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22_AniMAliSch AniMAliSch_23<br />

Herrchen und Frauchen gesucht<br />

Das Darmstädter Tierheim und die Folgen der Wirtschaftskrise<br />

Chicco ist ein kleiner Rabauke.<br />

Eigentlich wirkt er mit seinen<br />

schwarzen Kulleraugen, als könne<br />

er kein Wässerchen trüben. Aber<br />

wenn dem schrulligen Spitz-<br />

Mischling was nicht passt, mutiert<br />

er trotz seiner 13 Hundejahre<br />

blitzschnell zum Teufelsbraten:<br />

Seinen Napf und sein Körbchen<br />

verteidigt er bis aufs Blut. Wer<br />

da nicht bei Drei auf den Bäumen<br />

ist, dem gnade Gott. „Keine Vermittlung“<br />

steht <strong>des</strong>halb auch an<br />

Chiccos Einzelzimmerchen. Seinen<br />

Lebensabend wird er wohl im Tierheim<br />

Darmstadt fristen müssen.<br />

Damit hat es das Schicksal aber<br />

verdammt gut mit ihm gemeint,<br />

denn andernorts wäre chicco<br />

längst eingeschläfert worden.<br />

Die Mitarbeiter <strong>des</strong> tierheims<br />

Darmstadt dagegen haben<br />

sich auf seinen sehr<br />

speziellen humor<br />

eingelassen: Sie<br />

gehen nur mit<br />

Verbands -<br />

kasten Gassi.<br />

Bessy dagegen ist eine kleine<br />

Schmusebacke. Die zehnjährige,<br />

verwuschelte Mischlings-hündin ist<br />

nicht gern allein, will am liebsten<br />

überall mitwuseln und freut sich<br />

über jede Zuwendung. nur ihres Alters<br />

wegen scheint sie bisher niemand<br />

genommen zu haben. chicco<br />

und Bessy sind nur zwei von vielen<br />

Sorgenkindern, um die sich die Mitarbeiter<br />

<strong>des</strong> am Rande Darmstadts<br />

gelegenen tierheimes aufopferungsvoll<br />

kümmern. Mehr als 200<br />

tiere finden auf dem weitläufigen<br />

Areal am Waldrand in der nähe der<br />

Schnellstraße zwischen Darmstadt<br />

und Griesheim vorübergehend oder<br />

für immer Obdach. neben den Sorgenkindern<br />

verweilen dort natürlich<br />

weit mehr leichter vermittelbare<br />

Jacky + Anna<br />

tiere, die meist nur einige Wochen<br />

das Schicksal von chicco und<br />

Bessy teilen.<br />

Bis zu 1.700 tiere beherbergt das<br />

tierheim jährlich, schätzt claudia<br />

Gries, die Büroleiterin. Sie ist eine<br />

von acht fest angestellten Mitarbeiterinnen,<br />

die sich mit einigen<br />

Azubis und Praktikanten sowie<br />

ehrenamtlichen helfern – zum<br />

Beispiel für’s Gassi gehen – um<br />

das Wohl der ihnen anvertrauten<br />

Geschöpfe sorgen. Und dies sind<br />

nicht nur hunde und Katzen, sondern<br />

mehr als ein Dutzend andere<br />

tierarten wie Kaninchen, igel, Vögel,<br />

hamster, Esel, chinchillas, Ponys ...<br />

oder Bert und Bella, zwei asiatische<br />

hängebauchschweine, die erst vor<br />

kurzem an einen Bauernhof<br />

weitervermittelt werden<br />

konnten.<br />

Am 11. Juli 1957 wurde das tier-<br />

heim an seinem heutigen Standort<br />

eingeweiht. 1991 sind die marode<br />

gewordenen Gebäude Stück für<br />

Stück modernisiert oder neu er-<br />

richtet worden. Eine eigene tier-<br />

heimpraxis, ein geräumiges Katzenhaus<br />

für circa 120 Katzen mit<br />

drei großen, gemütlichen Gemeinschaftszimmern<br />

und Freigehege<br />

sowie ein neues hundehaus für<br />

40 hunde wurden gebaut. Gerade<br />

mit dem hundehaus verfolgt das<br />

tierheim ganz neue Wege. Auf<br />

der Webseite wird das prämierte<br />

Konzept anschaulich erklärt:<br />

„Keine Zwinger mehr, sondern<br />

kleine Zimmer, ausgestattet mit<br />

erhöhten liegepritschen, eigenem<br />

Fenster und kleinen heizkörpern.<br />

Da im tierheim Darmstadt seit langem<br />

Rudelhaltung praktiziert wird,<br />

gibt es im neuen haus nur noch vier<br />

Einzelzimmer (chicco!). Alle anderen<br />

sind für jeweils zwei bis vier<br />

hunde konzipiert. Besonders hervorzuheben<br />

sind die drei Wohngemeinschaftszimmer,<br />

diese sind für<br />

sechs bis zehn hunde ausgelegt.<br />

Über eine holztreppe mit<br />

vielen nischen gelangen die<br />

tiere zum Schlafzimmer.“<br />

träger <strong>des</strong> tierheimes ist der seit<br />

1873 bestehende tierschutzverein<br />

Darmstadt, der derzeit etwa 900<br />

Mitglieder zählt. „Durchschnittlich<br />

500.000 Euro pro Jahr sind notwendig,<br />

um das tierheim am leben<br />

zu erhalten“, schildert claudia<br />

Gries den immer wieder prekären<br />

Kampf um Geldmittel. tierärztliche<br />

Versorgung, tierfutter, Energie,<br />

Müllentsorgung, Reinigungskosten,<br />

instandhaltung und weitere Posten<br />

schlagen vehement zu Buche. Die<br />

Zuschüsse der Stadt Darmstadt<br />

und umliegender Gemeinden belaufen<br />

sich jährlich auf nur knapp<br />

80.000 Euro.<br />

Chicco, der kleine Rabauke<br />

Die immense Differenz muss durch<br />

Spenden, Mitgliedsbeiträge, Patenschaften,<br />

die eigene tierpension<br />

und Vermittlungsgebühren gedeckt<br />

werden. Was allzu oft nicht gelingt,<br />

da gerade die Spendenbereitschaft<br />

in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />

stark nachlässt.<br />

Und die Wirtschaftsflaute macht<br />

sich auch in anderer hinsicht bemerkbar:<br />

immer mehr tiere werden<br />

aus finanziellen Gründen abgegeben.<br />

Die Menschen könnten sich<br />

tierarzt und Futter einfach nicht<br />

mehr leisten, konstatiert Gries ernüchtert.<br />

hinzu kommen die vielen<br />

herrenlos ausgesetzten tiere. Gerade<br />

in den Sommermonaten stößt<br />

das tierheim an seine Kapazitätsgrenzen,<br />

weil immer noch genügend<br />

Unverbesserliche glauben, dass<br />

eigene haustier stehe der sorglosen<br />

Urlaubsplanung im Wege. Dabei<br />

bietet das tierheim gerade für solche<br />

Szenarien eine kostengünstige<br />

tierpension für eine temporäre<br />

Unterbringung an.<br />

Vor Weihnachten ergibt sich hingegen<br />

meist das Problem, dass<br />

leute sich aus dem tierheim ein<br />

schnuckliges Geschenk besorgen<br />

wollen. Oft kehren diese tiere dann<br />

aber wenige Wochen später wieder<br />

zurück, weil die kurzweiligen<br />

Besitzer „sich das ganz anders<br />

vorgestellt haben“. „tiere sind doch<br />

keine Mängelware“, ärgert sich die<br />

Auszubildende Anna Würtz.<br />

Sehr negativ wirkte sich für alle<br />

hessischen tierheime die Einstellung<br />

der tV-Sendung „herrchen<br />

gesucht“ (im hr Fernsehen) aus. Bis<br />

zum Jahre 2007 war dieses tier-<br />

<strong>Magazin</strong> ein verlässlicher Garant,<br />

selbst für schwer vermittelbare<br />

tiere ein neues Zuhause zu finden.<br />

„nach einer solchen Sendung haben<br />

die telefondrähte tagelang geglüht“,<br />

erklärt tierpflegerin Stefanie<br />

Redel. Solche Erfolgserlebnisse<br />

fehlten jetzt gewaltig.<br />

Deshalb bemüht sich das tierheim<br />

um neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Eine hun<strong>des</strong>chule mit<br />

Vorträgen und Spielstunden sowie<br />

verschiedene Veranstaltungen<br />

wie „tierdankfest“, „Sommerfest“,<br />

„Weihnachtsmarkt“ oder der jeweils<br />

am ersten Sonntag im Monat<br />

stattfindende tag der offenen tür<br />

mit Flohmarkt werben erfolgreich<br />

um die Gunst der tierliebhaber.<br />

Spenden und Patenschaften für<br />

tiere sind aber weiterhin der hauptquell<br />

<strong>des</strong> Etats. „Ebenfalls hilfreich<br />

sind Sachspenden wie Futter,<br />

Decken oder handtücher“, erklärt<br />

Büroleiterin Gries.<br />

Wer mehr informationen zum tierheim<br />

Darmstadt haben will, kann<br />

die sehr umfangreiche und liebevoll<br />

gestaltete Webseite besuchen.<br />

Besonders eindrucksvoll sind dabei<br />

die anrührenden, humorvollen<br />

(chicco!) und herzzereißenden Geschichten<br />

der tierischen Bewohner,<br />

die hier ein teils zwischenzeitliches,<br />

teils aber auch endgültiges idyll<br />

gefunden haben.<br />

Abschließend erwähnt claudia<br />

Gries noch drei Sorgenkinder, die<br />

sich sehnlichst ein neues Zuhause<br />

wünschen: Jupp, der eifrige und<br />

wachsame dreijährige Malinois-<br />

Rüde, und die zwei verschwisterten<br />

„heilige Birma“-Katzen, die an dem<br />

(für Menschen ungefährlichen)<br />

Katzen-Aids FiV erkrankt sind. na,<br />

lässt sich Euer herz erweichen?<br />

(Wuff Wuff alias tobi Moka -<br />

nicht vermittelbar, hoffnungs-<br />

loser Fall)<br />

Sitz! Fass! Männchen!<br />

tierheim und tierschutzverein<br />

Darmstadt<br />

Alter Griesheimer Weg 199<br />

64293 Darmstadt<br />

tel. 06151/891470<br />

www.tsv-darmstadt.de<br />

Veranstaltungen:<br />

So, 6. Dezember, 10 Uhr:<br />

nikolaus-Gassi (gern auch mit<br />

eigenem hund, nach vorhergehender<br />

Anmeldung)<br />

Do, 24. Dezember, 13 Uhr:<br />

Weihnachtsmarkt (Deko-Artikel,<br />

selbstgebastelte Geschenke,<br />

nikolaus für Kinder)<br />

Jeden ersten Sonntag im Monat<br />

ist von 13 bis 17 Uhr tag der<br />

offenen tür (mit Flohmarkt und<br />

tierbesichtigung)<br />

Hundeausführzeiten:<br />

Mo bis Sa: von 9 bis 11.30 Uhr<br />

Di & Do: von 13.30 bis 15.30 Uhr<br />

Sonn- & feiertags von 10 bis<br />

13.30 Uhr (außer am ersten<br />

Sonntag im Monat)<br />

Bürozeiten:<br />

Di bis Fr: 8.30 bis 12 Uhr<br />

telefonische Auskunft:<br />

Mo bis Fr: 9 bis 13 Uhr<br />

(sonst Anrufbeantworter)<br />

öffnungszeiten und<br />

Tiervermittlung:<br />

Mi, Fr und Sa: jeweils<br />

von 14 bis 17 Uhr<br />

illustrationen: lisa Zeißler, Fotos: Jan Ehlers

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