05.01.2013 Aufrufe

Jahrbuch - Verein für Geschichte und Kultur

Jahrbuch - Verein für Geschichte und Kultur

Jahrbuch - Verein für Geschichte und Kultur

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

30 <strong>Jahrbuch</strong> 2007<br />

Spielarten, könnte man sagen, mit dem, was wir Menschen als Wirklichkeit verstehen<br />

<strong>und</strong> erfahren.<br />

Überhaupt ist es <strong>für</strong> den Umgang mit Literatur nützlich, wenn man lernt, Wirklichkeit<br />

<strong>und</strong> Wahrheit als nicht notwendigerweise deckungsgleich anzusehen.<br />

Peter P. Klassen bringt es in der Vorbemerkung zum Buch „Kampbrand“ treffend<br />

zum Ausdruck: „Die Kurzgeschichten dieses Buches sind keine Tatsachenberichte,<br />

sondern in Dichtung umgesetzte Wahrheit. Keine der auftretenden Personen<br />

hat es so wirklich gegeben, <strong>und</strong> auch die Handlungen sind Bruchstücke<br />

einer Wirklichkeit, die hier jeweils zu einer Ganzheit verdichtet wurde“ 1 . Ich<br />

finde es immer köstlich, wenn Personen, die sonst wenig Umgang mit Lektüre<br />

haben <strong>und</strong> einmal einen guten Roman lesen, dann im Nachhinein mit aller Überzeugung<br />

erklären, dass dies ja wohl kein Roman sein könne, denn es ist Wirklichkeit!<br />

So ist das Leben, die Erfahrungen, die Gefühle, - also kann der Schreiber<br />

sich das nicht ausgedacht haben!...<br />

Mir gefällt immer wieder das Bild vom Hologramm. Gut gemachte Hologramme<br />

scheinen ein Bild auf zahllosen Ebenen zu präsentieren, je nach Winkel, Lichteinfall,<br />

Lichtfarbe usw. Roman, Gedicht, Lied, Kurzgeschichte, Drama sprechen<br />

den menschlichen Geist an einer anderen Ebene an als ein Sachbuch. Es ist müßig<br />

zu sagen, sie seien weniger wahr oder wirklich als das Sachbuch. Sachlich<br />

rationaler Diskurs kann ebensowenig die ganze Wirklichkeit vermitteln wie ein<br />

gemaltes Bild die ganze Fülle einer Landschaft wiedergeben kann.<br />

An dieser Stelle sei kurz auf einen Roman verwiesen, der letztes Jahr in Deutsch<br />

erschien mit dem Titel „Ein komplizierter Akt der Liebe“. Miriam Töws aus<br />

Winnipeg brachte vor etwa drei Jahren diesen Roman an die kanadische Öffentlichkeit.<br />

Er fand sofort großen Anklang, brachte ihr eine hohe Auszeichnung <strong>und</strong><br />

ist schon in ein Dutzend Sprachen übersetzt worden. Soweit mir bekannt ist, haben<br />

etliche Leute bei uns das Buch bereits gelesen, andere haben es nach den<br />

ersten Seiten als zu banal - „prost“, wie wir auf Plattdeutsch gerne sagen – beiseite<br />

gelegt. Man braucht sicher nicht die Werbetrommel zu rühren; niemand<br />

wird an einer Bildungslücke leiden, der das Buch nicht liest. Aber zumal wir es<br />

möglicherweise bald auch verfilmt haben werden, 2 dürfen wir uns fragen wieso<br />

1 Peter P. Klassen, Kampbrand, Asunción, 1989, S. 1.<br />

2 Christoph Wiebe: „Vom Scheitern eines 500jährigen Experiments. Miriam Toews Roman<br />

Ein komplizierter Akt der Liebe“, in Mennonitische Geschichtsblätter, Weierhof<br />

2006, S. 169.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!