05.01.2013 Aufrufe

Jahrbuch - Verein für Geschichte und Kultur

Jahrbuch - Verein für Geschichte und Kultur

Jahrbuch - Verein für Geschichte und Kultur

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Jahrbuch</strong> 2007 51<br />

„Öffentlich zu sprechen,“ schreibt sie, „Liebesgedichte <strong>für</strong> die ganze Welt zu<br />

schreiben, bedeutete, die gute mennonitische Tochter, die ich erfolglos zu werden<br />

versuchte, auf immer zu verraten“ (Questions, Foreword). Sie fragt ihre<br />

Mutter, warum das Leben in der Familie <strong>und</strong> Gemeinde die Freude <strong>und</strong> das<br />

Schöne nicht mehr betone, sondern nur Ernst, Trauer <strong>und</strong> Unterwürfigkeit. Es<br />

sieht fast nach Spott aus, was sie über Bekehrung, Frommsein <strong>und</strong> Evangelisation<br />

schreibt. Im Gedicht „testimony“ (Zeugnis) heißt es: „Sie schütteln ungläubig<br />

ihre Köpfe, aber es ist wahr, ich habe endlich Jesus gef<strong>und</strong>en, ich habe ihn in<br />

mein Herz aufgenommen, <strong>und</strong> er hat mir tiefen Frieden gebracht, er war der<br />

Welt größter Liebhaber...“ (Questions, 35). Dies ist wohl ein Angriff auf den<br />

evangelikalen Geist <strong>und</strong> seine Sprache. Wie ein Kritiker über Di Brandt schrieb:<br />

„Sie schreibt mit einem Messer, das aus dem Herzen einer Frau gezogen wurde“<br />

(George Bowering).<br />

Audrey Poetker drückt in ihrem Gedichtband I sing for my dead in german<br />

(„Ich singe <strong>für</strong> meine Toten in Deutsch,“ 1986) ihre Sehnsucht nach ihren<br />

Großeltern aus, die <strong>für</strong> sie noch eine heile Welt darstellen. In dem Gedicht „<strong>für</strong><br />

Großmutter Wiebe“ fühlen wir die Liebe zwischen Enkelkind <strong>und</strong> Großmutter:<br />

„...na audrey voh yeht et met die / fragt Grossmama / ich sage gut & sie wärmt<br />

meine hände / in ihren <strong>und</strong> sagt dass ich nicht zu lange ausbleiben soll / denn sie<br />

will nicht / dass ich in den schneesturm gerate / ich erzähle grossmama von den<br />

zeilen in armin wiebes buch / wo es heisst dass am himmelfahrtstag / fährt Jesus<br />

in den himmel / <strong>und</strong> die mennoniten nach winnipeg / & sie lacht dass si sich fast<br />

fuschlucks / <strong>und</strong> dann ein wieb noch / ja aber keine verwandschaft mit uns / ich<br />

sage grossmama grossmama / aber ich kann mich nicht erinnern an das plattdeutsche<br />

wort / <strong>für</strong> liebe.“ Wir sehen hier die Distanz, die sich zwischen den<br />

Alten <strong>und</strong> der jungen Generation entwickelt hat. Sie können sich nicht mehr wie<br />

einst verständigen. Der Enkelin fehlt die plattdeutsche Sprache. (Der plattdeutsche<br />

Ausdruck <strong>für</strong> „ich liebe dich“ ist natürlich „etj sie di goot“, ich tue dir etwas<br />

Gutes. Also im Plattdeutschen ist Liebe nicht nur ein Liebesgefühl, sondern<br />

eine Liebestat.)<br />

Vor Jahren waren Rudy Wiebe <strong>und</strong> ich auf einer Aussiedler-Tagung in<br />

Deutschland. Er suchte unter den Versammelten seinen Onkel, der eben aus<br />

Russland gekommen war, <strong>und</strong> ich suchte Material <strong>für</strong> meine eben begonnene<br />

Lehrtätigkeit an der Universität Winnipeg. Bei dieser Gelegenheit machte er<br />

mich auf eine junge Autorin aufmerksam, die ihre ersten Erzählungen in zwei

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!