Finanzstandort Deutschland - Die Deutsche Kreditwirtschaft
Finanzstandort Deutschland - Die Deutsche Kreditwirtschaft
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<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Bericht Nr. 8 – 2012<br />
Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong>
<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Bericht Nr. 8 – 2012<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
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4<br />
Inhalt<br />
Inhalt<br />
Vorwort 6<br />
1 Executive Summary 9<br />
2 Internationaler Vergleich <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> 13<br />
3 Status quo des deutschen <strong>Finanzstandort</strong>s 19<br />
3.1 Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> 20<br />
3.1.1 Versicherer 20<br />
3.1.2 Banken 22<br />
3.1.3 Asset Manager 25<br />
3.2 Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong> 27<br />
3.2.1 Versicherungsmärkte 27<br />
3.2.1.1 Lebensversicherung, Pensionskassen und -fonds 27<br />
3.2.1.2 Private Krankenversicherung 29<br />
3.2.1.3 Schaden- und Unfallversicherung 31<br />
3.2.1.4 Rückversicherung 33<br />
3.2.2 Kreditmärkte 35<br />
3.2.3 Einlagenmärkte 37<br />
3.2.4 Zahlungsverkehr 40<br />
3.2.5 Aktienmärkte 42<br />
3.2.6 Rentenmärkte 44<br />
3.2.7 Investmentfonds 47<br />
3.2.8 Verbriefungsmärkte 49<br />
3.2.9 Derivatemärkte 51<br />
3.2.9.1 Aktien- und Zinsderivate 51<br />
3.2.9.2 Kreditderivate 53<br />
3.2.9.3 Zertifikate 55<br />
3.2.10 Private Equity 57<br />
3.2.11 Mergers & Acquisitions 59<br />
4 Entwicklung des <strong>Finanzstandort</strong>s <strong>Deutschland</strong>: Themen im Fokus 63<br />
4.1 Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben 64<br />
4.2 <strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen 70<br />
4.3 Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung 74<br />
DFD Arbeitsgruppe und Mitglieder 80<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
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6<br />
<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> – stabil im Zeichen der Krise<br />
Ein breites und ausdifferenziertes Spektrum qualitativ hochwertiger<br />
finanzieller <strong>Die</strong>nstleistungen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für<br />
nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Auch für den deutschen Arbeitsmarkt<br />
ist die Finanzwirtschaft von besonderer Bedeutung. Insgesamt<br />
1,2 Millionen Erwerbstätige erbringen in <strong>Deutschland</strong> Finanz- und<br />
Versicherungsdienstleistungen.<br />
Mit dem nunmehr achten <strong>Finanzstandort</strong>bericht machen die zwischenzeitlich<br />
im Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> zusammenarbeitenden<br />
Verbände der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Kreditwirtschaft</strong> (DK), der Gesamtverband<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Versicherungswirtschaft (GDV) sowie die beteiligten<br />
Einzelinstitute das vielfältige Leistungsspektrum und die Bedeutung des<br />
Finanzsektors in <strong>Deutschland</strong> transparent.<br />
Der Bericht bewertet entscheidende Ereignisse des vergangenen Jahres<br />
und wirft ein Schlaglicht auf Akteure und Märkte.<br />
Zentrales Thema blieben im Berichtsjahr 2011 die anhaltenden Unsicherheiten<br />
an den Finanzmärkten im Zeichen der Euro-Schuldenkrise. In<br />
diesem schwierigen Umfeld hat der <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> seine<br />
Widerstandsfähigkeit bewiesen. Auch wurden bei der Bewältigung der<br />
Krise und der Überarbeitung des institutionellen Rahmenwerks des Euro<br />
wichtige Fortschritte erzielt. Besonders hervorzuheben ist, dass mit dem<br />
Fiskalpakt eine neue Form der Zusammenarbeit der EU-Staaten erreicht<br />
worden ist.<br />
Zu den grundlegenden Herausforderungen der Finanzwirtschaft zählt<br />
die anhaltende Phase niedriger Zinsen. Mit ihren Sondermaßnahmen hat<br />
die Geldpolitik einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung der Märkte<br />
geleistet. Doch sind die äußerst niedrigen Leitzinsen mit Nebenwirkungen<br />
verbunden und dürfen deshalb nicht zum Dauerzustand werden. Ansonsten<br />
drohen volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen im Bereich von<br />
Ersparnisbildung, Investition und Finanzierung, neue Instabilitäten im<br />
Banken- und Finanzsystem und eine Beschädigung der kapitalgedeckten<br />
Altersvorsorge. Wird der leichte Liquiditätszugang nicht auf längere Sicht<br />
wieder eingeschränkt, bestehen außerdem nicht zuletzt Inflationsgefahren.<br />
<strong>Die</strong> Geldpolitik bleibt daher gefordert, die monetäre Entwicklung<br />
sorgfältig zu beobachten und den schrittweisen Ausstieg aus den Sondermaßnahmen<br />
in die Wege zu leiten, sobald die Situation dies zulässt.<br />
Im Namen der DK und des GDV danken wir den Autoren der einzelnen<br />
Häuser, die aktiv an der Erstellung des Berichts beteiligt waren. Neben<br />
den Verbänden der Kredit- und Versicherungswirtschaft zählen hierzu<br />
die Allianz SE, die Bayerische Landesbank, die Commerzbank, die<br />
DekaBank, die <strong>Deutsche</strong> Bank, die <strong>Deutsche</strong> Börse, die <strong>Deutsche</strong> Postbank,<br />
die DZ BANK, die KfW und Morgan Stanley.<br />
Uwe Fröhlich<br />
Präsident des Bundesverbandes<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Volksbanken und<br />
Raiffeisenbanken (BVR)<br />
Rolf-Peter Hoenen<br />
Präsident des Gesamtverbandes der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Versicherungswirtschaft<br />
e. V. (GDV)<br />
Vorwort<br />
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Executive Summary<br />
1<br />
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10<br />
Executive Summary<br />
● <strong>Die</strong> Unsicherheiten an den Finanzmärkten hatten im<br />
Jahr 2011 angehalten. Zentrale marktbestimmende Th emen<br />
wa ren die Staatsschuldenkrise in mehreren Ländern<br />
des Euroraums und die institutionellen Reformen der<br />
Währungsunion. In diesem schwierigen Umfeld hat der<br />
Finanz standort <strong>Deutschland</strong> seine Widerstandsfähigkeit<br />
be wiesen. Doch auch in Zukunft bleiben die Herausforderungen<br />
groß: <strong>Die</strong> Euro-Schuldenkrise ist noch nicht<br />
zu Ende, anhaltend niedrige Zinsen prägen das makroökonomische<br />
Umfeld, und die Finanzplätze der aufstrebenden<br />
Volkswirtschaften gewinnen an Bedeutung. Im<br />
vorliegenden Bericht werden diese Herausforderungen in<br />
den Th emenkapiteln näher untersucht.<br />
● Entscheidenden Anteil daran, dass 2011 im Ganzen<br />
gesehen die positiven Nachrichten am <strong>Finanzstandort</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> überwogen haben, hatte der konjunkturelle<br />
Rückenwind. <strong>Die</strong> Arbeitslosigkeit bewegt sich auf dem<br />
niedrigsten Stand seit Ende des Wiedervereinigungsbooms<br />
vor 20 Jahren, und das Wirtschaftswachstum fi el<br />
2011 mit 3,0 % wie bereits 2010 sehr dynamisch aus. So<br />
erreichte die gesamtwirtschaftliche Produktion bereits<br />
im Frühjahr vergangenen Jahres wieder ihren Stand von<br />
vor der Krise. Zum Jahresende ge riet die Erholung zwar<br />
ins Stocken. Sie dürfte aber im Frühjahr dieses Jahres<br />
wieder leicht an Fahrt aufgenommen haben.<br />
● Vor diesem Hintergrund entwickelten sich die einzelnen<br />
Fi nanz märkte überwiegend positiv. So hat sich bei den<br />
Erst versicherern der Trend einer stabilen Beitragsentwicklung<br />
fortgesetzt. Sowohl die Märkte für Krankenversicherun<br />
gen als auch für Schadens- und Unfallversicherungen<br />
konnten mit Raten oberhalb der allgemeinen Preissteigerung<br />
expandieren. <strong>Die</strong> Entwicklung am Rückversicherungsmarkt<br />
war demgegenüber durch außergewöhnliche<br />
Belastungen aus schweren Naturkatastrophen geprägt.<br />
● An den Einlagenmärkten verliefen die Zuwächse in<br />
Deutsch land entlang des längerfristigen Trends. Der<br />
euro päische Kreditmarkt expandierte unter dem Einfl uss<br />
der ge dämpften Konjunktur und der Restrukturierung<br />
der Banken in zahlreichen Ländern des Währungsraums<br />
zögerlich. Während die Entwicklung der Kreditvolumina<br />
ins be son dere in den Ländern Südeuropas zum Teil deutlich<br />
be ein trächtigt ist, liegen in <strong>Deutschland</strong> keine Hinweise<br />
auf ei ne Kreditklemme vor. Im Gegenteil: Im Verlauf<br />
des Jahres beschleunigte sich die Mittelbereitstellung<br />
an den Privatsektor. Gleichzeitig zeigen Banken- wie<br />
Unternehmensbefra gungen, dass der Kreditzugang für<br />
Unternehmen in <strong>Deutschland</strong> insgesamt sehr gut ist.<br />
● An den übrigen Finanzierungsmärkten verlief das Jahr<br />
2011 uneinheitlich. Auf den europäischen Verbriefungsmärkten<br />
konnte wieder ein maßvoller Anstieg des Emissionsvolumens<br />
verzeichnet werden, auch expandierten beispielsweise<br />
die Märkte für Aktien- und Zinsderivate. Unter<br />
dem Einfl uss der Euro-Schuldenkrise und der damit verbundenen<br />
Unsicherheiten verzeichneten die Aktienmärkte hingegen<br />
bei einer erhöhten Volatilität Ver luste. Schwierig war<br />
auch das Marktumfeld für die Investmentbranche. Auf dem<br />
Rentenmarkt kletterten die Kurse der deutschen Benchmark-Staatsanleihen<br />
auf Rekordhochs, die Spreads von Unternehmensanleihen<br />
weiteten sich allerdings deutlich aus.<br />
● Neben diesem kompakten Überblick über die Marktakteure<br />
und Marktsegmente nehmen die Th emenkapitel des<br />
<strong>Finanzstandort</strong>berichts 2012 drei zentrale Entwicklungstrends,<br />
die die Perspektiven des <strong>Finanzstandort</strong>s <strong>Deutschland</strong><br />
auch in den kommenden Jahren bestimmen werden,<br />
kritisch unter die Lupe: die Fortschritte bei der Bewältigung<br />
der Euro-Schuldenkrise, die potenziellen Auswirkungen<br />
langfristig niedriger Zinsen und die Veränderung<br />
der Topographie der globalen Finanzmärkte.<br />
● Bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise im Euroraum<br />
sind im Berichtsjahr wichtige Fortschritte erzielt<br />
wor den. Mit dem Schuldenschnitt in Griechenland, der<br />
Vergrößerung und Flexibilisierung der Rettungsschirme,<br />
um fang reichen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung<br />
und tief greifenden wirtschaftlichen Reformprogrammen<br />
sind die Stellhebel in den hochverschuldeten<br />
Ländern umgelegt worden.<br />
● <strong>Die</strong> Natur der Krise – hohe Leistungsbilanzdefi zite<br />
und eine nicht nachhaltige Finanzpolitik – bringt es<br />
zwangsläufi g mit sich, dass eine schnelle Rückkehr zur<br />
Normalität nicht zu erwarten sein wird. <strong>Die</strong> Bewältigung<br />
der Krise verlangt daher Geduld, wobei Rückschläge<br />
nicht ausgeschlossen werden können. Bleibt die Wirtschaftspolitik<br />
auf Kurs, wird auch auf den internationalen<br />
Finanzmärkten das Vertrauen wachsen, dass die Defi zite<br />
mit der notwendigen Beharrlichkeit Schritt für Schritt<br />
zurückgeführt werden.<br />
● Mit dem Fiskalpakt ist die wirtschaftspolitische Integration<br />
noch enger geworden. Der Pakt wird zur vollen Wiederherstellung<br />
der Glaubwürdigkeit beitragen. <strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />
in der Finanzpolitik sollte noch weiter entwickelt<br />
werden, um ein dauerhaft reibungsloses Funktionieren des<br />
Euro zu gewährleisten. <strong>Die</strong> höhere Integrationsgeschwindigkeit<br />
im Euroraum sollte dabei aber nicht den Zusammenhalt<br />
mit den übrigen EU-Staaten gefährden.<br />
● <strong>Die</strong> Europäische Zentralbank hat seit Beginn der Finanzkrise<br />
einen ganz erheblichen Beitrag zur Stabilisierung<br />
der Finanzmärkte, aber auch der Konjunktur geleistet.<br />
Verstärkt muss die Notenbank jetzt aber ein Auge<br />
darauf richten, dass die Sondermaßnahmen nicht im<br />
Dauerbetrieb fortgeführt werden, sondern schrittweise<br />
zurückgeführt werden, sobald die Situation dies zulässt.<br />
● Blieben die Zinsen längerfristig auf einem sehr niedrigen<br />
Niveau, sähen sich die Akteure an den Finanzmärkten<br />
vor gravierende Herausforderungen gestellt. Anhaltend<br />
günstige Finanzierungsbedingungen bieten<br />
Anreize, übermäßig Kredite aufzunehmen und tragen<br />
gleichzeitig zu einem liquiditätsgetriebenen Anstieg von<br />
Vermögenspreisen bei. Über beide Kanäle können die<br />
Risiken für die Finanzstabilität zunehmen. Zudem werden<br />
Fehllenkungen von Kapital in volkswirtschaftlich<br />
weniger effi ziente Verwendungen wahrscheinlicher. Des<br />
Weiteren wird die für die Zukunftsvorsorge unentbehrliche<br />
Altersvorsorge der privaten Haushalte durch niedrige<br />
reale Renditen geschwächt.<br />
Executive Summary<br />
● <strong>Die</strong> zahlreichen negativen Auswirkungen dauerhaft<br />
niedriger Zinsen stellen nicht nur die Notenbank vor die<br />
Aufgabe, die Angemessenheit ihres geldpolitischen Kurses<br />
zu prüfen. Auch müssen Banken die Leistungsfähigkeit ihrer<br />
Kunden dahingehend überprüfen, ob deren Kreditwürdigkeit<br />
auch bei einer Rückkehr zu normalen Zinsniveaus<br />
noch gewährleistet wäre. Schließlich ist die sich gerade etablierende<br />
makroprudentielle Finanzaufsicht gefordert, im<br />
Fall sich abzeichnender Blasen an Vermögensmärkten geeignete<br />
Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten.<br />
● Während Europa stark mit der Bewältigung der Finanz-<br />
und der Staatsschuldenkrise beschäftigt ist, schreiten<br />
im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs der Schwellenländer<br />
gravierende Veränderungen der Topographie<br />
der globalen Finanzmärkte voran. Noch befi nden sich<br />
die fi nanziellen Vermögenswerte schwerpunktmäßig in<br />
den fortgeschrittenen Ländern. Dynamik und Wachstum<br />
konzentrieren sich inzwischen aber vornehmlich an<br />
den Finanzzentren in Asien, im Mittleren Osten und<br />
Lateinamerika. <strong>Die</strong>s gilt insbesondere für die Aktienmärkte,<br />
die vom Kapitalhunger und der auch grenzüberschreitenden<br />
Expansion erfolgreicher Unternehmen<br />
getrieben werden. Angesichts des hohen Kom pe tenzvorsprungs<br />
bietet diese Entwicklung für <strong>Deutschland</strong><br />
und Europa als <strong>Finanzstandort</strong> durchaus Potenziale.<br />
● Von den Chancen der globalen Finanzmärkte kann<br />
der <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> am besten profi tieren,<br />
wenn es gelingt, eine global möglichst einheitliche und<br />
konsistente Regulierung der Finanzmärkte zu erreichen.<br />
Alleingänge, wie beispielsweise durch eine einseitige<br />
Einführung einer Transaktionssteuer, wären kontraproduktiv.<br />
<strong>Die</strong> politische Motivation einer Eindämmung<br />
unerwünschter Spekulation und einer Erhöhung der Stabilität<br />
der Finanzmärkte ist zu unterstützen, jedoch ist<br />
die Finanztransaktionssteuer nicht das geeignete Instrument,<br />
diese Ziele zu erreichen. Stattdessen ist damit zu<br />
rechnen, dass die negativen Eff ekte auf den <strong>Finanzstandort</strong>,<br />
aber auch direkt auf Bürger und Unternehmen deutlich<br />
überwiegen würden.<br />
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Internationaler Vergleich<br />
<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
2<br />
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Ergebnisse des „DFD-Sterns“<br />
Der internationale Vergleich mithilfe des DFD-Sterns<br />
zeigt deutlich die Charakteristika des <strong>Finanzstandort</strong>s<br />
<strong>Deutschland</strong> auf. Daran lässt sich auch die unterschiedliche<br />
Wirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die<br />
einzelnen Standorte in Europa ablesen.<br />
Im Segment Finanzierungsmärkte (Bankkredite und<br />
Kapitalmarkt) lassen sich wie in den Vorjahren zwei<br />
Aspekte erkennen: Im internationalen Vergleich ist in<br />
<strong>Deutschland</strong> noch immer eine Dominanz des Bankkredits<br />
relativ zu den Kapitalmarktprodukten erkenn bar.<br />
Gleichzeitig wird aber deutlich, dass in den letzten Jahren<br />
die Inanspruchnahme von Krediten durch Haushalte<br />
und Unternehmen in <strong>Deutschland</strong> im Vergleich zum<br />
Ausland verhalten war.<br />
Daran hat sich auch 2011 – einem Jahr, in dem die deutsche<br />
Wirtschaft deutlich schneller wuchs als der Rest<br />
Europas – wenig geändert: Zwar legten die Unternehmenskredite<br />
leicht überdurchschnittlich zu, die Kreditvergabe<br />
an private Haushalte blieb jedoch zögerlich. Der<br />
Wert für Bankkredite hat sich damit auf niedrigem<br />
Niveau zumindest stabilisiert, nachdem er in den Vorjahren<br />
kontinuierlich gefallen war. Von einem „Kreditboom“<br />
ist <strong>Deutschland</strong> jedoch denkbar weit entfernt.<br />
Demgegenüber ist der Wert für Kapitalmarktfi nanzierung<br />
nochmals leicht zurückgegangen. Angesichts der<br />
relativ stabilen Verfassung der deutschen Banken, keinerlei<br />
Anzeichen für eine Kreditklemme und anhaltender Nervosität<br />
auf den Kapitalmärkten gab es wohl kaum Gründe<br />
für deutsche Unternehmen, letztere stärker als in den Vorjahren<br />
in Anspruch zu nehmen. Im Gegenteil: Der Trend<br />
war 2011, wie auch im übrigen Europa, rückläufi g.<br />
Mittel- und langfristig bleibt eine ausgewogene Finanzierungsstruktur,<br />
die sich alle Kanäle entsprechend ihrer<br />
Leistungsfähigkeit zunutze macht, auf der Agenda. Mit<br />
der Überwindung der Wirtschaftskrise rückt die Stärkung<br />
der Kapitalmarktinstrumente, neben der des Bankkredits,<br />
wieder stärker ins Blickfeld. Angesichts dauerhaft<br />
niedriger Zinsen dürften Unternehmensschulden auch als<br />
Anlageklasse für Investoren an Attraktivität gewinnen.<br />
Auf den Anlagemärkten wiederholt sich das Muster der<br />
starken Bankorientierung. <strong>Die</strong> Veränderungen gegenüber<br />
dem Vorjahr sind nur gering. Der Wert für Bankeinlagen<br />
hat sich dabei minimal verbessert. Hinter dieser<br />
scheinbaren Stabilität verbergen sich allerdings sehr unterschiedliche<br />
Entwicklungen: In den Peripherieländern<br />
wie Irland, Italien, Spanien und vor allem Griechenland<br />
Der vom Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> (DFD) entwickelte DFD-Stern ist ein Indikator für die Performance<br />
der Kapital-, Kredit- und Versicherungsmärkte in <strong>Deutschland</strong>. <strong>Die</strong> „natürliche Benchmark“ dafür bilden im zunehmend<br />
integrierten europäischen Finanzmarkt die anderen nationalen Teilmärkte in der EU. In einem vollkommen<br />
homogenen Markt wären Entwicklungsunterschiede weitgehend nivelliert, und die nationalen Marktanteile in den<br />
einzelnen Segmenten entsprächen der Bedeutung der nationalen Wirtschaft innerhalb Europas.<br />
Der DFD-Stern vergleicht demgemäß die Bedeutung der deutschen Finanzmärkte mit der relativen Größe der deutschen<br />
Wirtschaft in Europa. Entspricht der Marktanteil <strong>Deutschland</strong>s dabei exakt dem des Bruttoinlandsprodukts, ergibt diese<br />
Äquivalenz den Wert 1: <strong>Die</strong> Größe des Finanzmarktsegments spiegelt 1 zu 1 das deutsche Wirtschaftsgewicht wider.<br />
Werte größer als 1 signalisieren, dass das entsprechende Marktsegment in <strong>Deutschland</strong> stärker entwickelt ist. Werte<br />
unter 1 zeigen dagegen nicht ausgeschöpfte Reserven und Potenziale an. Aus Gründen der Einfachheit und Überschaubarkeit<br />
wird der DFD-Stern für alle Marktsegmente – Finanzierung, Anlage, Risikoschutz und Handel – integriert dargestellt.<br />
werden weiterhin Gelder von Banken abgezogen, während<br />
in anderen Ländern wie Frankreich, Schweden oder<br />
den Niederlanden eine höhere Risikoscheu und Liquiditätspräferenz<br />
der Anleger den Bankeinlagen zugutekommen;<br />
auch <strong>Deutschland</strong> verzeichnete, im Einklang mit<br />
der Wirtschafts- und Einkommensentwicklung, ein solides<br />
Wachstum der Bankeinlagen.<br />
Auf der anderen Seite ist die relative deutsche Schwäche<br />
der Kapitalmarktprodukte – sei es in Form der Direktanlage<br />
oder der indirekten Anlage via Versicherungen oder<br />
Fonds – nicht allein der deutschen Skepsis gegenüber der<br />
Aktie geschuldet. Sie hat auch strukturelle Gründe: So dominiert<br />
bei der Absicherung des fi nanziellen Wohlstands<br />
im Alter nach wie vor das staatliche Rentensystem, die<br />
Vorsorge über Versicherungen / Pensionen ist immer noch<br />
unterdurchschnittlich. Allerdings ist hier in den kommenden<br />
Jahren mit dem allmählichen relativen Abschmelzen<br />
der staatlichen Leistungen und der weiteren Verbreitung<br />
der Riester-Rente und der betrieblichen Altersvorsorge<br />
eine Verschiebung in Richtung der kapitalgedeckten<br />
Alters vorsorge vorgezeichnet. Der Erfolg der Riester-Rente<br />
verdeutlicht, dass die notwendige Anpassung des Sparverhaltens<br />
an die demografi sche Entwicklung wohl kaum<br />
ohne entsprechende staatliche Förderung gelingen wird.<br />
Der notwendige Ausbau der kapitalgedeckten Alters vorsorge<br />
erfordert ein gemeinsames und partnerschaftliches<br />
Handeln von Finanzwirtschaft und Politik.<br />
<strong>Die</strong> Risikoübernahme der Versicherer schützt Unternehmen<br />
und private Haushalte vor ruinösen Ereignissen und<br />
leistet so auch volkswirtschaftlich einen wichtigen Beitrag<br />
zur Bewältigung von Unsicherheiten. <strong>Deutschland</strong> nimmt<br />
im Bereich Risikoschutz im europäischen Vergleich wie in<br />
den Vorjahren eine Spitzenposition ein. Auch in der Krise<br />
steht die Risikotragfähigkeit der Versicherer außer Frage.<br />
Schließlich zeigt der Bereich Börsenhandel eine weitere<br />
Stärke des <strong>Finanzstandort</strong>s <strong>Deutschland</strong>: Auch<br />
wenn der deutsche Aktienmarkt, gemessen an seiner<br />
Marktkapitalisierung in Relation zum BIP, sicherlich<br />
Internationaler Vergleich <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
DFD-Stern 2011<br />
Anteilswerte für <strong>Deutschland</strong> in Relation<br />
zum BIP-Anteil =1<br />
Börsenhandel<br />
Risikoschutz<br />
Anmerkungen: Benchmark jeweils alle EU-15-Länder<br />
ohne Luxemburg<br />
Bankkredite: Kredite an nicht-fi nanzielle Unternehmen<br />
(ohne Wertpapierbestände der Banken) und Kredite an<br />
Privathaushalte<br />
Kapitalmarktfinanzierung: Aktienmarktkapitalisierung,<br />
Umlauf an Unternehmensanleihen und Verbriefungen<br />
Bankeinlagen: Einlagen privater Haushalte und<br />
nicht-fi nanzieller Unternehmen<br />
Kapitalmarktanlagen: Direktanlage in Aktien und Bonds,<br />
Ansprüche gegenüber Versicherungen (einschließlich<br />
Pensionsfonds und -kassen) und Investmentfonds<br />
(einschließlich Spezialfonds und anderen Non-UCITS-Fonds)<br />
Risikoschutz: Versicherungsprämien im Bereich<br />
Schaden und Unfall<br />
Börsenhandel: Aktienumsatz<br />
Quelle: DFD<br />
Bankkredite<br />
1 1<br />
Kapitalmarktanlagen<br />
Kapitalmarkt–<br />
fi nanzierung<br />
Bankeinlagen<br />
nicht zu den größten in Europa zählt, ist er ohne Frage<br />
einer der aktivsten. Besonders die hervorragende Handelsinfrastruktur<br />
des Börsenplatzes aber stellt eine<br />
gute Voraussetzung für den <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
dar, um im europäischen Finanzmarkt der Post-<br />
Krisen-Ära eine gewichtigere Rolle zu spielen.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
2<br />
15
16<br />
Kredite an nicht-fi nanzielle Unternehmen, 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
<strong>Deutschland</strong> 906.814 1,5 35,3<br />
Italien 905.277 3,0 57,0<br />
Frankreich 878.287 4,7 44,2<br />
Spanien 861.406 -5,8 80,2<br />
Großbritannien 543.961 -3,1 31,4<br />
Niederlande 364.831 4,6 60,3<br />
Schweden 204.200 7,4 53,5<br />
Österreich 165.414 3,9 54,8<br />
Dänemark 139.531 -3,2 57,0<br />
Portugal 117.003 -1,4 68,4<br />
Belgien 115.009 3,0 31,1<br />
Griechenland 114.339 -2,8 53,1<br />
Irland 100.931 -3,9 64,7<br />
Finnland 64.274 9,9 34,0<br />
Gesamt EU 5.481.277 0,7 47,3<br />
Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />
Bankkredite an private Haushalte, 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
<strong>Deutschland</strong> 1.435.808 0,8 55,8<br />
Großbritannien 1.411.768 2,9 81,5<br />
Frankreich 1.069.225 5,8 53,8<br />
Spanien 859.728 -2,2 80,0<br />
Italien 593.073 0,0 37,4<br />
Niederlande 420.865 1,9 69,6<br />
Dänemark 316.883 0,9 129,4<br />
Schweden 297.180 5,8 77,9<br />
Griechenland 144.050 2,2 47,7<br />
Österreich 140.671 -1,1 82,3<br />
Belgien 127.576 -4,6 59,3<br />
Portugal 112.691 -15,3 72,2<br />
Finnland 110.028 5,5 58,1<br />
Irland 108.453 -1,6 29,4<br />
Gesamt EU 7.147.999 1,4 61,7<br />
Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />
Unternehmensanleihen<br />
ausstehende Nominalvolumina, 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
Großbritannien 508.107 20,4 29,3<br />
Frankreich 316.261 6,9 15,9<br />
<strong>Deutschland</strong> 95.447 -19,0 3,7<br />
Italien 82.690 -0,9 5,2<br />
Niederlande 59.042 0,7 9,8<br />
Österreich 46.976 13,1 15,6<br />
Portugal 40.832 8,4 23,9<br />
Belgien 22.083 26,6 6,0<br />
Finnland 20.395 5,0 10,8<br />
Spanien 14.631 8,6 1,4<br />
Griechenland 61 0,0 0,0<br />
Gesamt EU 1.206.525 8,9 10,4<br />
Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />
Aktienmarktkapitalisierung<br />
börsennotierter Unternehmen, 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
LSE Group (GB & Italien) 2.516.122 -6,6 145,3<br />
Euronext-Länder 1.884.745 -13,7 60,1<br />
<strong>Deutschland</strong> 912.421 -14,4 35,5<br />
Spanien 794.170 -9,1 73,9<br />
OMX-Länder 648.670 -16,5 79,5<br />
Irland 83.495 85,6 53,5<br />
Österreich 65.683 -30,8 21,8<br />
Griechenland 26.020 -48,4 12,1<br />
Gesamt EU 6.931.326 -10,9 59,8<br />
Quelle: World Federation of Exchanges<br />
Verbriefungen<br />
ausstehende Nominalvolumina, 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
Großbritannien 568.400 5,2 32,8<br />
Niederlande 314.800 -3,7 52,0<br />
Spanien 280.700 -7,1 26,1<br />
Italien 197.700 -10,8 12,5<br />
Belgien 85.600 4,7 23,2<br />
<strong>Deutschland</strong> 83.400 -10,7 3,2<br />
Irland 62.800 -16,8 40,3<br />
Portugal 55.200 -6,0 32,3<br />
Frankreich 41.300 23,0 2,1<br />
Griechenland 34.200 -6,1 15,9<br />
Gesamt EU 1.724.100 -2,6 14,9<br />
Quelle: Association for Financial Markets in Europe (AFME)<br />
Bankeinlagen von Nicht-Banken, 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
<strong>Deutschland</strong> 3.130,5 3,9 121,8<br />
Großbritannien 2.801,9 0,6 161,3<br />
Frankreich 1.910,6 7,8 96,1<br />
Spanien 1.725,5 -2,8 160,8<br />
Italien 1.401,8 -2,7 88,7<br />
Niederlande 866,3 4,8 143,9<br />
Belgien 476,6 1,6 129,2<br />
Österreich 319,3 4,3 106,0<br />
Portugal 241,8 5,3 141,4<br />
Schweden 240,5 7,2 62,1<br />
Irland 213,3 -3,7 136,3<br />
Griechenland 184,1 -18,0 85,6<br />
Dänemark 161,6 -1,8 67,4<br />
Finnland 128,9 8,0 67,3<br />
Gesamt EU 14.582,6 1,7 115,5<br />
Quelle: EZB, nationale Zentralbanken<br />
Ansprüche gegenüber<br />
Versicherungen / Pensionsfonds, 2010<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
Großbritannien 2.703.597 5,9 158,4<br />
<strong>Deutschland</strong> 1.668.900 4,3 67,4<br />
Frankreich 1.468.959 -1,1 76,0<br />
Niederlande 1.075.161 11,1 182,7<br />
Italien 669.099 5,9 43,0<br />
Schweden 305.481 11,9 90,6<br />
Dänemark 285.578 11,1 121,2<br />
Spanien 268.521 2,1 25,5<br />
Belgien 230.849 6,4 65,1<br />
Irland 120.983 1,7 77,6<br />
Österreich 96.193 4,6 33,6<br />
Portugal 75.870 6,9 44,0<br />
Finnland 43.725 4,1 24,3<br />
Griechenland 11.631 5,7 5,1<br />
Gesamt EU 9.033.000 5,2 80,2<br />
Quelle: Allianz Global Wealth Report 2011<br />
Wertpapiere der privaten Haushalte 1 , 2010<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
Italien 1.719.000 -2,2 110,9<br />
<strong>Deutschland</strong> 1.363.000 6,7 54,6<br />
Frankreich 1.040.000 6,3 53,4<br />
Großbritannien 767.000 9,7 45,7<br />
Spanien 547.000 -9,3 51,5<br />
Belgien 391.000 6,0 111,1<br />
Schweden 286.000 10,9 84,9<br />
Niederlande 254.000 1,6 43,0<br />
Dänemark 164.000 13,1 70,8<br />
Österreich 154.000 5,5 54,0<br />
Portugal 134.000 2,3 78,1<br />
Finnland 101.000 12,2 56,0<br />
Irland 44.000 -21,4 28,1<br />
Griechenland 44.000 -13,7 19,1<br />
Gesamt EU 7.008.000 2,9 62,2<br />
1 Direktanlagen in Aktien und Anleihen sowie Investmentfonds<br />
Quelle: Allianz Global Wealth Report 2010<br />
Prämien Nicht-Leben-Versicherung, 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
<strong>Deutschland</strong> 56.700 2,7 2,2<br />
Frankreich 48.000 4,3 2,4<br />
Großbritannien 47.565 1,6 2,7<br />
Italien 34.200 1,6 2,2<br />
Spanien 25.135 -1,1 2,3<br />
Niederlande 11.135 2,3 1,8<br />
Belgien 8.590 3,1 2,3<br />
Österreich 7.778 2,9 2,6<br />
Dänemark 7.458 3,0 3,0<br />
Schweden 6.361 4,1 1,7<br />
Portugal 3.580 -1,6 2,1<br />
Finnland 3.196 2,9 1,7<br />
Irland 2.965 -1,9 1,9<br />
Griechenland 2.818 -6,5 1,3<br />
Gesamt EU 265.481 2,1 2,3<br />
Quelle: GDV, Allianz SE<br />
Internationaler Vergleich <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Prämien Lebensversicherung 2011<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
Großbritannien 151.677 0,3 8,8<br />
Frankreich 124.000 -13,4 6,2<br />
<strong>Deutschland</strong> 86.800 -3,9 3,4<br />
Italien 73.900 -18,0 4,7<br />
Spanien 28.869 9,4 2,7<br />
Schweden 23.004 6,2 6,0<br />
Niederlande 21.358 -1,1 3,5<br />
Belgien 18.529 -3,2 5,0<br />
Dänemark 16.022 7,3 6,5<br />
Irland 9.522 0,4 6,1<br />
Portugal 7.533 -38,1 4,4<br />
Österreich 6.989 -7,5 2,3<br />
Finnland 5.071 6,5 2,7<br />
Griechenland 2.106 -7,3 1,0<br />
Gesamt EU 575.380 -6,4 5,0<br />
Quelle: GDV, Allianz SE<br />
Prämien Rückversicherung, 2010<br />
Mio. EUR J/J in % % BIP<br />
<strong>Deutschland</strong> 34.186 2,9 1,4<br />
Großbritannien 8.674 7,1 0,5<br />
Frankreich 4.354 3,2 0,2<br />
Irland 4.115 7,0 2,6<br />
Spanien 1.931 11,6 0,2<br />
Schweden 730 -9,9 0,2<br />
Belgien 202 3,0 0,1<br />
Gesamt EU 54.191 4,0 0,5<br />
Quelle: Standard & Poor‘s Global Reinsurance Highlights 2011<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
2<br />
17
18<br />
Status quo des deutschen<br />
<strong>Finanzstandort</strong>s<br />
3.1 Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
3.2 Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
3<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
19
20<br />
3.1.1 Versicherer<br />
Stabile Umsatzentwicklung<br />
<strong>Deutschland</strong> ist nach den USA, Japan, Großbritannien<br />
und Frankreich weltweit der fünftgrößte Erstversicherungsmarkt.<br />
Neben branchenspezifi schen<br />
Einfl üssen – einem intensiven Wettbewerbsgeschehen<br />
und Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen<br />
– hängt die Entwicklung der Beitragseinnahmen<br />
in der Versicherungswirtschaft auch von der<br />
wirtschaftlichen Lage der privaten Haushalte ab, auf<br />
die über 80 % der Versicherungsnachfrage entfallen.<br />
Insbesondere in der Lebensversicherung kommt<br />
außer dem dem Kapitalmarktumfeld erhebliche Be -<br />
deu tung zu. Nach einem starken Anstieg des Einmalbeitragsgeschäfts<br />
in den Jahren 2009 und 2010 kam<br />
es hier in 2011 zu einer Normalisierung. <strong>Die</strong> Beitragseinnahmen<br />
in der deutschen Versicherungswirtschaft<br />
insgesamt sind aufgrund dieses Sonderfaktors in 2011<br />
leicht um 0,4 % auf jetzt 178 Mrd. EUR zu rückgegangen<br />
(2010: +4,3 %, 2009: +4,2 %). Ohne die<br />
Ein malbeiträge in der Lebensversicherung ergäbe sich<br />
für 2011 dagegen ein Beitragsplus von 2,3 %. Insgesamt<br />
hat sich die deutsche Versicherungswirtschaft<br />
damit trotz des schwierigen gesamtwirtschaftlichen<br />
Umfelds auch in den letzten Jahren überaus stabil entwickelt.<br />
Aufgrund ihrer unverzichtbaren gesamtwirtschaftlichen<br />
Funktion bei der Abdeckung vielfältiger<br />
Risiken von privaten Haushalten und Unternehmen<br />
verfügt die Versicherungswirtschaft über eine dauerhaft<br />
stabile Nachfragebasis. Längerfristig sprechen<br />
zudem viele fundamentale Faktoren für ein erhebliches<br />
Wachstumspotenzial der deutschen Versicherungswirtschaft.<br />
So bringt etwa der demografi sche<br />
Wandel erhebliche Wachstumschancen im Bereich<br />
der privaten Daseinsvorsorge mit sich.<br />
Das Kapitalanlagevolumen der deutschen Erstversicherer<br />
(einschließlich Pensionskassen und -fonds) ist<br />
in 2011 weiter gestiegen. Es belief sich Ende 2011 auf<br />
rund 1,2 Bio EUR. Neben ihrer Funktion als Risikoträger<br />
gehören die Erstversicherungsunternehmen<br />
damit zu den bedeutendsten institutionellen Anlegern<br />
der deutschen Volkswirtschaft.<br />
Relative Bedeutung der Lebens-, Kranken- und<br />
Schaden- und Unfallversicherung<br />
Anteile in %, 2010<br />
100<br />
75<br />
50<br />
25<br />
0<br />
Beiträge Verträge im<br />
Bestand<br />
■ Leben 2 ■ Kranken ■ Schaden / Unfall<br />
Beschäftigte Kapitalanlagen<br />
1 Jahresüberschuss vor Steuer und vor Gewinnabführung<br />
2 ohne Pensionskassen und Pensionsfonds. Quelle: GDV, AGV<br />
Erträge 1<br />
Stabile Beitragsentwicklung der Erstversicherer<br />
in <strong>Deutschland</strong><br />
Beiträge der Hauptsparten in Mrd. EUR<br />
100<br />
75<br />
50<br />
25<br />
0<br />
Lebensversicherung1 Private<br />
Kranken versicherung<br />
■ 2009 ■ 2010 ■ 2011<br />
Schaden- und<br />
Unfallversicherung<br />
1 Einschließlich Pensionskassen und Pensionsfonds. Quelle: GDV<br />
Versicherungsmarkt <strong>Deutschland</strong>:<br />
weder fragmentiert noch konzentriert<br />
Marktanteil der 10 größten Versicherungsgruppen in %, 2010<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Quelle: BaFin, GDV<br />
Leben Kranken Schaden / Unfall Erstversicherer<br />
insgesamt<br />
Am deutschen Erstversicherungsmarkt waren Ende<br />
2011 351 Versicherungsunternehmen sowie 189<br />
Pensions- und Sterbekassen zugelassen. <strong>Die</strong> Anzahl<br />
der geschäftstätigen Unternehmen hat sich damit einem<br />
längerfristigen Trend folgend weiter leicht verringert.<br />
Fusionen und Übernahmen hatten in letzter<br />
Zeit zu beachtlichen Veränderungen der Unternehmenslandschaft<br />
geführt. Der Konzen trationsgrad in<br />
der deutschen Versicherungswirtschaft ist aber nach<br />
wie vor nicht übermäßig hoch. Im internationalen<br />
Vergleich fallen die für den deutschen Versicherungsmarkt<br />
ermittelten Konzentrationsgrade keineswegs<br />
aus dem Rahmen.<br />
Bei den Anteilen der Vertriebswege am Neugeschäft,<br />
beispielsweise in der Lebensversicherung, kommt den<br />
Einfi rmenvertretern weiterhin eine Vorrangstellung<br />
zu – gefolgt von den Mehrfi rmenvertretern. Auch der<br />
Vertrieb über die Kreditinstitute hat in den letzten<br />
Jahren an Bedeutung gewonnen.<br />
Als Arbeitgeber bieten allein die deutschen Versicherungsunternehmen<br />
(Erst- und Rückversicherer zusammen)<br />
im Innendienst und im angestellten Außendienst<br />
etwa 215.500 Beschäftigten (2011) Arbeit.<br />
Nimmt man die Beschäftigten im Vermittlergewerbe<br />
und die selbstständigen Versicherungsvertreter und<br />
-berater hinzu, so wies die Versicherungswirtschaft in<br />
2011 rund 560.000 Erwerbstätige auf.<br />
Rückversicherer: weiterhin global führend<br />
<strong>Deutschland</strong> behauptet seinen Platz als global führender<br />
Rückversicherungsstandort: Zwei der weltweit<br />
fünf größten Rückversicherungsgruppen haben ihren<br />
Hauptsitz in <strong>Deutschland</strong>, die übrigen sind mit<br />
bedeutenden Tochtergesellschaften vertreten. Insgesamt<br />
standen 2010 in <strong>Deutschland</strong> 36 Rückversicherungsunternehmen<br />
unter Aufsicht der BaFin, deren<br />
erzieltes Prämienvolumen von rund 36 Mrd. EUR<br />
mehr als ein Viertel des Weltmarkts ausmacht.<br />
Einfi rmenvertreter dominieren<br />
Vermitteltes Neugeschäft Leben in %,<br />
gemessen an der Beitragssumme, 2010<br />
2,3 % Sonstige<br />
2,6 %<br />
Direktvertriebe<br />
23,6 %<br />
Kreditinstitute<br />
Quelle: GDV<br />
42,0 %<br />
Einfi rmen- und<br />
Konzernvermittler<br />
29,5 % Mehrfi rmenvermittler<br />
Versicherungswirtschaft wichtiger Arbeitgeber<br />
Entwicklung der Beschäftigten bei Versicherungsunternehmen<br />
in Tsd.<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Quelle: AGV<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Führender Rückversicherungsstandort<br />
Verdiente Beiträge der Rückversicherungsunternehmen<br />
in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
‘97‘ ‘98 ‘99 ‘00 ‘01 ‘02 ‘03 ‘04 ‘05 ‘06 ‘07 ‘08 ‘09 ‘10 1<br />
1 Zahlen für 2010 vorläufig. Quelle: BaFin<br />
Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.1<br />
21
22<br />
3.1.2 Banken<br />
Kernbranche der deutschen Wirtschaft<br />
<strong>Die</strong> <strong>Kreditwirtschaft</strong> ist einer der bedeutendsten Zweige<br />
der deutschen Wirtschaft. Mit einem Anteil in<br />
Höhe von 3,6 % 1 an der gesamten Bruttowertschöpfung<br />
war sie im Jahr 2009 einer der wichtigsten Wirtschaftszweige<br />
<strong>Deutschland</strong>s. Ihr Anteil an der gesamtwirtschaft<br />
lichen Produktion von Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
lag damit wieder ähnlich hoch wie Ende der<br />
1990er Jahre, nach einem Rückgang vor allem seit<br />
Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Der jüngste Anstieg<br />
der Bruttowertschöpfung in 2009 steht auch im<br />
Zusammenhang mit der ausgesprochen expansiven<br />
Ausrichtung der Geld politik der Europäischen Zentralbank<br />
und den Besonderheiten der methodisch<br />
schwierigen, indirekten statistischen Er fassung.<br />
Gleichzeitig hatten stark export orientierte Wirtschaftszweige<br />
durch eine weltweite konjunkturelle Abschwächung<br />
einen deutlichen Einbruch der Produktion<br />
zu verkraften. <strong>Die</strong> Wirtschaftsleistung des<br />
deutschen Bankensektors fi el damit deutlich höher aus<br />
als die des Maschinen- oder Fahrzeugbaus. Neben seiner<br />
beachtlichen Wirtschafts leistung besticht das<br />
deutsche Kreditgewerbe aber auch als ein wichtiger Arbeitgeber<br />
in <strong>Deutschland</strong>. Mit rund 667.900 Personen<br />
(Stand 2010) beschäftigt die <strong>Kreditwirtschaft</strong> mehr als<br />
1,6 % aller Erwerbstätigen in <strong>Deutschland</strong>.<br />
<strong>Die</strong> deutschen Banken haben in den letzten Jahren<br />
ihre Kapitalausstattung erhöht, ihre Ertragslage stabil<br />
gehalten und die Anfälligkeit in der Refi nanzierung<br />
abgebaut. <strong>Die</strong>s attestiert die Bundesbank in ihrem<br />
Finanzstabilitätsbericht 2011. Insgesamt hat sich<br />
dadurch die Risikotragfähigkeit der deutschen Banken<br />
in einem weiterhin schwierigen gesamtwirtschaftlichen<br />
Umfeld erhöht.<br />
Im europäischen Vergleich kommt der deutschen<br />
<strong>Kreditwirtschaft</strong> aufgrund der Größe der deutschen<br />
Volkswirtschaft ebenfalls eine besondere Bedeutung<br />
zu: Gemessen an den Einlagen von und den Krediten<br />
an Nicht-Banken stellt <strong>Deutschland</strong> den größten<br />
Bankensektor Europas. Ende 2011 standen bei den<br />
deutschen Banken Kundeneinlagen in Höhe von<br />
<strong>Kreditwirtschaft</strong> einer der größten Wirtschaftszweige<br />
Anteile an der Bruttowertschöpfung nach Sektoren in %, 2009<br />
Bau<br />
<strong>Kreditwirtschaft</strong><br />
Maschinenbau<br />
Energie, Wasser<br />
Metall<br />
Fahrzeugbau<br />
Elektro<br />
Chemie<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
0 1 2 3 4 5<br />
Hohe Bedeutung der deutschen <strong>Kreditwirtschaft</strong><br />
Bilanzsumme der Banken in % des BIP, 2011<br />
Großbritannien<br />
Frankreich<br />
Spanien<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Italien<br />
Polen<br />
EU27<br />
Quelle: EZB, Eurostat<br />
2,3<br />
0 100 200 300 400 500 600<br />
84<br />
Solides Kreditgeschäft<br />
Bestand der Bankkredite an Nicht-Banken in % des BIP, 2011 2<br />
Spanien<br />
Großbritannien<br />
Italien<br />
Frankreich<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Polen<br />
EU27<br />
Quelle: EZB, Eurostat<br />
258<br />
2,6<br />
2,6<br />
2,5<br />
2,8<br />
337<br />
326<br />
3,0<br />
367<br />
3,6<br />
423<br />
4,5<br />
559<br />
0 50 100 150 200<br />
55<br />
117<br />
115<br />
127<br />
132<br />
167<br />
178<br />
3.131 Mrd. EUR sowie Kundenkredite von 2.969 Mrd.<br />
EUR in den Büchern. <strong>Die</strong> Bilanzsumme belief sich<br />
zur gleichen Zeit auf 8.393 Mrd. EUR. <strong>Die</strong> deutschen<br />
Banken wurden dabei nur von den britischen Banken<br />
übertroff en, die Ende 2011 eine Bilanzsumme von<br />
9.722 Mrd. EUR auswiesen.<br />
<strong>Die</strong> Bilanzsumme der deutschen Kreditinstitute<br />
gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt im europäischen<br />
Mittelfeld. Durch die aggregierte Bilanzsumme<br />
der inländischen Institute wird allerdings nicht<br />
das gesamte Geschäft deutscher Banken erfasst, denn<br />
deutsche Finanzinstitute betreuen auch im Ausland<br />
ihre Kunden. So waren Ende 2011 56 deutsche Banken<br />
mit 209 Filialen im Ausland vertreten, die eine<br />
Bilanzsumme von 2.317 Mrd. EUR aufwiesen. Hinzu<br />
kamen 87 Auslandstöchter mit einem Geschäftsvolumen<br />
in Höhe von 479 Mrd. EUR. Gleichzeitig ist der<br />
deutsche Markt off en für Wettbewerber aus dem Ausland.<br />
So betreiben auch ausländische Banken über<br />
eigene Zweigstellen und Töchter in <strong>Deutschland</strong> ihre<br />
Geschäfte. Gemessen an der Bilanzsumme Ende 2011<br />
hatten diese einen Marktanteil von 11,2 % inne.<br />
Fortlaufende Strukturanpassung<br />
<strong>Die</strong> <strong>Kreditwirtschaft</strong> reagiert auf den weiterhin ausgeprägten<br />
Wettbewerbsdruck mit fortlaufenden Strukturanpassungen.<br />
Unter anderem hat sich dabei die<br />
Anzahl der Institute in den letzten zwei Jahrzehnten<br />
deutlich verringert. Ende 2011 lag die Zahl der Banken<br />
in <strong>Deutschland</strong> bei 1.903. Das sind weniger als<br />
halb so viele wie 1990, als noch 4.638 Kreditinstitute<br />
von der <strong>Deutsche</strong>n Bundesbank gezählt wurden. <strong>Die</strong><br />
Konsolidierung erfolgte überwiegend über Zusammenschlüsse.<br />
Als Folge des Rückgangs der Institutszahl<br />
und der Ausweitung der Geschäftsaktivitäten<br />
stieg die durchschnittliche Bilanzsumme der Institute<br />
in diesem Zeitraum von 0,6 auf zuletzt 4,4 Mrd. EUR.<br />
Trotz des anhaltenden Trends hin zu größeren Geschäftseinheiten<br />
ist die Bankendichte in <strong>Deutschland</strong><br />
mit 23 Kreditinstituten bezogen auf eine Million Einwohner<br />
im Vergleich zu anderen europäischen Flächenländern<br />
immer noch am höchsten.<br />
… und solides Einlagengeschäft<br />
Einlagen von Nicht-Banken in % des BIP, 2011 2<br />
Großbritannien<br />
Spanien<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Frankreich<br />
Italien<br />
Polen<br />
EU27<br />
Quelle: EZB, Eurostat<br />
0 50 100 150 200<br />
49<br />
89<br />
96<br />
115<br />
122<br />
Konsolidierung setzt sich fort<br />
Anzahl der Kreditinstitute in <strong>Deutschland</strong> in Tsd.<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
’90 ’91 ’92 ’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
1 <strong>Die</strong> Angaben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung beziehen<br />
sich auf den mit der WZ2008 neu geschaffenen Wirtschaftszweig<br />
„Finanzdienstleister“, der neben den Kreditinstituten auch die<br />
Beteiligungsgesellschaften sowie Treuhand- und sonstige Fonds<br />
und ähnliche Finanzinstitutionen enthält.<br />
2 Während die Angaben zu Krediten und Einlagen bei Euro-Mitgliedsländern<br />
auf den gesamten Euroraum abstellen, werden bei<br />
Nicht- Euro-Ländern nur die Kredite an und die Einlagen von in den<br />
jeweiligen Ländern beheimateten Nicht-Banken berücksichtigt.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
161<br />
161<br />
3.1<br />
23
24<br />
Parallel zu der Anzahl der Kreditinstitute hat sich auch<br />
deren Geschäftsstellenanzahl verringert. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />
ist dabei nicht nur eine Folge der Fusionen im<br />
Bankensektor. Auch die zunehmende Nutzung neuer Vertriebswege,<br />
wie z. B. das Internet-Banking, hat dazu geführt,<br />
dass mit einem straff eren Geschäftsstellennetz die<br />
Nachfrage der Bundesbürger nach Bankdienstleistungen<br />
weiterhin umfassend befriedigt werden kann. In Zukunft<br />
dürfte sich der Trend zu einer wachsenden Durchschnittsgröße<br />
von Bank geschäftsstellen fortsetzen, indem Synergie-Potenziale<br />
weiter ausgenutzt werden. Gleichwohl gewährleistet<br />
die deutsche <strong>Kreditwirtschaft</strong> mit 40.300<br />
Geschäftsstellen (2010) weiterhin eine ausgesprochen<br />
hohe fl ächen deckende Präsenz in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Dichte Versorgung<br />
Zahl der Kreditinstitute pro 1 Mio. Einwohner, Februar 2012<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Polen<br />
Italien<br />
Frankreich<br />
Spanien<br />
Großbritannien<br />
EU27<br />
Quelle: EZB, Eurostat<br />
0 5 10 15 20 25 30<br />
6<br />
7<br />
10<br />
12<br />
16<br />
18<br />
23<br />
3.1.3 Asset Manager<br />
Investmentfonds<br />
Am Markt für Investmentfonds in <strong>Deutschland</strong> gibt es<br />
vier große Fondsgesellschaften (Marktanteile von jeweils<br />
über 10 %). Auf sie entfi elen am 31. März 2012<br />
exakt 70,1 % aller Gelder in Wertpapierpublikumsfonds<br />
(ohne Immobilienfonds). Gegenüber dem Stand<br />
ein Jahr zuvor nahm der Marktanteil der vier führenden<br />
Anbieter um knapp 0,7 Prozentpunkt ab.<br />
Ein Spezifi kum des deutschen Investmentfondsmarktes<br />
sind die Spezialfonds für institutionelle Kunden.<br />
Sie spielen nur hierzulande eine Rolle und machen<br />
über die Hälfte des gesamten Fondsvolumens aus. Ungeachtet<br />
der konservativeren Anlagepolitik institutioneller<br />
Kunden hat sich das Fondsvermögen wie bei den<br />
Publikumsfonds vom Einbruch des Jahres 2008 erholt<br />
und konnte – auch dank kräftiger Zufl üsse – 2011<br />
abermals ein neues Rekordniveau erreichen. <strong>Die</strong> größten<br />
institutionellen Investoren sind Versicherungen<br />
und Altersvorsorgeeinrichtungen, die zusammen über<br />
die Hälfte des Spezial fondsvermögens ausmachen.<br />
Hedgefonds<br />
Der deutsche Hedgefonds-Markt ist im internationalen<br />
Vergleich von marginaler Größe und in seiner Bedeutung<br />
in den letzten Jahren kontinuierlich geschrumpft.<br />
Im Januar 2012 waren von der BaFin in <strong>Deutschland</strong><br />
10 Single-Hedgefonds und 7 Dach-Hedgefonds registriert.<br />
Hinzu kamen 5 Investmentaktiengesellschaften<br />
mit insgesamt 15 Teilgesellschaftsvermögen. Genaue<br />
Zahlen über das von deutschen Hedgefonds<br />
verwaltete Vermögen liegen nicht vor; es dürfte in der<br />
Größenordnung von etwa 1 Mrd. EUR liegen – das ist<br />
weniger als ein Promille des weltweit in Hedgefonds<br />
gehaltenen Vermögens.<br />
Auch die indirekte Anlage in Hedgefonds über Zertifi -<br />
kate stagniert auf niedrigem Niveau. <strong>Die</strong> Statistiken<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Derivate Verbands (DDV) weisen seit<br />
Mitte 2011 Zertifi kate mit dem Basiswert „Hedgefonds“<br />
nicht mehr separat aus; zu diesem Zeitpunkt<br />
belief sich das Anlagevolumen auf knapp 1 Mrd. EUR,<br />
Hohe Konzentration<br />
Marktanteile Wertpapierpublikumsfonds<br />
in <strong>Deutschland</strong> in %, 31. März 2012<br />
30 % Übrige<br />
18 % Allianz<br />
Quelle: BVI, DekaBank<br />
14 % Union<br />
23 % DWS<br />
15 % Deka<br />
Besonderheit Spezialfonds<br />
Entwicklung Fondsvermögen in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />
(Jahresendstände)<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />
■ Spezialfonds ■ Publikumsfonds<br />
Quelle: BVI, DekaBank<br />
Akteure am <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.1<br />
25
26<br />
was in etwa dem Wert zum Jahresende 2010 entspricht.<br />
<strong>Die</strong> verfügbaren Zahlen für den weiteren Jahresverlauf<br />
lassen keinen Anstieg dieses Volumens im weiteren<br />
Jahresverlauf vermuten.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklungen im deutschen Hedgefonds-Markt<br />
stehen damit im Gegensatz zum globalen Trend: Weltweit<br />
ist das Anlagevolumen in Hedgefonds nach Angaben<br />
von Hedgefund Research im Jahre 2011 um knapp<br />
5 % auf etwas über 2 Bio. USD gestiegen und übersteigt<br />
damit das Prä-Krisenniveau (Ende 2007: 1,8 Bio.<br />
USD). <strong>Die</strong> sinkende Anzahl und das schrumpfende<br />
Anlagevolumen der in <strong>Deutschland</strong> beheimateten<br />
Hedgefonds lässt daher vermuten, dass sich deutsche<br />
Investoren anderer Wege bedienen, um ein Investment<br />
in Hedgefonds zu tätigen. <strong>Die</strong>ses sind zum einen im<br />
Ausland beheimatete Hedgefonds, die in <strong>Deutschland</strong><br />
zum Vertrieb zugelassen sind (im Februar 2012 waren<br />
dies nach Angaben der BaFin 112 Fonds und drei<br />
Dachfonds); zum anderen stehen Investoren zunehmend<br />
UCITS-kompatible, Hedgefonds-ähnliche Vehikel<br />
zur Verfügung.<br />
Rückgang<br />
Zahl der Hedgefonds in <strong>Deutschland</strong><br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
6<br />
11<br />
19<br />
22<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Single-Hedgefonds ■ Dach-Hedgefonds<br />
Quelle: BAI, BaFin<br />
24<br />
27<br />
25<br />
14<br />
33<br />
10<br />
19<br />
9<br />
14 10<br />
7 7<br />
3.2.1 Versicherungsmärkte<br />
3.2.1.1 Lebensversicherung, Pensionskassen<br />
und -fonds<br />
Geschäftsentwicklung 2011<br />
<strong>Die</strong> Beitragsentwicklung in der Lebensversicherung<br />
i. e. S. (ohne Pensionskassen und -fonds) stand 2011 im<br />
Zeichen einer Normalisierung des Einmalbeitragsgeschäfts.<br />
Nachdem die Einmalbeiträge in den beiden<br />
Vorjahren außerordentlich kräftig gestiegen waren<br />
(2009: +57,3 %, 2010: +33,6 %), gingen sie in 2011 um<br />
17,0 % auf 22,1 Mrd. EUR zurück. <strong>Die</strong>s war historisch<br />
betrachtet noch immer der zweithöchste Wert der Einmalbeiträge.<br />
Insgesamt sind die Beitragseinnahmen in<br />
der Lebensversicherung i. e. S. in 2011 damit aber um<br />
4,6 % auf 83,2 Mrd. EUR gesunken. Bei den laufenden<br />
Beitragseinnahmen war dagegen erstmals seit 2008<br />
wieder ein Anstieg um 0,9 % auf 61,1 Mrd. EUR zu<br />
verzeichnen. In der Lebensversicherung insgesamt (einschließlich<br />
Pensionskassen und Pensionsfonds) gingen<br />
die Beitragseinnahmen in 2011 um 3,9 % auf 86,8 Mrd.<br />
EUR zurück.<br />
In der Lebensversicherung i. e. S. wurden 2011 rund<br />
6,3 Mio. Verträge neu abgeschlossen. Das war gegenüber<br />
dem Vorjahr ein Plus von 2,9 %. Gleichzeitig ging<br />
die Zahl der Vertragskündigungen weiter zurück. <strong>Die</strong><br />
Stornoquote lag 2011 nur noch bei 3,5 % – dem niedrigsten<br />
Wert seit 1994 (Anzahl der vorzeitigen Vertragsabgänge<br />
in Prozent des mittleren Ver trags bestands).<br />
Insgesamt belief sich der Bestand an Versicherungsverträgen<br />
in der Lebensversicherung i. e. S. Ende 2011 auf<br />
rund 90 Mio. Verträge.<br />
Der Trend zur eigenverantwortlichen Altersvorsorge<br />
wird in der Lebensversicherung vor allem auch deutlich,<br />
wenn man die Entwicklung nach Produktsegmenten<br />
betrachtet. Auch 2011 entfi el etwa die Hälfte aller<br />
Neuabschlüsse auf Verträge mit rentenförmiger Auszahlung,<br />
gemessen am Beitrag waren es sogar rund<br />
zwei Drittel. Erneut knapp eine Million der Neuabschlüsse<br />
entfi el dabei auf Riester-Verträge. Im Bestand<br />
der Lebensversicherer befi nden sich damit mittlerweile<br />
knapp 11 Mio. Riester-Verträge.<br />
Bruttobeitragseinnahmen in der Lebensversicherung<br />
i. e. S.: stabil auch in schwierigem Umfeld<br />
in Mrd. EUR<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Quelle: GDV<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Wachsendes Gewicht der Einmalbeträge<br />
Beitragsaufkommen der Lebensversicherung i. e. S.<br />
nach Art der Beitragszahlung in Mrd. EUR<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Laufender Beitrag ■ Einmalbeitrag<br />
Quelle: GDV<br />
Rückläufi ge Stornoquote<br />
Vorzeitiger Abgang (Anzahl) in % des mittleren<br />
Jahresbestandes<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Quelle: GDV<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
27
28<br />
Betrachtet man die Versicherungsdurchdringung –<br />
Beiträge gemessen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />
– weist <strong>Deutschland</strong> mit nur 3,5 % (2010) im<br />
internationalen Vergleich allerdings nach wie vor einen<br />
unterdurch schnittlichen Wert auf. Längerfristig verfügt<br />
die deutsche Lebensversicherung auch vor diesem<br />
Hintergrund über ein erhebliches Wachstumspotenzial.<br />
Stabilität in der Krise<br />
<strong>Die</strong> Lebensversicherer i. e. S. haben in 2011 über 80 Mrd.<br />
EUR an ihre Kunden ausbezahlt. Basis dieser Leistungsstärke<br />
der Lebensversicherer ist ihre erfolgreiche Kapitalanlagetätigkeit,<br />
die sich auch in einem schwierigen<br />
Umfeld bewährt hat. Um die sehr langfristigen Leistungs<br />
versprechen in der Lebensversicherung erfüllen zu<br />
können, sind hohe Anforderungen an die Sicherheit,<br />
Rendite und Liquidität der Kapitalanlagen der Lebensversicherer<br />
gestellt. Lebensversicherungskunden profi tieren<br />
dabei gerade in Krisenzeiten von den Glättungsmechanismen<br />
im Kapitalanlagebereich, die es ermöglichen,<br />
trotz allem eine attraktive Gesamtverzinsung zu erwirtschaften.<br />
Eine anhaltende Niedrig zinsphase wird allerdings<br />
in Form von sinkenden Überschussbeteiligungen<br />
auch zunehmend die Kunden erreichen und die Neuanlagen<br />
für die Lebensversicherer deutlich erschweren.<br />
Ende 2011 belief sich der Kapitalanlagebestand der<br />
Lebensversicherer i. e. S. auf 742 Mrd. EUR. Der ganz<br />
überwiegende Teil der Mittel ist dabei weiterhin in festverzinslichen<br />
Wertpapieren und Darlehen a ngelegt.<br />
Pensionskassen und Pensionsfonds<br />
Ein hohes Gewicht kommt in der Lebensversicherung<br />
auch der betrieblichen Altersversorgung zu. Neben<br />
Direkt- und Rückdeckungsversicherung sind hier insbesondere<br />
auch die der Lebensversicherung zuzurechnenden<br />
Pensionskassen und Pensionsfonds zu nennen,<br />
die erst im Zuge der Rentenreformen 2001 / 2002 neu<br />
gegründet oder geöff net wurden. Zusammen konnten<br />
diese Pensionskassen und -fonds 2011 Beitragseinnahmen<br />
in Höhe von 3,6 Mrd. EUR erzielen. An der Belebung<br />
des Marktes für Produkte der betrieblichen<br />
Altersversorgung in <strong>Deutschland</strong> ab 2002 hatte die<br />
Versicherungswirtschaft maßgeblichen Anteil.<br />
<strong>Deutsche</strong> Lebensversicherung mit großem<br />
Wachstumspotenzial<br />
Versicherungsdurchdringung Beiträge / BIP in %, 2010<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Großbritannien<br />
Quelle: GDV<br />
Japan Frankreich<br />
Italien <strong>Deutschland</strong><br />
Lebensversicherung: bedeutender<br />
Anleger am Kapitalmarkt<br />
Aufteilung der Kapitalanlagen in %, 2011<br />
6,7 % Hypotheken<br />
1,7 % Sonstige<br />
3,7 % Immobilien<br />
2,4 % Beteiligungen<br />
2,9 % Aktien<br />
33,2 % Andere Renten<br />
USA Niederlande<br />
Das gesamte Anlagevolumen 2011 betrug 742,75 Mrd. EUR<br />
Quelle: GDV<br />
Spanien<br />
25,6 % Darlehen<br />
23,8 % Pfandbriefe<br />
Aufschwung bei Pensionskassen<br />
Gebuchte Bruttobeiträge und Leistungen in Mrd. EUR<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
’70 ’80 ’90 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10<br />
■ Beiträge ■ Leistungen<br />
Quelle: BaFin<br />
3.2.1.2 Private Krankenversicherung<br />
Eine stetig wachsende Branche<br />
Im Zuge der Gesundheitsreform vom Herbst 2010 ist die<br />
Wahlfreiheit im Gesundheitswesen wieder vergrößert<br />
worden. Insbesondere das Ende der Dreijahreswartefrist<br />
für Angestellte, die in die PKV wechseln wollen, hat zu<br />
einer spürbaren Belebung des Wettbewerbs geführt.<br />
Davon wurde auch der Nettoneuzugang an Vollversicherten<br />
gestützt, der sich in 2011 auf 80.800 Personen<br />
belaufen hat. Gedämpft wird die Bestandsentwicklung<br />
dagegen durch den Bevölkerungsrückgang in den jüngeren<br />
Altersgruppen, das Potenzial an Neukunden verringert<br />
sich. Insgesamt waren Ende 2011 in der Krankenvollversicherung<br />
8,98 Mio. Menschen versichert.<br />
Dass die Bundesregierung sich bei den Zusatzversicherungen<br />
nicht zu einer deutlicheren Abgrenzung zwischen<br />
Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung entschlossen<br />
hat, bedeutet dagegen einen Rückschritt für<br />
den Wettbewerb im Gesundheitswesen. Gleichwohl<br />
nimmt auch die Akzeptanz des Zusatzversicherungsangebots<br />
der PKV weiter zu. <strong>Die</strong> Zahl der Zusatzversicherten<br />
hat sich in 2011 weiter auf 22,51 Mio. Personen<br />
erhöht. Dabei handelt es sich aber oft nur um Zusatzprodukte<br />
mit begrenztem Leistungsspektrum und entsprechend<br />
geringen Beiträgen. So entfällt nach wie vor mit<br />
73 % (2011) der Großteil der Beitragseinnahmen in der<br />
Privaten Krankenversicherung auf die Vollversicherung.<br />
Insgesamt sind die Beitragseinnahmen in der Privaten<br />
Krankenversicherung in 2011 um 4,3 % auf 34,7 Mrd.<br />
EUR gewachsen, davon entfi elen 32,6 Mrd. EUR auf die<br />
Krankenversicherung (+4,7 %) und 2,1 Mrd. EUR auf<br />
die Pfl egepfl ichtversicherung (+0,4 %). Zum Beitragswachstum<br />
in der PKV tragen neben dem Nettoneuzugang<br />
an Versicherten auch die aufgrund der allgemein<br />
steigenden Gesundheitskosten notwendig werdenden<br />
Beitragsanpassungen im Bestand bei.<br />
<strong>Die</strong> Private Krankenversicherung fi nanziert sich außer<br />
aus Beitragseinnahmen durch Entnahmen aus den<br />
Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen, aber<br />
Wachstum in der Vollversicherung und<br />
bei den Zusatzversicherungen<br />
Versicherte / Verträge in Mio.<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Vollversicherung (Versicherte) ■ Zusatzversicherung (Verträge)<br />
Quelle: PKV<br />
Wachsende Beiträge<br />
Gebuchte Bruttobeiträge, Veränderung zum Vorjahr in %<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />
1 Vorläufiger Wert. Quelle: PKV<br />
Umfassende Vorsorge für das Alter<br />
Alterungsrückstellungen in Mrd. EUR<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Quelle: PKV<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
29
30<br />
auch aus den Erträgen der Kapitalanlagen. <strong>Die</strong> Kapitalanlage<br />
hat hierbei vor allem die wichtige Funktion,<br />
Beitragserhöhungen der Versicherten aufgrund des im<br />
Alter steigenden Gesundheitsrisikos durch die Bildung<br />
von Alterungsrückstellungen zu vermeiden. Bis 2011<br />
konnten die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung<br />
für die Private Kranken- und die Private Pfl egeversicherung<br />
Alterungsrückstellungen in Höhe von<br />
insgesamt 170 Mrd. EUR bilden und am Kapitalmarkt<br />
anlegen. <strong>Die</strong> Kapitaldeckung der Privaten Krankenversicherung<br />
hat dabei dank einer soliden Anlagepolitik<br />
auch das schwierige gesamtwirtschaftliche Umfeld<br />
unbeschadet überstanden.<br />
<strong>Die</strong> Gesamtaufwendungen – die Summe aller Ausgaben,<br />
die für die Erfüllung der Verpfl ichtungen gegenüber<br />
den Versicherten entstehen – stiegen in der Privaten<br />
Krankenversicherung in 2010 (letztverfügbarer<br />
Wert) auf 38,6 Mrd. EUR. Ein deutlicher Anteil innerhalb<br />
der Gesamtaufwendungen entfi el hierbei auf die<br />
Zuführung zu den Alterungsrückstellungen, die sich<br />
auf fast 13 Mrd. EUR belief. <strong>Die</strong> ausgezahlten Versicherungsleistungen<br />
beliefen sich 2011 auf 22,8 Mrd.<br />
EUR (+3,8 %).<br />
Private Krankenversicherung:<br />
bedeutender Anleger am Kapitalmarkt<br />
Aufteilung der Kapitalanlagen in %, 2010<br />
30,9 %<br />
Schuldschein -<br />
forderungen und<br />
Darlehen<br />
33,6 %<br />
Namensschuldverschreibungen<br />
2,3 % Hypotheken-, Grund schuld- und<br />
Renten schuld forderungen<br />
Das gesamte Anlagevolumen betrug 2010 175,48 Mrd. Euro.<br />
Quelle: GDV<br />
5,9 %Sonstige<br />
8,1 % Inhaberschuldverschrei<br />
bungen /<br />
andere festverzins liche<br />
Wertpapiere<br />
Stetige Zunahme der Versicherungsleistungen<br />
Ausgezahlte Leistungen in Mrd. EUR<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Quelle: PKV<br />
19,2 % Aktien /<br />
Investmentanteile<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Dominanz der Auszahlungen für<br />
ambulante Leistungen<br />
Anteile der Leistungsarten in %, 2010<br />
50<br />
45<br />
40<br />
45,04<br />
35<br />
30<br />
25<br />
30,29<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
15,15<br />
AmbustatioZahnlantenäreleistunLeistunLeistungengengen Quelle: PKV<br />
3,96<br />
Krankentagegeld<br />
2,38<br />
Krankenhaustagegeld<br />
0,16<br />
Pflegezusatzvers.<br />
0,24<br />
sonstige<br />
Leistungen<br />
2,78<br />
bes. Versicherungsformen<br />
3.2.1.3 Schaden- und Unfallversicherung<br />
Erholung des Beitragsaufkommens<br />
Nachdem die Beitragseinnahmen in der Schaden- und<br />
Unfallversicherung seit 2005 kaum noch zugenommen<br />
hatten und teilweise sogar rückläufi g waren, konnte in<br />
2011 mit einem Plus von 2,7 % das höchste Beitragswachstum<br />
seit 2003 verzeichnet werden. Im Ergebnis<br />
beliefen sich die Beitragseinnahmen in der Schaden-<br />
und Unfallversicherung damit in 2011 auf 56,7 Mrd.<br />
EUR. Zwar dämpften weiterhin ein intensiver Preiswettbewerb<br />
und der teilweise erreichte hohe Grad der<br />
Marktdurchdringung die Umsatzausweitung. <strong>Die</strong> relativ<br />
stabile wirtschaftliche Lage der privaten Haushalte<br />
und die zuletzt wieder recht freundliche Lage im Unternehmenssektor<br />
stützten aber die Versicherungsnachfrage.<br />
Vor allem aber wirken sich in vielen Zweigen der<br />
Schaden- und Unfallversicherung Beitragsanpassungen<br />
im Neugeschäft und im Bestand umsatzsteigernd aus,<br />
die charakteristische Zyklizität der Geschäftsentwicklung,<br />
zumal in der Kraftfahrtversicherung, zeigte sich<br />
erneut. <strong>Die</strong>s umso mehr, als in vielen Sparten die kombinierte<br />
Schaden- und Kostenquote (Combined Ratio)<br />
nach wie vor bei oder über 100 % liegt. Maßgeblich für<br />
die zuletzt ungewöhnlich hohe Schaden- und Kostenquote<br />
war aber auch der fortdauernde Anstieg der Schadenaufwendungen,<br />
der in der Schaden- und Unfallversicherung<br />
insgesamt in 2010 bei +3,3 % und in 2011<br />
bei +2,6 % lag. Ursächlich hierfür waren unter anderem<br />
auch viele regionale Naturereignisse (wie Hagelschäden<br />
oder frostbedingte Leitungswasserschäden), aber auch<br />
die erfahrungsgemäß schadensteigernde konjunkturelle<br />
Erholung in den Jahren 2010 und 2011.<br />
Im Einzelnen ist in den Sparten und Zweigen der<br />
Schaden- und Unfallversicherung eine diff erenzierte<br />
Entwicklung zu konstatieren. <strong>Die</strong> nach wie vor bedeutendste<br />
Sparte ist dabei die Kraftfahrtversicherung.<br />
Auf sie entfi elen 2011 Beitragseinnahmen in Höhe von<br />
20,9 Mrd. EUR und damit 37 % des Geschäftsvolumens<br />
der Schaden- und Unfallversicherung insgesamt. Mit<br />
einem Anstieg um 3,5 % wuchsen die Beitrags einnahmen<br />
in der Kraftfahrtversicherung in 2011 so stark<br />
Zyklizität des Wachstums<br />
Bruttobeiträge, Veränderung zum Vorjahr in %<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />
1 Hochrechnung. Quelle: GDV<br />
Versicherungstechnische Ergebnisse<br />
tendenziell rückläufi g<br />
Combined Ratio (nach Abwicklung) in %<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />
■ Schaden-/ Unfallversicherung ■ Kraftfahrtversicherung ■ Sachversicherung<br />
1 Hochrechnung. Quelle: GDV<br />
Große Bedeutung der Kraftfahrtversicherung<br />
Bruttobeitragsanteile, 2011<br />
27,2 %<br />
Sachversicherung<br />
insgesamt<br />
5,8 % Rechtsschutz<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
3,4 % Transport<br />
2,8 % Kredit / Kaution /<br />
Vertrauensschaden<br />
11,5 % Allgemeine<br />
Unfallversicherung<br />
1 Einschließlich Schutzbriefversicherung. Quelle: GDV<br />
37,0 % Kraftfahrt<br />
insgesamt 1<br />
12,3 % Allgemeine<br />
Haftpfl icht<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
31
32<br />
wie seit neun Jahren nicht mehr. Zu diesem Wachstum<br />
trugen dabei sowohl die Kraftfahrt-Haftpfl ichtversicherung<br />
(+3,5 %) als auch die Vollkaskoversicherung<br />
(+4,0 %) bei, etwas schwächer legte die Teilkaskoversicherung<br />
(+2,0 %) zu. Maßgeblich für das Beitragswachstum<br />
waren neben einem leichten Bestandszuwachs<br />
Prämienanhebungen in Bestand und Neu geschäft;<br />
die Durchschnittsprämien liegen seit vielen Jahren auf<br />
dem niedrigen Niveau von Anfang der 80er Jahre.<br />
Eine kombinierte Schaden- und Kostenquote in Höhe<br />
von 108 % (2011) weist allerdings weiterhin auf erhebliche<br />
versicherungstechnische Verluste im Bereich der<br />
Kraftfahrtversicherung hin. Im laufenden Jahr ist es<br />
deshalb zu weiteren Prämienanhebungen gekommen.<br />
In der Sachversicherung insgesamt – privat und nichtprivat<br />
(gewerblich und industriell) – war in 2011 ein<br />
Beitragswachstum von 1,8 % auf 15,4 Mrd. EUR zu<br />
verzeichnen. <strong>Die</strong>ser Anstieg dürfte im Wesentlichen<br />
auf infl ationsgetriebene Anpassungsmechanismen zurückzuführen<br />
sein. Das Wachstumstempo in der privaten<br />
Sachversicherung (+2,0 %) war dabei nur geringfügig<br />
höher als in der nicht-privaten Sachversicherung<br />
(+1,7 %). Unterschiedlich entwickelte sich dagegen die<br />
Schadenbelastung. Der Anstieg der Schadenaufwendungen<br />
lag in der Sachversicherung insgesamt in 2011<br />
bei 4,1 %, betrug aber in der nicht-privaten Sachversicherung<br />
+9,2 %, während in der privaten Sachversicherung<br />
die Schadenaufwendungen um 1,0 % sanken.<br />
In den gewerblich-industriell geprägten Sparten Kreditversicherung<br />
und Transportversicherung wuchsen in<br />
2011 die Beitragseinnahmen mit +3,5 % (auf 1,6 Mrd.<br />
EUR) und +7,0 % (auf 1,9 Mrd. EUR) relativ kräftig.<br />
Schwächer fi el das Beitragswachstum mit +1,0 % (auf<br />
6,5 Mrd. EUR) in der Allgemeinen Unfallversicherung<br />
aus, die sich seit längerem mit einem rückläufi gen Versicherungsbestand<br />
konfrontiert sieht. Um jeweils 2,5 %<br />
(auf 7,0 bzw. 3,3 Mrd. EUR) wuchs das Beitragsvolumen<br />
in der Allgemeinen Haftpfl ichtversicherung und in<br />
der Rechtsschutzversicherung, wobei jeweils die Nutzung<br />
von Beitragsanpassungsmöglichkeiten ausschlaggebend<br />
für das Wachstum gewesen sein dürfte.<br />
Erholung der Prämien in der Kraftfahrtversicherung<br />
Beiträge und Leistungen, Veränderungen gegenüber dem<br />
Vorjahr in %<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
-2<br />
-3<br />
-4<br />
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1<br />
■ Beiträge ■ Leistungen<br />
1 Hochrechnung. Quelle: GDV<br />
<strong>Deutsche</strong>r Nicht-Leben-Versicherungsmarkt im<br />
internationalen Vergleich<br />
Versicherungsdurchdringung in %, 2010<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Quelle: GDV<br />
USA Deutsch- Frankreich Großlandbritannien<br />
Spanien Italien Japan<br />
Internationaler Vergleich<br />
Im internationalen Vergleich nimmt <strong>Deutschland</strong> im<br />
Nicht-Lebenbereich (Schaden- und Unfallversicherung<br />
sowie Private Krankenversicherung) bei einer Versicherungsdurchdringung<br />
– Beiträge zu Nicht-Leben in Prozent<br />
des BIP – von 3,7 % (2010) mit einem Spitzenplatz<br />
ein. Beim Weltmarktanteil rangiert <strong>Deutschland</strong> mit<br />
7 % (2010) sogar an zweiter Stelle; in Europa ist<br />
<strong>Deutschland</strong> in diesem Segment der größte Markt.<br />
3.2.1.4 Rückversicherung<br />
<strong>Deutschland</strong> festigt seinen Status als weltweit<br />
führender Standort<br />
Das grundlegende Prinzip der Risikoteilung und die<br />
Fokussierung auf Großrisiken machen die Rückversicherung<br />
seit jeher zu einem internationalen Geschäft.<br />
<strong>Deutschland</strong> festigte hier seine angestammte Rolle als<br />
global führender Rückversicherungsstandort: Von<br />
den weltweit fünf größten Rückversicherungsgruppen<br />
haben zwei ihren Hauptsitz in <strong>Deutschland</strong>, die übrigen<br />
sind mit bedeutenden Tochtergesellschaften vertreten.<br />
Insgesamt standen 2010 in <strong>Deutschland</strong> 36 Rückversicherungsunternehmen<br />
unter Aufsicht der BaFin,<br />
deren erzieltes Prämienvolumen von 36 Mrd. EUR<br />
mehr als ein Viertel des Weltmarkts ausmacht.<br />
Außergewöhnlich hohe Belastungen aus schweren Naturkatastrophen<br />
und die Turbulenzen an den Finanzmärkten<br />
prägten die Rückversicherungsmärkte im<br />
Jahr 2011. Dabei blieb die Kapitalbasis der Rückversicherer<br />
erstaunlich robust. Nach einem merklichen<br />
Rückgang im ersten Halbjahr führte eine Erholung in<br />
der zweiten Jahreshälfte dazu, dass das Eigenkapital der<br />
globalen Rücksicherungsindustrie am Jahresende insgesamt<br />
sogar leicht über dem Vorjahresniveau lag.<br />
Nicht nur aufgrund der soliden Kapitalausstattung ist<br />
Rückversicherung ein zentrales Element des Kapitalmanagements<br />
von Erstver sicherern, und entsprechend<br />
blieb die Nachfrage nach Rückversicherungslösungen<br />
hoch, bei denen Risikotransfer eine Entlastung des<br />
Eigenkapitals bietet.<br />
Mit rund 380 Mrd. USD gesamtwirtschaftlichen Schäden<br />
war 2011 das bisher teuerste Naturkatastrophenjahr.<br />
Auch die versicherten Schäden erreichten mit rund<br />
105 Mrd. USD einen neuen Höchstwert. Ein beträchtlicher<br />
Teil davon wurde von Rück versicherern übernommen.<br />
Erdbeben – neben der Katastrophe in Japan vor<br />
allem das verheerende Ereignis in Neuseeland – prägten<br />
die Schadenbilanz. Dazu kamen zerstörerische Überschwemmungen<br />
in Australien, Th ailand sowie Frankreich<br />
und Italien und die Tornadoserien in den USA.<br />
Führender Rückversicherungsstandort<br />
Verdiente Nettobeiträge der Rückversicherungs unternehmen<br />
in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 1<br />
1 Zahlen für 2010 noch vorläufig. Quelle: BaFin<br />
Globales Ranking Top 10<br />
(nach gebuchten Nettoprämien)<br />
Top 10 Rückversicherer 2010<br />
1 Munich Re D<br />
2 Swiss Re CH<br />
3 Berkshire Hathaway Re USA<br />
4 Hannover Re D<br />
5 Lloyd’s UK<br />
6 SCOR FR<br />
7 Reinsurance Group of America USA<br />
8 Partner Re Bermuda<br />
9 Everest Re Bermuda<br />
10 Transatlantic Holdings USA<br />
Quelle: Standard and Poor‘s Global Reinsurance Highlights 2011<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
33
34<br />
Das Jahr 2011 zeigt abermals, dass Naturkatastrophen<br />
ein hohes Risikopotenzial bergen und eine der größten<br />
Herausforderungen für die Rückversicherung darstellen.<br />
Auf solche Szenarien stellt sich die Branche ein<br />
und adjustiert ihre Risikomodellierung entsprechend.<br />
Das in <strong>Deutschland</strong> vorherrschende Modell eines breit<br />
diversifi zierten Rückversicherers weist dabei Vorteile<br />
mit Blick auf die Kapitalanforderungen auf.<br />
<strong>Die</strong> konsequente Weiterentwicklung des Risikomanagements<br />
während der letzten Jahre hat sich für die<br />
Rückversicherer nicht nur als Vorteil bei der Bewältigung<br />
hoher Belastungen aus Naturkatastrophen sowie<br />
der Folgen der Finanzkrise erwiesen. Es hat vor allem<br />
auch die Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten<br />
bezüglich der eingegangenen Versicherungsrisiken<br />
deut lich erhöht. Auch die Erstversicherer als Kunden<br />
der Rückversicherungsbranche und somit letztlich<br />
Verbraucher, Industrie und Gewerbe als eigentliche<br />
Nachfrager nach Versicherungsschutz profi tieren von<br />
diesem Zuwachs an Know-how.<br />
<strong>Die</strong> Vorbereitung auf die in der Diskussion befi ndlichen<br />
Solvency-II-Vorschriften schaff t deutliche Anreize<br />
zu einer weiteren Professionalisierung des Risi komanagements<br />
auch für die in <strong>Deutschland</strong> tätigen<br />
Versicherer und Rückversicherer. Einheitliche Aufsichtsregeln<br />
innerhalb der EU sowie eine konsequente<br />
Ausrichtung der Aufsichtsregeln am Geschäftsmodell<br />
und den spezifi schen Risiken der Assekuranz sind ein<br />
großer Fortschritt, der sich auch auf die deutschen<br />
Rückversicherer positiv auswirken wird. Eine dauerhafte<br />
Stärkung des Standorts erfordert darüber hinaus<br />
jedoch auch Fortschritte bei der weltweiten Angleichung<br />
von Aufsichtsstandards sowie steuerlichen Rahmenbedingungen.<br />
Anteil der wichtigsten Standorte an den weltweiten<br />
Rückversicherungsprämien, 2010<br />
21 % Sonstige<br />
7 % Japan<br />
7 % UK<br />
8 % Bermuda<br />
9 % Schweiz<br />
Quelle: Standard & Poor‘s Global Reinsurance Highlights 2011<br />
29 % <strong>Deutschland</strong><br />
19 % USA<br />
3.2.2 Kreditmärkte<br />
Kredite an Unternehmen und private<br />
Haushalte<br />
Verhaltene Kreditdynamik im Euroraum<br />
<strong>Die</strong> Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivitäten<br />
im Euroraum spiegelt sich auch bei den Krediten an<br />
den Privatsektor wieder. <strong>Die</strong> Wachstumsdynamik verlief<br />
dort 2011 schon wieder deutlich gebremster als im<br />
Vorjahr. Auch die Unsicherheiten im Zusammenhang<br />
mit der Staatsschuldenkrise spielten dabei eine nicht<br />
zu vernachlässigende Rolle. Dazu kamen höhere regulatorische<br />
Anforderungen sowie der EBA-Stresstest<br />
(„Capital Exercise“).<br />
<strong>Die</strong> heterogene Kreditentwicklung zwischen den Ländern<br />
des Euroraums hielt auch im vergangenen Jahr<br />
an. <strong>Die</strong>s refl ektiert die unterschiedliche wirtschaftliche<br />
Entwicklung der Länder sowie unterschiedliche<br />
Verschuldungssituationen der Unternehmen. Vor allem<br />
die Länder, die im Fokus der Staatsschuldenkrise<br />
standen und deren Banken unter Druck gerieten, verzeichneten<br />
einen Rückgang der Kredite an den<br />
Privat sektor. Insgesamt stiegen die Kredite im<br />
Euroraum zwar noch an, die Wachstumsrate ging im<br />
Jahresverlauf jedoch deutlich zurück.<br />
Beschleunigtes Kreditwachstum in <strong>Deutschland</strong><br />
Nachdem die Mittelbereitstellung der deutschen Banken<br />
an den Privatsektor im Jahr 2010 zurückging, verzeichnete<br />
sie im Jahr 2011 wieder ein deutliches<br />
Wachstum. Ein großer Teil des Zuwachses bei den<br />
Krediten entfi el dabei auf die fi nanziellen Kapitalgesellschaften.<br />
Dazu zählen z. B. besicherte Interbankenkredite<br />
über zentrale Gegenparteien. Aber auch die<br />
Kreditvergabe an nicht-fi nanzielle Unternehmen stieg<br />
wieder an. <strong>Die</strong>s ist auf günstige Finanzierungsbedingungen<br />
zurückzuführen sowie auf eine vergleichsweise<br />
optimistische Einschätzung der Wirtschaftslage von<br />
Seiten der Unternehmen.<br />
Gestützt wird das durch die Investitionen, die nach<br />
2010 weiter anstiegen, besonders die Ausrüstungs- und<br />
Bauinvestitionen. <strong>Die</strong> europäische Staatsschuldenkrise<br />
Deutliches Kreditwachstum<br />
Wachstum der privaten Buchkredite in <strong>Deutschland</strong> in %<br />
und Beiträge einzelner Sektoren hierzu<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
-1,5<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Nicht-finanzielle Unternehmen ■ Finanzielle Unternehmen<br />
■ Private Haushalte<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
Steigende Investitionen stützen Kredit<br />
Wachstum der Buchkredite an nicht-fi nanzielle Unternehmen (linke<br />
Skala) und Nettoinvestitionsquote in <strong>Deutschland</strong> in % (rechte Skala)<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Kreditwachstum (linke Skala) ■ Nettoinvestitionsquote (rechte Skala)<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DESTATIS<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
3.2<br />
35
36<br />
schien damit kaum Einfl uss auf die Stimmungslage der<br />
Unternehmen gehabt zu haben. Auch die deutschen<br />
Kreditmärkte konnten sich dem entziehen.<br />
<strong>Die</strong> Kreditvergabe an private Haushalte in <strong>Deutschland</strong><br />
wuchs moderat – zunehmend getragen von Wohnungsbaukrediten.<br />
Kreditangebotsbedingungen in <strong>Deutschland</strong><br />
expansiver als im Euroraum<br />
In den Umfragen zum Kreditgeschäft (Bank Lending<br />
Survey) hebt sich <strong>Deutschland</strong> ebenfalls positiv vom<br />
Euroraum ab.<br />
Bereits 2010 hatten sich in <strong>Deutschland</strong> die Kreditstandards<br />
für Gewährung von Krediten an Unternehmen<br />
gelockert. <strong>Die</strong>s setzte sich 2011 zunächst fort,<br />
dann blieben sie bis Jahresende unverändert.<br />
Im Euroraum insgesamt kam es dagegen vor allem im<br />
vierten Quartal zu einer deutlichen Verschärfung der<br />
Kreditstandards sowohl an nicht-fi nanzielle Unternehmen<br />
als auch an private Haushalte. Hintergrund war<br />
eine gestiegene Risikowahrnehmung.<br />
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Kapitalanforderungen<br />
aus der Umsetzung von Basel III wie auch<br />
von Seiten der EBA 2012 auswirken. Vor allem für risikoreichere<br />
Kredite ist von höheren Zinsen auszugehen.<br />
Kreditbereitstellung in <strong>Deutschland</strong><br />
Eine vieldiskutierte Frage des letzten Jahres war, ob in<br />
<strong>Deutschland</strong> als Folge der Euroschuldenkrise und<br />
wegen verschärfter regulatorischer Anforderungen eine<br />
Kreditklemme zu befürchten sei. Für den Gesamtmarkt<br />
ergeben sich bisher keine Hinweise darauf. Vielmehr<br />
zeigen Banken- wie Unternehmensbefragungen<br />
(ifo-Kredithürde), dass der Kreditzugang für Unternehmen<br />
insgesamt sehr gut ist.<br />
<strong>Die</strong>s ist hauptsächlich der guten Konjunktur in<br />
<strong>Deutschland</strong> zu verdanken, doch auch Liquiditätsrückfl<br />
üsse aus dem Ausland haben einen Anteil daran.<br />
Seit Ende 2008 sind die Kreditforderungen deutscher<br />
Banken an ausländische Unternehmen und Privatpersonen<br />
um über 20 % geschrumpft. <strong>Die</strong> Banken verlagern<br />
ihr Kreditportfolio zunehmend ins Inland. In<br />
diesem Sinne ist der deutsche Kreditmarkt ein Gewinner<br />
der Eurokrise.<br />
3.2.3 Einlagenmärkte<br />
Konstantes Wachstum der Bankeinlagen<br />
<strong>Die</strong> privaten Haushalte bildeten in 2011 neues Geldvermögen<br />
in Höhe von rund 149 Mrd. EUR. Damit wurde<br />
das Ergebnis des Vorjahres um etwa 4 bis 5 Mrd. EUR<br />
verfehlt. <strong>Die</strong>ser erste Rückgang nach drei zum Teil sehr<br />
kräftigen Zuwächsen in Folge war aber nicht auf eine<br />
sinkende Spartätigkeit zurückzuführen. Vielmehr intensivierten<br />
die Bundesbürger ihre Investitionen in den<br />
Wohnungsbau, wodurch im Vergleich zum Vorjahr ein<br />
größerer Teil des Sparaufkommens absorbiert wurde.<br />
Für die Direktanlage in Wertpapieren wurde 2011 mit<br />
gut 15 Mrd. EUR erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise<br />
wieder ein zweistelliger Milliardenbetrag verwendet.<br />
Dafür zogen die Bundesbürger aber im Gegenzug<br />
fast 15 Mrd. EUR aus Investmentfonds ab. An der ausgeprägten<br />
Zurückhaltung hinsichtlich des Erwerbs<br />
von Wertpapieren und Anteilsrechten, die mit dem<br />
Ausbruch der Finanzmarktkrise 2008 einsetzte, hat<br />
sich damit kaum etwas geändert. <strong>Die</strong> Geldvermögensbildung<br />
der privaten Haushalte konzentrierte sich<br />
somit erneut auf zwei Anlageformen. Rund 73 Mrd.<br />
EUR wurden bei Versicherungen angelegt. In Bankeinlagen<br />
fl ossen etwa 67 Mrd. EUR, also knapp 45 %<br />
der zusätzlichen Anlagemittel.<br />
Der Anteil der Bankeinlagen an den gesamten Geldvermögensbeständen<br />
der privaten Haushalte ist seit 2007<br />
um fast 4 Prozentpunkte auf knapp 41 % gestiegen.<br />
Hierin spiegelt sich vor allem das Bedürfnis nach hoher<br />
Sicherheit und Liquidität der Geldanlage wider, das in<br />
Zeiten gesteigerter Unsicherheit regelmäßig zunimmt.<br />
<strong>Die</strong> gesamten Einlagen inländischer Nicht-Banken bei<br />
deutschen Kreditinstituten erreichten nach den Zahlen der<br />
Bundesbank Ende 2011 ein Volumen von ca. 3.047 Mrd.<br />
EUR. <strong>Die</strong>s entsprach knapp 119 % des Bruttoinlandsprodukts.<br />
Der Zuwachs um rund 110 Mrd. EUR oder 3,8 %<br />
gegenüber dem Vorjahr ist gleich in mehrfacher Hinsicht<br />
als durchschnittlich zu bezeichnen. <strong>Die</strong> prozentuale Veränderung<br />
liegt in der Nähe des langfristigen Mittels und<br />
entspricht zusätzlich fast exakt der Zunahme des nominalen<br />
Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2011.<br />
Bankeinlagen und Versicherungen bevorzugt<br />
Geldvermögensbildung in Mrd. EUR, 2011<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
-20<br />
Bankeinlagen Versicherungen Investmentfonds Wertpapiere<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />
Wachsende Bedeutung im Portfolio der Privatanleger<br />
Anteil der Bankeinlagen am privaten Geldvermögen in %<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
0<br />
’91 ’92 ’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
37
38<br />
<strong>Die</strong> inländischen Unternehmen stockten ihre Bankeinlagen<br />
2011 um 2,9 % auf. Damit war der Zuwachs zwar<br />
kräftiger als im Vorjahr, aber nur halb so hoch wie im<br />
Durchschnitt der vorangegangenen zehn Jahre. Nach<br />
dem recht starken Wachstum der Einlagen von Unternehmen<br />
im letzten Jahrzehnt ist hier off ensichtlich eine<br />
Beruhigung eingetreten. Insgesamt dürfte der Unternehmenssektor<br />
seine Liquiditätsausstattung als komfortabel<br />
ansehen und deshalb auf eine raschere Aufstockung der<br />
Einlagen verzichten. Das niedrige Zinsniveau dürfte<br />
hierzu ebenfalls einen Beitrag leisten. Ausgeprägte Finanzierungsengpässe,<br />
die einen Rückgriff auf die Liquiditätsreserven<br />
erfordert hätten, sollten dagegen 2011 keine tragende<br />
Rolle gespielt haben. <strong>Die</strong> wichtigste Einlageform<br />
für Unternehmen blieben Termingelder mit einem Anteil<br />
von knapp 66 %. <strong>Die</strong> größte Dynamik wiesen in den letzten<br />
drei Jahren jedoch die Sichteinlagen auf.<br />
<strong>Die</strong> öff entlichen Haushalte (Bund, Länder, Kommunen<br />
und Sozialversicherungen) erhöhten ihre Einlagen 2011<br />
um 9,8 %. Etwa die Hälfte des Zuwachses entfi el infolge<br />
der guten Konjunktur und der damit anschwellenden<br />
Überschüsse auf die Sozialversicherung. Mit gut 168 Mrd.<br />
EUR erreichten die öff entlichen Einlagen zudem ein neues<br />
Rekordniveau. Das tiefe Loch, das die Wirtschaftskrise<br />
von 2008 / 2009 auch hier gerissen hatte, konnte damit<br />
inzwischen mehr als ausgeglichen werden.<br />
Etwa gleich stark wie im Vorjahr wuchsen 2011 die Einlagen<br />
von Privatpersonen. Sie nahmen um 3,9 % zu. Den<br />
stärksten absoluten Zuwachs erzielten, wie schon in den<br />
Vorjahren, mit fast 33 Mrd. EUR die Sichteinlagen. Sie<br />
setzten damit ihren langfristigen Aufwärtstrend fort,<br />
profi tierten aber auch weiterhin von den geringen Opportunitätskosten<br />
der Liquiditätshaltung. <strong>Die</strong> höchste<br />
Wachstumsdynamik war aber mit einem Plus von 8,2 %<br />
bei den Termineinlagen festzustellen. Zu einem markanten<br />
Tendenzwechsel kam es dabei im Jahresverlauf bei<br />
kürzerfristigen Termingeldern. Nachdem deren Abwärtstrend,<br />
der Ende 2008 eingesetzt hatte, in den ersten<br />
Monaten des Jahres 2011 noch anhielt, waren ab April<br />
wieder Nettozufl üsse zu verzeichnen. Ausschlaggebend<br />
waren die einsetzenden Leitzinserhöhungen durch die<br />
Einlagenwachstum hat sich verstetigt<br />
Wachstum der Bankeinlagen gegenüber dem Vorjahr in %<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />
Unternehmen bevorzugen Termineinlagen<br />
Einlagen von Unternehmen in Mrd. EUR<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Sichteinlagen ■ Termineinlagen ■ Spareinlagen / -briefe<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />
EZB, die zu einer moderat steigenden Verzinsung von<br />
Termineinlagen führte. <strong>Die</strong>s reichte aus, um deren relative<br />
Attraktivität zu erhöhen und Zufl üsse zu generieren.<br />
<strong>Die</strong> Rücknahme der Leitzinserhöhungen gegen Ende des<br />
Jahres hatte dagegen nur einen geringen Einfl uss auf die<br />
Marktkonditionen für Termingelder, die deshalb weiter<br />
zulegen konnten. Leidtragende dieser Entwicklung<br />
waren die Spareinlagen, die in den Vorjahren via<br />
Umschichtungen noch von dem Abschmelzungsprozess<br />
bei den Termineinlagen profi tiert hatten. Sie kamen<br />
nicht über Stagnation hinaus.<br />
Anhaltendes Wachstum 2012<br />
Der Aufwärtstrend der inländischen Bankeinlagen dürfte<br />
sich 2012 fortsetzen. <strong>Die</strong> Sparneigung der privaten<br />
Haushalte ist ungebrochen. Zudem sollte die Risikobereitschaft<br />
vor allem aufgrund der immer noch schwelenden<br />
EWU-Staatsschuldenkrise auf niedrigem Niveau<br />
verharren. Bei der Geldanlage dürfte deshalb neben Versicherungen<br />
die Aufstockung von Bankguthaben erste<br />
Wahl bleiben. <strong>Die</strong> Verteilung des Zuwachses auf die<br />
Einlagearten sollte aber aufgrund des voraussichtlich<br />
konstant niedrigen Zinsniveaus gleichmäßiger ausfallen<br />
als in den letzten Jahren. Der Zuwachs bei den Termingeldern<br />
könnte gebremst werden, während die Spareinlagen<br />
wieder leicht steigen dürften. Das höchste absolute<br />
Wachstum ist aber erneut bei Sichteinlagen zu erwarten.<br />
Ertragslage und Liquiditätszufl üsse der Unternehmen<br />
sollten sich 2012 aufgrund der deutlich abgeschwächten<br />
Konjunktur weniger stark verbessern als noch im Vorjahr.<br />
Gleichzeitig werden aber auch die Investitionen in<br />
erheblich geringerem Maße zulegen. Bei anhaltend niedrigen<br />
Einlagezinsen spricht dies für einen nur verhaltenen<br />
Zuwachs der Unternehmenseinlagen. <strong>Die</strong> Bankeinlagen<br />
der öff entlichen Haushalte wiederum dürften<br />
2012 allenfalls eine geringfügige Aufstockung erfahren.<br />
<strong>Die</strong> Finanzlage der Gebietskörperschaften sollte sich<br />
zwar per Saldo leicht verbessern. Je nach Ausgangslage<br />
dürften sie aber eher dazu neigen, ihre Defi zite oder aber<br />
ihre Verschuldung zu senken, anstatt ihre Einlagen aufzustocken.<br />
Bei den Sozialversicherungen dürften die laufenden<br />
Überschüsse sinken, sodass von dieser Seite mit<br />
einem geringeren Einlagewachstum zu rechnen ist.<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
Haushalte setzen zunehmend auf Sichteinlagen<br />
Einlagen von Privatpersonen in Mrd. EUR<br />
1.800<br />
1.600<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Sichteinlagen ■ Termineinlagen ■ Spareinlagen / -briefe<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, Postbank<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
39
40<br />
3.2.4 Zahlungsverkehr<br />
Zahlungsverkehr wird „europäisch“<br />
<strong>Die</strong> Harmonisierung im EU-Binnenmarkt schreitet<br />
kontinuierlich voran. <strong>Die</strong> Politik fordert seit Jahren<br />
die Umsetzung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraumes<br />
„SEPA“ (Single Euro Payments Area).<br />
<strong>Deutschland</strong> ist, gemessen an der Anzahl aller bargeldlosen<br />
Transaktionen, weiterhin der bedeutendste<br />
Zahlungsverkehrsmarkt in der Europäischen Union.<br />
Daher ist <strong>Deutschland</strong> als derzeit größter Zahlungsverkehrsmarkt<br />
in der Europäischen Union mit jährlich<br />
mehr als 17 Mrd. Zahlungsverkehrstransaktionen<br />
besonders von den Auswirkungen betroff en.<br />
Bankkunden können seit 2008 zusätzlich zu den heutigen<br />
nationalen Zahlungsverfahren mit Kontonummer<br />
und Bankleitzahl die von der Politik geforderten<br />
einheitlichen EU-weiten SEPA-Zahlverfahren für<br />
Über weisungen und Lastschriften mit Angabe der<br />
Kundenkennung IBAN (International Bank Account<br />
Number) und BIC (Business Identifi er Code) nutzen.<br />
Jedoch ist die Nutzungsquote anhaltend gering.<br />
Vor diesem Hintergrund hat der europäische Gesetzgeber<br />
eine entsprechende EU-Verordnung zur Ablösung<br />
der nationalen Zahlverfahren für Überweisungen<br />
und Lastschriften in Euro erlassen.<br />
Indikator für die SEPA-Lastschrift im Euroraum<br />
in %<br />
0,14<br />
0,12<br />
0,10<br />
0,08<br />
0,06<br />
0,04<br />
0,02<br />
0,00<br />
0,04 0,04 0,04 0,04 0,04<br />
11/09 12/09 01/10 02/10 03/10 04/10 05/10 06/10 07/10 08/10 09/10 10/10 11/10 12/10 01/11 02/11 03/11 04/11 05/11 06/11 07/11 08/11<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
0,05 0,05 0,05 0,05<br />
0,07<br />
0,06<br />
<strong>Die</strong> EU-Verordnung zur Festlegung der technischen<br />
Vorschriften für Überweisungen und Lastschriften in<br />
Euro sieht vor, dass die heute genutzten nationalen<br />
Zahlverfahren für Überweisungen und Lastschriften<br />
zum 1. Februar 2014 gesetzlich abgelöst werden. <strong>Die</strong>ser<br />
Schritt ist ein weiterer Baustein zur Harmonisierung<br />
der Zahlungsdienstleistungen in der EU nach<br />
der Einführung des Euro-Bargeldes vor 10 Jahren.<br />
Im Jahr 2011 konnte auch die Frage der Nutzung bestehender<br />
Einzugsermächtigungen zur Weiternutzung als<br />
Lastschriftmandat im SEPA-Basis-Lastschriftverfahren<br />
geklärt werden. <strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Kreditwirtschaft</strong> hat hierzu<br />
in Abstimmung mit dem Bundesminis terium der Justiz<br />
und Vertretern der Endnutzer in <strong>Deutschland</strong> eine<br />
Umsetzungsmöglichkeit erarbeitet und abgestimmt.<br />
Grundlage bildet hierbei u. a. eine BGH-Rechtsprechung<br />
vom Juli 2010. Alle Banken und Sparkassen in <strong>Deutschland</strong><br />
werden mit Wirkung zum 9. Juli 2012 die mit ihren<br />
Kunden vereinbarten „Sonderbedingungen für den<br />
Lastschriftverkehr“ im Rahmen der Girokontoverträge<br />
anpassen. Auf der Grundlage der aktualisierten Bedingungen<br />
können dann Zahler und Zahlungsempfänger<br />
bereits vor handene, gültig erteilte Einzugsermächtigungen<br />
unter bestim mten Voraussetzungen für den Einzug<br />
von SEPA- Basis-Lastschriften nutzen. Für die „alten“<br />
0,05<br />
0,08<br />
0,08<br />
0,07<br />
0,09<br />
0,08<br />
0,10<br />
0,11<br />
0,13 0,13 0,13<br />
Indikator für die SEPA-Überweisung im Euroraum<br />
in %<br />
24,00<br />
22,00<br />
20,00<br />
18,00<br />
16,00<br />
14,00<br />
12,00<br />
10,00<br />
8,00<br />
6,00<br />
4,00<br />
2,00<br />
0,00<br />
6,20 6,70<br />
7,50 7,50<br />
01/10 02/10 03/10 04/10 05/10 06/10 07/10 08/10 09/10 10/10 11/10 12/10 01/11 02/11 03/11 04/11 05/11 06/11 07/11 08/11<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
8,10<br />
8,80 9,00 9,30 9,40 9,60<br />
Last schriften gelten dann die gleichen Erstattungsfristen<br />
von 8 Wochen ab Belastungsdatum wie beim EU-weiten<br />
SEPA-Basis-Lastschriftverfahren. Eine An gabe von Rückgabegründen<br />
ist binnen dieser Frist nicht erforderlich.<br />
Durch diese Umsetzungsmaßnahme hat die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Kreditwirtschaft</strong> einen großen Beitrag zum reibungslosen<br />
Übergang vom Einzugsermächtigungslastschriftverfahren<br />
auf das SEPA-Basis-Lastschrift ver fahren geleistet.<br />
Millionen Lastschriftmandate müssen mit der<br />
Neufassung der entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
(„Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr“)<br />
der Banken und Sparkassen somit nicht neu<br />
durch die Nutzer unterzeichnet werden, sondern sind<br />
als SEPA-Lastschriftmandate auch weiterhin gültig.<br />
10,40<br />
13,90<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
14,70<br />
15,70<br />
16,90<br />
17,80<br />
19,40<br />
20,50 20,50 20,10<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
41
42<br />
3.2.5 Aktienmärkte<br />
Marktentwicklung<br />
Das Jahr 2011 war insbesondere geprägt von Unsicherheiten<br />
in der Staatsfi nanzierung innerhalb der Eurozone<br />
sowie den damit verbundenen Schwankungen an<br />
den Finanzmärkten. Als Folge dieser Situation verzeichneten<br />
die Aktienmärkte 2011 Verluste und der<br />
Leitindex DAX fi el um 14,7 %.<br />
Angesichts einer erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten<br />
nahm der Orderbuchumsatz in inländischen<br />
Aktien an den deutschen Börsen um ca. 8,4 % auf<br />
1,2 Bio. EUR zu. Davon entfi elen durchschnittlich<br />
98,9 % auf das elektronische Handelssystem Xetra, das<br />
Spezialistenmodell der Frankfurter Wertpapierbörse<br />
(FWB) und Tradegate. <strong>Die</strong> Zahl der Transaktionen<br />
von inländischen Aktien aller deutschen Börsen nahm<br />
im Jahr 2011 um 22,2 % auf insgesamt 281 Mio.<br />
(2010: 230 Mio.) zu.<br />
Multilaterale Handelssysteme wie Chi-X Europe, Turquoise<br />
und BATS Europe verzeichneten einen Anstieg<br />
ihres Marktanteils in deutschen Aktien und erreichten<br />
zum Jahresende 2011 zusammen einen Marktanteil von<br />
ca. 33 %. Der Handelsumsatz fand schwerpunktmäßig<br />
in Aktien von DAX-30-Werten statt.<br />
Im Handel mit Exchange Traded Funds (ETFs) nahm<br />
die <strong>Deutsche</strong> Börse mit einem Marktanteil von 38,2 %<br />
in Q4 2011 wieder eine führende Rolle unter den europäischen<br />
Handelsplätzen ein. Insgesamt waren per Jahresende<br />
2011 899 ETFs im XTF-Segment gelistet, die<br />
über ein Fondsvermögen von insgesamt ca. 156 Mrd.<br />
EUR 2011 verfügen. <strong>Die</strong> Großzahl der Produkte entfällt<br />
dabei mit 642 ETFs auf Aktien-ETFs gefolgt von<br />
177 Renten-, 58 Strategie- und 22 Rohstoff -ETFs. Das<br />
Handelsvolumen der ETFs auf Xetra stieg gegenüber<br />
dem Vorjahr deutlich um 25 % auf 192 Mrd. EUR.<br />
Der Erfolg des XTF-Segments geht u. a. auf das Listing<br />
von 177 neuen ETFs zurück, die Anlegern einen<br />
noch breiteren Anlagefokus bieten, wie z. B. einen Zugang<br />
zu neuen Anlageklassen wie Volatilität oder zu<br />
einzelnen Sektoren in Emerging Markets.<br />
Anstieg der Börsenumsätze<br />
Orderbuchumsatz in inländischen Aktien in Mrd. EUR<br />
(alle deutschen Börsen)<br />
2.800<br />
2.400<br />
2.000<br />
1.600<br />
1.200<br />
Durchschnittlicher monatlicher Orderbuchumsatz<br />
von ETFs im XTF-Segment in Mrd. Euro<br />
20<br />
15<br />
10<br />
800<br />
400<br />
5<br />
0<br />
0<br />
’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />
2007 2008 2009 2010 2011<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />
Marktumfeld für Listings<br />
Im Berichtsjahr 2011 platzierten insgesamt 16 Unternehmen<br />
(2010: 47 1 ) Aktien im Rahmen eines öff entlichen<br />
Angebots (Initial Public Off ering, IPO). Im<br />
Detail: 12 Unternehmen entschieden sich für eine<br />
Platzierung im Prime Standard (2010: 9), 1 Unternehmen<br />
machte ein Duallisting im General Standard<br />
(2010: 11) und 3 Unternehmen platzierten ihre Wertpapiere<br />
im börsenregulierten Segment, dem Entry<br />
Standard (2010: 26 1 ), im Rahmen eines öff entlichen<br />
Angebots. Das gesamte Platzierungsvolumen belief<br />
sich in 2011 auf rund 1,7 Mrd. EUR (2010: 2,7 Mrd.<br />
EUR). Den größten Börsengang unternahm im April<br />
die GSW Immobilien AG mit einem Volumen von<br />
468 Mio. EUR.<br />
Auch nach einem erfolgten Börsengang sind die an<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Börse gelisteten Unternehmen weiterhin<br />
aktiv. 2011 wurden mehr als 21 Mrd. EUR (2010:<br />
19 Mrd. EUR) über Kapitalerhöhungen aufgenommen<br />
– demnach um ein Vielfaches mehr Kapital als<br />
über Börsengänge.<br />
Innovationen und Konzepte für die Zukunft<br />
Ein wichtiges Projekt im Kassamarkt war die Überführung<br />
des Präsenzhandels auf das Xetra-Frankfurt-<br />
Spezialistenmodell im Mai 2011. <strong>Die</strong> Harmonisierung<br />
der Handelsinfrastruktur stärkt die Position der<br />
Frankfurter Wertpapierbörse im zunehmenden europäischen<br />
Wettbewerb: <strong>Die</strong> Zahl der Handelsteilnehmer<br />
verdoppelte sich, da auch alle Xetra-Teilnehmer<br />
Zugriff auf Produkte haben, die früher nur auf dem<br />
Parkett gehandelt wurden. Der Spezialistenhandel<br />
hat sich besonders in der sehr volatilen Phase im August<br />
2011 bewährt: In der Spitze wurde am Börsenplatz<br />
Frankfurt mehr als das dreifache Volumen eines<br />
durchschnittlichen Handelstages umgesetzt.<br />
<strong>Die</strong> Tradegate Exchange ist eine auf die Bedürfnisse von<br />
Privatanlegern ausgerichtete Wertpapierbörse. <strong>Die</strong> Tradegate<br />
Exchange hat im Jahr 2011 insgesamt über 5,6 Mio.<br />
Ausführungen in Aktien, Fonds, ETFs und Anleihen abgewickelt.<br />
<strong>Die</strong>s entspricht einem Zuwachs von 75 % im<br />
Vergleich zum Vorjahr (2010: 3,2 Mio.). Das<br />
diesbezügliche Gesamtvolumen in allen Wertpapieren lag<br />
bei 32,7 Mrd. EUR (+84 %, 2010: 17,8 Mrd. EUR). 2011<br />
hat die Tradegate Exchange acht weitere Handelsteilnehmer<br />
angeschlossen, u. a. die DZ Bank, WGZ Bank, Interactive<br />
Brokers (Timber Hill) und equinet.<br />
Seit Februar 2011 können Unternehmen an der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Börse auch Anleihen im Entry Standard platzieren.<br />
Im Berichtsjahr sind 9 Anleihen in das neu gegründete<br />
Segment Entry Standard für Unter nehmens anleihen<br />
mit einem Platzierungsvolumen von 340 Mio. EUR einbezogen<br />
worden. Insbesondere mittelständischen Unternehmen<br />
öff nen sich damit neue Möglichkeiten der Finanzierung,<br />
um schnell und kosteneffi zient Fremdkapital<br />
aufzunehmen.<br />
1 inkl. Notierungsaufnahmen<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
43
44<br />
3.2.6 Rentenmärkte<br />
Der deutsche Rentenmarkt ist wie schon 2010 auch 2011<br />
kaum gewachsen: Das ausstehende Volumen aller<br />
Schuldverschreibungen inländischer Emittenten nahm<br />
um lediglich 0,7 % (2010: 0,6 %) gegenüber dem Vorjahr<br />
auf 3.371 Mrd. EUR zu. Dabei haben sich die strukturellen<br />
Trends der letzten Jahre verfestigt – insbesondere<br />
der steigende Anteil von Staatsanleihen und die gegenläufi<br />
ge Entwicklung bei Pfandbriefen. <strong>Die</strong> Relation aller<br />
Rententitel zum BIP ging erneut leicht, auf 131 %, zurück.<br />
Der Bruttoabsatz reduzierte sich um 2,7 % auf immer<br />
noch hohe 1.338 Mrd. EUR, wovon fast die Hälfte<br />
(47 %) auf Papiere mit einer Laufzeit von weniger als einem<br />
Jahr entfi el. <strong>Die</strong> Emittenten machen sich damit offensichtlich<br />
die sehr niedrigen Zinsen am kurzen Ende<br />
zunutze. Insgesamt ist die Ausweitung der Emissionsvolumina<br />
in den letzten Jahren mit einer deutlichen Verkürzung<br />
der durchschnittlichen Laufzeit einhergegangen<br />
– 2001 betrug der Anteil der maximal einjährigen<br />
Anleihen noch lediglich 26 %. Der Nettoabsatz verharrte<br />
2011 mit 22,5 Mrd. EUR auf sehr niedrigem Niveau.<br />
Staatsanleihen<br />
Der Anteil der Schuldverschreibungen der öff entlichen<br />
Hand an allen Rentenpapieren in <strong>Deutschland</strong> ist 2011<br />
weiter auf nunmehr fast 48 % gestiegen (2001: 35 %).<br />
Dabei fi el der Nettoabsatz, also die Zunahme des umlaufenden<br />
Volumens, mit 80 Mrd. EUR etwas geringer<br />
aus als 2010 (bereinigt um die Einrichtung zweier Bad<br />
Banks im Vorjahr). Wie in den Vorkrisenjahren auch<br />
legten von den Bundesländern begebene Schuldtitel<br />
2011 wesentlich stärker zu als Bundesanleihen (8,3 %<br />
ggü. 4,5 %) bei gleichzeitig – dank gesunkener Defi zite –<br />
deutlich niedrigeren Wachstumsraten als im Durchschnitt<br />
zwischen 2000 und 2008. Mit 80 % stellt der<br />
Bund jedoch weiterhin den Löwenanteil der staatlich<br />
emittierten Wertpapiere. Insgesamt weisen Schuldverschreibungen<br />
der öff entlichen Hand zwei auff ällige<br />
Konzentrationen zum einen auf kurzlaufende Papiere<br />
(Laufzeiten von unter drei Jahren zum Emissionszeitpunkt<br />
stehen für ein Viertel des Umlaufs), zum anderen<br />
auf solche mit mittleren Laufzeiten (Laufzeiten von 10<br />
bis 15 Jahren: 37 %) auf. Von der Flucht der Anleger in<br />
„Sicherheit“ angesichts der europäischen Schuldenkrise<br />
Umlauf nach Anleihenart 2011<br />
in % des ausstehenden Volumens<br />
47,7 %<br />
Staats anleihen<br />
4,4 % Hypothekenpfandbriefe<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
3.371 Mrd. EUR<br />
4,9 % Anleihen von sonst.<br />
Finanzinstituten<br />
Nettoabsatz 2011 nach Anleihenart<br />
in Mrd. EUR<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
-20<br />
-40<br />
-60<br />
Hypothekenpfandbriefe<br />
Öffentl.<br />
Pfand -<br />
briefe<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
Anl. von<br />
Spezialkreditinstitut.<br />
Sonst.<br />
Bank -<br />
schuldverschr.<br />
Unternehmensanleihen<br />
Laufzeit zum Emissionszeitpunkt 2011<br />
in Jahren und % des ausstehenden Volumens<br />
6,0 % 30–35 Jahre<br />
2,5 % 15–30 Jahre<br />
29,2 % 10–15 Jahre<br />
3,1 % > 35 Jahre<br />
3.371 Mrd. EUR<br />
10,6 % 6–10 Jahre<br />
Quellen: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DB Research<br />
5,6 % Öffentliche<br />
Pfandbriefe<br />
17,1 % Anleihen<br />
von Spezialkreditinstituten<br />
17,8 % Sonstige<br />
Bankschuldverschreibungen<br />
2,5 % Unter nehmensanleihen<br />
Anl. von<br />
sonst.<br />
Finanzinstitut.<br />
Staatsanleihen<br />
6,1 % < 1 Jahr<br />
12,0 % 1–3 Jahre<br />
12,4 % 3–5 Jahre<br />
18,3 % 5–6 Jahre<br />
profi tierten deutsche Staatsanleihen überproportional:<br />
Ihre durchschnittliche Emissionsrendite rutschte im<br />
Dezember 2011 auf nur noch 1,2 % verglichen mit<br />
3,0 % ein halbes Jahr zuvor. Wesentlich schwächer waren<br />
die entsprechenden Rückgänge bei Bankschuldverschreibungen<br />
(von 3,2 % auf 2,7 %) und Unternehmensanleihen<br />
(7,7 %/6,3 %).<br />
Pfandbriefe und Bankanleihen<br />
Unbenommen vom generellen Trend hin zu einem höheren<br />
Anteil besicherter Refi nanzierung der Banken setzte<br />
sich der Rückgang des Pfandbriefvolumens mit einem<br />
Minus von 43 Mrd. EUR auf 338 Mrd. EUR auch 2011<br />
fort – womit Pfandbriefe gerade einmal noch einem Zehntel<br />
des gesamten Rentenmarkts in <strong>Deutschland</strong> entsprechen.<br />
Ursache hierfür waren die öff entlichen (d. h. mit<br />
Kommunalkrediten besicherten) Pfandbriefe, die erneut<br />
um 19 % abrutschten, während mit Hypotheken unterlegte<br />
Papiere stagnierten. Für das Schrumpfen der öff entlichen<br />
Pfandbriefe dürften die immer off ensichtlicheren<br />
Probleme der deutschen Kommunalfi nanzierung – teilweise<br />
überschuldete Schuldner, geringe Margen, knappe<br />
Kapital- und Liquiditätsressourcen der Banken, Restrukturierungs<br />
pro zesse bisheriger Marktführer – verantwortlich<br />
sein. Auch das Volumen der übrigen Bankanleihen<br />
zusammengenommen nahm wieder moderat ab,<br />
wozu die erschwerten Platzierungsbedingungen im zweiten<br />
Halbjahr 2011 beigetragen haben dürften.<br />
Anleihen von Unternehmen und sonstigen<br />
Finanzinstituten<br />
Einen markanten Bruch zur rasanten Expansion der<br />
Vorjahre gab es zuletzt bei den Anleihen der sonstigen<br />
Finanzinstitute (einschließlich für Verbriefungszwecke<br />
benutzter Vehikel) zu verzeichnen: Waren diese 2010<br />
noch um 16 % gestiegen, nahmen sie im Folgejahr um<br />
4 % ab – überhaupt der erste Rückgang in dieser jungen,<br />
erst seit 2006 ausgewiesenen Kategorie, die während<br />
der Finanzkrise enorm gewachsen war.<br />
Klassische Unternehmensanleihen dagegen legten 2011<br />
um knapp 3 % auf 83 Mrd. EUR zu. Auch wenn der<br />
ganz große Schwung, den die Wirtschaftskrise 2009/10<br />
Anleihen der öffentlichen Hand<br />
in Mrd. EUR<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
1991<br />
■ Bund ■ Länder ■ Kommunen<br />
2001 2011<br />
■ Sonstige (Bahn, Post, einigungsbedingte Anleihen)<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DB Research<br />
Umlauf nach Zinssätzen 2011<br />
in % des ausstehenden Volumens<br />
12,5 % Fremdwährungen<br />
21,3 % Variabel<br />
7,5 % Null-Kupon<br />
2,3 % > 6%<br />
3.371 Mrd. EUR<br />
4,5 % 5–6 %<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank, DB Research<br />
Umlaufrenditen<br />
in % p. a.<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
27,1 % < 3,5 %<br />
8,6 % 3,5–4 %<br />
16,3 % 4–5 %<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Hypothekenpfandbriefe ■ Öffentliche Pfandbriefe ■ Sonst. Bankanl.<br />
■ Anleihen von Unternehmen & sonst. Finanzinstit. ■ Staatsanleihen<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
45
46<br />
Unternehmensanleihen verliehen hatte, mittlerweile<br />
abgeklungen ist, bleiben die mittelfristigen Perspektiven<br />
dennoch positiv: <strong>Die</strong> Nachfrage der Investoren<br />
nach bonitätsstarken Schuldtiteln dürfte weiter ansteigen;<br />
zudem setzt eine verschärfte Kapital- und Liquiditätsregulierung<br />
das Kreditangebot der Banken unter<br />
Druck. Zu beachten ist, dass im Ausland von Finanzierungstöchtern<br />
deutscher Firmen begebene Papiere in<br />
diesen Zahlen nicht berücksichtigt werden – die<br />
gesamte Kapitalmarktverschuldung hiesiger Unternehmen<br />
liegt also höher.<br />
Zinsen<br />
<strong>Die</strong> außergewöhnlich niedrigen Zinsen führten weiterhin<br />
zu deutlichen Verschiebungen in der Zusammensetzung<br />
des deutschen Anleihemarkts. Bei fast der<br />
Hälfte aller in Euro denominierten Schuldverschreibungen,<br />
die einen festen Kupon zahlen, liegt dieser bei<br />
unter 3,5 % – vor einem Jahrzehnt stellten solche gering<br />
verzinsten Anleihen gerade einmal 6 %. Darüber hinaus<br />
stieg 2011 auch der Anteil variabel oder in fremder<br />
Währung verzinster Papiere weiter an; beide zusammen<br />
machen bereits über ein Drittel des Gesamtmarkts aus.<br />
Renditen<br />
Mit der Rückkehr der Angst der Investoren vor größeren<br />
Marktverwerfungen im Zuge der Staatsschuldenkrise<br />
verstärkte sich 2011 nochmals die Nachfrage nach<br />
als besonders sicher geltenden deutschen Staatsanleihen.<br />
Deren Renditen sanken im Durchschnitt ab April um<br />
1,4 Prozentpunkte auf nur noch 1,7 % im Dezember,<br />
während die Risikoprämie bei Anleihen von Unternehmen<br />
und sonstigen Finanzinstituten auf fast 3 Prozentpunkte<br />
hochschnellte – ein Niveau, das seit den 1950er<br />
Jahren bislang nur einmal (2008/09) erreicht worden<br />
war. Auch die Renditen von Bankschuldverschreibungen<br />
sanken ab dem Frühjahr, jedoch nicht in dem Ausmaß<br />
wie bei Emissionen der öff entlichen Hand.<br />
Performance<br />
Wie schon im gesamten letzten Jahrzehnt waren Anleihen<br />
auch 2011 als Anlageklasse erfolgreicher als Aktien.<br />
Der Dax fi el um fast 15 %, während Schuldtitel (gemessen<br />
an der Entwicklung des iBoxx <strong>Deutschland</strong>) auf einen<br />
Wert zuwachs von nahezu 10 % kamen. Staatsanleihen<br />
erzielten einen Gesamtertrag von über 8 %.<br />
Elektronische Handelsplattformen<br />
Bei Eurex Bonds, der internationalen Handelsplattform<br />
für Anleihen, stieg der Handelsumsatz im Jahr 2011 um<br />
15 % auf 117,2 Mrd. EUR in Einfachzählung (2010:<br />
101,6 Mrd. EUR). <strong>Die</strong>se positive Entwicklung ist sowohl<br />
auf stark gestiegene Emissionsvolumina, u. a. in <strong>Deutschland</strong>,<br />
als auch auf den erhöhten Bedarf an besicherter<br />
Liquidität im Interbankenhandel zurückzuführen.<br />
Eurex Repo, der Marktplatz für einen besicherten<br />
Geldmarkt in Schweizer Franken und Euro sowie mit<br />
dem Zusatzangebot GC Pooling, konnte das Volumen<br />
sowohl im Euro-Markt als auch im GC-Pooling-Markt<br />
weiter ausbauen. Das durchschnittlich ausstehende<br />
Volumen stieg im Berichtsjahr um 30 % auf 148,5 Mrd.<br />
EUR (2010: 114,5 Mrd. EUR, jeweils Einfachzählung).<br />
Dabei erwies sich der besicherte Geldmarkt GC<br />
Pooling, den Eurex Repo gemeinsam mit Eurex Clearing<br />
und Clearstream betreibt, für die Marktteilnehmer<br />
erneut als zuverlässiger Liquiditätspool. Das<br />
durchschnittlich aus stehende Volumen stieg hier 2011<br />
um 29 % auf 118,2 Mrd. EUR (2010: 91,6 Mrd. EUR,<br />
jeweils Einfachzählung). GC Pooling ermöglicht einen<br />
bilanzschonenden und anonymen Geldmarkthandel,<br />
bei dem sog. standardisierte Collateral Baskets (eine<br />
Gruppe von Wertpapieren mit ähnlichen Qualitätsmerkmalen,<br />
wie der Emittentenbonität) gehandelt und<br />
über einen zentralen Kontrahenten (Eurex Clearing)<br />
verrechnet werden.<br />
3.2.7 Investmentfonds<br />
2011 war ein schwieriges Wertpapierjahr<br />
<strong>Die</strong> deutsche Investmentbranche erlebte vor allem in<br />
der zweiten Hälfte 2011 ein schwieriges Marktumfeld,<br />
als Rezessionsängste und Sorgen rund um die Euro-<br />
Staatsschuldenkrise sich gegenseitig verstärkten. In<br />
dem als unsicher empfundenen Kapitalmarkumfeld<br />
verkauften tendenziell private Anleger Investmentfonds,<br />
wohingegen institutionelle Kunden eher kauften.<br />
In der Summe hat sich das verwaltete Fondsvermögen<br />
2011 seitwärts entwickelt, und zwar sowohl<br />
in <strong>Deutschland</strong> als auch in Europa. Angesichts der<br />
Euro-Staatsschuldenkrise und niedriger Zinsen in<br />
<strong>Deutschland</strong> fl ossen hierzulande insbesondere Gelder<br />
aus Rentenfonds ab.<br />
Nationale Unterschiede innerhalb der Volkswirtschaften<br />
des Euroraums werden auch bei der Verbreitung<br />
von Investmentfonds deutlich. <strong>Die</strong> Vermögensbildung<br />
via Investmentfonds ist in <strong>Deutschland</strong> nach wie vor<br />
unterdurchschnittlich ausgeprägt. Das Fondsvermögen<br />
pro Kopf ist in den USA beispielsweise gut dreieinhalbmal<br />
so hoch wie in <strong>Deutschland</strong>. Fast ebenso<br />
eklatant ist der Unterschied zu unseren französischen<br />
Nachbarn. Mit der wachsenden Erkenntnis über die<br />
Notwendigkeit der privaten Zukunftsvorsorge für<br />
Alter, Gesundheit oder Ausbildung dürften Investmentfonds<br />
aber in <strong>Deutschland</strong> weiter an Bedeutung<br />
gewinnen. Ungeachtet dessen hat sich in <strong>Deutschland</strong><br />
das Fondsvermögen pro Kopf im vergangenen Jahr vor<br />
allem aufgrund von gestiegener Risikoaversion und<br />
Kursverlusten an den Aktienmärkten um rund 8 % gegenüber<br />
dem Vorjahr verringert.<br />
Nach durchaus schwerem Start hat sich die Riester-<br />
Rente in <strong>Deutschland</strong> gut entwickelt. Durch die<br />
Vereinfachung des Förderverfahrens und die Flexibilisierung<br />
der Auszahlbedingungen wurde die Riester-<br />
Rente spürbar attraktiver. <strong>Die</strong>s hat hinsichtlich der<br />
privaten Altersvorsorge der deutschen Investmentbranche<br />
in den letzten Jahren einen Schub gegeben.<br />
Indes hat 2011 der Absatz von Riester-Fondssparplänen<br />
an die schwache Marktdynamik des Vorjahres<br />
angeknüpft. Wohl auch aufgrund der schwierigen<br />
Fondsvermögen seitwärts in 2011<br />
Entwicklung Fondsvermögen in Bio. EUR<br />
9<br />
1,8<br />
8<br />
1,6<br />
7<br />
1,4<br />
6<br />
1,2<br />
5<br />
1,0<br />
4<br />
0,8<br />
3<br />
0,6<br />
2<br />
0,4<br />
1<br />
0,2<br />
0<br />
0<br />
’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />
■ Europa (linke Skala) ■ <strong>Deutschland</strong> (rechte Skala)<br />
Quelle: BVI, EFAMA, DekaBank<br />
<strong>Deutschland</strong> mit Nachholbedarf<br />
Fondsvermögen pro Kopf der Bevölkerung in Tsd. EUR,<br />
Dezember 2011<br />
Italien<br />
Spanien<br />
<strong>Deutschland</strong> 1<br />
Großbritannien<br />
Frankreich<br />
USA<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
0 5 10 15 20 25 30<br />
1 inkl. ausländischer Fonds deutscher Provinienz. Quelle: EFAMA, DekaBank<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
47
48<br />
Kapitalmarktentwicklungen haben Sparpläne im vergangenen<br />
Jahr generell einen schweren Stand gehabt.<br />
Bei 15,4 Mio. Riester-Verträgen und einer Steigerung<br />
um 6,7 % kann man sicherlich noch nicht von Marktsättigung<br />
sprechen. Immerhin konnten Riester-Fondssparpläne<br />
ihren Marktanteil mit 19,2 % annähernd halten.<br />
<strong>Die</strong>s ist mehr als dreimal so hoch wie Ende 2003<br />
mit damals 6,2 %. Dominiert wird der Markt für Riester-Renten<br />
nach wie vor von Versicherungsprodukten.<br />
Riester-Fondsverträge mit mäßigem<br />
Absatz in 2011<br />
Neuzugang an Riester-Fondsverträgen<br />
800.000<br />
700.000<br />
600.000<br />
500.000<br />
400.000<br />
300.000<br />
200.000<br />
100.000<br />
0<br />
74.723<br />
258.084<br />
(+245 %)<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Quelle: BVI, DekaBank<br />
690.606<br />
657.188<br />
(+155 %)<br />
(+5 %)<br />
464.054<br />
(-33 %)<br />
242.690<br />
(-48 %) 185.837<br />
(-23 %) 138.828<br />
(-25 %)<br />
3.2.8 Verbriefungsmärkte<br />
Stabilisierung setzt sich fort<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung des europäischen und deutschen Verbriefungsmarktes<br />
im Jahr 2011 lässt sich unter dem Begriff<br />
„vorsichtig optimistisch“ zusammenfassen. Das<br />
Emissionsvolumen belief sich in Europa auf insgesamt<br />
367 Mrd. EUR (rd. 3,5 % über Vorjahresniveau), während<br />
in <strong>Deutschland</strong> ca. 13,4 Mrd. EUR (rd. 0,8 % unter<br />
Vorjahresniveau) neu aufgelegt wurden. <strong>Die</strong> dominierenden<br />
Assetklassen im europäischen Primärmarkt waren<br />
erneut britische und niederländische Hy po thek enverbriefungen.<br />
Der deutsche Neu emis sions markt war<br />
auch 2011 wieder fast ausschließlich von verbrieften Autofi<br />
nanzierungen geprägt. Zu den weiteren in <strong>Deutschland</strong><br />
platzierten Verbriefungen gehörten wie im Vorjahr vereinzelte<br />
KMU-Transaktionen sowie Handels- und Leasingforderungen<br />
im Rahmen von ABCP-Programmen.<br />
Das Gros europäischer Emissionen wurde auch in<br />
2011 zu Repozwecken strukturiert. Lediglich rund<br />
23 % des Transaktionsvolumens konnten öff entlich<br />
platziert werden. Dagegen lag die Platzierungsquote<br />
deutscher Transaktionen mit rund 65 % deutlich<br />
höher, was sich insbesondere auf die gute Qualität<br />
deutscher Portfolien zurückführen lässt.<br />
Aufgrund der sich im Jahresverlauf zuspitzenden<br />
Staatsschuldenkrise stieg die Nachfrage nach besicherten<br />
Anleihen an den Kapitalmärkten zum Teil deutlich.<br />
In erster Linie konnten Pfandbriefe von dieser Entwicklung<br />
profi tieren, aber auch im Verbriefungssegment<br />
gingen die Risikoprämien für qualitativ hochwertige<br />
Assetklassen zurück. <strong>Die</strong> Zinsaufschläge für deutsche<br />
Verbriefungen sanken im Vergleich zu 2010 trotz des<br />
angespannten makroökonomischen Umfelds.<br />
Gestützt wurde die positive Entwicklung der Risikoprämien<br />
durch die weiterhin überwiegend soliden<br />
Fundamentaldaten. So bewegen sich die Ausfallraten<br />
deutscher wie europäischer ABS nach wie vor auf einem<br />
insgesamt sehr niedrigen Niveau.<br />
<strong>Die</strong> Anfang 2012 in Kraft getretenen regulatorischen<br />
Anforderungen an Investoren wie Originatoren bzgl.<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
Europäischer Verbriefungsmarkt<br />
Verbriefungsvolumen in Europa in Mrd. EUR, 2000–2011<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Öffentlich platzierte Verbriefungen ■ Einbehaltene Verbriefungen<br />
Quelle: UniCredit, KfW Bankengruppe<br />
<strong>Deutsche</strong>r Verbriefungsmarkt<br />
Verbriefungsvolumen in Europa in Mrd. EUR, 2000–2011<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Öffentlich platzierte Verbriefungen ■ Einbehaltene Verbriefungen<br />
Quelle: UniCredit, KfW Bankengruppe<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
49
50<br />
Transparenz, Sorgfalt und Verantwortungsübernahme<br />
sind als Maßnahme zur weiteren Erhöhung der Qualität<br />
des Verbriefungsproduktes ebenso positiv zu beurteilen,<br />
wie die mit 10 Transaktionen mit einem<br />
Gesamtvolumen von rund 12 Mrd. EUR erfolgreiche<br />
Einführung des 2010 entwickelten Gütesiegels „<strong>Deutsche</strong>r<br />
Verbriefungsstandard“ der TSI.<br />
Trotzdem konnte auch in 2011 von der Rückkehr einer<br />
breiten Investorenbasis noch keine Rede sein. Neben<br />
dem klassischen ABS-Markt ist auch die Funktionsfähigkeit<br />
des deutschen ABCP-Markts, in dem hauptsächlich<br />
Handels- und Leasingforderungen gebündelt<br />
an den Geldmarkt transferiert werden und der insbesondere<br />
für den deutschen Mittelstand eine wichtige<br />
Finanzierungsalternative zum Bankkredit darstellt,<br />
noch nicht wiederhergestellt.<br />
Neben der Unsicherheit um die zukünftige bilanzielle<br />
Behandlung (IFRS) führte insbesondere die Befürchtung,<br />
dass Verbriefungsprodukte in den 2012 zu verabschiedenden<br />
Regulierungsvorhaben für Banken<br />
und Versicherungen (CRD IV und Solvency II) ggü.<br />
anderen besicherten Finanzierungsinstrumenten benachteiligt<br />
werden könnten, bei den Marktteilnehmern<br />
zur Zurückhaltung.<br />
Auffächerung der Assetklassen<br />
Europäischer Verbriefungsmarkt<br />
nach Assetklassen in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ RMBS: Residential Mortgage Backed Securities ■ CMBS: Commercial<br />
Mortgage Backed Securities ■ CDO/CLO: Collateralized Debt Obligation /<br />
Collateralized Loan Obligation ■ ABS i. e. S.: Asset Backed Securities<br />
Quelle: MorganMarkets, KfW Bankengruppe<br />
Auffächerung der Assetklassen<br />
<strong>Deutsche</strong>r Verbriefungsmarkt<br />
nach Assetklassen in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ RMBS: Residential Mortgage Backed Securities ■ CMBS: Commercial<br />
Mortgage Backed Securities ■ CDO/CLO: Collateralized Debt Obligation /<br />
Collateralized Loan Obligation ■ ABS i.e. Sinne: Asset Backed Securities<br />
Quelle: MorganMarkets, KfW Bankengruppe<br />
3.2.9 Derivatemärkte<br />
3.2.9.1 Aktien- und Zinsderivate<br />
Marktentwicklung<br />
Das Jahr 2011 war insbesondere geprägt von Unsicherheiten<br />
in der Staatsfi nanzierung innerhalb der Eurozone sowie<br />
den damit verbundenen Schwankungen an den<br />
Finanzmärkten. Bei vielen Marktteilnehmern führte dies<br />
zu einem gestiegenen Absicherungsbedarf, welcher sich in<br />
einer verstärkten Nutzung von börsengehandelten und<br />
zentral verrechneten Derivaten widerspiegelte. <strong>Die</strong> Gruppe<br />
<strong>Deutsche</strong> Börse konnte diesen Bedarf auch im Jahr<br />
2011 mit ihrem Produkt- und Serviceportfolio über die<br />
überwachten, transparenten und neutralen Terminbörsen<br />
Eurex <strong>Deutschland</strong> (im Folgenden: Eurex) und International<br />
Securities Exchange (im Folgenden: ISE) erfolgreich<br />
adressieren. Vor diesem Hintergrund wurden 2011 an den<br />
Terminmärkten der Gruppe <strong>Deutsche</strong> Börse in Summe<br />
2.821,5 Mio. Kontrakte gehandelt, welches eine Zunahme<br />
von 7 % gegenüber dem Vorjahr (2010: 2.642,1 Mio.) darstellt.<br />
Dabei entfi el auf die Eurex ein Handelsvolumen in<br />
europäischen Produkten von 2.043,4 Mio. Kontrakten,<br />
ein Plus von 8 % gegenüber dem Vorjahr (2010:<br />
1.896,9 Mio.). Das Handelsvolumen der an der ISE gehandelten<br />
US-Optionen verzeichnete ein Wachstum um<br />
4 % auf 778,1 Mio. Kontrakte (2010: 745,2 Mio.).<br />
<strong>Die</strong> Produktgruppe mit den höchsten Handelsumsätzen<br />
blieben die europäischen Aktienindexderivate. Sie verbuchten<br />
einen deutlichen Anstieg um 19 % auf<br />
959,8 Mio. Kontrakte (2010: 808,9 Mio.). Mit Abstand<br />
am meisten handelten die Marktteilnehmer Kontrakte<br />
auf den EURO STOXX 50 (408,9 Mio. Futures und<br />
369,2 Mio. Optionen).<br />
In der Produktgruppe der europäischen Aktienderivate<br />
sanken die Kontraktvolumina um 12 % auf 450,5 Mio.<br />
Kontrakte (2010: 511,8 Mio.). Der Rückgang in Aktienoptionen<br />
und Aktienfutures ist im Wesentlichen auf die Vereinheitlichung<br />
der Kontraktgrößen von einigen sehr liquiden<br />
Produkten im ersten Halbjahr 2011 zurückzuführen.<br />
Als Folge dieser Maßnahme benötigen Eurex-Teilnehmer<br />
weniger Kontrakte, um die gleiche Anzahl zugrunde liegender<br />
Aktien abzusichern. Auf Basis der den Kontrakten<br />
Eurex-Umsatzentwicklung<br />
nach Produktsegmenten<br />
Zunahme des Handelsvolumens, Anzahl Kontrakte in Mio.<br />
2.200<br />
2.000<br />
1.800<br />
1.600<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />
■ Interest Rate ■ Single Equity ■ Index<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />
Eurex-Umsatzentwicklung<br />
nach Herkunft der Teilnehmer<br />
Weltbörse Eurex, Anzahl Kontrakte in Mio.<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
927<br />
1.117<br />
400<br />
200<br />
0<br />
GroßbritannienDeutsch-<br />
141 141<br />
126<br />
2<br />
Frank- USA Nieder- Schweiz Sonstige<br />
landreichlande 167<br />
42<br />
273<br />
200 201 203<br />
146<br />
15 13<br />
113 80<br />
11<br />
98 87<br />
17<br />
■ 1998 ■ 2007 ■ 2011<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong> Börse AG<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
51
52<br />
zugrunde liegenden Anzahl an Aktien sind die Handelsvolumina<br />
im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht gestiegen.<br />
Der erhöhte Absicherungsbedarf der Marktteilnehmer<br />
führte auch zu einer verstärkten Nachfrage nach<br />
Zinsprodukten. 2011 erzielte Eurex einen Zuwachs von<br />
10 % auf 630,4 Mio. Kontrakte (2010: 574,8 Mio.).<br />
<strong>Die</strong> Zahl der an das Eurex-Netzwerk direkt angeschlossenen<br />
Marktteilnehmer stieg im Berichtsjahr 2011 auf 436<br />
(2010: 412). Im asiatisch-pazifi schen Raum, wo das Eurex-<br />
Geschäft stetig an Bedeutung gewinnt, baute Eurex das<br />
Distributionsnetzwerk aus. So konnte ein führender chinesischer<br />
Futures-Broker als neuer Teilnehmer in Hongkong<br />
zum Handel zugelassen werden. Zum Jahresende 2011<br />
handelten 16 Mitglieder aus dem asiatisch-pazifi schen<br />
Raum an Eurex. Das auf asiatische Handelsteilnehmer<br />
entfallende Volumen stieg im Berichtsjahr um 14 % auf<br />
24,3 Mio. Kontrakte (2010: 21,3 Mio. Kontrakte).<br />
Weiterhin hat Eurex mit der Inbetriebnahme eines neuen<br />
Access Points in Hongkong die Infrastruktur für asiatische<br />
Eurex-Teilnehmer weiter verbessert. Es ist der zweite<br />
Access Point der Eurex in Asien nach dem bereits bestehenden<br />
in Singapur. Access Points bieten den Teilnehmern<br />
der Eurex einen direkten und kostengünstigen<br />
Hochgeschwindigkeitszugang zum hochliquiden Eurex-<br />
Terminmarkt.<br />
Innovationen und Konzepte für die Zukunft<br />
Neue Produkte geben Marktteilnehmern Impulse für Investitions-,<br />
Absicherungs- und Arbitragestrategien und<br />
können dadurch zusätzliches Handelsvolumen generieren.<br />
Im Jahr 2011 führte Eurex u. a. verschiedene Aktienindex-,<br />
Zins-, ETF-, Dividenden-, Volatilitäts- und Rohstoff derivate<br />
ein. Unter den neuen Anlageklassen entwickelten sich<br />
die Dividendenderivate positiv. Mit 6,0 Mio. Kontrakten<br />
im Jahr 2011 stieg die Zahl der gehandelten Kontrakte im<br />
Vergleich zum Vorjahr um 32 % (2010: 4,5 Mio. Kontrakte).<br />
Noch stärker wuchsen die Volatilitätsindexderivate<br />
mit einem Plus von 146 % auf 2,4 Mio. Kontrakte im Jahr<br />
2011 (2010: 1,0 Mio. Kontrakte). Auch hier zeigt sich der<br />
wachsende Bedarf der Marktteilnehmer, sich gegen steigende<br />
Volatilität an den Märkten abzusichern.<br />
Bei der Einführung neuer Produkte setzt Eurex neben der<br />
Eigenentwicklung auch auf Kooperationen mit Partnerbörsen<br />
wie der Korea Exchange (KRX), der Bombay<br />
Stock Exchange (BSE) und der Singapore Exchange<br />
(SGX). Besonders erfolgreich verlief die Zusammenarbeit<br />
mit der koreanischen Börse KRX bei einem Produkt auf<br />
den koreanischen Leitindex KOSPI, das seit dem 30. August<br />
2010 auf Eurex gehandelt werden kann. Das Produkt<br />
entwickelte sich 2011 mit tagesdurchschnittlich 68.000<br />
gehandelten Kontrakten zum drittstärksten Indexoptionskontrakt<br />
an der Eurex.<br />
Mit innovativen <strong>Die</strong>nstleistungen trägt Eurex über ihr<br />
Clearinghaus wesentlich zum eff ektiven Risikomanagement<br />
ihrer Kunden bei. So wurde im November 2011<br />
das Angebot zur Risikoüberwachung in Echtzeit um<br />
„Advanced Risk Protection“ erweitert: Clearingteilnehmer<br />
können mit dieser Funktion individuelle Risikolimits<br />
defi nieren, die automatisch überprüft werden. Auf Basis<br />
dieser Lösung haben Eurex-Teilnehmer jederzeit Transparenz<br />
und eine präzise Kontrolle über alle off enen Positionen<br />
und die mit diesen verbundenen Handelsrisiken.<br />
Im August 2011 hat die Eurex Clearing AG die Einführung<br />
des „Individual Clearing Model“ bekannt gegeben.<br />
<strong>Die</strong>ses Angebot ist der erste Teil des neuen branchenführenden<br />
Service von Eurex Clearing zur Segregierung<br />
der Sicherheiten der Nutzer des Clearinghauses. Segregierung<br />
bedeutet, dass die Sicherheiten den Nutzern individuell<br />
zugeordnet werden. Dadurch sind diese Sicherheiten<br />
beim Ausfall eines Clearingmitglieds besser geschützt und<br />
sofort übertragbar, sodass die Kunden ihre Handelsaktivitäten<br />
unterbrechungsfrei fortsetzen können.<br />
Darüber hinaus hat die Eurex Clearing AG im November<br />
2011 mit der schrittweisen Einführung eines zentralen<br />
Kontrahenten für den Wertpapierleihemarkt<br />
begonnen. Den Kunden ermöglicht dieses Angebot einen<br />
effi zienteren Kapitaleinsatz und eine Vereinfachung<br />
der operativen Prozesse. Der neue Service wird die<br />
europä ischen Märkte für die Leihe von Aktien,<br />
börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Funds,<br />
ETFs) und festverzinslichen Wertpapieren umfassen.<br />
3.2.9.2 Kreditderivate<br />
Konsolidierung bei unruhigen Märkten<br />
Seit Beginn der Finanzkrise ist das ausstehende Volumen<br />
an Kreditderivaten stark zurückgegangen.<br />
<strong>Die</strong> besondere Wachstumsdynamik, die diesen globalen<br />
Markt lange prägte, gehört bis auf Weiteres der<br />
Vergan genheit an.<br />
Im ersten Halbjahr 2011 blieb das ausstehende Nominalvolumen<br />
an Kreditderivaten praktisch unverändert.<br />
Von den globalen OTC-Segmenten wuchsen allein<br />
Aktienderivate und Zinsderivate zweistellig. Kreditderivate<br />
machen nach wie vor 5 % des globalen OTC-<br />
Derivatemarkts aus. Doppelt so bedeutend sind<br />
Währungs derivate, der mit Abstand größte OTC-Derivatemarkt<br />
bleibt der für Zinsderivate mit einem<br />
Anteil von über 80 %.<br />
<strong>Die</strong> verhaltene Entwicklung des ausstehenden Volumens<br />
ist auch auf anhaltende Anstrengungen der<br />
Marktteilnehmer zurückzuführen, das multilaterale<br />
Netting zu verbessern. Dabei werden sich gegenseitig<br />
aufhebende Positionen miteinander verrechnet. Begünstigt<br />
wird das insbesondere durch zunehmende<br />
Standardisierung und die Einschaltung von zentralen<br />
Clearingstellen.<br />
Deren Anteil bei den Gegenparteien der berichtenden<br />
Banken steigt auch aufgrund regulatorischer Vorgaben<br />
kontinuierlich und liegt mittlerweile bei einem Sechstel.<br />
In der zweiten Jahreshälfte 2011 kam es aufgrund<br />
der Staatsschuldenkrise zu starken Ausweitungen der<br />
Risikoprämien – nicht nur für Länder-Exposures, sondern<br />
auch für europäische Finanztitel.<br />
<strong>Die</strong>s färbte auch auf Unternehmensrisiken ab. Der<br />
iTraxx Europe – ein Spreadindex für die 125 liquidesten<br />
CDS aus dem europäischen Investment-Grade-<br />
Bereich – stieg auf über 200 Basispunkte und erreichte<br />
damit ein vergleichbares Niveau wie 2009. Der<br />
Index konnte sich bis März 2012 wieder auf etwa<br />
120 Basispunkte beruhigen. Der Crossover Index für<br />
Kreditderivate im Vergleich<br />
Nennwerte der globalen Derivatemärkte<br />
in Mrd. EUR, Mitte 2011<br />
383.228<br />
50.159<br />
Zins -<br />
derivate<br />
44.765<br />
5.504<br />
Währungsderivate<br />
Kreditderivate<br />
Aktienderivate<br />
Rohstoffderivate<br />
■ 60 Berichtsbanken weltweit ■ darunter von 6 deutschen Banken gemeldet<br />
Quelle: BIZ, <strong>Deutsche</strong> Bundesbank<br />
22.424<br />
2.536<br />
Kreditderivatemarkt ohne Wachstum<br />
Wachstum der globalen Derivatemärkte in %,<br />
Mitte 2011 zu Ende 2010<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Quelle: BIZ<br />
0,2<br />
Kreditderivate<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
1,1<br />
Rohstoffderivate<br />
3,5<br />
Devisenderivate<br />
4.733<br />
718 2.212 209<br />
10,1<br />
Zins -<br />
derivate<br />
12,2<br />
Aktienderivate<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
53
54<br />
50 Unter nehmen schlechterer Bonität hat sich eben -<br />
falls nach deutlicher Ausweitung auf knapp 900 Basispunkte<br />
wieder eingeengt und liegt nun bei knapp<br />
600 Basispunkten.<br />
Ein Th ema, das die Märkte auch lange bewegt hat,<br />
war, ob die Umschuldung Griechenlands die CDS auf<br />
Anleihen Griechenlands auslösen würde, und welche<br />
Folgen das hätte.<br />
<strong>Die</strong> Entscheidung der ISDA im März 2012, den griechischen<br />
Schuldenschnitt als Kreditereignis zu werten,<br />
hat mittlerweile die CDS-Kontrakte ausgelöst. Der<br />
Umfang der daraus resultierenden Zahlungen war jedoch<br />
deutlich geringer als befürchtet.<br />
Sie konnten ihre Versicherungsfunktion erfüllen und<br />
sogar auf eine relativ reibungslose Weise. Das zeigt,<br />
dass CDS grundsätzlich ein wichtiges Instrument zur<br />
Risikoabsicherung darstellen.<br />
Marktteilnehmer und Aufsicht arbeiteten weiter an der<br />
Verbesserung der Marktinfrastrukturen, z. B. der Effi -<br />
zienz der Handels- und Abwicklungssysteme. Auch für<br />
nichtstandardisierte Kontrakte wird künftig über Datensammelstellen<br />
Transparenz geschaff en.<br />
Risikoprämien volatil<br />
Entwicklung europäischer Benchmark-Indizes<br />
in Basispunkten, letzter Stand 03/2012<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
06/04 03/05 12/05 08/06 05/07 02/08 11/08 07/09 04/10 01/11 10/11<br />
■ iTraxx Crossover ■ iTraxx Europe<br />
Quelle: Bloomberg, Dow Jones<br />
3.2.9.3 Zertifi kate<br />
Wachstumskurs legt Pause ein<br />
Dem negativen Marktumfeld im 2. Halbjahr 2011 mit<br />
Konjunkturabkühlung, Staatsschuldenkrise, fallenden<br />
Aktienkursen und historisch niedrigem Zinsniveau<br />
konnte sich der Zertifi katemarkt nicht gänzlich entziehen.<br />
Auf Jahressicht konnte der im Vorjahr eingeschlagene<br />
und im 1. Halbjahr 2011 noch anhaltende Wachstumstrend<br />
vorerst nicht fortgesetzt werden. Das<br />
Gesamtvolumen des deutschen Zertifi katemarkts<br />
fi el leicht auf 98,7 Mrd. EUR von 106,4 Mrd. EUR im<br />
Vorjahr. Insgesamt waren zum Jahresende rund<br />
820.000 Produkte emittiert, wovon etwa 45 % auf<br />
Anlageprodukte und 55 % auf Hebelprodukte entfi elen.<br />
Mit einem Anteil von 98,9 % machten Anlageprodukte<br />
jedoch den überwiegenden Anteil des ausstehenden<br />
Volumens aus; 1,1 % des Marktvolumens<br />
waren 2011 in Hebelprodukte investiert.<br />
<strong>Die</strong> anhaltende Konsolidierung unter den Emittenten<br />
führte zu einer verstärkten Marktkonzentration, sodass<br />
die 5 größten Emittenten 2011 einen Marktanteil<br />
von insgesamt ca. 75 % aufwiesen. 2011 sorgten zunehmende<br />
Regulierung und verbesserte Vergleichsmöglichkeiten<br />
für eine höhere Markttransparenz.<br />
Werterhalt und Sicherheit der Geldanlage standen 2011<br />
weiterhin im Fokus der Anleger. So wurden im vergangenen<br />
Jahr Anlageprodukte mit vollständigem Kapitalschutz<br />
(strukturierte Anleihen und Kapitalschutz-<br />
Zertifi kate) wieder stark nachgefragt. Deutlich mehr<br />
als zwei Drittel des gesamten Anlagevolumens entfi elen<br />
auf diese Kategorien (siehe Grafi k: Anlageprodukte<br />
nach Kategorien). Der Anteil der Produkte ohne vollständigen<br />
Kapitalschutz (Aktienanleihen, Express-,<br />
Discount-, Bonus- und Indexzertifi kate) verringerte<br />
sich im Jahresvergleich über alle Kategorien hinweg. Sie<br />
machen etwa ein Viertel des Anlagevolumens aus.<br />
Wie schon in den vergangenen Jahren boten die Emittenten<br />
wieder ein breites Spektrum an Basiswerten<br />
an. Dabei konzertiert sich das Angebot hauptsächlich<br />
Ausstehendes Volumen Gesamtmarkt<br />
in Mrd. EUR<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4<br />
2007 2008 2009 2010 2011<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />
Marktanteile<br />
Marktanteile nach Volumen derivativer Wertpapiere,<br />
Stichtag 31.12.2011<br />
25,4 % Sonstige<br />
10,0 %<br />
HypoVereinsbank<br />
14,7 % WestLB<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />
17,4 %<br />
<strong>Deutsche</strong> Bank<br />
16,6 %<br />
DZ Bank<br />
15,9 % Commerzbank<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
55
56<br />
auf Produkte mit Basiswert Aktien und Renten. Anlagezertifi<br />
kate mit anderen Basiswerten (Rohstoff e,<br />
Fonds und Währungen) machten 2011 nicht mehr als<br />
3 % des ausstehenden Volumens aus (siehe Grafi k: Anlageprodukte<br />
nach Basiswerten). Auch in 2011 konnten<br />
Anlageprodukte mit Renten als Basiswert ihr Volumen<br />
weiter ausbauen. Das Marktvolumen erhöhte sich<br />
von 45 % auf mehr als 54 %. Gleichzeitig verringerte<br />
sich der Anteil von Anlageprodukten auf Aktien / Indizes<br />
deutlich um gut 8 % auf knapp 43 %. Bei Anlagezertifi<br />
katen mit Fonds als Basiswert stieg das ausstehende<br />
Volumen leicht um 0,3 %. Hingegen nahm das<br />
Open Interest der Anlagezertifi kate mit Rohstoff en<br />
als Basiswert um 1,2 % ab. Rohstoff produkte kamen<br />
auf einen Anteil von 1,5 %. Der Anteil der Anlageprodukte<br />
auf Währungen als Basiswert blieb im Jahresvergleich<br />
verschwindend gering.<br />
Seitens der Produktanbieter und auf regulatorischer<br />
Ebene wurde weiterhin an Maßnahmen zur Verbesserung<br />
der Produkttransparenz gearbeitet. Im April<br />
2011 ist das „Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes<br />
und Verbesserung der Funktionsfähigkeit<br />
des Kapital mark tes“ (AnSFuG) in Kraft getreten.<br />
Danach besteht ab dem 1. Juli 2011 die gesetzliche<br />
Pfl icht, dass im Falle einer Anlageberatung von Privatkunden<br />
rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts<br />
über Finanz instrumente ein kurzes und leicht<br />
verständliches Produktinformationsblatt über jedes<br />
Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen ist, auf<br />
das sich eine Kaufempfehlung bezieht. Viele der im<br />
<strong>Deutsche</strong>n Derivate Verband (DDV) vertretenen<br />
Banken hatten Pro duktinfor mationsblätter auf freiwilliger<br />
Basis und im Vorgriff auf die regulatorischen<br />
Vorgaben bereits seit 2010 im Einsatz.<br />
Anlageprodukte nach Kategorien<br />
Anteil am ausstehenden Volumen in %, 2011<br />
4,2 % Aktienanleihen<br />
5,5 % Index-Zer tifi kate<br />
3,1 %<br />
Bonus-Zertifi kate<br />
6,0 %<br />
Discount-Zertifi kate<br />
6,7 %<br />
Express-Zertifi kate<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />
4,8 % Weitere Anlageprodukte<br />
20,1 % Kapitalschutz-Zertifi kate<br />
Anlageprodukte nach Basiswerten<br />
Anteil am ausstehenden Volumen in 2011<br />
1,4 % Fonds<br />
54,3 % Renten<br />
Quelle: <strong>Deutsche</strong>r Derivate Verband<br />
1,5 % Rohstoffe<br />
49,6 % Strukturierte<br />
Anleihen<br />
42,8 %<br />
Aktien / Indizes<br />
3.2.10 Private Equity<br />
Eurokrise dämpft Entwicklung<br />
Der deutsche Beteiligungsmarkt erlebte in der zweiten<br />
Jahreshälfte 2011 einen deutlichen Abschwung.<br />
<strong>Die</strong>s spiegelt sich auch im Geschäftsklimaindex des<br />
German Private Equity Barometers wider. Er verbesserte<br />
sich zwar zu Beginn des Jahres bis auf das<br />
Niveau vor der Lehman-Krise 2008. Vor dem Hintergrund<br />
einer sich abschwächenden Konjunktur und<br />
den Verwerfungen an den internationalen Anleihen-<br />
und Aktienmärkten im Zuge der Eurokrise kam es<br />
allerdings im Herbst 2011 zu einem starken Rückgang.<br />
<strong>Die</strong> Stimmung unter den Spätphasenfinanzierern<br />
litt dabei deutlich stärker als die der Frühphasenfinan<br />
zierer. Grund hierfür ist die typische<br />
F i n a n z i e r u n g s s t r u k t u r i m L a t e r- S t a g e - B e r e i c h , v o r<br />
allem bei Buy-Outs, die in der Regel auf Fremdkapital<br />
angewiesen sind: Im Umfeld der Eurostaatsschuldenkrise<br />
hat sich dieser Zugang für die Beteiligungsunternehmen<br />
verschlechtert.<br />
<strong>Die</strong> Aussicht auf 2012 bleibt bei den Risikofi nanzierern<br />
angespannt: Im gesamten Beteiligungsmarkt<br />
besteht ein negativer Überhang des Erwartungs -<br />
indikators gegenüber dem Lageindikator. <strong>Die</strong>s deutet<br />
darauf hin, dass die Beteiligungsfi nanzierer in<br />
nächs ter Zeit eher mit einer weiteren Verschlechterung<br />
(als Verbesserung) der Lage im Markt rechnen.<br />
Das verwaltete Kapital der deutschen Private-Equity-<br />
Gesellschaften belief sich zum Jahresende 2011 auf<br />
gut 37 Mrd. EUR (-4,5 %). Der leichte Rückgang<br />
geht auf die geringere Zahl berücksichtigter Gesellschaften<br />
sowie auf Verkäufe internationaler Beteiligungsgesellschaften<br />
zurück. Das Fundraising hingegen<br />
stieg deutlich von 1,2 Mrd. EUR auf 2,8 Mrd.<br />
EUR, womit das Niveau früherer Jahre wieder erreicht<br />
wurde. Ein Teil dieses Anstiegs verdankt sich<br />
allerdings öffentlichen Fonds: Der öffentliche Sektor<br />
avancierte dadurch mit knapp 25 % zum wichtigsten<br />
Kapitalgeber. Institutionelle Investoren agierten dagegen<br />
weiterhin sehr zurück haltend, und auch die<br />
Zahl privater Beteiligungsfonds verharrte auf einem<br />
niedrigen Niveau.<br />
Stimmungseinbruch<br />
Entwicklung des Geschäftsklimas im deutschen<br />
Private-Equity-Markt, Indikatorwert Min: -100; Max: 100<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
-10<br />
-20<br />
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Geschäftsklima; Komponenten: ■ Geschäftslage ■ Geschäftserwartung<br />
Quelle: KfW Bankengruppe<br />
Erholung<br />
Fundraising deutscher Private-Equity-Gesellschaften<br />
in Mrd. EUR<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Mehr Investitionen – dank ausländischen Kapitals<br />
Investitionen in <strong>Deutschland</strong> in Mrd. EUR<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
’99’ ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11<br />
Quelle: BVK 2012<br />
2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ deutsche Gesellschaften ■ ausländische Gesellschaften<br />
Quelle: BVK 2012<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
57
58<br />
Im Gesamtjahr 2011 konnten die Private-Equity-Investitionen<br />
in <strong>Deutschland</strong> noch einmal deutlich zulegen<br />
und stiegen um 22 % auf 5,9 Mrd. EUR. Dahinter<br />
standen allerdings vor allem größere Investitionen<br />
ausländischer Beteiligungsgesellschaften, die Investitionen<br />
von deutschen Private-Equity-Gesellschaften<br />
stagnierten bei 3,8 Mrd. EUR. Zudem zeigte das Jahr<br />
zwei unterschiedliche Gesichter: Während im ersten<br />
Halbjahr noch 3,2 Mrd. EUR investiert wurden, fi el<br />
diese Summe im zweiten Halbjahr – parallel zur Eintrübung<br />
der Stimmung – auf 2,7 Mrd. EUR.<br />
Insgesamt gingen die Investitionen deutscher Beteiligungsgesellschaften<br />
auf 4,3 Mrd. EUR (2010:<br />
4,9 Mrd. EUR) zurück. <strong>Die</strong>ser Rückgang ist in erster<br />
Linie auf die Halbierung der Auslandsinvestitionen<br />
auf 510 Mio. EUR zurückzuführen; ihr Anteil an den<br />
Gesamtinvestitionen sank auf 12 % (2010: 20 %).<br />
Der Schwerpunkt der Investitionen in <strong>Deutschland</strong><br />
lag mit einem Anteil von 78 % nach wie vor bei Buy-<br />
Outs. Ihr Volumen wuchs dabei um 52 % auf 4,6 Mrd.<br />
EUR – bei nahezu unveränderter Anzahl der Transaktionen.<br />
Das Investitionsvolumen in allen übrigen<br />
Finan zierungsphasen, von Venture-Capital- über<br />
Wachs tums- bis hin zu Turnaround-Investitionen, ging<br />
dagegen zurück.<br />
Divestments der Beteiligungsgesellschaften erreichten<br />
2011 ein Volumen von 4,1 Mrd. EUR nach 3,2 Mrd.<br />
EUR im Vorjahr, ein Plus von 28 %. Der wichtigste Exit-<br />
Kanal ist dabei mittlerweile der Verkauf an strategische<br />
Investoren, auf den 1,7 Mrd. EUR entfi elen (+145 %).<br />
Ebenso legten auch Divestments über die Börse zu, während<br />
Verkäufe an andere Beteiligungsgesellschaften und<br />
Verluste eine rückläufi ge Tendenz aufwiesen.<br />
Im internationalen Vergleich weist der deutsche Markt<br />
weiterhin großes Potenzial auf. <strong>Die</strong>s zeigt sich an der<br />
Höhe der Investitionen durch Private-Equity-Gesellschaften<br />
in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. <strong>Die</strong>se<br />
Kennziff er liegt für <strong>Deutschland</strong> nach wie vor deutlich<br />
unter dem EU-Durchschnitt.<br />
Buy-Out-Investitionen dominieren<br />
Investitionen nach Finanzierungsphasen in %<br />
der Gesamtinvestitionen, 2011<br />
77 % Buy-Out<br />
Quelle: BVK 2012<br />
1 % Seed<br />
Großes Potenzial<br />
Private-Equity-Investitionen in % des BIP, 2010<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
7 % Start-up<br />
4 % Later Stage<br />
Venture Capital<br />
9 % Growth<br />
2 % Turnaround /<br />
Replacement<br />
GR IT DE POL AUT ESP EU FR NL IRL UK SWE<br />
Quelle: EVCA 2011<br />
3.2.11 Mergers & Acquisitions<br />
Geringere M&A-Aktivität in <strong>Deutschland</strong><br />
und Europa<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung des globalen M&A-Marktes 2011<br />
kann über das Jahr hinweg als wechselhaft bezeichnet<br />
werden. Das globale Volumen sank um 6,9 % auf ca.<br />
2,1 Bio. USD. Der europäische M&A-Markt hin gegen<br />
hatte einen noch größeren Rückgang zu verzeichnen:<br />
Das Transaktionsvolumen in Europa sank um ca. 16 %<br />
auf 578 Mrd. EUR, womit der europäische Anteil am<br />
Gesamtmarkt von 41,0 % im Vorjahr auf 38,7 % absank.<br />
<strong>Die</strong> reduzierte Entwicklung ist insbesondere auf<br />
einen starken Einbruch in der zweiten Jahreshälfte<br />
zurückzuführen – während das Transaktionsvolumen<br />
in der ersten Jahreshälfte noch um 8 % gegenüber 2010<br />
zulegte, waren die Volumina in der zweiten Jahreshälfte<br />
um 34 % geringer als noch in 2010. <strong>Die</strong> Belebung im<br />
Schlussquartal konnte hierbei die sehr schwachen<br />
Monate August und September nicht ausgleichen.<br />
Im europäischen Markt lässt sich das Jahr 2011 wie<br />
folgt zusammenfassen:<br />
● Geringere Größe der Transaktionen (durchschnittliches<br />
Volumen von 590 Mio. EUR)<br />
● Erhöhter Barmittelanteil bei der Finanzierung des<br />
Kaufpreises (ca. 62 % nach ca. 50 % im Vorjahr)<br />
● Zunahme grenzüberschreitender Transaktionen (ca.<br />
70 % aller Transaktionen nach ca. 61 % im Vorjahr)<br />
● Erhöhte Aktivität von Finanzinvestoren (Anstieg des<br />
Transaktionsvolumens von 68,6 Mrd. EUR auf<br />
105,7 Mrd. EUR)<br />
Das M&A-Volumen in <strong>Deutschland</strong> reduzierte sich<br />
nochmals um 11 % auf 50,5 Mrd. EUR, nachdem<br />
bereits im Vorjahr das geringste Volumen der letzten<br />
10 Jahre zu verzeichnen war.<br />
Ähnlich verhalten ent wickelte sich das Transaktionsvolumen<br />
deutscher Käufer im Ausland. Wie schon im<br />
Jahr 2010 sank das Volumen auch im Jahr 2011 um<br />
Reduziertes Volumen und Anzahl<br />
M&A-Aktivität mit europäischer Beteiligung,<br />
Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR, 2011<br />
1.800<br />
1.800<br />
1.600<br />
1.600<br />
1.400<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.200<br />
1.000<br />
1.000<br />
800<br />
800<br />
600<br />
600<br />
400<br />
400<br />
200<br />
200<br />
0<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />
Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />
Weiterhin Zurückhaltung<br />
M&A-Aktivität mit deutscher Beteiligung,<br />
Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR, 2011<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />
Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
3.2<br />
59
60<br />
ca. 33 % auf 12 Mrd. EUR. Mit einem Transaktionsvolumen<br />
von 18 Mrd. EUR konnte 2011 eine Zunahme<br />
der Akquisitionen deutscher Unternehmen durch<br />
ausländische Wett bewerber verzeichnet werden<br />
(+24 %). Zu Beginn des Jahres 2012 ist jedoch eine<br />
gewisse Belebung festzustellen. Das Transaktionsvolumen<br />
deutscher Käufer im Ausland überstieg bereits<br />
im April das Gesamtvolumen des Jahres 2011.<br />
Der Markt für Private-Equity-Transaktionen in <strong>Deutschland</strong><br />
konnte sich 2011 wieder erholen: Das Transaktionsvolumen<br />
verdreifachte sich auf 10,2 Mrd. EUR und war<br />
damit nur noch 17 % niedriger als 2008. Große Transaktionen<br />
sind 2011 jedoch ausgeblieben – keine Transaktion<br />
überstieg die Marke von 1 Mrd. EUR.<br />
<strong>Die</strong> relativ hohe Aktivität der Finanzinvestoren ist primär<br />
auf die als günstig angesehenen Bewertungsniveaus<br />
und die weiterhin hohen Bestände an Mitteln,<br />
die noch vor der Krise eingesammelt wurden und nun<br />
investiert werden müssen, zurückzuführen. Das Finanzierungsumfeld,<br />
das sich im dritten Quartal deutlich<br />
verschlechtert hatte, verbesserte sich zum Jahresende<br />
wieder. <strong>Die</strong> Kombination aus hoher Liquidität im Bankensystem<br />
und der Suche der Kapitalmarktinvestoren<br />
nach höheren Renditen wirkte sich zum Ende des Jahres<br />
günstig auf die Bereitstellung von Fremdkapital<br />
auch unterhalb des Investment-Grade-Bereichs aus.<br />
Branchentrends<br />
Während europaweit der größte Anteil des Transaktionsvolumens<br />
auf Deals im Bereich Energie & Versorger<br />
entfi el, war in <strong>Deutschland</strong> die höchste Aktivität<br />
bei Industrieunternehmen zu verzeichnen. Eine hohe<br />
M&A-Aktivität zeigten in <strong>Deutschland</strong> überdies die<br />
Bereiche Banken & Versicherungen, Telekommunikation<br />
& Medien, Immobilien und Chemie. In Europa<br />
war insbesondere ein Anstieg der Volumina von Konsumgüter-<br />
und Technologietransaktionen zu verzeichnen,<br />
da auch hier Unternehmen aus Schwellenländern<br />
zunehmend aktiv werden. Aufgrund des volatilen<br />
Marktumfeldes und der Unsicherheiten bezüglich des<br />
europäischen Finanzsystems, welches sich seit der<br />
Geringere Aktivität<br />
<strong>Deutsche</strong> Akquisitionen im Ausland,<br />
Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Private Equity im Aufwind<br />
Private Equity M&A mit deutscher Beteiligung,<br />
Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
0<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />
Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />
Leichte Zunahme<br />
Akquisitionen ausländischer Unternehmen in <strong>Deutschland</strong>,<br />
Anzahl (rechte Skala) & Wert (linke Skala) in Mrd. EUR<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />
Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ Transaktionsvolumen ■ Anzahl der Transaktionen<br />
Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley (angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Krise hoch korreliert mit Staatsrisiken zeigt, r eduzierte<br />
sich das Transaktionsvolumen im Bereich Banken &<br />
Versicherungen um ca. 25 %.<br />
Ausblick<br />
Mit der positiven Entwicklung, die die meisten Börsen<br />
weltweit in den ersten Monaten des Jahres 2012 gezeigt<br />
haben, darf man auch wieder mehr Optimismus an der<br />
M&A-Front erwarten. Denn in den letzten Jahren zeigte<br />
sich, dass Aktienmarktentwicklung und M&A-Volumen<br />
eng korreliert sind. <strong>Die</strong> Kurserholungen an den<br />
Märkten unterstellen ein zukünftiges Ergeb nis wachstum,<br />
das die wenigsten globalen Unternehmen rein<br />
organisch werden darstellen können. <strong>Die</strong>s sollte dazu<br />
führen, dass die Unternehmen nach externem Wachstum<br />
suchen. Beobachtbar ist auch ein deutlich gestiegenes<br />
Interesse an überregionalen Transaktionen; insbesondere<br />
chinesische Käufer werden noch stärker in<br />
Erscheinung treten. Aber auch in der transatlantischen<br />
Relation sehen Marktbeobachter derzeit ein erhebliches<br />
Potenzial, wobei ein wechsel seitiges Interesse feststellbar<br />
ist. Dennoch darf nicht ignoriert werden, dass viele<br />
Aufsichts räte in den letzten Jahren sehr für die unplanbaren<br />
Risiken im Makro umfeld sensibilisiert wurden<br />
und daher zu höherer Vorsicht mahnen. Griechenland,<br />
Portugal, Iran, China-Wachstum – die Liste an ernstzunehmenden<br />
Risiken jenseits des unternehmerischen<br />
Risikomanagements ließe sich beliebig fortsetzen.<br />
Konsolidierung bei Versorger & Rohstoffe I<br />
M&A-Transaktionen mit europäischen Zielunternehmen<br />
nach Sektoren, 2011<br />
4 % Transport<br />
3 % Andere<br />
5 % Metall & Bergbau<br />
5 % Gesundheit<br />
6 % Konsumgüter<br />
6 % Technologie<br />
7 % Immobilien<br />
3 % Einzelhandel<br />
3 % Chemie<br />
8 % Telekom & Medien<br />
Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley<br />
(angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />
Konsolidierung bei Versorger & Rohstoffe II<br />
M&A-Transaktionen mit deutschen Zielunternehmen<br />
nach Sektoren, 2011<br />
4 % Einzelhandel<br />
4 % Technologie<br />
6 % Energie &<br />
Versorger<br />
10 % Chemie<br />
11 % Banken &<br />
Versicherungen<br />
0 % Konsumgüter<br />
0 % Metall & Bergbau<br />
Entwicklung der Finanzmärkte in <strong>Deutschland</strong><br />
Transport 2 % 1 % Gesundheit<br />
12 % Immobilien<br />
Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley<br />
(angekündigte Transaktionen über 100 Mio. EUR)<br />
22 % Energie &<br />
Versorger<br />
15 % Banken &<br />
Versicherungen<br />
13 % Industrie<br />
1 % Andere<br />
36 % Industrie<br />
13 % Telekom & Medien<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
3.2<br />
61
62<br />
Entwicklung des <strong>Finanzstandort</strong>s<br />
<strong>Deutschland</strong>: Themen im Fokus<br />
4.1 Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />
4.2 <strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />
4.3 Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen<br />
Gewichtsverschiebung<br />
4<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
63
64<br />
4.1 Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />
„Ein schnelles Ende der Euro-Schuldenkrise ist nicht in<br />
Sicht.“ Das war die Botschaft, die mehrere Regierungen,<br />
allen voran die deutsche Bundesregierung, im letzten Jahr<br />
an die Finanzmärkte sandten. Es war eine richtige Einschätzung,<br />
die auch heute noch gültig ist. Zwar sind in<br />
den vergangenen Quartalen erhebliche Fortschritte auf<br />
dem Weg zu einer Kriseneindämmung erzielt worden. Mit<br />
dem Schuldenschnitt in Griechenland, mit teilweise drastischen<br />
Maßnahmen zur Haushalts-Konsolidierung und<br />
mit tiefgreifenden wirtschaftlichen Reformen in einigen<br />
Euro-Mitgliedsländern sind wichtige Stellhebel zu einer<br />
Verbesserung der Probleme umgelegt worden. Auf Dauer<br />
verlangt eine Währungsunion aber nach einem erheblich<br />
höheren Grad an fi nanzpolitischer Integration als er unter<br />
den Euro-Mitgliedstaaten zurzeit besteht. <strong>Die</strong> bisher eingeleiteten<br />
Reformen in den Mitgliedsländern sowie die<br />
institutionellen Veränderungen am Aufbau der Währungsunion<br />
reichen langfristig nicht aus.<br />
<strong>Die</strong> Natur der Krise, die einer Zahlungsbilanzkrise unter<br />
festen Wechselkursen sehr ähnlich ist, bringt es mit sich,<br />
dass mit den jetzt eingeleiteten Maßnahmen ein ausreichender<br />
Abbau der bestehenden Ungleichgewichte erst<br />
innerhalb einiger Jahre erreicht werden kann. <strong>Die</strong>se lange<br />
Durststrecke verlangt viel politische Geduld. Auf diesem<br />
Weg wird die Europäische Zentralbank weiterhin gefordert<br />
sein, in akuten Stressphasen das Bankensystem sowie<br />
die Sekundärmärkte für Staatsanleihen zu stützen. <strong>Die</strong>s<br />
darf jedoch nicht zu einer dauerhaften Subventionierung<br />
bestehender Ungleichgewichte führen. <strong>Die</strong> Geldpolitik ist<br />
auf Dauer überfordert mit der Abfederung regionaler Ungleichgewichte.<br />
<strong>Die</strong>se Probleme zu lösen ist Aufgabe der<br />
Politik, die dazu fi nanzpolitische Instrumente verwenden<br />
kann. Selbst wenn die nun eingeleiteten makroökonomischen<br />
Anpassungen in die richtige Richtung gehen, wäre<br />
es ein Fehler, sich zurückzulehnen und die benötigten tiefgreifenden<br />
institutionellen Reformen, die die Währungsunion<br />
benötigt, zu vernachlässigen.<br />
Deutliche Fortschritte …<br />
Bis zum Herbst des vergangenen Jahres konnte man den<br />
Eindruck gewinnen, als könne die europäische Politik den<br />
Problemen im Euroraum keine adäquaten Mittel entge-<br />
gensetzen. Zu zaghaft und vielstimmig waren die Ansätze<br />
von Sparbemühungen in den Krisenländern sowie die Bemühungen<br />
um Kreditfazilitäten für die bedrängten Staaten.<br />
Im Herbst 2011 spitzte sich die Krise an den Staats anleihemärkten<br />
wieder zu und drohte das gesamte eu ro päische<br />
Bankensystem lahmzulegen. Nachdem die Regierungen<br />
der Euro-Mitgliedstaaten das gesamte Jahr in intensiven<br />
Verhandlungen gestanden hatten, bildete sich auf den europäischen<br />
Gipfeln im Herbst des vergangenen Jahres<br />
endlich eine Strategie zur Bewältigung der Probleme heraus.<br />
<strong>Die</strong>se Strategie wurde in diesem Jahr weiter ausgearbeitet<br />
und ihre Umsetzung hat begonnen. Sie beruht im<br />
Wesentlichen auf fünf Punkten:<br />
● Energische fi skalische Konsolidierungen und angebotsorientierte<br />
Reformen in den am stärksten von der Euro-<br />
Schuldenkrise betroff enen Ländern sowie eurolandweit<br />
Verpfl ichtung auf einen mittelfristigen Pfad in Richtung<br />
Haushaltsausgleich, gleichzeitig intensive zentrale Überwachung<br />
der Finanzpolitik durch die Eurogruppe sowie<br />
Verankerung einer soliden Finanzpolitik in den nationalen<br />
Gesetzen (Fiskalpakt);<br />
● Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld durch<br />
einen teilweise erzwungenen Verzicht der privaten Gläubiger<br />
auf mehr als 50 % ihrer Forderungen und Gewährung<br />
eines zweiten Hilfspakets, bestehend aus weiteren Kreditfazilitäten<br />
sowie tech nisch - ad mini strativer Unterstützung;<br />
● Einrichtung eines Kreditmechanismus für am Fiskalpakt<br />
teilnehmende Länder in Höhe von bis zu 800 Mrd. EUR<br />
zuzüglich weiterer Hilfen des Internationalen Währungsfonds<br />
(IWF) bei strenger Überwachung der Anpassungspfade<br />
von Programmländern durch die EU-Kommission,<br />
den IWF und die Europäische Zentralbank (EZB);<br />
● Flankierung dieser Maßnahmen in der Zeit bis zur Entfaltung<br />
ihrer vollen Wirkung durch z. T. außergewöhnliche<br />
geldpolitische Maßnahmen der EZB;<br />
● Überwachung künftiger makroökonomischer Ungleich<br />
gewichte im Euroraum (im Rahmen des sogenannten<br />
„Six-Pack“).<br />
<strong>Die</strong> Elemente der Reform- und Konsolidierungspolitik<br />
entsprechen dem ursprünglich im Maastrichtvertrag<br />
und bei der Gründung der Währungsunion implizit festgelegten<br />
Prinzip, dass im Fall von Ungleichgewichten<br />
das Defi zitland die hauptsächliche Anpassung trägt.<br />
Neu gegenüber der ursprünglichen Konstruktion des<br />
Euro sind die umfangreichen multilateralen Kreditmechanismen<br />
innerhalb des Euroraums, teilweise unter<br />
Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds. Sie<br />
tragen den Umständen Rechnung, dass die notwendigen<br />
Anpassungszeiträume lang sind und private Investoren<br />
bei immer noch hoher Risikoaversion nur eingeschränkt<br />
zur Finanzierung von Staaten und Bankensystemen bereit<br />
sind, aber der Reformweg ist weit.<br />
<strong>Die</strong> Probleme des Euroraums sind im Kern eine Zahlungsbilanzkrise.<br />
Wenn Volkswirtschaften dauerhaft erhebliche<br />
Leistungsbilanzdefi zite aufweisen, kann irgendwann<br />
die Bereitschaft des Auslandes, diese zu fi nanzieren,<br />
abnehmen oder ganz versiegen. <strong>Die</strong> häufi g in der Diskussion<br />
stehenden hohen Staatsdefi zite („Euro-Schuldenkrise“)<br />
sind für diese Leistungsbilanzsalden teilweise verantwortlich,<br />
aber auch andere Sektoren der Volkswirtschaften<br />
(Unternehmen und private Haushalte) haben dazu beigetragen.<br />
Werden Leistungsbilanzdefi zite über die Märkte<br />
(Banken, Wertpapiermärkte) nicht mehr fi nanziert,<br />
kommt es zu krisenhaften Zuspitzungen.<br />
Solche regionalen Ungleichgewichte ergeben sich in<br />
einer Währungsunion mehrerer unabhängiger Staaten<br />
wie in jedem sonstigen Währungsgebiet von Nationalstaaten.<br />
<strong>Die</strong> in einem solchen Fall notwendigen Rückführungen<br />
der regionalen Zahlungsbilanzungleichgewichte<br />
fallen in der Europäischen Währungsunion<br />
wesentlich schwerer als in einheitlichen Staaten. Im<br />
Euroraum stehen andere Ausgleichsmechanismen, wie<br />
sie Nationalstaaten verwenden können, nicht zur Verfügung.<br />
<strong>Die</strong>s sind etwa hoheitliche Eingriff e in die Finanzpolitik<br />
der Regionen, oder aber auch interregionale<br />
Transfermechanismen, sei es durch die Sozialsysteme,<br />
sei es durch einen Finanzausgleich. Hierin drückt sich<br />
der besondere Charakter des Euroraums als Gemeinschaft<br />
souveräner Staaten aus.<br />
Es gilt also im Euroraum, die Ungleichgewichte, die<br />
sich in den Leistungsbilanz- und Budgetsalden der<br />
Staaten widerspiegeln, auf anderem Wege als durch<br />
Wechselkursveränderungen abzubauen. <strong>Die</strong>se Anpassungen<br />
sind unterwegs und zeigen erste Erfolge. Bereits<br />
gegen Ende 2011 haben sich die Leistungsbilanzsalden<br />
in fast allen Defi zitländern mit Ausnahme<br />
Italiens verbessert (Abb. 1).<br />
Abbildung 1: Leistungsbilanzsalden<br />
in % des BIP, gleitender Jahresdurchschnitt<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
-15<br />
’94 ’96 ’98 ’00 ’02 ’04 ’06 ’08 ’10<br />
■ <strong>Deutschland</strong> ■ Italien ■ Spanien ■ Portugal ■ Griechenland ■ Irland<br />
Quelle: Eurostat, DekaBank<br />
Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />
Und auch in Italien bleiben die Veränderungen nicht<br />
ohne Auswirkungen auf den Außenhandel. So ist auch<br />
hier die Importquote gesunken, während die Exportquote<br />
weiter anstieg. In Griechenland kam es infolge<br />
der schweren Rezession zu einem spürbaren Rückgang<br />
der Importnachfrage, und selbst hier wurden Fortschritte<br />
beim Export erzielt. In Spanien und Portugal<br />
hingegen blieb im Verlauf des Jahres 2011 die Importquote<br />
weitgehend stabil, während die Exportquote<br />
zulegte. Irland exportiert bereits seit einer ganzen Weile<br />
wieder mehr als es importiert. Umgekehrt geht in<br />
<strong>Deutschland</strong> der Leistungsbilanzüberschuss zurück.<br />
Zwar legten hierzulande die Exporte dank einer starken<br />
weltwirtschaftlichen Nachfrage und eines relativ<br />
hohen Exports in die schnell wachsenden Nicht-Euro-<br />
Regionen (mit einem Exportanteil in die Emerging<br />
Markets von etwa 20 % der höchste unter den großen<br />
Euroländern) auch zu Beginn 2012 weiter kräftig zu,<br />
die Importe stiegen aber deutlich stärker.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.1<br />
65
66<br />
Während diese ersten Schritte auf dem Weg zu einer<br />
Reduzierung der Leistungsbilanzdefi zite insbesondere<br />
durch die konjunkturellen Rückgänge in den südeuropäischen<br />
Mitgliedstaaten zustande kamen, ist für die<br />
kommenden Jahre eine weiter stützende Wirkung des<br />
Außenhandels zu erwarten, wenn es den Defi zitländern<br />
gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportindus trie<br />
zu verbessern. Auch hier zeigen sich erste Anzeichen.<br />
So sinken die Arbeitskosten in Griechenland und Irland<br />
aufgrund von Lohnzurückhaltung oder gar Lohnkürzungen<br />
(Abb. 2). Auch in Portugal, Spanien und<br />
Italien hat der Anstieg der Arbeitskosten nachgelassen<br />
und liegt unter dem <strong>Deutschland</strong>s. Damit scheint ein<br />
Prozess in Gang gekommen zu sein, der, wenn er einige<br />
Jahre lang anhält, zu einer Angleichung der preislichen<br />
Wettbewerbsfähigkeit führt. Einen ersten Ausdruck<br />
fi ndet dieser Prozess gegenwärtig auch in den regionalen<br />
Infl ationszahlen im Euroraum. So nahm bis zum<br />
März 2012 der Abstand zwischen der höchsten (Estland:<br />
4,7 %) und der niedrigsten Infl ationsrate (Griechenland:<br />
1,4 %) erheblich zu. Dabei ist zu beobachten,<br />
dass der Preisauftrieb in den Ländern mit der schwächsten<br />
wirtschaftlichen Entwicklung spürbar nachlässt. So<br />
liegen beispielsweise Spanien und Griechenland seit<br />
Längerem unter dem Durchschnitt des Euroraums. Im<br />
März sind die Raten hier weiter auf 1,8 % bzw. 1,4 %<br />
gesunken. Auch in Portugal ist die Infl ation zurückgegangen.<br />
Mit 3,1 % (März) liegt sie aber immer noch auf<br />
einem überdurchschnittlich hohen Niveau, was vor allem<br />
der starken Anhebung indirekter Steuern in diesem<br />
Land geschuldet ist. Ergänzt werden muss der Prozess<br />
der lohnseitigen Anpassung durch eine Steigerung der<br />
Produktivität. Auch hier haben die europäischen Peripherieländer<br />
noch einen weiten Weg vor sich.<br />
Insgesamt hat das Beispiel <strong>Deutschland</strong> gezeigt, dass<br />
es eine Dekade dauern kann, bis die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
wiederhergestellt ist.<br />
Neben dem Preis spielen aber auch andere Faktoren eine<br />
wichtige Rolle für den Exporterfolg. So sind die Produkte<br />
aller Peripherieländer mit Ausnahme Irlands eher im<br />
Low-Tech-Bereich angesiedelt, bei dem der Preiswettbewerb<br />
Abbildung 2: Arbeitskosten<br />
Lohnstückkosten, gleitende Jahresrate<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
-8<br />
2007 2008 2009 2010 2011<br />
■ <strong>Deutschland</strong> ■ Italien ■ Spanien ■ Portugal ■ Griechenland ■ Irland<br />
Quelle: Eurostat, DekaBank<br />
sehr intensiv ist. Ein Wandel hin zu einer technologieintensiveren<br />
Produktion wird ebenfalls Zeit benötigen.<br />
Schließlich ist die Ausrichtung der Peripheriestaaten auf<br />
die Wachstumsmärkte Asiens, Lateinamerikas und Mittel-<br />
und Osteuropas noch zu gering.<br />
Auf der Seite der Budgetdefi zite ist eine Messung der Erfolge<br />
zum Teil recht schwierig. Das liegt daran, dass Länder<br />
wie Griechenland aufgrund des Kollapses der Wirtschaft<br />
weniger Steuereinnahmen und mehr Ausgaben zu<br />
verkraften haben. <strong>Die</strong>se konjunkturelle Komponente gilt<br />
es zu bereinigen, wenn man das Ausmaß der Konsolidierungsergebnisse<br />
ablesen will. <strong>Die</strong> EU-Kommission<br />
nimmt eine solche Bereinigung vor: Danach gingen<br />
2011 in Griechenland gut 3½ Prozentpunkte des Defi -<br />
zits auf die Rezession zurück, in Spanien waren es immerhin<br />
rund 2¼ Prozentpunkte. Doch selbst wenn man<br />
diese Belastungen berücksichtigt, sind die Staatshaushalte<br />
mit Ausnahme des italienischen immer noch deutlich<br />
von der Maastricht-Norm (3 % Defi zit gemessen am<br />
Bruttoinlandsprodukt) entfernt. Das Jahr 2011 brachte<br />
in allen Peripheriestaaten außer Griechenland eine Reduzierung<br />
der Defi zitquoten, wenngleich diese nicht<br />
überall so stark ausfi el wie geplant. So konnten Spanien<br />
und Griechenland die Zielvorgaben der EU-Kommission<br />
nicht einhalten, Spanien kündigte zusätzlich eine<br />
Senkung des Konsolidierungszieles für 2012 an. Dennoch<br />
geht der Defi zitabbau weiter. Da zurzeit in den<br />
großen Peripherieländern eine ausreichende politische<br />
Unterstützung – in Spanien sogar durch eine neu gewählte<br />
Regierung – für die fi nanz- und reformpolitischen<br />
Notwendigkeiten vorliegt, ist es letztlich ein makroökonomischer<br />
Balanceakt, die Konsolidierung so zu<br />
steuern, dass die Defi zite zurückgeführt werden, aber<br />
gleichzeitig die Wirtschaftsleistung ausreichend stabil<br />
bleibt, um die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten.<br />
<strong>Die</strong> nächsten beiden Jahre werden in allen Peripherieländern<br />
besonders schwierig werden. Im Vergleich zu den<br />
Strukturreformen der deutschen Volkswirtschaft in der<br />
vergangenen Dekade haben einige Peripheriestaaten eine<br />
ungleich längere und härtere Reformstrecke hinter sich<br />
zu bringen, und das vor dem Hintergrund der immer<br />
noch spürbaren Nachwirkungen der weltweiten Finanzkrise.<br />
Dennoch sollten sich in den kommenden Jahren<br />
auch hier positive Wirkungen der Reformen zeigen.<br />
Der Schlüssel zur Überwindung der Staatsschuldenkrise<br />
mit ihren Rückwirkungen in den Währungsbereich liegt<br />
in den großen südeuropäischen Ländern Spanien und<br />
Italien. <strong>Die</strong> europäischen Kreditfonds sollten zwar so<br />
ausgestattet sein, dass sie den Finanzbedarf von Programmländern<br />
für mehrere Jahre überbrücken können.<br />
<strong>Die</strong>se Länder sind aber letztlich zu groß, um ohne massive<br />
Unterstützung der EZB durch eine Brandmauer abgeschirmt<br />
werden zu können. Da eine weitere Vergrößerung<br />
der Kreditmechanismen politisch schwierig<br />
durchsetzbar erscheint, kommt der konsequenten Umsetzung<br />
von Veränderungen umso größere Bedeutung<br />
zu. Gegenwärtig sind viele Signale dafür vorhanden, dass<br />
diese Länder sowohl die wirtschaftliche Kraft als auch<br />
den politischen Durchhaltewillen aufweisen, um am<br />
Ende die notwendige Anpassung zu erreichen.<br />
Märkte bleiben skeptisch<br />
<strong>Die</strong> Finanzmärkte werden den Fortschritt bei der Eindämmung<br />
von Staatsdefi ziten und bei der Belebung der<br />
Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf und darüber hinaus<br />
sehr genau beobachten. Zurzeit genießt hier die skizzierte<br />
Strategie noch wenig Vertrauen. Es wird insbesondere<br />
angezweifelt, ob die Anteile an Konsolidierungs- und<br />
Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />
Reformpolitik richtig austariert sind, um eine wachsende<br />
oder auch nur stabile Wirtschaftsleistung zu erreichen,<br />
die Voraussetzung dafür ist, die staatliche Schuldenlast<br />
tragfähig zu halten. Implementierungsrisiken bei der<br />
Umsetzung von Reformen sowie Risiken der politischen<br />
Zustimmung durch die Wähler sowohl in den Defi zit-<br />
als auch in den Überschussländern erscheinen vielen Kapitalmarktteilnehmern<br />
noch sehr hoch.<br />
Es mag sein, dass die makroökonomische Anpassung<br />
längere Zeit in Anspruch nimmt, als in den gegenwärtigen<br />
offi ziellen Anpassungsplänen vorgesehen ist. Einige<br />
Annahmen dieser Pläne haben sich in der Vergangenheit<br />
als zu optimistisch erwiesen und damit zu<br />
Enttäuschungen geführt, die an den Finanzmärkten zu<br />
vorübergehenden Verspannungen geführt haben. Selbst<br />
wenn diese Muster noch eine Weile anhalten sollten, ist<br />
von entscheidender Bedeutung, ob die makroökonomischen<br />
Anpassungen voranschreiten und schließlich ein<br />
ausreichendes Ausmaß annehmen. Wenn sich bei den<br />
Finanzmarktteilnehmern der Eindruck durchsetzt,<br />
dass dies gelingt, sind die Voraussetzungen für eine<br />
längerfristige Entspannung an den Märkten gegeben.<br />
<strong>Die</strong> Rolle der EZB<br />
<strong>Die</strong> Europäische Zentralbank hat seit Beginn der Finanzkrise<br />
durch den Einsatz ihrer traditionellen Instrumente<br />
sowie von neuen, nicht konventionellen Instrumenten<br />
zur Stabilisierung des europäischen Finanzsektors<br />
in ganz erheblichem Umfang beigetragen und letztlich<br />
damit auch dafür gesorgt, dass die realwirtschaftlichen<br />
Auswirkungen der Finanzkrise – trotz ihrer Dramatik in<br />
einzelnen Teilregionen des Euroraums – insgesamt abgefedert<br />
wurden. <strong>Die</strong> wichtigsten Maßnahmen waren<br />
● die Reduzierung des Notenbankzinses, zuletzt wieder<br />
auf 1 %,<br />
● die Ankaufprogramme für Staatsanleihen und<br />
Pfand briefe,<br />
● die Bereitstellung von unbegrenzter Liquidität bei<br />
deutlich erweitertem Sicherheitenrahmen.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.1<br />
67
68<br />
● Darüber hinaus sorgt das europäische Zahlungsverkehrssystem<br />
TARGET2 neben einer reibungslosen<br />
Abwicklung der innereuropäischen Zahlungsströme<br />
gleich zeitig für eine fortlaufende Finanzierung von<br />
Leistungs bilanzungleichgewichten.<br />
All diese Maßnahmen trugen bei zu<br />
● einer Stabilisierung des europäischen Finanzsystems,<br />
● einer Erleichterung für die an den Finanzmärkten<br />
teilweise nur noch unter schwierigen Bedingungen<br />
mögliche Staatenfi nanzierung,<br />
● zu einer Finanzierung der nicht auf einmal korrigierbaren<br />
Zahlungsbilanzungleichgewichte zwischen den<br />
Euro-Ländern,<br />
● und damit schließlich zu der Vermeidung bzw. Abmilderung<br />
einer Kreditklemme.<br />
Alles in allem hat die EZB damit wesentlichen Anteil an<br />
der Stabilisierung der europäischen Konjunktur, die<br />
nach der Erholung vom Lehman-Schock des Jahres 2009<br />
im Herbst 2011 wieder in eine Schwächephase geraten<br />
war. Damit hat die EZB die Funktionsdefi zite der<br />
Finanz politik aufgefangen. <strong>Die</strong>se Defi zite bestehen weiterhin<br />
fort. Es würde aber eine Überforderung der Geldpolitik<br />
darstellen, wenn man meint, dass eine Notenbank<br />
dauerhaft die Ziele der Finanzmarktstabilisierung, der<br />
Geldwertstabilität, der Staatenfi nanzierung und des<br />
regionalen Leistungsbilanzausgleichs erfüllen könnte.<br />
Trotz dieser Erfolge sollte die EZB auch die Nebenwirkungen<br />
ihres extremen Mitteleinsatzes nicht aus den<br />
Augen verlieren. Was auf dem Höhepunkt der Krise an<br />
Unterstützung für das System sinnvoll sein konnte,<br />
weil noch keine ausreichenden Gegenmaßnahmen der<br />
Finanz- und Wirtschaftspolitik beschlossen worden<br />
waren, kann sich bei Dauerbetrieb als kontraproduktiv<br />
erweisen. Insbesondere Gewöhnungseff ekte sowie das<br />
„moralische Risiko“, mit den Reformbemühungen<br />
nicht weiter fortzufahren und auf weitere Unterstützung<br />
durch die Zentralbank zu setzen, sind die Gefahren<br />
einer zu lange fortgeführten Strategie geldpolitischer<br />
Extremmaßnahmen. <strong>Die</strong>s gilt zum einen für die<br />
notwendi gen makroökonomischen Anpassungen. Zum<br />
an de ren dürfen aber auch im Finanzsektor keine neuen<br />
Verzerrungen hervorgerufen und die bestehenden mikroökonomischen<br />
Strukturänderungen nicht verschleppt<br />
werden: Hier ist insbesondere an eine Rekapitalisierung<br />
der Bankensysteme in den Peripheriestaaten zu denken.<br />
Mittlerweile sind vielfältige Reform- und Konsolidierungsprogramme<br />
in den Defi zitländern eingeleitet worden.<br />
Für die Staatsfi nanzierung ist die Einrichtung des<br />
europäischen Stabilitätsfonds auf den Juli 2012 vorgezogen<br />
worden, zeitweise stehen parallel Mittel aus der<br />
Vorgängerinstitution EFSF zur Verfügung. <strong>Die</strong>s sind<br />
ausreichende Voraussetzungen dafür, dass die Geldpolitik<br />
beginnen sollte, sich aus den extremen Maßnahmen<br />
zurückzuziehen. Insbesondere der Mechanismus<br />
der faktisch unkonditionierten Liquiditätsversorgung<br />
sollte durch eine langsame, schrittweise Rückkehr der<br />
Sicherheitenanforderungen zu den Vorkrisenstandards<br />
noch in diesem Jahr begonnen werden.<br />
Langfristig: neue Qualität in der europäischen<br />
Finanzpolitik<br />
Trotz zahlreicher Reparaturmaßnahmen an der Architektur<br />
der Währungsunion bestehen weiterhin Glaubwürdigkeitsprobleme<br />
dieser Währung. Es wird als<br />
wider sprüchlich angesehen, einerseits eine Wäh rungsunion<br />
zu gründen, in welcher der Ausgleich interner<br />
fi nanzwirtschaftlicher Ungleichgewichte naturgemäß<br />
durch den Wegfall der Wechselkurse zunächst erschwert<br />
wird, andererseits aber keine ausreichen den politischen<br />
Voraussetzungen dafür zu schaff en, dass ein<br />
solcher Ausgleich so reibungslos vonstattengehen kann,<br />
dass die Welt nicht jedes Mal eine Finanzkrise befürchten<br />
muss, wenn eine europäische Region fi nanzielle<br />
Ungleichgewichte angehäuft hat.<br />
Solche Voraussetzungen bestehen zum einen in einer zentralen<br />
eurolandweiten Bankenregulierung, um für den<br />
Euro-Finanzsektor überall einheitliche Regeln anwenden<br />
zu können. Dazu zählt ebenfalls die weitere Integration<br />
des europäischen Bankensektors, um die Verfl echtung<br />
von nationalen Bankensystemen und ihren Sitzstaaten zu<br />
lockern. Auch kann nur in einem eurolandweiten Ansatz<br />
die herausragende Bedeutung der makroprudentiellen<br />
Überwachung für die Vermeidung künftiger fi nanzwirtschaftlicher<br />
Ungleichgewichte zur Geltung kommen.<br />
Zum anderen aber ist eine Grundbedingung für das<br />
langfristige Funktionieren der Währungsunion eine weiter<br />
vertiefte Integration der europäischen Finanzpolitik<br />
(Fiskalunion) – die bislang noch nicht erreicht wurde.<br />
Dabei ist der politische Wille zu einer Fortsetzung der<br />
europäischen Integration in den vergangenen Jahren die<br />
treibende Kraft gewesen, ohne die der Euro die extremen<br />
Belastungsproben der vergangenen beiden Jahre durch<br />
die Kapitalmärkte nicht überstanden hätte.<br />
<strong>Die</strong>ser Wille ist an den Kapitalmärkten vielfach unterschätzt<br />
worden. Der Zweck der europäischen Integration<br />
kann dabei nicht nur in dem historisch angelegten Ziel<br />
der Vermeidung von Konfl ikten auf dem europäischen<br />
Kontinent liegen. <strong>Die</strong> Bildung des europäischen Binnenmarkts<br />
hat bereits gezeigt, welche ökonomischen Vorteile<br />
von dieser Integration ausgehen. Entscheidend für<br />
die künftige politische Integration ist zusätzlich die Defi<br />
nition gemeinsamer Interessen der europäischen Nationen<br />
innerhalb der Weltwirtschaft. <strong>Die</strong>se gemeinsamen<br />
Interessen werden künftig vor dem Hintergrund des demografi<br />
sch bedingt abnehmenden Gewichts Europas in<br />
der Welt off ensichtlicher zutage treten als in der Vergangenheit.<br />
Noch stellt die Europäische Union den größten<br />
Wirtschaftsraum der Welt dar (Abb. 3). <strong>Die</strong>s wird sich<br />
allerdings im Verlauf der kommenden Jahrzehnte ändern.<br />
Auch vor diesem Hintergrund werden die Vorteile<br />
einer tieferen Integration deutlich.<br />
Mit dem Euro ist die europäische Integration bislang<br />
am weitestgehenden umgesetzt worden. Das Ergebnis<br />
fi el dementsprechend aus: Der Euro hat sich seit seiner<br />
Einführung 1999 als zweitwichtigste Währung der<br />
Welt fest etabliert. Mit einer stabilen großen Weltwährung<br />
sind neben politischen Aspekten auch ökonomische<br />
Vorteile verbunden.<br />
Abbildung 3: Struktur der Weltwirtschaft<br />
Anteil am Welt-BIP für ausgewählte Regionen auf Basis von<br />
Kaufkraftparitäten (PPP)<br />
2012 2030<br />
EU-27 19,53 13,5<br />
USA 18,71 14,8<br />
China 15,06 19,2<br />
Indien 5,86 8,7<br />
<strong>Deutschland</strong> (nachrichtlich) 3,82 2,5<br />
Russland 3,02 3,6<br />
Brasilien 2,92 4,3<br />
Quelle: IWF, DekaBank<br />
Euro: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben<br />
Damit der Euro stabil bleibt, muss er weiterentwickelt<br />
werden und eine breitere fi nanzpolitische Basis erhalten.<br />
<strong>Die</strong> Verstärkung der fi nanzpolitischen Zusammenarbeit<br />
(Fiskalpakt) ist hier ein erster Schritt. <strong>Die</strong><br />
neuen Vorschriften über die erlaubten Defi zite und<br />
deren Überwachung sind zwar strenger als die Vorgängerregeln<br />
des Stabilitäts- und Wachstumspakts<br />
und werden in den kommenden Jahren zum Wiederaufbau<br />
von Glaubwürdigkeit des Euro beitragen. Sie<br />
stellen allerdings immer noch keine grundsätzlich<br />
neue Qualität einer europäischen Finanzpolitik dar,<br />
da die volle fi nanzpolitische Souveränität weiterhin<br />
bei den Mitgliedsländern liegt.<br />
<strong>Die</strong> mit weiteren fi nanzpolitischen Integrationsschritten<br />
verbundenen Entscheidungen sind zwar<br />
weitreichend, aber sie sind unabdingbar, wenn die gemeinsame<br />
Währung stabil bleiben soll. Zusätzlich<br />
erschwerend wirkt sich aus, dass die besonderen währungsbedingten<br />
Integrationsnotwendigkeiten nur für<br />
die Mitglieder des Euroraums und nicht für alle Staaten<br />
der Europäischen Union gelten. <strong>Die</strong> sich hieraus<br />
ableitenden unterschiedlichen Integrationsgeschwindigkeiten<br />
dürfen den Zusammenhalt der Union nicht<br />
gefährden.<br />
Mittelfristig ist die Währungsunion auf einem guten<br />
Weg, die gegenwärtigen akuten Krisenerscheinungen<br />
einzudämmen. Langfristig liegen jedoch noch viele<br />
politische Herausforderungen vor den Mitgliedstaaten,<br />
um den Euro zu einer reibungslos funktionierenden<br />
Währung zu entwickeln.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.1<br />
69
70<br />
4.2 <strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />
<strong>Die</strong> Zentralbanken vieler fortgeschrittener Länder verfolgen<br />
derzeit eine Politik niedriger Zinsen, um die<br />
Volkswirtschaften nach den Schocks der Finanz- und<br />
Staatsschuldenkrise wieder zu stabilisieren. Es ist absehbar,<br />
dass die sehr expansive Geldpolitik noch über<br />
einige Jahre hinweg aufrechterhalten werden wird. So<br />
hat beispielsweise die Federal Reserve angekündigt,<br />
die Leitzinsen – bei unveränderter konjunktureller<br />
Lage – bis zum Ende des Jahres 2014 auf dem niedrigen<br />
Niveau belassen zu wollen.<br />
<strong>Die</strong> niedrigen Notenbankzinsen haben zweifelsohne geholfen,<br />
die schwere Rezession des Jahres 2009 rasch zu<br />
überwinden und eine gewisse Stabilisierung auf den<br />
Märkten für Finanz- und Staatsanleihen zu erreichen. In<br />
der traditionellen Wirtschaftstheorie wirken niedrige<br />
Zinsen im Rahmen des üblichen Konjunkturzyklus stimulierend,<br />
weil sie Konsum relativ zu Ersparnis bevorzugen,<br />
Investitionen begünstigen und die Risikoneigung<br />
der Investoren erhöhen. Es ist jedoch fraglich, ob dieser<br />
grundlegende Zusammenhang in gleichem Maße auch<br />
dann gilt, wenn die Zinsen über einen längeren Zeitraum<br />
niedrig sind. In diesem Sonderkapitel betrachten<br />
wir daher die möglichen volkswirtschaftlichen Konsequenzen<br />
eines hypothetischen Szenarios, in dem die Zinsen<br />
dauerhaft auf einem niedrigen Niveau bleiben.<br />
Dauerhaft niedrige Zinsen haben Nebenwirkungen, die<br />
nicht unterschätzt werden sollten. Dazu mahnt nicht zuletzt<br />
die Finanzkrise der Jahre 2007ff ., denn einer der<br />
Hauptgründe für diese Krise war der lang andauernde<br />
Zinssenkungszyklus zwischen Ende 2001 und 2005.<br />
Niedrige Nominalzinsen führten während dieser Zeit in<br />
vielen Staaten sogar zu negativen Realzinsen.<br />
<strong>Die</strong> primäre Sorge vieler Beobachter ist, dass eine anhaltende<br />
Periode niedriger Zinsen zu infl ationären<br />
Entwicklungen führt. <strong>Die</strong> starke Ausweitung der<br />
Geldbasis durch die EZB schaff t in der Tat ein Potenzial<br />
für eine Zunahme der Infl ationsrate. Während<br />
diese Geldmenge aufgrund der Dysfunktionalitäten<br />
im Bankensystem und der schwachen Konjunktur derzeit<br />
nicht infl ationär wirken, wird eine Vermeidung<br />
zukünftig höherer Infl ation doch davon abhängen,<br />
dass die Geldbasis bei einer Überwindung dieser Probleme<br />
rasch und eff ektiv wieder reduziert wird.<br />
Allerdings ist der Zusammenhang zwischen der Zinshöhe<br />
und der Infl ation doch komplex und keineswegs mechanistisch.<br />
Entscheidend für Infl ation ist letztlich nicht die<br />
Höhe der Leit- und / oder Marktzinsen per se, sondern<br />
vielmehr das Verhältnis von kaufkraftwirksamer Geldmenge<br />
und Güterangebot. Insoweit überrascht es nicht,<br />
dass ausgedehnte Phasen niedriger Zinsen möglich sind,<br />
in denen die Güterpreisinfl ation gering bleibt. <strong>Die</strong> Jahre<br />
vor, aber auch jene nach der Krise sind illustrativ hierfür.<br />
Infl ation ist aber keineswegs die einzige potenzielle Konsequenz<br />
niedriger Zinsen, die bedenkenswert ist.<br />
Auswirkungen auf Vermögenspreise und die<br />
Kapitalallokation<br />
Niedrige Nominalzinsen veranlassen Anleger, höhere<br />
Renditen zu suchen. Anbieter von Finanzprodukten reagieren<br />
hierauf häufi g mit einem verstärkten Angebot<br />
von Aktiva, die durch komplexere Strukturen höhere<br />
Renditen versprechen. Zudem gilt: Niedrige Zinsen<br />
steigern den Anreiz, Kredit aufzunehmen; dies gilt besonders,<br />
wenn Investoren wissen, dass Zinsen dauerhaft<br />
niedrig bleiben. Gleichzeitig führen niedrige Zinsen<br />
zu höheren Preisen bei Vermögenswerten, was<br />
wiederum den Wert (potenzieller) Sicherheiten steigert<br />
und dadurch die Kreditvergabebereitschaft der Banken<br />
erhöht. Alle diese Reaktionen vergrößern tendenziell<br />
die Risiken für die Finanzstabilität: Anleger gehen auf<br />
der Suche nach Rendite höhere Risiken ein. Komplexere<br />
Produkte verringern die Transparenz und niedrige<br />
Zinsen können, gefördert von Kreditblasen, Vermögenspreissteigerungen<br />
auslösen beziehungsweise für Blasenbildungen<br />
an Vermögensmärkten verantwortlich sein.<br />
<strong>Die</strong> Jahre vor der Finanzkrise sind typische Beispiele<br />
für Perioden steigender Vermögenspreise und sinkender<br />
Risikoprämien in Zeiten niedriger Zinsen.<br />
Zudem geht bei dauerhaft niedrigen Zinsen die volkswirtschaftlich<br />
wichtige allokative Funktion des Zinses<br />
verloren. Während im Falle normaler Zinsverhältnisse<br />
das Kapital auf diejenigen Investitionsprojekte gelenkt<br />
wird, die die höchste risikoadjustierte Rendite versprechen,<br />
werden in Zeiten niedriger Zinsen in extremis<br />
alle Projekte die Zinshürde überspringen, die eine<br />
mindestens positive Rendite aufweisen. Der Grenznutzen<br />
der Projekte wird dabei aber immer geringer; eine<br />
Fehlallokation von Kapital in der Volkswirtschaft wird<br />
wahrscheinlicher. Gleichzeitig sinkt, soweit diese Projekte<br />
über Fremdkapital fi nanziert werden, die Qualität<br />
der Aktiva bei den Fremdkapitalgebern, die diese<br />
Projekte fi nanzieren.<br />
Beschädigung der Interbankenmärkte<br />
Banken gleichen kurzfristige Liquiditätsspitzen traditionell<br />
auf den Interbankenmärkten aus. Bei dauerhaft<br />
niedrigen Zinssätzen ist es für Finanzinstitute aber uninteressant,<br />
anderen Banken zu niedrigen Margen<br />
Geld zu leihen, zumal diese Interbankenkredite – wie<br />
anderes margenschwaches Geschäft auch – unter den<br />
Bedingungen von Basel 3 deutlich weniger attraktiv<br />
werden. Steht aber der Interbankenmarkt dauerhaft<br />
nicht zur Verfügung, perpetuiert sich die Abhängigkeit<br />
der Banken von der Zentralbank, damit wiederum<br />
verstetigt sich auch eine Erweiterung der Rolle der<br />
Zentralbank über die Geldpolitik hinaus dahingehend,<br />
dass die Zentralbank mehr in die Wahrung der<br />
Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte eingebunden<br />
wird. <strong>Die</strong>s kann den Fokus auf die Wahrung der Geldwertstabilität<br />
als primäres Zentralbankziel gefährden.<br />
Auswirkungen auf die Vermögensanlage<br />
Niedrige Zinsen reduzieren für Haushalte den Anreiz<br />
zu sparen und erhöhen die Konsumneigung. <strong>Die</strong>s<br />
senkt tendenziell die Ersparnis in einer Volkswirtschaft<br />
und damit das für Investitionen zur Verfügung<br />
stehende Kapital.<br />
Gleichzeitig reduzieren dauerhaft niedrige Zinsen<br />
den Ertrag aus der Vermögensanlage. Anleger müssen<br />
daher länger sparen oder eine höhere Sparquote realisieren,<br />
um ein gegebenes Sparziel zu erreichen. Institutionelle<br />
Investoren wird es bei extrem niedrigen<br />
Zinsen erschwert, ihre Renditeversprechen zu erfüllen.<br />
<strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />
Sie neigen daher in Zeiten langfristig niedriger Zinsen<br />
dazu, höherrentierliche Assets zu erwerben, was<br />
das Risiko in den Portfolios erhöht. Alternativ müssen<br />
institutionelle Investoren ihre Renditeversprechen<br />
reduzieren, was die Wachstumsaussichten für<br />
das zu künf tige Geschäftsvolumen tendenziell reduzieren<br />
dürfte – jedenfalls wenn und solange Anleger<br />
glauben, in anderen Anlageformen noch höhere Renditen<br />
erzielen zu können.<br />
Niedrige Zinsen bedeuten auch niedrigere Diskontraten<br />
für institutionelle Investoren. <strong>Die</strong> rechnerischen<br />
Lücken bei langfristigen Versorgungsverpfl ichtungen<br />
steigen damit an, was durch höhere laufende Zuweisungen<br />
an z. B. betriebliche Pensionspläne ausgeglichen<br />
werden muss. Anders gesagt: Es muss in der Gegenwart<br />
mehr Geld beiseitegelegt werden, um<br />
zukünftige Pensionsverpfl ichtungen zu erfüllen. <strong>Die</strong>s<br />
wirkt sich wiederum negativ auf die laufenden Gewinne<br />
der Unternehmen aus.<br />
Auswirkungen auf Banken<br />
Niedrige Zinsen bedeuten aus Sicht des traditionellen<br />
Kreditgeschäfts zwar tendenziell eine steigende Kreditnachfrage<br />
und damit höhere Kreditvolumen; gleichzeitig<br />
führen niedrige Zinsen aber auch zu niedrigeren<br />
Margen und damit geringeren Erträgen. Sinkende<br />
Zinsen haben zunächst tendenziell eine positive Wirkung<br />
auf die Zinsmarge, weil Habenzinsen schneller<br />
angepasst werden können als die langfristig vereinbarten<br />
Sollzinsen (bei steigenden Zinsen ist die Wirkung<br />
entsprechend umgekehrt); hält die Niedrigzinsphase<br />
aber länger an, so wird die Marge sinken. Ob und inwieweit<br />
geringere Margen durch eine Volumenausweitung<br />
kompensiert werden können, ist ex ante indeterminiert.<br />
Berücksichtigt man jedoch, dass eine<br />
Aus wei tung der Kreditvolumen in Zeiten sehr niedriger<br />
Zinsen aus Sicht der bereits erwähnten Erwägungen<br />
zur Finanzstabilität grundsätzlich skeptisch zu sehen<br />
ist und eine restringierende Reaktion der<br />
Finanzaufsicht hervorrufen sollte, dürfte der negative<br />
Preiseff ekt den positiven Volumeneff ekt zumindest in<br />
Zukunft langfristig überwiegen.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.2<br />
71
72<br />
Je nach Steigung der Zinskurve bedeuten niedrige Zinsen<br />
auch ein erhöhtes Zinsänderungsrisiko. Banken können<br />
die Risiken daraus unterschätzen und zu sehr in<br />
langfristige Aktiva investieren, was sie bei kurzfristiger<br />
Refi nanzierung zu niedrigen Zinsen einem merklichen<br />
Zinsänderungs- und Refi nanzierungsrisiko aussetzt.<br />
In Zeiten niedriger Zinsen sinkt zudem die durchschnittliche<br />
Qualität der Schuldner, weil bei niedrigen<br />
Zinsen auch weniger einkommensstarke Haushalte<br />
und weniger ertragsstarke Firmen Kredite aufnehmen<br />
und zunächst bezahlen können. <strong>Die</strong> Erosion der Assetqualität<br />
zeigt sich dabei allerdings erst später, insbesondere<br />
dann, wenn der Zinszyklus dreht – denn solange<br />
die Zinsen niedrig sind, bleibt die Schuldendienstfähigkeit<br />
erhalten.<br />
In diesem Kontext ist zu erwähnen: Niedrige Zinsen führen<br />
auch zu einer Versuchung, Exposures gegenüber<br />
Schuldnern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufrechtzuerhalten,<br />
anstatt diese rechtzeitig einer Restrukturierung<br />
zuzuführen und die notwendigen Wertberichtigungen<br />
vorzunehmen. Warnendes Beispiel hierfür sind die<br />
sog. „Zombie-Unternehmen“, die sich in den Portfolien<br />
japanischer Banken befanden. Das Überleben solcher<br />
Zombie-Unternehmen ist nicht nur schädlich mit Blick<br />
auf die Assetqualität von Banken, sondern auch mit Blick<br />
auf die Allokation von Ressourcen in der Volkswirtschaft,<br />
denn solche Unternehmen verhindern die Marktbereinigung<br />
und den Markteintritt neuer Unternehmen, denen<br />
sowohl der Zugang zu Märkten als auch zu Fremdkapital<br />
erschwert wird. <strong>Die</strong> gleiche Versuchung besteht mit Blick<br />
auf die Behandlung überschuldeter Haushalte. <strong>Die</strong>s ist<br />
gerade im Fall von vorangehenden Immobilienblasen ein<br />
Problem, weil die Perpetuierung von Krediten an überschuldete<br />
Haushalte die notwendige Marktbereinigung<br />
auf den Immobilienmärkten verhindert.<br />
Außenwirtschaftliche Implikationen<br />
Niedrige Zinsen in den Industrieländern schaff en Anreize<br />
für Investoren, in diesen Ländern Kredite aufzunehmen<br />
und das Geld in höher rentierenden Anlagen<br />
in anderen Staaten zu investieren. Zielländer dieser<br />
sog. „carry trades“ sind typischerweise Schwellenländer,<br />
in denen die Nominalzinsen aufgrund des strukturell<br />
höheren Nominalwachstums üblicherweise höher<br />
sind als in den Industrieländern.<br />
Folge solcher „carry trades“ sind starke Nettokapitalzufl<br />
üsse in die Zielländer, die dort tendenziell eine Aufwertung<br />
sowie höhere Infl ation verursachen können. <strong>Die</strong>s gilt<br />
insbesondere dann, wenn die Kapitalmärkte in diesen<br />
Ländern wenig reif und dementsprechend wenig aufnahmefähig<br />
sind. Bereits im Jahre 2011 war dies ein ernsthaftes<br />
wirtschaftspolitisches Problem, welches u. a. zu einer<br />
Renaissance der Diskussion um Kapitalimportkontrollen<br />
als Mittel gegen exzessive Kapitalzufl üsse führte.<br />
In jenen Ländern, die einen festen Wechselkurs zu dominanten<br />
Währungsräumen mit einer Niedrigzinspolitik<br />
verteidigen, führt die Niedrigzinspolitik zu einer<br />
Übertragung der geldpolitischen Lockerung und der<br />
Gefahr einer importierten Infl ation. <strong>Die</strong> Erfahrungen<br />
Chinas während der Zeit niedriger US-Leitzinsen sind<br />
hierfür ein einschlägiges Beispiel.<br />
Maßnahmen<br />
Dauerhaft niedrige Zinsen können also schädliche,<br />
wenn auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen haben.<br />
Daraus ergeben sich einige Verpfl ichtungen für alle<br />
Akteure, um potenziellen Schaden abzuwenden oder<br />
wenigstens zu minimieren.<br />
<strong>Die</strong> Geldpolitik steht in der Pfl icht, die Angemessenheit<br />
niedriger Zinsen kritisch zu prüfen und eine Normalisierung<br />
der Geldpolitik nicht zu verschleppen.<br />
<strong>Die</strong> Banken müssen in einer anhaltenden Niedrigzinsphase<br />
besonders kritisch und regelmäßig prüfen, ob<br />
ihre Kunden auch unter normalen Konditionen leistungsfähig<br />
wären. Ein rigoroses, zeitnahes Stresstesting<br />
des Portfolios mit Blick auf diesen Aspekt ist geboten.<br />
<strong>Die</strong> Finanzaufsicht ist gehalten, eine strenge Prüfung<br />
auf exzessive Fristen- und Zinsrisiken in den Portfolien<br />
der Banken vorzunehmen.<br />
<strong>Die</strong> neu etablierte makroprudentielle Finanzaufsicht<br />
steht in der Pfl icht, Maßnahmen gegen Blasen auf Vermögensmärkten<br />
– etwa bei Immobilien oder Aktien –<br />
zu ergreifen, die in Zeiten niedriger Zinsen, wie gezeigt,<br />
leicht entstehen können. In Europa kommt dem<br />
European Systemic Risk Board (ESRB) hierbei eine<br />
besondere Verantwortung zu.<br />
Fazit<br />
<strong>Die</strong> Erfahrung aus Japan zeigt, dass es für eine Zentralbank<br />
schwierig ist, sich von einer Politik niedriger Zinsen<br />
wieder zu lösen. Je länger Zinsen niedrig bleiben,<br />
desto größer werden die Widerstände gegen eine Erhöhung,<br />
weil Assetallokationen im Vertrauen auf niedrige<br />
Zinsen vorgenommen wurden und Verluste drohen,<br />
wenn die Zinsen steigen. In den Augen derjenigen, die<br />
sich zu niedrigen Zinsen (hoch) verschuldet haben,<br />
wird die richtige Zeit für eine Zinserhöhung nie kommen!<br />
Verzerrungen, die aus zu niedrigen Zinsen resultieren,<br />
können den Samen für zukünftige Probleme<br />
legen. <strong>Die</strong>s gilt es bei der Gestaltung der Geldpolitik<br />
sowie bei der Analyse und Adressierung systemischer<br />
Risiken zu beachten.<br />
<strong>Die</strong> Wirkung langfristig niedriger Zinsen<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.2<br />
73
74<br />
4.3 Internationale Kapitalmärkte im Sog<br />
der globalen Gewichtsverschiebung<br />
Das Comeback Asiens und Lateinamerikas als bedeutende<br />
Spieler auf der weltwirtschaftlichen Büh ne<br />
hat lange vor der jüngsten Krise eingesetzt. <strong>Die</strong> Finanz-<br />
und Schuldenkrise in den entwickelten Län dern<br />
Europas und Nordamerikas hat diese Verschiebung<br />
der globalen Gewichte jedoch beschleunigt. Zwar sind<br />
die EU und USA noch immer die größten Wirtschaftsmächte<br />
der Welt, die zusammen gut 50 % der Wirtschaftsleistung<br />
auf sich vereinen, aber ihre Be deutung<br />
ist im Schwinden begriff en. Deutlich wird dies vor<br />
allem bei einem Blick auf die Wachstumsbeiträge der<br />
einzelnen Regionen in der letzten Dekade: <strong>Die</strong><br />
aufstrebenden Länder Asiens und Südamerikas sind<br />
für mehr als die Hälfte des realen Wachstums der<br />
letzten zehn Jahre verantwortlich; vor allem China hat<br />
eine neue Rolle als globale Wachstums lo ko mo tive<br />
übernommen.<br />
<strong>Die</strong>se Entwicklung hat mittlerweile auch ihren Niederschlag<br />
in den Institutionen der weltwirtschaftlichen<br />
Governance gefunden. Der exklusive Kreis der<br />
G7 wurde von der G20 als neuer inoffi zieller „Weltregierung“<br />
abgelöst; nicht nur die BRIC-Länder, sondern<br />
auch andere aufstrebende Länder wie Indo ne sien,<br />
Mexiko, Südafrika und die Türkei sind hier neben den<br />
fortgeschrittenen Ländern als gleich berechtigte Partner<br />
vertreten. Darüber hinaus hat der IWF Ende 2010<br />
eine grundsätzliche Neuausrichtung seiner Quoten<br />
Ungebrochene transatlantische Dominanz I<br />
Globaler Anleihenmarkt: ausstehende Volumina von öffentlichen und privaten Anleihen, regionale Verteilung in %<br />
18,1 % Japan &<br />
Australien<br />
46,8 % USA &<br />
Kanada<br />
Quelle: BIS, Allianz SE<br />
3,4 % Asien 2,3 % Lateinamerika<br />
2000<br />
0,4 % Rest<br />
29,0 % Europa<br />
beschlossen, wodurch zum Beispiel China zum drittgrößten<br />
Anteilseigner im IWF (hinter den USA und<br />
Japan) aufsteigt.<br />
<strong>Die</strong> Topographie der globalen Wirtschaft beschreibt<br />
heute also eine multipolare Welt. Vollzieht sich eine<br />
parallele Entwicklung auch auf den globalen Kapitalmärkten?<br />
Ist auch hier der Aufstieg der neuen Macht-<br />
und Wirtschaftszentren vor allem in Asien un aufhaltsam,<br />
das Zurückfallen Europas und der USA<br />
unvermeidlich?<br />
Der erste Blick scheint zu beruhigen. <strong>Die</strong> Stellung des<br />
Dollars als internationale Reservewährung ist unangefochten.<br />
Selbst die Herabstufung der Kreditwürdigkeit<br />
der USA durch eine Ratingagentur konnte dem<br />
Status der amerikanischen Währung nichts anhaben.<br />
Im Gegenteil: In der Krise war der Dollar als „Fluchtwährung“<br />
gefragt wie eh und je. Und außer dem Dollar<br />
hat allein der Euro bedeutendes Gewicht. Sein Anteil<br />
an den internationalen Devisenreserven ist in den<br />
Jahren seines Bestehens langsam, aber kontinuierlich<br />
gestiegen. Andere Währungen, die dem Dollar seine<br />
Sonderstellung im internationalen Währungssystem<br />
streitig machen könnten, sind nicht in Sicht. <strong>Die</strong> chinesische<br />
Währung verfügt zwar langfristig über das<br />
entsprechende Potenzial, aber solange der Yuan nicht<br />
konvertibel und der chinesische Kapitalmarkt nicht<br />
17,0 % Japan &<br />
Australien<br />
37,8 % USA &<br />
Kanada<br />
6,7 % Asien 2,6 % Lateinamerika<br />
2010<br />
0,5 % Rest<br />
35,5 % Europa<br />
Ungebrochene transatlantische Dominanz II<br />
Globaler Kreditmarkt: ausstehende Volumina von Krediten an private Nicht-Banken, regionale Verteilung in %<br />
21,2 % Japan &<br />
Australien<br />
39,9 % USA &<br />
Kanada<br />
Quelle: Weltbank, Allianz SE<br />
7,0 % Asien 1,4 % Lateinamerika<br />
2000<br />
1,3 % Rest<br />
29,1 % Europa<br />
entwickelt ist, ist an den Status einer internationalen<br />
Reservewährung nicht zu denken. Ein multipolares<br />
Währungssystem liegt mithin noch in weiter Ferne.<br />
<strong>Die</strong>s lässt sich auch darauf zurückführen, dass die<br />
Tiefe und Breite der amerikanischen und europäischen<br />
Kapitalmärkte weiterhin konkurrenzlos ist, insbesondere<br />
was die Anleihenmärkte betriff t. Ihr gemeinsamer<br />
Anteil von etwa drei Vierteln an allen<br />
weltweit ausstehenden Schuldtiteln hat sich in der<br />
vergangenen Dekade kaum verändert. Auf der anderen<br />
Seite sind die „Fortschritte“ der aufstrebenden<br />
Länder überschaubar: Ihr Weltmarktanteil stieg von<br />
6 % auf knapp 10 %.<br />
Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf die weltweite<br />
Kreditvergabe, auch hier ist die Kluft zwischen<br />
fortgeschrittenen auf der einen und aufstrebenden<br />
Ländern auf der anderen Seite unverändert groß. <strong>Die</strong>s<br />
refl ektiert die Reife und den Entwicklungsstand der<br />
Industrieländer. <strong>Die</strong>se Lücke schließt sich aber, und<br />
der Weltmarktanteil der Schwellenländer liegt bereits<br />
bei knapp 17 %.<br />
Zudem sind die hohen Kreditvolumina in den etablierten<br />
Volkswirtschaften nicht nur positiv zu sehen.<br />
Zu einem Teil spiegelt sich in ihnen das Schuldengetriebene<br />
Wachstum der letzten Dekade.<br />
Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung<br />
13,0 % Japan &<br />
Australien<br />
38,6 % USA &<br />
Kanada<br />
13,0 % Asien 2,0 % Lateinamerika<br />
2010<br />
1,8 % Rest<br />
31,6 % Europa<br />
Doch diese Entwicklung wird sich in den kommenden<br />
Jahren umkehren (müssen): Nach dem rasanten Aufbau<br />
der Schulden folgt zwangsläufi g der mühsame Abstieg<br />
vom Schuldenberg. Für die Mehrzahl der fortgeschrittenen<br />
Länder hat das Jahrzehnt der Austerität<br />
bereits begonnen; dieser Prozess des „Deleveraging“ in<br />
allen Bereichen, nicht nur bei den Staatsfi nanzen, wird<br />
die nächsten Jahre mehr oder weniger stark prägen.<br />
Im Gegenzug verfügen viele aufstrebende Länder noch<br />
über Spielräume, private wie öff entliche Verschuldung<br />
zu steigern. Eine höhere Verschuldung wird nicht zuletzt<br />
auch durch das Bestreben vieler Regierungen forciert,<br />
nach den Jahren des vor allem exportgetriebenen<br />
Wachstums nun die private Binnennachfrage zu fördern<br />
und dabei Sorge zu tragen, dass möglichst viele<br />
Bevölkerungsschichten am Wohlstand partizipieren<br />
können. Dabei wird ihnen die Suche der internationalen<br />
Investoren nach attraktiven Anlagemöglichkeiten<br />
jenseits der etablierten Märkte in die Hände spielen.<br />
Bleibt nur zu hoff en, dass Schuldner und Gläubiger zukünftig<br />
die Fehler der Vergangenheit vermeiden.<br />
Wie schnell sich aber die Dynamik auf den internationalen<br />
Kapitalmärkten verändern kann, haben in den<br />
letzten Jahren bereits die Aktienmärkte vorgeführt, die<br />
nicht vom Schuldenmachen der Staaten und privaten<br />
Haushalte, sondern vom Kapitalhunger erfolgreicher<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.3<br />
75
76<br />
Vormarsch der aufstrebenden Länder<br />
Globaler Aktienmarkt: Marktkapitalisierung, regionale Verteilung in %<br />
9,1 % Japan &<br />
Australien<br />
45,7 % USA &<br />
Kanada<br />
Quelle: Weltbank, Allianz SE<br />
6,4 % Asien 2,0 % Lateinamerika<br />
2000<br />
1,6 % Rest<br />
35,3 % Europa<br />
Unternehmen getrieben werden. Hier ist die Verschiebung<br />
der Gewichte augenfällig: Während Europa und<br />
die USA gut 20 Prozentpunkte ihres Weltmarktanteils<br />
verloren, konnten die aufstrebenden Länder ihren Anteil<br />
auf rund 30 % nahezu verdreifachen.<br />
Noch dramatischer fallen die Veränderungen aus, wenn<br />
nicht Bestand-, sondern Flussgrößen untersucht werden.<br />
Dann wird deutlich, dass die Börsen der aufstrebenden<br />
Länder den etablierten Handelsplätzen bereits<br />
den Rang abgelaufen haben: An den Börsen in Asien<br />
(ohne Japan) und Lateinamerika wurde 2010 mehr frisches<br />
Kapital aufgenommen als in Europa und den USA<br />
10,4 % Japan &<br />
Australien<br />
35,3 % USA &<br />
Kanada<br />
Wachwechsel<br />
Globaler Aktienmarkt: Aufnahme frischen Kapitals, regionale Verteilung in %<br />
3,8 % Japan &<br />
Australien<br />
40,4 % USA &<br />
Kanada<br />
13,0 % Asien 1,1 % Lateinamerika<br />
2000<br />
Quelle: World Federation of Exchanges, Allianz SE<br />
2,9 % Rest<br />
38,8 % Europa<br />
22,1 % Asien 4,3 % Lateinamerika<br />
2010<br />
3,3 % Rest<br />
24,6 % Europa<br />
zusammen. Vor zehn Jahren war die Situation noch diametral<br />
entgegengesetzt, die etablierten Börsen warben<br />
beinahe fünfmal mehr Kapital ein als der Rest der Welt.<br />
<strong>Die</strong> jüngste Entwicklung zeigt zudem, dass es sich bei<br />
den Zahlen für 2010 keineswegs um einmalige Ausreißer<br />
handelt. Der Trend setzt sich mit unverminderter<br />
Stärke fort: 2011 konnten allein die drei chinesischen<br />
Börsen Hongkong, Shanghai und Shenzhen Börsengänge<br />
mit einem Emissionsvolumen von über 57 Mrd.<br />
EUR verbuchen – mehr als doppelt so viel wie alle Börsen<br />
Europas zusammen. Auch beim Aktienhandel hat<br />
Asien Europa mittlerweile deutlich abgehängt.<br />
35,6 % Asien<br />
9,2 % Japan &<br />
Australien<br />
2010<br />
10,6 % Lateinamerika<br />
1,4 % Rest<br />
20,5 % Europa<br />
22,7 % USA &<br />
Kanada<br />
Im dynamischsten Segment der internationalen Kapitalmärkte,<br />
den Aktienmärkten, ist also bereits eine<br />
klare Gewichtsverlagerung zu erkennen. <strong>Die</strong> internationale<br />
Börsenlandschaft ist ohne Frage multipolar –<br />
und Europa muss sich anstrengen, um nicht den Anschluss<br />
zu verlieren.<br />
Auch wenn sich die Mehrzahl der fi nanziellen Vermögenswerte<br />
noch im Westen konzentriert, sind Dynamik<br />
und Wachstum mittlerweile vornehmlich an anderen<br />
Finanzzentren zu fi nden. Nach Maßgabe der<br />
Wachstumspotenziale der dahinterstehenden Volkswirtschaften<br />
dürfte sich an diesem Befund so schnell<br />
nichts ändern. Der vorgezeichnete weitere Bedeutungsverlust<br />
fi ndet schon heute seinen Ausdruck in<br />
den Börsenwerten der Banken, in denen sich die zukünftigen<br />
Ertragspotenziale widerspiegeln (sollten):<br />
Auch hier haben die aufstrebenden Länder die Führung<br />
übernommen, an der Spitze der Liste der wertvollsten<br />
Banken (nach Marktkapitalisierung) stehen<br />
heute zwei chinesische Institute.<br />
Dennoch besteht für Europa kein Grund zur Verzweiflung.<br />
<strong>Die</strong> internationalen Kapitalmärkte sind wie kein<br />
anderer Bereich der Wirtschaft global vernetzt. Was in<br />
der jüngsten Krise vielen Ländern zum Verhängnis<br />
wurde, bietet jedoch auch große Chancen. Denn Europa<br />
und <strong>Deutschland</strong> haben als <strong>Finanzstandort</strong> noch<br />
immer einen großen Kompetenzvorsprung vor den<br />
aufstrebenden Zentren in Asien, im Mittleren Osten<br />
und in Lateinamerika. Denn in Zukunft werden im<br />
internationalen Finanzwettbewerb nicht allein Innovationen,<br />
sondern zunehmend auch eine nachhaltige<br />
Regulierung, transparente Marktstandards, hohe<br />
Rechtssicherheit und politische Stabilität über Geschäftschancen<br />
entscheiden. Mit diesen Pfunden können<br />
Europa und <strong>Deutschland</strong> wuchern.<br />
Europas Zukunft als <strong>Finanzstandort</strong> von globalem<br />
Rang wird mehr und mehr auch jenseits seiner Grenzen<br />
liegen: <strong>Die</strong> Verbindung von europäischem Knowhow<br />
und Anlagegeldern mit den steigenden Finanzierungsbedürfnissen<br />
der aufstrebenden Länder kann für<br />
Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung<br />
Schwellenländer-Banken liegen vorne<br />
Marktkapitalisierung der 25 größten Banken der Welt,<br />
regionale Verteilung in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1999 2004 2007 2012<br />
■ Schwellenländer ■ Übrige Industrieländer ■ Japan<br />
■ Europa ■ USA<br />
Quelle: The Banker, Thomson, Bloomberg, DB Research<br />
beide Seiten zu einer gewinnbringenden Verbindung<br />
werden. Daher ist es auch im ureigenen Interesse Europas,<br />
sich für eine global einheitliche und konsistente<br />
Regulierung der Kapitalmärkte einzusetzen. Alleingänge<br />
– wie sie beispielsweise eine einseitige Einführung<br />
einer Finanztransaktionssteuer darstellen würde<br />
(siehe folgende Seite) – sind im höchsten Maße kontraproduktiv.<br />
Sie würden die Zukunftsfähigkeit der<br />
<strong>Finanzstandort</strong>e in Europa und <strong>Deutschland</strong> gefährden,<br />
die sich angesichts der globalen Gewichtsverschiebung<br />
Selbstbezogenheit und Isolierung nicht leisten können.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.3<br />
77
78<br />
Zur geplanten Finanztransaktionssteuer in Europa<br />
Im Einklang mit den G20-Zielen ergreift die Europäische<br />
Union verschiedene regulatorische Maßnahmen,<br />
die darauf abzielen, die Sicherheit und Integrität<br />
der Finanzmärkte zu erhöhen und somit<br />
zukünftige Krisen zu vermeiden. Zusätzlich plant<br />
sie, die Finanzbranche an der Finanzierung der Folgekosten<br />
der Finanzkrise zu beteiligen. <strong>Die</strong>se politische<br />
Motivation ist vor dem Hintergrund der Auswirkungen<br />
ebendieser Krise nachvollziehbar.<br />
Obwohl die konkrete Ausgestaltung einer möglichen<br />
Finanz transaktionssteuer derzeit noch unklar ist, erscheint<br />
eine Finanztransaktionssteuer jedoch nicht<br />
das geeignete Ins tru ment, um o. g. Zielsetzungen effektiv<br />
zu unterstützen – vielmehr können gegenteilige<br />
Effekte erwartet wer den. Eine Finanztransaktionssteuer<br />
wäre eine Steuer auf Verhalten und nicht<br />
auf Gewinne. Sie würde also die Entscheidungen<br />
wirtschaftlicher Akteure verändern und dadurch zu<br />
gesamtwirtschaftlichen Verzerrungen führen. <strong>Die</strong>se<br />
Verzerrungen könnten sehr umfangreich sein und<br />
stark negative Konsequenzen nach sich ziehen. Selbst<br />
die Europäische Kommission rechnet beispielsweise<br />
damit, dass die Finanztransaktionssteuer einen<br />
Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 % verursachen<br />
wird. 1<br />
Neben ihren negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen<br />
würde die Finanztransaktionssteuer allerdings<br />
auch den <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
schwächen. Schließlich kann erwartet werden, dass<br />
in großem Maße Geschäftsverlagerungen in nicht<br />
von der Steuer betroffene Gebiete stattfinden würden.<br />
Insbesondere wenn Großbritannien sich der<br />
Einführung einer solchen Steuer nicht anschließen<br />
würde, wären solche Reaktionen zu erwarten. Damit<br />
würde die Steuer keinerlei Lenkungswirkung entfalten,<br />
sondern lediglich den <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
deutlich schwächen.<br />
Der, wie oben dargestellt, vermutlich geringe fiskalische<br />
Beitrag einer Finanztransaktionssteuer würde<br />
in großen Teilen von Unternehmen und Privathaushalten<br />
getragen werden. Beide würden unter den<br />
durch eine Finanztransaktionssteuer stark erhöhten<br />
Transaktionskosten leiden. <strong>Die</strong>se würden schließlich<br />
nicht nur um den Betrag der Steuer selbst steigen.<br />
Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass<br />
„Market Maker“, also Liquidität spendende Marktteilnehmer,<br />
ihre eigene Steuerlast in Form größerer<br />
Handelsspannen an ihre Kunden weitergeben würden.<br />
Damit käme es zu einer doppelten Belastung.<br />
<strong>Die</strong> Realwirtschaft würde insbesondere unter erhöhten<br />
Finanzierungskosten leiden. <strong>Die</strong>se würden einerseits<br />
aus höheren Renditeerwartungen von Investoren<br />
in Aktien und Unternehmensanleihen resultieren,<br />
welche die gestiegenen Transaktionskosten in den<br />
Wert papierkursen berücksichtigen würden. Gleichzeitig<br />
wären Unternehmen auch in ihrem finanziellen<br />
Risikomanagement betroffen, für das sie Derivate<br />
einsetzen. 2 Hier würden sie sich besonders starken<br />
Kosten steigerungen gegenübersehen, da eine Transaktionssteuer<br />
bemessen am Nominalwert eines Derivats<br />
gegenüber dessen Marktwert überpropor tional hoch<br />
ausfallen würde (der globale Marktwert von OTC-<br />
Derivaten beträgt beispielsweise nur etwa 3 % des<br />
gesamten Nominalwerts 3 ).<br />
Auch Sparer wären stark von der Finanztransaktionssteuer<br />
betroffen – zu einer Zeit, in der private Altersvorsorge<br />
kontinuierlich an Bedeutung gewinnt.<br />
<strong>Die</strong>s würde nicht nur für ihre eigenen Handelsaktivitäten,<br />
sondern insbesondere für die von ihnen gehaltenen<br />
Fondsprodukte gelten. Hier würde nicht<br />
nur auf den Kauf der Anteile Finanztransaktionssteuer<br />
anfallen, sondern auch auf jede Transaktion<br />
im Rahmen des Portfoliomanagements. Nach einer<br />
Schätzung der European Fund and Asset Management<br />
Association (EFAMA) würde dies das Vermögen<br />
von Fondssparern signifikant reduzieren. 4<br />
1 Vergleiche das Impact Assessment der Europäischen Kommission<br />
zur Finanztransaktionssteuer, SEC (2011) 1102. Weitere Studien<br />
gehen sogar von noch größeren Auswirkungen aus, z. B. rechnet<br />
Oxera mit einer Reduktion des BIP um 2,4 % (Oxera, 2011, „What<br />
would be the economic impact of the proposed financial transaction<br />
tax on the EU?“).<br />
2 Gemäß einer Erhebung der ISDA (2009) nutzen über 94 % der<br />
weltgrößten Unternehmen Derivate.<br />
3 Quelle: Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich,<br />
6/11.<br />
4 Vergleiche EFAMA, 2012, „Potential Impact of the FTT on the<br />
UCITS Industry“.<br />
Internationale Kapitalmärkte im Sog der globalen Gewichtsverschiebung<br />
<strong>Die</strong> negativen Konsequenzen einer Finanz trans aktions<br />
steuer würden die mit ihr verbundenen Hoffnungen<br />
in Bezug auf Steuereinnahmen und Regulierung<br />
des Finanzmarktgeschehens klar überwiegen.<br />
Sie würde die Krisenbeständigkeit des Finanzsystems<br />
nicht erhöhen, würde aber das Wachstum verlangsamen<br />
und Realwirtschaft und Sparern hohe Kosten<br />
auferlegen. Der Fokus regulatorischer Initiativen<br />
sollte daher, wie bislang, auf der Erhöhung von Systemstabilität<br />
und -transparenz verbleiben.<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
4.3<br />
79
80<br />
DFD-Arbeitsgruppe Volkswirte<br />
Allianz SE<br />
Dr. Arne Holzhausen<br />
Bayerische Landesbank<br />
Dr. Jürgen Pfi ster<br />
Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Volksbanken und Raiff eisenbanken<br />
Dr. Andreas Bley<br />
Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Volksbanken und Raiff eisenbanken<br />
Jan Philip Weber<br />
Bundesverband deutscher Banken<br />
Volker Hofmann<br />
Commerzbank<br />
Patrick Panther<br />
DekaBank<br />
Dr. Ulrich Kater<br />
<strong>Deutsche</strong> Bank<br />
Dr. Bernhard Speyer<br />
<strong>Deutsche</strong> Börse<br />
Raimar <strong>Die</strong>ckmann<br />
<strong>Deutsche</strong> Postbank<br />
Dr. Marco Bargel<br />
<strong>Deutsche</strong>r Sparkassen- und Giroverband<br />
Dr. Patrick Steinpaß<br />
DZ BANK<br />
Dr. Hans Jäckel<br />
Gesamtverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Versicherungswirtschaft<br />
Dr. Michael Wolgast<br />
Gesamtverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Versicherungswirtschaft<br />
Walter Buttenböck<br />
KfW<br />
Karsten Backhaus<br />
Morgan Stanley<br />
Kai Tschöke<br />
UniCredit Bank<br />
Andreas Rees<br />
Assoziierte Mitglieder des DFD<br />
Mitglieder des Dialogforums <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Mitglieder<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
81
82<br />
Impressum<br />
klimaneutral<br />
natureOffice.com | DE-134-806130<br />
gedruckt<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Dialogforum <strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> (DFD)<br />
Federführend für den<br />
<strong>Finanzstandort</strong> <strong>Deutschland</strong> Bericht Nr. 8 – 2012:<br />
Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n Volksbanken<br />
und Raiff eisenbanken (BVR)<br />
Dr. Andreas Bley<br />
Schellingstraße 4, 10785 Berlin<br />
www.bvr.de<br />
Bildkonzept, Satz, Produktion<br />
NewMark Finanzkommunikation GmbH<br />
Zum Laurenburger Hof 76, 60594 Frankfurt am Main<br />
www.newmark.de<br />
Druck<br />
ColorDruckLeimen GmbH<br />
Gutenbergstraße 4, 69181 Leimen<br />
www.colordruck.com<br />
Nachdruck, auch auszugsweise,<br />
nur mit schriftlicher<br />
Genehmigung des Herausgebers<br />
Juni 2012<br />
DIALOGFORUM FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND | Bericht Nr. 8 – 2012<br />
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