BIS -Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen
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44 // <strong>Bibliotheken</strong> <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />
Der Leser<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bibliothek<br />
o<strong>der</strong>: <strong>Das</strong> Runde<br />
und das Eckige<br />
von ULRICH JOHANNES SCHNEIDER<br />
Die Neuorganosation <strong>der</strong> <strong>Magaz<strong>in</strong></strong>e<br />
brachte im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht<br />
nur Lesesäle, son<strong>der</strong>n auch<br />
Bücherwagen und Aufzüge <strong>in</strong> die<br />
neuen Gebäude.<br />
Der Lesesaal hat seit dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t die<br />
<strong>Bibliotheken</strong> grundlegend verän<strong>der</strong>t. Alles,<br />
was mit <strong>der</strong> Aufbewahrung und Benutzung<br />
von Büchern zu tun hatte, bekam e<strong>in</strong>en neuen<br />
S<strong>in</strong>n, als man die Bereiche <strong>der</strong> Leser von denen <strong>der</strong><br />
Bibliothekare trennte. <strong>Bibliotheken</strong> <strong>in</strong>tegrieren seitdem<br />
zwei Bewegungsformen, e<strong>in</strong>mal das Suchen,<br />
F<strong>in</strong>den und Aneignen <strong>der</strong> Bücher durch die Benutzer<br />
und zum an<strong>der</strong>en das Aufnehmen, Ordnen und<br />
Bereitstellen <strong>der</strong> Bücher durch das Personal. Es s<strong>in</strong>d<br />
zwei Kulturen o<strong>der</strong> Wissenstechnologien, die<br />
durchaus nicht die gleiche Geschichte haben, wohl<br />
aber e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Zentrum: den Lesesaal.<br />
Die Geburt des Lesesaals fällt mit wichtigen an<strong>der</strong>en<br />
Ereignissen zusammen: <strong>der</strong> Professio nalisierung<br />
des Bibliothekars, <strong>der</strong> weiteren Differenzierung <strong>der</strong><br />
Buchproduktion und neuen Bautechniken unter<br />
Verwendung von Eisen. Heute läßt sich schwer entscheiden,<br />
was den Bau von Lesesälen eigentlich<br />
motivierte, er tauchte mehr o<strong>der</strong> weniger plötzlich<br />
auf, weitgehend unvorbereitet durch Theorie: ke<strong>in</strong><br />
Resultat, e<strong>in</strong>e Geburt.<br />
E<strong>in</strong> eigentliches Bibliotheksgebäude existierte <strong>in</strong><br />
Europa bis zum Bau <strong>der</strong> Wolfenbütteler Rotunde<br />
zu Beg<strong>in</strong>n des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts im Grunde nicht,<br />
und mußte auch nicht existieren, denn es gab überhaupt<br />
ke<strong>in</strong>e differenzierten räumlichen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an Büchersammlungen – mit Ausnahme <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>zigen, Bücher aufzunehmen. Viele Räume<br />
waren geeignet, zur Bibliothek zu werden, und viele<br />
dienten <strong>in</strong> dieser Funktion. So richtete man <strong>Bibliotheken</strong><br />
<strong>in</strong> Klöstern, Schlössern, Kirchen o<strong>der</strong> größeren<br />
Häusern e<strong>in</strong> – überall da, wo sich Regale längs<br />
<strong>der</strong> Wand aufstellen ließen.<br />
Die frühmo<strong>der</strong>ne Bibliothek war Büchermagaz<strong>in</strong>,<br />
und noch <strong>der</strong> 1822 erschienene Artikel über Bibliotheksbauten<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Encyclopädie <strong>der</strong><br />
Wissenschaften und Künste konzentriert sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Aufzählung <strong>der</strong> baulichen Anfor<strong>der</strong>ungen alle<strong>in</strong> auf<br />
die Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Bücher. Für den Architekten<br />
formuliert <strong>der</strong> Artikel ke<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e For<strong>der</strong>ung,<br />
son<strong>der</strong>n nur Wünsche: „hohe Säulen, hohe Gesimse,<br />
kühne Bögen, starke Ausladungen, s<strong>in</strong>nreiche<br />
und bedeutungsvolle Sculpturen, lichtvolle und<br />
heitere Farben“ sollten Wirkung zeigen. Ke<strong>in</strong>e Rede