Themen dieser Ausgabe Editorial - Schultze & Braun GmbH
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<strong>Editorial</strong><br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
Neues Jahr – neues Glück! Die Welt dreht sich immer noch, Chinas Wirtschaft ist während der Krise um<br />
unglaubliche 8,5% gewachsen und Deutschlands Wirtschaft nur um 5,0% geschrumpft – doch sie wächst<br />
schon wieder, dank Export. Auch der von uns zum Jahresende vorhergesagte Double Dip ist bislang nicht<br />
eingetreten.<br />
Auf der anderen Seite stehen die Fast-Pleiten von Staaten wie Island oder Griechenland, die massive Staatsverschuldung<br />
in allen anderen westlichen Ländern aber auch die Warnung vor diversen Immobilien- und<br />
Spekulationsblasen in Asien. Bezüglich letzterem stimmt einen dann nachdenklich, dass die Finanzaufsicht<br />
von China nach neuesten Meldungen nunmehr auch Leerverkäufe an den chinesischen Börsen erlauben will<br />
– mutmaßlich einer der Katalysatoren der „westlichen“ Finanzkrise.<br />
Dennoch: Sollten keine Schocks auftreten dann besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die<br />
Wirtschaft langsam aber stetig erholen wird und Deutschland bis spätestens 2015 wieder das Vorkrisenniveau<br />
erreicht haben wird. Angesichts der Hiobsbotschaften des vergangenen Jahres fast schon eine positive<br />
Nachricht. In diesem Sinne: ein Frohes Neues Jahr!<br />
Nachdem wir schon in den vergangenen <strong>Ausgabe</strong>n der Entscheidungsflut der Gerichte im Bereich Insolvenz<br />
und Sanierung durch die Einrichtung der Rubrik Newsticker Rechnung getragen haben, beginnen wir in<br />
<strong>dieser</strong> <strong>Ausgabe</strong> des Infobriefes gleich noch eine neue Rubrik: Berliner Splitter. In Anbetracht der aktuellen<br />
Flut von Reformvorschlägen wollen wir an <strong>dieser</strong> Stelle die Reformbestrebungen komprimiert darstellen und<br />
kommentieren.<br />
Wir wünschen dem geneigten Leser eine angenehme Lektüre.<br />
<strong>Themen</strong> <strong>dieser</strong> <strong>Ausgabe</strong><br />
1. Berliner Splitter 2<br />
2. Risiken beim Cash Pooling – Teil I 3<br />
3. Der PSV in Krise und Insolvenz 5<br />
4. Entschärfung der Verlustabzugsbeschränkung (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) 7<br />
5. Newsticker 9<br />
1
1. Berliner Splitter<br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
Mehr als zehn Jahre nach In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung<br />
und im Angesicht der größten Rezession<br />
der Nachkriegsgeschichte ist eine Diskussion über die<br />
Notwendigkeit weiterer Reformen auf breiter Front in<br />
Gang gekommen.<br />
So sieht der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben<br />
Regierung eine umfassende Reform des Insolvenzrechts<br />
vor. Neben der Schaffung eines Restrukturierungsverfahrens<br />
für Banken soll auch die Restrukturierung<br />
und Fortführung von sanierungsfähigen<br />
Unternehmen erleichtert werden – mit dem bislang<br />
noch nicht in der Insolvenzordnung enthaltenen Ziel<br />
der Arbeitsplatzerhaltung. Ergänzend ist geplant, ein<br />
außergerichtliches Sanierungsverfahren einzuführen.<br />
Die Koalition will das Insolvenzplanverfahren vereinfachen<br />
und im Sinne eines Restrukturierungsrechts<br />
noch stärker auf die Frühsanierung von Unternehmen<br />
ausrichten. Ferner soll die systemwidrige Bevorzugung<br />
der Sozialkassen (die erst in der letzten Legislaturperiode<br />
eingeführt wurde) wieder abgeschafft werden,<br />
Regelungsbedarf beim Überschuldungsbegriff, dem<br />
Verbraucherinsolvenzverfahren und der Verwalterauswahl<br />
soll geprüft werden.<br />
Gerade der letzte Punkt – die Verwalterauswahl –<br />
erhitzt schon seit einiger Zeit die Gemüter. Dementsprechend<br />
setzt auch der Deutsche Industrie- und<br />
Handelskammertag (DIHK) in seinem ersten von<br />
zehn Vorschlägen zur Reform des Insolvenzrechts auf<br />
einen stärkeren Einfluss der Gläubiger auf die Wahl<br />
des Insolvenzverwalters.<br />
Demgegenüber fordert der Verband der Insolvenzverwalter<br />
Deutschlands die Verklammerung des eigenen<br />
Berufsstandes, also die allgemeinverbindliche Regelung<br />
der Zulassung zum Beruf des Insolvenzverwalters.<br />
Ob und Inwieweit ein solches Ansinnen angesichts<br />
des europäischen Rechtsrahmens durchsetzbar<br />
ist, mag dahingestellt bleiben, deutlich wird an diesen<br />
Überlegungen jedoch, dass die Professionalisierung<br />
der Sanierung zunimmt – dies wird nicht zum Schaden<br />
der Gläubiger sein und diesen soll das Insolvenzverfahren<br />
schließlich dienen.<br />
Neben dem erhöhten Einfluss auf die Verwalterbestellung<br />
fordert der DIHK eine Stärkung der Eigenverwaltung,<br />
Regelungen, um sog. „Akkordstörer“ in<br />
den Griff zu bekommen, und die Möglichkeit, einen<br />
sog. „Debt-Equity-Swap“ auch gegen den Willen des<br />
Gesellschafters des insolventen Unternehmens durchführen<br />
zu können.<br />
Diese und weitere Vorschläge, die durchaus zur Stärkung<br />
des Insolvenzplanverfahrens führen können,<br />
befinden sich in Übereinstimmung mit den von der<br />
Regierungskoalition skizzierten Änderungsvorschlägen.<br />
Dies gilt auch für die ebenfalls vom DIHK<br />
vorgeschlagene Einführung eines „Unternehmensschutzschirmes“<br />
zur Vorbereitung eines Insolvenzplanverfahrens,<br />
welches möglicherweise in einem<br />
regulierten außergerichtlichen Sanierungsverfahren<br />
aufgehen könnte.<br />
Nach Meinung nicht nur des DIHK, sondern auch des<br />
Insolvenzrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins<br />
und der Gesellschaft für Restrukturierung TMA<br />
Deutschland e.V. (TMA) soll die Verbesserung des<br />
insolvenzrechtlichen Instrumentariums auch von<br />
einer umfassenden Freistellung eines etwaigen Sanierungsgewinns<br />
von der Besteuerung flankiert werden.<br />
Wir haben bereits mehrfach das Thema Sanierung und<br />
Steuern angesprochen, zuletzt in der <strong>Ausgabe</strong> II/2009,<br />
und hoffen, dass trotz der schlechten Haushaltslage<br />
eine „sanierungsgerechte“ Lösung der Besteuerungsfrage<br />
gefunden wird. Denn gerade bei Sanierung von<br />
Konzernen mit mehreren Standorten im Bundesgebiet<br />
handelt die Finanzverwaltung nicht immer einheitlich<br />
– was die Sanierung von Unternehmen und<br />
Konzernen durchaus nicht erleichtert.<br />
Wir werden die Reformvorhaben weiter verfolgen und<br />
in nächster Zeit genauer auf einzelne, sich konkretisierende<br />
Vorschläge eingehen.<br />
2<br />
Rechtsanwalt<br />
Registered European Lawyer (London)<br />
Dr. Volker Beissenhirtz, LL.M.<br />
Berlin<br />
VBeissenhirtz@schubra.de
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
2. Risiken beim Cash Pooling –<br />
Teil I<br />
Um vorhandene Liquidität optimal nutzen zu können<br />
und Kosten externer Kreditaufnahme zu vermeiden,<br />
setzen mittlerweile viele Konzerne auf Finanzmanagement<br />
mittels Cash-Pooling. Grundsätzlich werden<br />
hierbei zum Tagesende sämtliche Salden der am<br />
Cash-Pool teilnehmenden Gesellschaftskonten miteinander<br />
verrechnet und einem zentralen Konto gutgeschrieben.<br />
Rechtlich betrachtet handelt es sich hierbei<br />
jeweils um gegenseitig gewährte Darlehen.<br />
Zu unterscheiden ist zwischen physischem und virtuellem<br />
Cash-Pooling: Beim virtuellen Cash-Pooling<br />
(auch: „notional pooling“) findet lediglich eine<br />
fiktive Verrechnung der valutarischen Salden statt,<br />
ohne dass diese tatsächlich auf einem Zentralkonto<br />
zusammenfließen. Beim in Deutschland überwiegend<br />
praktizierten physischen Cash-Pooling hingegen werden<br />
die Gesellschaftskonten am Ende des Tages nach<br />
Zuführung der Salden auf das Zielkonto entweder auf<br />
null gestellt (sog. „zero-balancing“) oder aber bis zu<br />
vereinbarten Beträgen ausgeglichen. Bei diesen Zahlungen<br />
werden entweder die Gesellschaftskonten oder<br />
aber das Zielkonto ausgeglichen. Befindet sich also<br />
beispielsweise das Konto einer Tochtergesellschaft<br />
im Soll, so wird dieses durch ein von der Muttergesellschaft,<br />
oder kontentechnisch gesprochen durch<br />
das Zielkonto, gewährtes Darlehen ausgeglichen<br />
(„downstream loan“/absteigendes Darlehen). Andersherum<br />
gewähren die Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft<br />
Darlehen auf deren Zielkonto, soweit<br />
die Tochterkonten Überschüsse aufweisen, bzw. das<br />
Zielkonto eines Ausgleichs bedarf („upstream loan“/<br />
aufsteigendes Darlehen).<br />
Grundsätzlich gelten auch in einem Cash-Pool-<br />
Verbund die zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung<br />
entwickelten Rechtsprinzipien. Spezielle<br />
Probleme ergeben sich vornehmlich daraus, dass<br />
die Saldierung, welche im Rahmen des Cash-Pools<br />
und unter Einbeziehung oft zahlreicher Konten von<br />
Tochtergesellschaften und unzähliger Einzeldarlehen<br />
einmal täglich stattfindet, auf die gesetzliche Regelung,<br />
welche nur eine Momentaufnahme darstellt<br />
(eine Darlehensgewährung des Gesellschafters an die<br />
Gesellschaft), nicht so recht passt.<br />
Durch die Neuregelungen des MoMiG wollte der<br />
Gesetzgeber das weltweit praktizierte Cash-Pool-System<br />
auch für Deutschland rechtlich absichern. Wie<br />
neuere Urteile des Bundesgerichtshofes indizieren,<br />
dürfte er dieses Ziel aber zumindest nicht uneingeschränkt<br />
erreicht haben.<br />
Im ersten Teil der Darstellung beschäftigen wir uns<br />
mit den Auswirkungen der Rechtsgrundsätze der<br />
Kapitalaufbringung auf das Cash-Pooling. In einem<br />
zweiten Teil der Darstellung in der nächsten <strong>Ausgabe</strong><br />
des Infobriefes werden wir dann die Regelungen zur<br />
Kapitalerhaltung auf ihre Auswirkungen zum Cash-<br />
Pool untersuchen.<br />
Zunächst zur Kapitalaufbringung. Das Recht der<br />
Kapitalaufbringung regelt, wie das Stammkapital bei<br />
Gründung der Kapitalgesellschaft aufzubringen ist,<br />
so dass es den Geschäftsführern/Vorständen für den<br />
Gesellschaftszweck tatsächlich zur Verfügung steht.<br />
Gesellschafter versuchen nicht selten, die Regeln über<br />
die Kapitalaufbringung zu umgehen, beispielsweise<br />
durch ein nur kurzfristiges Einzahlen der Stammeinlage<br />
auf das Gesellschaftskonto, gefolgt von einem<br />
sofortigen Abbuchen auf Grund eines Darlehensvertrages<br />
nach Eintragung (sog. Hin- und Herzahlen).<br />
Nach altem Recht führte die Praxis des Hin- und<br />
Herzahlens regelmäßig nicht zu einer Befreiung des<br />
Gesellschafters von seiner Einlagepflicht. Mit dem<br />
MoMiG kehrte der Gesetzgeber zur sog. „bilanziellen<br />
Betrachtungsweise“ zurück, sodass Hin- und Herzahlen<br />
bei positivem Saldo des Gesellschaftskontos nach<br />
reformiertem Recht völlig unbedenklich praktiziert<br />
werden kann, sofern „die Leistung durch einen vollwertigen<br />
Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit<br />
fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die<br />
Gesellschaft fällig werden kann. Eine solche Leistung<br />
oder die Vereinbarung einer solchen Leistung ist in der<br />
Anmeldung nach § 8 anzugeben“ (§ 19 V <strong>GmbH</strong>G).<br />
Diese drei in der Norm genannten Kriterien sind allerdings<br />
nicht leicht zu erfüllen, daher ist für die verschiedenen<br />
Anforderungen v.a. Folgendes zu beachten: Der<br />
Rückgewähranspruch ist dann vollwertig, wenn im<br />
Zeitpunkt der Rückgewähr beim Gesellschafter nach<br />
dessen Befriedigung aller übrigen fälligen Forderungen<br />
an andere Gläubiger noch genug Rücklagen zur<br />
Rückzahlung der Gesellschaftsforderung bestehen.<br />
Die sich später verschlechternde Bonität des Gesellschafters<br />
führt nicht zu einer rückwirkenden Unwirksamkeit<br />
der Kapitalaufbringung. Es besteht jedoch<br />
möglicherweise ein Haftungsrisiko für die Geschäftsführer,<br />
wenn diese nicht auf eine rechtzeitige Rückforderung<br />
des Darlehens bestehen.<br />
Die gewährten Darlehen müssen sofort und ohne<br />
Angabe von Gründen jederzeit kündbar sein. Ebenso<br />
wie bei der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs<br />
3
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
reicht es dem BGH auch beim Merkmal „jederzeit<br />
fällig“ nicht aus, dass die Gesellschaften jederzeit auf<br />
Mittel des Cash-Pools zurückgreifen können. Vielmehr<br />
bedarf es z. B. einer besonderen Kündigungsklausel.<br />
Auch bei der gesetzlich geforderten Offenlegung führt<br />
die banktägliche Saldierung beim Cash-Pool zu Problemen<br />
gegenüber dem Handelsregister. In seinem sog.<br />
„Cash-Pool II“-Urteil hat der BGH entschieden, dass<br />
die Offenlegung ein konstitutives Merkmal für die<br />
Erfüllungswirkung darstelle. Demnach kann das Handelsregister<br />
die Eintragung der Kapitalmaßnahme verweigern,<br />
wenn der Cash-Pool nicht offengelegt wird.<br />
Weitaus einfacher ist nach neuer Rechtslage die verdeckte<br />
Sacheinlage. Eine solche liegt vor, wenn die<br />
gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen dadurch umgangen<br />
werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird,<br />
die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung<br />
vom Gesellschafter auf Grund einer im Zusammenhang<br />
mit der Übernahme der Einlage getroffenen<br />
Absprache einen Sachwert erhalten soll, wie z. B. der<br />
unmittelbar nach Einlageerbringung erfolgte Kauf<br />
einer Sache vom Gesellschafter.<br />
Aufgrund der Risiken, welche sich vor allem in der<br />
Werthaltigkeit der einzubringenden Sache niederschlagen<br />
(die Sache spiegelt nicht den Wert des dafür<br />
gezahlten Kaufpreises wider) bestand in diesen Fällen<br />
nach altem Recht für den Gesellschafter weiterhin die<br />
Pflicht zur kompletten (Neu-)Erbringung der Einlagenleistung.<br />
Durch Inkrafttreten des MoMiG hat sich<br />
dies entscheidend geändert: Denn auch wenn der verdeckt<br />
eingebrachten Sache die Gefahr anhaftet, dass<br />
ihr Wert der Kaufpreishöhe nicht entspricht, so wird<br />
sie dennoch irgendeinen Wert haben. Die Verträge<br />
über die Sacheinlage sind daher nach neuem Recht<br />
wirksam, und der Wert der verdeckten Sacheinlage<br />
wird zum Zeitpunkt der Handelsregisteranmeldung<br />
auf die noch zu entrichtende Bareinlage angerechnet.<br />
Praxistipp:<br />
Aufgrund der schwer zu befolgenden Voraussetzungen<br />
zum Hin- und Herzahlen erscheint<br />
die verdeckte Sacheinlage fast „privilegiert“.<br />
Dies ist bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise<br />
jedoch verständlich, da die Darlehensgewährung<br />
und deren schuldrechtlicher<br />
Rückgewährungsanspruch eben nicht die gleiche<br />
Qualität aufweisen, wie die durch den Vermögensrückfluss<br />
getilgte Darlehensforderung.<br />
Allerdings besteht ähnlich wie beim Hin-<br />
und Herzahlen ein erhöhtes Risiko für den<br />
Geschäftsführer der Gesellschaft, da die<br />
Anrechnung ja erst zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung<br />
erfolgt. Regelmäßig<br />
würde der Geschäftsführer daher eine „falsche“<br />
Versicherung abgeben, da das Vermögen eben<br />
noch nicht zur endgültigen freien Verfügung<br />
bereitsteht. Probleme bzgl. Darlehenstilgung<br />
und damit verbundenen, verdeckten Sacheinlagen<br />
können daher nur umgangen werden, wenn<br />
der Gesellschafter seine Tilgungsbestimmung<br />
mit dem Zusatz der „Aufrechnung“ versieht.<br />
In diesem Falle wird regelmäßig das Darlehen<br />
getilgt und die Einlagepflicht bleibt weiterhin<br />
vollumfänglich bestehen.<br />
Der Beitrag wird fortgesetzt im Infobrief<br />
II/2010.<br />
„Cash-Pool I-Urteil“: BGH, Urteil vom 16.01.2006 –<br />
II ZR 76/04;<br />
„November-Urteil“: BGH, Urteil vom 24.11.2003 –<br />
II ZR 171/01; revidiert nach Erlass MoMiG: „MPS-<br />
Urteil“, BGH, Urteil vom 01.12.2008 – II ZR 102/07<br />
„Cash-Pool II-Urteil“: BGH, Urteil vom 20.07.2009 –<br />
II ZR 273/07<br />
Ref. jur. Viola Köndgen<br />
Berlin<br />
VKoendgen@schubra.de<br />
4<br />
Rechtsanwalt<br />
Registered European Lawyer (London)<br />
Dr. Volker Beissenhirtz, LL.M.<br />
Berlin<br />
VBeissenhirtz@schubra.de
3. Der PSV in Krise und<br />
Insolvenz<br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
Im Rahmen außergerichtlicher Vergleiche fristet die<br />
Möglichkeit der Übernahme betrieblicher Versorgungsleistungen<br />
durch den Pensionssicherungsvereins<br />
auf Gegenseitigkeit (PSV) ein fast unbemerktes<br />
Dasein. Das liegt ggf. daran, dass diese Möglichkeit<br />
relativ unbekannt ist oder erst gar nicht in Betracht<br />
gezogen wird, da die Anforderungen an einen solchen<br />
Antrag sehr hoch gesteckt sind, zumal der PSV sich<br />
bei der Zustimmung zu einem außergerichtlichen<br />
Sanierungsvergleich äußerst zurückhaltend verhält.<br />
Der nachfolgende Artikel gibt – nach einer kurzen<br />
Darstellung der Grundlagen – einen Überblick über<br />
die Rolle des PSV in Krise und Insolvenz.<br />
Mit der auf Initiative der Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände e.V., des Bundesverbandes<br />
der Deutschen Industrie e.V. und des Verbandes der<br />
Lebensversicherungs-Unternehmen e.V. im Jahre 1974<br />
vollzogenen Gründung des PSV haben die Arbeitgeber<br />
auf der Grundlage des Betriebsrentengesetzes<br />
(BetrAVG) einen Insolvenzschutz geschaffen, dem ca.<br />
10 Millionen Versorgungsberechtigte (Betriebsrentner<br />
und Anwärter) bei rund 73.000 Mitgliedsunternehmen<br />
unterstehen.<br />
Der PSV ist als privatwirtschaftlich organisiertes<br />
Unter nehmen der gesetzlich vorgesehene Träger der<br />
Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung.<br />
Mit dem Regelfall der Insolvenzeröffnung<br />
(Sicherungsfall) ist der PSVaG nach Maßgabe des<br />
BetrAVG für Ansprüche der Versorgungsberechtigten<br />
eintrittspflichtig. Die Insolvenzsicherung finanziert<br />
sich aus Beiträgen der insolvenzsicherungspflichtigen<br />
Arbeitgeber, wobei die Abwicklung der Rentenzahlungen<br />
durch ein Versicherungskonsortium unter der<br />
Führung der Allianz Lebensversicherungs-AG, Stuttgart,<br />
erfolgt.<br />
Hierzulande wird die betriebliche Altersversorgung<br />
noch überwiegend als unmittelbar zu erbringende<br />
Versorgungsleistungen (Direktzusagen) erbracht. In<br />
der Bilanz des Unternehmens müssen für die mit der<br />
Zusage eingegangenen Verpflichtungen Rückstellungen<br />
gebildet werden. Ein damit verbundenes grundlegendes<br />
Problem stellt bei unmittelbaren Versorgungszusagen<br />
der Bilanzansatz in der Steuerbilanz dar, der<br />
den tatsächlichen Verpflichtungsumfang <strong>dieser</strong> Versorgungszusagen<br />
nur unzutreffend wiedergibt. In der<br />
jüngeren Vergangenheit war zudem zu beobachten,<br />
dass vor allem bei großen Unternehmen mit entspre-<br />
chenden Versorgungswerken, eine Belastung entstanden<br />
ist, deren Ausmaß in Ermangelung einer ausreichenden<br />
bilanziellen Abbildung nicht selten zu spät<br />
erkannt wurde. Da Versorgungszusagen nicht nur die<br />
Passivseite einer Bilanz, sondern auch die Liquidität<br />
des Unternehmens belasten, spielen sie bei Sanierungen<br />
zunehmend eine zentrale Rolle.<br />
Es mag nun verwundern, dass der PSV bei außergerichtlichen<br />
Sanierungen eher ein „Mauerblümchendasein“<br />
fristet, da er im Falle einer Insolvenz per se<br />
eintrittspflichtig wäre und daher ein gewichtiges<br />
Eigeninteresse haben müsste, das Unternehmen zu<br />
erhalten. Möglicherweise betreibt der PSV mit seiner<br />
Zurückhaltung „Prophylaxe“, um eine Mentalität<br />
dahingehend „der PSV wird´s schon richten“, bereits<br />
im Keim zu ersticken. Es darf hierbei aber auch nicht<br />
vergessen werden, dass der PSV Mitgliedsbeiträge<br />
verwaltet, weshalb ihm schon aus diesem Grund die<br />
Zustimmung nur nach sorgfältiger Prüfung eines<br />
Antrags möglich ist.<br />
Die Zustimmung des PSV zu einem außergerichtlichen<br />
Vergleich setzt einen begründeten Antrag voraus.<br />
Für einen Antrag hat der PSV in einem Merkblatt<br />
(110/M 1) klare Grundsätze aufgestellt, das auf der<br />
Homepage www.psvag.de eingesehen werden kann.<br />
Nicht selten scheitert ein außergerichtlicher Sanierungsversuch<br />
an einem mangelhaft vorbereiteten<br />
Antrag.<br />
Aus dem Antrag muss sich im Wesentlichen ergeben,<br />
dass das Unternehmen sanierungswürdig und sanierungsfähig<br />
und die Übernahme von Pensionsleistungen<br />
durch den PSV geeignet ist, die Fortführung des Unternehmens<br />
nachhaltig zu sichern. Ein Nachweis, den<br />
üblicherweise auch andere Gläubiger, vornehmlich die<br />
Kreditinstitute, verlangen. Ferner ist erforderlich und<br />
auch nachzuweisen, dass alle weiteren Gläubiger (z.B.<br />
Banken, Lieferanten, Arbeitnehmer etc.) und schließlich<br />
auch die Eigentümer bereit sind, einen angemessenen<br />
Sanierungsbeitrag zu leisten. Da die Prüfung des<br />
PSV einige Zeit in Anspruch nimmt, empfiehlt es sich<br />
dringend, so früh wie möglich mit dem PSV in Kontakt<br />
zu treten. Wenn die Voraussetzungen für die Zustimmung<br />
– auf die kein Rechtsanspruch besteht – vorliegen,<br />
kann der Sanierungsbeitrag des PSV in vielfältiger<br />
Weise erfolgen (s. u. beim Insolvenzplanverfahren, welches<br />
sich für den PSV, da ebenfalls auf den Erhalt des<br />
Unternehmensträgers gerichtet, ähnlich gestaltet, wie<br />
die außergerichtliche Sanierung).<br />
Lässt sich die Krise nicht abwenden und muss das<br />
Insolvenzverfahren beantragt werden, ist der Insol-<br />
5
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
venzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
gesetzlich verpflichtet, dem PSV die für die Leistungsfestsetzung<br />
erforderlichen Daten der Versorgungsberechtigten<br />
im Rahmen des so genannten Meldedialogs<br />
(elektronische Datenübermittlung) mitzuteilen.<br />
Erst damit wird <strong>dieser</strong> in den Stand versetzt, seiner<br />
Eintrittspflicht nachzukommen. Die dafür vor allem<br />
in Großverfahren benötigte Bearbeitungszeit – die<br />
Betriebsrentner haben häufig schon geraume Zeit vor<br />
dem Insolvenzantrag keine Zahlungen mehr erhalten<br />
(s.u.) – hängt erheblich von der Qualität der im Unternehmen<br />
vorhandenen Daten und dem zur Verfügung<br />
stehenden (qualifizierten) Personal ab. Je schneller der<br />
PSV in die Lage versetzt wird, die Versorgungsansprüche<br />
dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen, umso<br />
zügiger kann eine Überleitung der Ansprüche auf das<br />
Versicherungskonsortium und die Zahlungsaufnahme<br />
der Betriebsrenten durch die Allianz Lebensversicherungs-AG<br />
erfolgen.<br />
Dabei ist zu beachten, dass von der Insolvenz des<br />
Unternehmens häufig die Versorgungsempfänger<br />
(Betriebsrentner) gleichermaßen betroffen sind. Die<br />
Leistungen der Insolvenzsicherung greifen v.a. in<br />
Großinsolvenzen erfahrungsgemäß erst nach mehreren<br />
Monaten. Regelmäßig ist die Personalabteilung<br />
als Anlauf- und Ansprechstelle nicht in der Lage, über<br />
das Tagesgeschäft hinaus den durch die Betriebsrentner<br />
bedingten zusätzlichen Aufwand zu bewältigen.<br />
Hier hat sich die Vereinbarung eines „vorläufigen Zahlungsweges“<br />
mit dem PSV bewährt. Zur Vermeidung<br />
sozialer Härten, die den Betriebsrentnern aufgrund<br />
der erforderlichen Bearbeitungszeit entstehen, stellt<br />
der PSV dem Insolvenzverwalter nach Abschluss einer<br />
Vereinbarung die Geldmittel zur Auszahlung an die<br />
Versorgungsberechtigten zur Verfügung. Aufgrund<br />
einer nur summarische erfolgenden Prüfung des PSV<br />
wird der Bearbeitungszeitraum bis zur abschließenden<br />
Prüfung sämtlicher Einzelansprüche überbrückt.<br />
Eine Besonderheit stellt das Insolvenzplanverfahren<br />
zum Zwecke der Fortführung eines Unternehmens<br />
dar. Bei einer Regelinsolvenz ist die Zerschlagung oder<br />
bestenfalls die übertragende Sanierung mit der Liquidation<br />
des Rechtsträgers die Regel. Der Insolvenzplan<br />
hingegen ermöglicht es, die Zerschlagung eines in die<br />
Krise geratenen Unternehmens zu vermeiden und eine<br />
Neustrukturierung unter Beibehaltung des Unternehmensträgers<br />
zu ermöglichen. Das Insolvenzplanverfahren<br />
dient damit dem Unternehmenserhalt. Durch<br />
eine zusätzlich angeordnete Eigenverwaltung kann die<br />
Geschäftsleitung während des Verfahrens die Hoheit<br />
über die Unternehmensentscheidungen behalten und<br />
damit die Kontinuität der Geschäfte sicher stellen.<br />
Nicht selten fällt dem PSV als Gläubiger mit einem<br />
erheblichen Forderungsvolumen in einem Insolvenzplanverfahren<br />
eine Schlüsselrolle zu. Die grundsätzliche<br />
Eintrittspflicht des PSV wird im Rahmen eines<br />
Insolvenzplans in der Regel modifiziert. Hintergrund<br />
<strong>dieser</strong> Modifikation ist der Schutz der Beitragszahler,<br />
die letztlich die Last der Versorgungsleistungen tragen<br />
müssten, selbst wenn sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />
des sanierten Unternehmens erheblich<br />
gebessert haben sollte. Daher sind die betriebsrentenrechtlichen<br />
Spezialvorschriften zu beachten, die der<br />
besonderen Stellung des PSV im Insolvenzplanverfahren<br />
Rechnung tragen.<br />
Diese sehen u.a. vor, dass bei einer nachhaltigen Besserung<br />
der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens die<br />
vom PSV zu erbringenden Leistungen ganz oder zum<br />
Teil wieder vom Unternehmen oder sonstigen Trägern<br />
der Versorgungen übernommen werden. Dabei ist es<br />
sinnvoll, im Rahmen der Planerstellung mit dem PSV<br />
einen Konsens darüber zu finden, das Unternehmen<br />
erheblich von Pensionsverpflichtungen zu entlasten<br />
um eine nachhaltige Sanierung zu erzielen. Diese über<br />
Verhandlungen zu erreichende, zukünftige Aufteilung<br />
der Pensionsverpflichtungen zwischen dem PSV<br />
und dem Unternehmen kann von der Festschreibung<br />
einer Besserungsklausel zugunsten des PSV über eine<br />
befristete/unbefristete Übernahme aller oder von Teilen<br />
der Versorgungsverpflichtungen bis hin zu einer<br />
Kombination mehrerer Komponenten reichen und<br />
damit einen erheblichen Beitrag für eine erfolgreiche<br />
Sanierung leisten.<br />
Fazit:<br />
Die Einbindung des PSV spielt in der Krise<br />
und in der Insolvenz von Unternehmen, die<br />
betriebliche Altersversorgung zugesagt haben,<br />
ein zentrale Rolle. Die sorgfältige Vorbereitung<br />
einer außergerichtlichen Sanierung oder eines<br />
Insolvenzplanverfahrens und damit auch die<br />
frühe Einbindung des PSV ist häufig für den<br />
Sanierungserfolg ausschlaggebend.<br />
Rechtsanwalt<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
Seraphim Ung Kim<br />
Nürnberg<br />
SKim@schubra.de<br />
6
4. Entschärfung der Verlustabzugsbeschränkung(Wachstumsbeschleunigungsgesetz)<br />
Wegen der anhaltenden Finanzkrise hat sich der<br />
Gesetzgeber im letzten Jahr gezwungen gesehen,<br />
wesentliche Teile der Unternehmenssteuerreform<br />
2008 zu entschärfen. Unter anderem wurde<br />
im August 2009 ein neues Sanierungsprivileg für<br />
Beteiligungsübernahmen in das Körperschaftssteuergesetz<br />
(KStG) eingeführt, die sonst eine Verlustabzugsbeschränkung<br />
bzw. den vollständigen Untergang<br />
<strong>dieser</strong> Möglichkeit nach sich ziehen würden.<br />
Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, veröffentlicht<br />
im Bundesgesetzblatt am 30.12.2009, sind<br />
als weitere Ausnahmetatbestände eine so genannte<br />
Konzernklausel und die Berücksichtigung stiller Re -<br />
serven bei der Verlustabzugsbeschränkung hinzugekommen.<br />
Sanierungsklausel<br />
Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 wurde<br />
die Mantelkaufregelung samt Sanierungsprivileg<br />
durch § 8c KStG ersetzt und in der Absicht verschärft,<br />
Missbrauch durch „Handel mit Verlusten“ zu<br />
unterbinden. Ein wesentlicher Anteilseignerwechsel<br />
(schädliche Beteiligung) führte demnach zu einem<br />
Untergang bestehender Verlustvorträge. Bei einem<br />
Beteiligungswechsel zwischen 25 und 50 Prozent<br />
ging der Verlustvortrag anteilig in Höhe des prozentualen<br />
Beteiligungswechsels unter, bei einem Beteiligungswechsel<br />
von über 50 Prozent der Anteile ging<br />
der Verlustvortrag vollständig verloren.<br />
Im August 2009 wurde ein zunächst auf die Veranlagungszeiträume<br />
2008 und 2009 beschränktes Sanierungsprivileg<br />
eingeführt. Die zeitliche Begrenzung<br />
wurde im Dezember 2009 durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />
für die Zukunft aufgehoben, so<br />
dass das Sanierungsprivileg für Anteilsübertragungen<br />
ab dem 1. Januar 2008 zu berücksichtigen ist.<br />
Die Sanierung wird dabei als Maßnahme definiert,<br />
die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit<br />
oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen<br />
und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen<br />
zu erhalten. Was für den Erhalt der wesentlichen<br />
Betriebsstrukturen zu erfüllen ist, wird im Gesetz<br />
näher bezeichnet.<br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
Der Beteiligungserwerb muss demnach im Zeitpunkt<br />
der drohenden bzw. eingetretenen Zahlungsunfähigkeit<br />
oder Überschuldung erfolgen und subjektiv einen<br />
Sanierungszweck verfolgen. Soweit Zahlungsunfähigkeit<br />
oder Überschuldung bereits vorliegen, kann<br />
es sich bei einem Erwerb im Sinne der Vorschrift nur<br />
um eine Maßnahme handeln, die innerhalb der Dreiwochenfrist<br />
des § 15a Abs. 1 InsO vorgenommen<br />
wird und geeignet ist, den entsprechenden Insolvenztatbestand<br />
zu beseitigen. Während die drohende<br />
Zahlungsunfähigkeit im Gesetz geregelt ist, trifft dies<br />
für die drohende Überschuldung nicht zu. Hier wird<br />
sich gegebenenfalls in der konkreten Situation Diskussionsbedarf<br />
ergeben. Nach der Begründung des<br />
Finanzausschusses soll der Zeitpunkt dem Eintritt<br />
der „Krise“ nach den Grundsätzen des Eigenkapitalrechts<br />
vor dem „Gesetz zur Modernisierung des<br />
<strong>GmbH</strong>-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“<br />
(MoMiG) entsprechen. Aus der Begründung<br />
geht außerdem hervor, dass die Körperschaft im Zeitpunkt<br />
des Beteiligungserwerbs sanierungsfähig sein<br />
muss und die in Angriff genommenen Maßnahmen<br />
objektiv geeignet sein müssen, die Körperschaft aus<br />
der Krise zu führen. Die Beweislast hierfür liegt bei<br />
der Körperschaft, allerdings ist das Sanierungsprivileg<br />
nicht vom Eintritt des Sanierungserfolges abhängig.<br />
Der Gesetzgeber ist bei Wiedereinführung des Sanierungsprivilegs<br />
im KStG erkennbar darum bemüht,<br />
möglichen Missbrauch zu verhindern. Im Gegensatz<br />
zu den in anderen Gesetzen geregelten Sanierungsprivilegien<br />
wird deswegen in § 8c Abs. 1a KStG ausführlich<br />
beschrieben, was unter Erhalt der wesentlichen<br />
Betriebsstruktur zu verstehen ist. Im Einzelnen werden<br />
als Merkmale der Erhalt von Arbeitsplätzen, der<br />
Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Arbeitsplätze<br />
oder die Einlage wesentlichen Betriebsvermögens<br />
aufgeführt, von denen allerdings nicht alle,<br />
sondern lediglich nur eines, vorliegen muss, um zum<br />
Erhalt der bisherigen Betriebsstruktur zu kommen.<br />
Bei einer schädlichen Beteiligung bleibt es grundsätzlich,<br />
wenn der Betrieb zwischenzeitlich eingestellt<br />
wurde oder ein Branchenwechsel innerhalb von<br />
fünf Jahren nach Beteiligungserwerb erfolgt – es sich<br />
also eigentlich um einen Mantelkauf handelt.<br />
Beim Merkmal des Arbeitsplatzerhalts wird auf die<br />
Regelungen zur Steuerbefreiung im Erbschaftssteuer-<br />
und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) verwiesen.<br />
Allerdings wird im Gegensatz zum ErbStG nicht auf<br />
650 Prozent, sondern nur auf 400 Prozent der Ausgangslohnsumme<br />
abgestellt, die auch nicht innerhalb<br />
von sieben, sondern lediglich von fünf Jahren<br />
unterschritten werden darf. Dies mag dem Umstand<br />
7
geschuldet sein, dass es in der Krise regelmäßig zum<br />
Abbau von Arbeitsplätzen kommt. Ausdrücklich<br />
mit diesem Umstand wird der Erhalt der Betriebsstruktur<br />
auch durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung<br />
mit den Vertretern der Arbeitnehmer<br />
begründet, wenn diese Vereinbarung eine Arbeitsplatzregelung<br />
enthält. Alternativ kann der Erhalt<br />
der Betriebsstruktur auch durch Zuführung neuen<br />
Betriebsvermögens im Zusammenhang mit der<br />
Sanierung belegt werden, wenn diese im Wege der<br />
Einlage erfolgt. Dabei hat die Zufuhr innerhalb von<br />
zwölf Monaten nach Beteiligungserwerb zu erfolgen<br />
und muss neues Betriebsvermögen umfassen, das<br />
anteilig 25 Prozent der erworbenen Beteiligung entspricht.<br />
Leistungen der Körperschaft an den neuen<br />
Gesellschafter sind bei der Ermittlung des zugeführten<br />
Betriebsvermögens abzusetzen. Der Erlass von<br />
Verbindlichkeiten steht der Zufuhr von Betriebsvermögen<br />
gleich, soweit die Verbindlichkeiten werthaltig<br />
sind. Hierdurch wird sichergestellt, dass auch<br />
Debt-Equity Swaps unter die Regelung fallen.<br />
Konzernklausel<br />
Nach der Auffassung der Finanzverwaltung ist die<br />
Verlustabzugsbeschränkung auch auf Umstrukturierungen<br />
innerhalb verbundener Unternehmen<br />
anwendbar. Selbst bloße Verkürzungen oder Verlängerungen<br />
von Beteiligungsketten sollten demnach<br />
zum Verlustuntergang führen. Ab dem 1. Januar<br />
2010 gilt nunmehr, dass ein schädlicher Beteiligungserwerb<br />
dann nicht vorliegt, „wenn an dem<br />
übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger<br />
dieselbe Person zu jeweils 100 Prozent mittelbar<br />
oder unmittelbar beteiligt ist.“<br />
Die Konzernklausel greift also auch bei einer geringen<br />
Beteiligung durch eine andere Person, die sich<br />
auf Grund der Übertragung ergibt, nicht ein. Darüber<br />
hinaus ist gerade bei der Beteiligung mehrerer<br />
natürlicher Personen an der Muttergesellschaft<br />
Vorsicht geboten. Da es sich bei mehrere natürliche<br />
Personen nicht um „dieselbe Person“ handelt.<br />
Darüber hinaus kommt es wegen des Vorranges des<br />
Umwandlungssteuergesetzes zum Verlustuntergang<br />
auch dann, wenn eine Verschmelzung der Verlustgesellschaft<br />
auf eine andere Konzerngesellschaft stattfindet.<br />
Bei der Verkürzung der Beteiligungskette<br />
aufgrund der eingeführten Konzernklausel hingegen<br />
grundsätzlich nicht.<br />
Verschonungsregel bei stillen Reserven<br />
Nach der Neuregelung durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />
bleiben bei schädlichen Beteiligungserwerben<br />
ab dem 1. Januar 2010 Verluste und<br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
Verlustvorträge in Höhe der auf den erworbenen<br />
Anteil entfallenden stillen Reserven erhalten. Dabei<br />
kommen nur stille Reserven von steuerlichen inländischen<br />
Betriebsvermögen in Betracht.<br />
Bei einem schädlichen Beteiligungserwerb von 25<br />
bis 50 Prozent kommt es zu keinem Verlustabzug<br />
soweit die anteiligen Verluste, die sonst untergehen<br />
würden, die anteiligen stillen Reserven nicht übersteigen.<br />
Bei einem schädlichen Beteiligungserwerb<br />
von mehr als 50 Prozent, bei dem es zu einem Untergang<br />
des gesamten Verlustabzuges kommen würde,<br />
bleiben die Verluste erhalten, soweit sie nicht die<br />
gesamten stillen Reserven der erworbenen Gesellschaft<br />
übersteigen. Verluste und Verlustvorträge, die<br />
die (anteiligen) stillen Reserven übersteigen, gehen<br />
hingegen weiterhin gemäß der Verlustabzugsbeschränkung<br />
unter.<br />
Rechtsanwalt<br />
Dr. Christoph von Wilcken<br />
Berlin<br />
CWilcken@schubra.de<br />
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5. Newsticker<br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin I/2010<br />
1. EuGH: Rechtswidrige Beihilfen können auch<br />
bei Insolvenz des Unternehmens zurückgefordert<br />
werden<br />
Gewährt ein Mitgliedsstaat einem am Rande der<br />
Insolvenz stehenden Unternehmen ein Rettungsdarlehen,<br />
das diesem auf dem Finanzmarkt nicht gewährt<br />
worden wäre, und wird dieses in Eigenkapital umgewandelt,<br />
so kann es sich dabei um eine rechtswidrige<br />
Beihilfe handeln.<br />
Der Umstand allein, dass das von einer rechtswidrigen<br />
Beihilfe begünstigte Unternehmen für insolvent<br />
erklärt worden ist, bedeutet nicht, dass die Rückforderung<br />
der Beihilfe unmöglich geworden wäre. Der<br />
betreffende Mitgliedsstaat kann seine Forderung zur<br />
Tabelle der gegen dieses Unternehmen bestehenden<br />
Forderungen anmelden. (Leitsätze der Redaktion)<br />
EuGH, Urteil vom 01.07.2009 – T-81, 82, 83/07<br />
2. BGH: Zum notwendigen Inhalt eines Insolvenzplans,<br />
wenn Befriedigung aus den Fortführungsüberschüssen<br />
erfolgen soll<br />
Welche Anforderungen an die im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens<br />
vorzulegenden Übersichten und<br />
Prognoseberechnungen zu stellen sind, liegt im Verantwortungsbereich<br />
des Tatrichters. Bindende, in<br />
allen in Betracht kommenden Planverfahren einzuhaltende<br />
Vorgaben können schon wegen der Vielfalt<br />
der in Frage kommenden Pläne sowie der unterschiedlichen<br />
Schuldner nicht gemacht werden. Diese<br />
sind vom Umfang und der jeweiligen wirtschaftlichen<br />
Bedeutung des Unternehmens abhängig.<br />
Ein wesentlicher Verstoß liegt dann vor, wenn es<br />
sich um einen Mangel handelt, der Einfluss auf die<br />
Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte.<br />
BGH, Beschluss vom 03.12.2009 – IX ZB 30/09<br />
3. BGH: Zur Anfechtung bei geduldeter Kontoüberziehung<br />
Schöpft der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich<br />
geduldeten Kontoüberziehung und fließen sie infolge<br />
seiner Rechtshandlung einem Gläubiger direkt zu, so<br />
kommt die Anfechtung <strong>dieser</strong> mittelbaren Zuwendung<br />
durch den Insolvenzverwalter ohne Rücksicht darauf<br />
in Betracht, ob aus der Einräumung des Überziehungskredits<br />
für die Masse ein pfändbarer Anspruch<br />
gegen die Bank entsteht oder durch die Valutierung<br />
von Sicherheiten ein entsprechender Rückübertragungsanspruch<br />
verloren geht (Aufgabe von BGHZ<br />
170, 276).<br />
BGH, Urteil vom 06.10.2009 – IX ZR 191/05<br />
4. BGH: Einleitung eines US-amerikanischen<br />
Chap ter 11-Verfahrens wird als ausländisches<br />
Insolvenzverfahren anerkannt und führt damit<br />
die Unterbrechung eines deutschen Patentnichtigkeitsstreits<br />
herbei<br />
BGH, Urteil vom 13.10.2009 – X ZR 79/06<br />
5. BGH: Amtsniederlegung des alleinigen ge -<br />
schäftsführenden Gesellschafters einer <strong>GmbH</strong> in<br />
der wirtschaftlichen Krise oder nach Einreichung<br />
eines Insolvenzantrages ist rechtsmissbräuchlich<br />
und unwirksam<br />
BGH, Beschluss vom 08.10.2009 – IX ZR 235/06<br />
6. OLG Celle: Keine Anerkennung eines englischen<br />
Vergleichsplanverfahrens<br />
Eine in Großbritannien außerhalb eines Insolvenzverfahrens<br />
zwischen einem Versicherungsunternehmen<br />
und bestimmten Gruppen seiner Versicherungsnehmer<br />
getroffene vergleichsplanrechtliche Regelung,<br />
sog. „Scheme of Arrangement“, ist im Inland weder<br />
nach § 343 InsO noch nach Art. 32 ff. EuGVVO oder<br />
§ 328 ZPO anzuerkennen.<br />
OLG Celle, Urteil vom 08.09.2009 – 8 U 46/09<br />
Hinweis in eigener Sache:<br />
Der nächste Berliner Jour Fixe findet am 25. März<br />
2010 um 17.00 Uhr in unserem Berliner Büro statt.<br />
Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht<br />
Volker Böhm wird über einzelne Aspekte der<br />
Insolvenz des deutschen Traditionsunternehmens<br />
Rosenthal berichten. Sollten Sie Interesse an der Teilnahme<br />
haben, so können Sie sich gerne an Frau Marlis<br />
Kriebel unter MKriebel@schubra.de wenden.<br />
9
Ansprechpartner<br />
Achern<br />
Rechtsanwalt<br />
Dr. Peter de Bra<br />
Eisenbahnstrasse 19 - 23<br />
77855 Achern<br />
PdeBra@schubra.de<br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin<br />
Rechtsanwalt<br />
Dr. Volker Beissenhirtz, LL.M.<br />
Schützenstrasse 6a<br />
10117 Berlin<br />
VBeissenhirtz@schubra.de<br />
<strong>Schultze</strong> & <strong>Braun</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Rechtsanwaltsgesellschaft<br />
Schützenstraße 6a<br />
10117 Berlin<br />
Telefon 0 30/3 08 30 38-0<br />
Telefax 0 30/3 08 30 38-111<br />
Internet: www.schubra.de<br />
E-Mail: Mail@schubra.de<br />
G e s c h ä f t s f ü h r e r :<br />
Rechtsanwalt Dr. Volker Beissenhirtz<br />
Rechtsanwältin Ellen Delzant<br />
Rechtsanwalt Achim Frank<br />
Rechtsanwältin Kathrin Heerdt<br />
Rechtsanwalt Dr. Rainer Riggert<br />
Rechtsanwalt Dr. Ludwig Weber<br />
Rechtsanwalt Joachim Zobel<br />
S i t z :<br />
Eisenbahnstraße 19-23, 77855 Achern<br />
Amtsgericht Mannheim HRB 220942<br />
S t a n d o r t e :<br />
Achern · Berlin · Bremen · München · Nürnberg · Straßburg<br />
Berlin I/2010<br />
Impressum<br />
10<br />
Verantwortlich für den Inhalt:<br />
Dr. Volker Beissenhirtz<br />
<strong>Schultze</strong> & <strong>Braun</strong> <strong>GmbH</strong> Rechtsanwaltsgesellschaft<br />
Berlin<br />
Sollten Sie Fragen zu dem Infobrief oder aktuellen Entwicklungen<br />
auf dem Gebiete des Sanierungs- und Insolvenzrechts<br />
haben, so stehen Ihnen die Ansprechpartner<br />
jederzeit gerne zur Verfügung. Gerne nehmen wir auch<br />
Ihre <strong>Themen</strong>wünsche für den Infobrief entgegen.<br />
Dieser Infobrief ist ein reines Informationsschreiben und<br />
dient der allgemeinen Unterrichtung unserer Mandanten<br />
sowie anderer interessierter Personen. Er kann eine rechtliche<br />
Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.