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Diplomarbeit - Laura Steiner – Design and Concept

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„Neben der Papierwäscheindustrie, die insgesamt eine eher geringe Bedeutung hatte, ent-<br />

wickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts im westlichen Kulturkreis auch ein Verfahren, Pa-<br />

pier in Form von Garnen zu verarbeiten. Dieser Industriezweig wuchs vor allem während<br />

der Kriegs- und Zwischenkriegszeiten, in denen <strong>and</strong>ere Rohstoffe Mangelware waren, zu ei-<br />

nem bedeutenden Wirtschaftsfaktor an.“ (Leitner, Papiertextilien, 30) Im Gegensatz zu dem<br />

in Japan in mühevoller H<strong>and</strong>arbeit gefertigtem Shifu, war die Herstellung von Papiergar-<br />

nen im Westen von Beginn an ein industrialisierter Prozess, der immer schon zur Massen-<br />

fertigung gedacht war.<br />

Im Gegensatz zu den sehr geschmeidigen und leichten Shifu-Stoffen aus Japan, die in mü-<br />

hevoller H<strong>and</strong>arbeit hergestellt werden und ihre charakteristische Noppenstruktur aufwei-<br />

sen, sind die industriell gefertigten Papiergarne auf Endlosrollen deutlich steifer und härter<br />

im Griff. Mit dieser weder besonders angenehmen noch textilen Haptik waren die damali-<br />

gen Papiergarne unmöglich aufzuwerten. „Als 1914 aber dann der Erste Weltkrieg ausbrach<br />

und die Rohstoffe für Alltagstextilien immer knapper wurden, sah man sich gezwungen,<br />

das Material zu verfeinern und auch für <strong>and</strong>ere Produktsparten verwendbar zu machen.“<br />

(Leitner, Papiertextilien, 31) „Nun wurden neue Technologien entwickelt, die auch die Pro-<br />

duktion ganz feiner Papiergarne ermöglichten, um daraus Textilien für Bekleidung und<br />

Wohnraum zu schaffen. Bald kamen Ober- und Unterbekleidung, Einlage- und Futterstof-<br />

fe, Nachthemden, Unterwäsche, Mieder, Hüte, Gürtel,<br />

Hosenträger, Taschen, Schuhe und für den Wohn-<br />

raumbereich Möbelbezugsstoffe, Sesselgeflechte,<br />

W<strong>and</strong>schoner, Decken, Teppiche, Tisch- und Bett-<br />

wäsche, Vorhänge, Tapeten, H<strong>and</strong>tücher und vieles<br />

mehr aus dem Ersatzstoff auf den Markt. Außerdem<br />

stellte man daraus Uniformen für Militär, Marine,<br />

Verwaltung und Behörden her. Pro Monat wurden<br />

in Deutschl<strong>and</strong> zwischen 1915 und 1918 nicht weni-<br />

ger als 600 Tonnen Papiergewebe produziert. Das<br />

neu entwickelte Papiergarn war zwar dünn, trotzdem<br />

aber noch sehr unelastisch und hart im Griff. Insge-<br />

samt war die Qualität der Produkte relativ schlecht,<br />

vor allem was ihre Waschbarkeit und den Tragekom-<br />

fort betraf, denn der ursprüngliche Charakter des<br />

Verpackungs- und Schnürmaterials ging nie ganz<br />

verloren. Unter der Bevölkerung waren die Produkte<br />

daher eher unbeliebt.“ (Leitner, Papiertextilien, 32)<br />

„Trotz dieser Aufwertungsversuche verbesserte sich<br />

das Image des Materials kaum, und nach Beendi-<br />

gung des Kriegs verschw<strong>and</strong> es wieder relativ rasch<br />

aus dem täglichen Leben. Die Produktion ging in der<br />

Zwischenkriegszeit drastisch zurück. Nur mehr we-<br />

nige Betriebe stellten das Material weiterhin her und<br />

trugen durch ihre stille Pionierarbeit zur laufenden<br />

Oben:<br />

Abb. 61: Kinderleibchen aus Papiergewebe.<br />

Deutschl<strong>and</strong>, 1916/17.<br />

Unten:<br />

Abb. 62: Papierkragen der Firma<br />

Mey & Edlich. Leipzig.<br />

2.3.2 Industriell hergestellte<br />

Papiergarne<br />

Verbesserung der Garnqualität bei.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) Durch die technische<br />

Weiterentwicklung der Papiergarne in der Zwischenkriegszeit war das Verfahren in ganz<br />

Europa bekannt geworden, und auch einige <strong>and</strong>ere Länder hatten die Produktion aufge-<br />

nommen. „Es konnte nun wasserfest imprägniert werden, und sein etwas stumpfes Ausse-<br />

hen verbesserte man durch verschiedene Veredelungsverfahren, sodass die Garnqualität<br />

viel höher als noch während des Ersten Weltkriegs war.“ (Leitner, Papiertextilien, 33) „Die-<br />

ser sogenannte Pextil-Jersey wurde auf speziellen Rundstrickmaschinen erzeugt. Die dabei<br />

entstehende Maschenware war weicher und dehnbarer als die relativ steifen Gewebe und<br />

somit angenehmer auf direkter Haut zu tragen. Es wurden daraus hauptsächlich Strümpfe,<br />

Nachthemden, Unterleibchen und Gardinen erzeugt.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) Doch<br />

selbst nach diversen Versuchen, die Papiergarne aufzuwerten, die W<strong>and</strong>lung vom Ersatzstoff<br />

zum Werkstoff zu propagieren und den Namen Papiergarn durch Zellstoffgarn zu ersetzen,<br />

konnte das minderwertige Image dieses Materials nicht aufgewertet werden. (Vgl.<br />

Leitner, Papiertextilien, 33)<br />

In Finnl<strong>and</strong> herrschte bis Ende der 1950er Jahre Armut und eine Rohstoffknappheit, da<br />

große Mengen, unter <strong>and</strong>erem auch ein Großteil der im L<strong>and</strong> vorh<strong>and</strong>en Textilfasen, an<br />

das frühere Herrschaftsl<strong>and</strong> Russl<strong>and</strong> abgeben werden mussten, weshalb sich Textilgestalter<br />

dort zwangsläufig viel länger als <strong>and</strong>erswo mit den Ersatzstoffen befassen mussten. Da<br />

die billig produzierten Papiergarne als minderwertig angesehen wurden und somit nicht<br />

abgegeben werden mussten, wurden sie in den Nachkriegszeiten in großen Mengen und<br />

auf hohem technischen Niveau weiterverarbeitet. (Vgl. Leitner, Papiertextilien, 36) „Anstatt<br />

in Baumwolle, Leinen oder Seide drückten die Textilschaffenden ihre Ideen in Ersatzmaterialien<br />

aus.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Oft wurden dabei die bunten Papierschnüre<br />

aus Mangel an Alternativen mit <strong>and</strong>eren, ungewöhnlichen Materialien wie Plastikschnüren,<br />

Plexiglasstäben, Birkenrinde, Kunststoffleisten, Bast oder Ähnlichem kombiniert. Die originellen<br />

Musterproben waren Ausgangspunkt für die Produktion von Lampen, Taschen oder<br />

Möbelstoffen.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Erst als sich gegen Ende der 1950er-Jahre die<br />

wirtschaftliche Situation in Finnl<strong>and</strong> verbesserte, verschw<strong>and</strong> die Papierschnur langsam<br />

auch dort.“ (Leitner, Papiertextilien, ebd.) „Aufgrund der historischen Umstände ist es somit<br />

auch nicht verwunderlich, dass der Papierschnurboom der sich zurzeit in ganz Europa<br />

ausbreitet, in den 1980er-Jahren in Finnl<strong>and</strong> seinen Anfang nahm.“ (Leitner, Papiertextilien,<br />

ebd.)<br />

„Im Laufe der Technisierung der Papierherstellung gelang es 1965 einer Fabrik in Tokio, ein<br />

chemisch präpariertes Papier zur Kamiko-Herstellung zu entwickeln. In einer Modeschau<br />

präsentierten die <strong>Design</strong>er dieser Firma Gewänder aus dem neuartigen Produkt, darunter<br />

auch ein Hochzeitskleid. In den USA führten 1966 Papierkleider, die von der Herstellerfima<br />

als Werbekampagne gedacht waren, zu ungeahntem Erfolg. Gegen eine Gebühr von 1,25<br />

Dollar erhielten die Interessentinnen ein Papierkleid per Post zugeschickt. In wenigen Monaten<br />

gingen 500 000 Bestellungen ein, sodass die Firma in Lieferschwierigkeiten geriet.<br />

Die Vielfalt der chemisch präparierten Papiere zeigt sich auch in der Herstellung von Kleidern<br />

aus einem synthetischen Papier, das die Arbeiter in Atomkraftwerken gegen die radioaktive<br />

Strahlung schützt. Ebenfalls in den 60er-Jahren wurden in Deutschl<strong>and</strong> erstmals die<br />

synthetischen Papiervliese Elasil und Pretex hergestellt, die in der Einweganwendung im<br />

Hygienebereich und als Betttücher eingesetzt werden. Yookanshi- und Takeya-Shibori-Pa-<br />

2.4 Synthetische Papiere

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