"Klassenfeinden" wurden Kollegen - Kienbaum
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Seite 14 <strong>Kienbaum</strong>-Journal<br />
Juli 2010<br />
Interessantes Erlebnis eines Studenten aus Berlin:<br />
Das mulmige Gefühl in der Unterdruckkammer<br />
Studenten der Medienakademie<br />
Berlin besuchten Anfang März das<br />
Leistungssportzentrum <strong>Kienbaum</strong>.<br />
Christian Thieme, einer der Teilnehmer,<br />
berichtet in seinem längeren<br />
Bericht auch über das, was für viele<br />
noch immer etwas Sagenumwobenes<br />
hat, die einstige Unterdruckkammer.<br />
Hier ein Auszug.<br />
"Herr Nowack beginnt seinen<br />
Rundgang mit einer kleinen Einführung<br />
in die Geschichte. <strong>Kienbaum</strong><br />
war früher mal eine Mühle und<br />
wurde während des Zweiten Weltkriegs<br />
als Munitionsfabrik genutzt,<br />
1949 zu einem Sport- und Erholungszentrum<br />
umfunktioniert, um<br />
1952 an den Leistungssport weitergereicht<br />
zu werden, wo DDR-Profisportler<br />
trainiert und auf die ideologisch<br />
wichtigen Wettkämpfe vorbereitet<br />
<strong>wurden</strong>. . .<br />
Dort steht eine große alte Ostbaracke.<br />
Es sieht nicht so aus, als wäre<br />
sie noch in Benutzung. Vergilbte<br />
Immer wieder gab es in der Vergangenheit<br />
Diskussionen, ob die<br />
geheimnisumwitterte Unterdruckkammer<br />
in <strong>Kienbaum</strong> wieder reaktiviert<br />
werden sollte, wo einst die<br />
DDR-Athleten unter Höhenbedingungen<br />
trainierten und auf Wettkämpfe<br />
vorbereitet <strong>wurden</strong>. Nach<br />
der Wende wurde die Anlage jedoch<br />
still gelegt, weil nur noch ein bedingtes<br />
Interesse bestand. Auch Abgeordnete<br />
des Deutschen Bundesta-<br />
Gardinen hängen vor den Fenstern<br />
und lassen uns 30 Jahre in die Vergangenheit<br />
reisen. Doch in Herrn<br />
Nowack´s Augen ist ein Leuchten zu<br />
erkennen. "Das war einmalig in der<br />
Welt. Selbst die Russen fragten sich,<br />
was machen die denn hier?" Er<br />
erklärt uns, dass hier vor der Wende<br />
das Höhentraining der Sportler<br />
durchgeführt wurde. Mit Hilfe der<br />
Druckkammer <strong>wurden</strong> hier Höhen<br />
simuliert, wodurch die Kondition der<br />
Athleten verbessert werden sollte.<br />
Wir betreten die leerstehende<br />
Baracke. Es riecht nach Schimmel<br />
und alter Tapete.<br />
Über eine Treppe mit rostigen<br />
Metallgeländern kommen wir direkt<br />
in einen größeren Vorraum. Von hier<br />
aus können wir die Druckkammer<br />
bereits sehen. Man bekommt ein<br />
mulmiges Gefühl beim Anblick der<br />
schweren Metallschleusen. Vieles<br />
erinnert eher an einen Luftschutzbunker<br />
als an einen Trainingsraum.<br />
"Hier konnte Hypoxie erzeugt wer-<br />
ges kamen und ließen sich ausführlich<br />
über die Möglichkeiten informieren.<br />
Ursprünglich äußerten sich Ruderer,<br />
Leichtathleten, Triathleten und<br />
sogar Skiläufer positiv, ohne allerdings<br />
den schlüssigen Beweis zu<br />
liefern, dass sie von der Anlage<br />
den", klärt uns Herr Nowack auf,"<br />
um damit Höhen von bis zu 4000<br />
Meter nachzustellen."<br />
Das bedeutete immense Belastungen<br />
für den menschlichen Körper.<br />
Wir treten durch die Schleuse in<br />
die Druckkammer. Sie ist größer als<br />
erwartet. Auch hier ist alles in braun<br />
und gelb gehalten. Die grüne Auslegeware<br />
auf dem Boden wirkt nicht<br />
besonders einladend. Die Sportler<br />
sollten sich hier nicht wohl fühlen.<br />
Hier wurde trainiert, sich gequält und<br />
der menschliche Körper an seine<br />
Leistungsgrenzen und teilweise darüber<br />
hinaus geführt. Die Geräte in<br />
diesen Hallen wirken eher wie Folterinstrumente,<br />
als Trainingshilfen.<br />
Alles ist hier Marke Eigenbau. Auch<br />
Herr Nowack redet von der Experimentierfreude<br />
der Sportwissenschaftler<br />
in der damaligen DDR. "Es<br />
war nicht alles Doping." Direkt unter<br />
der Druckkammer sind weitere Trainingsräume<br />
für Kanuten. Die Gänge<br />
zwischen den Kammern sind eng<br />
Gebrauch machen würden. Und so<br />
verwarf man dann auch alle Überlegungen,<br />
die Kammer wieder mit<br />
Leben zu füllen. Es sei denn, Wissenschaftler<br />
gelangen zu vollkommen<br />
neuen Erkenntnissen.<br />
Nach dem derzeitigen Stand der<br />
Dinge ist jedoch der Bedarf nur<br />
und verzweigt wie ein unterirdisches<br />
Labyrinth. Ein Ort, an dem man nicht<br />
in Panik geraten möchte. Auf unserem<br />
Weg nach oben betreten wir<br />
den Überwachungsraum.<br />
Er ist in der Nähe der Druckkammern<br />
untergebracht. Hier <strong>wurden</strong> die<br />
Leistungsdaten der Athleten registriert<br />
und ausgewertet.<br />
Der Raum erinnert an eine alte<br />
Stasi-Abhörzentrale und ist klamm<br />
und kühl. In den alten Schränken<br />
stehen Dutzende Monitore, eingestaubt<br />
und unbrauchbar. Auf den<br />
Schreibtischen stapeln sich alte<br />
Tageszeitungen. Ein furchtbares<br />
Durcheinander breitet sich vor uns<br />
aus. Während Herr Nowack über die<br />
heutigen Hypoxiekammern referiert,<br />
verlassen wir die Druckkammer<br />
über die Treppe Richtung Freiheit.<br />
Draußen blendet uns die strahlende<br />
Sonne. Wir schütteln die Kühle der<br />
Kammern aus unseren Gliedern und<br />
atmen tief durch.<br />
Für Besuchergruppen immer wieder interessant, die unterirdisch gelegene und geheimnisumwitterte Unterdruckkammer<br />
Kein Interesse der Verbände<br />
gering und zudem der Unterhalt<br />
auch recht teuer. Das ist ein Argument,<br />
was gegen die Wiederinstandsetzung<br />
spricht.<br />
Noch ist nicht entschieden, was<br />
einmal mit diesem Bau geschieht,<br />
der nach wie vor ein großes Interesse<br />
bei Besuchern hervorruft, die sich<br />
gern darüber informieren wollen,<br />
was hier zu DDR-Zeiten im Verborgenen<br />
geschah.