Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept
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nen Stämmen Tribut in Form von ‚Amatl‘ […] bezahlen. Die christlichen Eroberer veran-<br />
stalteten ob der ‚Teufelsbilder‘ Bücherverbrennungen ungeheuren Ausmaßes, bei der der<br />
Wissenschaft unermeßliche Schätze verlorengingen. Nur drei Mayah<strong>and</strong>schriften sind der<br />
Vernichtung entgangen. Die Otomi-Indianer und die Lac<strong>and</strong>onen, die als direkte Maya-<br />
Nachfahren gelten, stellen heute noch Amatl her; verwendet wird es für Tuniken, für den<br />
Dorfzauberer <strong>–</strong> und für Touristen, grell mit Acrylfarben bemalt. Die starke Nachfrage bedroht<br />
bereits den Best<strong>and</strong> der Spenderpflanzen. Tapa hat also nicht nur eine große Vergangenheit,<br />
sondern erfreut sich überall da, wo sich seine Traditionen finden, auch noch lebendiger<br />
Gegenwart.“ (Berger, Textilforum, 15)<br />
„Heute finden die Stoffe ihre Verwendung als Schambinden, Schurze, Kleiderstoffe, Tuniken,<br />
Turbane, Mäntel und Schlafdecken. Sie dienen jedoch auch nach wie vor kultischen Zwecken<br />
als Maskenhemden und Totentücher. Stoffe aus Ficus-Rinde, die zwar grob und dunkel<br />
sind, werden sehr geschätzt, da sie wasserundurchlässig sind und folglich zu Regenjacken<br />
verarbeitet werden.“ (Berger, Textilforum, 15) „In der Lop-Nor-Gegend, in der westchinesischen<br />
Provinx [sic] Xinjiang, wird Tapa bis heute für Tücher und Kleider verwendet.“ (Weber,<br />
Sprache, 29)<br />
„Weit vom Äquator entfernt, entwickelt der Spitzenhändler Boileau 1718 in Paris ganz neue<br />
Dimensionen dieses Materials. Er stellt Mäntel, Jupes und selbst Corsagen aus ‚indianischem<br />
Papier‘ vor, und diese Kleidungsstücke waren mit Leinw<strong>and</strong> gefüttert. Es heißt, dass<br />
Damen, die etwas auf sich hielten, in jenem Sommer kostspielige Tapa-Kleider von Boileau<br />
trugen. Die Rinde des Baumes <strong>–</strong> eine Haut die noch heute zu Kleidern verarbeitet wird. Dies<br />
trifft zum Beispiel auf die Lop-Nor-Gegend bei Loulan im äußersten Osten der Wüste Taklamakan<br />
zu, aber auch Baumrindenstoffe aus Ug<strong>and</strong>a finden in Form von modischen Kleidungsstücken<br />
oder Polsterstoffen in Europa ihre Kundschaft. Tapa ist möglicherweise die<br />
erste Form von non-woven’s oder Vliesstoffen, die in der modernen Textiltechnologie zunehmend<br />
gefragt sind. Wegen der mit Papier artverw<strong>and</strong>ten Rohstoffe und Verarbeitungsprozesse<br />
wird Tapa auch ‚Pseudopapier‘ genannt.“ (Weber, Sprache, 30)<br />
„Die Herstellungsprozesse von Filz und Papier weisen durchaus Parallelen auf. Während<br />
der Rohstoff für Filz hauptsächliche aus Tierhaaren besteht (in der maschinellen Produktion<br />
auch aus synthetischen Fasern), sind es beim Papier pflanzliche Fasern, die zu Schichten<br />
verdichtet werden. Beim Filz erfolgt beim Walken eine Verkettung der Haare, verursacht<br />
durch das richtungsabhängige Friktionsverhalten (Verfilzen) und durch die Schuppenstruktur<br />
der Haare. Beim Papier überlagern sich die Fasern während des Schöpfens oder<br />
Gießens. Die Faserbindung entsteht nach der Blattbildung ohne weitere Lageveränderung<br />
durch Nebenvalenzbindungen von Faser zu Faser bei der Trocknung. Mikroskopisch betrachtet<br />
sind bei Papier und Filz ähnliche Faserverkettungen feststellbar. Bei beiden Verfahren<br />
ist die Überlagerung der Fasern nicht nur bezüglich ihrer Festigkeit und Stärke kontrollierbar,<br />
sondern auch was den Verlauf der Faserrichtung angeht. Während beim Filz die<br />
Fasern von H<strong>and</strong> in die gewünschte Richtung oder auch kreuzweise überlagert geschichtet<br />
werden, wird dies beim Papier durch die Bewegung des Schöpf- oder Eingusssiebes beeinflusst.“<br />
(Weber, Sprache, 34) „Filz wäre demnach das Bindeglied zwischen Tapa und Papier.“<br />
(Weber, Sprache, ebd.)<br />
2.2.3 Anwendung heute<br />
2.2.4 Filz<br />
Im ersten Weltkrieg kam es zu einer ökonomischen Rohstoffknappheit <strong>–</strong> diesmal war der<br />
Mangel allerdings in der Textilindustrie zu verzeichnen. Aus den geschichtlichen Begebenheiten<br />
war es naheliegend, auf Papier als Ersatzstoff zurückzugreifen. Im Gegensatz zu den<br />
geschmeidigen Papierkleidern aus Japan, die Charme und Mystik gleichermaßen ausstrahlen,<br />
war das westliche Papier jedoch steif, spröde und hatte eine anonyme Anmutung <strong>–</strong> der<br />
Ersatzstoffcharakter war deutlich wahrnehmbar und in keinster Weise eine vergleichbare<br />
Alternative für Textilien.<br />
Aus diesen Papiertextilien, die so offensichtlich industriell und papieren waren, wurden aber<br />
kaum ganze Kleidungsstücke hergestellt. Vielmehr wurden aus ihnen Teilstücke wie Unter-<br />
wäsche, Krawatten und Bettbezüge gefertigt. Hemdkrägen, Manschetten und Vorhemden<br />
aus Papier waren außerdem nicht ausschließlich ein Notbehelf. Aus festem, imprägniertem<br />
Papier hatten sie den Vorteil, dass sie in einem industriellen Verfahren äußerst billig herge-<br />
stellt werden konnten, nach dem Gebrauch einfach zu entsorgen waren und seit Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts zur besseren Haltbarkeit häufig mit Gewebe kaschiert wurden. (Vgl. Leitner,<br />
Papiertextilien, 30 / Schmitt/Strate, Art, 7)<br />
„Unter Bemühung patriotischer Gefühle wurde sogar versucht, aus der Not eine Tugend zu<br />
machen und das Ausweichmaterial als hinreißende Neuheit zu verkaufen: ‚Eine ganze Mo-<br />
de-Industrie ist durch die Verwendung des Papiers zu Bekleidungszwecken aus dem Boden<br />
gestampft worden, und es lassen sich mit diesem neuesten Stoff Wirkungen erzielen, die<br />
über seine Herkunft völlig hinwegtäuschen. …wir werden in Papier gepackt und als Überra-<br />
schungspakete in den Frühling hineingeschickt, Pakete, die beim Auspacken ein glänzen-<br />
des Zeugnis für deutschen Fleiß und [...] Industrie darstellen.‘.“ (Schmitt/Strate, Art, 7)<br />
„Ursprünglich wurde die Papierwäsche in den USA erfunden, wo diese neuartige Form des<br />
Konsums rasch großen Erfolg hatte. Bald verbreitete sich die Reformwäsche aber auch in Eu-<br />
ropa. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen Männerhemden aus einfachem Baumwoll-<br />
trikot in Mode, an die separat produzierte Krägen, Manschetten und den vorderen Brustteil<br />
bedeckende Vorhemden, so genannte Serviteurs, aus Papier geknöpft werden konnten. Dies<br />
hatte den Vorteil, dass die Einzelteile je nach Notwendigkeit getrennt, ersetzt oder gereinigt<br />
werden konnten. Oft prägte man auch Spitzenmuster oder Gewebestrukturen in das Papier,<br />
um die textile Wirkung zu erhöhen.“ (Leitner, Papiertextilien, 30)<br />
Vor allem in den Kriegsjahren konnten es sich wenige Leute leisten, Verstorbene in textiler<br />
Sterbewäsche begraben zu lassen, daher waren papierene Totenhemden bis in die 1960er-<br />
Jahre unter der ärmeren Bevölkerung üblich. (Vgl. Leitner, Papiertextilien, 30 / Schmitt/<br />
Strate, Art, 7) „Nur wer sich nichts Besseres leisten konnte, griff wie der arme Meister Ge-<br />
petto zu geblümtem Papier, um seinem Pinocchio einen Anzug zu machen. Daher konnte<br />
die Mitte der sechziger Jahre propagierte Wegwerfmode, von wenigen, speziellen Verwen-<br />
dungsbereichen abgesehen, sich so wenig durchsetzen wie in den achtziger Jahren die ex-<br />
travaganten Papierkleider von Enrica Massei und die Papierblusen von Corregiari, die nach<br />
25maligem Waschen weggeworfen wurden.“ (Schmitt/Strate, Art, 7) Als das Umweltbe-<br />
wusstsein in den letzten Jahren stieg, wurde die Idee des papierenen Totenhemdes wieder<br />
aktuell, aus dem alltäglichen Gebrauch ist die Papierwäsche jedoch gänzlich verschwun-<br />
den. (Vgl. Leitner, Papiertextilien, 30)<br />
2.3 Textiles Papier im<br />
Westen<br />
2.3.1 Papierwäsche in Zeiten<br />
der Not