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"Klassenfeinden" wurden Kollegen - Kienbaum

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Ein besonderer Tag<br />

Ehrung “Gelebte Einheit”<br />

Handballer-Wiedersehen<br />

Zwei, die sich verstehen<br />

Juwel <strong>Kienbaum</strong><br />

Ausgelastete Anlage<br />

Erinnerungen<br />

Nadine wirft immer weiter<br />

Bauplatz <strong>Kienbaum</strong><br />

Mulmige Gefühle<br />

Spielerinnen gesucht<br />

Interview mit Kießler<br />

JOURNAL<br />

25. AUSGABE – JULI 2010<br />

25.<br />

Erfolgreichster EM-Turner<br />

krönte sich zum neuen Turnkönig von Europa: Matthias Fahrig, der in Birmingham<br />

mit der deutschen Riege den Mannschaftstitel gewann und sich dann<br />

außerdem noch die Goldmedaille am Boden holte. Dazu kam dann noch eine<br />

Silbermedaille beim Sprung. Mit Lobeshymnen wurde der junge Hallenser<br />

überhäuft. Das einstige Sorgenkind ist zu einem wichtigen Teammitglied geworden<br />

und sicherlich noch nicht am Ende seiner Entwicklung. (Mehr Seite 17)


Seite 2 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Editorial<br />

Ein besonderer Tag steht bevor<br />

Von Dr. Hans-Georg Moldenhauer,<br />

Vorsitzender des Trägervereins<br />

Bundesleistungszentrum <strong>Kienbaum</strong><br />

Dass <strong>Kienbaum</strong> eine Top-Adresse<br />

im deutschen Sport darstellt, wird<br />

uns von Außenstehenden immer<br />

wieder bestätigt. Dass nun aber<br />

unser Bundesleistungszentrum zu<br />

jenen zwölf Orten gehört, die in diesem<br />

Jahr im Rahmen der bundesweiten<br />

Kampagne "Deutschland -<br />

Land der Ideen" mit dem Titel<br />

"Gelebte Einheit" ausgezeichnet<br />

werden, freut uns nicht nur, sondern<br />

macht uns irgendwie auch ein wenig<br />

stolz. Und dass sogar die Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel höchstpersönlich<br />

zu diesem Anlass am Liebenberger<br />

See erscheinen will,<br />

bedeutet natürlich eine ganz besondere<br />

Ehre.<br />

Wenn die Rede von gelebter Einheit<br />

ist, dann wird sie bei uns praktiziert.<br />

Ich möchte sogar sagen, dass<br />

wir geradezu ein Musterbeispiel<br />

dafür liefern, dass sich Sportler und<br />

Sportlerinnen aus der gesamten<br />

Bundesrepublik bei uns wohlfühlen,<br />

gemeinsam trainieren, gemeinsam<br />

miteinander Gedanken austauschen,<br />

gemeinsam sich auf große<br />

Wettkämpfe vorbereiten und gemeinsam<br />

siegen oder verlieren.<br />

Inzwischen nutzen 18 Fachverbände<br />

die Vorteile der Anlage, die in<br />

den letzten Jahren dank der Unterstützung<br />

durch das Bundesinnenministerium<br />

und den DOSB zu einer<br />

zentralen Anlaufstelle des deutschen<br />

Sports geworden ist. Erst<br />

kürzlich bei der Mitgliederversammlung<br />

<strong>wurden</strong> die Handballer in den<br />

Trägerverein aufgenommen, weil sie<br />

sich von den hervorragenden Bedingungen<br />

überzeugt hatten.<br />

Die anfängliche Skepsis, die hier<br />

und da herrschte, ist längst verflogen.<br />

Heutzutage brauche ich niemandem<br />

mehr zu erklären, dass<br />

<strong>Kienbaum</strong> nicht irgendwo im Wald<br />

und auch schon gar nicht halb in<br />

Polen liegt, sondern dicht bei Berlin,<br />

zudem wunderbar von den Flughäfen<br />

Tegel oder Schönefeld zu erreichen<br />

ist. Auch mit der Bahn lässt es<br />

sich bequem anreisen und mit dem<br />

Auto, wenngleich die eine Zufahrt<br />

aus Richtung Hangelsberg wegen<br />

des Neubaus einer Brücke für ein<br />

paar Wochen gesperrt ist.<br />

Was mich, der ich als ehemaliger<br />

Fußballer vom 1. FC Magdeburg und<br />

Torwart der DDR-Auswahl schon in<br />

den 60iger Jahren nach <strong>Kienbaum</strong><br />

durfte, besonders beeindruckt, ist<br />

die Tatsache, dass Athleten verschiedener<br />

Disziplinen bestens in<br />

unserem Leistungszentrum mitein-<br />

Dr. Hans-Georg Moldenhauer<br />

ander auskommen, ob das nun im<br />

Kraftraum oder in einer anderen Trainingsstätte<br />

der Fall ist. Wer hätte das<br />

gedacht, dass auch Wintersportler<br />

die Anlage "entdeckt" haben. So<br />

kommen die Bobfahrer und die Eisschnellläufer<br />

des öfteren im Sommer<br />

zu uns, verstehen sich glänzend mit<br />

den Leichtathleten, Turnern, Kanuten<br />

und Volleyballern, die sozusagen zu<br />

den Stammgästen des weitläufigen<br />

Areals gehören.<br />

Wir tun aber auch etwas dafür, um<br />

alle nach Möglichkeit zufrieden zu<br />

stellen und ihnen die geäußerten<br />

Wünsche zu erfüllen, sei es nun,<br />

eine neue Matte für die Turner anzuschaffen,<br />

den Volleyballern zwei<br />

Beachfelder zu bauen oder für die<br />

Kanuten eine verbesserte Startanlage<br />

zu installieren. Und wir sorgen<br />

schließlich dafür, dass die Sportler<br />

vernünftige, moderne und zweckmäßige<br />

Unterkünfte haben. Aus diesem<br />

Grunde <strong>wurden</strong> die alten Pavillons<br />

abgerissen und durch zwei<br />

neue ersetzt, die jetzt ihrer Bestimmung<br />

übergeben werden können.<br />

Wer aufmerksam hinsieht, der<br />

wird feststellen, dass sich noch so<br />

manch anderes verändert. Gerade<br />

erst hat das Richtfest für eine weitere<br />

Dreifelderhalle stattgefunden und<br />

wo das alte, längst in die Jahre<br />

gekommene Hauptgebäude stand,<br />

wird demnächst ein dreigeschossiger<br />

Verwaltungs- und Wohntrakt<br />

hochgezogen, der den heutigen<br />

Anforderungen gerecht wird. Anhand<br />

der Bodenplatte erhält man schon<br />

einen kleinen Eindruck von dem,<br />

was eines Tages hier das Bild von<br />

<strong>Kienbaum</strong> prägt.<br />

In unserem <strong>Kienbaum</strong>-Journal,<br />

das mit seiner 25. Ausgabe ein kleines<br />

Jubiläum feiert, konnte all das<br />

dokumentiert und der Öffentlichkeit<br />

mitgeteilt werden, was im Laufe der<br />

Jahre in <strong>Kienbaum</strong> geschah. Und<br />

das war unglaublich viel, wovon sich<br />

nicht nur hochrangige Politiker, sondern<br />

auch Persönlichkeiten von<br />

internationalen Fachverbänden ein<br />

Bild gemacht haben. Delegationen<br />

aus China, Uganda und Norwegen<br />

kamen ebenso hierher wie Funktionäre<br />

der Internationalen Leichtathletik-Federation,<br />

die nach der WM in<br />

Berlin eine Tagung abhielten.<br />

Das alles wäre aber wahrscheinlich<br />

nicht zum Tragen gekommen,<br />

hätten nicht gleich nach der Wende<br />

beherzte Männer um meinen Vorgänger<br />

Manfred von Richthofen für<br />

den Erhalt dieser schönen Anlage<br />

gekämpft. Mein ausdrücklicher Dank<br />

gilt aber auch allen Weitsichtigen im<br />

BMI, die die Zeichen der Zeit erkannten,<br />

indem sie <strong>Kienbaum</strong> hervorragend<br />

in der Vergangenheit unterstützten<br />

und es immer noch tun.<br />

Neuer Mann an<br />

der DKV-Spitze<br />

Deutschlands erfolgreichste<br />

Sommer-Olympioniken haben einen<br />

neuen Präsidenten. Der 46jährige<br />

Unternehmer Thomas Konietzko<br />

aus Wolfen wurde in Wernigerode<br />

einstimmig als Nachfolger<br />

des nicht mehr kandidierenden<br />

Kanu-Chefs Olaf Heukrodt gewählt,<br />

der nach fünfjähriger Tätigkeit aus<br />

privaten Gründen das Amt aufgab.<br />

"Eine interessante und aufregende<br />

Zeit liegt vor mir. Jetzt heißt<br />

es Gas zu geben und unseren<br />

Sport weiter voranzubringen", formulierte<br />

nach erfolgter Wahl<br />

Konietzko, der eine Werbeagentur<br />

betreibt und außerdem Geschäftsführer<br />

eines Gebäudedienstleisters<br />

ist. Sicherlich kommt ihm seine<br />

große Erfahrung zugute, denn<br />

schon mit 13 Jahren saß er erstmals<br />

in einem Canadier und kam<br />

dann vom Kanu nicht mehr los. Bis<br />

zur Wende arbeitete er als hauptamtlicher<br />

Nachwuchstrainer beim<br />

KC Jeßnitz, entdeckte dabei unter<br />

anderem den Olympiasieger<br />

Christian Gille.<br />

Bundesverdienstkreuz<br />

für Boxtrainer Wegner<br />

Box-Trainer Ulli Wegner hat das<br />

Bundesverdienstkreuz am Bande<br />

erhalten. Der 68 Jahre alte gebürtige<br />

Stettiner wurde in Berlin für seine<br />

Verdienste um den gesamtdeutschen<br />

Sport und für sein<br />

soziales Engagement geehrt.<br />

"Ich bin stolz auf die Auszeichnung.<br />

Sie ist mir Ansporn für meine<br />

weitere Tätigkeit", sagte Wegner,<br />

der einst mit der BSG Wismut<br />

Gera DDR-Mannschaftsmeister<br />

war und der seit einiger Zeit regelmäßig<br />

mit seinen Boxern nach<br />

<strong>Kienbaum</strong> kommt. Beim Festakt in<br />

der Berliner Senatsverwaltung<br />

waren auch ehemalige und aktive<br />

Schützlinge des Trainers, darunter<br />

die Ex-Weltmeister Sven Ottke und<br />

Arthur Abraham sowie Cruisergewichts-Champion<br />

Marco Huck,<br />

anwesend.


Seite 3 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Gelebte Einheit - der Sport als Vorreiter<br />

Wie aus der einstigen DDR-Kaderschmiede längst ein modernes Trainingszentrum geworden ist<br />

In riesigen Lettern titelte die Zeitung<br />

"Welt am Sonntag" in einer<br />

ihrer Mai-Ausgaben "Ein großer<br />

Wurf für den deutschen Sport" und<br />

beschäftigte sich ausführlich auf<br />

zwei Extraseiten mit dem Bundesleistungszentrum<br />

<strong>Kienbaum</strong>. Jener einzigartigen<br />

Anlage, die im Rahmen<br />

der bundesweiten Kampagne<br />

"Deutschland - Land der Ideen" am<br />

19. Juli mit einem der zwölf zu vergebenen<br />

Sonderpreise "Gelebte<br />

Einheit" durch die Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel ausgezeichnet wird.<br />

Die Zeremonie soll innerhalb eines<br />

Sommerfestes stattfinden, das<br />

bereits zur Tradition geworden ist.<br />

Viele Jahre lang, von 1952/53 bis<br />

zur Wende, galt das umzäunte und<br />

streng abgeschottete Areal als<br />

Kaderschmiede des DDR-Sports,<br />

wo sich die Athleten auf wichtige<br />

Wettkämpfe vorbereiteten. Nach der<br />

Wiedervereinigung kursierten zunächst<br />

die abenteuerlichsten Überlegungen,<br />

was sich hieraus machen<br />

ließe, etwa ein Aussiedlerheim, ein<br />

Ferienobjekt oder ein Warenlager.<br />

Beherzte Männer um den damaligen<br />

DSB-Vizepräsidenten Manfred<br />

von Richthofen wollten das allerdings<br />

nicht zulassen und sorgten in<br />

zähen Verhandlungen dafür, dass<br />

der kleine Ort 40 Kilometer östlich<br />

von Berlin gelegen zu einer optimalen<br />

Trainingsstätte wurde, in der sich<br />

heute Sportler und Sportlerinnen<br />

von Rügen bis Oberbayern begegnen<br />

- und im wahrsten Sinne des<br />

Wortes gelebte Einheit praktizieren.<br />

Binnen knapp zwei Jahrzehnten,<br />

seit der Gründungsversammlung<br />

des Trägervereins am 14. Juni 1991,<br />

wurde hier am Liebenberger See,<br />

dank der Unterstützung des BMI,<br />

ein Trainingszentrum errichtet, das<br />

seines gleichen sucht. Wo es sich<br />

noch lohnte, <strong>wurden</strong> alte Bauten<br />

modernisiert. Oder sie <strong>wurden</strong><br />

abgerissen. In der Mehrzahl entstanden<br />

neue, auf Top-Niveau<br />

gebrachte Hallen, dazu Unterkünfte<br />

sowie die Mensa. Und wie jedermann<br />

bei seinem jetzigen Besuch<br />

augenscheinlich feststellen kann, ist<br />

diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen.<br />

Eine weitere Dreifelderhalle,<br />

zwei Pavillons und ein Verwaltungstrakt<br />

sind im Werden.<br />

Am Anfang war es schon etwas<br />

schwierig, Athleten zweier verschie-<br />

dener Systeme, die sich einst diametral<br />

gegenüberstanden, zu einer<br />

Einheit zusammenzuführen, obwohl<br />

der Sport es letztendlich wesentlich<br />

besser und unkomplizierter schaffte<br />

als das auf so manch einem anderen<br />

Gebiet der Fall war und teilweise<br />

noch immer ist. "Ost und West ist<br />

bei uns überhaupt kein Thema",<br />

stellte <strong>Kienbaum</strong>s Geschäftsführer<br />

Klaus-Peter Nowack fest. Längst ist<br />

zusammen gewachsen, was<br />

zusammen gehört, um den Ausspruch<br />

von Willy Brandt zu zitieren.<br />

Waren es zunächst nur die Leichtathleten,<br />

Turner und Kanuten, die<br />

nach <strong>Kienbaum</strong> kamen, so haben<br />

inzwischen viele andere Sportarten<br />

dieses Bundesleistungszentrum<br />

"entdeckt" und nutzen die hervorragenden<br />

Bedingungen bis hin zu der<br />

neuen Kältekammer. Ob nun Volleyoder<br />

Handballer, Bogenschützen<br />

oder Gewichtheber (mit Matthias<br />

Steiner), selbst die erfolgreichen<br />

Bobfahrer, die Eisschnell- und alpinen<br />

Skiläufer haben die Vorteile dieser<br />

Anlage erkannt. Sie alle können<br />

hier in herrlicher, waldreicher<br />

Gegend sowie totaler Abgeschiedenheit<br />

ein gezieltes Training durchführen,<br />

sich auf der anderen Seite<br />

aber auch eine aktive Erholung vom<br />

Groß geworden auf Rügen, jetzt in Leverkusen lebend, Steffi Nerius,<br />

die mit dem WM-Titel 2009 ihre langjährige Karriere beendete<br />

psychischen Stress gönnen.<br />

Wer war nicht schon alles hier, um<br />

sich den letzten Schliff vor einer<br />

Weltmeisterschaft oder Olympi-<br />

»Bei jedem Cent, der hier ausgegeben wurde,<br />

handelt es sich um gut angelegtes Geld«. (Otto Schily)<br />

schen Spielen zu holen, um dann<br />

anschließend mit einer Goldmedaille<br />

um den Hals zurückzukehren.<br />

Stellvertretend für so viele seien nur<br />

einige Namen erwähnt, die in <strong>Kienbaum</strong><br />

praktisch zu Stammgästen<br />

avancierten, so die Kugelstoß-Asse<br />

Astrid Kumbernuss, Nadine Kleinert<br />

oder Ralf Bartels, im Diskuswerfen<br />

Franka Dietzsch und Robert Harting,<br />

die Speerwerferin Steffi Nerius,<br />

aus dem Kanu-Bereich Birgit<br />

Fischer, Andreas Dittmer oder<br />

Ronald Rauhe, im Turnen ein Fabian<br />

Hambüchen und Matthias Fahrig<br />

oder auch André Lange, der sich in<br />

Vancouver zum weltbesten Bobpiloten<br />

aller Zeiten kürte. Selbst so<br />

erfolgreiche Profiboxer wie Sven<br />

Ottke, Arthur Abraham oder Nikolai<br />

Valujew zog es hierher.<br />

Wie sagte doch einst Innenminister<br />

Otto Schily: "Bei jedem Cent, der<br />

hier ausgegeben wurde, handelt es<br />

sich um gut angelegtes Geld." Das<br />

längst Zinsen in Form großartiger<br />

sportlicher Leistungen bringt, wobei<br />

die bestens bestückten Anlagen<br />

auch die erforderlichen Voraussetzungen<br />

bieten. Neben einer Lauf-,<br />

Turn- und Schwimmhalle existieren<br />

insgesamt drei weitere Sporthallen,<br />

dazu mehrere Rasenplätze, wovon<br />

zwei mit einer 400-m-Rundbahn<br />

versehen sind, Krafträume, neuerdings<br />

eine Kältekammer und eine<br />

Kanustrecke, ferner Bogenschieß-<br />

Stände und eine gesonderte<br />

Asphaltpiste für Triathleten, Geher<br />

und Radsportler.<br />

Geschätzt werden ebenfalls die<br />

Unterkünfte, die gute, abwechslungsreiche<br />

Kost und nicht zuletzt<br />

das stets freundliche Personal, das<br />

einem jeden Wunsch von den Lippen<br />

abliest. <strong>Kienbaum</strong> ist Dienstleister<br />

und Service-Unternehmen in<br />

einem, was die Anlage inzwischen<br />

zu Deutschlands Trainingsstätte<br />

Nummer eins gemacht hat.


Seite 4 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Begegnungen in <strong>Kienbaum</strong>, die einst nicht möglich waren und heute Realität sind<br />

Besser lässt sich das Thema<br />

"Gelebte Einheit" gar nicht dokumentieren<br />

als durch die gedeihliche<br />

Zusammenarbeit zwischen Jürgen<br />

Schult und Rolf Danneberg, dem Diskuswerfer<br />

Ost und dem Diskuswerfer<br />

West, die einst Gegner auf sportlicher<br />

Bühne waren, einem anderen Gesellschaftssystem<br />

angehörten und jetzt<br />

an einem Strang ziehen, um den<br />

Nachwuchs voran zu bringen.<br />

Bei den Olympischen Spielen<br />

1988 in Seoul kämpften der Schweriner<br />

und der Hamburger um die<br />

Medaillen, jeder für seinen Verband,<br />

für sein Land, der eine für die DDR,<br />

der andere für die Bundesrepublik.<br />

Wenn sich die beiden heute in <strong>Kienbaum</strong><br />

anlässlich eines Werfer-Lehrgangs<br />

treffen, dann erinnern sie sich<br />

schon einmal daran, wie es einst<br />

zuging und wie sie sich heimlich tref-<br />

Auch zwei Handballer von hüben<br />

und drüben praktizierten anlässlich<br />

des Festes "50 Jahre Sportzentrum<br />

<strong>Kienbaum</strong>", was unter gelebter Einheit<br />

zu verstehen ist. Der Magdeburger<br />

Hartmut Krüger und Thomas<br />

Sinsel aus Großwallstadt, beides<br />

Nationalspieler, begegneten sich<br />

nach unendlich langer Zeit wieder<br />

einmal und tauschten Erinnerungen<br />

aus, die darin gipfelten, dass beide<br />

nicht nur Nationalspieler in Ost und<br />

West waren, sondern sich auch einmal<br />

vor 25 Jahren im Viertelfinale<br />

des Europapokals gegenüberstanden<br />

- mit dem besseren Ende für<br />

den TV Großwallstadt.<br />

Noch zwei andere sehr bemerkenswerte<br />

und emotional prägende<br />

Ereignisse sind bei Krüger, der von<br />

1974 bis 1986 in der DDR-Auswahl<br />

Jürgen Schult und Rolf Danneberg:<br />

Aus "Klassenfeinden"<br />

<strong>wurden</strong> <strong>Kollegen</strong><br />

Kommen gut miteinander aus, zumal das Diskuswerfen ihr Metier ist:<br />

Rolf Danneberg und Jürgen Schult, die Olympiasieger von 1984 und 1988<br />

fen mussten, um unbemerkt von<br />

den Ost-Funktionären gemeinsam<br />

ein Bier zu trinken. Übrigens:<br />

Schult gewann damals mit 68,62<br />

m Gold, Danneberg mit 67,38 m<br />

Bronze. "Verstanden haben wir<br />

Hartmut Krüger und Thomas Sinsel<br />

Ein Wiedersehen<br />

der ganz besonderen Art<br />

Sie spielten für Magdeburg und Großwallstadt - und waren<br />

Nationalspieler in Ost und West: Thomas Sinsel und Hartmut Krüger<br />

stand und als torgefährlicher Linksaußen<br />

galt, haften geblieben. "Das<br />

war einmal das 16:16-Unentschieden<br />

bei der WM 1978 in Dänemark,<br />

als ich kurz vor Schluss einem Mitspieler<br />

den Ball zum Freiwurf hinrollen<br />

wollte, Heiner Brand sich das<br />

Leder schnappte und den Aus-<br />

uns immer schon", sagt der gebürtige<br />

Schweriner, der inzwischen in<br />

Potsdam lebt und Bundestrainer<br />

ist. Nur war es damals eben<br />

schwieriger, miteinander zu kommunizieren,<br />

denn die Verhältnisse<br />

waren nicht so, wie man sich das<br />

gern gewünscht hätte."<br />

Danneberg traf die Niederlage<br />

von Seoul nicht so hart, denn er<br />

hatte vier Jahre zuvor in Los Angeles<br />

(wo die DDR 1984 wegen des<br />

Boykotts nicht teilnahm) bereits seine<br />

Goldmedaille errungen, als er<br />

den großen amerikanischen Favoriten<br />

Mac Wilkins bezwang.<br />

Inzwischen sind die beiden<br />

Olympiasieger ins Trainergeschäft<br />

eingestiegen. Während Schult mit<br />

dem jungen Gordon Wolf einen<br />

ungeschliffenen Edelstein in seinen<br />

Händen hat, kann Danneberg mit<br />

Marcus Münch bereits einen<br />

gestandenen Diskuswerfer vorweisen,<br />

der sogar die Winterwurf-Challenge<br />

gewonnen hat.<br />

gleich erzielte. Die BRD war damit<br />

im Finale, wir spielten nur noch um<br />

Platz drei."<br />

Noch schlimmer traf Krüger<br />

jedoch die Absage der DDR, nicht zu<br />

den Olympischen Spielen nach Los<br />

Angeles zu fahren. "Ich kann mich<br />

noch ganz genau an den Tag erinnern,<br />

es war der 8. Mai 1984, genau<br />

an dem Tag, als ich meinen 31.<br />

Geburtstag feierte. Für mich brach<br />

eine Welt zusammen und ich habe<br />

wie ein Schlosshund geheult, denn<br />

die Spiele sollten der Abschluss<br />

meiner Karriere sein." Weil er sich<br />

kritisch zu dem Thema äußerte, wurde<br />

der quirlige Magdeburger sogar<br />

zur SED-Kreisleitung beordert.<br />

Sinsel dachte bei diesen Worten<br />

von Krüger aber auch daran, dass<br />

es vier Jahre zuvor den Sportlern<br />

aus der Bundesrepublik nicht<br />

anders erging, sie nicht nach<br />

Moskau fahren durften und so<br />

manch einem die mögliche Goldmedaille<br />

verwehrt wurde.


Seite 5 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Sympathie + hartes Training = Erfolg<br />

Fanny aus Potsdam und Nicole aus Lampertheim starkes Duo im Kajak<br />

Beide sind jung, hübsch und ehrgeizig.<br />

Beide haben gleiche Interessen,<br />

beide sitzen seit nunmehr<br />

drei Jahren gemeinsam in einem<br />

Boot. Sie <strong>wurden</strong> 2007 Weltmeister<br />

innen im Zweierkajak, gewannen ein<br />

Jahr später bei den Sommerspielen<br />

in Peking olympisches Gold, allerdings<br />

im Vierer. Und beide sorgten,<br />

jede auf ihre Art, schon für reichlich<br />

Schlagzeilen, die allerdings unterschiedlicher<br />

Art waren. Nicole Reinhardt<br />

posierte nackt für das "Playboy-Magazin",<br />

während Fanny<br />

Fischer besonders streng deshalb<br />

beäugt wurde, weil ihre Tante Birgit<br />

Fischer mit Abstand als erfolgreichste<br />

Paddlerin der Welt gilt.<br />

Die eine kommt aus dem<br />

Westen, die andere aus dem Osten<br />

- und beide praktizieren nicht nur<br />

auf dem Wasser, sondern auch<br />

außerhalb "Gelebte Einheit". Fanny<br />

Fischer ist in Potsdam groß geworden,<br />

studiert an der dortigen Universität<br />

im vierten Semester Sporttherapie<br />

und Prävention, während Nicole<br />

Reinhardt aus Lampertheim bei<br />

Mannheim stammt und Angestellte<br />

im öffentlichen Dienst ist. Im<br />

Moment ist sie allerdings freigestellt,<br />

weil sie sich beruflich weiterbildet.<br />

Und zwar in Potsdam, so dass es<br />

keinerlei Probleme eines gemeinsamen<br />

Trainings gibt. Was wiederum<br />

wichtig ist, um auch künftig international<br />

bestehen zu können.<br />

Schon als beide noch der<br />

Jugendklasse angehörten, sind sie<br />

sich begegnet und fanden einander<br />

sympathisch. Doch erst die Bundestrainer,<br />

vornehmlich Eckehardt Sahr,<br />

der für den Frauenbereich im Deutschen<br />

Kanu-Verband zuständig ist,<br />

brachten die zwei Ausnahmekönnerinnen<br />

so richtig zusammen und<br />

steckten sie in ein Boot. Das förderte<br />

dann noch die Harmonie, die sich<br />

auch darin äußert, dass die beiden<br />

inzwischen vieles gemeinsam<br />

machen, gern einen Stadtbummel<br />

unternehmen, hier und da mal einen<br />

Kaffee trinken und vor allem liebend<br />

gern shoppen gehen, was sich<br />

dann auch in ihrer geschmackvollen<br />

Kleidung widerspiegelt.<br />

Das sagt Nicole über Fanny: "Sie<br />

ist zwar ruhig und besonnen, aber<br />

sie äußert mitunter schon lautstark<br />

ihre Meinung, wenn ihr etwas nicht<br />

passt. Mit ihr ist auf jeden Fall gut<br />

auszukommen. Man kann sich auf<br />

sie verlassen und sie steckt immer<br />

voller Einsatzbereitschaft."<br />

Und so äußert sich Fanny über<br />

Nicole: "In vielen Dingen sind wir<br />

uns ziemlich ähnlich. Auch meine<br />

Partnerin ist eher ruhig, weiß aber<br />

Verstehen sich prächtig miteinander und haben gemeinsam schon so<br />

manch schöne Erfolge gefeiert, Nicole Reinhardt und Fanny Fischer<br />

auch, was sie will, sie ist ehrlich, aufgeschlossen<br />

und fair. Mit ihr muss<br />

man sich eigentlich gut verstehen,<br />

denn sie besitzt keinerlei Allüren<br />

und ist immer bereit, das Beste herauszuholen.<br />

"Beide Baujahr 1986,<br />

In vielen Dingen sind wir uns ziemlich ähnlich,<br />

aber meine Partnerin weiß, was sie will.<br />

wie sie ungeniert in <strong>Kienbaum</strong> beim<br />

Vorbereitungslehrgang auf die<br />

anstehenden Weltcups erklärten,<br />

haben einen ausgefüllten Tagesab-<br />

Wenn es die Zeit erlaubt, treffen sich die beiden Frauen während des<br />

Trainingslagers in <strong>Kienbaum</strong> auch zu einem Plausch in der Cafteria<br />

lauf. "Der lässt dann auch nicht<br />

viel Spielraum für irgendwelche<br />

Hobbys", meinte Fanny, denn vormittags<br />

stehen um 8 und 10 Uhr<br />

zwei Trainingseinheiten auf dem Programm,<br />

am Nachmittag um 15 und<br />

17 Uhr gibt es noch einmal das gleiche<br />

Pensum. Dazwischen geht die<br />

eine zu Vorlesungen an die Uni, die<br />

andere besucht eine Fachhochschule,<br />

um in kommunalem Wirtschaftsrecht<br />

ihr Wissen zu vervollständigen.<br />

Kurioser Weise müssen auch<br />

beide im Sommer Klausuren<br />

schreiben, wenn sie nicht gerade<br />

irgendwo auf einer internationalen<br />

Regatta starten.<br />

Bis London wollen die beiden<br />

das Programm noch voll durchziehen,<br />

um 2012 das zu erreichen,<br />

was ihnen 2008 misslang, als sie,<br />

die als große Favoritinnen gehandelt<br />

<strong>wurden</strong>, im Zweierkajak bei<br />

den Olympischen Spielen in<br />

Peking nur den vierten Platz belegten.<br />

Trainer Eckehardt Sahr ließ<br />

allerdings noch offen, ob die beiden<br />

immer und ewig im Zweier<br />

starten werden, denn schließlich ist<br />

auch noch die Einer-Position zu<br />

bestücken. Doch im Vierer ist für<br />

Nicole und Fanny, so sie gesund<br />

bleiben und ihr Leistungsniveau<br />

nicht absackt, immer ein Plätzchen<br />

vorhanden. Man kann auch sagen,<br />

die beiden sind gesetzt.<br />

Dass Nicole vorübergehend<br />

nach Potsdam zog, hat sowohl private<br />

als auch sportliche Gründe,<br />

denn die Trainingsbedingungen in<br />

Lampertheim sind nicht mehr so,<br />

wie sie einst waren. Andererseits<br />

sieht sie aber auch einen Vorteil<br />

darin, sich stets mit Fanny zu messen,<br />

und das unter den Augen des<br />

Bundestrainers. Allerdings fehlt ihr<br />

manchmal schon die Familie, so<br />

dass ab und an auch etwas Heimweh<br />

aufkommt. Doch wer Erfolg<br />

haben will, der muss mitunter auf<br />

einiges verzichten können.


Seite 6 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

DOSB-Präsident Thomas Bach<br />

Gutes Beispiel für das<br />

Zusammenwachsen<br />

Auf den 19. Juli in <strong>Kienbaum</strong> freut<br />

sich der Deutsche Olympische<br />

Sportbund gleich aus mehreren<br />

Gründen: Die Anwesenheit von<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

und die Verleihung des Sonderpreises<br />

“Gelebte Einheit” an das Bundesleistungszentrum<br />

<strong>Kienbaum</strong><br />

ehren im Rahmen des dortigen<br />

Sommerfestes ein vorbildliches Beispiel<br />

für die Zusammenarbeit des<br />

Leistungssports in Ost und West.<br />

Die Veranstaltung ist traditionell<br />

ein Schaufenster für Spitzenathleten,<br />

die hier trainieren und einmal<br />

im Jahr zeigen, wo sie sich vor<br />

wichtigen Wettkämpfen den letzten<br />

Schliff holen, entsprechend gelöst<br />

ist die Atmosphäre.<br />

Dank des Engagements des Trägervereins<br />

und der Förderung<br />

durch das Bundesministerium des<br />

Innern entwickelte sich die in der<br />

DDR als abgeschottete Kaderschmiede<br />

gegründete und nach<br />

der Wende von der Schließung<br />

bedrohte Einrichtung zum größten<br />

und modernsten Bundesleistungszentrum<br />

Deutschlands.<br />

Heute trainieren in <strong>Kienbaum</strong><br />

Athleten aus der gesamten Republik<br />

in einem Team und inspirieren<br />

sich gegenseitig vor großen internationalen<br />

Wettkämpfen.<br />

Hier bereiten sich Leichtathleten,<br />

Kanuten, Turner, Basketballer,<br />

Volleyballer und Judoka, aber auch<br />

zunehmend Wintersportler wie<br />

Bobfahrer und Eisschnellläufer vor<br />

und spüren dabei den gesamtdeutschen<br />

Teamgeist.<br />

Wenn deutsche Mannschaften<br />

bei Olympia als Einheit auftreten,<br />

hat diese brandenburgische Idylle<br />

auch ihren Anteil daran.<br />

Die große Umfrage: Was Sportlerinnen und Sportler, ihre Trainer und Teamchefs,<br />

Das Bundesleistungszentrum - ein<br />

Olympiasieger Matthias Steiner<br />

Matthias Steiner, Olympiasieger<br />

im Gewichtheben: "Ich bin<br />

überrascht, was wir hier vorgefunden<br />

haben. Vor allem die kurzen<br />

Wege sind es, die uns gefallen<br />

haben. Aber auch ansonsten<br />

stimmt alles, angefangen von dem<br />

reichlichen Essen, den Unterkünften<br />

bis hin zum Kraftraum, der für<br />

uns natürlich ganz wichtig ist, und<br />

der Kältekammer, die wir zweimal<br />

am Tag nutzen."<br />

Oliver Bierhoff, Manager der<br />

deutschen Fußball-Nationalmannschaft:<br />

"Eine tolle Anlage, die mich<br />

echt begeistert hat. Für Schweinsteiger,<br />

Lahm und Co. eignet sie<br />

sich über einen längeren Aufenthaltszeitraum<br />

vielleicht nicht, aber<br />

durchaus für Fitness-Tests, Lehrgänge<br />

unserer Nachwuchsspieler<br />

sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen<br />

für Trainer und<br />

Übungsleiter bietet sich <strong>Kienbaum</strong><br />

durchaus an."<br />

Frank Hensel, DLV-Sportdirektor:<br />

"Für unseren Verband spielt<br />

dieses Bundesleistungszentrum<br />

DLV-Sportdirektor Frank Hensel<br />

eine ganz große Rolle. Ich kann mit<br />

Fug und Recht behaupten, dass wir<br />

der Hauptnutzer sind. Vor allem für<br />

unsere Werfer ist das der wichtig-<br />

ste Standort. Als sehr günstig hat<br />

sich erwiesen, dass wir uns hierher<br />

auch vor der Weltmeisterschaft in<br />

Berlin zurückziehen und uns konzentriert<br />

vorbereiten konnten."<br />

André Lange, erfolgreichster<br />

Bobpilot der Welt: "Immer wenn wir<br />

uns nach <strong>Kienbaum</strong> zurückgezogen<br />

haben, konnten wir bei internationalen<br />

Großereignissen glänzend<br />

abschneiden, so wie zuletzt in<br />

Vancouver. Die idealen Bedingungen,<br />

ob es nun die Laufhalle ist, wo<br />

wir bei schlechtem Wetter unsere<br />

Sprints durchführen, oder der perfekt<br />

ausgestatte Kraftraum, sind für<br />

uns Gold wert, im wahrsten Sinne<br />

des Wortes."<br />

Ulli Wegner, Boxtrainer von<br />

Arthur Abraham und früher Sven<br />

Ottke: "Ich habe <strong>Kienbaum</strong> echt in<br />

mein Herz geschlossen. Als ich<br />

mich vor ein paar Jahren nach<br />

Ulli Wegner und Arthur Abraham<br />

einer Alternative für ein Trainingscamp<br />

umsah, habe ich mich daran<br />

erinnert, dass hier am Liebenberger<br />

See einst große DDR-Erfolge<br />

geschmiedet <strong>wurden</strong>. Inzwischen<br />

haben sich ja die Bedingungen<br />

noch wesentlich verbessert. Und<br />

wer darüber klagt, dass es ihm hier<br />

zu langweilig ist, dem sage ich,<br />

dass er tagsüber nicht genug<br />

getan hat."<br />

Erich Drechsler, ehemaliger<br />

Startrainer in der DDR, der jetzt<br />

ehrenamtlich Athleten für die Paralympischen<br />

Spiele betreut: "Was<br />

hat sich nicht alles hier verändert.<br />

Kein Vergleich mehr zu dem, was<br />

ich 1957 bei meinem ersten Mal<br />

hier vorfand. Hervorragende Unterkünfte,<br />

neue, moderne Hallen, alles<br />

vom Feinsten, dazu gut durchdacht<br />

und praktisch."<br />

Birgit Fischer, die erfolgreichste<br />

Kanutin der Welt: "Wenn ich hier<br />

gewesen bin, dann konnte ich richtig<br />

abschalten und mich nur auf<br />

meinen Sport konzentrieren. Ich<br />

Kanu-Königin Birgit Fischer<br />

brauchte nicht die Hausarbeit zu<br />

machen, brauchte nicht Essen zu<br />

kochen und auch der sonstige<br />

Kram daheim störte mich nicht. Und<br />

außerdem war es für mich immer<br />

gut, wenn ich nicht allein, sondern<br />

mit anderen trainieren konnte und<br />

genau wusste, wie es um meinen<br />

Leistungsstand bestellt ist."<br />

Werner von Moltke, Volleyball-<br />

Präsident: "Wenn sich ein Sportler<br />

auf ein großes Ziel vorbereiten will,<br />

dann braucht er die absolute Abgeschiedenheit,<br />

um sich zu konzentrieren.<br />

Gelobt werden auch Unterkunft<br />

und Verpflegung. Und wer<br />

Werner von Moltke<br />

will, der kann auch schnell einmal<br />

nach Berlin fahren. Ich war als<br />

adidas-Vertreter schon einmal zu<br />

DDR-Zeiten hier. Im Prinzip erkenne<br />

ich <strong>Kienbaum</strong> kaum wieder,<br />

soviel hat sich verändert."


Seite 7 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Politiker und Verbandsfunktionäre über die Anlage am Liebenberger See sagen<br />

Kronjuwel des deutschen Sports<br />

Steffi Nerius, die zum Abschluss<br />

ihrer Karriere Speerwurf-Gold bei der<br />

WM in Berlin holte: "<strong>Kienbaum</strong>, das<br />

sage ich ohne Übertreibung, ist<br />

längst zu meiner zweiten Heimat<br />

geworden. Ich, die in Saßnitz groß<br />

geworden bin und jetzt in Leverkusen<br />

lebe, kann mir keinen besseren<br />

Trainingsort vorstellen. Mitunter war<br />

ich viermal im Jahr für mehrere<br />

Wochen hier und habe mich immer<br />

wohl gefühlt, weil ich alles vorfand,<br />

was ich für meinen Sport brauchte."<br />

Manfred Stolpe, Ex-Ministerpräsident<br />

von Brandenburg, bei der<br />

Wiedereröffnung des Küchen-,<br />

Ex-Ministerpräsident<br />

Manfred Stolpe<br />

Mensa- und Tagungstraktes: "Als<br />

ehemaliger Bundesminister für den<br />

Aufbau Ost kann ich sagen, dass ich<br />

sehr froh darüber bin, dass die Anlage<br />

erhalten bleiben konnte. Als ich<br />

gleich nach der Wende hier war, hätte<br />

ich mir nicht träumen lassen, was<br />

einmal aus dieser doch relativ<br />

bescheidenen Sportstätte einmal<br />

wird. Die getätigten Investitionen<br />

sind auf jeden Fall gut angelegt."<br />

Armin Baumert, ehemaliger<br />

Leistungssport-Direktor des DSB<br />

und jetzt NADA-Vorsitzender: "<strong>Kienbaum</strong><br />

ist kein Relikt des DDR-<br />

Sports, sondern eine hervorragende<br />

Trainingsstätte für unsere jetzigen<br />

Athleten. Hier verschwinden keine<br />

Steuergelder im Bermuda-Dreieck,<br />

sondern sind bestens angelegt in<br />

Richtung internationale Erfolge."<br />

Dr. Michael Vesper, Generaldirektor<br />

des DOSB, beim Sommerfest<br />

2008: "Ich bin begeistert und total<br />

beeindruckt von dem, was ich bei<br />

meinem ersten Besuch in <strong>Kienbaum</strong><br />

gesehen habe. Der deutsche Sport<br />

kann sehr froh sein, solch ein fantastisches<br />

Bundesleistungszentrum zu<br />

besitzen, wo den Sportlern und<br />

Sportlerinnen alle Möglichkeiten für<br />

ein Hochleistungstraining offen stehen.<br />

Neben der Abgeschiedenheit<br />

gefällt mir die wunderschöne Natur."<br />

Dr. Christoph Bergner, Parlamentarischer<br />

Staatsekretär im BMI:<br />

"<strong>Kienbaum</strong> ist für mich zu einem<br />

festen Begriff geworden, seit ich<br />

2006 zum ersten Mal hier war. Es<br />

handelt sich um eine hochqualifizierte,<br />

vielseitig zu nutzende Sportstätte,<br />

die für beste Bedingungen sorgt,<br />

nicht nur was die Trainingsanlagen<br />

betrifft, sondern auch die Unterkünfte,<br />

Seminarräume, die Physiotherapie<br />

sowie den Tagungs- und<br />

Küchentrakt.”<br />

Lutz Heßlich, zweifacher Radsprint-Olympiasieger<br />

aus Cottbus,<br />

bei der Feier "50 Jahre Spitzensport<br />

in <strong>Kienbaum</strong>": "Heutzutage ist das<br />

eine offene Sportstätte, die jedermann<br />

besuchen kann. Damals<br />

mussten wir uns noch von unseren<br />

Frauen vor dem Schlagbaum verabschieden,<br />

weil an der Schranke rigoros<br />

Schluss war und niemand außer<br />

den privilegierten Sportlern das Gelände<br />

betreten durfte. Zum Glück ist<br />

heute vieles großzügiger."<br />

Nadine Kleinert, Olympia- und<br />

WM-Zweite im Kugelstoßen: "Ohne<br />

<strong>Kienbaum</strong> hätte ich meine Silbermedaillen<br />

nicht gewonnen. Besonders<br />

wir Werferinnen und Werfer profitieren<br />

von den glänzenden Bedingun-<br />

Nadine Kleinert<br />

gen, die wir hier vorfinden. Wenn ich<br />

einmal nachrechne, bin ich etwa an<br />

150 Tagen pro Jahr hier."<br />

Andreas Dittmer, oftmaliger<br />

Canadier-Weltmeister und -Olympiasieger:<br />

"Für mich sind Kanu und<br />

<strong>Kienbaum</strong> eine ideale Kombination.<br />

Ich kenne kein besseres Revier, wo<br />

man sich so ungestört und konzentriert<br />

auf große Wettkämpfe vorbereiten<br />

kann, zumal alle Voraussetzungen<br />

für ein Krafttraining gegeben<br />

sind. Ebenfalls stimmt das Drumherum,<br />

wobei das freundliche Personal<br />

einen wichtigen Faktor darstellt.”<br />

Marianne Buggenhagen, die<br />

erfolgreichste deutsche Teilnehmerin<br />

bei Paralympischen Sommerspielen:<br />

"<strong>Kienbaum</strong> ist für uns Rollstuhlfahrer<br />

ideal, weil die Anlagen, die Unterkünfte<br />

und der Speisesaal behindertengerecht<br />

ausgebaut <strong>wurden</strong>,<br />

weil die kurzen Wege ein ent-<br />

Marianne Buggenhagen<br />

scheidender Vorteil sind und auch<br />

die so wichtige Physiotherapie abgedeckt<br />

ist. Zudem bildet die herrliche<br />

Gegend die Möglichkeit, mal nach<br />

anstrengendem Training die Seele<br />

baumeln zu lassen."<br />

Sven Ottke, Ex-Boxweltmeister:<br />

"Ich wurde hier umsorgt wie bei Muttern.<br />

Für mich gab es kein besseres<br />

Trainingsquartier. Mag sein, dass es<br />

mit den Abwechslungsmöglichkeiten<br />

nicht weit her war, aber das störte<br />

mich überhaupt nicht. Besonders<br />

gefiel mir die Ruhe und herrliche<br />

Umgebung mit den vielen Waldwegen<br />

für mein Laufpensum. Und das<br />

Essen war immer klasse, reichlich<br />

und schmackhaft."<br />

Manfred von Richthofen<br />

und Andreas Dittmer<br />

Kampf gegen<br />

viele Widerstände<br />

Manfred von Richthofen, jetzt<br />

Ehrenpräsident des DOSB sowie<br />

des Trägervereins BLZ <strong>Kienbaum</strong>,<br />

hat sich Anfang der neunziger<br />

Jahre als damaliger DSB-Vize<br />

vehement für den Erhalt der Anlage<br />

eingesetzt: "Wir mussten<br />

gegen viele Widerstände ankämpfen<br />

und zwar auf mehreren<br />

Ebenen. Da waren zum einen der<br />

Landesportbund Brandenburg<br />

und die Landesregierung in Potsdam<br />

total ablehnend und präferierten<br />

die Sportschule Lindow,<br />

andere Stimmen besagten, dass<br />

man sich nicht dorthin begeben<br />

sollte, wo zu DDR-Zeiten viel gedopt<br />

wurde und dass überhaupt<br />

die Sanierungs- und Unterhaltskosten<br />

viel zu hoch wären. Zum<br />

Glück hielten wir Kurs und erhielten<br />

vom Bundesinnenministerium<br />

die entsprechende Unterstützung,<br />

was letztendlich dazu führte, dass<br />

<strong>Kienbaum</strong> 1995 endgültig für den<br />

Sport gerettet werden konnte,<br />

wenngleich die Eigentumsverhältnisse<br />

noch immer nicht geklärt<br />

sind. Übrigens war eine der ersten<br />

Segnungen, dass die alte, auf<br />

Kohlebasis beruhende Heizanlage<br />

durch eine neue, umweltfreundliche<br />

ersetzt wurde."


Seite 8 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Fakten, Erkenntnisse und Zukunftsvorstellungen,<br />

festgehalten im<br />

Tätigkeitsbericht des Trägervereins<br />

Bundesleistungszentrum <strong>Kienbaum</strong>,<br />

dem am 19. Juli im Rahmen der<br />

deutschlandweiten Kampagne “Gelebte<br />

Einheit” eine besondere Auszeichnung<br />

zuteil wird.<br />

Die Anlage hat sich seit 1991 zum<br />

leistungsstärksten und funktional<br />

umfangreichsten Sportzentrum für<br />

den Spitzensport in Deutschland<br />

entwickelt. Die Hauptaufgabe<br />

besteht darin, die gemeinsame Vorbereitung<br />

und Durchführung von<br />

Trainingslehrgängen zu gewährleisten,<br />

ferner die langfristige Erarbeitung<br />

von Nutzungskonzepten mit<br />

den Fachverbänden zu intensivieren,<br />

ferner die Pflege und Wartung der<br />

vorhandenen Einrichtungen zu<br />

garantieren und für entsprechende<br />

Baumaßnahmen zu sorgen, die<br />

zuletzt sehr umfangreich waren.<br />

Sport- und Trainingsbetrieb<br />

Der Trägerverein kann mit der<br />

Auslastung im zurückliegenden Jahr<br />

außerordentlich zufrieden sein. Insgesamt<br />

72529 Personen nutzten<br />

die Anlage, was ein Plus von 1179<br />

gegenüber 2008 bedeutete und das<br />

beste Ergebnis in der Geschichte<br />

des BLZ <strong>Kienbaum</strong> darstellt. Und<br />

auch die Zahl der Übernachtungen<br />

mit 52009 kann sich durchaus<br />

sehen lassen, wobei berücksichtigt<br />

werden muss, dass ab September<br />

vier Pavillons wegen der Abrissarbeiten<br />

und des damit verbundenen<br />

Neubaus nicht mehr benutzbar waren.<br />

Dass <strong>Kienbaum</strong> mit seiner komplexen<br />

Ausstattung für deutsche<br />

Verhältnisse eine einmalige Stellung<br />

in Bezug auf den Spitzensport einnimmt,<br />

wird von allen Nutzern<br />

bestätigt. Doch inzwischen interessieren<br />

sich immer mehr internationale<br />

Mannschaften und Funktionäre für<br />

Eine gut ausgelastete Anlage<br />

Leichtathleten, Judoka, Turner und Kanuten nutzten am meisten das Bundesleistungszentrum<br />

uns, meinte Klaus-Peter Nowack.<br />

Unter anderem kamen der Sportminister<br />

von Uganda, eine Delegation<br />

des finnischen Sportverbandes,<br />

des chinesisches Leichtathletik- und<br />

norwegischen Volleyballverbandes,<br />

Kanuten aus Australien und Sportgymnastinnen<br />

aus Russland. Auch<br />

der DFB-Manager Oliver Bierhoff<br />

kam zu uns, der von dem Trägervereinsvorsitzenden<br />

Dr. Hans-Georg<br />

Moldenhauer und Geschäftsführer<br />

Klaus Peter Nowack durch das<br />

Areal geführt wurde.<br />

Leistungssport<br />

Die Maßnahmen konzentrierten<br />

sich in erster Linie auf die Lehrgänge<br />

der Spitzenverbände, wobei der<br />

Anteil der Kaderathleten (A bis C)<br />

stabil bei der Gesamtauslastung<br />

blieb und 62,78 % (Vorjahr 61,23 %)<br />

betrug. Bei den Übernachtungen in<br />

<strong>Kienbaum</strong> I für die Bundeskader-<br />

Athleten liegt der Jahresdurchschnitt<br />

sogar bei 99 %. Es gab sogar saisonal<br />

bedingt Engpässe, so dass nicht<br />

alle Anfragen zur Übernachtung<br />

erfüllt werden konnten.<br />

Nach wie vor sind die Leichtathleten<br />

die Nummer eins bei der Nutzung.<br />

Ihr Anteil betrug 6841 Personeneinheiten,<br />

der Deutsche Judo-<br />

verband folgte mit 5533 an zweiter<br />

Stelle vor dem Deutschen Turnerbund<br />

(2980) und dem Deutschen<br />

Kanuverband (2688). Verstärkt<br />

nahm auch der Deutsche Handballbund<br />

(2384) und der Bundesverband<br />

Deutscher Gewichtheber (810)<br />

die Möglichkeiten in <strong>Kienbaum</strong> wahr.<br />

Im Vorfeld der Leichtathletik-WM<br />

in Berlin wurde das Bundesleistungszentrum<br />

<strong>Kienbaum</strong> als zentrale<br />

Trainingsstätte genutzt, wobei teamfördernde<br />

Maßnahmen im Vordergrund<br />

standen. Es <strong>wurden</strong> Wurfund<br />

Stoßringe, Sprungbalken und<br />

Hürden erneuert. Die Erfolge konn-<br />

Hält alle Fäden in der Hand und ist erfreut über die gute Auslastung<br />

der Anlage, der BLZ-Geschäftsführer Klaus-Peter Nowack<br />

ten sich auch sehen lassen, denn es<br />

gab zwei Gold-, drei Silber- und vier<br />

Bronzemedaillen.<br />

Auch andere Verbände führten in<br />

<strong>Kienbaum</strong> ihre Vorbereitungen auf<br />

die Saisonhöhepunkte durch, so die<br />

Nationalmannschaft der Gewichtheber<br />

mit dem Olympiasieger Matthias<br />

Steiner, Deutschlands Alpine Skiläufer,<br />

das Top-Team im Synchronschwimmen<br />

und die Nationalmannschaft<br />

der Taucher.<br />

Höhepunkt des Jahres war zweifelsohne<br />

der Besuch des damaligen<br />

Verteidigungsministers Franz Joseph<br />

Jung, der mit einem Hubschrauber<br />

einschwebte und sich mit den im<br />

Trainingslehrgang befindlichen<br />

Leichtathleten, natürlich vornehmlich<br />

mit den Sportsoldaten, ausgiebig<br />

unterhielt.<br />

Bildung und Breitensport<br />

Nicht durch den Leistungssport<br />

genutzte Kapazitäten <strong>wurden</strong> von<br />

Breiten- und Freizeitsportlern<br />

genutzt, wobei die Ausbildung von<br />

Übungsleitern, Trainern und Schiedsrichtern<br />

im Vordergrund stand. Aber<br />

es fanden auch Tagungen der Ärzte<br />

und Physiotherapeuten, Weiterbildungen<br />

der Turner, Leichtathleten,<br />

Kanuten, Triathleten und Basketballer<br />

statt, ebenfalls Talentsichtungen<br />

im Badminton und Tischtennis.<br />

Außerdem gab es ein Turnier des<br />

Nordostdeutschen Fußballverbandes,<br />

einen 100-km-Lauf sowie den<br />

Sport- und Fitnesskongress des Berliner<br />

Turnerbundes.<br />

Wichtig ist für die Anlage in <strong>Kienbaum</strong><br />

auch die gute Zusammenarbeit<br />

mit den angrenzenden Landkreisen<br />

und den dort beheimateten<br />

Vereinen, denen nach Möglichkeiten<br />

auch Trainingszeiten zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Baumaßnahmen<br />

Zur Freude aller wurde die Kältekammer<br />

eingeweiht, die gleich von<br />

vielen Athleten genutzt wurde.<br />

Abriss und Neubau von zwei Pavillons<br />

standen ebenso im Mittelpunkt<br />

wie die Errichtung einer weiteren<br />

Dreifelderhalle sowie der<br />

Ersatzbau des alten Hauptgebäudes.<br />

Auch in Zukunft wird es weitere<br />

Baumaßnahmen geben. Die alte<br />

Halle in <strong>Kienbaum</strong> II wird schon in<br />

den nächsten Tagen durch ein neues<br />

Objekt ersetzt. Die Investitionssumme<br />

für die Jahre 2009 bis<br />

2011 beträgt 14 Millionen Euro,<br />

garantiert durch das Bundesministerium<br />

des Innern.


Seite 9 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Baumeister der deutschen<br />

Leichtathletik-Einheit<br />

Herzliches Wiedersehen<br />

der Männer und Frauen<br />

der ersten Stunde<br />

Entspannt saßen sie auf weißen<br />

Gartenstühlen am Ufer des Liebenberger<br />

Sees, blickten an diesem glutheißen<br />

Sommertag von der Terrasse<br />

der finnischen Sauna in die untergehende<br />

Sonne, holten sich ab und an<br />

ein kühles Getränk oder vom Büfett<br />

etwas Leckeres zu essen. Vor allem<br />

redeten sie aber miteinander, so wie<br />

sie es fast auf den Tag genau vor<br />

zwanzig Jahren getan hatten, sie, die<br />

Männer und Frauen der ersten Stunde<br />

aus Ost und West, die im<br />

schmucken Harz-Städtchen Bad<br />

Lauterberg die Vereinigung der deutschen<br />

Leichtathletik vorantrieben.<br />

"Es war der 30. Juni 1990, als wir<br />

uns in einem Hotel mit den Präsidenten<br />

der westdeutschen Landesverbände<br />

zu einem ersten gemeinsamen<br />

Gespräch trafen", erinnerte sich<br />

Gudrun Löffler, die damals als Sprecherin<br />

der 16 neu gegründetren<br />

Bezirksfachausschüsse (BfA) der<br />

noch existierenden DDR fungierte.<br />

Schließlich galt bei diesem Anlass<br />

auszuloten, wie man zueinander<br />

kommen könne, zu einer Zeit, die<br />

von ungeahnter Aufbruchstimmung,<br />

ja Euphorie begleitet wurde, obwohl<br />

ein halbes Jahr nach Öffnung der<br />

Grenze niemand so recht wusste,<br />

wohin der Zug fahren würde.<br />

Fest steht, wie aus all den Erzählungen<br />

herauszuhören war, dass<br />

sich die damaligen BfAs schon<br />

wenig später zu den fünf ostdeutschen<br />

Landsverbänden (Mecklenburg-Vorpommern,Sachsen-Anhalt,<br />

Sachsen, Thüringen und Brandenburg)<br />

zusammenschlossen<br />

und am 6. Oktober ihre Vertreter<br />

mit der Maßgabe zur DLV-Zentrale<br />

nach Darmstadt schickten, um in<br />

den Deutschen Leichtathletik-Verband<br />

aufgenommen zu werden.<br />

Auch das weitere Procedere wurde<br />

Trafen sich im Bundesleistungszentrum <strong>Kienbaum</strong> nach zwanzig Jahren<br />

und hatten viel zu erzählen, von dem was war und was jetzt ist<br />

dann im Eiltempo erledigt.<br />

Zunächst fand am 20. November<br />

in Magdeburg eine Tagung statt, auf<br />

der sich der DVfL (Ost) auflöste. Tags<br />

darauf fuhren die Vertreter aus den<br />

neuen Bundesländern ins nahe gelegene<br />

Salzgitter, wo mit den westdeutschen<br />

<strong>Kollegen</strong> der offizielle Vereinigungs-Verbandstag<br />

begangen<br />

wurde. Theo Rous, damals Vorsitzender<br />

des Landesverbandes Nordrhein,<br />

inzwischen DLV-Ehrenpräsident, sagt<br />

heute: "Wir waren damals völlig<br />

unvorbereitet gewesen und wussten<br />

nicht, was im Detail auf uns<br />

zukommt. Nur eines war uns klar, wir<br />

mussten die Chance, die dieses<br />

Jahrhundertereignis mit sich brachte,<br />

zu unser aller Vorteil nutzen."<br />

Der Westfale Dr. Peter Busse,<br />

damals Referatsleiter für den Leistungssport<br />

im BMI, später ein wichtiger<br />

Mann in der Gauck-Behörde<br />

und bekennender Freund der Leichtathletik,<br />

plauderte bei der zweitägigen<br />

Wiedersehens-Feier in <strong>Kienbaum</strong><br />

aus dem Nähkästchen und<br />

berichtete, wie er auf politischer Ebene<br />

die Situation verfolgte: "Eines<br />

Tages kam der Innenminister<br />

Schäuble zu mir und sagte, sehen<br />

Sie mal zu, wie die Einigung im Sport<br />

hinzukriegen ist." Wobei für drei wichtige<br />

Projekte vom Westen aus eine<br />

Waren gemeinsam vier Jahre lang Vizepräsidenten des Deutschen<br />

Leichtathletik-Verbandes, Gudrun Löffler und Theo Rous<br />

Bestandsgarantie gegeben werden<br />

sollte, für die Forschungs- und Entwicklungsstelle<br />

in Ostberlin, das IAT<br />

in Leipzig und das Dopinglabor in<br />

Kreischa.<br />

Doch damit waren längst nicht alle<br />

Probleme gelöst, vor allem nicht<br />

struktureller Art, die heute zu spüren<br />

sind, so Rous. "Der Organisationsgrad<br />

der Mitgliedschaften ist im<br />

Osten niedriger als im Westen, die<br />

Zahl der Wettkampf Treibenden, vor<br />

allem der Kader-Athleten, in den<br />

Vereinen des Ostens prozentual<br />

höher als im Westen, gleichfalls wird<br />

die Zielsetzung der Eliteschulen im<br />

Osten konsequenter realisiert als<br />

im Westen, das Sportangebot an<br />

Kinder und Jugendliche im Osten ist<br />

deutlich besser, dagegen bleibt der<br />

Westen führend bei den Senioren<br />

über 60 Jahre.<br />

"Vielen dämmerte übrigens schon<br />

sehr frühzeitig, dass A und B, also<br />

Ost und West, zusammengerechnet<br />

nicht gleichbedeutend mit einem<br />

Medaillen-Boom einhergehen würde,"<br />

erklärte Rous, " sondern dass<br />

die Gleichung A + B minus X für den<br />

Leistungssport hätte lauten müssen,<br />

für den Breitensport jedoch A + B<br />

plus Y. Ich bin mir sicher, dass auch<br />

eine DDR heutzutage nicht mehr die<br />

gleichen Erfolge wie einst erringen<br />

könnte, weil vor allem die Athleten<br />

aus afrikanischen Staaten aufgeholt<br />

haben und die ehemaligen, inzwischen<br />

selbständig gewordenen<br />

Sowjetrepubliken über viel eigenes<br />

Potenzial verfügten."<br />

Trotz allem war die Vereinigung<br />

ein unschätzbarer Gewinn, meinte<br />

Rous, der von 1993 bis 2005 als<br />

DLV-Vizepräsident amtierte und<br />

mehrere Jahre eng mit Gudrun Löffler<br />

zusammen arbeitete, die 1990<br />

als kooptiertes Mitglied in das von<br />

Helmut Meyer geführte DLV-Präsidium<br />

trat und dann 1993 offiziell für<br />

vier weitere Jahre von den Delegierten<br />

gewählt wurde. Dass sich jetzt<br />

beide und auch die vielen anderen<br />

der damaligen Zeit auf Anregung<br />

des BLZ Geschäftsführers Klaus-<br />

Peter Nowack in <strong>Kienbaum</strong> wieder<br />

trafen, empfanden alle als ausgesprochen<br />

schön, wohlwissend, dass<br />

sie die Baumeister der wiedervereinigten<br />

deutschen Leichtathletik<br />

gewesen sind.


Seite 10 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Eine Paradedisziplin in der deutschen<br />

Leichtathletik ist über Jahre<br />

hinweg das Diskuswerfen, sowohl<br />

bei den Männern als auch den Frauen.<br />

Wer nach dem Rücktritt der dreimaligen<br />

Weltmeisterin Franka<br />

Dietzsch befürchtete, dass sich nun<br />

eine kaum zu schließende Lücke<br />

auftun würde, der hat sich wahrscheinlich<br />

getäuscht. Nadine Müller,<br />

eine groß gewachsene Blondine mit<br />

Model-Figur, schleuderte die Ein-<br />

Kilo-Scheibe beim Werfer-Cup in<br />

Wiesbaden auf sagenhafte 67,78 m,<br />

eine Weite, die bislang noch nicht<br />

allzu viele erreicht haben. Im letzten<br />

Jahrzehnt genau vier!<br />

Neben Dietzsch (68,51) waren<br />

das nur noch die weißrussische Ex-<br />

Weltmeisterin Irina Jatschenko<br />

(69,14), die Olympiasiegerin von<br />

Athen, die Russin Natalia Sadowa<br />

(68,63), sowie die ehemalige rumänische<br />

Vizeweltmeisterin Nicoleta<br />

Grasu (68,31). Allein diese Aufzählung<br />

unterstreicht die Klasseleistung<br />

der 24-jährigen Polizistin aus<br />

Halle/Saale, die ja schon bei der<br />

Wandelt auf Franka Dietzschs Spuren<br />

Was Nadine Müller im Winter in <strong>Kienbaum</strong> andeutete, das konnte sie in Wiesbaden umsetzen<br />

Es ist kaum zu glauben, aber es<br />

ist so: Jürgen Schult, auch Mister<br />

Diskuswurf genannt, feierte vor<br />

wenigen Wochen seinen 50.<br />

Geburtstag. Sportlich hat er alles<br />

erreicht, was es zu erreichen gibt, er<br />

wurde Olympiasieger 1988, Weltsowie<br />

Europameister. Und Weltrekordler.<br />

Und das ist er, der damals<br />

für den SC Traktor Schwerin startete,<br />

immer noch, denn seine phantastische<br />

Weite von 74,08 m, erreicht am<br />

6. Juni 1986 in Neubrandenburg,<br />

konnte bislang von niemandem<br />

übertroffen werden und ist die<br />

älteste Bestleistung in der Männer-<br />

Leichtathletik, die Bestand hat.<br />

Sie bildet sozusagen den Methusalem-Weltrekord,<br />

der ihm im Nachhinein<br />

nicht allzu viel Glück brachte.<br />

Zunächst sprach man von einem<br />

WM in Berlin mit einem sechsten<br />

Platz aufhorchen ließ.<br />

Körperlich ist Nadine Müller wie<br />

durch starken Gegenwind begünstigten<br />

Wurf, wenig später folgte bei<br />

der EM in Stuttgart nur ein siebenter<br />

Platz und schließlich machte das<br />

böse Wort vom Doping die Runde,<br />

was den Mecklenburger auf die Palme<br />

bringt. Und der das strikt zurückweist.<br />

Seine damalige Steigerung führt<br />

er auf die Umstellung seiner Technik<br />

zurück sowie auf die zugegebenermaßen<br />

unterstützende Wirkung "einer<br />

Windböe, die von rechts kam."<br />

Übrigens übertraf er noch ein weiteres<br />

Mal die 70-m-Marke und zwar<br />

beim Istaf in Berlin, wo nun keine<br />

keine zweite Diskuswerferin für<br />

Superweiten prädestiniert. Bei einem<br />

Gardemaß von 1,90 Meter verteilen<br />

sich die 90 Kilo so gut, dass die junge<br />

Frau durchaus<br />

schlank wirkt.<br />

Wenn neben ihren<br />

glänzenden Hebelverhältnissen<br />

nun<br />

noch die entsprechende<br />

Technik dazu<br />

kommt, dürften<br />

die Erfolge nicht<br />

ausbleiben. "Wir<br />

haben nicht nur daran<br />

gearbeitet, sondern<br />

auch versucht,<br />

ihre Kraftwerte zu<br />

verbessern", erklärte<br />

ihr neuer Trainer<br />

Läßt sich am<br />

Computer zeigen,<br />

wie ihr Wurf<br />

gewesen ist,<br />

Nadine Müller,<br />

während eines<br />

Winterlehrgangs<br />

in <strong>Kienbaum</strong><br />

Mister Diskuswurf<br />

feierte 50. Geburtstag<br />

besonders günstigen Bedingungen<br />

herrschten. 70,46 <strong>wurden</strong> für ihn<br />

gemessen, der inzwischen seit 2001<br />

als Bundestrainer und darüber hinaus<br />

als Wurf-Teammanager tätig ist.<br />

Auch sein privates Umfeld hat er<br />

geändert, lebt jetzt in Potsdam, wo<br />

er sich ausgesprochen wohl fühlt<br />

und mit Gordon Wolf ein großes<br />

Talent unter seinen Fittichen hat.<br />

Dass er stolz auf seine Erfolge sein<br />

kann, lässt sich nicht von der Hand<br />

weisen, außer Gold und Silber bei<br />

Olympia kamen noch weitere sieben<br />

Medaillen hinzu und zwar bei<br />

einer WM (Gold, Silber, zweimal<br />

René Sack, der den in den Ruhestand<br />

gegangenen Gerd Böttcher<br />

abgelöst hat.<br />

"Natürlich will ich nun auch eine<br />

Medaille bei der EM in Barcelona",<br />

blickte Nadine Müller schon mal ein<br />

paar Wochen voraus. "Dazu ist es<br />

aber wichtig, dass ich meine Leistungen<br />

stabilisiere und mich konstant<br />

bei 66 Metern einpendele. Ich<br />

weiß, dass im Kraftbereich noch einige<br />

Reserven liegen." Für Franka<br />

Dietzsch ist die Hallenserin bereits<br />

jetzt ihre potenzielle Nachfolgerin:<br />

"Sie kann einmal eine ganz Große<br />

werden."<br />

Noch ein Zahlenspielchen: Bei<br />

der WM in Berlin warf Nadine Müller<br />

63,46 m. Diese Marke übertraf sie in<br />

Wiesbaden gleich mehrfach - nach<br />

66,50 folgten im fünften und letzten<br />

Durchgang noch 67,48 und 67,78 m.<br />

Eine Serie, die selbst ihren Trainer<br />

überraschte. Allerdings deutete die<br />

Athletin schon beim diesjährigen<br />

Winterwurf-Meeting in <strong>Kienbaum</strong><br />

ihre großen Möglichkeiten an.<br />

Bronze) sowie EM (Gold, Silber,<br />

Bronze), wobei er stets mit Lars Riedel<br />

seinen größten Konkurrenten im<br />

eigenen Land hatte. Übrigens sein<br />

letzter Erfolg datiert aus dem Jahr<br />

1999, als er, den alle Welt nur Schulle<br />

nennt, mit nunmehr 39 Jahren<br />

WM-Bronze gewann.<br />

Was ihn besonders froh macht, ist<br />

der Tatsache geschuldet, dass die<br />

Jugend in Deutschland auf dem<br />

Vormarsch ist. "Als ich damals aufhörte,<br />

betrug das Durchschnittsalter<br />

30,3 Jahre im A- und B-Kader. Jetzt<br />

sind wir bei 22,5 angekommen."<br />

Robert Harting, 2009 in Berlin Weltmeister<br />

geworden, Markus Münch,<br />

Martin Wierig und Gordon Wolf, der<br />

aus seiner Potsdamer Trainingsgruppe<br />

kommt, heißt die neue, hoffnungsvolle<br />

Generation.


Seite 11 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Ein kleines Jubiläum feierten<br />

Orthopäden, Internisten und Physiotherapeuten.<br />

Zum zehnten Mal insgesamt<br />

und zum fünften Mal im<br />

Bundesleistungszentrum <strong>Kienbaum</strong><br />

fand ein Weiterbildungskurs unter<br />

dem Titel "Tricks & Tipps in der<br />

Sportmedizin" statt, der eine Fülle<br />

von interessanten Themen und vielen<br />

Beispielen aus der Praxis beinhaltete,<br />

wenngleich der Regen dem<br />

einen oder anderen Vorhaben im<br />

Freien einen Strich durch die Rechnung<br />

machte, wie etwa dem vorgesehenen<br />

Drachenbootfahren. Aber<br />

zum Glück gibt es ja genug Hallen,<br />

wo Alternativprogramme angeboten<br />

werden konnten.<br />

Als nach fünf Tagen die rund 90<br />

Teilnehmer wieder nach Hause fuhren,<br />

konnte der Chef-Organisator des<br />

Treffens Dr. Oliver Miltner eine positive<br />

Bilanz ziehen. Einmal mehr<br />

bestätigte sich, dass ständig neue<br />

Methoden und Erkenntnisse die<br />

Sportmedizin bereichern. "Jeden Tag<br />

hatten wir einen Schwerpunkt gewählt<br />

und den unter ein bestimmtes<br />

Motto gestellt", so der Mediziner für<br />

Ganzheitliche Orthopädie und Unfallchirurgie<br />

aus Berlin, der auf reichlich<br />

Erfahrung zurückgreifen kann.<br />

Als Mannschaftsarzt der Bundesliga-Volleyballer<br />

des SC Charlottenburg<br />

und der Volleyballerinnen des<br />

Köpenicker SC weiß er ganz genau,<br />

wovon er spricht, wenn es um Probleme<br />

geht, die im Leistungssport<br />

eine Rolle spielen und Behandlungen<br />

notwendig machen. Außerdem<br />

kümmert er sich in seiner Freizeit um<br />

die Alba-Jugendbasketballer und<br />

Fußballer des Berliner Regionalligisten<br />

Türkiyemspor.<br />

"Das Erfreuliche war", so Miltner,<br />

"dass bei diesem Kongress von den<br />

eingeladenen Referenten mit offenem<br />

Visier gekämpft wurde. Es ging<br />

uns nicht um Lehrbuchwissen, das<br />

vermittelt werden sollte, sondern um<br />

Beispiele aus der täglichen Arbeit."<br />

Und das war dann auch reichlich der<br />

Fall.<br />

Schließlich <strong>wurden</strong> ganz pragmatisch<br />

Sportverletzungen beim American<br />

Football, Golf und Snowboard-<br />

Neben der Theorie stand auch die Praxis auf dem Programm, wobei<br />

die vielfältigen Anlagen reichliche Betätigungsmöglichkeiten boten<br />

Gut besuchter Mediziner-Kongress in <strong>Kienbaum</strong><br />

Kein Lehrbuchwissen,<br />

sondern praxisnahe<br />

Hilfen waren gefragt<br />

fahren sowie die "Betreuung von<br />

Ringern vor, im und nach dem Wettkampf"<br />

angesprochen, aber es ging<br />

auch um Themen wie "Der richtige<br />

Schuh - Sinn und Zweck von Einlagen",<br />

"Physiologische Untersuchungstechnik<br />

des Kniegelenks"<br />

beziehungsweise "Gesetze des<br />

Krafttrainings." Auch der Einsatz<br />

einer Kältekammer spielte eine Rolle,<br />

wobei <strong>Kienbaum</strong> in dieser Beziehung<br />

das beste Beispiel abgibt.<br />

Etwas lernen und selbst Sport treiben,<br />

aus diesem Mix bestand der<br />

Workshop, an dessen Ende wie<br />

immer die Ausstellung eines Zertifikats<br />

stand, die eine Handhabe<br />

dafür spielt, um eines Tages, bei<br />

genügend Teilnahmen vorgegebenerWeiterbildungsveranstaltungen,<br />

als reiner Sportmediziner<br />

anerkannt zu werden, weil es diese<br />

spezielle Ausrichtung an den Universitäten<br />

(noch) nicht gibt.<br />

Aufmerksame Zuhörer waren Ärzte und Physiotherapeuten, um sich<br />

von den eingeladenen Referenten informieren zu lassen<br />

NADA: Nur 41<br />

Verstöße gegen<br />

die Doping-Regeln<br />

Eine positive Bilanz zog die<br />

Nationale Anti-Doping-Agentur<br />

(NADA) bei ihrer Pressekonferenz.<br />

Die Zahl der Vergehen sank<br />

gegenüber dem letzten Jahr,<br />

wenngleich niemand von den<br />

Verantwortlichen zu sagen wusste,<br />

wie hoch die Dunkelziffer sei.<br />

Aktenkundig <strong>wurden</strong> 2009 bei<br />

insgesamt 9040 vorgenommenen<br />

Trainings- und 4768 Wettkampfkontrollen<br />

lediglich 41 Verstöße<br />

gegen die Richtlinien (2008<br />

handelte es sich noch um 60), die<br />

zu einem Verfahren und in 21 Fällen<br />

zu einer Sperre führten.<br />

Der spektakulärste, wenn auch<br />

ohne positiven Befund, war natürlich<br />

jener der Berliner Eisschnellläuferin<br />

Claudia Pechstein.<br />

Hierzu erklärte der NADA-<br />

Geschäftsführer Göttrik Wewer,<br />

dass "man bei dem augenblicklichen<br />

Stand gut beraten sei, erst<br />

einmal den Ausgang des Verfahrens<br />

abzuwarten."<br />

Was dem NADA-Vorsitzenden<br />

Armin Baumert nach wie vor<br />

große Sorge bereitet, ist die Tatsache,<br />

dass derzeit nur in 125<br />

der 205 vom IOC akkreditierten<br />

Ländern nationale Anti-Doping-<br />

Agenturen existieren, wovon 63<br />

nach deutschem Muster arbeiten.<br />

Als weiße Flecken gelten die Karibik<br />

und größere Teile Afrikas, wo<br />

die Welt-Organisation WADA<br />

unbedingt eingreifen müsse.”<br />

Der Kuratoriums-Vorsitzende<br />

Prof. Hanns-Michael Hölz wies<br />

darauf hin, dass der NADA in<br />

diesem Jahr 4,5 Millionen Euro<br />

zur Verfügung ständen. Ziel sei<br />

es vor allem, die Blutprofile von<br />

Athleten, derzeit handelt es sich<br />

um 700, zu erhöhen, um noch<br />

besser kontrollieren zu können.<br />

Wobei die inzwischen verschärften<br />

Melde-Vorschriften sicherlich<br />

so manch einen Sportler vor<br />

Probleme stellen.


Seite 12 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

<strong>Kienbaum</strong> erhält<br />

ein neues Gesicht<br />

Das in die Jahre gekommene<br />

Hauptgebäude aus Vorkriegszeit<br />

(oberes Bild) wird ersetzt<br />

durch einen modernen, dreigeschossigenVerwaltungsund<br />

Wohntrakt. Inzwischen<br />

sind die Arbeiten bereits gut<br />

vorangekommen.<br />

Es musste auch eine<br />

Fischtreppe (Bild unten) verlegt<br />

werden, die die Verbindung<br />

zwischen dem Liebenberger<br />

See und dem kleinen<br />

Flüßchen Löcknitz herstellt -<br />

eine Forderung der Umweltschützer.<br />

Es wurde und es wird viel in <strong>Kienbaum</strong><br />

gebaut. Davon kann sich jeder überzeugen,<br />

der in diesen Wochen das moderne<br />

Bundesleistungszentrum am Liebenberger<br />

See besucht. Wo immer es sich noch<br />

lohnte, fanden Sanierungen statt. Doch in<br />

den meisten Fällen entstanden neue, zeitgerechte<br />

Einrichtungen, die teilweise die<br />

bisherigen, in die Jahre gekommenen und<br />

unansehnlich gewordenen ersetzten, die<br />

aber auch in einigen Fällen zwingend notwendig<br />

schienen, um die vermehrten<br />

Bedürfnisse der Sportlerinnen und Sportler<br />

abzudecken.<br />

Dabei sei nur an die Kältekammer oder<br />

an die beiden Dreifelder-Hallen gedacht,<br />

wobei die eine noch im Werden begriffen<br />

ist, doch in ihren Ausmaßen erkennen<br />

lässt, was hier alles möglich sei. In jüngster<br />

Zeit haben immer mehr Verbände ihre<br />

Bereitschaft gezeigt, sich dem BLZ-Trägerverein<br />

anzuschließen und, was legitim ist,<br />

auch ihre entsprechenden Wünsche<br />

geäußert, damit sie ihren Trainingsbetrieb<br />

nach internationalen Maßstäben durchführen<br />

können.<br />

Nur die allerwenigsten werden sich an<br />

das alte Heizhaus mit den riesigen Braunkohlebergen<br />

davor erinnern oder wie etwa<br />

der ehemalige Speisesaal aussah. Oder in<br />

welchem Zustand sich die uralten Unterkünfte<br />

befanden. Ganz zu schweigen von<br />

dem inzwischen ebenfalls der Spitzhacke<br />

zum Opfer gefallenen Verwaltungstrakt,<br />

der zwar viel Nostalgie ausstrahlte, aber<br />

längst nicht mehr den heutigen<br />

Ansprüchen genügte. Dank des BMI <strong>wurden</strong><br />

im Laufe des letzten Jahrzehnts viele<br />

Millionen investiert, was den DOSB-Präsidenten<br />

Dr. Thomas Bach zu der Feststellung<br />

veranlasste, dass jeder Cent hier sinnvoll<br />

und richtig eingesetzt ist.<br />

Zwei neue, unterkellerte Pavillons, in<br />

unmittelbarer Nähe der Mensa gelegen,<br />

konnten pünktlich zum großen Sommerfest<br />

fertig gestellt werden. Sie passen sich<br />

dem Gesamtbild der Anlage hervorragend<br />

an und enthalten 14 zweckmäßig eingerichtete<br />

Zimmer, ein Apartment, Seminarund<br />

Trockenräume, dazu genügend<br />

Bauplat<br />

Das Bundesleistungszentrum am Liebenberg<br />

Zwei neue Pavillons sind bezugsfe<br />

neuen, modernen Unt<br />

Ein Blick, der nun der Vergange<br />

alten Bungalows aus, die jahrelan<br />

Abstellflächen. Selbst eine Waschmaschine<br />

fehlt nicht. Des Weiteren sind behinderten-gerechte<br />

WC’s vorhanden. Außerdem<br />

bemerkenswert: Alle 28 Betten verfügen<br />

über eine Überlänge (2,20 m), damit auch<br />

die groß gewachsenen Basket- und Volleyballer<br />

genügend Platz zum Ausstrecken<br />

ihrer Beine haben.<br />

Dringend benötigt wurde für Trainingszwecke<br />

eine zweite Dreifelder-Halle, die<br />

vornehmlich für die Ballspielsportarten vorgesehen<br />

ist und die durch einen Gang mit<br />

den bereits existierenden Hallenkomplexen<br />

sowie dem Kraftraum verbunden ist.<br />

Vor wenigen Tagen fand im Rahmen der<br />

Mitgliederversammlung des Trägervereins


Seite 13 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

z <strong>Kienbaum</strong><br />

er See entwickelt sich von Jahr zu Jahr zu einer Top-Anlage<br />

rtig und warten auf die Gäste. Am Tag der Gelebten Einheit sollen die<br />

rkünfte wie geplant ihrer Bestimmung übergeben werden<br />

nheit angehört. So sahen die<br />

g jedoch ihren Zweck erfüllten<br />

das Richtfest statt, so dass in absehbarer<br />

Zeit mit der Fertigstellung zu<br />

rechnen ist. Das Besondere an dieser<br />

Indoor-Anlage ist, dass sie bei<br />

Maßen von 45 mal 28 Meter eine<br />

lichte Höhe von 12,50 m aufweist<br />

und damit internationalem Standard<br />

entspricht.<br />

Natürlich gibt es einen Schwingboden<br />

mit Taraflex-Belag und besondere<br />

Lichtverhältnisse von tausend Lux.<br />

Schallschluckende Wandverkleidungen<br />

sorgen darüber hinaus, dass ein<br />

bestimmter Lärmpegel nicht überschritten<br />

wird. Neben Umkleidekabinen,<br />

Duschen und Toiletten ist auch<br />

ein Raum vorgesehen, wo die Anti-<br />

Doping-Kommission tätig werden<br />

kann. Außer den Volleyballern steht<br />

die Halle der Rhythmischen Sportgymnastik,<br />

aber auch den Judoka<br />

und anderen zur Verfügung.<br />

Bei dem am meisten beachteten<br />

Neubau handelt es sich um einen<br />

modernen Verwaltungs- und Wohntrakt,<br />

der am östlichen Ende des Liebenberger<br />

Sees entseht und der das<br />

bisherige, die Anlage prägende<br />

Hauptgebäude ersetzen soll, das<br />

übrigens in grauer Vorzeit mal als<br />

Mühle diente, wovon auch ein entsprechender<br />

Wasserablauf zeugt.<br />

"Berechnungen hatten ergeben, dass<br />

die dringend notwendige Sanierung<br />

teurer geworden wäre als der jetzt<br />

erfolgte Abriss plus der anschließende<br />

dreigeschossige Ersatz-Neubau",<br />

erklärte <strong>Kienbaum</strong>s Geschäftsführer<br />

Klaus-Peter Nowack.<br />

Allerdings gab es dabei vielfältige<br />

Auflagen bei den Genehmigungsverfahren<br />

zu berücksichtigen, was den<br />

Baumschutz, das Vorhandensein von<br />

Fledermäusen, Schwalben und Bachstelzen<br />

betraf. Und es musste, wie<br />

inzwischen für jedermann sichtbar,<br />

eine Fischtreppe gebaut werden, die<br />

den bisherigen, unter dem alten<br />

Gebäude verlaufenen Graben vom<br />

See in das Flüsschen Löcknitz<br />

ersetzt.<br />

In dem modernen Neubau befinden<br />

sich im Erdgeschoss der Empfangsbereich,<br />

alle Verwaltungsbüros,<br />

Besprechungsräume sowie die gesamte<br />

Technik, im 1. OG sind vornehmlich<br />

Zimmer für Seminare, wissenschaftliche<br />

Betreuung, Video-Analysen<br />

vorgesehen, dazu Aktenräume,<br />

während das Dachgeschoss ausschließlich<br />

als Wohnmöglichkeit mit<br />

acht Doppelzimmern und zwei Apartments<br />

genutzt werden soll. Geplante<br />

Übergabe des 40 Meter langen Baus<br />

ist der März kommenden Jahres. Im<br />

übrigen wird dieser 3,5-Millionen-Bau<br />

aus dem Konjunktur-Programm II<br />

finanziert, wobei ganz bestimmte<br />

Richtlinien eingehalten werden müssen,<br />

auch was die neue Energie-Verordnung<br />

anbelangt.<br />

Wer aufmerksam hinsieht, der hat<br />

sicherlich auch bemerkt, dass das alte<br />

Waschhaus an der Mensa dem Erdboden<br />

gleichgemacht wurde. Hier<br />

sollen Parkplätze entstehen.<br />

Und was tut sich sonst auf dem<br />

weitläufigen Areal? Als nächste Maßnahme<br />

ist gleich nach dem Sommerfest<br />

der Abriss der maroden Halle in<br />

<strong>Kienbaum</strong> II vorgesehen. Auch hier<br />

wird ein Ersatzbau dafür sorgen, dass<br />

künftig, wie bisher, die erforderlichen<br />

Trainingsmaßnahmen stattfinden können.<br />

Die an gleicher Stelle entstehende<br />

Zweifelder-Halle soll vor allem den<br />

C-Kader-Athleten dienen, aber auch<br />

jenen Sportlern, die ihre Unterkünfte<br />

in dem äußersten Teil der Anlage<br />

haben. Eine Investitionssumme von<br />

13 Millionen Euro soll die gesamten<br />

Bauvorhaben zwischen 2009 und<br />

2011 abdecken.<br />

Dabei gilt die Devise, dass der normale<br />

Trainingsbetrieb ungestört weiter<br />

gehen muss. Wo notwendig, wird<br />

eben vorübergehend improvisiert.<br />

Die neue Dreifelderhalle<br />

wächst und wächst<br />

Ausschachtungsarbeiten im Herbst<br />

dann Aufstellung der Wände und ...<br />

... und vor Kurzem war das Richtfest<br />

Neue Perspektive nach<br />

Abriss des Waschhauses<br />

Nach <strong>Kienbaum</strong> II wurde die alte<br />

Wäscherei verlagert, so dass sich<br />

jetzt ein völlig anderer Blick auf<br />

die Mensa ergibt<br />

Straßenbau in <strong>Kienbaum</strong><br />

Die Ortsdurchfahrt ist derzeit<br />

gesperrt, weil über die Löcknitz<br />

eine neue Brücke gebaut wird


Seite 14 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Interessantes Erlebnis eines Studenten aus Berlin:<br />

Das mulmige Gefühl in der Unterdruckkammer<br />

Studenten der Medienakademie<br />

Berlin besuchten Anfang März das<br />

Leistungssportzentrum <strong>Kienbaum</strong>.<br />

Christian Thieme, einer der Teilnehmer,<br />

berichtet in seinem längeren<br />

Bericht auch über das, was für viele<br />

noch immer etwas Sagenumwobenes<br />

hat, die einstige Unterdruckkammer.<br />

Hier ein Auszug.<br />

"Herr Nowack beginnt seinen<br />

Rundgang mit einer kleinen Einführung<br />

in die Geschichte. <strong>Kienbaum</strong><br />

war früher mal eine Mühle und<br />

wurde während des Zweiten Weltkriegs<br />

als Munitionsfabrik genutzt,<br />

1949 zu einem Sport- und Erholungszentrum<br />

umfunktioniert, um<br />

1952 an den Leistungssport weitergereicht<br />

zu werden, wo DDR-Profisportler<br />

trainiert und auf die ideologisch<br />

wichtigen Wettkämpfe vorbereitet<br />

<strong>wurden</strong>. . .<br />

Dort steht eine große alte Ostbaracke.<br />

Es sieht nicht so aus, als wäre<br />

sie noch in Benutzung. Vergilbte<br />

Immer wieder gab es in der Vergangenheit<br />

Diskussionen, ob die<br />

geheimnisumwitterte Unterdruckkammer<br />

in <strong>Kienbaum</strong> wieder reaktiviert<br />

werden sollte, wo einst die<br />

DDR-Athleten unter Höhenbedingungen<br />

trainierten und auf Wettkämpfe<br />

vorbereitet <strong>wurden</strong>. Nach<br />

der Wende wurde die Anlage jedoch<br />

still gelegt, weil nur noch ein bedingtes<br />

Interesse bestand. Auch Abgeordnete<br />

des Deutschen Bundesta-<br />

Gardinen hängen vor den Fenstern<br />

und lassen uns 30 Jahre in die Vergangenheit<br />

reisen. Doch in Herrn<br />

Nowack´s Augen ist ein Leuchten zu<br />

erkennen. "Das war einmalig in der<br />

Welt. Selbst die Russen fragten sich,<br />

was machen die denn hier?" Er<br />

erklärt uns, dass hier vor der Wende<br />

das Höhentraining der Sportler<br />

durchgeführt wurde. Mit Hilfe der<br />

Druckkammer <strong>wurden</strong> hier Höhen<br />

simuliert, wodurch die Kondition der<br />

Athleten verbessert werden sollte.<br />

Wir betreten die leerstehende<br />

Baracke. Es riecht nach Schimmel<br />

und alter Tapete.<br />

Über eine Treppe mit rostigen<br />

Metallgeländern kommen wir direkt<br />

in einen größeren Vorraum. Von hier<br />

aus können wir die Druckkammer<br />

bereits sehen. Man bekommt ein<br />

mulmiges Gefühl beim Anblick der<br />

schweren Metallschleusen. Vieles<br />

erinnert eher an einen Luftschutzbunker<br />

als an einen Trainingsraum.<br />

"Hier konnte Hypoxie erzeugt wer-<br />

ges kamen und ließen sich ausführlich<br />

über die Möglichkeiten informieren.<br />

Ursprünglich äußerten sich Ruderer,<br />

Leichtathleten, Triathleten und<br />

sogar Skiläufer positiv, ohne allerdings<br />

den schlüssigen Beweis zu<br />

liefern, dass sie von der Anlage<br />

den", klärt uns Herr Nowack auf,"<br />

um damit Höhen von bis zu 4000<br />

Meter nachzustellen."<br />

Das bedeutete immense Belastungen<br />

für den menschlichen Körper.<br />

Wir treten durch die Schleuse in<br />

die Druckkammer. Sie ist größer als<br />

erwartet. Auch hier ist alles in braun<br />

und gelb gehalten. Die grüne Auslegeware<br />

auf dem Boden wirkt nicht<br />

besonders einladend. Die Sportler<br />

sollten sich hier nicht wohl fühlen.<br />

Hier wurde trainiert, sich gequält und<br />

der menschliche Körper an seine<br />

Leistungsgrenzen und teilweise darüber<br />

hinaus geführt. Die Geräte in<br />

diesen Hallen wirken eher wie Folterinstrumente,<br />

als Trainingshilfen.<br />

Alles ist hier Marke Eigenbau. Auch<br />

Herr Nowack redet von der Experimentierfreude<br />

der Sportwissenschaftler<br />

in der damaligen DDR. "Es<br />

war nicht alles Doping." Direkt unter<br />

der Druckkammer sind weitere Trainingsräume<br />

für Kanuten. Die Gänge<br />

zwischen den Kammern sind eng<br />

Gebrauch machen würden. Und so<br />

verwarf man dann auch alle Überlegungen,<br />

die Kammer wieder mit<br />

Leben zu füllen. Es sei denn, Wissenschaftler<br />

gelangen zu vollkommen<br />

neuen Erkenntnissen.<br />

Nach dem derzeitigen Stand der<br />

Dinge ist jedoch der Bedarf nur<br />

und verzweigt wie ein unterirdisches<br />

Labyrinth. Ein Ort, an dem man nicht<br />

in Panik geraten möchte. Auf unserem<br />

Weg nach oben betreten wir<br />

den Überwachungsraum.<br />

Er ist in der Nähe der Druckkammern<br />

untergebracht. Hier <strong>wurden</strong> die<br />

Leistungsdaten der Athleten registriert<br />

und ausgewertet.<br />

Der Raum erinnert an eine alte<br />

Stasi-Abhörzentrale und ist klamm<br />

und kühl. In den alten Schränken<br />

stehen Dutzende Monitore, eingestaubt<br />

und unbrauchbar. Auf den<br />

Schreibtischen stapeln sich alte<br />

Tageszeitungen. Ein furchtbares<br />

Durcheinander breitet sich vor uns<br />

aus. Während Herr Nowack über die<br />

heutigen Hypoxiekammern referiert,<br />

verlassen wir die Druckkammer<br />

über die Treppe Richtung Freiheit.<br />

Draußen blendet uns die strahlende<br />

Sonne. Wir schütteln die Kühle der<br />

Kammern aus unseren Gliedern und<br />

atmen tief durch.<br />

Für Besuchergruppen immer wieder interessant, die unterirdisch gelegene und geheimnisumwitterte Unterdruckkammer<br />

Kein Interesse der Verbände<br />

gering und zudem der Unterhalt<br />

auch recht teuer. Das ist ein Argument,<br />

was gegen die Wiederinstandsetzung<br />

spricht.<br />

Noch ist nicht entschieden, was<br />

einmal mit diesem Bau geschieht,<br />

der nach wie vor ein großes Interesse<br />

bei Besuchern hervorruft, die sich<br />

gern darüber informieren wollen,<br />

was hier zu DDR-Zeiten im Verborgenen<br />

geschah.


Seite 15 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Der Zufall spült die schönsten<br />

Geschichten ans Tageslicht. Beispielsweise,<br />

dass die neue, große<br />

Hoffnungsträgerin des deutschen<br />

Eisschnelllaufs Stephanie Beckert,<br />

bei den Olympischen Spielen vor<br />

ein paar Monaten mit einmal Gold<br />

und zweimal Silber dekoriert, mehrmals<br />

als Juniorin in <strong>Kienbaum</strong><br />

gewesen sei. "Ich kann mich noch<br />

gut daran erinnern", berichtete der<br />

Erfurter Bundesstützpunkt-Trainer<br />

Peter Wild, der Mitte Juni erneut mit<br />

einem Nachwuchskader das Bundesleistungszentrum<br />

am Liebenberger<br />

See für einen einwöchigen<br />

Lehrgang aufsuchte.<br />

Und kurioserweise war wieder<br />

eine Beckert dabei, nämlich Jessica,<br />

die sechs Jahre jüngere Schwester,<br />

die scheinbar die gleichen Gene<br />

geerbt hat, denn auch ihre Möglichkeiten<br />

liegen eindeutig auf den langen<br />

Strecken. Auf jeden Fall ist die<br />

Schülerin aus der 9. Klasse des<br />

Erfurter Pierre de Coubertin-Gymnasiums<br />

sehr ehrgeizig und trainingsfleißig.<br />

Wie übrigens auch ihr Bruder<br />

Patrick (20), der ebenfalls auf den<br />

schmalen Schlittschuhkufen zu<br />

Hause ist, ebenfalls als Junior nach<br />

<strong>Kienbaum</strong> kam und der ebenfalls<br />

einiges für die Zukunft verspricht.<br />

Silbernes Lorbeerblatt<br />

vom Bundespräsidenten<br />

Zur Erinnerung: Stephanie<br />

Beckert gewann als "Zugpferd" mit<br />

Daniela Anschütz-Thoms und Katrin<br />

Matscherodt sensationell die Teamverfolgung<br />

in Vancouver und sorgte<br />

für Happyend im deutschen Eisschnelllauf-Lager.<br />

Wenige Wochen<br />

später erhielt die 22-jährige Sportsoldatin<br />

aus der Hand des noch in<br />

Amt und Würden befindlichen Bundespräsidenten<br />

Horst Köhler im<br />

Berliner Schloss Bellevue das Silberne<br />

Lorbeerblatt.<br />

Ob es auch das Nesthäkchen der<br />

Familie eines Tages so weit bringt,<br />

steht noch in den Sternen. Auf<br />

jeden Fall war Jessica (16) mit<br />

Feuereifer wie auch die übrigen<br />

Thüringer Mädchen und Jungen<br />

dabei, als Peter Wild dreimal täglich<br />

zum Training bat. Die erste Einheit<br />

Radfahren gehört zum ständigen Sommer-Trainingsprogramm der<br />

Eisschnellläufer, so auch der aus Erfurt<br />

Jetzt kam Jessica zum<br />

Training nach <strong>Kienbaum</strong><br />

Ihre große Schwester Stephanie Beckert wurde in<br />

Vancouver Eisschnelllauf-Olympiasiegerin<br />

fand bereits jeweils um 6.30 Uhr mit<br />

dem Warmlaufen und einer Gymnastik<br />

statt. Dann erst folgten das<br />

Frühstück und danach ein Radfahren<br />

über hundert Kilometer, meist<br />

bis Fürstenwalde und Bad Saarow.<br />

Am Nachmittag wurde dann noch<br />

auf einem Extra-Rundkurs geskatet.<br />

"Vor 15 Jahren war ich das erste<br />

Mal hier, denn früher durften ja nur<br />

absolute Spitzensportler mit ihren<br />

Trainern nach <strong>Kienbaum</strong>, und da<br />

gehörte ich nicht dazu. Kaum zu<br />

glauben, was sich in letzter Zeit alles<br />

zum Positiven verändert hat. Für<br />

uns bietet die Anlage alles, was wir<br />

brauchen", so Wild, der übrigens<br />

aus dem Handball-Lager stammt,<br />

sich aber während seines Studiums<br />

an der DHfK Leipzig für den Eisschnelllauf<br />

entschied ("weil dort<br />

Leute gesucht <strong>wurden</strong>") und seit<br />

Mitte 1970 mit viel Freude in diesem<br />

Metier tätig ist, meist im Nachwuchsbereich,<br />

wo er später dann<br />

auch mit der inzwischen zur Team-<br />

Olympiasiegerin avancierten Erfurterin<br />

zusammenarbeitete.<br />

Inzwischen hat er mit Michele<br />

Metz, Franz Weickert und Felix<br />

Rockstroh wieder einige vielversprechende<br />

Talente unter seinen Fittichen.<br />

Und ebenfalls wieder eine<br />

Beckert, Jessica mit Vornamen, die<br />

nach einigen gesundheitlichen Problemen<br />

in der letzten Saison jetzt<br />

voll angreifen will, um ihren beiden<br />

Geschwistern nachzueifern. Eine<br />

erste Gelegenheit bieten die Junioren-Weltmeisterschaften,<br />

die im<br />

Februar 2011 im finnischen<br />

Seinäjonäki stattfinden.<br />

"Die Bedingungen in <strong>Kienbaum</strong><br />

verbessern sich von Jahr zu Jahr,<br />

deshalb kommen wir auch immer<br />

wieder mit unseren Nachwuchsleuten<br />

hier her. Die Freundlichkeit<br />

des gesamten Personals, die<br />

Unterkünfte und das gute Essen<br />

sind weitere Pluspunkte, das Bundesleistungszentrum<br />

zu empfehlen",<br />

meinte Wild, der gleichzeitig<br />

auch Bundestrainer-Assistent für<br />

den Junioren-Bereich der DeutschenEisschnelllauf-Gemeinschaft<br />

ist. Langeweile kam beim<br />

Erfurter Juni-Lehrgang ohnehin<br />

nicht auf, denn neben Beachvolleyballspielen<br />

wurde in der Freizeit<br />

vor allem fleißig Fußball geguckt -<br />

es war ja schließlich WM-Time.<br />

Bobfahren:<br />

Christoph Langen<br />

jetzt neuer<br />

Bundestrainer<br />

Frischer Wind im deutschen Bob-<br />

Lager. Christoph Langen übernahm<br />

vom 1. Juli an die bisherige Aufgabe<br />

des in den Ruhestand getretenen<br />

Bundestrainers Raimund Bethge.<br />

Der siebenfache Weltmeister und<br />

Doppel-Olympiasieger erhält einen<br />

Vertrag bis 2014. Er könnte sich<br />

jedoch vorstellen, bis zu den<br />

übernächsten Spielen im Amt zu<br />

bleiben, zumal München als Ausrichter<br />

für das Jahr 2018 im<br />

Gespräch ist.<br />

Ehe der einstige Weltklassepilot<br />

dem Verband seine Zustimmung<br />

gab, musste er noch mit der Bundeswehr<br />

eine grundsätzliche Einigung<br />

über eine Freistellung als Leiter<br />

der Sportförderkompanie Berchtesgaden<br />

erzielen, was inzwischen<br />

auch geschehen ist. "Ich freue mich<br />

riesig auf meinen neuen Job, denn<br />

Bobsport ist mein Leben, davon<br />

kommt man so schnell nicht los", so<br />

der 48-Jährige, der im Oktober<br />

2005 aus gesundheitlichen Gründen<br />

seine aktive Karriere beendete.<br />

Da André Lange (Oberhof) aufgehört<br />

hat, heißt es ohnehin, eine neue<br />

Mannschaft aufzubauen und sie so<br />

weit zu bringen, dass sie international<br />

mithalten kann. "Doch ich bin<br />

sicher, dass Christoph das schaffen<br />

wird. Ihn zeichnet eine hohe Fachkompetenz<br />

aus. Zudem hat er ein<br />

Jahr erfolgreich als Nachwuchstrainer<br />

gearbeitet", so Thomas Schwab,<br />

Generaldirektor des Bob- und Schlittenverbandes.<br />

Neben seinen fahrerischen<br />

Qualitäten überzeugte Langen<br />

schon zu seiner aktiven Zeit mit<br />

seinem technischen Verständnis.<br />

"Raimund hinterlässt eine große<br />

Lücke. Es wird nicht einfach, ihn zu<br />

ersetzen", sagte der neue Bundestrainer,<br />

denn unter der Federführung<br />

von Bethge innerhalb von 20 Jahren<br />

gewannen die deutschen Bob- und<br />

Skeletonpiloten bei Olympischen<br />

Spielen, Welt- und Europameisterschaften<br />

rund 150 Medaillen.


Seite 17 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Bei den Europameisterschaften in Birmingham wurde er zum besten Turner gekürt<br />

Die<br />

erfreuliche<br />

Wandlung<br />

des<br />

Matthias<br />

Fahrig<br />

Für Deutschlands Kunstturner ist<br />

das Jahr 2010 mit viel Stress verbunden.<br />

Zunächst Birmingham, wo die<br />

Mannschaft erstmals in der 55-jährigen<br />

Geschichte von Europameisterschaften<br />

den Titel gewann und<br />

außerdem Matthias Fahrig am<br />

Boden siegte, dann Anfang Juli der<br />

Japan-Cup in Tokio und schließlich<br />

die WM Mitte Oktober in Rotterdam<br />

- dazwischen reichlich Training auch<br />

in <strong>Kienbaum</strong>.<br />

Nach Fernost flog jenes Quintett,<br />

das bei der EM so imponierte,<br />

neben Fabian Hambüchen, der allerdings<br />

schon vorgereist war, auch<br />

Marcel Nguyen, Philipp Boy, Eugen<br />

Spiridonow und eben jener Matthias<br />

Fahrig, der für Schlagzeilen sorgte<br />

und zum Sportler des Monats April<br />

von der Deutschen Sporthilfe und<br />

dem Aktiven-Beirat des DOSB gewählt<br />

wurde. Er erhielt 56,1 % Stimmen<br />

vor der Trampolin-Europameisterin<br />

Anna Dogonadze (23,1 %) und<br />

dem Deutschen Eishockeymeister<br />

Hannover Scorpions (20,8 %).<br />

Hier ein Auszug aus den vielen<br />

Kommentaren, die nach den Erfolgen<br />

des 24-jährigen Hallensers in<br />

Birmingham in den verschiedenen<br />

Medien erschienen.<br />

"Der Tagesspiegel": "Wegen Disziplinlosigkeit<br />

war Matthias Fahrig<br />

aus dem Team geflogen, jetzt ist er<br />

sein bester Turner. Zu seinem Talent<br />

ist in den vergangenen Jahren noch<br />

einiges hinzugekommen, Trainings-<br />

eifer etwa und die Fähigkeit, sich auf<br />

den Punkt zu konzentrieren. Der<br />

Teamgeist hat den Deutschen<br />

geholfen, den Mannschaftstitel und<br />

fünf Medaillen in den Einzeldisziplinen<br />

zu gewinnen - die beiden wertvollsten<br />

davon holte Fahrig: Gold am<br />

Boden und Silber im Sprung."<br />

"Die Welt": "Matthias Fahrig hat<br />

den Deutschen den einzigen Einzeltitel<br />

beschert und krönte sich zum<br />

neuen Turnkönig in Europa. Nur 18<br />

Monate, nachdem er aus disziplinarischen<br />

Gründen nicht für Olympia in<br />

Peking berücksichtigt worden war,<br />

genoss der Halb-Kubaner seine<br />

erste internationale Einzel-Goldmedaille<br />

in vollen Zügen. Der freute<br />

sich riesig und stellte fest, in den<br />

letzten Jahren immer besser geworden<br />

zu sein und eine gewisse Konstanz<br />

bewiesen zu haben, auch persönlich.”<br />

"Der Kicker": "Erfolgreiche deutsche<br />

Kunstturner. Zu dem Mannschaftssieg<br />

kamen noch fünf Einzelmedaillen,<br />

zwei durch Matthias Fahrig<br />

(Gold am Boden und Silber beim<br />

Sprung), dazu Bronze durch Marcel<br />

Nguyen am Boden sowie Bronze am<br />

Reck durch Weltmeister Fabian<br />

Hambüchen und Philipp Boy - so<br />

erfolgreich war man seit 21 Jahren<br />

nicht, als die Turner beider deutscher<br />

Staaten in Stockholm auf insgesamt<br />

siebenmal Edelmetall (2/2/3)<br />

gekommen waren."<br />

"Berliner Zeitung": "Der Turner<br />

Matthias Fahrig und der Bundestrainer<br />

Andreas Hirsch sind denkbar<br />

unterschiedliche Charaktere und<br />

haben doch einiges gemeinsam. Bei<br />

der EM in Birmingham haben sie<br />

ihren größten Erfolg gefeiert. Gold für<br />

eine deutsche Riege hatte es zuletzt<br />

bei den Olympischen Spielen 1936<br />

in Berlin gegeben. Hirsch ist besonnen<br />

und zurückhaltend, Fahrig<br />

explodierend und verspielt. Die WM<br />

im eigenen Land und die Spiele in<br />

Peking erlebte er aus disziplinari-<br />

Aus dem einstigen Sorgenkind ist ein<br />

wichtiges Teammitglied geworden<br />

schen Gründen zu Hause. Daran,<br />

dass er ein enormes Potenzial hat,<br />

wurde nie im DTB gezweifelt."<br />

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":<br />

"Fahrig hat gelernt aus der<br />

Zwangspause, die zwei Jahre dauerte.<br />

Er trainierte weiter bei Uwe<br />

Ronneburg in Halle, er nahm seine<br />

Ausbildung als Fitnesskaufmann<br />

ernst und er arbeitete an sich.<br />

Er zog eine Psychologin zu Rate<br />

und sprach sich mit Hirsch aus.<br />

Das Turn-Team nahm das einstige<br />

Enfant terrible ohne Vorbehalte wieder<br />

auf - schließlich kommt mit Fah-<br />

Zur Person<br />

Auszug aus Fahrigs Homepage<br />

Geboren: 15.12.1985 in Wittenberg/Elbe<br />

Familienstand: ledig<br />

Turner seit: 8. Lebensjahr<br />

Beruf: Ausbildung zum Fitnesskaufmann<br />

Geschwister: Jennifer (mein<br />

kleiner Liebling)<br />

Mutter: wohnhaft in Wittenberg<br />

Vater: wohnhaft in Kuba<br />

Lieblingsessen: Nudeln, Pizza,<br />

Chips<br />

Lieblingsgetränk: Bananensaft<br />

Lieblingsfarbe: Schwarz und<br />

Weiß<br />

Hobbys: Kino, Disko, Fahrrad<br />

fahren, Musik mixen, Modellbahn<br />

Lieblingsfilm: Matrix<br />

Trainer: Uwe Ronneburg<br />

Was solltet Ihr noch über mich<br />

wissen?<br />

Ich lache für mein Leben gern,<br />

trainiere in der Woche 22 Std.<br />

Ich bin ein offener Mensch<br />

Ziele: Olympiasieger Sprung<br />

oder Boden<br />

rig auch immer die gute Stimmung."<br />

"Bild": "Unser neuer Turn-Star<br />

heißt Matthias Fahrig. Dieser Mann<br />

hat in Birmingham sogar Fabian<br />

Hambüchen die Show gestohlen.<br />

Aus dem einstigen Sorgenkind ist<br />

ein wichtiges Teammitglied geworden,<br />

der früher Hambüchen hasste,<br />

inzwischen sein bester Freund<br />

geworden ist.”<br />

"Sportal.de": "Fabian Hambüchen<br />

prallte prustend beide Fäuste, Matthias<br />

Fahrig verneigte sich tief vor<br />

dem Publikum, im Chor sangen sie<br />

lautstark die Nationalhymne. Das<br />

deutsche Turnen erlebte in Birmingham<br />

Sternstunden. Glanzstück war<br />

dabei die Bodenkür von Fahrig, der<br />

seinem Kumpel den Titel entriss<br />

und es mit der schwierigsten<br />

Übung für die Konkurrenz richtig<br />

krachen ließ. Der Titel ist im Lande<br />

geblieben."


Seite 18 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Nachwuchs-Judokas<br />

denken schon an Rio<br />

Das erste Mal waren sie schon im<br />

Januar in <strong>Kienbaum</strong>, danach im<br />

April, zuletzt im Juni - und im Laufe<br />

des Jahres folgen noch Lehrgänge<br />

im August, Oktober und Dezember.<br />

Die deutschen Judoka, vor allem die<br />

aus dem Nachwuchs-Bereich, treffen<br />

sich häufig in <strong>Kienbaum</strong>, weil sie<br />

hier, so die zwei Juniorentrainer<br />

Jana Degenhardt und Sven Hesse,<br />

die besten Voraussetzungen finden.<br />

"Bei uns handelt es sich nicht nur<br />

um eine kleine, überschaubare<br />

Gruppe, die sich gerade auf ein Topereignis<br />

wie die U17-EM in Teplice<br />

Nachwuchstrainer im Judo<br />

Sven Hesse und Jana Degenhardt<br />

vorbereitet, sondern stets um 70 bis<br />

80 Teilnehmer, denn wir brauchen in<br />

jeder der acht Gewichtsklassen<br />

mindestens vier Partner beziehungsweise<br />

Partnerinnen zum<br />

Üben", erklärte die beiden Coaches,<br />

die eine Woche lang hart mit ihren<br />

Schützlingen arbeiteten und anschließend<br />

feststellten, dass nicht<br />

nur alle verletzungsfrei geblieben<br />

sind, sondern sich auch in guter<br />

Form im Hinblick auf die kommenden<br />

Ereignisse präsentierten.<br />

Belastungseinheiten, Situationstraining<br />

und richtige Wettkämpfe<br />

standen auf dem Programm, wobei<br />

Turnierbedingungen simuliert <strong>wurden</strong>.<br />

Einbezogen in den Lehrgang<br />

waren wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

des OSP Leipzig, die Videoanalysen<br />

und Laktatmessungen vornahmen,<br />

selbstverständlich auch Physiotherapeuten<br />

und nicht zuletzt auch Psychologen.<br />

Mehr geht eigentlich<br />

nicht, zeigt wiederum aber auch,<br />

dass professionell an die Sache<br />

herangegangen wurde.<br />

"Wir müssen zusehen, dass aus<br />

einer breiten Masse der Eine oder<br />

Andere den Weg in die internationale<br />

Spitzenklasse findet, wohl wissend,<br />

dass der Übergang vom Junioren-<br />

in den Seniorenbereich oft<br />

nicht leicht ist", meinte die seit 2009<br />

als Bundestrainerin tätige Jana<br />

Degenhardt aus Erfurt. "Solange<br />

unsere Talente eine Eliteschule des<br />

Sports besuchen, ist alles vorbildlich<br />

organisiert, doch mit Beginn des Studiums<br />

oder auch des Berufs beginnen<br />

die eigentlichen Probleme, die<br />

nicht zuletzt struktureller Art sind."<br />

Dennoch hofft sie, wie auch ihr<br />

Kollege Sven Hesse aus Frankfurt/Oder,<br />

dass zwei oder drei Talente<br />

aus dem jetzigen Kader in sechs<br />

Jahren so weit sind, dass die Olympischen<br />

Spiele in Rio de Janeiro ein<br />

durchaus anzustrebendes Ziel sind.<br />

"London kommt für die 17- bis 19-<br />

Jährigen in jedem Fall noch zu früh,<br />

denn da muss das Trainingspensum<br />

von augenblicklich 15 Stunden pro<br />

Woche um mehr als die Hälfte<br />

gesteigert werden."<br />

Der Deutsche Judo-Bund ist<br />

mit seinen Bundesleistungszentren<br />

beziehungsweise Olympiastützpunkten<br />

in Berlin, Frankfurt/Oder,<br />

Leipzig, Hannover, Köln, Sindelfingen<br />

und München sicherlich gut aufgestellt.<br />

An den entsprechenden Trainern<br />

mangelt es auch nicht, so dass<br />

die Erfolge in der Vergangenheit<br />

auch nicht ausblieben. Und wahrscheinlich<br />

auch nicht ausbleiben<br />

werden, denn mit der Hessin Natalia<br />

Kubin und dem Niedersachsen Marius<br />

Piepke haben sich zwei Nachwuchskräfte<br />

für die olympischen<br />

Jugendspiele in Singapur qualifiziert.<br />

Bayern-Heber scheuen<br />

nicht die lange Anfahrt<br />

Schon lange machen die<br />

Gewichtheber keinen Bogen mehr<br />

um <strong>Kienbaum</strong>. Olympiasieger Matthias<br />

Steiner mit seinen Nationalmannschaftskollegen<br />

war da, ebenfalls<br />

die Trainer aus Brandenburg,<br />

Berlin und Sachsen mit ihren<br />

Schützlingen. Und Ende Mai tummelten<br />

sich frisch und munter auch<br />

die Bajuwaren im Kraftraum. Christian<br />

Koherr aus München nutzte mit<br />

15 Athleten die sich ihm bietenden<br />

Möglichkeiten zur Vorbereitung auf<br />

die anstehenden Ereignisse.<br />

"Wir haben schon einmal 2009<br />

reingeschnuppert und waren so<br />

begeistert von der schönen Anlage,<br />

dass wir in diesem Jahr gleich wieder<br />

hergekommen sind", berichtete<br />

der bayerische Landestrainer, der<br />

früher für Cottbus startend schon<br />

einmal DDR-Meister war. Weiter<br />

erklärte er, dass "fünf unserer veranlagten<br />

Talente ohnehin die Elitesportschule<br />

in Frankfurt/Oder besuchen,<br />

weil es bei uns keine vergleichbaren<br />

Möglichkeiten in dieser<br />

Beziehung gibt."<br />

In erster Linie galt es bei dem einwöchigen<br />

Aufenthalt in <strong>Kienbaum</strong>,<br />

die Technik zu verbessern, aber<br />

auch an der Athletik zu arbeiten,<br />

schließlich stehen in diesem Jahr<br />

noch einige Höhepunkte an, wie die<br />

Deutschen Meisterschaften und der<br />

Alpencup. "Aber unsere Blicke sind<br />

auch schon weiter nach vorn gerichtet,<br />

auf die Olympischen Spiele. London<br />

kommt sicherlich für alle noch<br />

zu früh, unser Ziel ist Rio de Janeiro<br />

2016", so Koherr, der den beiden 19jährigen<br />

Perspektivkader-Mitgliedern<br />

Simon Brandhuber (bis 77 kg) und<br />

Yassin Yüksel (bis 105 kg) viel<br />

Potenzial bescheinigt.<br />

"Wir können die Anlage nur weiter<br />

empfehlen", meinte der Bayern-<br />

Trainer, "denn <strong>Kienbaum</strong> bietet für<br />

uns beste Voraussetzungen, nicht<br />

nur was den Kraftraum, sondern<br />

Starke Männer an der Hantel. Bayerns Gewichtheber-Talente kommen<br />

gern zum Training nach <strong>Kienbaum</strong><br />

auch die übrigen Sportstätten betrifft.<br />

Zudem ist die Verpflegung gut und<br />

abwechslungsreich und die Unterkünfte<br />

lassen auch keine Wünsche<br />

offen. Wenn wir einmal etwas<br />

Abwechslung brauchen, dann setzen<br />

wir uns, wie getan, ins Auto und<br />

fahren nach Berlin.”<br />

Die Jüngeren besuchten den Zoo,<br />

die Älteren das Brandenburger Tor,<br />

den Reichstag und auch den Potsdamer<br />

Platz. Hartes Training auf der<br />

einen, aber auch Entspannung auf<br />

der anderen Seite, die Mischung<br />

muss stimmen. ”Gewichtheben verlangt<br />

eine Menge von körperlicher<br />

Anstrengung und Konzentration",<br />

meinte Koherr zum Abschluss und<br />

versprach, dass er nicht das letzte<br />

Mal in <strong>Kienbaum</strong> gewesen sei.


Seite 19 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Was Raul Lozano, der neue Trainer<br />

der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft,<br />

auch anpackt, ist<br />

von Erfolg gekrönt. Der 53-jährige<br />

Argentinier gilt als akribischer Arbeiter<br />

und hat eine klare Philosophie,<br />

wie er in einem "DVV-Interview der<br />

Woche" gern zugab.<br />

Haben Sie erwartet, dass ihre<br />

Mannschaft die EM-Qualifikation so<br />

leicht übersteht und in den sechs<br />

Spielen gegen Estland, Kroatien<br />

und Montenegro nur einen Satz<br />

abgibt?<br />

Lozano: "Nein, das habe ich nicht<br />

erwartet. Davon träumt man viel-<br />

leicht. Aber ich sehe auch, wie die<br />

Mannschaft jeden Tag arbeitet und<br />

mit einer gewissen Selbstsicherheit<br />

auf das Feld geht. Man muss aber<br />

auch sagen, dass die Gegner nicht<br />

zur Weltspitze zählen."<br />

In der World League ist die Konkurrenz<br />

natürlich bedeutend stärker<br />

gewesen. Was bedeutete das für ihr<br />

Team?<br />

Lozano: "Wir hatten im vergangenen<br />

Jahr viele Spiele, rund 30.<br />

Davon waren aber nur drei, vier<br />

gegen Russland, Finnland, Polen<br />

und Frankreich auf höchstem<br />

Niveau. Wir brauchen unbedingt<br />

Spiele gegen die allerbesten Mannschaften,<br />

um Erfahrung zu sammeln<br />

und uns auf die WM vorzubereiten.<br />

Natürlich wollen wir auch Spiele<br />

gewinnen, was uns ja auch gleich<br />

zum Auftakt mit zwei nicht unbedingt<br />

einkalkulierten Siegen über<br />

den WM-Zweiten und Europameister<br />

Polen gelungen ist."<br />

Irgendwann sollte es auch einmal<br />

mit einer Medaille bei einem hochkarätigen<br />

Ereignis klappen.<br />

Lozano: "Dafür müssten wir<br />

zunächst zwei Stufen nehmen, bei<br />

der WM unter die ersten acht<br />

Teams kommen oder bei der EM<br />

2011 unter die Top vier. Danach<br />

könnte man über eine Medaille bei<br />

Olympia in London nachdenken.<br />

Grundsätzlich bin ich aber ein<br />

Anhänger davon, sich hohe Ziele zu<br />

stecken."<br />

Wie unterscheidet sich die Arbeit<br />

von 2009 mit 2010?<br />

Lozano: "Letztes Jahr hatten wir<br />

viele Veränderungen im Team:<br />

sowohl im Betreuerstab als auch bei<br />

den Spielern. Jetzt arbeiten wir an<br />

den Feinheiten, letztes Jahr an den<br />

Stellschrauben. Inzwischen bewegen<br />

wir uns auf einer anderen Stufe<br />

und hoffen, den nächsten Schritt<br />

machen können."<br />

Wie verständigen Sie sich, denn<br />

Eine Medaille bleibt das große Ziel<br />

Deutschlands Volleyball-Männer dank Trainer Raul Lozano auf dem Weg zur Weltspitze<br />

Sie sprechen kein deutsch, sondern<br />

italienisch oder spanisch?<br />

Lozano: "Im Training reden wir viel<br />

über taktische Sachen, im Spiel gibt<br />

es dann nur spezielle Codes, dann<br />

ist sofort alles klar. Nur ganz wichtige<br />

Dinge werden ins Englische oder<br />

Deutsche übersetzt."<br />

Wie lautet Ihre Forderung an die<br />

Mannschaft?<br />

Trainer Raul Lozano<br />

Lozano: "Disziplin ist ein wichtiger<br />

Aspekt, aber bei dieser Gruppe<br />

muss ich nicht so viel Wert darauf<br />

legen, das war bei anderen Teams<br />

anders. Wir haben einmal Regeln<br />

aufgestellt, und die muss ich nicht<br />

dauernd wiederholen. Die Spieler<br />

sind sehr diszipliniert, das liegt vielleicht<br />

auch daran, dass viele Spieler<br />

arbeiten oder studieren."<br />

Auch Sie haben mal studiert, war-<br />

Grund zum Jubeln hatten die deutschen Volleyballer in letzter Zeit des<br />

öfteren. Es geht voran auf dem Weg zur internationalen Spitze.<br />

um sind Sie Volleyballtrainer geworden?<br />

Lozano: "Ich habe für acht Jahre<br />

Ingenieurwesen/Maschinenbau studiert.<br />

Ich versuche stets, dieses<br />

technische Wissen auch auf meine<br />

Leidenschaft, den Volleyball, zu<br />

übertragen. Meine Mutter fand es<br />

nicht so gut, dass ich Volleyballtrainer<br />

wurde und nicht Ingenieur - mir<br />

fehlten noch acht Scheine zum<br />

Abschluss. Aber dennoch habe ich<br />

meine Leidenschaft zum Beruf<br />

gemacht."<br />

Wie kamen Sie überhaupt zum<br />

Volleyball?<br />

Lozano: "Ich habe zehn Jahre<br />

gespielt, unter anderem in der höchsten<br />

argentinischen Klasse als zweiter<br />

Zuspieler - den Libero gab es<br />

noch nicht. Ich glaube, man kann<br />

kein Trainer sein, ohne vorher selbst<br />

gespielt zu haben. Man muss<br />

gefühlt haben wie die Techniken<br />

sind. Wenn man Schwimmen lernen<br />

will, muss man auch ins Wasser<br />

springen."<br />

Sie sind seit knapp 30 Jahren<br />

Volleyball-Trainer und gelten als<br />

einer der weltbesten ihres Fachs.<br />

Wie sieht es mit der Popularität aus?<br />

Lozano: "Das muss man dreigeteilt<br />

sehen: In Argentinien nimmt<br />

mich keiner als Volleyballtrainer<br />

wahr, da ich in den vergangenen 20<br />

Jahren dort nicht tätig war. In Italien<br />

erkennen mich die Zuschauer, wenn<br />

ich in einer Halle bin, in Polen werde<br />

ich auf der Straße angesprochen.<br />

Volleyballer in Polen bewegen sich<br />

auf einem Niveau wie Steffi Graf<br />

oder Michael Ballack in Deutschland."<br />

Sie haben eine Maxime: maximal<br />

vier Jahre Trainer bei einer Mannschaft.<br />

Was machen Sie 2013?<br />

Lozano: "Ich weiß es nicht. Ich<br />

bin mir aber sicher, was ich 2012<br />

mache: Dann will ich mit Deutschland<br />

meine dritten Olympischen<br />

Spiele bestreiten. Danach werden<br />

wir sehen, wie es weiter geht.<br />

Momentan fühle ich mich sehr<br />

wohl und bin mit meiner Arbeit<br />

zufrieden."<br />

Impressum<br />

Herausgeber: Trägerverein<br />

"Bundesleistungszentrum<br />

<strong>Kienbaum</strong>" e.V.,<br />

Puschkinstraße 2, 15537<br />

Grünheide, OT <strong>Kienbaum</strong>.<br />

Tel.: 03 34 34 - 76-0,<br />

Fax: 03 34 34 - 70 204,<br />

E-Mail:<br />

office@kienbaum-sport.de<br />

Verantwortlich: Jan Kern,<br />

Klaus-Peter Nowack,<br />

Hansjürgen Wille<br />

Druck:<br />

PieReg Druckcenter Berlin,<br />

Benzstr. 12, 12277 Berlin


Seite 21 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Trainer der deutschen U 20-Basketball-Nationalmannschaft fordert:<br />

Wir brauchen größere Spielerinnen<br />

Dass Frauen-Basketball in Deutschland nur ein<br />

Schattendasein führt, wird niemand bestreiten.<br />

"Aber das soll sich in Zukunft ändern", erklärte im<br />

Brustton der Überzeugung Katharina Ditschke, die<br />

Team-Betreuerin der U-20-Auswahl, die sich fünf<br />

Tage lang in <strong>Kienbaum</strong> auf die beiden Länderspiele<br />

gegen Rumänien in Königs Wusterhausen<br />

und Berlin einstimmte. Dies geschah gleichzeitig<br />

auch unter dem Aspekt einer gezielten<br />

Vorbereitung auf ein gutes Abschneiden bei der<br />

Europameisterschaft Mitte Juli in Lettland.<br />

Dort soll es nach Möglichkeit eine Wiederholung<br />

des achten Platzes bei den letzten Titelkämpfen<br />

2009 in Polen geben, was allerdings<br />

schwer genug wird, da aus Altersgründen mehrere<br />

Spielerinnen nicht mehr zur Verfügung stehen.<br />

"Dennoch müsste es uns gelingen, wenigstens<br />

den Abstieg zu vermeiden, was ja sonst<br />

einen Rückschritt gegenüber dem letzten Jahr<br />

bedeuten würde, den wir nun wahrlich nicht<br />

gebrauchen können", so der neue Trainer Bastian<br />

Wernthaler, von Beruf selbständiger Rechtsanwalt<br />

in München, der sich nur in seiner Freizeit<br />

um die Mannschaft kümmern kann.<br />

Zum Glück fangen ihn, wie er sagt, seine <strong>Kollegen</strong><br />

zu Hause auf. Sonst hätte er diesen<br />

Nebenjob gar nicht angenommen. Wenn<br />

jedoch der Deutsche Basketball-Bund sein<br />

selbst gestecktes Ziel erreichen will, dass sämtliche<br />

weiblichen Vertretungen, von den Jugendlichen<br />

bis hin zu den Erwachsenen, künftig bei<br />

einer A-Europameisterschaft mitspielen und<br />

nicht an einem zweitklassigen B-Turnier teilnehmen<br />

sollen, dann ist in jedem Fall mehr Professionalität<br />

gefragt als es bisher der Fall war. "Ein erster<br />

Schritt auf dem Weg dorthin wurde bereits<br />

gemacht", meint Katharina Ditschke, die übrigens<br />

Bereiteten sich in <strong>Kienbaum</strong> auf die Höhepunkte der<br />

Saison vor, Deutschlands Basketball-Juniorinnen<br />

Lagebesprechung:<br />

Trainer<br />

Imre Szittya hat<br />

die Spielerinnen<br />

der deutschenBasketball-Nationalmannschaft<br />

um<br />

sich versammelt,<br />

um sie<br />

beim Lehrgang<br />

auf die EM-<br />

Qualifikationsspiele<br />

Mitte<br />

August vorzubereiten.<br />

Zuvor<br />

waren schon<br />

die JuniorinnenzumTraining<br />

in <strong>Kienbaum</strong>.<br />

ihren Jahresurlaub nimmt, um dabei sein zu können.<br />

"Es wurde nämlich beschlossen, dass ab der<br />

nächsten Saison in der Bundesliga mindestens<br />

zwei deutsche Spielerinnen auf dem Parkett stehen<br />

müssen, was in jedem Fall bessere Chancen<br />

für den Nachwuchs bedeutet, der dadurch die<br />

notwendige Praxis und Routine erhält."<br />

Wernthaler, der übrigens zum ersten Mal<br />

mit der U 20-Auswahl bei dem Lehrgang in<br />

<strong>Kienbaum</strong> zusammenarbeitete, weiß, welch<br />

schwierige Aufgabe ihm bevorsteht, denn<br />

schon in den Gruppenspielen trifft man mit<br />

Serbien, Spanien und Italien auf sehr starke<br />

Gegner. "Mein Problem ist es, dass wir zwar<br />

einige sehr talentierte Spielerinnen haben,<br />

aber dass die meisten nicht groß genug sind,<br />

was im Basketball ein nicht zu unterschätzender<br />

Vorteil ist. Wir befinden uns leider in<br />

harter Konkurrenz zu so attraktiveren Sportarten<br />

wie Handball, Volleyball und zum Teil<br />

auch Fußball, die international gesehen ein<br />

ganz anderes Niveau erreicht haben und<br />

deshalb bei den jungen Mädchen gern<br />

bevorzugt werden."<br />

Trotz des notwendig gewordenen Neuaufbaus<br />

gegenüber der letztjährigen Mannschaft<br />

wäre es dieser U 20-Vertretung zu<br />

wünschen, dass sie in Lettland gut abschneidet<br />

und weiter im Kreis der Großen<br />

verbleibt, damit wenigstens eine deutsche<br />

Vertretung aus dem weiblichen Basketball-<br />

Bereich künftig bei einer A-EM mitspielt.


Seite 22 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Bundestrainer Reiner Kießler über neue Tendenzen im Kanusport:<br />

Die Spezialisierung schreitet voran<br />

Während eines Vorbereitungslehrgangs<br />

in <strong>Kienbaum</strong> sprach Chef-<br />

Bundestrainer Reiner Kießler ganz<br />

offen Probleme an, die mit der Einführung<br />

der olympischen 200-m-<br />

Strecke verbunden sind und bereits<br />

2012 in London zum Tragen kommen.<br />

Auf Beschluss des Internationalen<br />

Kanu-Verbandes gehört die 200m-Strecke<br />

künftig zum Standardprogramm.<br />

Dafür fallen die<br />

500-m-Wettbewerbe weg. "Wir müssen<br />

deshalb völlig neue Konzepte<br />

entwerfen, denn die Teilnehmerfelder<br />

werden künftig noch ausgeglichener,<br />

die Entscheidungen noch enger."<br />

Die ersten Wochen der Saison liegen<br />

hinter den Kanuten, wie fällt Ihr<br />

Urteil aus?<br />

Reiner Kießler: "Wir können durchaus<br />

mit dem Zustand unserer Fahrer<br />

und Fahrerinnen zufrieden sein, denn<br />

die bisherigen Weltcups zeigten,<br />

dass wir gut gearbeitet haben und<br />

die nach den Olympischen Spielen<br />

2008 zwangsläufig entstandenen<br />

Lücken nahtlos schließen konnten."<br />

Europa- und Weltmeisterschaften<br />

stehen in diesem Jahr auf dem Programm.<br />

Welchen Stellenwert haben<br />

beide Ereignisse?<br />

Kießler: "Die EM im spanischen<br />

Trasona Anfang Juli hat sicherlich<br />

nicht den gleichen hohen Stellenwert<br />

für uns wie die WM Mitte August in<br />

Poznan. Deshalb traten wir beim<br />

ersten Termin auch nicht unbedingt<br />

mit unserem allerbesten Aufgebot<br />

an, sondern gaben verstärkt Aktiven<br />

aus der zweiten Reihe eine Chance.<br />

Dennoch gab es fünf Siege und zwar<br />

durch Max Hoff (Kajak-Einer) und<br />

Sebastian Brendel (Canadier-Einer),<br />

ferner Andreas Ihle/Martin Hollstein<br />

(Kajak-Zweier) sowie die beiden<br />

Kajak-Vierer der Männer und Frauen.<br />

Hinzu kamen noch drei zweite und<br />

fünf dritte Plätze.“<br />

In dieser Saison gibt es, bedingt<br />

durch die nicht von allen gutzuheißende<br />

Entscheidung des Internationalen<br />

Verbandes, einige Neuerungen.<br />

Wie sehen diese aus?<br />

Kießler: "Die gravierendsten Veränderungen<br />

beziehen sich dabei auf<br />

das olympische Programm. Künftig<br />

fallen sämtliche 500-m-Wettbewerbe<br />

Schwarz-Rot-Gold - so sind die Farben des Einer-Canadiers Sebastian Brendel,<br />

der sich zwischen der 200- oder 1000-m-Strecke entscheiden musste<br />

bei den Männern weg. Das betrifft<br />

den Kajak-Einer und -Zweier sowie<br />

den Canadier-Einer und -Zweier. Sie<br />

werden durch die Disziplinen auf der<br />

200-m-Strecke ersetzt. Das gilt für<br />

den K1 und K 2, den C 1 der Männer<br />

sowie den K1 der Frauen. Was nichts<br />

anderes heißt, als dass fortan eine<br />

noch größere Spezialisierung erforderlich<br />

wird, denn niemand dürfte in<br />

der Lage sein, sowohl über die kurze<br />

Strecke als auch über die traditionel-<br />

len 1000 Meter zur Weltspitze zu<br />

zählen. Einmal wird absolute Sprintfähigkeit<br />

verlangt, andererseits totale<br />

Ausdauer gefordert."<br />

Und was bedeutet das schließlich<br />

für Trainer und Aktive?<br />

Kießler: "Eine völlig neue Herausforderung,<br />

der sich alle stellen müssen.<br />

In jedem Fall sind andere Konzepte<br />

notwendig, aber es gibt auch<br />

schmerzliche Trennungen. Besonders<br />

schade ist das für unseren so<br />

erfolgreichen 500-m-Kajakzweier.<br />

Ronald Rauhe und Tim Wieskötter<br />

müssen künftig wohl oder übel<br />

getrennte Wege gehen. Grundsätzlich<br />

ist es so, dass auf den kurzen<br />

Distanzen in der Regel Tausendstelsekunden<br />

oder ein einziger Paddelschlag<br />

über Sieg oder Niederlage<br />

entscheiden. Die Konkurrenz rückt in<br />

jedem Fall enger zusammen, doch<br />

ich hoffe, wir haben das entsprechende<br />

Potenzial. Schließlich<br />

wurde Rauhe im letzten Jahr<br />

Weltmeister über die 200m-Strecke,<br />

die ihm gut liegt."<br />

Einige Kanuten haben ja<br />

nach Olympia aufgehört,<br />

andere stellten ihre beruflichen<br />

Ambitionen in den Vordergrund.<br />

Wie sind Sie<br />

damit zurecht gekommen?<br />

Kießler: "Uns allen war<br />

bewusst, dass nach Peking<br />

ein gewisser Umbruch einsetzen<br />

würde, doch er fiel<br />

nicht ganz so dramatisch<br />

aus wie befürchtet, wenngleich<br />

er im Canadier-<br />

Bereich schon etwas stärker zu<br />

spüren ist. Andreas Dittmer, unser<br />

vielfacher Weltmeister und Olympiasieger<br />

von 2004, steht ebenso nicht<br />

mehr zur Verfügung wie Andreas Gille,<br />

der vor zwei Jahren in Peking mit<br />

Tomas Wylenzek im Zweier Gold holte.<br />

Zum Glück sind die meisten<br />

Kadersportler jedoch dabei geblieben<br />

und greifen, nach einer gewissen<br />

Pause, jetzt wieder voll an, schon<br />

im Hinblick auf die kommenden<br />

Bundestrainer Reiner Kießler<br />

Olympischen Spiele, die 2012 in<br />

London stattfinden."<br />

Wie sieht denn Ihre Planung für<br />

die kommenden zwei Jahre aus?<br />

Kießler: "Bereits 2011 müssen wir<br />

danach trachten, bei den entsprechenden<br />

Regatten auch die erforderlichen<br />

Quotenplätze für London zu<br />

sichern, damit wir im Olympiajahr<br />

nicht unter unnötigen Druck und in<br />

Zeitnot geraten. Natürlich haben wir<br />

bereits eine Zielvereinbarung mit<br />

dem Deutschen Olympischen Sportbund<br />

getroffen, die unter anderem<br />

besagt, dass wir genauso viele<br />

Medaillen erringen wollen wie zuletzt<br />

in Peking, nämlich sieben an der<br />

Zahl, wenngleich die Farben noch<br />

etwas besser sein könnten."<br />

Und was folgt danach. Wird der<br />

DKV auch weiter zu Deutschlands<br />

erfolgreichstem olympischen Sommerverband<br />

zählen?<br />

Kießler: "Eines steht fest, wir dürfen<br />

auf keinen Fall unseren Nachwuchs<br />

vernachlässigen. Wir wissen,<br />

dass wir es in Deutschland demnächst<br />

mit einem Geburtenknick zu<br />

tun haben und dass andere Sportarten,<br />

die ohne so ein wackliges Sportgerät<br />

wie das unserige auskommen,<br />

längst dabei sind, frühzeitig Talente<br />

zu sichten und sie an sich zu binden,<br />

die uns dann letzten Endes fehlen.<br />

Um jedoch weiter international erfolgreich<br />

zu sein, brauchen wir vor allem<br />

eine finanzielle Unterstützung, die wir<br />

für unsere Jugendförderung einsetzen<br />

müssen. Und weil durch die Einführung<br />

der olympischen 200-m-<br />

Strecke auch eine Spezialisierung<br />

unabänderlich ist, benötigen wir<br />

unbedingt einen Sprinttrainer."


Seite 23 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

Juli 2010<br />

Kleines Jubiläum:<br />

Zum 25. Mal<br />

das <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />

25<br />

Eng verbunden mit der Entwicklung des<br />

Bundesleistungszentrums am Liebenberger<br />

See ist auch das “<strong>Kienbaum</strong>-Journal”,<br />

das seine Premiere im April 2002 feierte.<br />

In der ersten Ausgabe würdigten der damalige DSB-Vizepräsident<br />

und Verantwortliche für den Leistungssport in der<br />

Bundesrepublik Ulrich Feldhoff sowie der damalige Staatsminister<br />

Rolf Schwanitz die Bedeutung der Anlage, die sich<br />

seitdem enorm zum Positiven verändert hat.<br />

Der Vorsitzende des Trägervereins Dr. Hans-Georg Moldenhauer<br />

sieht dieses Medium als eine gute Gelegenheit,<br />

Sportler, Verbände und andere Institutionen mit den neuesten<br />

Nachrichten aus <strong>Kienbaum</strong> zu versorgen und auf<br />

interessante Begebenheiten aufmerksam zu machen.

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