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Finanzstandort Deutschland - Die Deutsche Kreditwirtschaft

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<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Bericht Nr. 8 – 2012<br />

Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong>


<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Bericht Nr. 8 – 2012<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3


4<br />

Inhalt<br />

Inhalt<br />

Vorwort 6<br />

1 Executive Summary 9<br />

2 Internationaler Vergleich <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> 13<br />

3 Status quo des deutschen <strong>Finanzstandort</strong>s 19<br />

3.1 Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> 20<br />

3.1.1 Versicherer 20<br />

3.1.2 Banken 22<br />

3.1.3 Asset Manager 25<br />

3.2 Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong> 27<br />

3.2.1 Versicherungsmärkte 27<br />

3.2.1.1 Lebensversicherung, Pensionskassen und -fonds 27<br />

3.2.1.2 Private Krankenversicherung 29<br />

3.2.1.3 Schaden- und Unfallversicherung 31<br />

3.2.1.4 Rückversicherung 33<br />

3.2.2 Kreditmärkte 35<br />

3.2.3 Einlagenmärkte 37<br />

3.2.4 Zahlungsverkehr 40<br />

3.2.5 Aktienmärkte 42<br />

3.2.6 Rentenmärkte 44<br />

3.2.7 Investmentfonds 47<br />

3.2.8 Verbriefungsmärkte 49<br />

3.2.9 Derivatemärkte 51<br />

3.2.9.1 Aktien- und Zinsderivate 51<br />

3.2.9.2 Kreditderivate 53<br />

3.2.9.3 Zertifikate 55<br />

3.2.10 Private Equity 57<br />

3.2.11 Mergers & Acquisitions 59<br />

4 Entwicklung des <strong>Finanzstandort</strong>s <strong>Deutschland</strong>: Themen im Fokus 63<br />

4.1 Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben 64<br />

4.2 <strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen 70<br />

4.3 Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung 74<br />

DFD Arbeitsgruppe und Mitglieder 80<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

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6<br />

<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> – stabil im Zeichen der Krise<br />

Ein breites und ausdifferenziertes Spektrum qualitativ hochwertiger<br />

finanzieller <strong>Die</strong>nstleistungen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für<br />

nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Auch für den deutschen Arbeitsmarkt<br />

ist die Finanzwirtschaft von besonderer Bedeutung. Insgesamt<br />

1,2 Millionen Erwerbstätige erbringen in <strong>Deutschland</strong> Finanz- und<br />

Versicherungsdienstleistungen.<br />

Mit dem nunmehr achten <strong>Finanzstandort</strong>bericht machen die zwischenzeitlich<br />

im Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> zusammenarbeitenden<br />

Verbände der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Kreditwirtschaft</strong> (DK), der Gesamtverband<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Versicherungswirtschaft (GDV) sowie die beteiligten<br />

Einzelinstitute das vielfältige Leistungsspektrum und die Bedeutung des<br />

Finanzsektors in <strong>Deutschland</strong> transparent.<br />

Der Bericht bewertet entscheidende Ereignisse des vergangenen Jahres<br />

und wirft ein Schlaglicht auf Akteure und Märkte.<br />

Zentrales Thema blieben im Berichtsjahr 2011 die anhaltenden Unsicherheiten<br />

an den Finanzmärkten im Zeichen der Euro-Schuldenkrise. In<br />

diesem schwierigen Umfeld hat der <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> seine<br />

Widerstandsfähigkeit bewiesen. Auch wurden bei der Bewältigung der<br />

Krise und der Überarbeitung des institutionellen Rahmenwerks des Euro<br />

wichtige Fortschritte erzielt. Besonders hervorzuheben ist, dass mit dem<br />

Fiskalpakt eine neue Form der Zusammenarbeit der EU-Staaten erreicht<br />

worden ist.<br />

Zu den grundlegenden Herausforderungen der Finanzwirtschaft zählt<br />

die anhaltende Phase niedriger Zinsen. Mit ihren Sondermaßnahmen hat<br />

die Geldpolitik einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung der Märkte<br />

geleistet. Doch sind die äußerst niedrigen Leitzinsen mit Nebenwirkungen<br />

verbunden und dürfen deshalb nicht zum Dauerzustand werden. Ansonsten<br />

drohen volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen im Bereich von<br />

Ersparnisbildung, Investition und Finanzierung, neue Instabilitäten im<br />

Banken- und Finanzsystem und eine Beschädigung der kapitalgedeckten<br />

Altersvorsorge. Wird der leichte Liquiditätszugang nicht auf längere Sicht<br />

wieder eingeschränkt, bestehen außerdem nicht zuletzt Inflationsgefahren.<br />

<strong>Die</strong> Geldpolitik bleibt daher gefordert, die monetäre Entwicklung<br />

sorgfältig zu beobachten und den schrittweisen Ausstieg aus den Sondermaßnahmen<br />

in die Wege zu leiten, sobald die Situation dies zulässt.<br />

Im Namen der DK und des GDV danken wir den Autoren der einzelnen<br />

Häuser, die aktiv an der Erstellung des Berichts beteiligt waren. Neben<br />

den Verbänden der Kredit- und Versicherungswirtschaft zählen hierzu<br />

die Allianz SE, die Bayerische Landesbank, die Commerzbank, die<br />

DekaBank, die <strong>Deutsche</strong> Bank, die <strong>Deutsche</strong> Börse, die <strong>Deutsche</strong> Postbank,<br />

die DZ BANK, die KfW und Morgan Stanley.<br />

Uwe Fröhlich<br />

Präsident des Bundesverbandes<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Volksbanken und<br />

Raiffeisenbanken (BVR)<br />

Rolf-Peter Hoenen<br />

Präsident des Gesamtverbandes der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Versicherungswirtschaft<br />

e. V. (GDV)<br />

Vorwort<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

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8<br />

Executive Summary<br />

1<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

9


10<br />

Executive Summary<br />

● <strong>Die</strong> Unsicherheiten an den Finanzmärkten hatten im<br />

Jahr 2011 angehalten. Zentrale marktbestimmende Th emen<br />

wa ren die Staatsschuldenkrise in mehreren Ländern<br />

des Euroraums und die institutionellen Reformen der<br />

Währungsunion. In diesem schwierigen Umfeld hat der<br />

Finanz standort <strong>Deutschland</strong> seine Widerstandsfähigkeit<br />

be wiesen. Doch auch in Zukunft bleiben die Herausforderungen<br />

groß: <strong>Die</strong> Euro-Schuldenkrise ist noch nicht<br />

zu Ende, anhaltend niedrige Zinsen prägen das makroökonomische<br />

Umfeld, und die Finanzplätze der aufstrebenden<br />

Volkswirtschaften gewinnen an Bedeutung. Im<br />

vorliegenden Bericht werden diese Herausforderungen in<br />

den Th emenkapiteln näher untersucht.<br />

● Entscheidenden Anteil daran, dass 2011 im Ganzen<br />

gesehen die positiven Nachrichten am <strong>Finanzstandort</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> überwogen haben, hatte der konjunkturelle<br />

Rückenwind. <strong>Die</strong> Arbeitslosigkeit bewegt sich auf dem<br />

niedrigsten Stand seit Ende des Wiedervereinigungsbooms<br />

vor 20 Jahren, und das Wirtschaftswachstum fi el<br />

2011 mit 3,0 % wie bereits 2010 sehr dynamisch aus. So<br />

erreichte die gesamtwirtschaftliche Produktion bereits<br />

im Frühjahr vergangenen Jahres wieder ihren Stand von<br />

vor der Krise. Zum Jahresende ge riet die Erholung zwar<br />

ins Stocken. Sie dürfte aber im Frühjahr dieses Jahres<br />

wieder leicht an Fahrt aufgenommen haben.<br />

● Vor diesem Hintergrund entwickelten sich die einzelnen<br />

Fi nanz märkte überwiegend positiv. So hat sich bei den<br />

Erst versicherern der Trend einer stabilen Beitragsentwicklung<br />

fortgesetzt. Sowohl die Märkte für Krankenversicherun<br />

gen als auch für Schadens- und Unfallversicherungen<br />

konnten mit Raten oberhalb der allgemeinen Preissteigerung<br />

expandieren. <strong>Die</strong> Entwicklung am Rückversicherungsmarkt<br />

war demgegenüber durch außergewöhnliche<br />

Belastungen aus schweren Naturkatastrophen geprägt.<br />

● An den Einlagenmärkten verliefen die Zuwächse in<br />

Deutsch land entlang des längerfristigen Trends. Der<br />

euro päische Kreditmarkt expandierte unter dem Einfl uss<br />

der ge dämpften Konjunktur und der Restrukturierung<br />

der Banken in zahlreichen Ländern des Währungsraums<br />

zögerlich. Während die Entwicklung der Kreditvolumina<br />

ins be son dere in den Ländern Südeuropas zum Teil deutlich<br />

be ein trächtigt ist, liegen in <strong>Deutschland</strong> keine Hinweise<br />

auf ei ne Kreditklemme vor. Im Gegenteil: Im Verlauf<br />

des Jahres beschleunigte sich die Mittelbereitstellung<br />

an den Privatsektor. Gleichzeitig zeigen Banken- wie<br />

Unternehmensbefra gungen, dass der Kreditzugang für<br />

Unternehmen in <strong>Deutschland</strong> insgesamt sehr gut ist.<br />

● An den übrigen Finanzierungsmärkten verlief das Jahr<br />

2011 uneinheitlich. Auf den europäischen Verbriefungsmärkten<br />

konnte wieder ein maßvoller Anstieg des Emissionsvolumens<br />

verzeichnet werden, auch expandierten beispielsweise<br />

die Märkte für Aktien- und Zinsderivate. Unter<br />

dem Einfl uss der Euro-Schuldenkrise und der damit verbundenen<br />

Unsicherheiten verzeichneten die Aktienmärkte hingegen<br />

bei einer erhöhten Volatilität Ver luste. Schwierig war<br />

auch das Marktumfeld für die Investmentbranche. Auf dem<br />

Rentenmarkt kletterten die Kurse der deutschen Benchmark-Staatsanleihen<br />

auf Rekordhochs, die Spreads von Unternehmensanleihen<br />

weiteten sich allerdings deutlich aus.<br />

● Neben diesem kompakten Überblick über die Marktakteure<br />

und Marktsegmente nehmen die Th emenkapitel des<br />

<strong>Finanzstandort</strong>berichts 2012 drei zentrale Entwicklungstrends,<br />

die die Perspektiven des <strong>Finanzstandort</strong>s <strong>Deutschland</strong><br />

auch in den kommenden Jahren bestimmen werden,<br />

kritisch unter die Lupe: die Fortschritte bei der Bewältigung<br />

der Euro-Schuldenkrise, die potenziellen Auswirkungen<br />

langfristig niedriger Zinsen und die Veränderung<br />

der Topographie der globalen Finanzmärkte.<br />

● Bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise im Euroraum<br />

sind im Berichtsjahr wichtige Fortschritte erzielt<br />

wor den. Mit dem Schuldenschnitt in Griechenland, der<br />

Vergrößerung und Flexibilisierung der Rettungsschirme,<br />

um fang reichen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung<br />

und tief greifenden wirtschaftlichen Reformprogrammen<br />

sind die Stellhebel in den hochverschuldeten<br />

Ländern umgelegt worden.<br />

● <strong>Die</strong> Natur der Krise – hohe Leistungsbilanzdefi zite<br />

und eine nicht nachhaltige Finanzpolitik – bringt es<br />

zwangsläufi g mit sich, dass eine schnelle Rückkehr zur<br />

Normalität nicht zu erwarten sein wird. <strong>Die</strong> Bewältigung<br />

der Krise verlangt daher Geduld, wobei Rückschläge<br />

nicht ausgeschlossen werden können. Bleibt die Wirtschaftspolitik<br />

auf Kurs, wird auch auf den internationalen<br />

Finanzmärkten das Vertrauen wachsen, dass die Defi zite<br />

mit der notwendigen Beharrlichkeit Schritt für Schritt<br />

zurückgeführt werden.<br />

● Mit dem Fiskalpakt ist die wirtschaftspolitische Integration<br />

noch enger geworden. Der Pakt wird zur vollen Wiederherstellung<br />

der Glaubwürdigkeit beitragen. <strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />

in der Finanzpolitik sollte noch weiter entwickelt<br />

werden, um ein dauerhaft reibungsloses Funktionieren des<br />

Euro zu gewährleisten. <strong>Die</strong> höhere Integrationsgeschwindigkeit<br />

im Euroraum sollte dabei aber nicht den Zusammenhalt<br />

mit den übrigen EU-Staaten gefährden.<br />

● <strong>Die</strong> Europäische Zentralbank hat seit Beginn der Finanzkrise<br />

einen ganz erheblichen Beitrag zur Stabilisierung<br />

der Finanzmärkte, aber auch der Konjunktur geleistet.<br />

Verstärkt muss die Notenbank jetzt aber ein Auge<br />

darauf richten, dass die Sondermaßnahmen nicht im<br />

Dauerbetrieb fortgeführt werden, sondern schrittweise<br />

zurückgeführt werden, sobald die Situation dies zulässt.<br />

● Blieben die Zinsen längerfristig auf einem sehr niedrigen<br />

Niveau, sähen sich die Akteure an den Finanzmärkten<br />

vor gravierende Herausforderungen gestellt. Anhaltend<br />

günstige Finanzierungsbedingungen bieten<br />

Anreize, übermäßig Kredite aufzunehmen und tragen<br />

gleichzeitig zu einem liquiditätsgetriebenen Anstieg von<br />

Vermögenspreisen bei. Über beide Kanäle können die<br />

Risiken für die Finanzstabilität zunehmen. Zudem werden<br />

Fehllenkungen von Kapital in volkswirtschaftlich<br />

weniger effi ziente Verwendungen wahrscheinlicher. Des<br />

Weiteren wird die für die Zukunftsvorsorge unentbehrliche<br />

Altersvorsorge der privaten Haushalte durch niedrige<br />

reale Renditen geschwächt.<br />

Executive Summary<br />

● <strong>Die</strong> zahlreichen negativen Auswirkungen dauerhaft<br />

niedriger Zinsen stellen nicht nur die Notenbank vor die<br />

Aufgabe, die Angemessenheit ihres geldpolitischen Kurses<br />

zu prüfen. Auch müssen Banken die Leistungsfähigkeit ihrer<br />

Kunden dahingehend überprüfen, ob deren Kreditwürdigkeit<br />

auch bei einer Rückkehr zu normalen Zinsniveaus<br />

noch gewährleistet wäre. Schließlich ist die sich gerade etablierende<br />

makroprudentielle Finanzaufsicht gefordert, im<br />

Fall sich abzeichnender Blasen an Vermögensmärkten geeignete<br />

Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten.<br />

● Während Europa stark mit der Bewältigung der Finanz-<br />

und der Staatsschuldenkrise beschäftigt ist, schreiten<br />

im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs der Schwellenländer<br />

gravierende Veränderungen der Topographie<br />

der globalen Finanzmärkte voran. Noch befi nden sich<br />

die fi nanziellen Vermögenswerte schwerpunktmäßig in<br />

den fortgeschrittenen Ländern. Dynamik und Wachstum<br />

konzentrieren sich inzwischen aber vornehmlich an<br />

den Finanzzentren in Asien, im Mittleren Osten und<br />

Lateinamerika. <strong>Die</strong>s gilt insbesondere für die Aktienmärkte,<br />

die vom Kapitalhunger und der auch grenzüberschreitenden<br />

Expansion erfolgreicher Unternehmen<br />

getrieben werden. Angesichts des hohen Kom pe tenzvorsprungs<br />

bietet diese Entwicklung für <strong>Deutschland</strong><br />

und Europa als <strong>Finanzstandort</strong> durchaus Potenziale.<br />

● Von den Chancen der globalen Finanzmärkte kann<br />

der <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> am besten profi tieren,<br />

wenn es gelingt, eine global möglichst einheitliche und<br />

konsistente Regulierung der Finanzmärkte zu erreichen.<br />

Alleingänge, wie beispielsweise durch eine einseitige<br />

Einführung einer Transaktionssteuer, wären kontraproduktiv.<br />

<strong>Die</strong> politische Motivation einer Eindämmung<br />

unerwünschter Spekulation und einer Erhöhung der Stabilität<br />

der Finanzmärkte ist zu unterstützen, jedoch ist<br />

die Finanztransaktionssteuer nicht das geeignete Instrument,<br />

diese Ziele zu erreichen. Stattdessen ist damit zu<br />

rechnen, dass die negativen Eff ekte auf den <strong>Finanzstandort</strong>,<br />

aber auch direkt auf Bürger und Unternehmen deutlich<br />

überwiegen würden.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

1<br />

11


12<br />

Internationaler Vergleich<br />

<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

2<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

13


14<br />

Ergebnisse des „DFD-Sterns“<br />

Der internationale Vergleich mithilfe des DFD-Sterns<br />

zeigt deutlich die Charakteristika des <strong>Finanzstandort</strong>s<br />

<strong>Deutschland</strong> auf. Daran lässt sich auch die unterschiedliche<br />

Wirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die<br />

einzelnen Standorte in Europa ablesen.<br />

Im Segment Finanzierungsmärkte (Bankkredite und<br />

Kapitalmarkt) lassen sich wie in den Vorjahren zwei<br />

Aspekte erkennen: Im internationalen Vergleich ist in<br />

<strong>Deutschland</strong> noch immer eine Dominanz des Bankkredits<br />

relativ zu den Kapitalmarktprodukten erkenn bar.<br />

Gleichzeitig wird aber deutlich, dass in den letzten Jahren<br />

die Inanspruchnahme von Krediten durch Haushalte<br />

und Unternehmen in <strong>Deutschland</strong> im Vergleich zum<br />

Ausland verhalten war.<br />

Daran hat sich auch 2011 – einem Jahr, in dem die deutsche<br />

Wirtschaft deutlich schneller wuchs als der Rest<br />

Europas – wenig geändert: Zwar legten die Unternehmenskredite<br />

leicht überdurchschnittlich zu, die Kreditvergabe<br />

an private Haushalte blieb jedoch zögerlich. Der<br />

Wert für Bankkredite hat sich damit auf niedrigem<br />

Niveau zumindest stabilisiert, nachdem er in den Vorjahren<br />

kontinuierlich gefallen war. Von einem „Kreditboom“<br />

ist <strong>Deutschland</strong> jedoch denkbar weit entfernt.<br />

Demgegenüber ist der Wert für Kapitalmarktfi nanzierung<br />

nochmals leicht zurückgegangen. Angesichts der<br />

relativ stabilen Verfassung der deutschen Banken, keinerlei<br />

Anzeichen für eine Kreditklemme und anhaltender Nervosität<br />

auf den Kapitalmärkten gab es wohl kaum Gründe<br />

für deutsche Unternehmen, letztere stärker als in den Vorjahren<br />

in Anspruch zu nehmen. Im Gegenteil: Der Trend<br />

war 2011, wie auch im übrigen Europa, rückläufi g.<br />

Mittel- und langfristig bleibt eine ausgewogene Finanzierungsstruktur,<br />

die sich alle Kanäle entsprechend ihrer<br />

Leistungsfähigkeit zunutze macht, auf der Agenda. Mit<br />

der Überwindung der Wirtschaftskrise rückt die Stärkung<br />

der Kapitalmarktinstrumente, neben der des Bankkredits,<br />

wieder stärker ins Blickfeld. Angesichts dauerhaft<br />

niedriger Zinsen dürften Unternehmensschulden auch als<br />

Anlageklasse für Investoren an Attraktivität gewinnen.<br />

Auf den Anlagemärkten wiederholt sich das Muster der<br />

starken Bankorientierung. <strong>Die</strong> Veränderungen gegenüber<br />

dem Vorjahr sind nur gering. Der Wert für Bankeinlagen<br />

hat sich dabei minimal verbessert. Hinter dieser<br />

scheinbaren Stabilität verbergen sich allerdings sehr unterschiedliche<br />

Entwicklungen: In den Peripherieländern<br />

wie Irland, Italien, Spanien und vor allem Griechenland<br />

Der vom Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> (DFD) entwickelte DFD-Stern ist ein Indikator für die Performance<br />

der Kapital-, Kredit- und Versicherungsmärkte in <strong>Deutschland</strong>. <strong>Die</strong> „natürliche Benchmark“ dafür bilden im zunehmend<br />

integrierten europäischen Finanzmarkt die anderen nationalen Teilmärkte in der EU. In einem vollkommen<br />

homogenen Markt wären Entwicklungsunterschiede weitgehend nivelliert, und die nationalen Marktanteile in den<br />

einzelnen Segmenten entsprächen der Bedeutung der nationalen Wirtschaft innerhalb Europas.<br />

Der DFD-Stern vergleicht demgemäß die Bedeutung der deutschen Finanzmärkte mit der relativen Größe der deutschen<br />

Wirtschaft in Europa. Entspricht der Marktanteil <strong>Deutschland</strong>s dabei exakt dem des Bruttoinlandsprodukts, ergibt diese<br />

Äquivalenz den Wert 1: <strong>Die</strong> Größe des Finanzmarktsegments spiegelt 1 zu 1 das deutsche Wirtschaftsgewicht wider.<br />

Werte größer als 1 signalisieren, dass das entsprechende Marktsegment in <strong>Deutschland</strong> stärker entwickelt ist. Werte<br />

unter 1 zeigen dagegen nicht ausgeschöpfte Reserven und Potenziale an. Aus Gründen der Einfachheit und Überschaubarkeit<br />

wird der DFD-Stern für alle Marktsegmente – Finanzierung, Anlage, Risikoschutz und Handel – integriert dargestellt.<br />

werden weiterhin Gelder von Banken abgezogen, während<br />

in anderen Ländern wie Frankreich, Schweden oder<br />

den Niederlanden eine höhere Risikoscheu und Liquiditätspräferenz<br />

der Anleger den Bankeinlagen zugutekommen;<br />

auch <strong>Deutschland</strong> verzeichnete, im Einklang mit<br />

der Wirtschafts- und Einkommensentwicklung, ein solides<br />

Wachstum der Bankeinlagen.<br />

Auf der anderen Seite ist die relative deutsche Schwäche<br />

der Kapitalmarktprodukte – sei es in Form der Direktanlage<br />

oder der indirekten Anlage via Versicherungen oder<br />

Fonds – nicht allein der deutschen Skepsis gegenüber der<br />

Aktie geschuldet. Sie hat auch strukturelle Gründe: So dominiert<br />

bei der Absicherung des fi nanziellen Wohlstands<br />

im Alter nach wie vor das staatliche Rentensystem, die<br />

Vorsorge über Versicherungen / Pensionen ist immer noch<br />

unterdurchschnittlich. Allerdings ist hier in den kommenden<br />

Jahren mit dem allmählichen relativen Abschmelzen<br />

der staatlichen Leistungen und der weiteren Verbreitung<br />

der Riester-Rente und der betrieblichen Altersvorsorge<br />

eine Verschiebung in Richtung der kapitalgedeckten<br />

Alters vorsorge vorgezeichnet. Der Erfolg der Riester-Rente<br />

verdeutlicht, dass die notwendige Anpassung des Sparverhaltens<br />

an die demografi sche Entwicklung wohl kaum<br />

ohne entsprechende staatliche Förderung gelingen wird.<br />

Der notwendige Ausbau der kapitalgedeckten Alters vorsorge<br />

erfordert ein gemeinsames und partnerschaftliches<br />

Handeln von Finanzwirtschaft und Politik.<br />

<strong>Die</strong> Risikoübernahme der Versicherer schützt Unternehmen<br />

und private Haushalte vor ruinösen Ereignissen und<br />

leistet so auch volkswirtschaftlich einen wichtigen Beitrag<br />

zur Bewältigung von Unsicherheiten. <strong>Deutschland</strong> nimmt<br />

im Bereich Risikoschutz im europäischen Vergleich wie in<br />

den Vorjahren eine Spitzenposition ein. Auch in der Krise<br />

steht die Risikotragfähigkeit der Versicherer außer Frage.<br />

Schließlich zeigt der Bereich Börsenhandel eine weitere<br />

Stärke des <strong>Finanzstandort</strong>s <strong>Deutschland</strong>: Auch<br />

wenn der deutsche Aktienmarkt, gemessen an seiner<br />

Marktkapitalisierung in Relation zum BIP, sicherlich<br />

Internationaler Vergleich <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

DFD-Stern 2011<br />

Anteilswerte für <strong>Deutschland</strong> in Relation<br />

zum BIP-Anteil =1<br />

Börsenhandel<br />

Risikoschutz<br />

Anmerkungen: Benchmark jeweils alle EU-15-Länder<br />

ohne Luxemburg<br />

Bankkredite: Kredite an nicht-fi nanzielle Unternehmen<br />

(ohne Wertpapierbestände der Banken) und Kredite an<br />

Privathaushalte<br />

Kapitalmarktfinanzierung: Aktienmarktkapitalisierung,<br />

Umlauf an Unternehmensanleihen und Verbriefungen<br />

Bankeinlagen: Einlagen privater Haushalte und<br />

nicht-fi nanzieller Unternehmen<br />

Kapitalmarktanlagen: Direktanlage in Aktien und Bonds,<br />

Ansprüche gegenüber Versicherungen (einschließlich<br />

Pensionsfonds und -kassen) und Investmentfonds<br />

(einschließlich Spezialfonds und anderen Non-UCITS-Fonds)<br />

Risikoschutz: Versicherungsprämien im Bereich<br />

Schaden und Unfall<br />

Börsenhandel: Aktienumsatz<br />

Quelle: DFD<br />

Bankkredite<br />

1 1<br />

Kapitalmarktanlagen<br />

Kapitalmarkt–<br />

fi nanzierung<br />

Bankeinlagen<br />

nicht zu den größten in Europa zählt, ist er ohne Frage<br />

einer der aktivsten. Besonders die hervorragende Handelsinfrastruktur<br />

des Börsenplatzes aber stellt eine<br />

gute Voraussetzung für den <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

dar, um im europäischen Finanzmarkt der Post-<br />

Krisen-Ära eine gewichtigere Rolle zu spielen.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

2<br />

15


16<br />

Kredite an nicht-fi nanzielle Unternehmen, 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

<strong>Deutschland</strong> 906.814 1,5 35,3<br />

Italien 905.277 3,0 57,0<br />

Frankreich 878.287 4,7 44,2<br />

Spanien 861.406 -5,8 80,2<br />

Großbritannien 543.961 -3,1 31,4<br />

Niederlande 364.831 4,6 60,3<br />

Schweden 204.200 7,4 53,5<br />

Österreich 165.414 3,9 54,8<br />

Dänemark 139.531 -3,2 57,0<br />

Portugal 117.003 -1,4 68,4<br />

Belgien 115.009 3,0 31,1<br />

Griechenland 114.339 -2,8 53,1<br />

Irland 100.931 -3,9 64,7<br />

Finnland 64.274 9,9 34,0<br />

Gesamt EU 5.481.277 0,7 47,3<br />

Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />

Bankkredite an private Haushalte, 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

<strong>Deutschland</strong> 1.435.808 0,8 55,8<br />

Großbritannien 1.411.768 2,9 81,5<br />

Frankreich 1.069.225 5,8 53,8<br />

Spanien 859.728 -2,2 80,0<br />

Italien 593.073 0,0 37,4<br />

Niederlande 420.865 1,9 69,6<br />

Dänemark 316.883 0,9 129,4<br />

Schweden 297.180 5,8 77,9<br />

Griechenland 144.050 2,2 47,7<br />

Österreich 140.671 -1,1 82,3<br />

Belgien 127.576 -4,6 59,3<br />

Portugal 112.691 -15,3 72,2<br />

Finnland 110.028 5,5 58,1<br />

Irland 108.453 -1,6 29,4<br />

Gesamt EU 7.147.999 1,4 61,7<br />

Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />

Unternehmensanleihen<br />

ausstehende Nominalvolumina, 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

Großbritannien 508.107 20,4 29,3<br />

Frankreich 316.261 6,9 15,9<br />

<strong>Deutschland</strong> 95.447 -19,0 3,7<br />

Italien 82.690 -0,9 5,2<br />

Niederlande 59.042 0,7 9,8<br />

Österreich 46.976 13,1 15,6<br />

Portugal 40.832 8,4 23,9<br />

Belgien 22.083 26,6 6,0<br />

Finnland 20.395 5,0 10,8<br />

Spanien 14.631 8,6 1,4<br />

Griechenland 61 0,0 0,0<br />

Gesamt EU 1.206.525 8,9 10,4<br />

Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />

Aktienmarktkapitalisierung<br />

börsennotierter Unternehmen, 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

LSE Group (GB & Italien) 2.516.122 -6,6 145,3<br />

Euronext-Länder 1.884.745 -13,7 60,1<br />

<strong>Deutschland</strong> 912.421 -14,4 35,5<br />

Spanien 794.170 -9,1 73,9<br />

OMX-Länder 648.670 -16,5 79,5<br />

Irland 83.495 85,6 53,5<br />

Österreich 65.683 -30,8 21,8<br />

Griechenland 26.020 -48,4 12,1<br />

Gesamt EU 6.931.326 -10,9 59,8<br />

Quelle: World Federation of Exchanges<br />

Verbriefungen<br />

ausstehende Nominalvolumina, 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

Großbritannien 568.400 5,2 32,8<br />

Niederlande 314.800 -3,7 52,0<br />

Spanien 280.700 -7,1 26,1<br />

Italien 197.700 -10,8 12,5<br />

Belgien 85.600 4,7 23,2<br />

<strong>Deutschland</strong> 83.400 -10,7 3,2<br />

Irland 62.800 -16,8 40,3<br />

Portugal 55.200 -6,0 32,3<br />

Frankreich 41.300 23,0 2,1<br />

Griechenland 34.200 -6,1 15,9<br />

Gesamt EU 1.724.100 -2,6 14,9<br />

Quelle: Association for Financial Markets in Europe (AFME)<br />

Bankeinlagen von Nicht-Banken, 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

<strong>Deutschland</strong> 3.130,5 3,9 121,8<br />

Großbritannien 2.801,9 0,6 161,3<br />

Frankreich 1.910,6 7,8 96,1<br />

Spanien 1.725,5 -2,8 160,8<br />

Italien 1.401,8 -2,7 88,7<br />

Niederlande 866,3 4,8 143,9<br />

Belgien 476,6 1,6 129,2<br />

Österreich 319,3 4,3 106,0<br />

Portugal 241,8 5,3 141,4<br />

Schweden 240,5 7,2 62,1<br />

Irland 213,3 -3,7 136,3<br />

Griechenland 184,1 -18,0 85,6<br />

Dänemark 161,6 -1,8 67,4<br />

Finnland 128,9 8,0 67,3<br />

Gesamt EU 14.582,6 1,7 115,5<br />

Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />

Ansprüche gegenüber<br />

Versicherungen / Pensionsfonds, 2010<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

Großbritannien 2.703.597 5,9 158,4<br />

<strong>Deutschland</strong> 1.668.900 4,3 67,4<br />

Frankreich 1.468.959 -1,1 76,0<br />

Niederlande 1.075.161 11,1 182,7<br />

Italien 669.099 5,9 43,0<br />

Schweden 305.481 11,9 90,6<br />

Dänemark 285.578 11,1 121,2<br />

Spanien 268.521 2,1 25,5<br />

Belgien 230.849 6,4 65,1<br />

Irland 120.983 1,7 77,6<br />

Österreich 96.193 4,6 33,6<br />

Portugal 75.870 6,9 44,0<br />

Finnland 43.725 4,1 24,3<br />

Griechenland 11.631 5,7 5,1<br />

Gesamt EU 9.033.000 5,2 80,2<br />

Quelle: Allianz Global Wealth Report 2011<br />

Wertpapiere der privaten Haushalte 1 , 2010<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

Italien 1.719.000 -2,2 110,9<br />

<strong>Deutschland</strong> 1.363.000 6,7 54,6<br />

Frankreich 1.040.000 6,3 53,4<br />

Großbritannien 767.000 9,7 45,7<br />

Spanien 547.000 -9,3 51,5<br />

Belgien 391.000 6,0 111,1<br />

Schweden 286.000 10,9 84,9<br />

Niederlande 254.000 1,6 43,0<br />

Dänemark 164.000 13,1 70,8<br />

Österreich 154.000 5,5 54,0<br />

Portugal 134.000 2,3 78,1<br />

Finnland 101.000 12,2 56,0<br />

Irland 44.000 -21,4 28,1<br />

Griechenland 44.000 -13,7 19,1<br />

Gesamt EU 7.008.000 2,9 62,2<br />

1 Direktanlagen in Aktien und Anleihen sowie Investmentfonds<br />

Quelle: Allianz Global Wealth Report 2010<br />

Prämien Nicht-Leben-Versicherung, 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

<strong>Deutschland</strong> 56.700 2,7 2,2<br />

Frankreich 48.000 4,3 2,4<br />

Großbritannien 47.565 1,6 2,7<br />

Italien 34.200 1,6 2,2<br />

Spanien 25.135 -1,1 2,3<br />

Niederlande 11.135 2,3 1,8<br />

Belgien 8.590 3,1 2,3<br />

Österreich 7.778 2,9 2,6<br />

Dänemark 7.458 3,0 3,0<br />

Schweden 6.361 4,1 1,7<br />

Portugal 3.580 -1,6 2,1<br />

Finnland 3.196 2,9 1,7<br />

Irland 2.965 -1,9 1,9<br />

Griechenland 2.818 -6,5 1,3<br />

Gesamt EU 265.481 2,1 2,3<br />

Quelle: GDV, Allianz SE<br />

Internationaler Vergleich <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Prämien Lebensversicherung 2011<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

Großbritannien 151.677 0,3 8,8<br />

Frankreich 124.000 -13,4 6,2<br />

<strong>Deutschland</strong> 86.800 -3,9 3,4<br />

Italien 73.900 -18,0 4,7<br />

Spanien 28.869 9,4 2,7<br />

Schweden 23.004 6,2 6,0<br />

Niederlande 21.358 -1,1 3,5<br />

Belgien 18.529 -3,2 5,0<br />

Dänemark 16.022 7,3 6,5<br />

Irland 9.522 0,4 6,1<br />

Portugal 7.533 -38,1 4,4<br />

Österreich 6.989 -7,5 2,3<br />

Finnland 5.071 6,5 2,7<br />

Griechenland 2.106 -7,3 1,0<br />

Gesamt EU 575.380 -6,4 5,0<br />

Quelle: GDV, Allianz SE<br />

Prämien Rückversicherung, 2010<br />

Mio. EUR J/J in % % BIP<br />

<strong>Deutschland</strong> 34.186 2,9 1,4<br />

Großbritannien 8.674 7,1 0,5<br />

Frankreich 4.354 3,2 0,2<br />

Irland 4.115 7,0 2,6<br />

Spanien 1.931 11,6 0,2<br />

Schweden 730 -9,9 0,2<br />

Belgien 202 3,0 0,1<br />

Gesamt EU 54.191 4,0 0,5<br />

Quelle: Standard & Poor‘s Global Reinsurance Highlights 2011<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

2<br />

17


18<br />

Status quo des deutschen<br />

<strong>Finanzstandort</strong>s<br />

3.1 Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

3.2 Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

3<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

19


20<br />

3.1.1 Versicherer<br />

Stabile Umsatzentwicklung<br />

<strong>Deutschland</strong> ist nach den USA, Japan, Großbritannien<br />

und Frankreich weltweit der fünftgrößte Erstversicherungsmarkt.<br />

Neben branchenspezifi schen<br />

Einfl üssen – einem intensiven Wettbewerbsgeschehen<br />

und Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen<br />

– hängt die Entwicklung der Beitragseinnahmen<br />

in der Versicherungswirtschaft auch von der<br />

wirtschaftlichen Lage der privaten Haushalte ab, auf<br />

die über 80 % der Versicherungsnachfrage entfallen.<br />

Insbesondere in der Lebensversicherung kommt<br />

außer dem dem Kapitalmarktumfeld erhebliche Be -<br />

deu tung zu. Nach einem starken Anstieg des Einmalbeitragsgeschäfts<br />

in den Jahren 2009 und 2010 kam<br />

es hier in 2011 zu einer Normalisierung. <strong>Die</strong> Beitragseinnahmen<br />

in der deutschen Versicherungswirtschaft<br />

insgesamt sind aufgrund dieses Sonderfaktors in 2011<br />

leicht um 0,4 % auf jetzt 178 Mrd. EUR zu rückgegangen<br />

(2010: +4,3 %, 2009: +4,2 %). Ohne die<br />

Ein malbeiträge in der Lebensversicherung ergäbe sich<br />

für 2011 dagegen ein Beitragsplus von 2,3 %. Insgesamt<br />

hat sich die deutsche Versicherungswirtschaft<br />

damit trotz des schwierigen gesamtwirtschaftlichen<br />

Umfelds auch in den letzten Jahren überaus stabil entwickelt.<br />

Aufgrund ihrer unverzichtbaren gesamtwirtschaftlichen<br />

Funktion bei der Abdeckung vielfältiger<br />

Risiken von privaten Haushalten und Unternehmen<br />

verfügt die Versicherungswirtschaft über eine dauerhaft<br />

stabile Nachfragebasis. Längerfristig sprechen<br />

zudem viele fundamentale Faktoren für ein erhebliches<br />

Wachstumspotenzial der deutschen Versicherungswirtschaft.<br />

So bringt etwa der demografi sche<br />

Wandel erhebliche Wachstumschancen im Bereich<br />

der privaten Daseinsvorsorge mit sich.<br />

Das Kapitalanlagevolumen der deutschen Erstversicherer<br />

(einschließlich Pensionskassen und -fonds) ist<br />

in 2011 weiter gestiegen. Es belief sich Ende 2011 auf<br />

rund 1,2 Bio EUR. Neben ihrer Funktion als Risikoträger<br />

gehören die Erstversicherungsunternehmen<br />

damit zu den bedeutendsten institutionellen Anlegern<br />

der deutschen Volkswirtschaft.<br />

Relative Bedeutung der Lebens-, Kranken- und<br />

Schaden- und Unfallversicherung<br />

Anteile in %, 2010<br />

100<br />

75<br />

50<br />

25<br />

0<br />

Beiträge Verträge im<br />

Bestand<br />

■ Leben 2 ■ Kranken ■ Schaden / Unfall<br />

Beschäftigte Kapitalanlagen<br />

1 Jahresüberschuss vor Steuer und vor Gewinnabführung<br />

2 ohne Pensionskassen und Pensionsfonds. Quelle: GDV, AGV<br />

Erträge 1<br />

Stabile Beitragsentwicklung der Erstversicherer<br />

in <strong>Deutschland</strong><br />

Beiträge der Hauptsparten in Mrd. EUR<br />

100<br />

75<br />

50<br />

25<br />

0<br />

Lebensversicherung1 Private<br />

Kranken versicherung<br />

■ 2009 ■ 2010 ■ 2011<br />

Schaden- und<br />

Unfallversicherung<br />

1 Einschließlich Pensionskassen und Pensionsfonds. Quelle: GDV<br />

Versicherungsmarkt <strong>Deutschland</strong>:<br />

weder fragmentiert noch konzentriert<br />

Marktanteil der 10 größten Versicherungsgruppen in %, 2010<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Quelle: BaFin, GDV<br />

Leben Kranken Schaden / Unfall Erstversicherer<br />

insgesamt<br />

Am deutschen Erstversicherungsmarkt waren Ende<br />

2011 351 Versicherungsunternehmen sowie 189<br />

Pensions- und Sterbekassen zugelassen. <strong>Die</strong> Anzahl<br />

der geschäftstätigen Unternehmen hat sich damit einem<br />

längerfristigen Trend folgend weiter leicht verringert.<br />

Fusionen und Übernahmen hatten in letzter<br />

Zeit zu beachtlichen Veränderungen der Unternehmenslandschaft<br />

geführt. Der Konzen trationsgrad in<br />

der deutschen Versicherungswirtschaft ist aber nach<br />

wie vor nicht übermäßig hoch. Im internationalen<br />

Vergleich fallen die für den deutschen Versicherungsmarkt<br />

ermittelten Konzentrationsgrade keineswegs<br />

aus dem Rahmen.<br />

Bei den Anteilen der Vertriebswege am Neugeschäft,<br />

beispielsweise in der Lebensversicherung, kommt den<br />

Einfi rmenvertretern weiterhin eine Vorrangstellung<br />

zu – gefolgt von den Mehrfi rmenvertretern. Auch der<br />

Vertrieb über die Kreditinstitute hat in den letzten<br />

Jahren an Bedeutung gewonnen.<br />

Als Arbeitgeber bieten allein die deutschen Versicherungsunternehmen<br />

(Erst- und Rückversicherer zusammen)<br />

im Innendienst und im angestellten Außendienst<br />

etwa 215.500 Beschäftigten (2011) Arbeit.<br />

Nimmt man die Beschäftigten im Vermittlergewerbe<br />

und die selbstständigen Versicherungsvertreter und<br />

-berater hinzu, so wies die Versicherungswirtschaft in<br />

2011 rund 560.000 Erwerbstätige auf.<br />

Rückversicherer: weiterhin global führend<br />

<strong>Deutschland</strong> behauptet seinen Platz als global führender<br />

Rückversicherungsstandort: Zwei der weltweit<br />

fünf größten Rückversicherungsgruppen haben ihren<br />

Hauptsitz in <strong>Deutschland</strong>, die übrigen sind mit<br />

bedeutenden Tochtergesellschaften vertreten. Insgesamt<br />

standen 2010 in <strong>Deutschland</strong> 36 Rückversicherungsunternehmen<br />

unter Aufsicht der BaFin, deren<br />

erzieltes Prämienvolumen von rund 36 Mrd. EUR<br />

mehr als ein Viertel des Weltmarkts ausmacht.<br />

Einfi rmenvertreter dominieren<br />

Vermitteltes Neugeschäft Leben in %,<br />

gemessen an der Beitragssumme, 2010<br />

2,3 % Sonstige<br />

2,6 %<br />

Direktvertriebe<br />

23,6 %<br />

Kreditinstitute<br />

Quelle: GDV<br />

42,0 %<br />

Einfi rmen- und<br />

Konzernvermittler<br />

29,5 % Mehrfi rmenvermittler<br />

Versicherungswirtschaft wichtiger Arbeitgeber<br />

Entwicklung der Beschäftigten bei Versicherungsunternehmen<br />

in Tsd.<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Quelle: AGV<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Führender Rückversicherungsstandort<br />

Verdiente Beiträge der Rückversicherungsunternehmen<br />

in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

‘97‘ ‘98 ‘99 ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 1<br />

1 Zahlen für 2010 vorläufig. Quelle: BaFin<br />

Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.1<br />

21


22<br />

3.1.2 Banken<br />

Kernbranche der deutschen Wirtschaft<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kreditwirtschaft</strong> ist einer der bedeutendsten Zweige<br />

der deutschen Wirtschaft. Mit einem Anteil in<br />

Höhe von 3,6 % 1 an der gesamten Bruttowertschöpfung<br />

war sie im Jahr 2009 einer der wichtigsten Wirtschaftszweige<br />

<strong>Deutschland</strong>s. Ihr Anteil an der gesamtwirtschaft<br />

lichen Produktion von Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

lag damit wieder ähnlich hoch wie Ende der<br />

1990er Jahre, nach einem Rückgang vor allem seit<br />

Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Der jüngste Anstieg<br />

der Bruttowertschöpfung in 2009 steht auch im<br />

Zusammenhang mit der ausgesprochen expansiven<br />

Ausrichtung der Geld politik der Europäischen Zentralbank<br />

und den Besonderheiten der methodisch<br />

schwierigen, indirekten statistischen Er fassung.<br />

Gleichzeitig hatten stark export orientierte Wirtschaftszweige<br />

durch eine weltweite konjunkturelle Abschwächung<br />

einen deutlichen Einbruch der Produktion<br />

zu verkraften. <strong>Die</strong> Wirtschaftsleistung des<br />

deutschen Bankensektors fi el damit deutlich höher aus<br />

als die des Maschinen- oder Fahrzeugbaus. Neben seiner<br />

beachtlichen Wirtschafts leistung besticht das<br />

deutsche Kreditgewerbe aber auch als ein wichtiger Arbeitgeber<br />

in <strong>Deutschland</strong>. Mit rund 667.900 Personen<br />

(Stand 2010) beschäftigt die <strong>Kreditwirtschaft</strong> mehr als<br />

1,6 % aller Erwerbstätigen in <strong>Deutschland</strong>.<br />

<strong>Die</strong> deutschen Banken haben in den letzten Jahren<br />

ihre Kapitalausstattung erhöht, ihre Ertragslage stabil<br />

gehalten und die Anfälligkeit in der Refi nanzierung<br />

abgebaut. <strong>Die</strong>s attestiert die Bundesbank in ihrem<br />

Finanzstabilitätsbericht 2011. Insgesamt hat sich<br />

dadurch die Risikotragfähigkeit der deutschen Banken<br />

in einem weiterhin schwierigen gesamtwirtschaftlichen<br />

Umfeld erhöht.<br />

Im europäischen Vergleich kommt der deutschen<br />

<strong>Kreditwirtschaft</strong> aufgrund der Größe der deutschen<br />

Volkswirtschaft ebenfalls eine besondere Bedeutung<br />

zu: Gemessen an den Einlagen von und den Krediten<br />

an Nicht-Banken stellt <strong>Deutschland</strong> den größten<br />

Bankensektor Europas. Ende 2011 standen bei den<br />

deutschen Banken Kundeneinlagen in Höhe von<br />

<strong>Kreditwirtschaft</strong> einer der größten Wirtschaftszweige<br />

Anteile an der Bruttowertschöpfung nach Sektoren in %, 2009<br />

Bau<br />

<strong>Kreditwirtschaft</strong><br />

Maschinenbau<br />

Energie, Wasser<br />

Metall<br />

Fahrzeugbau<br />

Elektro<br />

Chemie<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

0 1 2 3 4 5<br />

Hohe Bedeutung der deutschen <strong>Kreditwirtschaft</strong><br />

Bilanzsumme der Banken in % des BIP, 2011<br />

Großbritannien<br />

Frankreich<br />

Spanien<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Italien<br />

Polen<br />

EU27<br />

Quelle: EZB, Eurostat<br />

2,3<br />

0 100 200 300 400 500 600<br />

84<br />

Solides Kreditgeschäft<br />

Bestand der Bankkredite an Nicht-Banken in % des BIP, 2011 2<br />

Spanien<br />

Großbritannien<br />

Italien<br />

Frankreich<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Polen<br />

EU27<br />

Quelle: EZB, Eurostat<br />

258<br />

2,6<br />

2,6<br />

2,5<br />

2,8<br />

337<br />

326<br />

3,0<br />

367<br />

3,6<br />

423<br />

4,5<br />

559<br />

0 50 100 150 200<br />

55<br />

117<br />

115<br />

127<br />

132<br />

167<br />

178<br />

3.131 Mrd. EUR sowie Kundenkredite von 2.969 Mrd.<br />

EUR in den Büchern. <strong>Die</strong> Bilanzsumme belief sich<br />

zur gleichen Zeit auf 8.393 Mrd. EUR. <strong>Die</strong> deutschen<br />

Banken wurden dabei nur von den britischen Banken<br />

übertroff en, die Ende 2011 eine Bilanzsumme von<br />

9.722 Mrd. EUR auswiesen.<br />

<strong>Die</strong> Bilanzsumme der deutschen Kreditinstitute<br />

gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt im europäischen<br />

Mittelfeld. Durch die aggregierte Bilanzsumme<br />

der inländischen Institute wird allerdings nicht<br />

das gesamte Geschäft deutscher Banken erfasst, denn<br />

deutsche Finanzinstitute betreuen auch im Ausland<br />

ihre Kunden. So waren Ende 2011 56 deutsche Banken<br />

mit 209 Filialen im Ausland vertreten, die eine<br />

Bilanzsumme von 2.317 Mrd. EUR aufwiesen. Hinzu<br />

kamen 87 Auslandstöchter mit einem Geschäftsvolumen<br />

in Höhe von 479 Mrd. EUR. Gleichzeitig ist der<br />

deutsche Markt off en für Wettbewerber aus dem Ausland.<br />

So betreiben auch ausländische Banken über<br />

eigene Zweigstellen und Töchter in <strong>Deutschland</strong> ihre<br />

Geschäfte. Gemessen an der Bilanzsumme Ende 2011<br />

hatten diese einen Marktanteil von 11,2 % inne.<br />

Fortlaufende Strukturanpassung<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kreditwirtschaft</strong> reagiert auf den weiterhin ausgeprägten<br />

Wettbewerbsdruck mit fortlaufenden Strukturanpassungen.<br />

Unter anderem hat sich dabei die<br />

Anzahl der Institute in den letzten zwei Jahrzehnten<br />

deutlich verringert. Ende 2011 lag die Zahl der Banken<br />

in <strong>Deutschland</strong> bei 1.903. Das sind weniger als<br />

halb so viele wie 1990, als noch 4.638 Kreditinstitute<br />

von der <strong>Deutsche</strong>n Bundesbank gezählt wurden. <strong>Die</strong><br />

Konsolidierung erfolgte überwiegend über Zusammenschlüsse.<br />

Als Folge des Rückgangs der Institutszahl<br />

und der Ausweitung der Geschäftsaktivitäten<br />

stieg die durchschnittliche Bilanzsumme der Institute<br />

in diesem Zeitraum von 0,6 auf zuletzt 4,4 Mrd. EUR.<br />

Trotz des anhaltenden Trends hin zu größeren Geschäftseinheiten<br />

ist die Bankendichte in <strong>Deutschland</strong><br />

mit 23 Kreditinstituten bezogen auf eine Million Einwohner<br />

im Vergleich zu anderen europäischen Flächenländern<br />

immer noch am höchsten.<br />

… und solides Einlagengeschäft<br />

Einlagen von Nicht-Banken in % des BIP, 2011 2<br />

Großbritannien<br />

Spanien<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Frankreich<br />

Italien<br />

Polen<br />

EU27<br />

Quelle: EZB, Eurostat<br />

0 50 100 150 200<br />

49<br />

89<br />

96<br />

115<br />

122<br />

Konsolidierung setzt sich fort<br />

Anzahl der Kreditinstitute in <strong>Deutschland</strong> in Tsd.<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

’90 ’91 ’92 ’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

1 <strong>Die</strong> Angaben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung beziehen<br />

sich auf den mit der WZ2008 neu geschaffenen Wirtschaftszweig<br />

„Finanzdienstleister“, der neben den Kreditinstituten auch die<br />

Beteiligungsgesellschaften sowie Treuhand- und sonstige Fonds<br />

und ähnliche Finanzinstitutionen enthält.<br />

2 Während die Angaben zu Krediten und Einlagen bei Euro-Mitgliedsländern<br />

auf den gesamten Euroraum abstellen, werden bei<br />

Nicht- Euro-Ländern nur die Kredite an und die Einlagen von in den<br />

jeweiligen Ländern beheimateten Nicht-Banken berücksichtigt.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

161<br />

161<br />

3.1<br />

23


24<br />

Parallel zu der Anzahl der Kreditinstitute hat sich auch<br />

deren Geschäftsstellenanzahl verringert. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />

ist dabei nicht nur eine Folge der Fusionen im<br />

Bankensektor. Auch die zunehmende Nutzung neuer Vertriebswege,<br />

wie z. B. das Internet-Banking, hat dazu geführt,<br />

dass mit einem straff eren Geschäftsstellennetz die<br />

Nachfrage der Bundesbürger nach Bankdienstleistungen<br />

weiterhin umfassend befriedigt werden kann. In Zukunft<br />

dürfte sich der Trend zu einer wachsenden Durchschnittsgröße<br />

von Bank geschäftsstellen fortsetzen, indem Synergie-Potenziale<br />

weiter ausgenutzt werden. Gleichwohl gewährleistet<br />

die deutsche <strong>Kreditwirtschaft</strong> mit 40.300<br />

Geschäftsstellen (2010) weiterhin eine ausgesprochen<br />

hohe fl ächen deckende Präsenz in <strong>Deutschland</strong>.<br />

Dichte Versorgung<br />

Zahl der Kreditinstitute pro 1 Mio. Einwohner, Februar 2012<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Polen<br />

Italien<br />

Frankreich<br />

Spanien<br />

Großbritannien<br />

EU27<br />

Quelle: EZB, Eurostat<br />

0 5 10 15 20 25 30<br />

6<br />

7<br />

10<br />

12<br />

16<br />

18<br />

23<br />

3.1.3 Asset Manager<br />

Investmentfonds<br />

Am Markt für Investmentfonds in <strong>Deutschland</strong> gibt es<br />

vier große Fondsgesellschaften (Marktanteile von jeweils<br />

über 10 %). Auf sie entfi elen am 31. März 2012<br />

exakt 70,1 % aller Gelder in Wertpapierpublikumsfonds<br />

(ohne Immobilienfonds). Gegenüber dem Stand<br />

ein Jahr zuvor nahm der Marktanteil der vier führenden<br />

Anbieter um knapp 0,7 Prozentpunkt ab.<br />

Ein Spezifi kum des deutschen Investmentfondsmarktes<br />

sind die Spezialfonds für institutionelle Kunden.<br />

Sie spielen nur hierzulande eine Rolle und machen<br />

über die Hälfte des gesamten Fondsvolumens aus. Ungeachtet<br />

der konservativeren Anlagepolitik institutioneller<br />

Kunden hat sich das Fondsvermögen wie bei den<br />

Publikumsfonds vom Einbruch des Jahres 2008 erholt<br />

und konnte – auch dank kräftiger Zufl üsse – 2011<br />

abermals ein neues Rekordniveau erreichen. <strong>Die</strong> größten<br />

institutionellen Investoren sind Versicherungen<br />

und Altersvorsorgeeinrichtungen, die zusammen über<br />

die Hälfte des Spezial fondsvermögens ausmachen.<br />

Hedgefonds<br />

Der deutsche Hedgefonds-Markt ist im internationalen<br />

Vergleich von marginaler Größe und in seiner Bedeutung<br />

in den letzten Jahren kontinuierlich geschrumpft.<br />

Im Januar 2012 waren von der BaFin in <strong>Deutschland</strong><br />

10 Single-Hedgefonds und 7 Dach-Hedgefonds registriert.<br />

Hinzu kamen 5 Investmentaktiengesellschaften<br />

mit insgesamt 15 Teilgesellschaftsvermögen. Genaue<br />

Zahlen über das von deutschen Hedgefonds<br />

verwaltete Vermögen liegen nicht vor; es dürfte in der<br />

Größenordnung von etwa 1 Mrd. EUR liegen – das ist<br />

weniger als ein Promille des weltweit in Hedgefonds<br />

gehaltenen Vermögens.<br />

Auch die indirekte Anlage in Hedgefonds über Zertifi -<br />

kate stagniert auf niedrigem Niveau. <strong>Die</strong> Statistiken<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Derivate Verbands (DDV) weisen seit<br />

Mitte 2011 Zertifi kate mit dem Basiswert „Hedgefonds“<br />

nicht mehr separat aus; zu diesem Zeitpunkt<br />

belief sich das Anlagevolumen auf knapp 1 Mrd. EUR,<br />

Hohe Konzentration<br />

Marktanteile Wertpapierpublikumsfonds<br />

in <strong>Deutschland</strong> in %, 31. März 2012<br />

30 % Übrige<br />

18 % Allianz<br />

Quelle: BVI, DekaBank<br />

14 % Union<br />

23 % DWS<br />

15 % Deka<br />

Besonderheit Spezialfonds<br />

Entwicklung Fondsvermögen in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />

(Jahresendstände)<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />

■ Spezialfonds ■ Publikumsfonds<br />

Quelle: BVI, DekaBank<br />

Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.1<br />

25


26<br />

was in etwa dem Wert zum Jahresende 2010 entspricht.<br />

<strong>Die</strong> verfügbaren Zahlen für den weiteren Jahresverlauf<br />

lassen keinen Anstieg dieses Volumens im weiteren<br />

Jahresverlauf vermuten.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklungen im deutschen Hedgefonds-Markt<br />

stehen damit im Gegensatz zum globalen Trend: Weltweit<br />

ist das Anlagevolumen in Hedgefonds nach Angaben<br />

von Hedgefund Research im Jahre 2011 um knapp<br />

5 % auf etwas über 2 Bio. USD gestiegen und übersteigt<br />

damit das Prä-Krisenniveau (Ende 2007: 1,8 Bio.<br />

USD). <strong>Die</strong> sinkende Anzahl und das schrumpfende<br />

Anlagevolumen der in <strong>Deutschland</strong> beheimateten<br />

Hedgefonds lässt daher vermuten, dass sich deutsche<br />

Investoren anderer Wege bedienen, um ein Investment<br />

in Hedgefonds zu tätigen. <strong>Die</strong>ses sind zum einen im<br />

Ausland beheimatete Hedgefonds, die in <strong>Deutschland</strong><br />

zum Vertrieb zugelassen sind (im Februar 2012 waren<br />

dies nach Angaben der BaFin 112 Fonds und drei<br />

Dachfonds); zum anderen stehen Investoren zunehmend<br />

UCITS-kompatible, Hedgefonds-ähnliche Vehikel<br />

zur Verfügung.<br />

Rückgang<br />

Zahl der Hedgefonds in <strong>Deutschland</strong><br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

6<br />

11<br />

19<br />

22<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Single-Hedgefonds ■ Dach-Hedgefonds<br />

Quelle: BAI, BaFin<br />

24<br />

27<br />

25<br />

14<br />

33<br />

10<br />

19<br />

9<br />

14 10<br />

7 7<br />

3.2.1 Versicherungsmärkte<br />

3.2.1.1 Lebensversicherung, Pensionskassen<br />

und -fonds<br />

Geschäftsentwicklung 2011<br />

<strong>Die</strong> Beitragsentwicklung in der Lebensversicherung<br />

i. e. S. (ohne Pensionskassen und -fonds) stand 2011 im<br />

Zeichen einer Normalisierung des Einmalbeitragsgeschäfts.<br />

Nachdem die Einmalbeiträge in den beiden<br />

Vorjahren außerordentlich kräftig gestiegen waren<br />

(2009: +57,3 %, 2010: +33,6 %), gingen sie in 2011 um<br />

17,0 % auf 22,1 Mrd. EUR zurück. <strong>Die</strong>s war historisch<br />

betrachtet noch immer der zweithöchste Wert der Einmalbeiträge.<br />

Insgesamt sind die Beitragseinnahmen in<br />

der Lebensversicherung i. e. S. in 2011 damit aber um<br />

4,6 % auf 83,2 Mrd. EUR gesunken. Bei den laufenden<br />

Beitragseinnahmen war dagegen erstmals seit 2008<br />

wieder ein Anstieg um 0,9 % auf 61,1 Mrd. EUR zu<br />

verzeichnen. In der Lebensversicherung insgesamt (einschließlich<br />

Pensionskassen und Pensionsfonds) gingen<br />

die Beitragseinnahmen in 2011 um 3,9 % auf 86,8 Mrd.<br />

EUR zurück.<br />

In der Lebensversicherung i. e. S. wurden 2011 rund<br />

6,3 Mio. Verträge neu abgeschlossen. Das war gegenüber<br />

dem Vorjahr ein Plus von 2,9 %. Gleichzeitig ging<br />

die Zahl der Vertragskündigungen weiter zurück. <strong>Die</strong><br />

Stornoquote lag 2011 nur noch bei 3,5 % – dem niedrigsten<br />

Wert seit 1994 (Anzahl der vorzeitigen Vertragsabgänge<br />

in Prozent des mittleren Ver trags bestands).<br />

Insgesamt belief sich der Bestand an Versicherungsverträgen<br />

in der Lebensversicherung i. e. S. Ende 2011 auf<br />

rund 90 Mio. Verträge.<br />

Der Trend zur eigenverantwortlichen Altersvorsorge<br />

wird in der Lebensversicherung vor allem auch deutlich,<br />

wenn man die Entwicklung nach Produktsegmenten<br />

betrachtet. Auch 2011 entfi el etwa die Hälfte aller<br />

Neuabschlüsse auf Verträge mit rentenförmiger Auszahlung,<br />

gemessen am Beitrag waren es sogar rund<br />

zwei Drittel. Erneut knapp eine Million der Neuabschlüsse<br />

entfi el dabei auf Riester-Verträge. Im Bestand<br />

der Lebensversicherer befi nden sich damit mittlerweile<br />

knapp 11 Mio. Riester-Verträge.<br />

Bruttobeitragseinnahmen in der Lebensversicherung<br />

i. e. S.: stabil auch in schwierigem Umfeld<br />

in Mrd. EUR<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Quelle: GDV<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Wachsendes Gewicht der Einmalbeträge<br />

Beitragsaufkommen der Lebensversicherung i. e. S.<br />

nach Art der Beitragszahlung in Mrd. EUR<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Laufender Beitrag ■ Einmalbeitrag<br />

Quelle: GDV<br />

Rückläufi ge Stornoquote<br />

Vorzeitiger Abgang (Anzahl) in % des mittleren<br />

Jahresbestandes<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Quelle: GDV<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

27


28<br />

Betrachtet man die Versicherungsdurchdringung –<br />

Beiträge gemessen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

– weist <strong>Deutschland</strong> mit nur 3,5 % (2010) im<br />

internationalen Vergleich allerdings nach wie vor einen<br />

unterdurch schnittlichen Wert auf. Längerfristig verfügt<br />

die deutsche Lebensversicherung auch vor diesem<br />

Hintergrund über ein erhebliches Wachstumspotenzial.<br />

Stabilität in der Krise<br />

<strong>Die</strong> Lebensversicherer i. e. S. haben in 2011 über 80 Mrd.<br />

EUR an ihre Kunden ausbezahlt. Basis dieser Leistungsstärke<br />

der Lebensversicherer ist ihre erfolgreiche Kapitalanlagetätigkeit,<br />

die sich auch in einem schwierigen<br />

Umfeld bewährt hat. Um die sehr langfristigen Leistungs<br />

versprechen in der Lebensversicherung erfüllen zu<br />

können, sind hohe Anforderungen an die Sicherheit,<br />

Rendite und Liquidität der Kapitalanlagen der Lebensversicherer<br />

gestellt. Lebensversicherungskunden profi tieren<br />

dabei gerade in Krisenzeiten von den Glättungsmechanismen<br />

im Kapitalanlagebereich, die es ermöglichen,<br />

trotz allem eine attraktive Gesamtverzinsung zu erwirtschaften.<br />

Eine anhaltende Niedrig zinsphase wird allerdings<br />

in Form von sinkenden Überschussbeteiligungen<br />

auch zunehmend die Kunden erreichen und die Neuanlagen<br />

für die Lebensversicherer deutlich erschweren.<br />

Ende 2011 belief sich der Kapitalanlagebestand der<br />

Lebensversicherer i. e. S. auf 742 Mrd. EUR. Der ganz<br />

überwiegende Teil der Mittel ist dabei weiterhin in festverzinslichen<br />

Wertpapieren und Darlehen a ngelegt.<br />

Pensionskassen und Pensionsfonds<br />

Ein hohes Gewicht kommt in der Lebensversicherung<br />

auch der betrieblichen Altersversorgung zu. Neben<br />

Direkt- und Rückdeckungsversicherung sind hier insbesondere<br />

auch die der Lebensversicherung zuzurechnenden<br />

Pensionskassen und Pensionsfonds zu nennen,<br />

die erst im Zuge der Rentenreformen 2001 / 2002 neu<br />

gegründet oder geöff net wurden. Zusammen konnten<br />

diese Pensionskassen und -fonds 2011 Beitragseinnahmen<br />

in Höhe von 3,6 Mrd. EUR erzielen. An der Belebung<br />

des Marktes für Produkte der betrieblichen<br />

Altersversorgung in <strong>Deutschland</strong> ab 2002 hatte die<br />

Versicherungswirtschaft maßgeblichen Anteil.<br />

<strong>Deutsche</strong> Lebensversicherung mit großem<br />

Wachstumspotenzial<br />

Versicherungsdurchdringung Beiträge / BIP in %, 2010<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Großbritannien<br />

Quelle: GDV<br />

Japan Frankreich<br />

Italien <strong>Deutschland</strong><br />

Lebensversicherung: bedeutender<br />

Anleger am Kapitalmarkt<br />

Aufteilung der Kapitalanlagen in %, 2011<br />

6,7 % Hypotheken<br />

1,7 % Sonstige<br />

3,7 % Immobilien<br />

2,4 % Beteiligungen<br />

2,9 % Aktien<br />

33,2 % Andere Renten<br />

USA Niederlande<br />

Das gesamte Anlagevolumen 2011 betrug 742,75 Mrd. EUR<br />

Quelle: GDV<br />

Spanien<br />

25,6 % Darlehen<br />

23,8 % Pfandbriefe<br />

Aufschwung bei Pensionskassen<br />

Gebuchte Bruttobeiträge und Leistungen in Mrd. EUR<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

’70 ’80 ’90 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10<br />

■ Beiträge ■ Leistungen<br />

Quelle: BaFin<br />

3.2.1.2 Private Krankenversicherung<br />

Eine stetig wachsende Branche<br />

Im Zuge der Gesundheitsreform vom Herbst 2010 ist die<br />

Wahlfreiheit im Gesundheitswesen wieder vergrößert<br />

worden. Insbesondere das Ende der Dreijahreswartefrist<br />

für Angestellte, die in die PKV wechseln wollen, hat zu<br />

einer spürbaren Belebung des Wettbewerbs geführt.<br />

Davon wurde auch der Nettoneuzugang an Vollversicherten<br />

gestützt, der sich in 2011 auf 80.800 Personen<br />

belaufen hat. Gedämpft wird die Bestandsentwicklung<br />

dagegen durch den Bevölkerungsrückgang in den jüngeren<br />

Altersgruppen, das Potenzial an Neukunden verringert<br />

sich. Insgesamt waren Ende 2011 in der Krankenvollversicherung<br />

8,98 Mio. Menschen versichert.<br />

Dass die Bundesregierung sich bei den Zusatzversicherungen<br />

nicht zu einer deutlicheren Abgrenzung zwischen<br />

Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung entschlossen<br />

hat, bedeutet dagegen einen Rückschritt für<br />

den Wettbewerb im Gesundheitswesen. Gleichwohl<br />

nimmt auch die Akzeptanz des Zusatzversicherungsangebots<br />

der PKV weiter zu. <strong>Die</strong> Zahl der Zusatzversicherten<br />

hat sich in 2011 weiter auf 22,51 Mio. Personen<br />

erhöht. Dabei handelt es sich aber oft nur um Zusatzprodukte<br />

mit begrenztem Leistungsspektrum und entsprechend<br />

geringen Beiträgen. So entfällt nach wie vor mit<br />

73 % (2011) der Großteil der Beitragseinnahmen in der<br />

Privaten Krankenversicherung auf die Vollversicherung.<br />

Insgesamt sind die Beitragseinnahmen in der Privaten<br />

Krankenversicherung in 2011 um 4,3 % auf 34,7 Mrd.<br />

EUR gewachsen, davon entfi elen 32,6 Mrd. EUR auf die<br />

Krankenversicherung (+4,7 %) und 2,1 Mrd. EUR auf<br />

die Pfl egepfl ichtversicherung (+0,4 %). Zum Beitragswachstum<br />

in der PKV tragen neben dem Nettoneuzugang<br />

an Versicherten auch die aufgrund der allgemein<br />

steigenden Gesundheitskosten notwendig werdenden<br />

Beitragsanpassungen im Bestand bei.<br />

<strong>Die</strong> Private Krankenversicherung fi nanziert sich außer<br />

aus Beitragseinnahmen durch Entnahmen aus den<br />

Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen, aber<br />

Wachstum in der Vollversicherung und<br />

bei den Zusatzversicherungen<br />

Versicherte / Verträge in Mio.<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Vollversicherung (Versicherte) ■ Zusatzversicherung (Verträge)<br />

Quelle: PKV<br />

Wachsende Beiträge<br />

Gebuchte Bruttobeiträge, Veränderung zum Vorjahr in %<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />

1 Vorläufiger Wert. Quelle: PKV<br />

Umfassende Vorsorge für das Alter<br />

Alterungsrückstellungen in Mrd. EUR<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Quelle: PKV<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

29


30<br />

auch aus den Erträgen der Kapitalanlagen. <strong>Die</strong> Kapitalanlage<br />

hat hierbei vor allem die wichtige Funktion,<br />

Beitragserhöhungen der Versicherten aufgrund des im<br />

Alter steigenden Gesundheitsrisikos durch die Bildung<br />

von Alterungsrückstellungen zu vermeiden. Bis 2011<br />

konnten die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung<br />

für die Private Kranken- und die Private Pfl egeversicherung<br />

Alterungsrückstellungen in Höhe von<br />

insgesamt 170 Mrd. EUR bilden und am Kapitalmarkt<br />

anlegen. <strong>Die</strong> Kapitaldeckung der Privaten Krankenversicherung<br />

hat dabei dank einer soliden Anlagepolitik<br />

auch das schwierige gesamtwirtschaftliche Umfeld<br />

unbeschadet überstanden.<br />

<strong>Die</strong> Gesamtaufwendungen – die Summe aller Ausgaben,<br />

die für die Erfüllung der Verpfl ichtungen gegenüber<br />

den Versicherten entstehen – stiegen in der Privaten<br />

Krankenversicherung in 2010 (letztverfügbarer<br />

Wert) auf 38,6 Mrd. EUR. Ein deutlicher Anteil innerhalb<br />

der Gesamtaufwendungen entfi el hierbei auf die<br />

Zuführung zu den Alterungsrückstellungen, die sich<br />

auf fast 13 Mrd. EUR belief. <strong>Die</strong> ausgezahlten Versicherungsleistungen<br />

beliefen sich 2011 auf 22,8 Mrd.<br />

EUR (+3,8 %).<br />

Private Krankenversicherung:<br />

bedeutender Anleger am Kapitalmarkt<br />

Aufteilung der Kapitalanlagen in %, 2010<br />

30,9 %<br />

Schuldschein -<br />

forderungen und<br />

Darlehen<br />

33,6 %<br />

Namensschuldverschreibungen<br />

2,3 % Hypotheken-, Grund schuld- und<br />

Renten schuld forderungen<br />

Das gesamte Anlagevolumen betrug 2010 175,48 Mrd. Euro.<br />

Quelle: GDV<br />

5,9 %Sonstige<br />

8,1 % Inhaberschuldverschrei<br />

bungen /<br />

andere festverzins liche<br />

Wertpapiere<br />

Stetige Zunahme der Versicherungsleistungen<br />

Ausgezahlte Leistungen in Mrd. EUR<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Quelle: PKV<br />

19,2 % Aktien /<br />

Investmentanteile<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Dominanz der Auszahlungen für<br />

ambulante Leistungen<br />

Anteile der Leistungsarten in %, 2010<br />

50<br />

45<br />

40<br />

45,04<br />

35<br />

30<br />

25<br />

30,29<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

15,15<br />

AmbustatioZahnlantenäreleistunLeistunLeistungengengen Quelle: PKV<br />

3,96<br />

Krankentagegeld<br />

2,38<br />

Krankenhaustagegeld<br />

0,16<br />

Pflegezusatzvers.<br />

0,24<br />

sonstige<br />

Leistungen<br />

2,78<br />

bes. Versicherungsformen<br />

3.2.1.3 Schaden- und Unfallversicherung<br />

Erholung des Beitragsaufkommens<br />

Nachdem die Beitragseinnahmen in der Schaden- und<br />

Unfallversicherung seit 2005 kaum noch zugenommen<br />

hatten und teilweise sogar rückläufi g waren, konnte in<br />

2011 mit einem Plus von 2,7 % das höchste Beitragswachstum<br />

seit 2003 verzeichnet werden. Im Ergebnis<br />

beliefen sich die Beitragseinnahmen in der Schaden-<br />

und Unfallversicherung damit in 2011 auf 56,7 Mrd.<br />

EUR. Zwar dämpften weiterhin ein intensiver Preiswettbewerb<br />

und der teilweise erreichte hohe Grad der<br />

Marktdurchdringung die Umsatzausweitung. <strong>Die</strong> relativ<br />

stabile wirtschaftliche Lage der privaten Haushalte<br />

und die zuletzt wieder recht freundliche Lage im Unternehmenssektor<br />

stützten aber die Versicherungsnachfrage.<br />

Vor allem aber wirken sich in vielen Zweigen der<br />

Schaden- und Unfallversicherung Beitragsanpassungen<br />

im Neugeschäft und im Bestand umsatzsteigernd aus,<br />

die charakteristische Zyklizität der Geschäftsentwicklung,<br />

zumal in der Kraftfahrtversicherung, zeigte sich<br />

erneut. <strong>Die</strong>s umso mehr, als in vielen Sparten die kombinierte<br />

Schaden- und Kostenquote (Combined Ratio)<br />

nach wie vor bei oder über 100 % liegt. Maßgeblich für<br />

die zuletzt ungewöhnlich hohe Schaden- und Kostenquote<br />

war aber auch der fortdauernde Anstieg der Schadenaufwendungen,<br />

der in der Schaden- und Unfallversicherung<br />

insgesamt in 2010 bei +3,3 % und in 2011<br />

bei +2,6 % lag. Ursächlich hierfür waren unter anderem<br />

auch viele regionale Naturereignisse (wie Hagelschäden<br />

oder frostbedingte Leitungswasserschäden), aber auch<br />

die erfahrungsgemäß schadensteigernde konjunkturelle<br />

Erholung in den Jahren 2010 und 2011.<br />

Im Einzelnen ist in den Sparten und Zweigen der<br />

Schaden- und Unfallversicherung eine diff erenzierte<br />

Entwicklung zu konstatieren. <strong>Die</strong> nach wie vor bedeutendste<br />

Sparte ist dabei die Kraftfahrtversicherung.<br />

Auf sie entfi elen 2011 Beitragseinnahmen in Höhe von<br />

20,9 Mrd. EUR und damit 37 % des Geschäftsvolumens<br />

der Schaden- und Unfallversicherung insgesamt. Mit<br />

einem Anstieg um 3,5 % wuchsen die Beitrags einnahmen<br />

in der Kraftfahrtversicherung in 2011 so stark<br />

Zyklizität des Wachstums<br />

Bruttobeiträge, Veränderung zum Vorjahr in %<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />

1 Hochrechnung. Quelle: GDV<br />

Versicherungstechnische Ergebnisse<br />

tendenziell rückläufi g<br />

Combined Ratio (nach Abwicklung) in %<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />

■ Schaden-/ Unfallversicherung ■ Kraftfahrtversicherung ■ Sachversicherung<br />

1 Hochrechnung. Quelle: GDV<br />

Große Bedeutung der Kraftfahrtversicherung<br />

Bruttobeitragsanteile, 2011<br />

27,2 %<br />

Sachversicherung<br />

insgesamt<br />

5,8 % Rechtsschutz<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

3,4 % Transport<br />

2,8 % Kredit / Kaution /<br />

Vertrauensschaden<br />

11,5 % Allgemeine<br />

Unfallversicherung<br />

1 Einschließlich Schutzbriefversicherung. Quelle: GDV<br />

37,0 % Kraftfahrt<br />

insgesamt 1<br />

12,3 % Allgemeine<br />

Haftpfl icht<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

31


32<br />

wie seit neun Jahren nicht mehr. Zu diesem Wachstum<br />

trugen dabei sowohl die Kraftfahrt-Haftpfl ichtversicherung<br />

(+3,5 %) als auch die Vollkaskoversicherung<br />

(+4,0 %) bei, etwas schwächer legte die Teilkaskoversicherung<br />

(+2,0 %) zu. Maßgeblich für das Beitragswachstum<br />

waren neben einem leichten Bestandszuwachs<br />

Prämienanhebungen in Bestand und Neu geschäft;<br />

die Durchschnittsprämien liegen seit vielen Jahren auf<br />

dem niedrigen Niveau von Anfang der 80er Jahre.<br />

Eine kombinierte Schaden- und Kostenquote in Höhe<br />

von 108 % (2011) weist allerdings weiterhin auf erhebliche<br />

versicherungstechnische Verluste im Bereich der<br />

Kraftfahrtversicherung hin. Im laufenden Jahr ist es<br />

deshalb zu weiteren Prämienanhebungen gekommen.<br />

In der Sachversicherung insgesamt – privat und nichtprivat<br />

(gewerblich und industriell) – war in 2011 ein<br />

Beitragswachstum von 1,8 % auf 15,4 Mrd. EUR zu<br />

verzeichnen. <strong>Die</strong>ser Anstieg dürfte im Wesentlichen<br />

auf infl ationsgetriebene Anpassungsmechanismen zurückzuführen<br />

sein. Das Wachstumstempo in der privaten<br />

Sachversicherung (+2,0 %) war dabei nur geringfügig<br />

höher als in der nicht-privaten Sachversicherung<br />

(+1,7 %). Unterschiedlich entwickelte sich dagegen die<br />

Schadenbelastung. Der Anstieg der Schadenaufwendungen<br />

lag in der Sachversicherung insgesamt in 2011<br />

bei 4,1 %, betrug aber in der nicht-privaten Sachversicherung<br />

+9,2 %, während in der privaten Sachversicherung<br />

die Schadenaufwendungen um 1,0 % sanken.<br />

In den gewerblich-industriell geprägten Sparten Kreditversicherung<br />

und Transportversicherung wuchsen in<br />

2011 die Beitragseinnahmen mit +3,5 % (auf 1,6 Mrd.<br />

EUR) und +7,0 % (auf 1,9 Mrd. EUR) relativ kräftig.<br />

Schwächer fi el das Beitragswachstum mit +1,0 % (auf<br />

6,5 Mrd. EUR) in der Allgemeinen Unfallversicherung<br />

aus, die sich seit längerem mit einem rückläufi gen Versicherungsbestand<br />

konfrontiert sieht. Um jeweils 2,5 %<br />

(auf 7,0 bzw. 3,3 Mrd. EUR) wuchs das Beitragsvolumen<br />

in der Allgemeinen Haftpfl ichtversicherung und in<br />

der Rechtsschutzversicherung, wobei jeweils die Nutzung<br />

von Beitragsanpassungsmöglichkeiten ausschlaggebend<br />

für das Wachstum gewesen sein dürfte.<br />

Erholung der Prämien in der Kraftfahrtversicherung<br />

Beiträge und Leistungen, Veränderungen gegenüber dem<br />

Vorjahr in %<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

-4<br />

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />

■ Beiträge ■ Leistungen<br />

1 Hochrechnung. Quelle: GDV<br />

<strong>Deutsche</strong>r Nicht-Leben-Versicherungsmarkt im<br />

internationalen Vergleich<br />

Versicherungsdurchdringung in %, 2010<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Quelle: GDV<br />

USA Deutsch- Frankreich Großlandbritannien<br />

Spanien Italien Japan<br />

Internationaler Vergleich<br />

Im internationalen Vergleich nimmt <strong>Deutschland</strong> im<br />

Nicht-Lebenbereich (Schaden- und Unfallversicherung<br />

sowie Private Krankenversicherung) bei einer Versicherungsdurchdringung<br />

– Beiträge zu Nicht-Leben in Prozent<br />

des BIP – von 3,7 % (2010) mit einem Spitzenplatz<br />

ein. Beim Weltmarktanteil rangiert <strong>Deutschland</strong> mit<br />

7 % (2010) sogar an zweiter Stelle; in Europa ist<br />

<strong>Deutschland</strong> in diesem Segment der größte Markt.<br />

3.2.1.4 Rückversicherung<br />

<strong>Deutschland</strong> festigt seinen Status als weltweit<br />

führender Standort<br />

Das grundlegende Prinzip der Risikoteilung und die<br />

Fokussierung auf Großrisiken machen die Rückversicherung<br />

seit jeher zu einem internationalen Geschäft.<br />

<strong>Deutschland</strong> festigte hier seine angestammte Rolle als<br />

global führender Rückversicherungsstandort: Von<br />

den weltweit fünf größten Rückversicherungsgruppen<br />

haben zwei ihren Hauptsitz in <strong>Deutschland</strong>, die übrigen<br />

sind mit bedeutenden Tochtergesellschaften vertreten.<br />

Insgesamt standen 2010 in <strong>Deutschland</strong> 36 Rückversicherungsunternehmen<br />

unter Aufsicht der BaFin,<br />

deren erzieltes Prämienvolumen von 36 Mrd. EUR<br />

mehr als ein Viertel des Weltmarkts ausmacht.<br />

Außergewöhnlich hohe Belastungen aus schweren Naturkatastrophen<br />

und die Turbulenzen an den Finanzmärkten<br />

prägten die Rückversicherungsmärkte im<br />

Jahr 2011. Dabei blieb die Kapitalbasis der Rückversicherer<br />

erstaunlich robust. Nach einem merklichen<br />

Rückgang im ersten Halbjahr führte eine Erholung in<br />

der zweiten Jahreshälfte dazu, dass das Eigenkapital der<br />

globalen Rücksicherungsindustrie am Jahresende insgesamt<br />

sogar leicht über dem Vorjahresniveau lag.<br />

Nicht nur aufgrund der soliden Kapitalausstattung ist<br />

Rückversicherung ein zentrales Element des Kapitalmanagements<br />

von Erstver sicherern, und entsprechend<br />

blieb die Nachfrage nach Rückversicherungslösungen<br />

hoch, bei denen Risikotransfer eine Entlastung des<br />

Eigenkapitals bietet.<br />

Mit rund 380 Mrd. USD gesamtwirtschaftlichen Schäden<br />

war 2011 das bisher teuerste Naturkatastrophenjahr.<br />

Auch die versicherten Schäden erreichten mit rund<br />

105 Mrd. USD einen neuen Höchstwert. Ein beträchtlicher<br />

Teil davon wurde von Rück versicherern übernommen.<br />

Erdbeben – neben der Katastrophe in Japan vor<br />

allem das verheerende Ereignis in Neuseeland – prägten<br />

die Schadenbilanz. Dazu kamen zerstörerische Überschwemmungen<br />

in Australien, Th ailand sowie Frankreich<br />

und Italien und die Tornadoserien in den USA.<br />

Führender Rückversicherungsstandort<br />

Verdiente Nettobeiträge der Rückversicherungs unternehmen<br />

in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 1<br />

1 Zahlen für 2010 noch vorläufig. Quelle: BaFin<br />

Globales Ranking Top 10<br />

(nach gebuchten Nettoprämien)<br />

Top 10 Rückversicherer 2010<br />

1 Munich Re D<br />

2 Swiss Re CH<br />

3 Berkshire Hathaway Re USA<br />

4 Hannover Re D<br />

5 Lloyd’s UK<br />

6 SCOR FR<br />

7 Reinsurance Group of America USA<br />

8 Partner Re Bermuda<br />

9 Everest Re Bermuda<br />

10 Transatlantic Holdings USA<br />

Quelle: Standard and Poor‘s Global Reinsurance Highlights 2011<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

33


34<br />

Das Jahr 2011 zeigt abermals, dass Naturkatastrophen<br />

ein hohes Risikopotenzial bergen und eine der größten<br />

Herausforderungen für die Rückversicherung darstellen.<br />

Auf solche Szenarien stellt sich die Branche ein<br />

und adjustiert ihre Risikomodellierung entsprechend.<br />

Das in <strong>Deutschland</strong> vorherrschende Modell eines breit<br />

diversifi zierten Rückversicherers weist dabei Vorteile<br />

mit Blick auf die Kapitalanforderungen auf.<br />

<strong>Die</strong> konsequente Weiterentwicklung des Risikomanagements<br />

während der letzten Jahre hat sich für die<br />

Rückversicherer nicht nur als Vorteil bei der Bewältigung<br />

hoher Belastungen aus Naturkatastrophen sowie<br />

der Folgen der Finanzkrise erwiesen. Es hat vor allem<br />

auch die Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten<br />

bezüglich der eingegangenen Versicherungsrisiken<br />

deut lich erhöht. Auch die Erstversicherer als Kunden<br />

der Rückversicherungsbranche und somit letztlich<br />

Verbraucher, Industrie und Gewerbe als eigentliche<br />

Nachfrager nach Versicherungsschutz profi tieren von<br />

diesem Zuwachs an Know-how.<br />

<strong>Die</strong> Vorbereitung auf die in der Diskussion befi ndlichen<br />

Solvency-II-Vorschriften schaff t deutliche Anreize<br />

zu einer weiteren Professionalisierung des Risi komanagements<br />

auch für die in <strong>Deutschland</strong> tätigen<br />

Versicherer und Rückversicherer. Einheitliche Aufsichtsregeln<br />

innerhalb der EU sowie eine konsequente<br />

Ausrichtung der Aufsichtsregeln am Geschäftsmodell<br />

und den spezifi schen Risiken der Assekuranz sind ein<br />

großer Fortschritt, der sich auch auf die deutschen<br />

Rückversicherer positiv auswirken wird. Eine dauerhafte<br />

Stärkung des Standorts erfordert darüber hinaus<br />

jedoch auch Fortschritte bei der weltweiten Angleichung<br />

von Aufsichtsstandards sowie steuerlichen Rahmenbedingungen.<br />

Anteil der wichtigsten Standorte an den weltweiten<br />

Rückversicherungsprämien, 2010<br />

21 % Sonstige<br />

7 % Japan<br />

7 % UK<br />

8 % Bermuda<br />

9 % Schweiz<br />

Quelle: Standard & Poor‘s Global Reinsurance Highlights 2011<br />

29 % <strong>Deutschland</strong><br />

19 % USA<br />

3.2.2 Kreditmärkte<br />

Kredite an Unternehmen und private<br />

Haushalte<br />

Verhaltene Kreditdynamik im Euroraum<br />

<strong>Die</strong> Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivitäten<br />

im Euroraum spiegelt sich auch bei den Krediten an<br />

den Privatsektor wieder. <strong>Die</strong> Wachstumsdynamik verlief<br />

dort 2011 schon wieder deutlich gebremster als im<br />

Vorjahr. Auch die Unsicherheiten im Zusammenhang<br />

mit der Staatsschuldenkrise spielten dabei eine nicht<br />

zu vernachlässigende Rolle. Dazu kamen höhere regulatorische<br />

Anforderungen sowie der EBA-Stresstest<br />

(„Capital Exercise“).<br />

<strong>Die</strong> heterogene Kreditentwicklung zwischen den Ländern<br />

des Euroraums hielt auch im vergangenen Jahr<br />

an. <strong>Die</strong>s refl ektiert die unterschiedliche wirtschaftliche<br />

Entwicklung der Länder sowie unterschiedliche<br />

Verschuldungssituationen der Unternehmen. Vor allem<br />

die Länder, die im Fokus der Staatsschuldenkrise<br />

standen und deren Banken unter Druck gerieten, verzeichneten<br />

einen Rückgang der Kredite an den<br />

Privat sektor. Insgesamt stiegen die Kredite im<br />

Euroraum zwar noch an, die Wachstumsrate ging im<br />

Jahresverlauf jedoch deutlich zurück.<br />

Beschleunigtes Kreditwachstum in <strong>Deutschland</strong><br />

Nachdem die Mittelbereitstellung der deutschen Banken<br />

an den Privatsektor im Jahr 2010 zurückging, verzeichnete<br />

sie im Jahr 2011 wieder ein deutliches<br />

Wachstum. Ein großer Teil des Zuwachses bei den<br />

Krediten entfi el dabei auf die fi nanziellen Kapitalgesellschaften.<br />

Dazu zählen z. B. besicherte Interbankenkredite<br />

über zentrale Gegenparteien. Aber auch die<br />

Kreditvergabe an nicht-fi nanzielle Unternehmen stieg<br />

wieder an. <strong>Die</strong>s ist auf günstige Finanzierungsbedingungen<br />

zurückzuführen sowie auf eine vergleichsweise<br />

optimistische Einschätzung der Wirtschaftslage von<br />

Seiten der Unternehmen.<br />

Gestützt wird das durch die Investitionen, die nach<br />

2010 weiter anstiegen, besonders die Ausrüstungs- und<br />

Bauinvestitionen. <strong>Die</strong> europäische Staatsschuldenkrise<br />

Deutliches Kreditwachstum<br />

Wachstum der privaten Buchkredite in <strong>Deutschland</strong> in %<br />

und Beiträge einzelner Sektoren hierzu<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

-1,5<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Nicht-finanzielle Unternehmen ■ Finanzielle Unternehmen<br />

■ Private Haushalte<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

Steigende Investitionen stützen Kredit<br />

Wachstum der Buchkredite an nicht-fi nanzielle Unternehmen (linke<br />

Skala) und Nettoinvestitionsquote in <strong>Deutschland</strong> in % (rechte Skala)<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Kreditwachstum (linke Skala) ■ Nettoinvestitionsquote (rechte Skala)<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DESTATIS<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

3.2<br />

35


36<br />

schien damit kaum Einfl uss auf die Stimmungslage der<br />

Unternehmen gehabt zu haben. Auch die deutschen<br />

Kreditmärkte konnten sich dem entziehen.<br />

<strong>Die</strong> Kreditvergabe an private Haushalte in <strong>Deutschland</strong><br />

wuchs moderat – zunehmend getragen von Wohnungsbaukrediten.<br />

Kreditangebotsbedingungen in <strong>Deutschland</strong><br />

expansiver als im Euroraum<br />

In den Umfragen zum Kreditgeschäft (Bank Lending<br />

Survey) hebt sich <strong>Deutschland</strong> ebenfalls positiv vom<br />

Euroraum ab.<br />

Bereits 2010 hatten sich in <strong>Deutschland</strong> die Kreditstandards<br />

für Gewährung von Krediten an Unternehmen<br />

gelockert. <strong>Die</strong>s setzte sich 2011 zunächst fort,<br />

dann blieben sie bis Jahresende unverändert.<br />

Im Euroraum insgesamt kam es dagegen vor allem im<br />

vierten Quartal zu einer deutlichen Verschärfung der<br />

Kreditstandards sowohl an nicht-fi nanzielle Unternehmen<br />

als auch an private Haushalte. Hintergrund war<br />

eine gestiegene Risikowahrnehmung.<br />

Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Kapitalanforderungen<br />

aus der Umsetzung von Basel III wie auch<br />

von Seiten der EBA 2012 auswirken. Vor allem für risikoreichere<br />

Kredite ist von höheren Zinsen auszugehen.<br />

Kreditbereitstellung in <strong>Deutschland</strong><br />

Eine vieldiskutierte Frage des letzten Jahres war, ob in<br />

<strong>Deutschland</strong> als Folge der Euroschuldenkrise und<br />

wegen verschärfter regulatorischer Anforderungen eine<br />

Kreditklemme zu befürchten sei. Für den Gesamtmarkt<br />

ergeben sich bisher keine Hinweise darauf. Vielmehr<br />

zeigen Banken- wie Unternehmensbefragungen<br />

(ifo-Kredithürde), dass der Kreditzugang für Unternehmen<br />

insgesamt sehr gut ist.<br />

<strong>Die</strong>s ist hauptsächlich der guten Konjunktur in<br />

<strong>Deutschland</strong> zu verdanken, doch auch Liquiditätsrückfl<br />

üsse aus dem Ausland haben einen Anteil daran.<br />

Seit Ende 2008 sind die Kreditforderungen deutscher<br />

Banken an ausländische Unternehmen und Privatpersonen<br />

um über 20 % geschrumpft. <strong>Die</strong> Banken verlagern<br />

ihr Kreditportfolio zunehmend ins Inland. In<br />

diesem Sinne ist der deutsche Kreditmarkt ein Gewinner<br />

der Eurokrise.<br />

3.2.3 Einlagenmärkte<br />

Konstantes Wachstum der Bankeinlagen<br />

<strong>Die</strong> privaten Haushalte bildeten in 2011 neues Geldvermögen<br />

in Höhe von rund 149 Mrd. EUR. Damit wurde<br />

das Ergebnis des Vorjahres um etwa 4 bis 5 Mrd. EUR<br />

verfehlt. <strong>Die</strong>ser erste Rückgang nach drei zum Teil sehr<br />

kräftigen Zuwächsen in Folge war aber nicht auf eine<br />

sinkende Spartätigkeit zurückzuführen. Vielmehr intensivierten<br />

die Bundesbürger ihre Investitionen in den<br />

Wohnungsbau, wodurch im Vergleich zum Vorjahr ein<br />

größerer Teil des Sparaufkommens absorbiert wurde.<br />

Für die Direktanlage in Wertpapieren wurde 2011 mit<br />

gut 15 Mrd. EUR erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise<br />

wieder ein zweistelliger Milliardenbetrag verwendet.<br />

Dafür zogen die Bundesbürger aber im Gegenzug<br />

fast 15 Mrd. EUR aus Investmentfonds ab. An der ausgeprägten<br />

Zurückhaltung hinsichtlich des Erwerbs<br />

von Wertpapieren und Anteilsrechten, die mit dem<br />

Ausbruch der Finanzmarktkrise 2008 einsetzte, hat<br />

sich damit kaum etwas geändert. <strong>Die</strong> Geldvermögensbildung<br />

der privaten Haushalte konzentrierte sich<br />

somit erneut auf zwei Anlageformen. Rund 73 Mrd.<br />

EUR wurden bei Versicherungen angelegt. In Bankeinlagen<br />

fl ossen etwa 67 Mrd. EUR, also knapp 45 %<br />

der zusätzlichen Anlagemittel.<br />

Der Anteil der Bankeinlagen an den gesamten Geldvermögensbeständen<br />

der privaten Haushalte ist seit 2007<br />

um fast 4 Prozentpunkte auf knapp 41 % gestiegen.<br />

Hierin spiegelt sich vor allem das Bedürfnis nach hoher<br />

Sicherheit und Liquidität der Geldanlage wider, das in<br />

Zeiten gesteigerter Unsicherheit regelmäßig zunimmt.<br />

<strong>Die</strong> gesamten Einlagen inländischer Nicht-Banken bei<br />

deutschen Kreditinstituten erreichten nach den Zahlen der<br />

Bundesbank Ende 2011 ein Volumen von ca. 3.047 Mrd.<br />

EUR. <strong>Die</strong>s entsprach knapp 119 % des Bruttoinlandsprodukts.<br />

Der Zuwachs um rund 110 Mrd. EUR oder 3,8 %<br />

gegenüber dem Vorjahr ist gleich in mehrfacher Hinsicht<br />

als durchschnittlich zu bezeichnen. <strong>Die</strong> prozentuale Veränderung<br />

liegt in der Nähe des langfristigen Mittels und<br />

entspricht zusätzlich fast exakt der Zunahme des nominalen<br />

Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2011.<br />

Bankeinlagen und Versicherungen bevorzugt<br />

Geldvermögensbildung in Mrd. EUR, 2011<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

-20<br />

Bankeinlagen Versicherungen Investmentfonds Wertpapiere<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />

Wachsende Bedeutung im Portfolio der Privatanleger<br />

Anteil der Bankeinlagen am privaten Geldvermögen in %<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

0<br />

’91 ’92 ’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

37


38<br />

<strong>Die</strong> inländischen Unternehmen stockten ihre Bankeinlagen<br />

2011 um 2,9 % auf. Damit war der Zuwachs zwar<br />

kräftiger als im Vorjahr, aber nur halb so hoch wie im<br />

Durchschnitt der vorangegangenen zehn Jahre. Nach<br />

dem recht starken Wachstum der Einlagen von Unternehmen<br />

im letzten Jahrzehnt ist hier off ensichtlich eine<br />

Beruhigung eingetreten. Insgesamt dürfte der Unternehmenssektor<br />

seine Liquiditätsausstattung als komfortabel<br />

ansehen und deshalb auf eine raschere Aufstockung der<br />

Einlagen verzichten. Das niedrige Zinsniveau dürfte<br />

hierzu ebenfalls einen Beitrag leisten. Ausgeprägte Finanzierungsengpässe,<br />

die einen Rückgriff auf die Liquiditätsreserven<br />

erfordert hätten, sollten dagegen 2011 keine tragende<br />

Rolle gespielt haben. <strong>Die</strong> wichtigste Einlageform<br />

für Unternehmen blieben Termingelder mit einem Anteil<br />

von knapp 66 %. <strong>Die</strong> größte Dynamik wiesen in den letzten<br />

drei Jahren jedoch die Sichteinlagen auf.<br />

<strong>Die</strong> öff entlichen Haushalte (Bund, Länder, Kommunen<br />

und Sozialversicherungen) erhöhten ihre Einlagen 2011<br />

um 9,8 %. Etwa die Hälfte des Zuwachses entfi el infolge<br />

der guten Konjunktur und der damit anschwellenden<br />

Überschüsse auf die Sozialversicherung. Mit gut 168 Mrd.<br />

EUR erreichten die öff entlichen Einlagen zudem ein neues<br />

Rekordniveau. Das tiefe Loch, das die Wirtschaftskrise<br />

von 2008 / 2009 auch hier gerissen hatte, konnte damit<br />

inzwischen mehr als ausgeglichen werden.<br />

Etwa gleich stark wie im Vorjahr wuchsen 2011 die Einlagen<br />

von Privatpersonen. Sie nahmen um 3,9 % zu. Den<br />

stärksten absoluten Zuwachs erzielten, wie schon in den<br />

Vorjahren, mit fast 33 Mrd. EUR die Sichteinlagen. Sie<br />

setzten damit ihren langfristigen Aufwärtstrend fort,<br />

profi tierten aber auch weiterhin von den geringen Opportunitätskosten<br />

der Liquiditätshaltung. <strong>Die</strong> höchste<br />

Wachstumsdynamik war aber mit einem Plus von 8,2 %<br />

bei den Termineinlagen festzustellen. Zu einem markanten<br />

Tendenzwechsel kam es dabei im Jahresverlauf bei<br />

kürzerfristigen Termingeldern. Nachdem deren Abwärtstrend,<br />

der Ende 2008 eingesetzt hatte, in den ersten<br />

Monaten des Jahres 2011 noch anhielt, waren ab April<br />

wieder Nettozufl üsse zu verzeichnen. Ausschlaggebend<br />

waren die einsetzenden Leitzinserhöhungen durch die<br />

Einlagenwachstum hat sich verstetigt<br />

Wachstum der Bankeinlagen gegenüber dem Vorjahr in %<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />

Unternehmen bevorzugen Termineinlagen<br />

Einlagen von Unternehmen in Mrd. EUR<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Sichteinlagen ■ Termineinlagen ■ Spareinlagen / -briefe<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />

EZB, die zu einer moderat steigenden Verzinsung von<br />

Termineinlagen führte. <strong>Die</strong>s reichte aus, um deren relative<br />

Attraktivität zu erhöhen und Zufl üsse zu generieren.<br />

<strong>Die</strong> Rücknahme der Leitzinserhöhungen gegen Ende des<br />

Jahres hatte dagegen nur einen geringen Einfl uss auf die<br />

Marktkonditionen für Termingelder, die deshalb weiter<br />

zulegen konnten. Leidtragende dieser Entwicklung<br />

waren die Spareinlagen, die in den Vorjahren via<br />

Umschichtungen noch von dem Abschmelzungsprozess<br />

bei den Termineinlagen profi tiert hatten. Sie kamen<br />

nicht über Stagnation hinaus.<br />

Anhaltendes Wachstum 2012<br />

Der Aufwärtstrend der inländischen Bankeinlagen dürfte<br />

sich 2012 fortsetzen. <strong>Die</strong> Sparneigung der privaten<br />

Haushalte ist ungebrochen. Zudem sollte die Risikobereitschaft<br />

vor allem aufgrund der immer noch schwelenden<br />

EWU-Staatsschuldenkrise auf niedrigem Niveau<br />

verharren. Bei der Geldanlage dürfte deshalb neben Versicherungen<br />

die Aufstockung von Bankguthaben erste<br />

Wahl bleiben. <strong>Die</strong> Verteilung des Zuwachses auf die<br />

Einlagearten sollte aber aufgrund des voraussichtlich<br />

konstant niedrigen Zinsniveaus gleichmäßiger ausfallen<br />

als in den letzten Jahren. Der Zuwachs bei den Termingeldern<br />

könnte gebremst werden, während die Spareinlagen<br />

wieder leicht steigen dürften. Das höchste absolute<br />

Wachstum ist aber erneut bei Sichteinlagen zu erwarten.<br />

Ertragslage und Liquiditätszufl üsse der Unternehmen<br />

sollten sich 2012 aufgrund der deutlich abgeschwächten<br />

Konjunktur weniger stark verbessern als noch im Vorjahr.<br />

Gleichzeitig werden aber auch die Investitionen in<br />

erheblich geringerem Maße zulegen. Bei anhaltend niedrigen<br />

Einlagezinsen spricht dies für einen nur verhaltenen<br />

Zuwachs der Unternehmenseinlagen. <strong>Die</strong> Bankeinlagen<br />

der öff entlichen Haushalte wiederum dürften<br />

2012 allenfalls eine geringfügige Aufstockung erfahren.<br />

<strong>Die</strong> Finanzlage der Gebietskörperschaften sollte sich<br />

zwar per Saldo leicht verbessern. Je nach Ausgangslage<br />

dürften sie aber eher dazu neigen, ihre Defi zite oder aber<br />

ihre Verschuldung zu senken, anstatt ihre Einlagen aufzustocken.<br />

Bei den Sozialversicherungen dürften die laufenden<br />

Überschüsse sinken, sodass von dieser Seite mit<br />

einem geringeren Einlagewachstum zu rechnen ist.<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

Haushalte setzen zunehmend auf Sichteinlagen<br />

Einlagen von Privatpersonen in Mrd. EUR<br />

1.800<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Sichteinlagen ■ Termineinlagen ■ Spareinlagen / -briefe<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

39


40<br />

3.2.4 Zahlungsverkehr<br />

Zahlungsverkehr wird „europäisch“<br />

<strong>Die</strong> Harmonisierung im EU-Binnenmarkt schreitet<br />

kontinuierlich voran. <strong>Die</strong> Politik fordert seit Jahren<br />

die Umsetzung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraumes<br />

„SEPA“ (Single Euro Payments Area).<br />

<strong>Deutschland</strong> ist, gemessen an der Anzahl aller bargeldlosen<br />

Transaktionen, weiterhin der bedeutendste<br />

Zahlungsverkehrsmarkt in der Europäischen Union.<br />

Daher ist <strong>Deutschland</strong> als derzeit größter Zahlungsverkehrsmarkt<br />

in der Europäischen Union mit jährlich<br />

mehr als 17 Mrd. Zahlungsverkehrstransaktionen<br />

besonders von den Auswirkungen betroff en.<br />

Bankkunden können seit 2008 zusätzlich zu den heutigen<br />

nationalen Zahlungsverfahren mit Kontonummer<br />

und Bankleitzahl die von der Politik geforderten<br />

einheitlichen EU-weiten SEPA-Zahlverfahren für<br />

Über weisungen und Lastschriften mit Angabe der<br />

Kundenkennung IBAN (International Bank Account<br />

Number) und BIC (Business Identifi er Code) nutzen.<br />

Jedoch ist die Nutzungsquote anhaltend gering.<br />

Vor diesem Hintergrund hat der europäische Gesetzgeber<br />

eine entsprechende EU-Verordnung zur Ablösung<br />

der nationalen Zahlverfahren für Überweisungen<br />

und Lastschriften in Euro erlassen.<br />

Indikator für die SEPA-Lastschrift im Euroraum<br />

in %<br />

0,14<br />

0,12<br />

0,10<br />

0,08<br />

0,06<br />

0,04<br />

0,02<br />

0,00<br />

0,04 0,04 0,04 0,04 0,04<br />

11/09 12/09 01/10 02/10 03/10 04/10 05/10 06/10 07/10 08/10 09/10 10/10 11/10 12/10 01/11 02/11 03/11 04/11 05/11 06/11 07/11 08/11<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

0,05 0,05 0,05 0,05<br />

0,07<br />

0,06<br />

<strong>Die</strong> EU-Verordnung zur Festlegung der technischen<br />

Vorschriften für Überweisungen und Lastschriften in<br />

Euro sieht vor, dass die heute genutzten nationalen<br />

Zahlverfahren für Überweisungen und Lastschriften<br />

zum 1. Februar 2014 gesetzlich abgelöst werden. <strong>Die</strong>ser<br />

Schritt ist ein weiterer Baustein zur Harmonisierung<br />

der Zahlungsdienstleistungen in der EU nach<br />

der Einführung des Euro-Bargeldes vor 10 Jahren.<br />

Im Jahr 2011 konnte auch die Frage der Nutzung bestehender<br />

Einzugsermächtigungen zur Weiternutzung als<br />

Lastschriftmandat im SEPA-Basis-Lastschriftverfahren<br />

geklärt werden. <strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Kreditwirtschaft</strong> hat hierzu<br />

in Abstimmung mit dem Bundesminis terium der Justiz<br />

und Vertretern der Endnutzer in <strong>Deutschland</strong> eine<br />

Umsetzungsmöglichkeit erarbeitet und abgestimmt.<br />

Grundlage bildet hierbei u. a. eine BGH-Rechtsprechung<br />

vom Juli 2010. Alle Banken und Sparkassen in <strong>Deutschland</strong><br />

werden mit Wirkung zum 9. Juli 2012 die mit ihren<br />

Kunden vereinbarten „Sonderbedingungen für den<br />

Lastschriftverkehr“ im Rahmen der Girokontoverträge<br />

anpassen. Auf der Grundlage der aktualisierten Bedingungen<br />

können dann Zahler und Zahlungsempfänger<br />

bereits vor handene, gültig erteilte Einzugsermächtigungen<br />

unter bestim mten Voraussetzungen für den Einzug<br />

von SEPA- Basis-Lastschriften nutzen. Für die „alten“<br />

0,05<br />

0,08<br />

0,08<br />

0,07<br />

0,09<br />

0,08<br />

0,10<br />

0,11<br />

0,13 0,13 0,13<br />

Indikator für die SEPA-Überweisung im Euroraum<br />

in %<br />

24,00<br />

22,00<br />

20,00<br />

18,00<br />

16,00<br />

14,00<br />

12,00<br />

10,00<br />

8,00<br />

6,00<br />

4,00<br />

2,00<br />

0,00<br />

6,20 6,70<br />

7,50 7,50<br />

01/10 02/10 03/10 04/10 05/10 06/10 07/10 08/10 09/10 10/10 11/10 12/10 01/11 02/11 03/11 04/11 05/11 06/11 07/11 08/11<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

8,10<br />

8,80 9,00 9,30 9,40 9,60<br />

Last schriften gelten dann die gleichen Erstattungsfristen<br />

von 8 Wochen ab Belastungsdatum wie beim EU-weiten<br />

SEPA-Basis-Lastschriftverfahren. Eine An gabe von Rückgabegründen<br />

ist binnen dieser Frist nicht erforderlich.<br />

Durch diese Umsetzungsmaßnahme hat die <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Kreditwirtschaft</strong> einen großen Beitrag zum reibungslosen<br />

Übergang vom Einzugsermächtigungslastschriftverfahren<br />

auf das SEPA-Basis-Lastschrift ver fahren geleistet.<br />

Millionen Lastschriftmandate müssen mit der<br />

Neufassung der entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

(„Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr“)<br />

der Banken und Sparkassen somit nicht neu<br />

durch die Nutzer unterzeichnet werden, sondern sind<br />

als SEPA-Lastschriftmandate auch weiterhin gültig.<br />

10,40<br />

13,90<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

14,70<br />

15,70<br />

16,90<br />

17,80<br />

19,40<br />

20,50 20,50 20,10<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

41


42<br />

3.2.5 Aktienmärkte<br />

Marktentwicklung<br />

Das Jahr 2011 war insbesondere geprägt von Unsicherheiten<br />

in der Staatsfi nanzierung innerhalb der Eurozone<br />

sowie den damit verbundenen Schwankungen an<br />

den Finanzmärkten. Als Folge dieser Situation verzeichneten<br />

die Aktienmärkte 2011 Verluste und der<br />

Leitindex DAX fi el um 14,7 %.<br />

Angesichts einer erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten<br />

nahm der Orderbuchumsatz in inländischen<br />

Aktien an den deutschen Börsen um ca. 8,4 % auf<br />

1,2 Bio. EUR zu. Davon entfi elen durchschnittlich<br />

98,9 % auf das elektronische Handelssystem Xetra, das<br />

Spezialistenmodell der Frankfurter Wertpapierbörse<br />

(FWB) und Tradegate. <strong>Die</strong> Zahl der Transaktionen<br />

von inländischen Aktien aller deutschen Börsen nahm<br />

im Jahr 2011 um 22,2 % auf insgesamt 281 Mio.<br />

(2010: 230 Mio.) zu.<br />

Multilaterale Handelssysteme wie Chi-X Europe, Turquoise<br />

und BATS Europe verzeichneten einen Anstieg<br />

ihres Marktanteils in deutschen Aktien und erreichten<br />

zum Jahresende 2011 zusammen einen Marktanteil von<br />

ca. 33 %. Der Handelsumsatz fand schwerpunktmäßig<br />

in Aktien von DAX-30-Werten statt.<br />

Im Handel mit Exchange Traded Funds (ETFs) nahm<br />

die <strong>Deutsche</strong> Börse mit einem Marktanteil von 38,2 %<br />

in Q4 2011 wieder eine führende Rolle unter den europäischen<br />

Handelsplätzen ein. Insgesamt waren per Jahresende<br />

2011 899 ETFs im XTF-Segment gelistet, die<br />

über ein Fondsvermögen von insgesamt ca. 156 Mrd.<br />

EUR 2011 verfügen. <strong>Die</strong> Großzahl der Produkte entfällt<br />

dabei mit 642 ETFs auf Aktien-ETFs gefolgt von<br />

177 Renten-, 58 Strategie- und 22 Rohstoff -ETFs. Das<br />

Handelsvolumen der ETFs auf Xetra stieg gegenüber<br />

dem Vorjahr deutlich um 25 % auf 192 Mrd. EUR.<br />

Der Erfolg des XTF-Segments geht u. a. auf das Listing<br />

von 177 neuen ETFs zurück, die Anlegern einen<br />

noch breiteren Anlagefokus bieten, wie z. B. einen Zugang<br />

zu neuen Anlageklassen wie Volatilität oder zu<br />

einzelnen Sektoren in Emerging Markets.<br />

Anstieg der Börsenumsätze<br />

Orderbuchumsatz in inländischen Aktien in Mrd. EUR<br />

(alle deutschen Börsen)<br />

2.800<br />

2.400<br />

2.000<br />

1.600<br />

1.200<br />

Durchschnittlicher monatlicher Orderbuchumsatz<br />

von ETFs im XTF-Segment in Mrd. Euro<br />

20<br />

15<br />

10<br />

800<br />

400<br />

5<br />

0<br />

0<br />

’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />

2007 2008 2009 2010 2011<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />

Marktumfeld für Listings<br />

Im Berichtsjahr 2011 platzierten insgesamt 16 Unternehmen<br />

(2010: 47 1 ) Aktien im Rahmen eines öff entlichen<br />

Angebots (Initial Public Off ering, IPO). Im<br />

Detail: 12 Unternehmen entschieden sich für eine<br />

Platzierung im Prime Standard (2010: 9), 1 Unternehmen<br />

machte ein Duallisting im General Standard<br />

(2010: 11) und 3 Unternehmen platzierten ihre Wertpapiere<br />

im börsenregulierten Segment, dem Entry<br />

Standard (2010: 26 1 ), im Rahmen eines öff entlichen<br />

Angebots. Das gesamte Platzierungsvolumen belief<br />

sich in 2011 auf rund 1,7 Mrd. EUR (2010: 2,7 Mrd.<br />

EUR). Den größten Börsengang unternahm im April<br />

die GSW Immobilien AG mit einem Volumen von<br />

468 Mio. EUR.<br />

Auch nach einem erfolgten Börsengang sind die an<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Börse gelisteten Unternehmen weiterhin<br />

aktiv. 2011 wurden mehr als 21 Mrd. EUR (2010:<br />

19 Mrd. EUR) über Kapitalerhöhungen aufgenommen<br />

– demnach um ein Vielfaches mehr Kapital als<br />

über Börsengänge.<br />

Innovationen und Konzepte für die Zukunft<br />

Ein wichtiges Projekt im Kassamarkt war die Überführung<br />

des Präsenzhandels auf das Xetra-Frankfurt-<br />

Spezialistenmodell im Mai 2011. <strong>Die</strong> Harmonisierung<br />

der Handelsinfrastruktur stärkt die Position der<br />

Frankfurter Wertpapierbörse im zunehmenden europäischen<br />

Wettbewerb: <strong>Die</strong> Zahl der Handelsteilnehmer<br />

verdoppelte sich, da auch alle Xetra-Teilnehmer<br />

Zugriff auf Produkte haben, die früher nur auf dem<br />

Parkett gehandelt wurden. Der Spezialistenhandel<br />

hat sich besonders in der sehr volatilen Phase im August<br />

2011 bewährt: In der Spitze wurde am Börsenplatz<br />

Frankfurt mehr als das dreifache Volumen eines<br />

durchschnittlichen Handelstages umgesetzt.<br />

<strong>Die</strong> Tradegate Exchange ist eine auf die Bedürfnisse von<br />

Privatanlegern ausgerichtete Wertpapierbörse. <strong>Die</strong> Tradegate<br />

Exchange hat im Jahr 2011 insgesamt über 5,6 Mio.<br />

Ausführungen in Aktien, Fonds, ETFs und Anleihen abgewickelt.<br />

<strong>Die</strong>s entspricht einem Zuwachs von 75 % im<br />

Vergleich zum Vorjahr (2010: 3,2 Mio.). Das<br />

diesbezügliche Gesamtvolumen in allen Wertpapieren lag<br />

bei 32,7 Mrd. EUR (+84 %, 2010: 17,8 Mrd. EUR). 2011<br />

hat die Tradegate Exchange acht weitere Handelsteilnehmer<br />

angeschlossen, u. a. die DZ Bank, WGZ Bank, Interactive<br />

Brokers (Timber Hill) und equinet.<br />

Seit Februar 2011 können Unternehmen an der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Börse auch Anleihen im Entry Standard platzieren.<br />

Im Berichtsjahr sind 9 Anleihen in das neu gegründete<br />

Segment Entry Standard für Unter nehmens anleihen<br />

mit einem Platzierungsvolumen von 340 Mio. EUR einbezogen<br />

worden. Insbesondere mittelständischen Unternehmen<br />

öff nen sich damit neue Möglichkeiten der Finanzierung,<br />

um schnell und kosteneffi zient Fremdkapital<br />

aufzunehmen.<br />

1 inkl. Notierungsaufnahmen<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

43


44<br />

3.2.6 Rentenmärkte<br />

Der deutsche Rentenmarkt ist wie schon 2010 auch 2011<br />

kaum gewachsen: Das ausstehende Volumen aller<br />

Schuldverschreibungen inländischer Emittenten nahm<br />

um lediglich 0,7 % (2010: 0,6 %) gegenüber dem Vorjahr<br />

auf 3.371 Mrd. EUR zu. Dabei haben sich die strukturellen<br />

Trends der letzten Jahre verfestigt – insbesondere<br />

der steigende Anteil von Staatsanleihen und die gegenläufi<br />

ge Entwicklung bei Pfandbriefen. <strong>Die</strong> Relation aller<br />

Rententitel zum BIP ging erneut leicht, auf 131 %, zurück.<br />

Der Bruttoabsatz reduzierte sich um 2,7 % auf immer<br />

noch hohe 1.338 Mrd. EUR, wovon fast die Hälfte<br />

(47 %) auf Papiere mit einer Laufzeit von weniger als einem<br />

Jahr entfi el. <strong>Die</strong> Emittenten machen sich damit offensichtlich<br />

die sehr niedrigen Zinsen am kurzen Ende<br />

zunutze. Insgesamt ist die Ausweitung der Emissionsvolumina<br />

in den letzten Jahren mit einer deutlichen Verkürzung<br />

der durchschnittlichen Laufzeit einhergegangen<br />

– 2001 betrug der Anteil der maximal einjährigen<br />

Anleihen noch lediglich 26 %. Der Nettoabsatz verharrte<br />

2011 mit 22,5 Mrd. EUR auf sehr niedrigem Niveau.<br />

Staatsanleihen<br />

Der Anteil der Schuldverschreibungen der öff entlichen<br />

Hand an allen Rentenpapieren in <strong>Deutschland</strong> ist 2011<br />

weiter auf nunmehr fast 48 % gestiegen (2001: 35 %).<br />

Dabei fi el der Nettoabsatz, also die Zunahme des umlaufenden<br />

Volumens, mit 80 Mrd. EUR etwas geringer<br />

aus als 2010 (bereinigt um die Einrichtung zweier Bad<br />

Banks im Vorjahr). Wie in den Vorkrisenjahren auch<br />

legten von den Bundesländern begebene Schuldtitel<br />

2011 wesentlich stärker zu als Bundesanleihen (8,3 %<br />

ggü. 4,5 %) bei gleichzeitig – dank gesunkener Defi zite –<br />

deutlich niedrigeren Wachstumsraten als im Durchschnitt<br />

zwischen 2000 und 2008. Mit 80 % stellt der<br />

Bund jedoch weiterhin den Löwenanteil der staatlich<br />

emittierten Wertpapiere. Insgesamt weisen Schuldverschreibungen<br />

der öff entlichen Hand zwei auff ällige<br />

Konzentrationen zum einen auf kurzlaufende Papiere<br />

(Laufzeiten von unter drei Jahren zum Emissionszeitpunkt<br />

stehen für ein Viertel des Umlaufs), zum anderen<br />

auf solche mit mittleren Laufzeiten (Laufzeiten von 10<br />

bis 15 Jahren: 37 %) auf. Von der Flucht der Anleger in<br />

„Sicherheit“ angesichts der europäischen Schuldenkrise<br />

Umlauf nach Anleihenart 2011<br />

in % des ausstehenden Volumens<br />

47,7 %<br />

Staats anleihen<br />

4,4 % Hypothekenpfandbriefe<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

3.371 Mrd. EUR<br />

4,9 % Anleihen von sonst.<br />

Finanzinstituten<br />

Nettoabsatz 2011 nach Anleihenart<br />

in Mrd. EUR<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

-20<br />

-40<br />

-60<br />

Hypothekenpfandbriefe<br />

Öffentl.<br />

Pfand -<br />

briefe<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

Anl. von<br />

Spezialkreditinstitut.<br />

Sonst.<br />

Bank -<br />

schuldverschr.<br />

Unternehmensanleihen<br />

Laufzeit zum Emissionszeitpunkt 2011<br />

in Jahren und % des ausstehenden Volumens<br />

6,0 % 30–35 Jahre<br />

2,5 % 15–30 Jahre<br />

29,2 % 10–15 Jahre<br />

3,1 % > 35 Jahre<br />

3.371 Mrd. EUR<br />

10,6 % 6–10 Jahre<br />

Quellen: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DB Research<br />

5,6 % Öffentliche<br />

Pfandbriefe<br />

17,1 % Anleihen<br />

von Spezialkreditinstituten<br />

17,8 % Sonstige<br />

Bankschuldverschreibungen<br />

2,5 % Unter nehmensanleihen<br />

Anl. von<br />

sonst.<br />

Finanzinstitut.<br />

Staatsanleihen<br />

6,1 % < 1 Jahr<br />

12,0 % 1–3 Jahre<br />

12,4 % 3–5 Jahre<br />

18,3 % 5–6 Jahre<br />

profi tierten deutsche Staatsanleihen überproportional:<br />

Ihre durchschnittliche Emissionsrendite rutschte im<br />

Dezember 2011 auf nur noch 1,2 % verglichen mit<br />

3,0 % ein halbes Jahr zuvor. Wesentlich schwächer waren<br />

die entsprechenden Rückgänge bei Bankschuldverschreibungen<br />

(von 3,2 % auf 2,7 %) und Unternehmensanleihen<br />

(7,7 %/6,3 %).<br />

Pfandbriefe und Bankanleihen<br />

Unbenommen vom generellen Trend hin zu einem höheren<br />

Anteil besicherter Refi nanzierung der Banken setzte<br />

sich der Rückgang des Pfandbriefvolumens mit einem<br />

Minus von 43 Mrd. EUR auf 338 Mrd. EUR auch 2011<br />

fort – womit Pfandbriefe gerade einmal noch einem Zehntel<br />

des gesamten Rentenmarkts in <strong>Deutschland</strong> entsprechen.<br />

Ursache hierfür waren die öff entlichen (d. h. mit<br />

Kommunalkrediten besicherten) Pfandbriefe, die erneut<br />

um 19 % abrutschten, während mit Hypotheken unterlegte<br />

Papiere stagnierten. Für das Schrumpfen der öff entlichen<br />

Pfandbriefe dürften die immer off ensichtlicheren<br />

Probleme der deutschen Kommunalfi nanzierung – teilweise<br />

überschuldete Schuldner, geringe Margen, knappe<br />

Kapital- und Liquiditätsressourcen der Banken, Restrukturierungs<br />

pro zesse bisheriger Marktführer – verantwortlich<br />

sein. Auch das Volumen der übrigen Bankanleihen<br />

zusammengenommen nahm wieder moderat ab,<br />

wozu die erschwerten Platzierungsbedingungen im zweiten<br />

Halbjahr 2011 beigetragen haben dürften.<br />

Anleihen von Unternehmen und sonstigen<br />

Finanzinstituten<br />

Einen markanten Bruch zur rasanten Expansion der<br />

Vorjahre gab es zuletzt bei den Anleihen der sonstigen<br />

Finanzinstitute (einschließlich für Verbriefungszwecke<br />

benutzter Vehikel) zu verzeichnen: Waren diese 2010<br />

noch um 16 % gestiegen, nahmen sie im Folgejahr um<br />

4 % ab – überhaupt der erste Rückgang in dieser jungen,<br />

erst seit 2006 ausgewiesenen Kategorie, die während<br />

der Finanzkrise enorm gewachsen war.<br />

Klassische Unternehmensanleihen dagegen legten 2011<br />

um knapp 3 % auf 83 Mrd. EUR zu. Auch wenn der<br />

ganz große Schwung, den die Wirtschaftskrise 2009/10<br />

Anleihen der öffentlichen Hand<br />

in Mrd. EUR<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

1991<br />

■ Bund ■ Länder ■ Kommunen<br />

2001 2011<br />

■ Sonstige (Bahn, Post, einigungsbedingte Anleihen)<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DB Research<br />

Umlauf nach Zinssätzen 2011<br />

in % des ausstehenden Volumens<br />

12,5 % Fremdwährungen<br />

21,3 % Variabel<br />

7,5 % Null-Kupon<br />

2,3 % > 6%<br />

3.371 Mrd. EUR<br />

4,5 % 5–6 %<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DB Research<br />

Umlaufrenditen<br />

in % p. a.<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

27,1 % < 3,5 %<br />

8,6 % 3,5–4 %<br />

16,3 % 4–5 %<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Hypothekenpfandbriefe ■ Öffentliche Pfandbriefe ■ Sonst. Bankanl.<br />

■ Anleihen von Unternehmen & sonst. Finanzinstit. ■ Staatsanleihen<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

45


46<br />

Unternehmensanleihen verliehen hatte, mittlerweile<br />

abgeklungen ist, bleiben die mittelfristigen Perspektiven<br />

dennoch positiv: <strong>Die</strong> Nachfrage der Investoren<br />

nach bonitätsstarken Schuldtiteln dürfte weiter ansteigen;<br />

zudem setzt eine verschärfte Kapital- und Liquiditätsregulierung<br />

das Kreditangebot der Banken unter<br />

Druck. Zu beachten ist, dass im Ausland von Finanzierungstöchtern<br />

deutscher Firmen begebene Papiere in<br />

diesen Zahlen nicht berücksichtigt werden – die<br />

gesamte Kapitalmarktverschuldung hiesiger Unternehmen<br />

liegt also höher.<br />

Zinsen<br />

<strong>Die</strong> außergewöhnlich niedrigen Zinsen führten weiterhin<br />

zu deutlichen Verschiebungen in der Zusammensetzung<br />

des deutschen Anleihemarkts. Bei fast der<br />

Hälfte aller in Euro denominierten Schuldverschreibungen,<br />

die einen festen Kupon zahlen, liegt dieser bei<br />

unter 3,5 % – vor einem Jahrzehnt stellten solche gering<br />

verzinsten Anleihen gerade einmal 6 %. Darüber hinaus<br />

stieg 2011 auch der Anteil variabel oder in fremder<br />

Währung verzinster Papiere weiter an; beide zusammen<br />

machen bereits über ein Drittel des Gesamtmarkts aus.<br />

Renditen<br />

Mit der Rückkehr der Angst der Investoren vor größeren<br />

Marktverwerfungen im Zuge der Staatsschuldenkrise<br />

verstärkte sich 2011 nochmals die Nachfrage nach<br />

als besonders sicher geltenden deutschen Staatsanleihen.<br />

Deren Renditen sanken im Durchschnitt ab April um<br />

1,4 Prozentpunkte auf nur noch 1,7 % im Dezember,<br />

während die Risikoprämie bei Anleihen von Unternehmen<br />

und sonstigen Finanzinstituten auf fast 3 Prozentpunkte<br />

hochschnellte – ein Niveau, das seit den 1950er<br />

Jahren bislang nur einmal (2008/09) erreicht worden<br />

war. Auch die Renditen von Bankschuldverschreibungen<br />

sanken ab dem Frühjahr, jedoch nicht in dem Ausmaß<br />

wie bei Emissionen der öff entlichen Hand.<br />

Performance<br />

Wie schon im gesamten letzten Jahrzehnt waren Anleihen<br />

auch 2011 als Anlageklasse erfolgreicher als Aktien.<br />

Der Dax fi el um fast 15 %, während Schuldtitel (gemessen<br />

an der Entwicklung des iBoxx <strong>Deutschland</strong>) auf einen<br />

Wert zuwachs von nahezu 10 % kamen. Staatsanleihen<br />

erzielten einen Gesamtertrag von über 8 %.<br />

Elektronische Handelsplattformen<br />

Bei Eurex Bonds, der internationalen Handelsplattform<br />

für Anleihen, stieg der Handelsumsatz im Jahr 2011 um<br />

15 % auf 117,2 Mrd. EUR in Einfachzählung (2010:<br />

101,6 Mrd. EUR). <strong>Die</strong>se positive Entwicklung ist sowohl<br />

auf stark gestiegene Emissionsvolumina, u. a. in <strong>Deutschland</strong>,<br />

als auch auf den erhöhten Bedarf an besicherter<br />

Liquidität im Interbankenhandel zurückzuführen.<br />

Eurex Repo, der Marktplatz für einen besicherten<br />

Geldmarkt in Schweizer Franken und Euro sowie mit<br />

dem Zusatzangebot GC Pooling, konnte das Volumen<br />

sowohl im Euro-Markt als auch im GC-Pooling-Markt<br />

weiter ausbauen. Das durchschnittlich ausstehende<br />

Volumen stieg im Berichtsjahr um 30 % auf 148,5 Mrd.<br />

EUR (2010: 114,5 Mrd. EUR, jeweils Einfachzählung).<br />

Dabei erwies sich der besicherte Geldmarkt GC<br />

Pooling, den Eurex Repo gemeinsam mit Eurex Clearing<br />

und Clearstream betreibt, für die Marktteilnehmer<br />

erneut als zuverlässiger Liquiditätspool. Das<br />

durchschnittlich aus stehende Volumen stieg hier 2011<br />

um 29 % auf 118,2 Mrd. EUR (2010: 91,6 Mrd. EUR,<br />

jeweils Einfachzählung). GC Pooling ermöglicht einen<br />

bilanzschonenden und anonymen Geldmarkthandel,<br />

bei dem sog. standardisierte Collateral Baskets (eine<br />

Gruppe von Wertpapieren mit ähnlichen Qualitätsmerkmalen,<br />

wie der Emittentenbonität) gehandelt und<br />

über einen zentralen Kontrahenten (Eurex Clearing)<br />

verrechnet werden.<br />

3.2.7 Investmentfonds<br />

2011 war ein schwieriges Wertpapierjahr<br />

<strong>Die</strong> deutsche Investmentbranche erlebte vor allem in<br />

der zweiten Hälfte 2011 ein schwieriges Marktumfeld,<br />

als Rezessionsängste und Sorgen rund um die Euro-<br />

Staatsschuldenkrise sich gegenseitig verstärkten. In<br />

dem als unsicher empfundenen Kapitalmarkumfeld<br />

verkauften tendenziell private Anleger Investmentfonds,<br />

wohingegen institutionelle Kunden eher kauften.<br />

In der Summe hat sich das verwaltete Fondsvermögen<br />

2011 seitwärts entwickelt, und zwar sowohl<br />

in <strong>Deutschland</strong> als auch in Europa. Angesichts der<br />

Euro-Staatsschuldenkrise und niedriger Zinsen in<br />

<strong>Deutschland</strong> fl ossen hierzulande insbesondere Gelder<br />

aus Rentenfonds ab.<br />

Nationale Unterschiede innerhalb der Volkswirtschaften<br />

des Euroraums werden auch bei der Verbreitung<br />

von Investmentfonds deutlich. <strong>Die</strong> Vermögensbildung<br />

via Investmentfonds ist in <strong>Deutschland</strong> nach wie vor<br />

unterdurchschnittlich ausgeprägt. Das Fondsvermögen<br />

pro Kopf ist in den USA beispielsweise gut dreieinhalbmal<br />

so hoch wie in <strong>Deutschland</strong>. Fast ebenso<br />

eklatant ist der Unterschied zu unseren französischen<br />

Nachbarn. Mit der wachsenden Erkenntnis über die<br />

Notwendigkeit der privaten Zukunftsvorsorge für<br />

Alter, Gesundheit oder Ausbildung dürften Investmentfonds<br />

aber in <strong>Deutschland</strong> weiter an Bedeutung<br />

gewinnen. Ungeachtet dessen hat sich in <strong>Deutschland</strong><br />

das Fondsvermögen pro Kopf im vergangenen Jahr vor<br />

allem aufgrund von gestiegener Risikoaversion und<br />

Kursverlusten an den Aktienmärkten um rund 8 % gegenüber<br />

dem Vorjahr verringert.<br />

Nach durchaus schwerem Start hat sich die Riester-<br />

Rente in <strong>Deutschland</strong> gut entwickelt. Durch die<br />

Vereinfachung des Förderverfahrens und die Flexibilisierung<br />

der Auszahlbedingungen wurde die Riester-<br />

Rente spürbar attraktiver. <strong>Die</strong>s hat hinsichtlich der<br />

privaten Altersvorsorge der deutschen Investmentbranche<br />

in den letzten Jahren einen Schub gegeben.<br />

Indes hat 2011 der Absatz von Riester-Fondssparplänen<br />

an die schwache Marktdynamik des Vorjahres<br />

angeknüpft. Wohl auch aufgrund der schwierigen<br />

Fondsvermögen seitwärts in 2011<br />

Entwicklung Fondsvermögen in Bio. EUR<br />

9<br />

1,8<br />

8<br />

1,6<br />

7<br />

1,4<br />

6<br />

1,2<br />

5<br />

1,0<br />

4<br />

0,8<br />

3<br />

0,6<br />

2<br />

0,4<br />

1<br />

0,2<br />

0<br />

0<br />

’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />

■ Europa (linke Skala) ■ <strong>Deutschland</strong> (rechte Skala)<br />

Quelle: BVI, EFAMA, DekaBank<br />

<strong>Deutschland</strong> mit Nachholbedarf<br />

Fondsvermögen pro Kopf der Bevölkerung in Tsd. EUR,<br />

Dezember 2011<br />

Italien<br />

Spanien<br />

<strong>Deutschland</strong> 1<br />

Großbritannien<br />

Frankreich<br />

USA<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

0 5 10 15 20 25 30<br />

1 inkl. ausländischer Fonds deutscher Provinienz. Quelle: EFAMA, DekaBank<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

47


48<br />

Kapitalmarktentwicklungen haben Sparpläne im vergangenen<br />

Jahr generell einen schweren Stand gehabt.<br />

Bei 15,4 Mio. Riester-Verträgen und einer Steigerung<br />

um 6,7 % kann man sicherlich noch nicht von Marktsättigung<br />

sprechen. Immerhin konnten Riester-Fondssparpläne<br />

ihren Marktanteil mit 19,2 % annähernd halten.<br />

<strong>Die</strong>s ist mehr als dreimal so hoch wie Ende 2003<br />

mit damals 6,2 %. Dominiert wird der Markt für Riester-Renten<br />

nach wie vor von Versicherungsprodukten.<br />

Riester-Fondsverträge mit mäßigem<br />

Absatz in 2011<br />

Neuzugang an Riester-Fondsverträgen<br />

800.000<br />

700.000<br />

600.000<br />

500.000<br />

400.000<br />

300.000<br />

200.000<br />

100.000<br />

0<br />

74.723<br />

258.084<br />

(+245 %)<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Quelle: BVI, DekaBank<br />

690.606<br />

657.188<br />

(+155 %)<br />

(+5 %)<br />

464.054<br />

(-33 %)<br />

242.690<br />

(-48 %) 185.837<br />

(-23 %) 138.828<br />

(-25 %)<br />

3.2.8 Verbriefungsmärkte<br />

Stabilisierung setzt sich fort<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung des europäischen und deutschen Verbriefungsmarktes<br />

im Jahr 2011 lässt sich unter dem Begriff<br />

„vorsichtig optimistisch“ zusammenfassen. Das<br />

Emissionsvolumen belief sich in Europa auf insgesamt<br />

367 Mrd. EUR (rd. 3,5 % über Vorjahresniveau), während<br />

in <strong>Deutschland</strong> ca. 13,4 Mrd. EUR (rd. 0,8 % unter<br />

Vorjahresniveau) neu aufgelegt wurden. <strong>Die</strong> dominierenden<br />

Assetklassen im europäischen Primärmarkt waren<br />

erneut britische und niederländische Hy po thek enverbriefungen.<br />

Der deutsche Neu emis sions markt war<br />

auch 2011 wieder fast ausschließlich von verbrieften Autofi<br />

nanzierungen geprägt. Zu den weiteren in <strong>Deutschland</strong><br />

platzierten Verbriefungen gehörten wie im Vorjahr vereinzelte<br />

KMU-Transaktionen sowie Handels- und Leasingforderungen<br />

im Rahmen von ABCP-Programmen.<br />

Das Gros europäischer Emissionen wurde auch in<br />

2011 zu Repozwecken strukturiert. Lediglich rund<br />

23 % des Transaktionsvolumens konnten öff entlich<br />

platziert werden. Dagegen lag die Platzierungsquote<br />

deutscher Transaktionen mit rund 65 % deutlich<br />

höher, was sich insbesondere auf die gute Qualität<br />

deutscher Portfolien zurückführen lässt.<br />

Aufgrund der sich im Jahresverlauf zuspitzenden<br />

Staatsschuldenkrise stieg die Nachfrage nach besicherten<br />

Anleihen an den Kapitalmärkten zum Teil deutlich.<br />

In erster Linie konnten Pfandbriefe von dieser Entwicklung<br />

profi tieren, aber auch im Verbriefungssegment<br />

gingen die Risikoprämien für qualitativ hochwertige<br />

Assetklassen zurück. <strong>Die</strong> Zinsaufschläge für deutsche<br />

Verbriefungen sanken im Vergleich zu 2010 trotz des<br />

angespannten makroökonomischen Umfelds.<br />

Gestützt wurde die positive Entwicklung der Risikoprämien<br />

durch die weiterhin überwiegend soliden<br />

Fundamentaldaten. So bewegen sich die Ausfallraten<br />

deutscher wie europäischer ABS nach wie vor auf einem<br />

insgesamt sehr niedrigen Niveau.<br />

<strong>Die</strong> Anfang 2012 in Kraft getretenen regulatorischen<br />

Anforderungen an Investoren wie Originatoren bzgl.<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

Europäischer Verbriefungsmarkt<br />

Verbriefungsvolumen in Europa in Mrd. EUR, 2000–2011<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Öffentlich platzierte Verbriefungen ■ Einbehaltene Verbriefungen<br />

Quelle: UniCredit, KfW Bankengruppe<br />

<strong>Deutsche</strong>r Verbriefungsmarkt<br />

Verbriefungsvolumen in Europa in Mrd. EUR, 2000–2011<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Öffentlich platzierte Verbriefungen ■ Einbehaltene Verbriefungen<br />

Quelle: UniCredit, KfW Bankengruppe<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

49


50<br />

Transparenz, Sorgfalt und Verantwortungsübernahme<br />

sind als Maßnahme zur weiteren Erhöhung der Qualität<br />

des Verbriefungsproduktes ebenso positiv zu beurteilen,<br />

wie die mit 10 Transaktionen mit einem<br />

Gesamtvolumen von rund 12 Mrd. EUR erfolgreiche<br />

Einführung des 2010 entwickelten Gütesiegels „<strong>Deutsche</strong>r<br />

Verbriefungsstandard“ der TSI.<br />

Trotzdem konnte auch in 2011 von der Rückkehr einer<br />

breiten Investorenbasis noch keine Rede sein. Neben<br />

dem klassischen ABS-Markt ist auch die Funktionsfähigkeit<br />

des deutschen ABCP-Markts, in dem hauptsächlich<br />

Handels- und Leasingforderungen gebündelt<br />

an den Geldmarkt transferiert werden und der insbesondere<br />

für den deutschen Mittelstand eine wichtige<br />

Finanzierungsalternative zum Bankkredit darstellt,<br />

noch nicht wiederhergestellt.<br />

Neben der Unsicherheit um die zukünftige bilanzielle<br />

Behandlung (IFRS) führte insbesondere die Befürchtung,<br />

dass Verbriefungsprodukte in den 2012 zu verabschiedenden<br />

Regulierungsvorhaben für Banken<br />

und Versicherungen (CRD IV und Solvency II) ggü.<br />

anderen besicherten Finanzierungsinstrumenten benachteiligt<br />

werden könnten, bei den Marktteilnehmern<br />

zur Zurückhaltung.<br />

Auffächerung der Assetklassen<br />

Europäischer Verbriefungsmarkt<br />

nach Assetklassen in %<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ RMBS: Residential Mortgage Backed Securities ■ CMBS: Commercial<br />

Mortgage Backed Securities ■ CDO/CLO: Collateralized Debt Obligation /<br />

Collateralized Loan Obligation ■ ABS i. e. S.: Asset Backed Securities<br />

Quelle: MorganMarkets, KfW Bankengruppe<br />

Auffächerung der Assetklassen<br />

<strong>Deutsche</strong>r Verbriefungsmarkt<br />

nach Assetklassen in %<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ RMBS: Residential Mortgage Backed Securities ■ CMBS: Commercial<br />

Mortgage Backed Securities ■ CDO/CLO: Collateralized Debt Obligation /<br />

Collateralized Loan Obligation ■ ABS i.e. Sinne: Asset Backed Securities<br />

Quelle: MorganMarkets, KfW Bankengruppe<br />

3.2.9 Derivatemärkte<br />

3.2.9.1 Aktien- und Zinsderivate<br />

Marktentwicklung<br />

Das Jahr 2011 war insbesondere geprägt von Unsicherheiten<br />

in der Staatsfi nanzierung innerhalb der Eurozone sowie<br />

den damit verbundenen Schwankungen an den<br />

Finanzmärkten. Bei vielen Marktteilnehmern führte dies<br />

zu einem gestiegenen Absicherungsbedarf, welcher sich in<br />

einer verstärkten Nutzung von börsengehandelten und<br />

zentral verrechneten Derivaten widerspiegelte. <strong>Die</strong> Gruppe<br />

<strong>Deutsche</strong> Börse konnte diesen Bedarf auch im Jahr<br />

2011 mit ihrem Produkt- und Serviceportfolio über die<br />

überwachten, transparenten und neutralen Terminbörsen<br />

Eurex <strong>Deutschland</strong> (im Folgenden: Eurex) und International<br />

Securities Exchange (im Folgenden: ISE) erfolgreich<br />

adressieren. Vor diesem Hintergrund wurden 2011 an den<br />

Terminmärkten der Gruppe <strong>Deutsche</strong> Börse in Summe<br />

2.821,5 Mio. Kontrakte gehandelt, welches eine Zunahme<br />

von 7 % gegenüber dem Vorjahr (2010: 2.642,1 Mio.) darstellt.<br />

Dabei entfi el auf die Eurex ein Handelsvolumen in<br />

europäischen Produkten von 2.043,4 Mio. Kontrakten,<br />

ein Plus von 8 % gegenüber dem Vorjahr (2010:<br />

1.896,9 Mio.). Das Handelsvolumen der an der ISE gehandelten<br />

US-Optionen verzeichnete ein Wachstum um<br />

4 % auf 778,1 Mio. Kontrakte (2010: 745,2 Mio.).<br />

<strong>Die</strong> Produktgruppe mit den höchsten Handelsumsätzen<br />

blieben die europäischen Aktienindexderivate. Sie verbuchten<br />

einen deutlichen Anstieg um 19 % auf<br />

959,8 Mio. Kontrakte (2010: 808,9 Mio.). Mit Abstand<br />

am meisten handelten die Marktteilnehmer Kontrakte<br />

auf den EURO STOXX 50 (408,9 Mio. Futures und<br />

369,2 Mio. Optionen).<br />

In der Produktgruppe der europäischen Aktienderivate<br />

sanken die Kontraktvolumina um 12 % auf 450,5 Mio.<br />

Kontrakte (2010: 511,8 Mio.). Der Rückgang in Aktienoptionen<br />

und Aktienfutures ist im Wesentlichen auf die Vereinheitlichung<br />

der Kontraktgrößen von einigen sehr liquiden<br />

Produkten im ersten Halbjahr 2011 zurückzuführen.<br />

Als Folge dieser Maßnahme benötigen Eurex-Teilnehmer<br />

weniger Kontrakte, um die gleiche Anzahl zugrunde liegender<br />

Aktien abzusichern. Auf Basis der den Kontrakten<br />

Eurex-Umsatzentwicklung<br />

nach Produktsegmenten<br />

Zunahme des Handelsvolumens, Anzahl Kontrakte in Mio.<br />

2.200<br />

2.000<br />

1.800<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />

■ Interest Rate ■ Single Equity ■ Index<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />

Eurex-Umsatzentwicklung<br />

nach Herkunft der Teilnehmer<br />

Weltbörse Eurex, Anzahl Kontrakte in Mio.<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

927<br />

1.117<br />

400<br />

200<br />

0<br />

GroßbritannienDeutsch-<br />

141 141<br />

126<br />

2<br />

Frank- USA Nieder- Schweiz Sonstige<br />

landreichlande 167<br />

42<br />

273<br />

200 201 203<br />

146<br />

15 13<br />

113 80<br />

11<br />

98 87<br />

17<br />

■ 1998 ■ 2007 ■ 2011<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

51


52<br />

zugrunde liegenden Anzahl an Aktien sind die Handelsvolumina<br />

im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht gestiegen.<br />

Der erhöhte Absicherungsbedarf der Marktteilnehmer<br />

führte auch zu einer verstärkten Nachfrage nach<br />

Zinsprodukten. 2011 erzielte Eurex einen Zuwachs von<br />

10 % auf 630,4 Mio. Kontrakte (2010: 574,8 Mio.).<br />

<strong>Die</strong> Zahl der an das Eurex-Netzwerk direkt angeschlossenen<br />

Marktteilnehmer stieg im Berichtsjahr 2011 auf 436<br />

(2010: 412). Im asiatisch-pazifi schen Raum, wo das Eurex-<br />

Geschäft stetig an Bedeutung gewinnt, baute Eurex das<br />

Distributionsnetzwerk aus. So konnte ein führender chinesischer<br />

Futures-Broker als neuer Teilnehmer in Hongkong<br />

zum Handel zugelassen werden. Zum Jahresende 2011<br />

handelten 16 Mitglieder aus dem asiatisch-pazifi schen<br />

Raum an Eurex. Das auf asiatische Handelsteilnehmer<br />

entfallende Volumen stieg im Berichtsjahr um 14 % auf<br />

24,3 Mio. Kontrakte (2010: 21,3 Mio. Kontrakte).<br />

Weiterhin hat Eurex mit der Inbetriebnahme eines neuen<br />

Access Points in Hongkong die Infrastruktur für asiatische<br />

Eurex-Teilnehmer weiter verbessert. Es ist der zweite<br />

Access Point der Eurex in Asien nach dem bereits bestehenden<br />

in Singapur. Access Points bieten den Teilnehmern<br />

der Eurex einen direkten und kostengünstigen<br />

Hochgeschwindigkeitszugang zum hochliquiden Eurex-<br />

Terminmarkt.<br />

Innovationen und Konzepte für die Zukunft<br />

Neue Produkte geben Marktteilnehmern Impulse für Investitions-,<br />

Absicherungs- und Arbitragestrategien und<br />

können dadurch zusätzliches Handelsvolumen generieren.<br />

Im Jahr 2011 führte Eurex u. a. verschiedene Aktienindex-,<br />

Zins-, ETF-, Dividenden-, Volatilitäts- und Rohstoff derivate<br />

ein. Unter den neuen Anlageklassen entwickelten sich<br />

die Dividendenderivate positiv. Mit 6,0 Mio. Kontrakten<br />

im Jahr 2011 stieg die Zahl der gehandelten Kontrakte im<br />

Vergleich zum Vorjahr um 32 % (2010: 4,5 Mio. Kontrakte).<br />

Noch stärker wuchsen die Volatilitätsindexderivate<br />

mit einem Plus von 146 % auf 2,4 Mio. Kontrakte im Jahr<br />

2011 (2010: 1,0 Mio. Kontrakte). Auch hier zeigt sich der<br />

wachsende Bedarf der Marktteilnehmer, sich gegen steigende<br />

Volatilität an den Märkten abzusichern.<br />

Bei der Einführung neuer Produkte setzt Eurex neben der<br />

Eigenentwicklung auch auf Kooperationen mit Partnerbörsen<br />

wie der Korea Exchange (KRX), der Bombay<br />

Stock Exchange (BSE) und der Singapore Exchange<br />

(SGX). Besonders erfolgreich verlief die Zusammenarbeit<br />

mit der koreanischen Börse KRX bei einem Produkt auf<br />

den koreanischen Leitindex KOSPI, das seit dem 30. August<br />

2010 auf Eurex gehandelt werden kann. Das Produkt<br />

entwickelte sich 2011 mit tagesdurchschnittlich 68.000<br />

gehandelten Kontrakten zum drittstärksten Indexoptionskontrakt<br />

an der Eurex.<br />

Mit innovativen <strong>Die</strong>nstleistungen trägt Eurex über ihr<br />

Clearinghaus wesentlich zum eff ektiven Risikomanagement<br />

ihrer Kunden bei. So wurde im November 2011<br />

das Angebot zur Risikoüberwachung in Echtzeit um<br />

„Advanced Risk Protection“ erweitert: Clearingteilnehmer<br />

können mit dieser Funktion individuelle Risikolimits<br />

defi nieren, die automatisch überprüft werden. Auf Basis<br />

dieser Lösung haben Eurex-Teilnehmer jederzeit Transparenz<br />

und eine präzise Kontrolle über alle off enen Positionen<br />

und die mit diesen verbundenen Handelsrisiken.<br />

Im August 2011 hat die Eurex Clearing AG die Einführung<br />

des „Individual Clearing Model“ bekannt gegeben.<br />

<strong>Die</strong>ses Angebot ist der erste Teil des neuen branchenführenden<br />

Service von Eurex Clearing zur Segregierung<br />

der Sicherheiten der Nutzer des Clearinghauses. Segregierung<br />

bedeutet, dass die Sicherheiten den Nutzern individuell<br />

zugeordnet werden. Dadurch sind diese Sicherheiten<br />

beim Ausfall eines Clearingmitglieds besser geschützt und<br />

sofort übertragbar, sodass die Kunden ihre Handelsaktivitäten<br />

unterbrechungsfrei fortsetzen können.<br />

Darüber hinaus hat die Eurex Clearing AG im November<br />

2011 mit der schrittweisen Einführung eines zentralen<br />

Kontrahenten für den Wertpapierleihemarkt<br />

begonnen. Den Kunden ermöglicht dieses Angebot einen<br />

effi zienteren Kapitaleinsatz und eine Vereinfachung<br />

der operativen Prozesse. Der neue Service wird die<br />

europä ischen Märkte für die Leihe von Aktien,<br />

börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Funds,<br />

ETFs) und festverzinslichen Wertpapieren umfassen.<br />

3.2.9.2 Kreditderivate<br />

Konsolidierung bei unruhigen Märkten<br />

Seit Beginn der Finanzkrise ist das ausstehende Volumen<br />

an Kreditderivaten stark zurückgegangen.<br />

<strong>Die</strong> besondere Wachstumsdynamik, die diesen globalen<br />

Markt lange prägte, gehört bis auf Weiteres der<br />

Vergan genheit an.<br />

Im ersten Halbjahr 2011 blieb das ausstehende Nominalvolumen<br />

an Kreditderivaten praktisch unverändert.<br />

Von den globalen OTC-Segmenten wuchsen allein<br />

Aktienderivate und Zinsderivate zweistellig. Kreditderivate<br />

machen nach wie vor 5 % des globalen OTC-<br />

Derivatemarkts aus. Doppelt so bedeutend sind<br />

Währungs derivate, der mit Abstand größte OTC-Derivatemarkt<br />

bleibt der für Zinsderivate mit einem<br />

Anteil von über 80 %.<br />

<strong>Die</strong> verhaltene Entwicklung des ausstehenden Volumens<br />

ist auch auf anhaltende Anstrengungen der<br />

Marktteilnehmer zurückzuführen, das multilaterale<br />

Netting zu verbessern. Dabei werden sich gegenseitig<br />

aufhebende Positionen miteinander verrechnet. Begünstigt<br />

wird das insbesondere durch zunehmende<br />

Standardisierung und die Einschaltung von zentralen<br />

Clearingstellen.<br />

Deren Anteil bei den Gegenparteien der berichtenden<br />

Banken steigt auch aufgrund regulatorischer Vorgaben<br />

kontinuierlich und liegt mittlerweile bei einem Sechstel.<br />

In der zweiten Jahreshälfte 2011 kam es aufgrund<br />

der Staatsschuldenkrise zu starken Ausweitungen der<br />

Risikoprämien – nicht nur für Länder-Exposures, sondern<br />

auch für europäische Finanztitel.<br />

<strong>Die</strong>s färbte auch auf Unternehmensrisiken ab. Der<br />

iTraxx Europe – ein Spreadindex für die 125 liquidesten<br />

CDS aus dem europäischen Investment-Grade-<br />

Bereich – stieg auf über 200 Basispunkte und erreichte<br />

damit ein vergleichbares Niveau wie 2009. Der<br />

Index konnte sich bis März 2012 wieder auf etwa<br />

120 Basispunkte beruhigen. Der Crossover Index für<br />

Kreditderivate im Vergleich<br />

Nennwerte der globalen Derivatemärkte<br />

in Mrd. EUR, Mitte 2011<br />

383.228<br />

50.159<br />

Zins -<br />

derivate<br />

44.765<br />

5.504<br />

Währungsderivate<br />

Kreditderivate<br />

Aktienderivate<br />

Rohstoffderivate<br />

■ 60 Berichtsbanken weltweit ■ darunter von 6 deutschen Banken gemeldet<br />

Quelle: BIZ, <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />

22.424<br />

2.536<br />

Kreditderivatemarkt ohne Wachstum<br />

Wachstum der globalen Derivatemärkte in %,<br />

Mitte 2011 zu Ende 2010<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Quelle: BIZ<br />

0,2<br />

Kreditderivate<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

1,1<br />

Rohstoffderivate<br />

3,5<br />

Devisenderivate<br />

4.733<br />

718 2.212 209<br />

10,1<br />

Zins -<br />

derivate<br />

12,2<br />

Aktienderivate<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

53


54<br />

50 Unter nehmen schlechterer Bonität hat sich eben -<br />

falls nach deutlicher Ausweitung auf knapp 900 Basispunkte<br />

wieder eingeengt und liegt nun bei knapp<br />

600 Basispunkten.<br />

Ein Th ema, das die Märkte auch lange bewegt hat,<br />

war, ob die Umschuldung Griechenlands die CDS auf<br />

Anleihen Griechenlands auslösen würde, und welche<br />

Folgen das hätte.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung der ISDA im März 2012, den griechischen<br />

Schuldenschnitt als Kreditereignis zu werten,<br />

hat mittlerweile die CDS-Kontrakte ausgelöst. Der<br />

Umfang der daraus resultierenden Zahlungen war jedoch<br />

deutlich geringer als befürchtet.<br />

Sie konnten ihre Versicherungsfunktion erfüllen und<br />

sogar auf eine relativ reibungslose Weise. Das zeigt,<br />

dass CDS grundsätzlich ein wichtiges Instrument zur<br />

Risikoabsicherung darstellen.<br />

Marktteilnehmer und Aufsicht arbeiteten weiter an der<br />

Verbesserung der Marktinfrastrukturen, z. B. der Effi -<br />

zienz der Handels- und Abwicklungssysteme. Auch für<br />

nichtstandardisierte Kontrakte wird künftig über Datensammelstellen<br />

Transparenz geschaff en.<br />

Risikoprämien volatil<br />

Entwicklung europäischer Benchmark-Indizes<br />

in Basispunkten, letzter Stand 03/2012<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

06/04 03/05 12/05 08/06 05/07 02/08 11/08 07/09 04/10 01/11 10/11<br />

■ iTraxx Crossover ■ iTraxx Europe<br />

Quelle: Bloomberg, Dow Jones<br />

3.2.9.3 Zertifi kate<br />

Wachstumskurs legt Pause ein<br />

Dem negativen Marktumfeld im 2. Halbjahr 2011 mit<br />

Konjunkturabkühlung, Staatsschuldenkrise, fallenden<br />

Aktienkursen und historisch niedrigem Zinsniveau<br />

konnte sich der Zertifi katemarkt nicht gänzlich entziehen.<br />

Auf Jahressicht konnte der im Vorjahr eingeschlagene<br />

und im 1. Halbjahr 2011 noch anhaltende Wachstumstrend<br />

vorerst nicht fortgesetzt werden. Das<br />

Gesamtvolumen des deutschen Zertifi katemarkts<br />

fi el leicht auf 98,7 Mrd. EUR von 106,4 Mrd. EUR im<br />

Vorjahr. Insgesamt waren zum Jahresende rund<br />

820.000 Produkte emittiert, wovon etwa 45 % auf<br />

Anlageprodukte und 55 % auf Hebelprodukte entfi elen.<br />

Mit einem Anteil von 98,9 % machten Anlageprodukte<br />

jedoch den überwiegenden Anteil des ausstehenden<br />

Volumens aus; 1,1 % des Marktvolumens<br />

waren 2011 in Hebelprodukte investiert.<br />

<strong>Die</strong> anhaltende Konsolidierung unter den Emittenten<br />

führte zu einer verstärkten Marktkonzentration, sodass<br />

die 5 größten Emittenten 2011 einen Marktanteil<br />

von insgesamt ca. 75 % aufwiesen. 2011 sorgten zunehmende<br />

Regulierung und verbesserte Vergleichsmöglichkeiten<br />

für eine höhere Markttransparenz.<br />

Werterhalt und Sicherheit der Geldanlage standen 2011<br />

weiterhin im Fokus der Anleger. So wurden im vergangenen<br />

Jahr Anlageprodukte mit vollständigem Kapitalschutz<br />

(strukturierte Anleihen und Kapitalschutz-<br />

Zertifi kate) wieder stark nachgefragt. Deutlich mehr<br />

als zwei Drittel des gesamten Anlagevolumens entfi elen<br />

auf diese Kategorien (siehe Grafi k: Anlageprodukte<br />

nach Kategorien). Der Anteil der Produkte ohne vollständigen<br />

Kapitalschutz (Aktienanleihen, Express-,<br />

Discount-, Bonus- und Indexzertifi kate) verringerte<br />

sich im Jahresvergleich über alle Kategorien hinweg. Sie<br />

machen etwa ein Viertel des Anlagevolumens aus.<br />

Wie schon in den vergangenen Jahren boten die Emittenten<br />

wieder ein breites Spektrum an Basiswerten<br />

an. Dabei konzertiert sich das Angebot hauptsächlich<br />

Ausstehendes Volumen Gesamtmarkt<br />

in Mrd. EUR<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4<br />

2007 2008 2009 2010 2011<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />

Marktanteile<br />

Marktanteile nach Volumen derivativer Wertpapiere,<br />

Stichtag 31.12.2011<br />

25,4 % Sonstige<br />

10,0 %<br />

HypoVereinsbank<br />

14,7 % WestLB<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />

17,4 %<br />

<strong>Deutsche</strong> Bank<br />

16,6 %<br />

DZ Bank<br />

15,9 % Commerzbank<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

55


56<br />

auf Produkte mit Basiswert Aktien und Renten. Anlagezertifi<br />

kate mit anderen Basiswerten (Rohstoff e,<br />

Fonds und Währungen) machten 2011 nicht mehr als<br />

3 % des ausstehenden Volumens aus (siehe Grafi k: Anlageprodukte<br />

nach Basiswerten). Auch in 2011 konnten<br />

Anlageprodukte mit Renten als Basiswert ihr Volumen<br />

weiter ausbauen. Das Marktvolumen erhöhte sich<br />

von 45 % auf mehr als 54 %. Gleichzeitig verringerte<br />

sich der Anteil von Anlageprodukten auf Aktien / Indizes<br />

deutlich um gut 8 % auf knapp 43 %. Bei Anlagezertifi<br />

katen mit Fonds als Basiswert stieg das ausstehende<br />

Volumen leicht um 0,3 %. Hingegen nahm das<br />

Open Interest der Anlagezertifi kate mit Rohstoff en<br />

als Basiswert um 1,2 % ab. Rohstoff produkte kamen<br />

auf einen Anteil von 1,5 %. Der Anteil der Anlageprodukte<br />

auf Währungen als Basiswert blieb im Jahresvergleich<br />

verschwindend gering.<br />

Seitens der Produktanbieter und auf regulatorischer<br />

Ebene wurde weiterhin an Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der Produkttransparenz gearbeitet. Im April<br />

2011 ist das „Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes<br />

und Verbesserung der Funktionsfähigkeit<br />

des Kapital mark tes“ (AnSFuG) in Kraft getreten.<br />

Danach besteht ab dem 1. Juli 2011 die gesetzliche<br />

Pfl icht, dass im Falle einer Anlageberatung von Privatkunden<br />

rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts<br />

über Finanz instrumente ein kurzes und leicht<br />

verständliches Produktinformationsblatt über jedes<br />

Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen ist, auf<br />

das sich eine Kaufempfehlung bezieht. Viele der im<br />

<strong>Deutsche</strong>n Derivate Verband (DDV) vertretenen<br />

Banken hatten Pro duktinfor mationsblätter auf freiwilliger<br />

Basis und im Vorgriff auf die regulatorischen<br />

Vorgaben bereits seit 2010 im Einsatz.<br />

Anlageprodukte nach Kategorien<br />

Anteil am ausstehenden Volumen in %, 2011<br />

4,2 % Aktienanleihen<br />

5,5 % Index-Zer tifi kate<br />

3,1 %<br />

Bonus-Zertifi kate<br />

6,0 %<br />

Discount-Zertifi kate<br />

6,7 %<br />

Express-Zertifi kate<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />

4,8 % Weitere Anlageprodukte<br />

20,1 % Kapitalschutz-Zertifi kate<br />

Anlageprodukte nach Basiswerten<br />

Anteil am ausstehenden Volumen in 2011<br />

1,4 % Fonds<br />

54,3 % Renten<br />

Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />

1,5 % Rohstoffe<br />

49,6 % Strukturierte<br />

Anleihen<br />

42,8 %<br />

Aktien / Indizes<br />

3.2.10 Private Equity<br />

Eurokrise dämpft Entwicklung<br />

Der deutsche Beteiligungsmarkt erlebte in der zweiten<br />

Jahreshälfte 2011 einen deutlichen Abschwung.<br />

<strong>Die</strong>s spiegelt sich auch im Geschäftsklimaindex des<br />

German Private Equity Barometers wider. Er verbesserte<br />

sich zwar zu Beginn des Jahres bis auf das<br />

Niveau vor der Lehman-Krise 2008. Vor dem Hintergrund<br />

einer sich abschwächenden Konjunktur und<br />

den Verwerfungen an den internationalen Anleihen-<br />

und Aktienmärkten im Zuge der Eurokrise kam es<br />

allerdings im Herbst 2011 zu einem starken Rückgang.<br />

<strong>Die</strong> Stimmung unter den Spätphasenfinanzierern<br />

litt dabei deutlich stärker als die der Frühphasenfinan<br />

zierer. Grund hierfür ist die typische<br />

F i n a n z i e r u n g s s t r u k t u r i m L a t e r- S t a g e - B e r e i c h , v o r<br />

allem bei Buy-Outs, die in der Regel auf Fremdkapital<br />

angewiesen sind: Im Umfeld der Eurostaatsschuldenkrise<br />

hat sich dieser Zugang für die Beteiligungsunternehmen<br />

verschlechtert.<br />

<strong>Die</strong> Aussicht auf 2012 bleibt bei den Risikofi nanzierern<br />

angespannt: Im gesamten Beteiligungsmarkt<br />

besteht ein negativer Überhang des Erwartungs -<br />

indikators gegenüber dem Lageindikator. <strong>Die</strong>s deutet<br />

darauf hin, dass die Beteiligungsfi nanzierer in<br />

nächs ter Zeit eher mit einer weiteren Verschlechterung<br />

(als Verbesserung) der Lage im Markt rechnen.<br />

Das verwaltete Kapital der deutschen Private-Equity-<br />

Gesellschaften belief sich zum Jahresende 2011 auf<br />

gut 37 Mrd. EUR (-4,5 %). Der leichte Rückgang<br />

geht auf die geringere Zahl berücksichtigter Gesellschaften<br />

sowie auf Verkäufe internationaler Beteiligungsgesellschaften<br />

zurück. Das Fundraising hingegen<br />

stieg deutlich von 1,2 Mrd. EUR auf 2,8 Mrd.<br />

EUR, womit das Niveau früherer Jahre wieder erreicht<br />

wurde. Ein Teil dieses Anstiegs verdankt sich<br />

allerdings öffentlichen Fonds: Der öffentliche Sektor<br />

avancierte dadurch mit knapp 25 % zum wichtigsten<br />

Kapitalgeber. Institutionelle Investoren agierten dagegen<br />

weiterhin sehr zurück haltend, und auch die<br />

Zahl privater Beteiligungsfonds verharrte auf einem<br />

niedrigen Niveau.<br />

Stimmungseinbruch<br />

Entwicklung des Geschäftsklimas im deutschen<br />

Private-Equity-Markt, Indikatorwert Min: -100; Max: 100<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

-10<br />

-20<br />

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Geschäftsklima; Komponenten: ■ Geschäftslage ■ Geschäftserwartung<br />

Quelle: KfW Bankengruppe<br />

Erholung<br />

Fundraising deutscher Private-Equity-Gesellschaften<br />

in Mrd. EUR<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Mehr Investitionen – dank ausländischen Kapitals<br />

Investitionen in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

’99’ ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />

Quelle: BVK 2012<br />

2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ deutsche Gesellschaften ■ ausländische Gesellschaften<br />

Quelle: BVK 2012<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

57


58<br />

Im Gesamtjahr 2011 konnten die Private-Equity-Investitionen<br />

in <strong>Deutschland</strong> noch einmal deutlich zulegen<br />

und stiegen um 22 % auf 5,9 Mrd. EUR. Dahinter<br />

standen allerdings vor allem größere Investitionen<br />

ausländischer Beteiligungsgesellschaften, die Investitionen<br />

von deutschen Private-Equity-Gesellschaften<br />

stagnierten bei 3,8 Mrd. EUR. Zudem zeigte das Jahr<br />

zwei unterschiedliche Gesichter: Während im ersten<br />

Halbjahr noch 3,2 Mrd. EUR investiert wurden, fi el<br />

diese Summe im zweiten Halbjahr – parallel zur Eintrübung<br />

der Stimmung – auf 2,7 Mrd. EUR.<br />

Insgesamt gingen die Investitionen deutscher Beteiligungsgesellschaften<br />

auf 4,3 Mrd. EUR (2010:<br />

4,9 Mrd. EUR) zurück. <strong>Die</strong>ser Rückgang ist in erster<br />

Linie auf die Halbierung der Auslandsinvestitionen<br />

auf 510 Mio. EUR zurückzuführen; ihr Anteil an den<br />

Gesamtinvestitionen sank auf 12 % (2010: 20 %).<br />

Der Schwerpunkt der Investitionen in <strong>Deutschland</strong><br />

lag mit einem Anteil von 78 % nach wie vor bei Buy-<br />

Outs. Ihr Volumen wuchs dabei um 52 % auf 4,6 Mrd.<br />

EUR – bei nahezu unveränderter Anzahl der Transaktionen.<br />

Das Investitionsvolumen in allen übrigen<br />

Finan zierungsphasen, von Venture-Capital- über<br />

Wachs tums- bis hin zu Turnaround-Investitionen, ging<br />

dagegen zurück.<br />

Divestments der Beteiligungsgesellschaften erreichten<br />

2011 ein Volumen von 4,1 Mrd. EUR nach 3,2 Mrd.<br />

EUR im Vorjahr, ein Plus von 28 %. Der wichtigste Exit-<br />

Kanal ist dabei mittlerweile der Verkauf an strategische<br />

Investoren, auf den 1,7 Mrd. EUR entfi elen (+145 %).<br />

Ebenso legten auch Divestments über die Börse zu, während<br />

Verkäufe an andere Beteiligungsgesellschaften und<br />

Verluste eine rückläufi ge Tendenz aufwiesen.<br />

Im internationalen Vergleich weist der deutsche Markt<br />

weiterhin großes Potenzial auf. <strong>Die</strong>s zeigt sich an der<br />

Höhe der Investitionen durch Private-Equity-Gesellschaften<br />

in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. <strong>Die</strong>se<br />

Kennziff er liegt für <strong>Deutschland</strong> nach wie vor deutlich<br />

unter dem EU-Durchschnitt.<br />

Buy-Out-Investitionen dominieren<br />

Investitionen nach Finanzierungsphasen in %<br />

der Gesamtinvestitionen, 2011<br />

77 % Buy-Out<br />

Quelle: BVK 2012<br />

1 % Seed<br />

Großes Potenzial<br />

Private-Equity-Investitionen in % des BIP, 2010<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

7 % Start-up<br />

4 % Later Stage<br />

Venture Capital<br />

9 % Growth<br />

2 % Turnaround /<br />

Replacement<br />

GR IT DE POL AUT ESP EU FR NL IRL UK SWE<br />

Quelle: EVCA 2011<br />

3.2.11 Mergers & Acquisitions<br />

Geringere M&A-Aktivität in <strong>Deutschland</strong><br />

und Europa<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung des globalen M&A-Marktes 2011<br />

kann über das Jahr hinweg als wechselhaft bezeichnet<br />

werden. Das globale Volumen sank um 6,9 % auf ca.<br />

2,1 Bio. USD. Der europäische M&A-Markt hin gegen<br />

hatte einen noch größeren Rückgang zu verzeichnen:<br />

Das Transaktionsvolumen in Europa sank um ca. 16 %<br />

auf 578 Mrd. EUR, womit der europäische Anteil am<br />

Gesamtmarkt von 41,0 % im Vorjahr auf 38,7 % absank.<br />

<strong>Die</strong> reduzierte Entwicklung ist insbesondere auf<br />

einen starken Einbruch in der zweiten Jahreshälfte<br />

zurückzuführen – während das Transaktionsvolumen<br />

in der ersten Jahreshälfte noch um 8 % gegenüber 2010<br />

zulegte, waren die Volumina in der zweiten Jahreshälfte<br />

um 34 % geringer als noch in 2010. <strong>Die</strong> Belebung im<br />

Schlussquartal konnte hierbei die sehr schwachen<br />

Monate August und September nicht ausgleichen.<br />

Im europäischen Markt lässt sich das Jahr 2011 wie<br />

folgt zusammenfassen:<br />

● Geringere Größe der Transaktionen (durchschnittliches<br />

Volumen von 590 Mio. EUR)<br />

● Erhöhter Barmittelanteil bei der Finanzierung des<br />

Kaufpreises (ca. 62 % nach ca. 50 % im Vorjahr)<br />

● Zunahme grenzüberschreitender Transaktionen (ca.<br />

70 % aller Transaktionen nach ca. 61 % im Vorjahr)<br />

● Erhöhte Aktivität von Finanzinvestoren (Anstieg des<br />

Transaktionsvolumens von 68,6 Mrd. EUR auf<br />

105,7 Mrd. EUR)<br />

Das M&A-Volumen in <strong>Deutschland</strong> reduzierte sich<br />

nochmals um 11 % auf 50,5 Mrd. EUR, nachdem<br />

bereits im Vorjahr das geringste Volumen der letzten<br />

10 Jahre zu verzeichnen war.<br />

Ähnlich verhalten ent wickelte sich das Transaktionsvolumen<br />

deutscher Käufer im Ausland. Wie schon im<br />

Jahr 2010 sank das Volumen auch im Jahr 2011 um<br />

Reduziertes Volumen und Anzahl<br />

M&A-Aktivität mit europäischer Beteiligung,<br />

Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR, 2011<br />

1.800<br />

1.800<br />

1.600<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.200<br />

1.000<br />

1.000<br />

800<br />

800<br />

600<br />

600<br />

400<br />

400<br />

200<br />

200<br />

0<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />

Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />

Weiterhin Zurückhaltung<br />

M&A-Aktivität mit deutscher Beteiligung,<br />

Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR, 2011<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />

Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

3.2<br />

59


60<br />

ca. 33 % auf 12 Mrd. EUR. Mit einem Transaktionsvolumen<br />

von 18 Mrd. EUR konnte 2011 eine Zunahme<br />

der Akquisitionen deutscher Unternehmen durch<br />

ausländische Wett bewerber verzeichnet werden<br />

(+24 %). Zu Beginn des Jahres 2012 ist jedoch eine<br />

gewisse Belebung festzustellen. Das Transaktionsvolumen<br />

deutscher Käufer im Ausland überstieg bereits<br />

im April das Gesamtvolumen des Jahres 2011.<br />

Der Markt für Private-Equity-Transaktionen in <strong>Deutschland</strong><br />

konnte sich 2011 wieder erholen: Das Transaktionsvolumen<br />

verdreifachte sich auf 10,2 Mrd. EUR und war<br />

damit nur noch 17 % niedriger als 2008. Große Transaktionen<br />

sind 2011 jedoch ausgeblieben – keine Transaktion<br />

überstieg die Marke von 1 Mrd. EUR.<br />

<strong>Die</strong> relativ hohe Aktivität der Finanzinvestoren ist primär<br />

auf die als günstig angesehenen Bewertungsniveaus<br />

und die weiterhin hohen Bestände an Mitteln,<br />

die noch vor der Krise eingesammelt wurden und nun<br />

investiert werden müssen, zurückzuführen. Das Finanzierungsumfeld,<br />

das sich im dritten Quartal deutlich<br />

verschlechtert hatte, verbesserte sich zum Jahresende<br />

wieder. <strong>Die</strong> Kombination aus hoher Liquidität im Bankensystem<br />

und der Suche der Kapitalmarktinvestoren<br />

nach höheren Renditen wirkte sich zum Ende des Jahres<br />

günstig auf die Bereitstellung von Fremdkapital<br />

auch unterhalb des Investment-Grade-Bereichs aus.<br />

Branchentrends<br />

Während europaweit der größte Anteil des Transaktionsvolumens<br />

auf Deals im Bereich Energie & Versorger<br />

entfi el, war in <strong>Deutschland</strong> die höchste Aktivität<br />

bei Industrieunternehmen zu verzeichnen. Eine hohe<br />

M&A-Aktivität zeigten in <strong>Deutschland</strong> überdies die<br />

Bereiche Banken & Versicherungen, Telekommunikation<br />

& Medien, Immobilien und Chemie. In Europa<br />

war insbesondere ein Anstieg der Volumina von Konsumgüter-<br />

und Technologietransaktionen zu verzeichnen,<br />

da auch hier Unternehmen aus Schwellenländern<br />

zunehmend aktiv werden. Aufgrund des volatilen<br />

Marktumfeldes und der Unsicherheiten bezüglich des<br />

europäischen Finanzsystems, welches sich seit der<br />

Geringere Aktivität<br />

<strong>Deutsche</strong> Akquisitionen im Ausland,<br />

Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Private Equity im Aufwind<br />

Private Equity M&A mit deutscher Beteiligung,<br />

Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />

Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />

Leichte Zunahme<br />

Akquisitionen ausländischer Unternehmen in <strong>Deutschland</strong>,<br />

Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />

Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />

Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Krise hoch korreliert mit Staatsrisiken zeigt, r eduzierte<br />

sich das Transaktionsvolumen im Bereich Banken &<br />

Versicherungen um ca. 25 %.<br />

Ausblick<br />

Mit der positiven Entwicklung, die die meisten Börsen<br />

weltweit in den ersten Monaten des Jahres 2012 gezeigt<br />

haben, darf man auch wieder mehr Optimismus an der<br />

M&A-Front erwarten. Denn in den letzten Jahren zeigte<br />

sich, dass Aktienmarktentwicklung und M&A-Volumen<br />

eng korreliert sind. <strong>Die</strong> Kurserholungen an den<br />

Märkten unterstellen ein zukünftiges Ergeb nis wachstum,<br />

das die wenigsten globalen Unternehmen rein<br />

organisch werden darstellen können. <strong>Die</strong>s sollte dazu<br />

führen, dass die Unternehmen nach externem Wachstum<br />

suchen. Beobachtbar ist auch ein deutlich gestiegenes<br />

Interesse an überregionalen Transaktionen; insbesondere<br />

chinesische Käufer werden noch stärker in<br />

Erscheinung treten. Aber auch in der transatlantischen<br />

Relation sehen Marktbeobachter derzeit ein erhebliches<br />

Potenzial, wobei ein wechsel seitiges Interesse feststellbar<br />

ist. Dennoch darf nicht ignoriert werden, dass viele<br />

Aufsichts räte in den letzten Jahren sehr für die unplanbaren<br />

Risiken im Makro umfeld sensibilisiert wurden<br />

und daher zu höherer Vorsicht mahnen. Griechenland,<br />

Portugal, Iran, China-Wachstum – die Liste an ernstzunehmenden<br />

Risiken jenseits des unternehmerischen<br />

Risikomanagements ließe sich beliebig fortsetzen.<br />

Konsolidierung bei Versorger & Rohstoffe I<br />

M&A-Transaktionen mit europäischen Zielunternehmen<br />

nach Sektoren, 2011<br />

4 % Transport<br />

3 % Andere<br />

5 % Metall & Bergbau<br />

5 % Gesundheit<br />

6 % Konsumgüter<br />

6 % Technologie<br />

7 % Immobilien<br />

3 % Einzelhandel<br />

3 % Chemie<br />

8 % Telekom & Medien<br />

Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley<br />

(angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />

Konsolidierung bei Versorger & Rohstoffe II<br />

M&A-Transaktionen mit deutschen Zielunternehmen<br />

nach Sektoren, 2011<br />

4 % Einzelhandel<br />

4 % Technologie<br />

6 % Energie &<br />

Versorger<br />

10 % Chemie<br />

11 % Banken &<br />

Versicherungen<br />

0 % Konsumgüter<br />

0 % Metall & Bergbau<br />

Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />

Transport 2 % 1 % Gesundheit<br />

12 % Immobilien<br />

Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley<br />

(angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />

22 % Energie &<br />

Versorger<br />

15 % Banken &<br />

Versicherungen<br />

13 % Industrie<br />

1 % Andere<br />

36 % Industrie<br />

13 % Telekom & Medien<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

3.2<br />

61


62<br />

Entwicklung des <strong>Finanzstandort</strong>s<br />

<strong>Deutschland</strong>: Themen im Fokus<br />

4.1 Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />

4.2 <strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />

4.3 Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen<br />

Gewichtsverschiebung<br />

4<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

63


64<br />

4.1 Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />

„Ein schnelles Ende der Euro-Schuldenkrise ist nicht in<br />

Sicht.“ Das war die Botschaft, die mehrere Regierungen,<br />

allen voran die deutsche Bundesregierung, im letzten Jahr<br />

an die Finanzmärkte sandten. Es war eine richtige Einschätzung,<br />

die auch heute noch gültig ist. Zwar sind in<br />

den vergangenen Quartalen erhebliche Fortschritte auf<br />

dem Weg zu einer Kriseneindämmung erzielt worden. Mit<br />

dem Schuldenschnitt in Griechenland, mit teilweise drastischen<br />

Maßnahmen zur Haushalts-Konsolidierung und<br />

mit tiefgreifenden wirtschaftlichen Reformen in einigen<br />

Euro-Mitgliedsländern sind wichtige Stellhebel zu einer<br />

Verbesserung der Probleme umgelegt worden. Auf Dauer<br />

verlangt eine Währungsunion aber nach einem erheblich<br />

höheren Grad an fi nanzpolitischer Integration als er unter<br />

den Euro-Mitgliedstaaten zurzeit besteht. <strong>Die</strong> bisher eingeleiteten<br />

Reformen in den Mitgliedsländern sowie die<br />

institutionellen Veränderungen am Aufbau der Währungsunion<br />

reichen langfristig nicht aus.<br />

<strong>Die</strong> Natur der Krise, die einer Zahlungsbilanzkrise unter<br />

festen Wechselkursen sehr ähnlich ist, bringt es mit sich,<br />

dass mit den jetzt eingeleiteten Maßnahmen ein ausreichender<br />

Abbau der bestehenden Ungleichgewichte erst<br />

innerhalb einiger Jahre erreicht werden kann. <strong>Die</strong>se lange<br />

Durststrecke verlangt viel politische Geduld. Auf diesem<br />

Weg wird die Europäische Zentralbank weiterhin gefordert<br />

sein, in akuten Stressphasen das Bankensystem sowie<br />

die Sekundärmärkte für Staatsanleihen zu stützen. <strong>Die</strong>s<br />

darf jedoch nicht zu einer dauerhaften Subventionierung<br />

bestehender Ungleichgewichte führen. <strong>Die</strong> Geldpolitik ist<br />

auf Dauer überfordert mit der Abfederung regionaler Ungleichgewichte.<br />

<strong>Die</strong>se Probleme zu lösen ist Aufgabe der<br />

Politik, die dazu fi nanzpolitische Instrumente verwenden<br />

kann. Selbst wenn die nun eingeleiteten makroökonomischen<br />

Anpassungen in die richtige Richtung gehen, wäre<br />

es ein Fehler, sich zurückzulehnen und die benötigten tiefgreifenden<br />

institutionellen Reformen, die die Währungsunion<br />

benötigt, zu vernachlässigen.<br />

Deutliche Fortschritte …<br />

Bis zum Herbst des vergangenen Jahres konnte man den<br />

Eindruck gewinnen, als könne die europäische Politik den<br />

Problemen im Euroraum keine adäquaten Mittel entge-<br />

gensetzen. Zu zaghaft und vielstimmig waren die Ansätze<br />

von Sparbemühungen in den Krisenländern sowie die Bemühungen<br />

um Kreditfazilitäten für die bedrängten Staaten.<br />

Im Herbst 2011 spitzte sich die Krise an den Staats anleihemärkten<br />

wieder zu und drohte das gesamte eu ro päische<br />

Bankensystem lahmzulegen. Nachdem die Regierungen<br />

der Euro-Mitgliedstaaten das gesamte Jahr in intensiven<br />

Verhandlungen gestanden hatten, bildete sich auf den europäischen<br />

Gipfeln im Herbst des vergangenen Jahres<br />

endlich eine Strategie zur Bewältigung der Probleme heraus.<br />

<strong>Die</strong>se Strategie wurde in diesem Jahr weiter ausgearbeitet<br />

und ihre Umsetzung hat begonnen. Sie beruht im<br />

Wesentlichen auf fünf Punkten:<br />

● Energische fi skalische Konsolidierungen und angebotsorientierte<br />

Reformen in den am stärksten von der Euro-<br />

Schuldenkrise betroff enen Ländern sowie eurolandweit<br />

Verpfl ichtung auf einen mittelfristigen Pfad in Richtung<br />

Haushaltsausgleich, gleichzeitig intensive zentrale Überwachung<br />

der Finanzpolitik durch die Eurogruppe sowie<br />

Verankerung einer soliden Finanzpolitik in den nationalen<br />

Gesetzen (Fiskalpakt);<br />

● Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld durch<br />

einen teilweise erzwungenen Verzicht der privaten Gläubiger<br />

auf mehr als 50 % ihrer Forderungen und Gewährung<br />

eines zweiten Hilfspakets, bestehend aus weiteren Kreditfazilitäten<br />

sowie tech nisch - ad mini strativer Unterstützung;<br />

● Einrichtung eines Kreditmechanismus für am Fiskalpakt<br />

teilnehmende Länder in Höhe von bis zu 800 Mrd. EUR<br />

zuzüglich weiterer Hilfen des Internationalen Währungsfonds<br />

(IWF) bei strenger Überwachung der Anpassungspfade<br />

von Programmländern durch die EU-Kommission,<br />

den IWF und die Europäische Zentralbank (EZB);<br />

● Flankierung dieser Maßnahmen in der Zeit bis zur Entfaltung<br />

ihrer vollen Wirkung durch z. T. außergewöhnliche<br />

geldpolitische Maßnahmen der EZB;<br />

● Überwachung künftiger makroökonomischer Ungleich<br />

gewichte im Euroraum (im Rahmen des sogenannten<br />

„Six-Pack“).<br />

<strong>Die</strong> Elemente der Reform- und Konsolidierungspolitik<br />

entsprechen dem ursprünglich im Maastrichtvertrag<br />

und bei der Gründung der Währungsunion implizit festgelegten<br />

Prinzip, dass im Fall von Ungleichgewichten<br />

das Defi zitland die hauptsächliche Anpassung trägt.<br />

Neu gegenüber der ursprünglichen Konstruktion des<br />

Euro sind die umfangreichen multilateralen Kreditmechanismen<br />

innerhalb des Euroraums, teilweise unter<br />

Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds. Sie<br />

tragen den Umständen Rechnung, dass die notwendigen<br />

Anpassungszeiträume lang sind und private Investoren<br />

bei immer noch hoher Risikoaversion nur eingeschränkt<br />

zur Finanzierung von Staaten und Bankensystemen bereit<br />

sind, aber der Reformweg ist weit.<br />

<strong>Die</strong> Probleme des Euroraums sind im Kern eine Zahlungsbilanzkrise.<br />

Wenn Volkswirtschaften dauerhaft erhebliche<br />

Leistungsbilanzdefi zite aufweisen, kann irgendwann<br />

die Bereitschaft des Auslandes, diese zu fi nanzieren,<br />

abnehmen oder ganz versiegen. <strong>Die</strong> häufi g in der Diskussion<br />

stehenden hohen Staatsdefi zite („Euro-Schuldenkrise“)<br />

sind für diese Leistungsbilanzsalden teilweise verantwortlich,<br />

aber auch andere Sektoren der Volkswirtschaften<br />

(Unternehmen und private Haushalte) haben dazu beigetragen.<br />

Werden Leistungsbilanzdefi zite über die Märkte<br />

(Banken, Wertpapiermärkte) nicht mehr fi nanziert,<br />

kommt es zu krisenhaften Zuspitzungen.<br />

Solche regionalen Ungleichgewichte ergeben sich in<br />

einer Währungsunion mehrerer unabhängiger Staaten<br />

wie in jedem sonstigen Währungsgebiet von Nationalstaaten.<br />

<strong>Die</strong> in einem solchen Fall notwendigen Rückführungen<br />

der regionalen Zahlungsbilanzungleichgewichte<br />

fallen in der Europäischen Währungsunion<br />

wesentlich schwerer als in einheitlichen Staaten. Im<br />

Euroraum stehen andere Ausgleichsmechanismen, wie<br />

sie Nationalstaaten verwenden können, nicht zur Verfügung.<br />

<strong>Die</strong>s sind etwa hoheitliche Eingriff e in die Finanzpolitik<br />

der Regionen, oder aber auch interregionale<br />

Transfermechanismen, sei es durch die Sozialsysteme,<br />

sei es durch einen Finanzausgleich. Hierin drückt sich<br />

der besondere Charakter des Euroraums als Gemeinschaft<br />

souveräner Staaten aus.<br />

Es gilt also im Euroraum, die Ungleichgewichte, die<br />

sich in den Leistungsbilanz- und Budgetsalden der<br />

Staaten widerspiegeln, auf anderem Wege als durch<br />

Wechselkursveränderungen abzubauen. <strong>Die</strong>se Anpassungen<br />

sind unterwegs und zeigen erste Erfolge. Bereits<br />

gegen Ende 2011 haben sich die Leistungsbilanzsalden<br />

in fast allen Defi zitländern mit Ausnahme<br />

Italiens verbessert (Abb. 1).<br />

Abbildung 1: Leistungsbilanzsalden<br />

in % des BIP, gleitender Jahresdurchschnitt<br />

10<br />

5<br />

0<br />

-5<br />

-10<br />

-15<br />

’94 ’96 ’98 ’00 ’02 ’04 ’06 ’08 ’10<br />

■ <strong>Deutschland</strong> ■ Italien ■ Spanien ■ Portugal ■ Griechenland ■ Irland<br />

Quelle: Eurostat, DekaBank<br />

Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />

Und auch in Italien bleiben die Veränderungen nicht<br />

ohne Auswirkungen auf den Außenhandel. So ist auch<br />

hier die Importquote gesunken, während die Exportquote<br />

weiter anstieg. In Griechenland kam es infolge<br />

der schweren Rezession zu einem spürbaren Rückgang<br />

der Importnachfrage, und selbst hier wurden Fortschritte<br />

beim Export erzielt. In Spanien und Portugal<br />

hingegen blieb im Verlauf des Jahres 2011 die Importquote<br />

weitgehend stabil, während die Exportquote<br />

zulegte. Irland exportiert bereits seit einer ganzen Weile<br />

wieder mehr als es importiert. Umgekehrt geht in<br />

<strong>Deutschland</strong> der Leistungsbilanzüberschuss zurück.<br />

Zwar legten hierzulande die Exporte dank einer starken<br />

weltwirtschaftlichen Nachfrage und eines relativ<br />

hohen Exports in die schnell wachsenden Nicht-Euro-<br />

Regionen (mit einem Exportanteil in die Emerging<br />

Markets von etwa 20 % der höchste unter den großen<br />

Euroländern) auch zu Beginn 2012 weiter kräftig zu,<br />

die Importe stiegen aber deutlich stärker.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.1<br />

65


66<br />

Während diese ersten Schritte auf dem Weg zu einer<br />

Reduzierung der Leistungsbilanzdefi zite insbesondere<br />

durch die konjunkturellen Rückgänge in den südeuropäischen<br />

Mitgliedstaaten zustande kamen, ist für die<br />

kommenden Jahre eine weiter stützende Wirkung des<br />

Außenhandels zu erwarten, wenn es den Defi zitländern<br />

gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportindus trie<br />

zu verbessern. Auch hier zeigen sich erste Anzeichen.<br />

So sinken die Arbeitskosten in Griechenland und Irland<br />

aufgrund von Lohnzurückhaltung oder gar Lohnkürzungen<br />

(Abb. 2). Auch in Portugal, Spanien und<br />

Italien hat der Anstieg der Arbeitskosten nachgelassen<br />

und liegt unter dem <strong>Deutschland</strong>s. Damit scheint ein<br />

Prozess in Gang gekommen zu sein, der, wenn er einige<br />

Jahre lang anhält, zu einer Angleichung der preislichen<br />

Wettbewerbsfähigkeit führt. Einen ersten Ausdruck<br />

fi ndet dieser Prozess gegenwärtig auch in den regionalen<br />

Infl ationszahlen im Euroraum. So nahm bis zum<br />

März 2012 der Abstand zwischen der höchsten (Estland:<br />

4,7 %) und der niedrigsten Infl ationsrate (Griechenland:<br />

1,4 %) erheblich zu. Dabei ist zu beobachten,<br />

dass der Preisauftrieb in den Ländern mit der schwächsten<br />

wirtschaftlichen Entwicklung spürbar nachlässt. So<br />

liegen beispielsweise Spanien und Griechenland seit<br />

Längerem unter dem Durchschnitt des Euroraums. Im<br />

März sind die Raten hier weiter auf 1,8 % bzw. 1,4 %<br />

gesunken. Auch in Portugal ist die Infl ation zurückgegangen.<br />

Mit 3,1 % (März) liegt sie aber immer noch auf<br />

einem überdurchschnittlich hohen Niveau, was vor allem<br />

der starken Anhebung indirekter Steuern in diesem<br />

Land geschuldet ist. Ergänzt werden muss der Prozess<br />

der lohnseitigen Anpassung durch eine Steigerung der<br />

Produktivität. Auch hier haben die europäischen Peripherieländer<br />

noch einen weiten Weg vor sich.<br />

Insgesamt hat das Beispiel <strong>Deutschland</strong> gezeigt, dass<br />

es eine Dekade dauern kann, bis die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />

wiederhergestellt ist.<br />

Neben dem Preis spielen aber auch andere Faktoren eine<br />

wichtige Rolle für den Exporterfolg. So sind die Produkte<br />

aller Peripherieländer mit Ausnahme Irlands eher im<br />

Low-Tech-Bereich angesiedelt, bei dem der Preiswettbewerb<br />

Abbildung 2: Arbeitskosten<br />

Lohnstückkosten, gleitende Jahresrate<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

2007 2008 2009 2010 2011<br />

■ <strong>Deutschland</strong> ■ Italien ■ Spanien ■ Portugal ■ Griechenland ■ Irland<br />

Quelle: Eurostat, DekaBank<br />

sehr intensiv ist. Ein Wandel hin zu einer technologieintensiveren<br />

Produktion wird ebenfalls Zeit benötigen.<br />

Schließlich ist die Ausrichtung der Peripheriestaaten auf<br />

die Wachstumsmärkte Asiens, Lateinamerikas und Mittel-<br />

und Osteuropas noch zu gering.<br />

Auf der Seite der Budgetdefi zite ist eine Messung der Erfolge<br />

zum Teil recht schwierig. Das liegt daran, dass Länder<br />

wie Griechenland aufgrund des Kollapses der Wirtschaft<br />

weniger Steuereinnahmen und mehr Ausgaben zu<br />

verkraften haben. <strong>Die</strong>se konjunkturelle Komponente gilt<br />

es zu bereinigen, wenn man das Ausmaß der Konsolidierungsergebnisse<br />

ablesen will. <strong>Die</strong> EU-Kommission<br />

nimmt eine solche Bereinigung vor: Danach gingen<br />

2011 in Griechenland gut 3½ Prozentpunkte des Defi -<br />

zits auf die Rezession zurück, in Spanien waren es immerhin<br />

rund 2¼ Prozentpunkte. Doch selbst wenn man<br />

diese Belastungen berücksichtigt, sind die Staatshaushalte<br />

mit Ausnahme des italienischen immer noch deutlich<br />

von der Maastricht-Norm (3 % Defi zit gemessen am<br />

Bruttoinlandsprodukt) entfernt. Das Jahr 2011 brachte<br />

in allen Peripheriestaaten außer Griechenland eine Reduzierung<br />

der Defi zitquoten, wenngleich diese nicht<br />

überall so stark ausfi el wie geplant. So konnten Spanien<br />

und Griechenland die Zielvorgaben der EU-Kommission<br />

nicht einhalten, Spanien kündigte zusätzlich eine<br />

Senkung des Konsolidierungszieles für 2012 an. Dennoch<br />

geht der Defi zitabbau weiter. Da zurzeit in den<br />

großen Peripherieländern eine ausreichende politische<br />

Unterstützung – in Spanien sogar durch eine neu gewählte<br />

Regierung – für die fi nanz- und reformpolitischen<br />

Notwendigkeiten vorliegt, ist es letztlich ein makroökonomischer<br />

Balanceakt, die Konsolidierung so zu<br />

steuern, dass die Defi zite zurückgeführt werden, aber<br />

gleichzeitig die Wirtschaftsleistung ausreichend stabil<br />

bleibt, um die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten.<br />

<strong>Die</strong> nächsten beiden Jahre werden in allen Peripherieländern<br />

besonders schwierig werden. Im Vergleich zu den<br />

Strukturreformen der deutschen Volkswirtschaft in der<br />

vergangenen Dekade haben einige Peripheriestaaten eine<br />

ungleich längere und härtere Reformstrecke hinter sich<br />

zu bringen, und das vor dem Hintergrund der immer<br />

noch spürbaren Nachwirkungen der weltweiten Finanzkrise.<br />

Dennoch sollten sich in den kommenden Jahren<br />

auch hier positive Wirkungen der Reformen zeigen.<br />

Der Schlüssel zur Überwindung der Staatsschuldenkrise<br />

mit ihren Rückwirkungen in den Währungsbereich liegt<br />

in den großen südeuropäischen Ländern Spanien und<br />

Italien. <strong>Die</strong> europäischen Kreditfonds sollten zwar so<br />

ausgestattet sein, dass sie den Finanzbedarf von Programmländern<br />

für mehrere Jahre überbrücken können.<br />

<strong>Die</strong>se Länder sind aber letztlich zu groß, um ohne massive<br />

Unterstützung der EZB durch eine Brandmauer abgeschirmt<br />

werden zu können. Da eine weitere Vergrößerung<br />

der Kreditmechanismen politisch schwierig<br />

durchsetzbar erscheint, kommt der konsequenten Umsetzung<br />

von Veränderungen umso größere Bedeutung<br />

zu. Gegenwärtig sind viele Signale dafür vorhanden, dass<br />

diese Länder sowohl die wirtschaftliche Kraft als auch<br />

den politischen Durchhaltewillen aufweisen, um am<br />

Ende die notwendige Anpassung zu erreichen.<br />

Märkte bleiben skeptisch<br />

<strong>Die</strong> Finanzmärkte werden den Fortschritt bei der Eindämmung<br />

von Staatsdefi ziten und bei der Belebung der<br />

Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf und darüber hinaus<br />

sehr genau beobachten. Zurzeit genießt hier die skizzierte<br />

Strategie noch wenig Vertrauen. Es wird insbesondere<br />

angezweifelt, ob die Anteile an Konsolidierungs- und<br />

Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />

Reformpolitik richtig austariert sind, um eine wachsende<br />

oder auch nur stabile Wirtschaftsleistung zu erreichen,<br />

die Voraussetzung dafür ist, die staatliche Schuldenlast<br />

tragfähig zu halten. Implementierungsrisiken bei der<br />

Umsetzung von Reformen sowie Risiken der politischen<br />

Zustimmung durch die Wähler sowohl in den Defi zit-<br />

als auch in den Überschussländern erscheinen vielen Kapitalmarktteilnehmern<br />

noch sehr hoch.<br />

Es mag sein, dass die makroökonomische Anpassung<br />

längere Zeit in Anspruch nimmt, als in den gegenwärtigen<br />

offi ziellen Anpassungsplänen vorgesehen ist. Einige<br />

Annahmen dieser Pläne haben sich in der Vergangenheit<br />

als zu optimistisch erwiesen und damit zu<br />

Enttäuschungen geführt, die an den Finanzmärkten zu<br />

vorübergehenden Verspannungen geführt haben. Selbst<br />

wenn diese Muster noch eine Weile anhalten sollten, ist<br />

von entscheidender Bedeutung, ob die makroökonomischen<br />

Anpassungen voranschreiten und schließlich ein<br />

ausreichendes Ausmaß annehmen. Wenn sich bei den<br />

Finanzmarktteilnehmern der Eindruck durchsetzt,<br />

dass dies gelingt, sind die Voraussetzungen für eine<br />

längerfristige Entspannung an den Märkten gegeben.<br />

<strong>Die</strong> Rolle der EZB<br />

<strong>Die</strong> Europäische Zentralbank hat seit Beginn der Finanzkrise<br />

durch den Einsatz ihrer traditionellen Instrumente<br />

sowie von neuen, nicht konventionellen Instrumenten<br />

zur Stabilisierung des europäischen Finanzsektors<br />

in ganz erheblichem Umfang beigetragen und letztlich<br />

damit auch dafür gesorgt, dass die realwirtschaftlichen<br />

Auswirkungen der Finanzkrise – trotz ihrer Dramatik in<br />

einzelnen Teilregionen des Euroraums – insgesamt abgefedert<br />

wurden. <strong>Die</strong> wichtigsten Maßnahmen waren<br />

● die Reduzierung des Notenbankzinses, zuletzt wieder<br />

auf 1 %,<br />

● die Ankaufprogramme für Staatsanleihen und<br />

Pfand briefe,<br />

● die Bereitstellung von unbegrenzter Liquidität bei<br />

deutlich erweitertem Sicherheitenrahmen.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.1<br />

67


68<br />

● Darüber hinaus sorgt das europäische Zahlungsverkehrssystem<br />

TARGET2 neben einer reibungslosen<br />

Abwicklung der innereuropäischen Zahlungsströme<br />

gleich zeitig für eine fortlaufende Finanzierung von<br />

Leistungs bilanzungleichgewichten.<br />

All diese Maßnahmen trugen bei zu<br />

● einer Stabilisierung des europäischen Finanzsystems,<br />

● einer Erleichterung für die an den Finanzmärkten<br />

teilweise nur noch unter schwierigen Bedingungen<br />

mögliche Staatenfi nanzierung,<br />

● zu einer Finanzierung der nicht auf einmal korrigierbaren<br />

Zahlungsbilanzungleichgewichte zwischen den<br />

Euro-Ländern,<br />

● und damit schließlich zu der Vermeidung bzw. Abmilderung<br />

einer Kreditklemme.<br />

Alles in allem hat die EZB damit wesentlichen Anteil an<br />

der Stabilisierung der europäischen Konjunktur, die<br />

nach der Erholung vom Lehman-Schock des Jahres 2009<br />

im Herbst 2011 wieder in eine Schwächephase geraten<br />

war. Damit hat die EZB die Funktionsdefi zite der<br />

Finanz politik aufgefangen. <strong>Die</strong>se Defi zite bestehen weiterhin<br />

fort. Es würde aber eine Überforderung der Geldpolitik<br />

darstellen, wenn man meint, dass eine Notenbank<br />

dauerhaft die Ziele der Finanzmarktstabilisierung, der<br />

Geldwertstabilität, der Staatenfi nanzierung und des<br />

regionalen Leistungsbilanzausgleichs erfüllen könnte.<br />

Trotz dieser Erfolge sollte die EZB auch die Nebenwirkungen<br />

ihres extremen Mitteleinsatzes nicht aus den<br />

Augen verlieren. Was auf dem Höhepunkt der Krise an<br />

Unterstützung für das System sinnvoll sein konnte,<br />

weil noch keine ausreichenden Gegenmaßnahmen der<br />

Finanz- und Wirtschaftspolitik beschlossen worden<br />

waren, kann sich bei Dauerbetrieb als kontraproduktiv<br />

erweisen. Insbesondere Gewöhnungseff ekte sowie das<br />

„moralische Risiko“, mit den Reformbemühungen<br />

nicht weiter fortzufahren und auf weitere Unterstützung<br />

durch die Zentralbank zu setzen, sind die Gefahren<br />

einer zu lange fortgeführten Strategie geldpolitischer<br />

Extremmaßnahmen. <strong>Die</strong>s gilt zum einen für die<br />

notwendi gen makroökonomischen Anpassungen. Zum<br />

an de ren dürfen aber auch im Finanzsektor keine neuen<br />

Verzerrungen hervorgerufen und die bestehenden mikroökonomischen<br />

Strukturänderungen nicht verschleppt<br />

werden: Hier ist insbesondere an eine Rekapitalisierung<br />

der Bankensysteme in den Peripheriestaaten zu denken.<br />

Mittlerweile sind vielfältige Reform- und Konsolidierungsprogramme<br />

in den Defi zitländern eingeleitet worden.<br />

Für die Staatsfi nanzierung ist die Einrichtung des<br />

europäischen Stabilitätsfonds auf den Juli 2012 vorgezogen<br />

worden, zeitweise stehen parallel Mittel aus der<br />

Vorgängerinstitution EFSF zur Verfügung. <strong>Die</strong>s sind<br />

ausreichende Voraussetzungen dafür, dass die Geldpolitik<br />

beginnen sollte, sich aus den extremen Maßnahmen<br />

zurückzuziehen. Insbesondere der Mechanismus<br />

der faktisch unkonditionierten Liquiditätsversorgung<br />

sollte durch eine langsame, schrittweise Rückkehr der<br />

Sicherheitenanforderungen zu den Vorkrisenstandards<br />

noch in diesem Jahr begonnen werden.<br />

Langfristig: neue Qualität in der europäischen<br />

Finanzpolitik<br />

Trotz zahlreicher Reparaturmaßnahmen an der Architektur<br />

der Währungsunion bestehen weiterhin Glaubwürdigkeitsprobleme<br />

dieser Währung. Es wird als<br />

wider sprüchlich angesehen, einerseits eine Wäh rungsunion<br />

zu gründen, in welcher der Ausgleich interner<br />

fi nanzwirtschaftlicher Ungleichgewichte naturgemäß<br />

durch den Wegfall der Wechselkurse zunächst erschwert<br />

wird, andererseits aber keine ausreichen den politischen<br />

Voraussetzungen dafür zu schaff en, dass ein<br />

solcher Ausgleich so reibungslos vonstattengehen kann,<br />

dass die Welt nicht jedes Mal eine Finanzkrise befürchten<br />

muss, wenn eine europäische Region fi nanzielle<br />

Ungleichgewichte angehäuft hat.<br />

Solche Voraussetzungen bestehen zum einen in einer zentralen<br />

eurolandweiten Bankenregulierung, um für den<br />

Euro-Finanzsektor überall einheitliche Regeln anwenden<br />

zu können. Dazu zählt ebenfalls die weitere Integration<br />

des europäischen Bankensektors, um die Verfl echtung<br />

von nationalen Bankensystemen und ihren Sitzstaaten zu<br />

lockern. Auch kann nur in einem eurolandweiten Ansatz<br />

die herausragende Bedeutung der makroprudentiellen<br />

Überwachung für die Vermeidung künftiger fi nanzwirtschaftlicher<br />

Ungleichgewichte zur Geltung kommen.<br />

Zum anderen aber ist eine Grundbedingung für das<br />

langfristige Funktionieren der Währungsunion eine weiter<br />

vertiefte Integration der europäischen Finanzpolitik<br />

(Fiskalunion) – die bislang noch nicht erreicht wurde.<br />

Dabei ist der politische Wille zu einer Fortsetzung der<br />

europäischen Integration in den vergangenen Jahren die<br />

treibende Kraft gewesen, ohne die der Euro die extremen<br />

Belastungsproben der vergangenen beiden Jahre durch<br />

die Kapitalmärkte nicht überstanden hätte.<br />

<strong>Die</strong>ser Wille ist an den Kapitalmärkten vielfach unterschätzt<br />

worden. Der Zweck der europäischen Integration<br />

kann dabei nicht nur in dem historisch angelegten Ziel<br />

der Vermeidung von Konfl ikten auf dem europäischen<br />

Kontinent liegen. <strong>Die</strong> Bildung des europäischen Binnenmarkts<br />

hat bereits gezeigt, welche ökonomischen Vorteile<br />

von dieser Integration ausgehen. Entscheidend für<br />

die künftige politische Integration ist zusätzlich die Defi<br />

nition gemeinsamer Interessen der europäischen Nationen<br />

innerhalb der Weltwirtschaft. <strong>Die</strong>se gemeinsamen<br />

Interessen werden künftig vor dem Hintergrund des demografi<br />

sch bedingt abnehmenden Gewichts Europas in<br />

der Welt off ensichtlicher zutage treten als in der Vergangenheit.<br />

Noch stellt die Europäische Union den größten<br />

Wirtschaftsraum der Welt dar (Abb. 3). <strong>Die</strong>s wird sich<br />

allerdings im Verlauf der kommenden Jahrzehnte ändern.<br />

Auch vor diesem Hintergrund werden die Vorteile<br />

einer tieferen Integration deutlich.<br />

Mit dem Euro ist die europäische Integration bislang<br />

am weitestgehenden umgesetzt worden. Das Ergebnis<br />

fi el dementsprechend aus: Der Euro hat sich seit seiner<br />

Einführung 1999 als zweitwichtigste Währung der<br />

Welt fest etabliert. Mit einer stabilen großen Weltwährung<br />

sind neben politischen Aspekten auch ökonomische<br />

Vorteile verbunden.<br />

Abbildung 3: Struktur der Weltwirtschaft<br />

Anteil am Welt-BIP für ausgewählte Regionen auf Basis von<br />

Kaufkraftparitäten (PPP)<br />

2012 2030<br />

EU-27 19,53 13,5<br />

USA 18,71 14,8<br />

China 15,06 19,2<br />

Indien 5,86 8,7<br />

<strong>Deutschland</strong> (nachrichtlich) 3,82 2,5<br />

Russland 3,02 3,6<br />

Brasilien 2,92 4,3<br />

Quelle: IWF, DekaBank<br />

Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />

Damit der Euro stabil bleibt, muss er weiterentwickelt<br />

werden und eine breitere fi nanzpolitische Basis erhalten.<br />

<strong>Die</strong> Verstärkung der fi nanzpolitischen Zusammenarbeit<br />

(Fiskalpakt) ist hier ein erster Schritt. <strong>Die</strong><br />

neuen Vorschriften über die erlaubten Defi zite und<br />

deren Überwachung sind zwar strenger als die Vorgängerregeln<br />

des Stabilitäts- und Wachstumspakts<br />

und werden in den kommenden Jahren zum Wiederaufbau<br />

von Glaubwürdigkeit des Euro beitragen. Sie<br />

stellen allerdings immer noch keine grundsätzlich<br />

neue Qualität einer europäischen Finanzpolitik dar,<br />

da die volle fi nanzpolitische Souveränität weiterhin<br />

bei den Mitgliedsländern liegt.<br />

<strong>Die</strong> mit weiteren fi nanzpolitischen Integrationsschritten<br />

verbundenen Entscheidungen sind zwar<br />

weitreichend, aber sie sind unabdingbar, wenn die gemeinsame<br />

Währung stabil bleiben soll. Zusätzlich<br />

erschwerend wirkt sich aus, dass die besonderen währungsbedingten<br />

Integrationsnotwendigkeiten nur für<br />

die Mitglieder des Euroraums und nicht für alle Staaten<br />

der Europäischen Union gelten. <strong>Die</strong> sich hieraus<br />

ableitenden unterschiedlichen Integrationsgeschwindigkeiten<br />

dürfen den Zusammenhalt der Union nicht<br />

gefährden.<br />

Mittelfristig ist die Währungsunion auf einem guten<br />

Weg, die gegenwärtigen akuten Krisenerscheinungen<br />

einzudämmen. Langfristig liegen jedoch noch viele<br />

politische Herausforderungen vor den Mitgliedstaaten,<br />

um den Euro zu einer reibungslos funktionierenden<br />

Währung zu entwickeln.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.1<br />

69


70<br />

4.2 <strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />

<strong>Die</strong> Zentralbanken vieler fortgeschrittener Länder verfolgen<br />

derzeit eine Politik niedriger Zinsen, um die<br />

Volkswirtschaften nach den Schocks der Finanz- und<br />

Staatsschuldenkrise wieder zu stabilisieren. Es ist absehbar,<br />

dass die sehr expansive Geldpolitik noch über<br />

einige Jahre hinweg aufrechterhalten werden wird. So<br />

hat beispielsweise die Federal Reserve angekündigt,<br />

die Leitzinsen – bei unveränderter konjunktureller<br />

Lage – bis zum Ende des Jahres 2014 auf dem niedrigen<br />

Niveau belassen zu wollen.<br />

<strong>Die</strong> niedrigen Notenbankzinsen haben zweifelsohne geholfen,<br />

die schwere Rezession des Jahres 2009 rasch zu<br />

überwinden und eine gewisse Stabilisierung auf den<br />

Märkten für Finanz- und Staatsanleihen zu erreichen. In<br />

der traditionellen Wirtschaftstheorie wirken niedrige<br />

Zinsen im Rahmen des üblichen Konjunkturzyklus stimulierend,<br />

weil sie Konsum relativ zu Ersparnis bevorzugen,<br />

Investitionen begünstigen und die Risikoneigung<br />

der Investoren erhöhen. Es ist jedoch fraglich, ob dieser<br />

grundlegende Zusammenhang in gleichem Maße auch<br />

dann gilt, wenn die Zinsen über einen längeren Zeitraum<br />

niedrig sind. In diesem Sonderkapitel betrachten<br />

wir daher die möglichen volkswirtschaftlichen Konsequenzen<br />

eines hypothetischen Szenarios, in dem die Zinsen<br />

dauerhaft auf einem niedrigen Niveau bleiben.<br />

Dauerhaft niedrige Zinsen haben Nebenwirkungen, die<br />

nicht unterschätzt werden sollten. Dazu mahnt nicht zuletzt<br />

die Finanzkrise der Jahre 2007ff ., denn einer der<br />

Hauptgründe für diese Krise war der lang andauernde<br />

Zinssenkungszyklus zwischen Ende 2001 und 2005.<br />

Niedrige Nominalzinsen führten während dieser Zeit in<br />

vielen Staaten sogar zu negativen Realzinsen.<br />

<strong>Die</strong> primäre Sorge vieler Beobachter ist, dass eine anhaltende<br />

Periode niedriger Zinsen zu infl ationären<br />

Entwicklungen führt. <strong>Die</strong> starke Ausweitung der<br />

Geldbasis durch die EZB schaff t in der Tat ein Potenzial<br />

für eine Zunahme der Infl ationsrate. Während<br />

diese Geldmenge aufgrund der Dysfunktionalitäten<br />

im Bankensystem und der schwachen Konjunktur derzeit<br />

nicht infl ationär wirken, wird eine Vermeidung<br />

zukünftig höherer Infl ation doch davon abhängen,<br />

dass die Geldbasis bei einer Überwindung dieser Probleme<br />

rasch und eff ektiv wieder reduziert wird.<br />

Allerdings ist der Zusammenhang zwischen der Zinshöhe<br />

und der Infl ation doch komplex und keineswegs mechanistisch.<br />

Entscheidend für Infl ation ist letztlich nicht die<br />

Höhe der Leit- und / oder Marktzinsen per se, sondern<br />

vielmehr das Verhältnis von kaufkraftwirksamer Geldmenge<br />

und Güterangebot. Insoweit überrascht es nicht,<br />

dass ausgedehnte Phasen niedriger Zinsen möglich sind,<br />

in denen die Güterpreisinfl ation gering bleibt. <strong>Die</strong> Jahre<br />

vor, aber auch jene nach der Krise sind illustrativ hierfür.<br />

Infl ation ist aber keineswegs die einzige potenzielle Konsequenz<br />

niedriger Zinsen, die bedenkenswert ist.<br />

Auswirkungen auf Vermögenspreise und die<br />

Kapitalallokation<br />

Niedrige Nominalzinsen veranlassen Anleger, höhere<br />

Renditen zu suchen. Anbieter von Finanzprodukten reagieren<br />

hierauf häufi g mit einem verstärkten Angebot<br />

von Aktiva, die durch komplexere Strukturen höhere<br />

Renditen versprechen. Zudem gilt: Niedrige Zinsen<br />

steigern den Anreiz, Kredit aufzunehmen; dies gilt besonders,<br />

wenn Investoren wissen, dass Zinsen dauerhaft<br />

niedrig bleiben. Gleichzeitig führen niedrige Zinsen<br />

zu höheren Preisen bei Vermögenswerten, was<br />

wiederum den Wert (potenzieller) Sicherheiten steigert<br />

und dadurch die Kreditvergabebereitschaft der Banken<br />

erhöht. Alle diese Reaktionen vergrößern tendenziell<br />

die Risiken für die Finanzstabilität: Anleger gehen auf<br />

der Suche nach Rendite höhere Risiken ein. Komplexere<br />

Produkte verringern die Transparenz und niedrige<br />

Zinsen können, gefördert von Kreditblasen, Vermögenspreissteigerungen<br />

auslösen beziehungsweise für Blasenbildungen<br />

an Vermögensmärkten verantwortlich sein.<br />

<strong>Die</strong> Jahre vor der Finanzkrise sind typische Beispiele<br />

für Perioden steigender Vermögenspreise und sinkender<br />

Risikoprämien in Zeiten niedriger Zinsen.<br />

Zudem geht bei dauerhaft niedrigen Zinsen die volkswirtschaftlich<br />

wichtige allokative Funktion des Zinses<br />

verloren. Während im Falle normaler Zinsverhältnisse<br />

das Kapital auf diejenigen Investitionsprojekte gelenkt<br />

wird, die die höchste risikoadjustierte Rendite versprechen,<br />

werden in Zeiten niedriger Zinsen in extremis<br />

alle Projekte die Zinshürde überspringen, die eine<br />

mindestens positive Rendite aufweisen. Der Grenznutzen<br />

der Projekte wird dabei aber immer geringer; eine<br />

Fehlallokation von Kapital in der Volkswirtschaft wird<br />

wahrscheinlicher. Gleichzeitig sinkt, soweit diese Projekte<br />

über Fremdkapital fi nanziert werden, die Qualität<br />

der Aktiva bei den Fremdkapitalgebern, die diese<br />

Projekte fi nanzieren.<br />

Beschädigung der Interbankenmärkte<br />

Banken gleichen kurzfristige Liquiditätsspitzen traditionell<br />

auf den Interbankenmärkten aus. Bei dauerhaft<br />

niedrigen Zinssätzen ist es für Finanzinstitute aber uninteressant,<br />

anderen Banken zu niedrigen Margen<br />

Geld zu leihen, zumal diese Interbankenkredite – wie<br />

anderes margenschwaches Geschäft auch – unter den<br />

Bedingungen von Basel 3 deutlich weniger attraktiv<br />

werden. Steht aber der Interbankenmarkt dauerhaft<br />

nicht zur Verfügung, perpetuiert sich die Abhängigkeit<br />

der Banken von der Zentralbank, damit wiederum<br />

verstetigt sich auch eine Erweiterung der Rolle der<br />

Zentralbank über die Geldpolitik hinaus dahingehend,<br />

dass die Zentralbank mehr in die Wahrung der<br />

Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte eingebunden<br />

wird. <strong>Die</strong>s kann den Fokus auf die Wahrung der Geldwertstabilität<br />

als primäres Zentralbankziel gefährden.<br />

Auswirkungen auf die Vermögensanlage<br />

Niedrige Zinsen reduzieren für Haushalte den Anreiz<br />

zu sparen und erhöhen die Konsumneigung. <strong>Die</strong>s<br />

senkt tendenziell die Ersparnis in einer Volkswirtschaft<br />

und damit das für Investitionen zur Verfügung<br />

stehende Kapital.<br />

Gleichzeitig reduzieren dauerhaft niedrige Zinsen<br />

den Ertrag aus der Vermögensanlage. Anleger müssen<br />

daher länger sparen oder eine höhere Sparquote realisieren,<br />

um ein gegebenes Sparziel zu erreichen. Institutionelle<br />

Investoren wird es bei extrem niedrigen<br />

Zinsen erschwert, ihre Renditeversprechen zu erfüllen.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />

Sie neigen daher in Zeiten langfristig niedriger Zinsen<br />

dazu, höherrentierliche Assets zu erwerben, was<br />

das Risiko in den Portfolios erhöht. Alternativ müssen<br />

institutionelle Investoren ihre Renditeversprechen<br />

reduzieren, was die Wachstumsaussichten für<br />

das zu künf tige Geschäftsvolumen tendenziell reduzieren<br />

dürfte – jedenfalls wenn und solange Anleger<br />

glauben, in anderen Anlageformen noch höhere Renditen<br />

erzielen zu können.<br />

Niedrige Zinsen bedeuten auch niedrigere Diskontraten<br />

für institutionelle Investoren. <strong>Die</strong> rechnerischen<br />

Lücken bei langfristigen Versorgungsverpfl ichtungen<br />

steigen damit an, was durch höhere laufende Zuweisungen<br />

an z. B. betriebliche Pensionspläne ausgeglichen<br />

werden muss. Anders gesagt: Es muss in der Gegenwart<br />

mehr Geld beiseitegelegt werden, um<br />

zukünftige Pensionsverpfl ichtungen zu erfüllen. <strong>Die</strong>s<br />

wirkt sich wiederum negativ auf die laufenden Gewinne<br />

der Unternehmen aus.<br />

Auswirkungen auf Banken<br />

Niedrige Zinsen bedeuten aus Sicht des traditionellen<br />

Kreditgeschäfts zwar tendenziell eine steigende Kreditnachfrage<br />

und damit höhere Kreditvolumen; gleichzeitig<br />

führen niedrige Zinsen aber auch zu niedrigeren<br />

Margen und damit geringeren Erträgen. Sinkende<br />

Zinsen haben zunächst tendenziell eine positive Wirkung<br />

auf die Zinsmarge, weil Habenzinsen schneller<br />

angepasst werden können als die langfristig vereinbarten<br />

Sollzinsen (bei steigenden Zinsen ist die Wirkung<br />

entsprechend umgekehrt); hält die Niedrigzinsphase<br />

aber länger an, so wird die Marge sinken. Ob und inwieweit<br />

geringere Margen durch eine Volumenausweitung<br />

kompensiert werden können, ist ex ante indeterminiert.<br />

Berücksichtigt man jedoch, dass eine<br />

Aus wei tung der Kreditvolumen in Zeiten sehr niedriger<br />

Zinsen aus Sicht der bereits erwähnten Erwägungen<br />

zur Finanzstabilität grundsätzlich skeptisch zu sehen<br />

ist und eine restringierende Reaktion der<br />

Finanzaufsicht hervorrufen sollte, dürfte der negative<br />

Preiseff ekt den positiven Volumeneff ekt zumindest in<br />

Zukunft langfristig überwiegen.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.2<br />

71


72<br />

Je nach Steigung der Zinskurve bedeuten niedrige Zinsen<br />

auch ein erhöhtes Zinsänderungsrisiko. Banken können<br />

die Risiken daraus unterschätzen und zu sehr in<br />

langfristige Aktiva investieren, was sie bei kurzfristiger<br />

Refi nanzierung zu niedrigen Zinsen einem merklichen<br />

Zinsänderungs- und Refi nanzierungsrisiko aussetzt.<br />

In Zeiten niedriger Zinsen sinkt zudem die durchschnittliche<br />

Qualität der Schuldner, weil bei niedrigen<br />

Zinsen auch weniger einkommensstarke Haushalte<br />

und weniger ertragsstarke Firmen Kredite aufnehmen<br />

und zunächst bezahlen können. <strong>Die</strong> Erosion der Assetqualität<br />

zeigt sich dabei allerdings erst später, insbesondere<br />

dann, wenn der Zinszyklus dreht – denn solange<br />

die Zinsen niedrig sind, bleibt die Schuldendienstfähigkeit<br />

erhalten.<br />

In diesem Kontext ist zu erwähnen: Niedrige Zinsen führen<br />

auch zu einer Versuchung, Exposures gegenüber<br />

Schuldnern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufrechtzuerhalten,<br />

anstatt diese rechtzeitig einer Restrukturierung<br />

zuzuführen und die notwendigen Wertberichtigungen<br />

vorzunehmen. Warnendes Beispiel hierfür sind die<br />

sog. „Zombie-Unternehmen“, die sich in den Portfolien<br />

japanischer Banken befanden. Das Überleben solcher<br />

Zombie-Unternehmen ist nicht nur schädlich mit Blick<br />

auf die Assetqualität von Banken, sondern auch mit Blick<br />

auf die Allokation von Ressourcen in der Volkswirtschaft,<br />

denn solche Unternehmen verhindern die Marktbereinigung<br />

und den Markteintritt neuer Unternehmen, denen<br />

sowohl der Zugang zu Märkten als auch zu Fremdkapital<br />

erschwert wird. <strong>Die</strong> gleiche Versuchung besteht mit Blick<br />

auf die Behandlung überschuldeter Haushalte. <strong>Die</strong>s ist<br />

gerade im Fall von vorangehenden Immobilienblasen ein<br />

Problem, weil die Perpetuierung von Krediten an überschuldete<br />

Haushalte die notwendige Marktbereinigung<br />

auf den Immobilienmärkten verhindert.<br />

Außenwirtschaftliche Implikationen<br />

Niedrige Zinsen in den Industrieländern schaff en Anreize<br />

für Investoren, in diesen Ländern Kredite aufzunehmen<br />

und das Geld in höher rentierenden Anlagen<br />

in anderen Staaten zu investieren. Zielländer dieser<br />

sog. „carry trades“ sind typischerweise Schwellenländer,<br />

in denen die Nominalzinsen aufgrund des strukturell<br />

höheren Nominalwachstums üblicherweise höher<br />

sind als in den Industrieländern.<br />

Folge solcher „carry trades“ sind starke Nettokapitalzufl<br />

üsse in die Zielländer, die dort tendenziell eine Aufwertung<br />

sowie höhere Infl ation verursachen können. <strong>Die</strong>s gilt<br />

insbesondere dann, wenn die Kapitalmärkte in diesen<br />

Ländern wenig reif und dementsprechend wenig aufnahmefähig<br />

sind. Bereits im Jahre 2011 war dies ein ernsthaftes<br />

wirtschaftspolitisches Problem, welches u. a. zu einer<br />

Renaissance der Diskussion um Kapitalimportkontrollen<br />

als Mittel gegen exzessive Kapitalzufl üsse führte.<br />

In jenen Ländern, die einen festen Wechselkurs zu dominanten<br />

Währungsräumen mit einer Niedrigzinspolitik<br />

verteidigen, führt die Niedrigzinspolitik zu einer<br />

Übertragung der geldpolitischen Lockerung und der<br />

Gefahr einer importierten Infl ation. <strong>Die</strong> Erfahrungen<br />

Chinas während der Zeit niedriger US-Leitzinsen sind<br />

hierfür ein einschlägiges Beispiel.<br />

Maßnahmen<br />

Dauerhaft niedrige Zinsen können also schädliche,<br />

wenn auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen haben.<br />

Daraus ergeben sich einige Verpfl ichtungen für alle<br />

Akteure, um potenziellen Schaden abzuwenden oder<br />

wenigstens zu minimieren.<br />

<strong>Die</strong> Geldpolitik steht in der Pfl icht, die Angemessenheit<br />

niedriger Zinsen kritisch zu prüfen und eine Normalisierung<br />

der Geldpolitik nicht zu verschleppen.<br />

<strong>Die</strong> Banken müssen in einer anhaltenden Niedrigzinsphase<br />

besonders kritisch und regelmäßig prüfen, ob<br />

ihre Kunden auch unter normalen Konditionen leistungsfähig<br />

wären. Ein rigoroses, zeitnahes Stresstesting<br />

des Portfolios mit Blick auf diesen Aspekt ist geboten.<br />

<strong>Die</strong> Finanzaufsicht ist gehalten, eine strenge Prüfung<br />

auf exzessive Fristen- und Zinsrisiken in den Portfolien<br />

der Banken vorzunehmen.<br />

<strong>Die</strong> neu etablierte makroprudentielle Finanzaufsicht<br />

steht in der Pfl icht, Maßnahmen gegen Blasen auf Vermögensmärkten<br />

– etwa bei Immobilien oder Aktien –<br />

zu ergreifen, die in Zeiten niedriger Zinsen, wie gezeigt,<br />

leicht entstehen können. In Europa kommt dem<br />

European Systemic Risk Board (ESRB) hierbei eine<br />

besondere Verantwortung zu.<br />

Fazit<br />

<strong>Die</strong> Erfahrung aus Japan zeigt, dass es für eine Zentralbank<br />

schwierig ist, sich von einer Politik niedriger Zinsen<br />

wieder zu lösen. Je länger Zinsen niedrig bleiben,<br />

desto größer werden die Widerstände gegen eine Erhöhung,<br />

weil Assetallokationen im Vertrauen auf niedrige<br />

Zinsen vorgenommen wurden und Verluste drohen,<br />

wenn die Zinsen steigen. In den Augen derjenigen, die<br />

sich zu niedrigen Zinsen (hoch) verschuldet haben,<br />

wird die richtige Zeit für eine Zinserhöhung nie kommen!<br />

Verzerrungen, die aus zu niedrigen Zinsen resultieren,<br />

können den Samen für zukünftige Probleme<br />

legen. <strong>Die</strong>s gilt es bei der Gestaltung der Geldpolitik<br />

sowie bei der Analyse und Adressierung systemischer<br />

Risiken zu beachten.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.2<br />

73


74<br />

4.3 Internationale Kapitalmärkte im Sog<br />

der globalen Gewichtsverschiebung<br />

Das Comeback Asiens und Lateinamerikas als bedeutende<br />

Spieler auf der weltwirtschaftlichen Büh ne<br />

hat lange vor der jüngsten Krise eingesetzt. <strong>Die</strong> Finanz-<br />

und Schuldenkrise in den entwickelten Län dern<br />

Europas und Nordamerikas hat diese Verschiebung<br />

der globalen Gewichte jedoch beschleunigt. Zwar sind<br />

die EU und USA noch immer die größten Wirtschaftsmächte<br />

der Welt, die zusammen gut 50 % der Wirtschaftsleistung<br />

auf sich vereinen, aber ihre Be deutung<br />

ist im Schwinden begriff en. Deutlich wird dies vor<br />

allem bei einem Blick auf die Wachstumsbeiträge der<br />

einzelnen Regionen in der letzten Dekade: <strong>Die</strong><br />

aufstrebenden Länder Asiens und Südamerikas sind<br />

für mehr als die Hälfte des realen Wachstums der<br />

letzten zehn Jahre verantwortlich; vor allem China hat<br />

eine neue Rolle als globale Wachstums lo ko mo tive<br />

übernommen.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung hat mittlerweile auch ihren Niederschlag<br />

in den Institutionen der weltwirtschaftlichen<br />

Governance gefunden. Der exklusive Kreis der<br />

G7 wurde von der G20 als neuer inoffi zieller „Weltregierung“<br />

abgelöst; nicht nur die BRIC-Länder, sondern<br />

auch andere aufstrebende Länder wie Indo ne sien,<br />

Mexiko, Südafrika und die Türkei sind hier neben den<br />

fortgeschrittenen Ländern als gleich berechtigte Partner<br />

vertreten. Darüber hinaus hat der IWF Ende 2010<br />

eine grundsätzliche Neuausrichtung seiner Quoten<br />

Ungebrochene transatlantische Dominanz I<br />

Globaler Anleihenmarkt: ausstehende Volumina von öffentlichen und privaten Anleihen, regionale Verteilung in %<br />

18,1 % Japan &<br />

Australien<br />

46,8 % USA &<br />

Kanada<br />

Quelle: BIS, Allianz SE<br />

3,4 % Asien 2,3 % Lateinamerika<br />

2000<br />

0,4 % Rest<br />

29,0 % Europa<br />

beschlossen, wodurch zum Beispiel China zum drittgrößten<br />

Anteilseigner im IWF (hinter den USA und<br />

Japan) aufsteigt.<br />

<strong>Die</strong> Topographie der globalen Wirtschaft beschreibt<br />

heute also eine multipolare Welt. Vollzieht sich eine<br />

parallele Entwicklung auch auf den globalen Kapitalmärkten?<br />

Ist auch hier der Aufstieg der neuen Macht-<br />

und Wirtschaftszentren vor allem in Asien un aufhaltsam,<br />

das Zurückfallen Europas und der USA<br />

unvermeidlich?<br />

Der erste Blick scheint zu beruhigen. <strong>Die</strong> Stellung des<br />

Dollars als internationale Reservewährung ist unangefochten.<br />

Selbst die Herabstufung der Kreditwürdigkeit<br />

der USA durch eine Ratingagentur konnte dem<br />

Status der amerikanischen Währung nichts anhaben.<br />

Im Gegenteil: In der Krise war der Dollar als „Fluchtwährung“<br />

gefragt wie eh und je. Und außer dem Dollar<br />

hat allein der Euro bedeutendes Gewicht. Sein Anteil<br />

an den internationalen Devisenreserven ist in den<br />

Jahren seines Bestehens langsam, aber kontinuierlich<br />

gestiegen. Andere Währungen, die dem Dollar seine<br />

Sonderstellung im internationalen Währungssystem<br />

streitig machen könnten, sind nicht in Sicht. <strong>Die</strong> chinesische<br />

Währung verfügt zwar langfristig über das<br />

entsprechende Potenzial, aber solange der Yuan nicht<br />

konvertibel und der chinesische Kapitalmarkt nicht<br />

17,0 % Japan &<br />

Australien<br />

37,8 % USA &<br />

Kanada<br />

6,7 % Asien 2,6 % Lateinamerika<br />

2010<br />

0,5 % Rest<br />

35,5 % Europa<br />

Ungebrochene transatlantische Dominanz II<br />

Globaler Kreditmarkt: ausstehende Volumina von Krediten an private Nicht-Banken, regionale Verteilung in %<br />

21,2 % Japan &<br />

Australien<br />

39,9 % USA &<br />

Kanada<br />

Quelle: Weltbank, Allianz SE<br />

7,0 % Asien 1,4 % Lateinamerika<br />

2000<br />

1,3 % Rest<br />

29,1 % Europa<br />

entwickelt ist, ist an den Status einer internationalen<br />

Reservewährung nicht zu denken. Ein multipolares<br />

Währungssystem liegt mithin noch in weiter Ferne.<br />

<strong>Die</strong>s lässt sich auch darauf zurückführen, dass die<br />

Tiefe und Breite der amerikanischen und europäischen<br />

Kapitalmärkte weiterhin konkurrenzlos ist, insbesondere<br />

was die Anleihenmärkte betriff t. Ihr gemeinsamer<br />

Anteil von etwa drei Vierteln an allen<br />

weltweit ausstehenden Schuldtiteln hat sich in der<br />

vergangenen Dekade kaum verändert. Auf der anderen<br />

Seite sind die „Fortschritte“ der aufstrebenden<br />

Länder überschaubar: Ihr Weltmarktanteil stieg von<br />

6 % auf knapp 10 %.<br />

Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf die weltweite<br />

Kreditvergabe, auch hier ist die Kluft zwischen<br />

fortgeschrittenen auf der einen und aufstrebenden<br />

Ländern auf der anderen Seite unverändert groß. <strong>Die</strong>s<br />

refl ektiert die Reife und den Entwicklungsstand der<br />

Industrieländer. <strong>Die</strong>se Lücke schließt sich aber, und<br />

der Weltmarktanteil der Schwellenländer liegt bereits<br />

bei knapp 17 %.<br />

Zudem sind die hohen Kreditvolumina in den etablierten<br />

Volkswirtschaften nicht nur positiv zu sehen.<br />

Zu einem Teil spiegelt sich in ihnen das Schuldengetriebene<br />

Wachstum der letzten Dekade.<br />

Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung<br />

13,0 % Japan &<br />

Australien<br />

38,6 % USA &<br />

Kanada<br />

13,0 % Asien 2,0 % Lateinamerika<br />

2010<br />

1,8 % Rest<br />

31,6 % Europa<br />

Doch diese Entwicklung wird sich in den kommenden<br />

Jahren umkehren (müssen): Nach dem rasanten Aufbau<br />

der Schulden folgt zwangsläufi g der mühsame Abstieg<br />

vom Schuldenberg. Für die Mehrzahl der fortgeschrittenen<br />

Länder hat das Jahrzehnt der Austerität<br />

bereits begonnen; dieser Prozess des „Deleveraging“ in<br />

allen Bereichen, nicht nur bei den Staatsfi nanzen, wird<br />

die nächsten Jahre mehr oder weniger stark prägen.<br />

Im Gegenzug verfügen viele aufstrebende Länder noch<br />

über Spielräume, private wie öff entliche Verschuldung<br />

zu steigern. Eine höhere Verschuldung wird nicht zuletzt<br />

auch durch das Bestreben vieler Regierungen forciert,<br />

nach den Jahren des vor allem exportgetriebenen<br />

Wachstums nun die private Binnennachfrage zu fördern<br />

und dabei Sorge zu tragen, dass möglichst viele<br />

Bevölkerungsschichten am Wohlstand partizipieren<br />

können. Dabei wird ihnen die Suche der internationalen<br />

Investoren nach attraktiven Anlagemöglichkeiten<br />

jenseits der etablierten Märkte in die Hände spielen.<br />

Bleibt nur zu hoff en, dass Schuldner und Gläubiger zukünftig<br />

die Fehler der Vergangenheit vermeiden.<br />

Wie schnell sich aber die Dynamik auf den internationalen<br />

Kapitalmärkten verändern kann, haben in den<br />

letzten Jahren bereits die Aktienmärkte vorgeführt, die<br />

nicht vom Schuldenmachen der Staaten und privaten<br />

Haushalte, sondern vom Kapitalhunger erfolgreicher<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.3<br />

75


76<br />

Vormarsch der aufstrebenden Länder<br />

Globaler Aktienmarkt: Marktkapitalisierung, regionale Verteilung in %<br />

9,1 % Japan &<br />

Australien<br />

45,7 % USA &<br />

Kanada<br />

Quelle: Weltbank, Allianz SE<br />

6,4 % Asien 2,0 % Lateinamerika<br />

2000<br />

1,6 % Rest<br />

35,3 % Europa<br />

Unternehmen getrieben werden. Hier ist die Verschiebung<br />

der Gewichte augenfällig: Während Europa und<br />

die USA gut 20 Prozentpunkte ihres Weltmarktanteils<br />

verloren, konnten die aufstrebenden Länder ihren Anteil<br />

auf rund 30 % nahezu verdreifachen.<br />

Noch dramatischer fallen die Veränderungen aus, wenn<br />

nicht Bestand-, sondern Flussgrößen untersucht werden.<br />

Dann wird deutlich, dass die Börsen der aufstrebenden<br />

Länder den etablierten Handelsplätzen bereits<br />

den Rang abgelaufen haben: An den Börsen in Asien<br />

(ohne Japan) und Lateinamerika wurde 2010 mehr frisches<br />

Kapital aufgenommen als in Europa und den USA<br />

10,4 % Japan &<br />

Australien<br />

35,3 % USA &<br />

Kanada<br />

Wachwechsel<br />

Globaler Aktienmarkt: Aufnahme frischen Kapitals, regionale Verteilung in %<br />

3,8 % Japan &<br />

Australien<br />

40,4 % USA &<br />

Kanada<br />

13,0 % Asien 1,1 % Lateinamerika<br />

2000<br />

Quelle: World Federation of Exchanges, Allianz SE<br />

2,9 % Rest<br />

38,8 % Europa<br />

22,1 % Asien 4,3 % Lateinamerika<br />

2010<br />

3,3 % Rest<br />

24,6 % Europa<br />

zusammen. Vor zehn Jahren war die Situation noch diametral<br />

entgegengesetzt, die etablierten Börsen warben<br />

beinahe fünfmal mehr Kapital ein als der Rest der Welt.<br />

<strong>Die</strong> jüngste Entwicklung zeigt zudem, dass es sich bei<br />

den Zahlen für 2010 keineswegs um einmalige Ausreißer<br />

handelt. Der Trend setzt sich mit unverminderter<br />

Stärke fort: 2011 konnten allein die drei chinesischen<br />

Börsen Hongkong, Shanghai und Shenzhen Börsengänge<br />

mit einem Emissionsvolumen von über 57 Mrd.<br />

EUR verbuchen – mehr als doppelt so viel wie alle Börsen<br />

Europas zusammen. Auch beim Aktienhandel hat<br />

Asien Europa mittlerweile deutlich abgehängt.<br />

35,6 % Asien<br />

9,2 % Japan &<br />

Australien<br />

2010<br />

10,6 % Lateinamerika<br />

1,4 % Rest<br />

20,5 % Europa<br />

22,7 % USA &<br />

Kanada<br />

Im dynamischsten Segment der internationalen Kapitalmärkte,<br />

den Aktienmärkten, ist also bereits eine<br />

klare Gewichtsverlagerung zu erkennen. <strong>Die</strong> internationale<br />

Börsenlandschaft ist ohne Frage multipolar –<br />

und Europa muss sich anstrengen, um nicht den Anschluss<br />

zu verlieren.<br />

Auch wenn sich die Mehrzahl der fi nanziellen Vermögenswerte<br />

noch im Westen konzentriert, sind Dynamik<br />

und Wachstum mittlerweile vornehmlich an anderen<br />

Finanzzentren zu fi nden. Nach Maßgabe der<br />

Wachstumspotenziale der dahinterstehenden Volkswirtschaften<br />

dürfte sich an diesem Befund so schnell<br />

nichts ändern. Der vorgezeichnete weitere Bedeutungsverlust<br />

fi ndet schon heute seinen Ausdruck in<br />

den Börsenwerten der Banken, in denen sich die zukünftigen<br />

Ertragspotenziale widerspiegeln (sollten):<br />

Auch hier haben die aufstrebenden Länder die Führung<br />

übernommen, an der Spitze der Liste der wertvollsten<br />

Banken (nach Marktkapitalisierung) stehen<br />

heute zwei chinesische Institute.<br />

Dennoch besteht für Europa kein Grund zur Verzweiflung.<br />

<strong>Die</strong> internationalen Kapitalmärkte sind wie kein<br />

anderer Bereich der Wirtschaft global vernetzt. Was in<br />

der jüngsten Krise vielen Ländern zum Verhängnis<br />

wurde, bietet jedoch auch große Chancen. Denn Europa<br />

und <strong>Deutschland</strong> haben als <strong>Finanzstandort</strong> noch<br />

immer einen großen Kompetenzvorsprung vor den<br />

aufstrebenden Zentren in Asien, im Mittleren Osten<br />

und in Lateinamerika. Denn in Zukunft werden im<br />

internationalen Finanzwettbewerb nicht allein Innovationen,<br />

sondern zunehmend auch eine nachhaltige<br />

Regulierung, transparente Marktstandards, hohe<br />

Rechtssicherheit und politische Stabilität über Geschäftschancen<br />

entscheiden. Mit diesen Pfunden können<br />

Europa und <strong>Deutschland</strong> wuchern.<br />

Europas Zukunft als <strong>Finanzstandort</strong> von globalem<br />

Rang wird mehr und mehr auch jenseits seiner Grenzen<br />

liegen: <strong>Die</strong> Verbindung von europäischem Knowhow<br />

und Anlagegeldern mit den steigenden Finanzierungsbedürfnissen<br />

der aufstrebenden Länder kann für<br />

Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung<br />

Schwellenländer-Banken liegen vorne<br />

Marktkapitalisierung der 25 größten Banken der Welt,<br />

regionale Verteilung in %<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1999 2004 2007 2012<br />

■ Schwellenländer ■ Übrige Industrieländer ■ Japan<br />

■ Europa ■ USA<br />

Quelle: The Banker, Thomson, Bloomberg, DB Research<br />

beide Seiten zu einer gewinnbringenden Verbindung<br />

werden. Daher ist es auch im ureigenen Interesse Europas,<br />

sich für eine global einheitliche und konsistente<br />

Regulierung der Kapitalmärkte einzusetzen. Alleingänge<br />

– wie sie beispielsweise eine einseitige Einführung<br />

einer Finanztransaktionssteuer darstellen würde<br />

(siehe folgende Seite) – sind im höchsten Maße kontraproduktiv.<br />

Sie würden die Zukunftsfähigkeit der<br />

<strong>Finanzstandort</strong>e in Europa und <strong>Deutschland</strong> gefährden,<br />

die sich angesichts der globalen Gewichtsverschiebung<br />

Selbstbezogenheit und Isolierung nicht leisten können.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.3<br />

77


78<br />

Zur geplanten Finanztransaktionssteuer in Europa<br />

Im Einklang mit den G20-Zielen ergreift die Europäische<br />

Union verschiedene regulatorische Maßnahmen,<br />

die darauf abzielen, die Sicherheit und Integrität<br />

der Finanzmärkte zu erhöhen und somit<br />

zukünftige Krisen zu vermeiden. Zusätzlich plant<br />

sie, die Finanzbranche an der Finanzierung der Folgekosten<br />

der Finanzkrise zu beteiligen. <strong>Die</strong>se politische<br />

Motivation ist vor dem Hintergrund der Auswirkungen<br />

ebendieser Krise nachvollziehbar.<br />

Obwohl die konkrete Ausgestaltung einer möglichen<br />

Finanz transaktionssteuer derzeit noch unklar ist, erscheint<br />

eine Finanztransaktionssteuer jedoch nicht<br />

das geeignete Ins tru ment, um o. g. Zielsetzungen effektiv<br />

zu unterstützen – vielmehr können gegenteilige<br />

Effekte erwartet wer den. Eine Finanztransaktionssteuer<br />

wäre eine Steuer auf Verhalten und nicht<br />

auf Gewinne. Sie würde also die Entscheidungen<br />

wirtschaftlicher Akteure verändern und dadurch zu<br />

gesamtwirtschaftlichen Verzerrungen führen. <strong>Die</strong>se<br />

Verzerrungen könnten sehr umfangreich sein und<br />

stark negative Konsequenzen nach sich ziehen. Selbst<br />

die Europäische Kommission rechnet beispielsweise<br />

damit, dass die Finanztransaktionssteuer einen<br />

Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 % verursachen<br />

wird. 1<br />

Neben ihren negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen<br />

würde die Finanztransaktionssteuer allerdings<br />

auch den <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

schwächen. Schließlich kann erwartet werden, dass<br />

in großem Maße Geschäftsverlagerungen in nicht<br />

von der Steuer betroffene Gebiete stattfinden würden.<br />

Insbesondere wenn Großbritannien sich der<br />

Einführung einer solchen Steuer nicht anschließen<br />

würde, wären solche Reaktionen zu erwarten. Damit<br />

würde die Steuer keinerlei Lenkungswirkung entfalten,<br />

sondern lediglich den <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

deutlich schwächen.<br />

Der, wie oben dargestellt, vermutlich geringe fiskalische<br />

Beitrag einer Finanztransaktionssteuer würde<br />

in großen Teilen von Unternehmen und Privathaushalten<br />

getragen werden. Beide würden unter den<br />

durch eine Finanztransaktionssteuer stark erhöhten<br />

Transaktionskosten leiden. <strong>Die</strong>se würden schließlich<br />

nicht nur um den Betrag der Steuer selbst steigen.<br />

Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass<br />

„Market Maker“, also Liquidität spendende Marktteilnehmer,<br />

ihre eigene Steuerlast in Form größerer<br />

Handelsspannen an ihre Kunden weitergeben würden.<br />

Damit käme es zu einer doppelten Belastung.<br />

<strong>Die</strong> Realwirtschaft würde insbesondere unter erhöhten<br />

Finanzierungskosten leiden. <strong>Die</strong>se würden einerseits<br />

aus höheren Renditeerwartungen von Investoren<br />

in Aktien und Unternehmensanleihen resultieren,<br />

welche die gestiegenen Transaktionskosten in den<br />

Wert papierkursen berücksichtigen würden. Gleichzeitig<br />

wären Unternehmen auch in ihrem finanziellen<br />

Risikomanagement betroffen, für das sie Derivate<br />

einsetzen. 2 Hier würden sie sich besonders starken<br />

Kosten steigerungen gegenübersehen, da eine Transaktionssteuer<br />

bemessen am Nominalwert eines Derivats<br />

gegenüber dessen Marktwert überpropor tional hoch<br />

ausfallen würde (der globale Marktwert von OTC-<br />

Derivaten beträgt beispielsweise nur etwa 3 % des<br />

gesamten Nominalwerts 3 ).<br />

Auch Sparer wären stark von der Finanztransaktionssteuer<br />

betroffen – zu einer Zeit, in der private Altersvorsorge<br />

kontinuierlich an Bedeutung gewinnt.<br />

<strong>Die</strong>s würde nicht nur für ihre eigenen Handelsaktivitäten,<br />

sondern insbesondere für die von ihnen gehaltenen<br />

Fondsprodukte gelten. Hier würde nicht<br />

nur auf den Kauf der Anteile Finanztransaktionssteuer<br />

anfallen, sondern auch auf jede Transaktion<br />

im Rahmen des Portfoliomanagements. Nach einer<br />

Schätzung der European Fund and Asset Management<br />

Association (EFAMA) würde dies das Vermögen<br />

von Fondssparern signifikant reduzieren. 4<br />

1 Vergleiche das Impact Assessment der Europäischen Kommission<br />

zur Finanztransaktionssteuer, SEC (2011) 1102. Weitere Studien<br />

gehen sogar von noch größeren Auswirkungen aus, z. B. rechnet<br />

Oxera mit einer Reduktion des BIP um 2,4 % (Oxera, 2011, „What<br />

would be the economic impact of the proposed financial transaction<br />

tax on the EU?“).<br />

2 Gemäß einer Erhebung der ISDA (2009) nutzen über 94 % der<br />

weltgrößten Unternehmen Derivate.<br />

3 Quelle: Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich,<br />

6/11.<br />

4 Vergleiche EFAMA, 2012, „Potential Impact of the FTT on the<br />

UCITS Industry“.<br />

Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung<br />

<strong>Die</strong> negativen Konsequenzen einer Finanz trans aktions<br />

steuer würden die mit ihr verbundenen Hoffnungen<br />

in Bezug auf Steuereinnahmen und Regulierung<br />

des Finanzmarktgeschehens klar überwiegen.<br />

Sie würde die Krisenbeständigkeit des Finanzsystems<br />

nicht erhöhen, würde aber das Wachstum verlangsamen<br />

und Realwirtschaft und Sparern hohe Kosten<br />

auferlegen. Der Fokus regulatorischer Initiativen<br />

sollte daher, wie bislang, auf der Erhöhung von Systemstabilität<br />

und -transparenz verbleiben.<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

4.3<br />

79


80<br />

DFD-Arbeitsgruppe Volkswirte<br />

Allianz SE<br />

Dr. Arne Holzhausen<br />

Bayerische Landesbank<br />

Dr. Jürgen Pfi ster<br />

Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Volksbanken und Raiff eisenbanken<br />

Dr. Andreas Bley<br />

Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Volksbanken und Raiff eisenbanken<br />

Jan Philip Weber<br />

Bundesverband deutscher Banken<br />

Volker Hofmann<br />

Commerzbank<br />

Patrick Panther<br />

DekaBank<br />

Dr. Ulrich Kater<br />

<strong>Deutsche</strong> Bank<br />

Dr. Bernhard Speyer<br />

<strong>Deutsche</strong> Börse<br />

Raimar <strong>Die</strong>ckmann<br />

<strong>Deutsche</strong> Postbank<br />

Dr. Marco Bargel<br />

<strong>Deutsche</strong>r Sparkassen- und Giroverband<br />

Dr. Patrick Steinpaß<br />

DZ BANK<br />

Dr. Hans Jäckel<br />

Gesamtverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Versicherungswirtschaft<br />

Dr. Michael Wolgast<br />

Gesamtverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Versicherungswirtschaft<br />

Walter Buttenböck<br />

KfW<br />

Karsten Backhaus<br />

Morgan Stanley<br />

Kai Tschöke<br />

UniCredit Bank<br />

Andreas Rees<br />

Assoziierte Mitglieder des DFD<br />

Mitglieder des Dialogforums <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Mitglieder<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

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Impressum<br />

klimaneutral<br />

natureOffice.com | DE-134-806130<br />

gedruckt<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> (DFD)<br />

Federführend für den<br />

<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> Bericht Nr. 8 – 2012:<br />

Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n Volksbanken<br />

und Raiff eisenbanken (BVR)<br />

Dr. Andreas Bley<br />

Schellingstraße 4, 10785 Berlin<br />

www.bvr.de<br />

Bildkonzept, Satz, Produktion<br />

NewMark Finanzkommunikation GmbH<br />

Zum Laurenburger Hof 76, 60594 Frankfurt am Main<br />

www.newmark.de<br />

Druck<br />

ColorDruckLeimen GmbH<br />

Gutenbergstraße 4, 69181 Leimen<br />

www.colordruck.com<br />

Nachdruck, auch auszugsweise,<br />

nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung des Herausgebers<br />

Juni 2012<br />

DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />

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