Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept
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cher aus Leinen für die Papierproduktion zu verwenden. Die<br />
Hadernknappheit manifestierte sich am stärksten im 17. Jahr-<br />
hundert, und dieser Mangel beschleunigte die Suche nach Er-<br />
satzstoffen. Nach langer Forschungsarbeit gelang es, einen<br />
akzeptablen Ersatzstoff zu entwickeln.“ (Weber, Sprache, 79)<br />
Im Jahre 1719 stieß der französische Zoologe René-Antoine<br />
Réaumur auf die Technik der Wespe, die ihr Nest aus einem<br />
sehr feinem Papier fertigt, indem sie Holzsplitter zerkaut, mit<br />
ihrem Speichel angereichert leimt und mit den daraus entste-<br />
henden Schichten das Grundgerüst ihres Nestes auskleidet.<br />
Mit diesem Verhalten führte sie vor, dass es möglich war, Pa-<br />
pier aus Pflanzenfasern herzustellen. Dies gab in weiterer Fol-<br />
ge den Ausschlag, aufgeschlossene Holzfasern als Grundsub-<br />
stanz für Papier zu verwenden. (Vgl. Weber, Sprache, ebd.)<br />
„Zu dieser Zeit stellte man in Asien schon längst Papier direkt<br />
aus Pflanzenfasern her. In Europa folgten reihenweise Versu-<br />
che mit Ersatzstoffen aus Algenarten, Kenaf, Kokos, Jute, Ana-<br />
nas und Agavengewächsen wie Sisal bis hin zu Asbest. Doch<br />
erst die Versuche der Schweden Westbeck und Liungquist<br />
dürfen als wegweisende Experimente in Richtung Holzschliff 5<br />
bezeichnet werden. Die fundiertesten Ausein<strong>and</strong>ersetzungen<br />
mit der Idee Réaumurs (der Verwendung von Holzfasern)<br />
führen zum deutschen Theologen und Naturforscher Jacob<br />
Christian Schäffer, der auch als Pionier der pflanzlichen Ha-<br />
dernersatzstoffe bezeichnet wird, und zum Franzosen Léorier<br />
Delisle. In ihren Experimenten zur Zeit der Aufklärung mani-<br />
festierten sich die Einflüsse der Rohstoffverarbeitung und die<br />
Technik der Papierherstellung in den Endprodukten. Die Re-<br />
sultate ihrer Forschungsarbeit (mit Originalpapieren) finden<br />
sich zum Beispiel in Schäffers sechsbändiger Ausgabe Versuche<br />
und Muster ohne alle Lumpen oder doch mit einem geringen<br />
Zusatze derselben Papier zu machen von 1765<strong>–</strong>1771. Für<br />
Aufsehen sorgte der von Delisle 1786 veröffentlichte B<strong>and</strong> Gedichte<br />
des Marquis de Villette, das erste Buch, das auf haderfreiem<br />
Papier gedruckt wurde.“ (Weber, Sprache, 79) Mit Holz<br />
als Rohstoff erwies sich das neu gewonnene Papier jedoch als<br />
zu wenig haltbar, da ihm die Hadern fehlten.<br />
1790 erf<strong>and</strong> Nicolas-Louis Robert die Maschine zur Herstellung<br />
von Endlospapier und als Ende des 19. Jahrhunderts die<br />
erste Papiermaschine, die so genannte Fourdrinier-Langsiebmaschine<br />
in Betrieb genommen werden konnte, war der Papierrausch<br />
nicht mehr aufzuhalten. Die Papierpreise sanken erheblich<br />
und die Nachfrage wuchs gleichzeitig entsprechend<br />
an <strong>–</strong> dies führte zu einer weiteren Rohstoffknappheit. (Vgl.<br />
Weber, Sprache, 15, 77 / Leitner, Papiertextilien, 11)<br />
„Um 1860 arbeiteten in den Vereinigten Staaten rund 11 000<br />
Arbeitnehmer/innen in 550 Papierfabriken. In der Zeit best<strong>and</strong>en<br />
noch 90 Prozent des Rohstoffes aus Textilabfällen.<br />
Doch dies änderte sich 1854, als der Engländer Watt und<br />
der Amerikaner Burgess den Natronzellstoff6 entdeckten.<br />
1863 erhielt B. C. Tilghman das erste Patent zur Auflösung<br />
von Holzschnitzeln im Sulfitverfahren7 und 1884 erf<strong>and</strong> C.<br />
F. Dahl die Sulfatzellstoffherstellung.“ (Weber, Sprache, 77)<br />
1985 wurden bereits 30 Prozent des Fasermaterials aus Altpapier<br />
verwendet, die restlichen 70 Prozent best<strong>and</strong>en aus<br />
Zellstoff, der aus Holzabfällen gewonnen wird. (Vgl. Berger,<br />
Textilforum, 17)<br />
„Für textile Gewebe oder Gewirke wurden bis ins 19. Jahrhundert<br />
natürliche Fasern verarbeitet, was das Aufschließen<br />
der Textilien zu Faserzellstoff begünstigte. Erst 1884 gelang<br />
es dem Chemiker Graf Louis-Marie-Hilaire Bernigaud,<br />
Chemiefasern zu erzeugen, und 1932 stellte der Amerikaner<br />
Wallace Hume Carothers den ersten spinnbaren synthetischen<br />
Nylonfaden her. Der Siegeszug der synthetischen<br />
Chemiefasern verunmöglichte die Auflösung von Textilien<br />
für die Papierherstellung, weil sich diese in nützlicher Zeit<br />
nicht aufschließen lassen. Seither stammen die für die Papierherstellung<br />
verwendeten Textilien aus der Medizinalindustrie,<br />
zum Beispiel aus Resten der Gazeproduktion.“ (Weber,<br />
Sprache, 63) Ein bekanntes Beispiel ist Tyvek, das sich<br />
durch eine sehr textilhafte Wirkung auszeichnet und mit<br />
dem Künstler experimentieren, um sie zu Papierkleider zu<br />
machen <strong>–</strong> mehr dazu in Kapitel 4, „Mehr als Papier“.<br />
Heute werden über 3000 verschiedene Papiersorten produziert.<br />
Pro Person muss einem Verbrauch von durchschnittlich<br />
200 Kilogramm Papier8 pro Jahr nachgekommen werden.<br />
Neben seinem hohen Wert als Kulturträger steht Papier<br />
daher in unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft auch<br />
für Kurzlebigkeit, Flexibilität und Konsum. (Vgl. Leitner, Papiertextilien,<br />
9)<br />
Abb. 10: Sulfat-Zellstoff aus<br />
Faserholz in geöffnetem Ballen.<br />
Foto: Gert Körner. Feldmühle AG,<br />
Düsseldorf.<br />
11<br />
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5 „Faserrohstoff, der mechanisch an einer Schleifmaschine aus geschältem Holz gewonnen wird. Die Faser wird dadurch sehr kurz und eignet sich nur für kurzlebige Erzeugnisse wie<br />
Zeitungspapier. Die hohe Opazität (Undurchsichtigkeit) ist jedoch eine willkommene Eigenschaft bei Druckerzeugnissen.“ (Weber, Sprache, 207)<br />
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6 „Holzschnitzel werden durch Kochen in Natriumhydrogencarbonat (Ätznatron) aufgelöst. Die Zellulosefasern werden durch den Prozess in der alkalischen Kochlösung freigelegt.“<br />
7 „Holz wird in Form von kleinen Holzschnitzeln in chemischen Substanzen gekocht (aufgeschlossen).“ (Sprache, Weber, 206)<br />
(Sprache, Weber, 206)<br />
8 Dies entspricht ca. 5700 Päckchen Taschentüchern.