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Rund ums Handbuch für den „Fuchsfahrer“ des Günther

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<strong>Rund</strong> <strong>ums</strong> <strong>Handbuch</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>„Fuchsfahrer“</strong> <strong>des</strong> <strong>Günther</strong> Uhlirz<br />

Anlässlich der HMW-Ausstellung „Die Halleiner kommen“ in Kottingbrunn 2009<br />

brachte NG Mylius Manuskripte von <strong>Günther</strong> Uhlirz aus 2002 und von heuer mit und<br />

ergänzte sie mit in Blau gehalten Einschüben. Uhlirz ist ein überlebender Zeitzeuge.<br />

Sein <strong>Handbuch</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>„Fuchsfahrer“</strong> hat Uhlirz bereits<br />

1949 verfasst, als gewichtiger Pionier in der Welt der<br />

Fahrrad-Anbaumotore, kurz <strong>des</strong> Fuchsmotors. Rückschlüsse<br />

über <strong>des</strong>sen Technik mögen die darin empfohlenen<br />

Serviceintervalle geben: Alle 50 km sämtliche Schrauben<br />

nachziehen. Alle 100 km Kerze reinigen. Alle 500 km Getriebeöl<br />

nachfüllen oder wechseln, Benzinsieb und Tankhahn reinigen. Alle<br />

750 km Unterbrecher überprüfen, Kette nachspannen. Alle 1000<br />

km Entrussen – Generaldurchsicht. Und weiter: Alle eventuellen<br />

Schä<strong>den</strong> sind bei einiger Übung durch eine vernünftige Fahrweise<br />

zu vermei<strong>den</strong>.<br />

Uhlirz hat in seiner Stu<strong>den</strong>tenzeit <strong>für</strong> HMW<br />

gearbeitet. Nicht in Niederösterreich, in<br />

Rabenstein, wo 1948 mit dem Fuchsmotor<br />

Österreichs Fahrradhilfsmotoren-Zeitalter<br />

begonnen hatte und auch nicht im 70 km<br />

weiter gelegenen Kottingbrunn, wo 1962 mit<br />

<strong>den</strong> Halleinern dann alles zu Ende ging. Uhlirz<br />

arbeitetete von 1949 bis 1953 <strong>für</strong> HMW,<br />

sporadisch, teils in Hallein im Salzburgischen<br />

und teils beim Hinterberger, der Fuchs-<br />

Vertretung am Stubenring, in Wien. In seine<br />

Zeit fiel die Hochblüte von HMW als Halleiner<br />

Motorenwerk. Zuerst mit Fuchsmotoren und<br />

weiter bis 1956, mit guten und schnellen<br />

Mopeds.<br />

HMW war aus einem Betrieb<br />

hervorgegangen, der „deutsches Eigentum“<br />

war. Deshalb musste dann auch mit dem<br />

Staatsvertrag 1955 übersiedelt wer<strong>den</strong>. Nach<br />

Kottingbrunn. Da waren die großen<br />

Motorradwerke schon längst mit Großserien<br />

auf die Mopedwelle aufgesprungen. Wie etwa<br />

Puch 1954. Da konnten Hilfsmotor-Pioniere<br />

wie HMW nicht mehr mit. Einzige Ausnahme:<br />

Cucciolo, heute Ducati.<br />

1


2<br />

Uhlirz war ein echter Mann <strong>des</strong> Aufbaus,<br />

aus der Zeit bald nach Kriegsende, als man wieder<br />

mobil sein wollte, es aber kaum möglich<br />

war. Höchstens ein Fahrrad war möglich, das<br />

Treten war mühsam, besonders, wenn es bergauf<br />

ging. Und wo in Österreich geht es nicht bergauf.<br />

Da erschien ein Stern am Horizont, ziemlich<br />

klein und <strong>den</strong>noch, es war der Motor <strong>für</strong>s Fahrrad.<br />

Eine Hoffnung war da, der Fuchsmotor. Er<br />

machte aus dem Fahrrad kein Motorrad, aber<br />

wenigstens ein Motorfahrzeug.<br />

Was war eigentlich dieser „Fahrradmotor?“<br />

Es war ein kleiner Zweitakter (38 ccm), an einem<br />

U-förmigen Bügel links neben dem Hinterrad<br />

angebracht. Der Benzintank war unterhalb<br />

eines Gepäckträgers untergebracht. Der Antrieb<br />

erfolgte über eine kurze Kette direkt auf das<br />

Hinterrad, eine Doppelkupplung trieb im Getriebe<br />

zwei verschie<strong>den</strong>e Zahnradübersetzungen. Es<br />

gab also zwei Gänge. Ein Gang zum normalen<br />

Fahren in der Ebene, ein zweiter Gang <strong>für</strong> die<br />

Berge. Und die Leistung? Eigentlich nur 0,8 PS,<br />

kurzzeitig 1 PS. Der „Berggang“ war so übersetzt,<br />

dass man gut mit treten konnte. Fast 20%<br />

Steigung waren so zu schaffen, natürlich nur <strong>für</strong><br />

kurze Zeit, <strong>für</strong> längere Steigungen war dann eine<br />

Kühlpause erforderlich.<br />

Und <strong>den</strong>noch setzte sich der Motor durch,<br />

Alpenpässe wur<strong>den</strong> damit bezwungen, Leute mit<br />

gutem Sitzfleisch konnten riesige Entfernungen<br />

zurücklegen. Wie etwa Richard Wunderer auf<br />

seiner „Safari ohne Geld, mit Fahrrad, Hilfsmotor<br />

und Schlafsack durch Nordafrika “<br />

Die Lebensdauer <strong>des</strong> kleinen Motörchens<br />

wurde kaum jemals ergründet, die rasche Fahrzeugentwicklung<br />

in dieser Zeit überholte die<br />

Konstruktion.<br />

Theoretisch war das Fahrrad auch weiterhin


ohne Motorkraft zu betreiben, praktisch war es<br />

aber kein Vergnügen. Meist war da<strong>für</strong> der Sattel<br />

zu tief gestellt, und die eigenwillige Kupplungskonstruktion<br />

gab die Verbindung zum Hinterrad<br />

nicht wirklich frei, sodass man immer froh war,<br />

wenn der kleine Motor funktionierte.<br />

Für <strong>des</strong>sen Anbau war je<strong>des</strong><br />

Fahrrad geeignet. Leider war – damals –<br />

nicht jeder Fahrer geeignet.<br />

Erforderlich war ein richtiger<br />

Motorradführerschein, und das Fahrrad<br />

brauchte ein richtiges, großes<br />

Kennzeichen. Aber man war ja mit<br />

Schwierigkeiten aller Art vertraut, die<br />

Käufer kamen in großer Zahl.<br />

55.000 „Füchslein“ wur<strong>den</strong><br />

gebaut, <strong>für</strong> 35.000 davon mussten –<br />

nicht ganz freiwillig – Lizenzgebühren<br />

an Victoria nach Nürnberg gezahlt<br />

wer<strong>den</strong>, wo der Fuchs als „Victoria FM<br />

38“ im oder vor dem Krieg – im Beisein<br />

von Ing. Anton Fuchs –erfun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong><br />

war, der Rest der Füchse war eine<br />

lizenzfreie Weiterentwicklung. Sie hieß<br />

„FM 40 S“, mit „S“ wie Salzburg. Auch<br />

die Victoria-Werke bauten ihrerseits<br />

ihren FM 38, in Großserie, ab 1946.<br />

Allein 1950 kam man auf 50.000 Stück.<br />

Mit <strong>den</strong> Jahren basierte dann eine ganze<br />

Moped-Modellreihe auf ihn, von Vicky I<br />

- IV.<br />

Uhlirz war Kun<strong>den</strong>berater,<br />

Testfahrer. Sein <strong>Handbuch</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>„Fuchsfahrer“</strong> war Pflichtlektüre <strong>für</strong><br />

je<strong>den</strong>, der sich nicht gleich was<br />

G’scheites gekauft hat, wie mein Vater zu<br />

sagen pflegte. Und der musste es ja<br />

wissen, als Professor mit seiner<br />

Ethnologie am Völkerkundemuseum.<br />

Doch so mancher junge Mann von<br />

3


4<br />

damals, der zu seinem Fahrrad eine<br />

innigere Beziehung hatte als zu<br />

Mathematik und Griechisch- oder<br />

ähnlichen Al ternativen – trieb sich von<br />

Zeit zu Zeit am Stubenring herum und<br />

schaute zu, wie die künftigen<br />

Fuchsmotorfahrer ihre Motore abholten,<br />

oft in Kisten verpackt.<br />

Und gewiss mit dem <strong>Handbuch</strong> von Uhlirz<br />

bei <strong>den</strong> Papieren. Damit Sie dann<br />

auch die Fuchs-Technik richtig beherrschen<br />

lernten. Wie etwa einen „Schaltgriff<br />

mit angelenkter Sperrklinke“. Gemeint<br />

ist das, was bei Motorrädern normalerweise<br />

am Lenker links befestigt ist und<br />

Kupplungshebel heißt. Hier sind es zwei<br />

Hebel, ein großer und ein kleiner<br />

dran. Durch Anziehen, Einklinken und<br />

Ausklinken wird zwischen 2. Gang und dem<br />

Leerlauf hin- und hergeschaltet, ohne<br />

herkömmliche Kupplung, mit<br />

Doppelkupplung eben!<br />

Und weiter im <strong>Handbuch</strong>: diese Übung<br />

ist wichtig, weil das vollkommene<br />

Abbremsen und Auslaufenlassen <strong>des</strong> Ra<strong>des</strong><br />

bei eingeschalteten Gängen zu schweren<br />

Schä<strong>den</strong> am Motor führen kann. Deshalb<br />

haben Fuchsfahrer (mangels einer<br />

herkömmlichen Kupplung) beim Ausrollen<br />

auf <strong>den</strong> letzten Metern vor dem Stillstand,<br />

<strong>den</strong> Schaltgriff in Leerlaufstellung gezogen<br />

und darüberhinaus, in weiser Voraussicht<br />

auf das dem Stillstand folgende Wegfahren,<br />

die Pedale in ihre Totpunkte oben und unten<br />

gebracht. Zum Wegfahren setzt der<br />

trittbereite Fuß das Fahrrad kurz in<br />

Bewegung, dann klinkt ein Finger der linken<br />

Hand <strong>den</strong> Schaltgriff aus, und dieser gleitet<br />

von selbst aus dem Leerlauf in <strong>den</strong> 2. Gang.<br />

Nun wird rechts vorn, am Drehgriff Gas<br />

gegeben und schon setzt <strong>des</strong> Füchsleins<br />

Vortrieb ein. Der erste Gang wird nur am<br />

Berg gebraucht<br />

Anhaltspunkte und Tipps <strong>des</strong> <strong>Handbuch</strong>s <strong>für</strong> Neulinge:<br />

25 km/h fahren Sie, wenn Sie gerade noch gut mittreten können.<br />

15 km/h ist das Tempo eines Radfahrers, der es nicht eilig hat.<br />

100 km sind Sie gefahren, wenn Sie 1½ L Benzin verbraucht haben.


Beim Überfahren von Eisenbahnschienen, Wasserrasten und Querrinnen immer auf Leerlauf<br />

schalten und abbremsen.<br />

Es ist durchaus möglich, an das Fahrrad zusätzlich einen Einachsanhänger zu kuppeln, jedoch<br />

soll das erst nach dem Einfahren geschehen.“ . . .<br />

Das sei das Stichwort, 2009 wieder <strong>Günther</strong> Uhlirz zu Wort kommen zu lassen:<br />

„<strong>Günther</strong> Uhlirz erinnert sich“<br />

Ich hatte einen Ferienjob bei der Firma<br />

Fuchs in Hallein bekommen. Ich wurde<br />

eingela<strong>den</strong> mit meinem Fahrrad hin zu<br />

fahren, um dort einen Leihmotor ans<br />

Fahrrad montiert zu bekommen. Von dort<br />

sollte dann eine Fahrt zum Großglockner<br />

und weiter nach Vorarlberg gehen.<br />

Also eine Österreich <strong>Rund</strong>fahrt über eine große Entfernung. Für mich war schon<br />

die Fahrt mit dem Fahrrad nach Salzburg interessant. Es gab <strong>für</strong> mich nur Nebenstrecken,<br />

die Sommerhitze war groß. Ich brauchte zwei Tage um ans Ziel zu kommen. Als<br />

ich am dritten Hallein erreicht hatte, war der Chef nicht im Hause. Entgegen seiner<br />

Zusage. Die Geschäftsleitung besprach sich kurz und verschaffte mir dann <strong>für</strong> mehrere<br />

Nächte ein Hotelzimmer im „Blauen Stern“. Für mich natürlich eine ungewöhnlich<br />

schöne und angenehme Pause.<br />

Tags darauf lernte ich IHN persönlich kennen, Ing. Fuchs, <strong>den</strong> Supertechniker.<br />

Ing. Anton<br />

Fuchs 1907 -<br />

1987<br />

Ein großer, starker Mann! Er stammte wohl aus St. Pölten, hatte in Nürnberg bei<br />

Viktoria als Konstrukteur gearbeitet und war zu Kriegsende zurück, in die Heimat<br />

gekommen. Er hatte, wohl zu einem Teil aus dem Gedächtnis, <strong>den</strong> Viktoria<br />

Fahrradmotor neu gezeichnet und ihn „Fuchsmotor" genannt.<br />

Als sich der Betrieb (später Halleiner Motorenwerke HMW) in Hallein schon<br />

etabliert hatte, verbrachte Ing. Fuchs eine Zeit in Amerika und arbeitete bei Ford<br />

Kanada als Konstrukteur in einem der ersten Großraumbüros. Er hatte einen ganzen<br />

Schuhkarton Fotos mitgebrachte und erzählte viele nette Geschichten.<br />

Bei Ford arbeitete er in einem Großraumbüro. Die tägliche Leistung wurde nach<br />

Fläche (Inch²) beurteilt. Einmal hatte Herr Fuchs eine Vorrichtung zu konstruieren,<br />

die bei Fertigung einer Achtzylinder-Kurbelwelle <strong>für</strong> saubere Ölbohrungen sorgen<br />

sollte. Er entwickelte "Finger" - d.h. kleine Hebel mit Gummidichtungen – die<br />

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6<br />

wechselweise die verschie<strong>den</strong>en Ölbohrungen öffneten und verschlossen. Dadurch<br />

spülte die Spülflüssigkeit immer nur eine Bohrung durch, aber da<strong>für</strong> mit höherem<br />

Druck. In kurzer Zeit waren alle Bohrungen frei von Fertigungsrückstän<strong>den</strong>.<br />

Natürlich fuhr er drüben auch Auto. Einen Leihwagen. Nachdem ihm die<br />

Motorhaube seines sicher recht alten Wagens während der Fahrt aufging und ihm so<br />

die Sicht nahm, kündigte ihm die Versicherung <strong>den</strong> Vertrag. Er sei ein „unsicherer<br />

Fahrer". So etwas war zur damaligen Zelt ein <strong>für</strong> Europäer völlig unbekannter<br />

Vorgang.<br />

Begeistert erzählte er von Motorbootfahrten auf dem Eriesee oder von einem<br />

Lokführer, der Ihm sofort eine Mitfahrt auf der Lok anbot.<br />

Er brachte auch ein<br />

Radio von hierzulande völlig<br />

unbekannter Qualität mit:<br />

“High Fidelity“ Wenn dann<br />

abends, bei warmem<br />

Sommerwetter die Fenster<br />

geöffnet waren, kamen<br />

selten schöne Klänge aus<br />

der Wohnung <strong>des</strong><br />

technischen Direktors (Ing.<br />

Fuchs wohnte auf dem<br />

Werksgelände) und<br />

mischten sich mit dem<br />

Geräusch der<br />

Werkzeugmaschinen. Es<br />

wurde ja in drei Schichten<br />

gearbeitet.<br />

Im Betrieb war der Chef immer mit Rechenschieber zu sehen, fast jede Frage<br />

beantwortete er erst, nachdem er (übrigens blitzschnell) seinen „Rechner" konsultiert<br />

hatte.<br />

Oft legte er auch selbst Hand an, wie etwa die außeror<strong>den</strong>tlich geschickte<br />

Konstruktion <strong>des</strong> Dekompressors aus einem Ventil, einem Stück gebogenem Blech und<br />

einer einzigen Schraube. Sie bewährte sich hervorragend und wurde nie mehr<br />

geändert.


Zum Wochenende<br />

segelte er gerne auf<br />

einem der<br />

Salzkammergutseen.<br />

Und falls einmal<br />

eine Flaute<br />

auftreten sollt,<br />

hatte er sich aus<br />

zwei<br />

„Fuchszylindern"<br />

einen kleinen<br />

Boxermotor gebaut,<br />

damit konnte er sich<br />

immer ans Ufer<br />

retten. Der Motor<br />

soll so ruhig<br />

gelaufen sein, dass<br />

man ihn auf der<br />

flachen Hand halten<br />

konnte.<br />

Für die Serienproduktion war ein Prüfstand unbedingt erforderlich gewor<strong>den</strong>.<br />

Wir hatten etwas, das wir Prüfstand nannten: auf einer Werkbank war eine<br />

Motoraufnahme angebracht, eine winzige Fahrradkette trieb eine kleine<br />

Wasserwirbelbremse, ein kleiner Lüfter sorgte <strong>für</strong> minimale Kühlung. Geprüft wurde<br />

(zur besseren Vergleichsmöglichkeit) ohne je<strong>den</strong> Auspuff, die Gase und Flammen<br />

kamen direkt aus dem Motor. Und so saßen wir bei einem Höllenlärm, sozusagen<br />

direkt an dem Motor. Ein unhaltbarer Zustand.<br />

Bald wurde ein "Komfortprüfstand" konstruiert und ein elektrischer<br />

Bremsgenerator bei AEG in Berlin bestellt. Als eines Tages dann der vornehme<br />

Prüfstand fertig war, saß der Prüfingenieur in einer schalldichten Kabine, gebremst<br />

wurde elektrisch (Pendeldynamo), eine Waage mit riesiger Anzeige direkt vor dem<br />

Fenster, der Motor auf einem großen Betonblock mit umlaufender Ablaufrinne, großer<br />

Drehzahlmesser, feststellbarer Gashebel und – zu unserer großen Freude - ein sehr<br />

wirksamer Schalldämpfer: Der ganze Kellerraum unter dem Prüfstand! Und der<br />

entließ die Auspuffgase fast lautlos.<br />

Auf diesem Prüfstand liefen dann auch unsere Rennmotoren: Ja, tatsächlich, es<br />

wur<strong>den</strong> auch Rennmotoren gebaut. Ein halbes Dutzend Amalvergaser aus England, ein<br />

Dutzend Renntüten verschie<strong>den</strong>er Längen und Kegelwinkel, viele Zylinder mit<br />

polierten und veränderten Schlitzen.<br />

Auf Probefahrten hatten wir einen Drehzahlmesser, der alle Zuschauer<br />

verblüffte: es war ein Zungenfrequenzmesser (Ing. Fuchs war ursprünglich<br />

Elektroingenieur – wie übrigens Ferdinand Porsche auch), der in einem kleinen<br />

Blechkästchen am Fahrradlenker, völlig ohne Verbindung zum Motor steckte. Nach<br />

einer Probefahrt, die stets unter Höllenlärm erfolgte, nahm der "Rennfahrer" das<br />

kleine Messgerät aus der Halterung und ließ die staunende Menge zurück! Wir<br />

erreichten beachtliche Geschwindigkeiten, 10.000 U/min wur<strong>den</strong> kurzzeitig erreicht,<br />

<strong>den</strong> Weltrekord <strong>für</strong> 50 kleine Motoren erreichte aber Viktoria Nürnberg.<br />

Später traf ich Herrn Fuchs noch einmal, die Halleiner Motorenwerke existierten<br />

nicht mehr, er hatte sich längst anderen Tätigkeiten zugewandt. Er bastelte<br />

7


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Schiffsmodelle mit Fernsteuerung, arbeitete an einer Modelldampfmaschine und<br />

führte uns gerne seine elektronische Orgel vor. Sie war lange vor dem modernen<br />

Keybord mit Radioröhren gebaut wor<strong>den</strong>. Im weiten Umkreis bemühte er sich um alle<br />

Kirchenorgeln und reparierte sie mit großer Freude.<br />

Ich kann es bezeugen, Herr Ing. Fuchs war ein Techniker mit allen Fasern seines<br />

Herzens. Das Interesse, die Freude, die Begeisterung an technischen<br />

Zusammenhängen war wohl bis zuletzt die Triebfeder seines Lebens. Und es war eine<br />

große Freude, Ihn wenigstens zum Teil kennen zu lernen.<br />

Zurück zur Österreichrundfahrt!<br />

Der Ernst <strong>des</strong> Lebens begann damit, dass mein Fahrrad umgehend motorisiert wor<strong>den</strong><br />

war. Herr Ing. Fuchs betrachtete sich die ganze Sache und meinte, um Schwingungen<br />

zu minimieren muss da noch eine kleine Strebe angebracht wer<strong>den</strong>. Staunend sah ich,<br />

wie der „Chefkonstrukteur“ ganz flink aus einem Stück Blech eine wunderbare Strebe<br />

hämmerte und festschraubte. Außerdem eröffnete er mir, dass er im ersten Teil der<br />

Fahrt mit mir mitfahren würde, er wollte dann Richtung Großglockner, ich hingegen<br />

weiter nach Vorarlberg.<br />

Bald hinter Salzburg, ich fuhr hinter dem großen, breitschultrigen „Chef“, blieb<br />

er stehen, öffnete <strong>den</strong> großen und offenbar auch schweren Rucksack, ein fast komplettes<br />

Ersatzteillager kam zum Vorschein. Und nun wurde am Pass Lueg erstens mal<br />

eine kleine Schulung durchgeführt. Erster Gang, Vollgas und Mittreten. Heulend, mit<br />

einer kleinen Rauchfahne, zog der kleine Motor <strong>den</strong> schweren Mann bergauf. Dann<br />

wendete er, nahm aus dem Rucksack ein Sortiment Uhrmacherreibahlen, vergrößerte<br />

die Hauptdüse, und im zweiten Versuch erreichte er (und ich) die Passhöhe ohne<br />

Probleme. Nach dieser Unterweisung durch <strong>den</strong> Chef persönlich, fuhr ich alleine weiter,<br />

die große Tour ging nun richtig los.<br />

Damals gab es <strong>den</strong> Begriff Moped noch gar nicht. So hatte ich eigens <strong>für</strong> diesen<br />

Einsatz <strong>den</strong> Motorradführerschein gemacht und hinten, am Schutzblech <strong>des</strong> Fahrrads<br />

prangte ein richtiges, großes Kennzeichen, noch dazu in Blau, das heißt Probefahrt.<br />

Irgendwo bei Kitzbühel stand ein Polizist auf der Straße und hielt mich an. Zeigen<br />

sie mal Führerschein und Fahrzeugpapiere! Und dann ging die Fragerei los: Was<br />

ist das überhaupt <strong>für</strong> ein Fahrzeug, wieso haben sie eine Probenummer, war stellt so<br />

etwas her, wie heißt die Firma, was verbraucht der Motor, wie schnell kann man fahren,<br />

was kostet der Motor.<br />

Nachdem ich ihm gesagt hatte, dass der Konstrukteur Fuchs heißt, und die Firma<br />

auch Fuchs heißt, sah er sich noch mal kurz die Fahrzeugpapiere an – da stand natürlich<br />

Ing. Fuchs, Hallein drin. Er grüßte stramm, sagte „Gute Fahrt, Herr Ingenieur“!<br />

Und weg war er.<br />

In Tirol kam ich an einer Gruppe spielender Kinder vorbei. Ein Kind spitzte<br />

plötzlich die Ohren, das Fahrrad gibt ja einen Ton von sich, und der Radfahrer tritt<br />

gar nicht, obwohl es leicht bergauf geht. Bald merkten es die anderen Kinder auch alle,<br />

lachten und schlugen Purzelbäume vor Vergnügen.<br />

Ich erreichte das Inntal zum Wochenende und bezog in einem einfachen Gasthaus<br />

Quartier. Ein einfaches Zimmer mit einer verglasten Tür. Ich lag fast nackt auf<br />

dem Bett, unten hörte man Gesang und das Rollen der Kugel von der Kegelbahn. Und<br />

dann sammelten sich die sicher angeheiterten Gäste zu einem Umzug durchs Haus,<br />

der Gesang kam immer näher. Als der erste an meiner Tür vorüber kam, zog er <strong>den</strong><br />

Vorhang kurz weg, der war nämlich außen, sah mich und zog wieder zu. Und alle<br />

zwanzig oder dreißig Teilnehmer <strong>des</strong> Umzugs machten das ebenso. Nur mühsam erreichte<br />

ich eine Decke um mich zu verstecken.


Dann kam der Arlberg, <strong>für</strong> mich eine große Herausforderung. Es war schon Spätnachmittag,<br />

die Hitze nicht mehr ganz so arg, das könnte vorteilhaft sein. Ich hatte<br />

nämlich <strong>den</strong> Motor schon vorher viele Stun<strong>den</strong> am Prüfstand „gefahren“, so wusste<br />

ich, dass mit wenig Kühlung, das war bei der Bergfahrt immer der Fall, nur 5 Minuten<br />

Vollgas gefahren wer<strong>den</strong> darf.<br />

In Landeck war noch ein herrlich kühler Brunnen, dann kam eine lange Strecke<br />

sandiger Straße mit tiefen Fahrrinnen, ein kleiner Ort, unmittelbar dahinter eine<br />

gleichmä8ig steile Sandstraße. Vollgas, noch vier Minuten. Dann nur noch eine Minute<br />

und dann stand ich. Mitten in der Steigung, Hinterrad an einem Kieshügel abgestützt,<br />

fünf Minuten Pause. Den Berg herunter kam ein Moto Guzzi, leise und schnell. Ich versuchte<br />

anzufahren, das ging wirklich nicht. Trotz Mittreten, trotz Nebenherlaufen.<br />

Links fiel das Gelände einige hundert Meter tief ab, ich sah die Bäume ganz<br />

winzig. Rechts ging es ebenso steil bergauf. Kein Geländer, Leitplanken waren damals<br />

unbekannt. Mit viel Mut stellte ich das Fahrrad quer zur schmalen Straße. Nun musste<br />

der Motor mit der ersten Umdrehung anspringen, ich trat kräftig in die Pedale und<br />

lenkte gleichzeitig scharf nach rechts, bergauf. Scharf am Abgrund, fast schon stürzend,<br />

lief der Motor und ich konnte weitere fünf Minuten bergan fahren. Die große<br />

Steigung hatte ich dann hinter mir, Sankt Anton und Sankt Christophen liegen fast auf<br />

einer Hochebene.<br />

Sofort ging es weiter, die steile Abfahrt musste auch noch bezwungen wer<strong>den</strong>.<br />

Auch das ist normalerweise schwierig, ein normales Fahrrad hat ja nur eine Rücktrittbremse<br />

und vielleicht noch eine Felgenbremse, das alles wird auf so einer Steilstrecke<br />

zumin<strong>des</strong>t sehr heiß. Da hatte ich aber nun einen Vorteil. Der Fuchsmotor hat,<br />

ein so genanntes Dekompressorventil, beim Anspringen wird das geöffnet, der Motor<br />

dreht dann leichter und springt beim Schließen <strong>des</strong> Ventils zumeist sofort an. Dieses<br />

Ventil konnte ich bergab öffnen, mit zischendem Geräusch und fast ohne zu bremsen<br />

gelang die Abfahrt. Schon fast am Ende <strong>des</strong> Gefälles stand ein großer englischer Wagen.<br />

Just als ich vorbeifuhr öffnete der Fahrer <strong>den</strong> Kühler, eine Fontäne aus bräunlicher<br />

Kühlerflüssigkeit stieg hoch.<br />

Im „Ländle“ bekam ich nach einigen Kilometern ein gutes Quartier, in einem<br />

großen Haus, ganz oben unterm Dach. Ich verstand die Bäuerin fast nicht, schlief aber<br />

gut und fest. Am nächsten Morgen erwachte ich vom Geräusch vieler Stimmen –<br />

mühsam kroch ich zum winzigen Fenster. Direkt vor dem Fenster war ein riesiger<br />

Baum, so hoch wie das mehrstöckige Haus, der sollte gefällt wer<strong>den</strong>. Da wurde mit<br />

Seilen gezogen, gesägt und gerufen, es war eine richtige große Schau.<br />

Mein weiterer Weg führte mich nach Bregenz. Dort habe ich <strong>für</strong> meine Verhältnisse<br />

große Beträge <strong>für</strong> wenig Essen ausgegeben, nach einigen Stun<strong>den</strong> befand ich<br />

mich wieder auf dem Rückweg.<br />

Zunächst verlief die Rückfahrt über Salzburg und Linz noch ohne Probleme, aber<br />

kurz vor Melk kam das Aus: es regnete, und wieder einmal war die Vergaserdüse verstopft.<br />

Routiniert blies ich sie durch und steckte <strong>den</strong> Benzinschlauch wieder an <strong>den</strong><br />

Vergaser. Dabei gerieten einige Tropfen Benzin-Ölgemisch an <strong>den</strong> Reifen. Auf der<br />

nassen und gepflasterten Straße gab es einen riesigen Rutscher, krachend flog das<br />

Fahrrad auf die Straße. Ich bekam schnell einen riesigen Bluterguss an der Hüfte, der<br />

Motorträger war so sehr verbogen, dass sich das Hinterrad nicht mehr drehen konnte,<br />

der Motordeckel mit dem schönen Fuchssymbol war eingedrückt, und die Schwungscheibe<br />

stand schräg zur Kurbelwelle. Ich bog <strong>den</strong> Motorträger zurück, das Hinterrad<br />

konnte sich wieder drehen, das Fahrrad konnte geschoben wer<strong>den</strong> – und ab gings zum<br />

Bahnhof . . . .<br />

9


10<br />

Es war eine recht unrühmliche Heimkehr. Es dauerte Tage, bis ich alles wieder<br />

zurück gebogen und ausgerichtet hatte.<br />

Als der Motor wieder lief, startete ich zum zweiten Angriff auf <strong>den</strong> Großglockner.<br />

Diesmal ging die Fahrt zunächst nach Sü<strong>den</strong>, Semmering, Packalpe und Klagenfurt<br />

waren die nächsten Ziele. Kurz vor Lienz kam eine neue Schwierigkeit auf mich<br />

zu: der Motor stotterte, blieb dann stehen und sprang nicht mehr an. Zündkerze! Ich<br />

wechselte die Kerze, kein Erfolg.<br />

Nun muss ich etwas weiter ausholen. Es gab damals eine neue Zündkerzenfabrik<br />

in Österreich, in Fulpmes. Von dieser Firma hatte man mir eine ganze Kollektion verschie<strong>den</strong>er<br />

Zündkerzen mitgegeben, ich besaß also eine richtige „Kerzenorgel“, d.h.<br />

in eine Holzleiste hatte ich acht Bohrungen eingebracht, acht Kerzen waren stets<br />

einsatzbereit. Es war ein heißer Sommertag. Nachdem ich alle Kerzen versucht hatte<br />

und durch das Schieben völlig erledigt war, nahm ich <strong>den</strong> Zylinderdeckel ab, darunter<br />

war aber kein Fehler zu entdecken. Verzweifelt und total ausgepowert ließ ich mich<br />

in <strong>den</strong> Straßengraben (mit weichem, hohem Gras) fallen und lag, ziemlich verzweifelt,<br />

erst einmal eine Stunde. Dann erhob ich mich, 200 Meter entfernt war ein großer<br />

Bauernhof, dort konnte ich im Heu schlafen, es gab sogar einen ganzen Topf frischer<br />

Bohnen. Das Fahrrad lehnte außen am Haus.<br />

Am nächsten Morgen sah ich mir die Situation an, links ging es nach Lienz, und<br />

hinter dem Haus war die steile Straße in Richtung Iselsberg zu sehen. Meine Straße!<br />

Über die Wiesen konnte ich diese Stelle erreichen. Die Bauernkinder gingen mit, sie<br />

wollten doch <strong>den</strong> motorisierten Radfahrer sehen: ich stellte das Fahrrad bergab(!),<br />

fuhr los und – der Motor sprang an. Wen<strong>den</strong>! Weiter Richtung Iselsberg und Großglockner!<br />

Das war sofort gemacht, und eine dicke Rauchwolke zog sich <strong>den</strong> Berg hinan,<br />

alles Öl von der Katastrophe mit <strong>den</strong> verölten Zündkerzen verbrannte jetzt, die<br />

lange Steigung war <strong>für</strong> diese „Innenreinigung“ geradezu ideal. Erst ganz oben wagte<br />

ich es, <strong>den</strong> Motor abzustellen. Ich erkannte, die Zündkerzen aus Fulpmes hatten eben<br />

nur eine recht kurze Lebensdauer. Aber bis zum Großglockner ergab sich kein Problem.


In Heiligenblut angekommen<br />

steuerte ich sofort<br />

die einzige Tankstelle an, um<br />

vollzutanken. Das hieß zwei Liter!<br />

So eine winzige Menge<br />

war nicht immer zu bekommen.<br />

Der wohlmeinende<br />

Tankwart kratzte sich am Kopf<br />

und hatte eine Idee. Ihm hatte<br />

ein Engländer einen kleinen<br />

Kanister mit zwei Litern Superbenzin<br />

dagelassen, ich war<br />

beglückt. Schon bald kroch ich<br />

langsam, mit Mittreten die<br />

12%ige Steigung hinauf. Nach<br />

der Uhr, immer nur 5 Minuten,<br />

dann 5 Minuten auskühlen lassen.<br />

Nach dem zweiten Halt<br />

war ich oben, stolz wie ein<br />

Spanier. Großglockner mit dem<br />

Fahrradmotor bezwungen!<br />

Später erfuhr ich, dass ich nur<br />

der „zweite Sieger“ war, ein<br />

italienischer Cucciolo, ein<br />

Viertakter, war schon vor mir<br />

oben gewesen.<br />

Vom Großglockner fuhr ich dann zurück nach Hallein. Vor der versammelten Geschäftsleitung<br />

berichtete ich von der Fahrt, von <strong>den</strong> Erfolgen und <strong>den</strong> Schwierigkeiten.<br />

Am nächsten Tag erhielt ich noch einige Aufträge – Prüfung einer Vorderradfederung<br />

und Test einer anderen Vergaserkonstruktion. Dann gab man mir das Fahrrad mit<br />

dem „Leih“-Motor und entließ mich nach Hause. Außer Berichten über die bei<strong>den</strong> Innovationen<br />

stellte man mir noch in Aussicht, im nächsten Sommer wieder eine Dienstfahrt<br />

auf Firmenkosten zu absolvieren. Ich fuhr also stolz mit dem sonst kaum bekannten<br />

Fahrradmotor durch die Gegend und arbeitete sporadisch noch bei der Wiener<br />

Fuchs-Vertretung.<br />

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12<br />

Viele Erlebnisse aus dieser Zeit als Prüfer in der Wiener Vertretung waren einmalig<br />

und verdienen festgehalten zu wer<strong>den</strong>:<br />

Die Käufer kamen in großer Zahl, der Motor kostete damals knapp unter 1.000,–<br />

Schilling und war schnell montiert. Sehr lustig war die Zusammensetzung der Käufer,<br />

es kamen junge Ehepaare, Pfarrer und Lehrer, Handwerker und Bauern.<br />

Es gab merkwürdige Probleme, wie zum Beispiel<br />

Der praktizierende Arzt<br />

Ein Arzt, völlig unbeleckt von moderner Technik, hatte Probleme, <strong>den</strong> Motor überhaupt<br />

in Gang zu bringen. Unser Geschäft hatte eine Art Podium vor <strong>den</strong> Schaufenstern,<br />

auf dieser Stufe saß er nun mit Notizbuch und Bleistift und schrieb alles genau<br />

auf. Er unterteilte <strong>den</strong> Startvorgang präzise in einzelne Punkte: Zuerst aufsteigen,<br />

losfahren, Kupplung loslassen, weiter treten, Gas geben, wenn der Motor zu hören ist<br />

nicht mehr treten usw., usw. eine lange Geschichte, ich habe nie erfahren ob der<br />

Herr Doktor wohl beim Start dann immer auch das Notizbuch bereit hatte?<br />

Oder die Sache<br />

mit der<br />

Serienstreuung<br />

Mehrere Ehepaare<br />

beschwerten<br />

sich: Immer lief<br />

ein Motor<br />

schneller. Trotz<br />

großer Mühe waren<br />

eben geringe<br />

Unterschiede in<br />

der Serienfertigung<br />

kaum zu<br />

verhindern.<br />

Der Schweisser<br />

Ein jüngerer Mann, Beruf Schweisser brachte sein Fahrrad mit Motor zur Inspektion.<br />

„Herr Uhlirz, prüfen sie einmal was alles zu tun ist!“ Ich fuhr immer dieselbe Strecke,<br />

sozusagen gleich um die Ecke, durch einige stille Straßen. Je<strong>des</strong> Fahrrad war ungewohnt,<br />

dieses ganz besonders. Es war schwer wie Blei. Während ich routinemäßig<br />

Schaltung, Geräusch und Bremse prüfte, fiel mein Blick auf <strong>den</strong> Fahrradrahmen. Der<br />

Mann hatte alles, was man so braucht sich entweder beschafft oder selbst angefertigt<br />

und dann sogleich kurzerhand angeschweißt: Eine zusätzliche Federung <strong>für</strong> <strong>den</strong> Sattel,<br />

eine Stoßdämpfung <strong>für</strong> <strong>den</strong> Lenker, eine zusätzliche Querstrebe am Lenker, einen<br />

Halter <strong>für</strong> ein Fähnchen, einen Gepäckkorb hinten, einen Gepäckkorb über dem Vorderrad,<br />

Halter <strong>für</strong> eine Trinkflasche, zwei zusätzliche Fußrasten, einen Kindersitz<br />

usw. usw. Am Ende war sein Komfortfahrzeug so lahm gewor<strong>den</strong>, dass es bis zur Spitze,<br />

die lag bei etwa 25 km/h, wirklich viele Minuten brauchte. Eigentlich war das<br />

Wunderfahrrad längst bei dem Gewicht eines Motorra<strong>des</strong> angekommen, nur die Motorleistung<br />

war gleich geblieben. Die Folge, ein furchtbar „lahmes“ Fahrverhalten<br />

und das sollten wir nun beheben. Es kostete die ganze Überredungskunst unserer


Chefs, <strong>den</strong> unzufrie<strong>den</strong>en Schweißer dazu zu bewegen, wenigstens die Hälfte seiner<br />

Innovationen wieder abzubauen.<br />

Unser Chef: Ingenieur Winkelhöfer, ein Veteran der Motorra<strong>den</strong>twicklung. Er<br />

war es, der in <strong>den</strong> 20iger Jahren <strong>des</strong> vorigen Jahrhunderts die Wiener Puch–<br />

Niederlassung leitete. Wiens Straßen waren damals fast ausschließlich gepflastert, es<br />

gab so gut wie keine Hinterradfederungen, und so litten die ersten Puchs unter Rahmenbrüchen.<br />

Es erforderte viel Überredungskunst Winkelhöfers, die Besitzer davon zu<br />

überzeugen, „es handelt sich hier nur um eine Ausnahme, kommt sicher nie mehr<br />

vor“. Ingenieur Winkelhöfer hatte eine eigene Vorgehensweise, er beschuldigte <strong>den</strong><br />

Fahrer stets, <strong>für</strong> Bedienungsfehler sei er allein verantwortlich. Und in gut 90 Prozent<br />

aller Fälle gaben die Kun<strong>den</strong> klein bei, von Reklamation war dann nicht mehr die Rede.<br />

Wir, die Fuchsvertretung in Wien hatten natürlich auch Kun<strong>den</strong>, die eine Reklamation<br />

anbringen wollten. Im nachfolgen<strong>den</strong> Fall kannten wir aber selbst noch<br />

nicht die Ursache <strong>des</strong> Fehlers, die „Masche vom Kun<strong>den</strong>berater Winkelhöfer“ wurde<br />

aber trotzdem angewandt. Hier die Schilderung <strong>des</strong> Vorfalles.<br />

Eosin vs Totalscha<strong>den</strong><br />

Ein kleiner, beschei<strong>den</strong>er Mann kommt mit überhitztem Motor vorgefahren. Nach wenigen<br />

Minuten ist klar, das Getriebe war so gut wie leer, kein Öl vorhan<strong>den</strong>. Ing. Winkelhöfer<br />

stemmte die Arme in die Seiten, sah <strong>den</strong> kleinen Mann (natürlich von oben<br />

her) böse an: „So etwas habe ich ja noch nie erlebt, und Sie trauen sich auch noch<br />

hierher. Schlamperei! Haben Sie <strong>den</strong>n nicht die Betriebsanleitung gelesen, da steht<br />

doch drinn, wie und wann der Ölstand zu kontrollieren ist! Wahrscheinlich ist der Motor<br />

nicht mehr zu reparieren. Sie sind womöglich schon lange Zeit ohne Öl gefahren,<br />

das muss ja zu einem unreparablen Scha<strong>den</strong> führen, das kostet sie einen neuen Motor,<br />

da<strong>für</strong> gibt es keine Garantie. Kommen sie in zwei Tagen wieder, dann werde ich<br />

ihnen sagen was sie zahlen müssen! Das ist doch unglaublich!“<br />

Der kleine Mann schlich grußlos und mit dicken Sorgenfalten auf der Stirn davon.<br />

Der Motor war dann glücklicherweise doch nicht kaputt. Nach zwei Tagen konnte<br />

der Mann mit neuer Ölfüllung und vielen Dankesbezeugungen davonfahren.<br />

Für mich hatte die Sache allerdings noch ein Nachspiel: an einem Sonntag fuhr<br />

ich durch <strong>den</strong> Wienerwald, natürlich mit dem Fuchsmotor. Vor mir lag ein leichter<br />

Rauchschleier. Nach einer Kurve sah ich <strong>den</strong> Urheber, einen anderen Fuchsfahrer.<br />

Sein Motor rauchte wie eine Pechfackel, ich sprach ihn an. Es war der schüchterne,<br />

kleine Mann. Und er erzählte, der Motor raucht viel, geht schlecht, braucht bald<br />

mehr Öl als Benzin. Und zum Kun<strong>den</strong>dienst geht er nicht mehr, die wer<strong>den</strong> ihn ja<br />

wieder beschimpfen, und er muss sicher einen neuen Motor kaufen. Lange musste ich<br />

ihm zure<strong>den</strong> bis er endlich bereit war, am Montag wieder zu uns zu kommen. Natürlich<br />

bekam er <strong>den</strong> Motor kostenlos repariert.<br />

Es hatten sich nämlich die Fälle von Motoren ohne Getriebeölfüllung gehäuft.<br />

Langsam wurde uns klar, da stimmt etwas nicht. Nach langem Nach<strong>den</strong>ken und Rücksprache<br />

mit dem Chef in Hallein vermuteten wir, es könnte die Dichtung zwischen<br />

Getriebe und Motor sein, da saugt nämlich der Motor das Getriebeöl an und verbrennt<br />

es.<br />

Wir hatten einen Plan: um das zu beweisen fuhr ich zuerst mal zur „naheliegen<strong>den</strong>“<br />

Hofapotheke und besorgte ein kleines Tütchen Eosin. Allen Fahrern die wenig<br />

oder kein Öl im Getriebe hatten wurde etwas Eosin ins Getriebeöl getan und geheißen,<br />

sie sollten nach einigen Tagen noch mal vorbeikommen.<br />

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Dann streifte einer von uns unmerklich an deren Auspuff: war der Finger rot,<br />

war alles klar. So fan<strong>den</strong> wir die schwarzen (besser die roten) Schafe heraus, im Werk<br />

wurde dann auf die Dichtung in diesem Bereich große Sorgfalt verwandt, dieser Fehler<br />

war behoben.<br />

Fuchsexport nach Israel<br />

Eine andere Geschichte. Es war früh am Morgen, ein kräftiger untersetzter Herr<br />

betritt das Geschäft, sieht sich unsicher um, unser Verkäufer geht auf ihn zu, und es<br />

entspinnt sich ein Verkaufsgespräch. Das Gespräch dauert lange, ich will es hier nur<br />

kurz zusammenfassen: der Mann wandert in <strong>den</strong> nächsten Tagen nach Israel aus. Er<br />

will einen Motor kaufen, unmontiert, einfach im Karton. Und zusätzlich will er ein<br />

Fahrrad kaufen, mit Motor, fahrbereit. Wir waren uns ganz sicher, da wollte jemand<br />

in Israel prüfen ob vielleicht die Einfuhr solcher Motoren oder gar der Nachbau lohnend<br />

ist. Der Kunde selbst hatte keine Ahnung.<br />

Das Fahrrad wurde also ausgesucht. Er bekam ein schönes, kräftiges Fahrrad und<br />

dazu alles was wir zu bieten hatten: Lichtanlage, Luftpumpe, Werkzeug, Gepäckträger,<br />

Ständer, Ersatzschlauch, besonders weichen Sattel und ein kleine Fahne, vielleicht<br />

zwei Fahnen (Israel und Österreich). Und wegen der baldigen Abreise sollte alles<br />

in zwei Tagen geliefert wer<strong>den</strong>, inklusive Einweisung.<br />

Als alles soweit war, kam der Israeli wieder, und unser Ingenieur bat ihn in <strong>den</strong><br />

Keller. Dort hatten wir zwei Laufrollen, das Fahrrad wurde mit dem Vorderrad eingespannt,<br />

das Hinterrad konnte sich drehen. Wir stellten <strong>den</strong> Sattel richtig ein, und der<br />

Proband bestieg das Fahrrad. Mit rotem Kopf. Nach kurzer Erklärung kamen die Kommandos:<br />

treten, schneller treten, noch schneller, Kupplung loslassen! Dann gab es einen<br />

Zündungsknall, der „Fuchs-Schüler“ hörte zu treten auf und dann war Stille. Der<br />

Motor war nicht angesprungen. Zweiter Versuch, wieder treten, schneller, weiter treten,<br />

mit Kraft und Gas geben!! Beim dritten Versuch war es geschafft, mit Donnerknall<br />

(wir waren ja in einem Keller) sprang der Motor an. Mit knallrotem Kopf saß er<br />

nun da und wusste eigentlich nicht, ob er Gas geben oder kein Gas geben sollte. Er<br />

wusste nicht einmal in welche Richtung man <strong>den</strong> Drehgriff drehen muss. Zittrig stieg<br />

er vom Fahrrad. Wir trugen das kostbare Ding hinaus, vors Geschäft auf die Straße.<br />

Von dort sollte er nun losfahren, und ich sollte ihn auf <strong>den</strong> ersten motorgetriebenen<br />

Metern seines Lebens begleiten. In einer Nebenfahrbahn der Wiener Ringstraße,<br />

mit einer Ampel nach kaum 50 Metern, dort, wo eine große Straße mit mehreren<br />

Fahrbahnen querte. Es kam wie es kommen musste: mit unserer Hilfe sprang der Motor<br />

an, er schaltete sogar in <strong>den</strong> zweiten Gang und – die Ampel vor uns zeigte Rot.<br />

Ich fuhr neben ihm, ich rief, ich brüllte: bremsen, STOP, Gas weg – es half nichts. Er<br />

fuhr mit glücklichem Lächeln, geradezu verzaubert, immer weiter und weiter. Die<br />

Fußgänger sprangen zur Seite, und die Autos bremsten mit quietschen<strong>den</strong> Reifen. Ich<br />

stand an der roten Ampel, und er begann meinen Blicken zu entschwin<strong>den</strong>. Endlich<br />

schaltete die Ampel wieder grün, und ich „raste“ hinterher. Nach etwa einem Kilometer<br />

hatte ich ihn eingeholt und brachte ihn auch dann zum Stehen.<br />

Wir haben nie mehr etwas von ihm gehört, hoffen aber doch, dass er lebend in<br />

Israel angekommen ist. Vielleicht läuft in Israel irgendwo heute noch ein einsamer<br />

Motor!<br />

Fuchs der Vielseitige<br />

Bei <strong>den</strong> Lasten-Dreirädern auf Fahrradbasis hat sich die Bauweise „ein Rad hinten und<br />

vorn zwei, mit einer Kiste darüber“ schon längst durchgesetzt gehabt. Diese mit<br />

Fuchserln zu motorisieren war naheliegend. In der Nachkriegszeit fand man allerdings


nicht immer die entsprechen<strong>den</strong> Fahrgestelle, so wur<strong>den</strong> vielfältig andere Lösungen<br />

gefun<strong>den</strong>.<br />

Ein gewisser Dr. Ragnar<br />

Mathéy, der sich später<br />

unter anderem mit<br />

seinen Bobby-Rollern<br />

und seiner Megu-<br />

Mopetta an der<br />

Kleinmotorisierung<br />

Österreichs beteiligte,<br />

motorisierte damals<br />

sein „Lastentandem“<br />

und stellte es auf 3<br />

Räder mit<br />

Achsschenkellenkung!<br />

Das erhöhte die Anzahl<br />

der montierbaren<br />

Packtaschen, und es fiel<br />

beim Be- und Entla<strong>den</strong><br />

nicht mehr um. Er<br />

belieferte<br />

Eisenhandlungen,<br />

Geschirrgeschäfte und<br />

Dirndlschneiderinnen.<br />

Zuerst mit kleinen<br />

hufeisenförmigen<br />

Magneten. Ein<br />

Alteisentandler hatte sie<br />

tonnenweise, er<br />

brauchte sie nur zu reinigen und an <strong>den</strong> Polen rot und blau anzustreichen. Dann lieferte<br />

er Trachtenknöpfe aus, die er serienmäßig, in eigener Produktion kunstvoll biegen ließ.<br />

Aus Aludrahtabfällen vom gleichen Alteisentandler. Er war nämlich auch gelernter<br />

Knopfdrechsler. Und schließlich fuhr er mit dem Fuchs-Tandem auch unverwüstliche<br />

„Palatschinkenschaufeln“ aus, hergestellt aus dem Duraluminium eines abgeschossenen<br />

englischen Bombers und versehen mit Holzgriffen aus der eigenen Drechslerei. Heute<br />

würde man sie als hochgiftige Bratenwender aus dem Verkehr ziehen.<br />

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Andere Kun<strong>den</strong> dachten an 4 Räder und ließen<br />

aus zwei Fahrrädern, einem kleinen Gestell<br />

und einer Stoffbespannung ein autoähnliches<br />

Vierradfahrzeug entstehen.<br />

Viel Spaß hatten wir auch mit dem „Schauspieler“<br />

Welchen Spaß<br />

sie hatten,<br />

darauf geht<br />

Uhlirz nicht<br />

näher ein,<br />

doch zur<br />

Person <strong>des</strong><br />

Schauspielers<br />

kann ich etwas<br />

beitragen:<br />

dieser dürfte<br />

Joe Trummer<br />

geheißen<br />

haben. Von<br />

ihm stammt<br />

der 1981 in<br />

RRR-Besitz<br />

übergegangene<br />

Fuchsmotor


FM 40, Inv. Nr. 13. Er hatte seinerzeit<br />

sein Eiswagerl angetrieben. Nicht das<br />

abgebildete mit dem „FM 40 S“-Motor,<br />

sondern ein ähnliches, früheres.<br />

Joe Trummer, ein im Alter verarmter<br />

Exschauspieler, war „Kunde“ von<br />

Christoph Mylius und dem Sozialdienst<br />

in der Dompfarrkanzlei St. Stephan. Er<br />

hatte sich ein Zubrot auch als Speiseeisverkäufer<br />

am Stephansplatz verdient. Joe<br />

Trummer ist am 30. Oktober 1983, 64jährig,<br />

gestorben.<br />

Der „Fuchs-Roller“<br />

Natürlich konnte auch die aufkommende Rollerwelle an so etwas, wie dem Fuchsmotor<br />

nicht spurlos vorübergehen. Eine fähige, doch nie in Serie gegangene Konstruktion war<br />

die <strong>des</strong> Grazers Wilhelm Brand: ein Kleinstroller auf 20“-Rädern, mit echt freiem Rollerdurchstieg!<br />

Ähnlich <strong>den</strong> Stadt-Flitzern, die in der Bun<strong>des</strong>republik rund um die deutschen<br />

Fahrrad-Anbaumotore von Rex, Victoria, Miele und von anderen entstan<strong>den</strong>. Ein<br />

Handikap hatten sie alle gemeinsam: keine Pedale zum Antreten und auch keinen Kickstarter.<br />

Man musste sie anrennen.<br />

Und so reihte sich ein wundersames Erlebnis ans nächste<br />

Ich fuhr und testete immer mehr Fahrräder mit Motor, einmal riss eine Kette, einmal<br />

brach der Lenker ab. Beim Testfahren. Das war <strong>für</strong> unseren Ing. Winkelhöfer wieder<br />

eine willkommene Gelegenheit, einen Kun<strong>den</strong> so einzuschüchtern, dass der schon<br />

daran dachte, sein Beileid zum Tode <strong>des</strong> Testfahrers (das war ich) auszusprechen.<br />

Oder die Motorreparatur in einem Pfarrhaus am Land, ein deftiges Mittagessen<br />

war dort inbegriffen. Oder die Klosterschwester, die mit verbrannter Kopfdichtung,<br />

laufendem Motor und kräftigem Treten doch noch die Werkstatt erreichte. Oder ein<br />

anderer Fahrer, der versuchte, Benzin dort einzufüllen wo das Getriebe ist.<br />

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Das alles und mehr haben wir erlebt. Nach einem halben Jahr habe ich schweren<br />

Herzens diese Arbeit beendet und mich wieder dem Studium zugewandt. Der<br />

Fuchsmotor war doch nicht die Lebensaufgabe.<br />

<strong>Günther</strong> UHLIRZ<br />

Cranachstr.40<br />

D 40235 Düsseldorf<br />

Ergänzt von NG Mylius<br />

© 2010 RRR

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