Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept
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Betrachtet man den strukturellen Aufbau von Papier und Textil, ihre Eigenschaften und ih-<br />
ren Gebrauch, findet man viele Gemeinsamkeiten. „Schon in der Definition von Papier fin-<br />
det man relativ ‚textil‘ anmutende Begriffe: ‚Papier ist ein flächiger, aus Fasern vorwiegend<br />
pflanzlicher Herkunft entstehender Werkstoff, der durch Entwässerung einer Faserstoffauf-<br />
schwemmung auf einem Sieb gebildet wird. Dabei entsteht ein Faserfilz, der anschließend<br />
verdichtet wird.‘.“ (Leitner, Papiertextilien, 11) Nicht nur einige der Rohstoffe, wie zum Bei-<br />
spiel Baumwolle, Leinen oder Viskose, werden sowohl für Papiere als auch für Textilien ver-<br />
wendet, auch das Herstellungsverfahren der beiden Werkstoffe ähnelt sich in vielerlei Hin-<br />
sicht.<br />
Durch ein Anein<strong>and</strong>erhaften der Pflanzenfasern entsteht bei den zwei Materialien der Zu-<br />
sammenhalt der Fläche, wodurch bei beiden von ‚Verfilzung‘ und ‚Faservlies‘ die Rede ist.<br />
Im Gegensatz zum Verfilzen bei textilen Flächen, wo Fasern eine Mindestlänge von 5 mm<br />
haben, in Bündeln zusammengefasst sind und ihr Zusammenhalt durch das Verhaken der<br />
schuppigen Fasern entsteht, stabilisieren beim Papier chemische Faserverbindungen die<br />
Fläche. Bei dessen Herstellung werden die Fasern gekocht und geschlagen, wodurch die so<br />
genannte Pulpe entsteht. Dabei werden die Fasern teilweise zerstört, wodurch die darin ent-<br />
haltenen Fibrillen freigelegt werden und Wassermoleküle aufnehmen können, die sie beim<br />
anschließenden Entwässern und Trocknen wieder abgeben <strong>–</strong> somit verbinden sich die Ein-<br />
zelteile enger mitein<strong>and</strong>er, was als Hydratation bezeichnet wird. Die Zellulosefasern gehen<br />
damit neue chemische Verbindungen ein <strong>–</strong> ein kompaktes Faservlies bleibt zurück. Durch<br />
die kreuzweise Lagerung der Fasern bekommt die Fläche eine relativ hohe Stabilität. Während<br />
es sich bei der Herstellung von Naturtextilien also in der Regel um mechanische Vorgänge<br />
h<strong>and</strong>elt, laufen bei der Papierherstellung chemische Prozesse ab. (Vgl. Leitner, Papiertextilien,<br />
ebd.)<br />
„Die Grenzen zwischen Textil und Papier sind fließend <strong>–</strong> vor allem dort, wo der Herstellungsprozeß<br />
und die Zusammensetzung des Rohmaterials unmittelbarer Gegenst<strong>and</strong> der Gestaltung<br />
werden.“ (NN, Textilforum, 3) Schon am Beginn der Papierherstellung, wo die ersten<br />
Papiere aus Hadern und Lumpen hergestellt wurden und spätestens heutzutage, wo erfolgreich<br />
Versuche mit Textilien aus Zellulosefäden gemacht werden, wird deutlich, wie nahe<br />
sich diese beiden Materialien sind.<br />
Als Träger von Sprüchen und Botschaften, bemalt, gestanzt, bestickt, mit Spitzen versehen<br />
oder geprägt <strong>–</strong> auch die Bearbeitungsformen der beiden Werkstoffe nähern sich immer<br />
mehr ein<strong>and</strong>er an. Und wenn sich Papier als Ersatzstoff im Textilbereich bemerkbar macht,<br />
wie im folgenden Kapitel aufgezeigt, wird die enge Verw<strong>and</strong>tschaft der beiden Materialien<br />
offensichtlich.<br />
„Obwohl das Papier eine relativ junge Erfindung ist […] eignet seiner Herstellung mittels des<br />
Schöpfsiebes ein archaischer Charakter. Seine spezifische Anmutung, seine ‚Unschuld‘, verdankt<br />
es wohl auch der Tatsache, daß es im Gegensatz zu den meisten <strong>and</strong>eren Werkstoffen<br />
<strong>–</strong> Keramik, Metall, Glas <strong>–</strong> nicht durchs Feuer gegangen ist.“ (Schmitt/Strate, Art, 10)<br />
Bei den durch H<strong>and</strong>arbeit, mit viel Erfahrung, Geschick und Liebe hergestellten Papieren<br />
aus Japan werden vor allem die Nahsinne angesprochen. „Die Qualität der verschiedenen<br />
Oben links:<br />
Abb. 11: Zerkleinerte, gereinigte<br />
Lumpen aus Baumwollgewebe. Im<br />
Holländer werden sie anschließend<br />
zu Pulpe verarbeitet.<br />
Oben rechts:<br />
Abb. 12: Zerfasern des Baumwollgewebes<br />
im Holländer.<br />
Mitte links:<br />
Abb. 13: Mitsumata-Strauch. Die<br />
innere Rindenbastschicht der<br />
Zweige dient neben Kozo- und<br />
Gampi-Fasern als Rohstoff für<br />
Washi.<br />
Mitte rechts:<br />
Abb. 14: Stellera chamaejasme.<br />
Nach dem Ablösen der Wurzelrinde<br />
wird die darunter liegende<br />
Zellulose durch Kochen und Klopfen<br />
zu Pulpe verarbeitet. Diese<br />
Pflanze wird ausschließlich im<br />
Himalaya-Gebiet als Papierrohstoff<br />
verwendet.<br />
Unten:<br />
Abb. 15: Kozo, getrockneter<br />
Maulbeerstrauchrindenbast. In<br />
der Form kann er jahrzehntelang<br />
gelagert und gut transportiert<br />
werden.<br />
2.1 Washi − Kulturgut im<br />
alten Japan