche vorzudringen.“ (Schmitt/Strate,<br />

Art, 12)<br />

„Leichtigkeit bei gleichzeitiger Strenge wird oft als Merkmal der japanischen Kultur hervor-<br />

gehoben.“ (Weber, Sprache, 169) „Die haptische und visuelle Qualität der Textur von Washi<br />

machen zudem den großen Reiz dieses Papiers aus. Unter dem Begriff ‚Textur‘ versteht man<br />

Oberflächenbeschaffenheit eines Materials, seine Faserung und Körnung, aber auch die Zu-<br />

sammenfügung und Anordnung. Die Textur bestimmt den Ausdruck eines Objekts, sie löst<br />

Empfindungen aus beim Betrachten. Mit Textur meint man die Flächenwirkung an sich, da-<br />

rin unterscheidet sie sich vom aufgesetzten Dekor.“ (Weber, Sprache, ebd.) „… ‚Struktur hat<br />

für uns eine geistig-philosophische Bedeutung. Die Struktur ist das Ganze, von oben bis<br />

unten, bis zum letzten Detail beseelt von der gleichen Idee.‘ Das texturale Gebilde vollendet<br />

‚nur‘ die äußere Gestalt.“ (Weber, Sprache, ebd.)<br />

„In der traditionellen japanischen Kultur gilt weißes Papier als rein und heilig; besonders bei<br />

der Verwendung von Papier in Tempeln und Schreinen trifft dies zu. Die weißen Gewänder<br />

der Priester, die früher auch aus momigami-Papier gefertigt wurden, stehen für diese Attribute.“<br />

(Weber, Sprache, 93) Die Herstellung von Papier wird in Japan als mystischer Prozess<br />

angesehen: Im Endprodukt steckt nicht nur das Können des Papiermachers, sondern<br />

auch seine Persönlichkeit und Spiritualität, seine Liebe zum Detail und sein Sinn für das<br />

Wesentliche.<br />

Eine Besonderheit im Japanischen, wo Dinge oft auf Einfachheit reduziert werden, aber<br />

sehr kunstvoll im Detail überraschen, ist der Glaube an die Beseeltheit aller Dinge, dem sogenannten<br />

Animismus, bei dem der Glaube an Tausende Gottheiten und deren Anwesenheit<br />

in realen Gegenständen vertreten wird. So wird der Hülle von oft sehr simplen Dingen<br />

große Wertschätzung entgegengebracht und besondere Bedeutung beigemessen. Bei Geschenken,<br />

zum Beispiel, ist die Verpackung genauso wichtig wie der Inhalt selbst und wird<br />

von der Person, die das Geschenk entgegen nimmt, analytisch interpretiert. (Vgl. Weber,<br />

Sprache, 172)<br />

In Japan galt Papier wurde „…schon immer als Spiegel der Seele. Es ist schwer herzustellen<br />

und leicht zu zerstören oder zu beschmutzen, bei richtiger Beh<strong>and</strong>lung hingegen erstaunlich<br />

langlebig. Somit besitzt es überaus ‚menschliche‘ Eigenschaften und wird zur Metapher<br />

für das Leben und den Tod. Die Farbe Weiß steht im asiatischen Kulturkreis für Reinheit<br />

und Unberührtheit, aber auch für Trauer und kosmische Einflüsse.“ (Leitner, Papiertextilien,<br />

17) Im Gegensatz zur westlichen Sichtweise, bei der das Ganze wahrgenommen, die Formen<br />

zuerst erkannt, der Aufbau geschätzt wird und man sich erst im zweiten Schritt mit dem Detail<br />

befasst, konzentriert man sich in Japan vor allem auf die einzelnen Elemente, was sich<br />

auch in der Überzeug widerspiegelt, dass sich die großen Dinge im Kleinen offenbaren. „So<br />

sind zum Beispiel die Maße der Reisstroh-Bodenmatte Grundlage für alle Proportionen des<br />

japanischen Hauses, und der Kimono ist nur aus Rechtecken mit gleichen Seitenverhältnissen<br />

aufgebaut.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Hat eine Form ihre Vollkommenheit erreicht,<br />

wird sie immer wieder angewendet. Dies entspricht der traditionellen japanischen Lebensphilosophie.“<br />

(Weber, Sprache, 169)<br />

Kamiko sind Papierkleider, die aus vollflächigem Washi mit dem Namen momigami, koreanisch<br />

jumchi, hergestellt werden. Nach dem Verarbeitungsprozess, in dem die Japanpapiere<br />

so oft zerknüllt und wieder glatt gestrichen sowie imprägniert werden, bis eine geschmeidige<br />

Fläche entsteht, fühlen sich die Papiere schon sehr textilhaft an. Diese Nähe des Papiers<br />

zum Textil findet man auch bei den Tapa-Stoffen der pazifischen Inseln und Südamerikas,<br />

die in diesem Kapitel an späterer Stelle vorgestellt werden. Im Gegensatz zu diesen wird bei<br />

der Herstellung von momigami „… lediglich die Flächenbildung <strong>–</strong> nämlich mit suspendiertem<br />

Faserstoff <strong>–</strong> unterschiedlich vollzogen. Die Feinheit der nach diesem Prinzip entst<strong>and</strong>enen<br />

Fläche erlaubt vielseitigere Schnitte und differenziertere Verarbeitungsvarianten, als<br />

dies mit Tapa möglich ist.“ (Weber, Sprache, 159)<br />

Der Begriff Kamiko setzt sich zusammen aus kami, Papier und koromo, zerknüllt. Übersetzt<br />

heißt dies Papierhemd. Der Legende nach war der Erfinder des Kamiko ein Mönch, der sich<br />

im 8. Jahrhundert n. Chr. aus den Seiten alter Sutras, den heiligen Schriften Buddhas, ein<br />

provisorisches Hemd fertigte als er Gäste erwartete und keine saubere Kleidung mehr hatte.<br />

Mit dieser tief religiösen Geste schien er die heiligen Schriften durch das hautnahe Tragen<br />

regelrecht verinnerlichen zu wollen, was die Verbreitung dieser beinahe rituellen Form der<br />

Körperumhüllen in den Mönchsgemeinschaften und unter <strong>and</strong>eren Bevölkerungsgruppen<br />

zur Folge hatte. (Vgl. Weber, Sprache, 159 / Leitner, Papiertextilien, 18)<br />

Ursprung<br />

„Tatsache ist, dass das Papierkleid in Japan eine über 1000 Jahre alte Geschichte hat und im<br />

Laufe der Zeit in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten getragen wurde.“ (Leitner,<br />

Papiertextilien, ebd.) „Die in der Abgeschiedenheit lebenden Eremiten fertigten ihre<br />

Gewänder seit der Ta-Li-Periode (766<strong>–</strong>779) der Tang-Dynastie (618<strong>–</strong>907) aus Papier, denn<br />

um der buddhistischen Lehre nachzukommen, war es untersagt, solche aus Seidengewebe<br />

zu tragen. Seide widersprach dem Begriff des asketischen Lebens, einerseits weil bei<br />

der Verarbeitung Raupen getötet wurden, <strong>and</strong>ererseits weil Seidenstoffe Luxus bedeuteten.<br />

Der Schriftsteller Su I-Chien (935<strong>–</strong>996) berichtete, dass viele buddhistische und taoistische<br />

Mönche, die in den Bergen lebten, Papierkleider trugen. Auch Gedichte aus den beiden<br />

Song-Dynastien (960<strong>–</strong>1278) illustrierten, dass Papierkleider in allen Jahreszeiten auch von<br />

2.1.1 Kamiko − Die Körperhülle<br />

aus Papier<br />

Abb. 16: Mönche fertigen momigami<br />

für die Herstellung von<br />

Kamikos. Holzschnitt von Seki<br />

Yoshikuni, Japan, 1754 n. Chr.

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