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1. Nachwuchskolloquium des Vereins für niederdeutsche ...

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<strong>1.</strong> <strong>Nachwuchskolloquium</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Vereins</strong> <strong>für</strong> <strong>niederdeutsche</strong> Sprachforschung<br />

und<br />

4. Kolloquium <strong>des</strong> Forums Sprachvariation<br />

UNIVERSITÄT FLENSBURG<br />

13.‐15.10.2011<br />

Organisatorische Hinweise<br />

<strong>1.</strong> <strong>Nachwuchskolloquium</strong> <strong>des</strong> <strong>Vereins</strong> <strong>für</strong> <strong>niederdeutsche</strong> Sprachforschung und<br />

4. Kolloquium <strong>des</strong> Forums Sprachvariation<br />

Organisatoren: Franziska Bergner (Bielefeld), Meike Glawe (Bielefeld), Yvonne<br />

Hettler (Hamburg), Carolin Jürgens (Hamburg), Robert Langhanke<br />

(Flensburg/Kiel), Viola Wilcken (Kiel)<br />

Veranstaltungsort: Universität Flensburg, Hauptgebäude, Auf dem Campus 1,<br />

24943 Flensburg<br />

Kontakt während der Tagung: Robert Langhanke, mobil: 0170‐9632565<br />

Viola Wilcken, mobil: 0179‐9949687<br />

Tagungsörtlichkeiten<br />

Tagungsraum: Hauptgebäude, Raum HG 247<br />

Tagungsbüro: Hauptgebäude, Raum HG 247<br />

Pausenraum: Hauptgebäude, Raum HG 248<br />

Statistikworkshop am Samstag: Hauptgebäude, Raum HG 242<br />

Informationen zu den Pausen und zur Verpflegung<br />

Die Kaffeepausen am Donnerstag, Freitag und Samstag werden von uns organisiert (Raum 248).<br />

Am Donnerstag und Freitag besteht zudem die Möglichkeit, sich von 8.30 – 14.30 in der Campus<br />

Suite im Erdgeschoss <strong>des</strong> Erweiterungsbaus (rechts neben dem Hauptgebäude) einen Kaffee zu<br />

holen.<br />

Gutscheine <strong>für</strong> ein Mittagessen in der Mensa am Freitag (Hauptgericht, Dessert und ein Getränk)<br />

können bei den Organisatoren <strong>für</strong> 4,90 Euro erworben werden.<br />

Aben<strong>des</strong>sen am Donnerstag: Ristorante Roma, Angelburgerstr. 22, 24943 Flensburg<br />

Aben<strong>des</strong>sen am Freitag: Hansens Brauerei, Schiffbrücke 16, 24939 Flensburg<br />

Wir bedanken uns beim VndS und bei der IGDD <strong>für</strong> die Finanzierung der Tagung. Unser Dank gilt<br />

auch der Universität Flensburg sowie dem Institut <strong>für</strong> Germanistik I der Universität Hamburg<br />

<strong>für</strong> die freundliche Unterstützung.


Donnerstag, 13. Oktober 2011<br />

Programm<br />

14.00 Begrüßung und Grußwort <strong>des</strong> Vizepräsidenten der Universität Flensburg, Prof. Dr.<br />

Stephan Panther<br />

14.30 – 15.00<br />

15.00 – 15.30<br />

15.30 – 16.00<br />

16.00 – 16.30 Kaffeepause<br />

16.30 – 17.00<br />

17.00 – 17.30<br />

17.30 – 18.00<br />

Mads Christiansen (Aarhus)<br />

Die Präposition‐Artikel‐Enklise im Deutschen ‐ Schriftsprache, Umgangssprache,<br />

Dialekt. Mit einem sprachgeschichtlichen Exkurs<br />

Saskia Schröder (Kiel)<br />

Zur Dynamik der g‐Spirantisierung in den deutschen Regionalsprachen<br />

Nicole Palliwoda (Kiel)<br />

„Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ (W. Brandt) – Die ehemalige<br />

innerdeutsche Grenze als Forschungsgegenstand<br />

Jens Philipp Lanwer (Münster)<br />

Gesprochener Standard <strong>des</strong> Gegenwartsdeutschen. Hochdeutsch auf<br />

Niederdeutschem Substrat?<br />

Karina Lammert (Paderborn)<br />

Interaktionale Funktionen <strong>des</strong> Varietätenwechsels im sauerländischen Raum<br />

Nele Twilfer (Münster)<br />

Sprachvariation bei Frauen und Männern – Quantitative und qualitative<br />

Untersuchungen zum geschlechtspräferierten Sprachgebrauch in Norddeutschland<br />

ab 19.00 Gemeinsames Aben<strong>des</strong>sen im Ristorante Roma, Angelburgerstr. 22<br />

- 3 -<br />

Freitag, 14. Oktober 2011<br />

9.15 Begrüßung<br />

9.30 – 10.00<br />

10.00 – 10.30<br />

10.30 – 1<strong>1.</strong>00<br />

1<strong>1.</strong>00 – 1<strong>1.</strong>30 Kaffeepause<br />

1<strong>1.</strong>30 – 12.00<br />

12.00 – 12.30<br />

12.30 – 13.00<br />

13.00 – 14.30 Mittagspause<br />

14.30 – 15.00<br />

15.00 – 15.30<br />

15.30– 16.00 Kaffeepause<br />

Programm<br />

Ulrike Thumberger (Wien)<br />

Rufnamen als lexikalische Einheiten im Hauptkatalog der bairischen Mundarten in<br />

Österreich ‐ eine Bestandsaufnahme<br />

Christina Schrödl (Wien)<br />

Zur soziolinguistischen Dynamik im Burgenland<br />

Susanne Oberholzer (Zürich)<br />

Kommunikative<br />

Gottesdienst<br />

Funktionen von Code‐Switching im Deutschschweizer<br />

Alexander Scheufens (Köln)<br />

Gruppen und Gesellschaft im altsächsischen Heliand<br />

Elmar Schilling (Münster)<br />

„Ermenrîkes dôt“ und das <strong>niederdeutsche</strong> „Jüngere Hildebrandslied“:<br />

Frühneuzeitliche Nachklänge heldenepischer Tradition<br />

Luise Czajkowski (Leipzig)<br />

Sprachbewegungen und Sprachausgleich im niederdeutsch‐ostmitteldeutschen<br />

Interferenzraum im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit<br />

Simon Kasper (Marburg)<br />

Dialektsyntaktische Phänomene, die <strong>niederdeutsche</strong> Sprachgrenze und das<br />

Projekt „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“<br />

Timo Ahlers (Wien)<br />

Erhebung bairischer Syntaxdaten: theoretische Herangehensweise und<br />

Aufgaben<strong>des</strong>ign<br />

16.00 – 17.30 Hauptvortrag<br />

Alfred Lameli (Marburg):<br />

Die Gliederung der Dialekte und das „Problem“ der sprachlichen Komplexität<br />

danach gemeinsamer Stadtrundgang und gemeinsames Aben<strong>des</strong>sen in Hansens Brauerei,<br />

Schiffbrücke 16<br />

- 4 -


Samstag, 15. Oktober 2011<br />

9.00 Begrüßung<br />

9.15 – 09.45<br />

09.45 – 10.15<br />

10.15 – 10.45<br />

10.45 – 1<strong>1.</strong>30 Kaffeepause<br />

Programm<br />

Sandra Weber (Lüttich)<br />

Sprachliche Identität, Spracheinstellungen und Sprachwahrnehmung in der<br />

deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens<br />

Rebekka Studler (Basel)<br />

Zur Genese von Spracheinstellungen zum Standarddeutschen in der<br />

Deutschschweiz<br />

Zukunftsplanungen <strong>für</strong> das <strong>Nachwuchskolloquium</strong> <strong>des</strong> VndS und das Forum<br />

Sprachvariation<br />

1<strong>1.</strong>30 – 13.00 Jana Brunner (Potsdam)<br />

Workshop Einführung in die Statistik <strong>für</strong> LinguistInnnen<br />

13.00 Verabschiedung<br />

- 5 -<br />

ReferentInnen<br />

MADS CHRISTIANSEN (AARHUS)<br />

Die Präposition‐Artikel‐Enklise im Deutschen ‐ Schriftsprache,<br />

Umgangssprache, Dialekt. Mit einem sprachgeschichtlichen Exkurs<br />

Das Thema meines Vortrags ist die Präposition‐Artikel‐Enklise im Deutschen. Nübling (2005)<br />

hat dieses Phänomen als eine „Grammatikalisierungsbaustelle“ charakterisiert, worunter sie<br />

die Tatsache versteht, dass aus synchroner Sicht »„das gesamte Spektrum zwischen<br />

Verschmelzungsblockade und Verschmelzungsobligatorik“« (Nübling 2005, S. 106) vorliegt.<br />

So haben im heutigen Deutsch sechs bis neun Verschmelzungsformen (am, beim, im, vom,<br />

zum, zur; am Rande: ans, aufs, ins) die Stufe der „speziellen Klise“, die unmittelbare Vorstufe<br />

von Flexion, erreicht und stehen somit in (beinahe) komplementärer Distribution zu den<br />

jeweiligen unverschmolzenen Konstruktionen. Im Bereich der speziellen Klise besteht<br />

Verschmelzungsobligatorik I) bei Zeitangaben: am Freitag, im August II) bei Unika: der Flug<br />

zum Mond, der Besuch beim Papst, III) bei Eigennamen: im Libanon, ins Wallis, IV) bei<br />

substantivierten Infinitiven: beim Schwimmen, zum Rudern V) im Superlativ: am schönsten,<br />

am besten, VI) bei idiomatischen Ausdrücken und Wendungen: das fünfte Rad am Wagen,<br />

jemanden ans Messer liefern, VII) bei Abstrakta und Stoffbezeichnungen: zum Trost, im<br />

Sand, VIII) bei indirekt anaphorischer Referenz: Haus – im Fenster und IX) bei generisch<br />

verwendeten Substantiven: das Gute im Menschen. Die formale Seite der am stärksten<br />

grammatikalisierten Verschmelzungsschicht zeichnet sich durch die kategoriale Festlegung<br />

der Artikelform auf den Dativ, den Singular und das Maskulinum/Neutrum aus, und zwar in<br />

Kombination mit einsilbigen, primären Präpositionen (vgl. am, beim, im, vom, zum). Die<br />

einzige Ausnahme bildet feminines zur. Auf tokenfrequenzieller Ebene spiegelt sich der hohe<br />

Grammatikalisierungsgrad deutlich wider. Die klitisierte Variante dominiert in der<br />

geschriebenen Standardsprache bei über 90% gegenüber den analytischen Konstruktionen<br />

(Nübling 2005, S. 115‐120). Im Bereich der „einfachen Klise“, in dem etwa zehn<br />

Verschmelzungen (durchs, <strong>für</strong>s, hinterm, hinters, unterm, unters, vorm, vors, überm, übers)<br />

mit einiger Häufigkeit in der geschriebenen Standardsprache vorkommen, besteht<br />

weitgehende Austauschbarkeit zwischen den beiden Konstruktionstypen. Hier kommen<br />

nicht nur dativische, sondern auch akkusativische Verschmelzungen vor. In der<br />

gesprochenen Sprache, am weitesten vorangeschritten in gewissen Dialekten <strong>des</strong><br />

Deutschen, findet sich zusätzlich eine Reihe von Allegroformen (z. B. auf ’e, auf ’er, <strong>für</strong> ’n, in<br />

’e, in ’er, nach ’m). Schließlich gibt es Präposition‐Artikel‐Kombinationen, bei denen die<br />

Bildung von Kontraktionen ausgeschlossen ist (Nübling 2005, S. 112‐115). Der Vortrag<br />

gliedert sich in zwei Teile. Zunächst wird der Grammatikalisierungsgrad <strong>des</strong> Phänomens in<br />

Schriftsprache, Umgangssprache und Dialekt in Vergleich gestellt, dann wird auf der<br />

Grundlage mittelhochdeutscher und frühneuhochdeutscher Prosaquellen der Diachronie <strong>des</strong><br />

Flexivierungsprozesses nachgegangen.<br />

Literatur (in Auswahl):<br />

Christiansen, Mads (2012): Die Präposition‐Artikel‐Enklise im Mittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen, erscheint<br />

voraussichtlich in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (PBB).<br />

Nübling, Damaris (1992): Klitika im Deutschen – Schriftsprache, Umgangssprache, alemannische Dialekte, Tübingen:<br />

Niemeyer.<br />

Nübling, Damaris (1998): Wann werden die deutschen Präpositionen flektieren? Grammatisierungswege zur Flexion, in:<br />

Fabri, R. et al. (Hrsg.): Models of Inflection, Tübingen: Niemeyer. S. 266‐289.<br />

Nübling, Damaris (2005): Von in die über in’n und ins bis im. Die Klitisierung von Präposition und Artikel als<br />

‚Grammatikalisierungsbaustelle‘, in: Leuschner, T. et al. (Hrsg.): Grammatikalisierung im Deutschen, Berlin/New York: de<br />

- 6 -


ReferentInnen<br />

Gruyter. S. 105‐13<strong>1.</strong><br />

Schiering, René (2005): Flektierte Präpositionen im Deutschen? Neue Evidenz aus dem Ruhrgebiet, Zeitschrift <strong>für</strong><br />

Dialektologie und Linguistik 72. S. 52‐79.<br />

Steffens, Rudolf (2010): Zur Diachronie der Präposition‐Artikel‐Enklise. Evidenz aus Flurnamen, Beiträge zur<br />

Namenforschung 45. S. 245‐292.<br />

SASKIA SCHRÖDER (KIEL)<br />

Zur Dynamik der g‐Spirantisierung in den deutschen Regionalsprachen<br />

Die Dialektologie <strong>des</strong> Deutschen steht seit einiger Zeit deutlich unter dem Einfluss der von<br />

SCHMIDTund HERRGEN kürzlich publizierten Sprachdynamiktheorie (2011). Diese befasst<br />

sich mit dem Zusammen‐ und Gegenwirken von sprachlichen Varietäten und versucht somit<br />

großräumige Wandelprozesse der deutschen Regionalsprachen zu erklären. Dass diese<br />

Theorie jedoch auch im Kleinen anwendbar ist, zeigt die vorliegende Arbeit, eingereicht zur<br />

Erlangung <strong>des</strong> akademischen Gra<strong>des</strong> „Master of Arts“ an der Philipps‐Universität in<br />

Marburg. Die g‐Spirantisierung ist den meisten Sprechern <strong>des</strong> Deutschen im Kontext einer<br />

umgangssprachlichen Sprechlage bekannt und wird auch vom Duden (82009) als erlaubte<br />

Alternative zum standardsprachlichen Plosiv am Silbenauslaut genannt. Entgegen diesem<br />

Status als Merkmal kolloquialer Sprache steht der dialektale Ursprung in einigen Dialekten.<br />

Die Frage, wie sich das Verhältnis dieser beiden Varianten in der deutschen<br />

Dialektlandschaft darstellt, ist ein zentrales Moment der Arbeit. Dabei werden <strong>für</strong> eine ältere<br />

und eine jüngere Sprechergruppe in den Dialektgebieten Ripuarisch, Westfälisch und<br />

Thüringisch Variablenanalysen durchgeführt, um so ein Bild von der Verteilung<br />

spirantisierter Varianten in unterschiedlichen Erhebungssituationen zu erhalten. Unter<br />

Einbeziehung sprachbiographischer und kultureller Aspekte ist es möglich, Aussagen zur<br />

Dynamik der g‐Spirantisierung im Nieder‐ und Mitteldeutschen zu formulieren.<br />

NICOLE PALLIWODA (KIEL)<br />

„Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“ (W. Brandt)<br />

Die ehemalige innerdeutsche Grenze als Forschungsgegenstand<br />

Die Äußerung Willy Brandts 1989 stellt in meinem Dissertationsprojekt die zentrale<br />

Forschungsfrage dar und untersucht, inwieweit das Konstrukt ‚der Mauer in den Köpfen‘ der<br />

ost‐ und westdeutschen Bürger noch vorhanden ist. Dass diese Thematik auch nach über 20<br />

Jahren Wiedervereinigung noch immer nicht an Interesse verloren hat, zeigen<br />

Monographien und Sammelbände, die diese Fragestellung unter verschiedenen<br />

Gesichtspunkten analysieren. Neben Büchern, in denen Autoren über ihre Erinnerungen und<br />

Empfindungen zur Grenzeröffnung und der ehemalige DDR bzw. BRD berichten, lassen sich<br />

Beiträge und Aufsätze finden, die den Wortschatz, die Namensgebung, die Eigen‐ und<br />

Fremdbenennung und Beiträge, die die Spracheinstellung zu West‐ und Ostdeutschen der<br />

beiden ehemaligen deutschen Staaten untersuchen (vgl. u.a. Hellmann/Schröder (2008) u.<br />

Roth/Wienen (2008)). In meinem Forschungsvorhaben steht nicht die objektsprachliche<br />

- 7 -<br />

ReferentInnen<br />

Komponente im Fokus, sondern die subjektiven Wahrnehmungen der Personen, die an<br />

dieser ehemaligen Grenze aufgewachsen und sozialisiert wurden. Erste dialektologische<br />

Untersuchungen im thüringisch‐bayerischen Raum, die sich mit dieser sprachlichen Situation<br />

objektsprachlich beschäftigen (vgl. Harnisch (2009) u. Fritz‐Scheuplein (2001)), lassen<br />

Unterschiede sowohl in der Aussprache als auch in der Einstellung der Probanden deutlich<br />

werden. Gleichfalls zeigen Studien, die sich wahrnehmungsdialektologisch der Fragestellung<br />

nähern (vgl. Dailey‐O’Cain (1999) u. Kennetz (2010)), dass Unterschiede in der<br />

Repräsentation <strong>des</strong> ‚Gegenübers‘ bestehen.<br />

Im Beitrag selbst sollen das Forschungs<strong>des</strong>ign sowie die unterschiedlichen<br />

Untersuchungsgebiete vorgestellt und die ersten Herangehensweisen und Ergebnisse der<br />

wahrnehmungsdialektologischen Untersuchung thematisiert werden.<br />

Literatur:<br />

Dailey‐O’Cain, Jennifer (1999): The Perception of Post‐Unification German Regional Speech. In: Prestion, Dennis R.:<br />

Handbook of Perceptual Dialectology. John Benjamins: Amsterdam/Philadelphia. (Vol. 1). S. 227‐242.<br />

Fritz‐Scheuplein, Monika (2004): Zur Dialektsituation entlang der Grenze zwischen Bayern und Thüringen. In: Gaisbauer,<br />

Stephan/Scheuringer, Hermann (Hrsg.): Linzerschnitten. Beiträge zur 8. bayerisch‐österreichischen Dialektologentagung.<br />

19.‐23.09.2001 in Linz. S. 109‐16.<br />

URL: (3<strong>1.</strong>03.2010).<br />

Harnisch, Rüdiger (2010): Dialektentwicklung am Rande <strong>des</strong> Eisernen Vorhangs. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. H. 8. S.<br />

21‐26.<br />

Hellmann, Manfred W./Schröder, Marianne (Hrsg.) (2008): Sprache und Kommunikation in Deutschland Ost und West. Ein<br />

Reader zu fünfzig Jahren Forschung. In: Germanistische Linguistik 192/194.<br />

Kennetz, Keith (2010): German and German Political Disunity: An Investigation into the Cognitive Patterns and Perceptions<br />

of Language in Post‐Unified Germany. In: Anders, Christina A./Hundt, Markus/Lasch, Alexander (Hrsg.): Perceptual<br />

Dialectology. Neue Wege der Dialektologie. Berlin/New York: de Gruyter. S. 317‐335.<br />

Roth, Kersten Sven/Wienen, Markus (Hrsg.) (2008): Diskursmauern. Aktuelle Aspekte der sprachlichen Verhältnisse<br />

zwischen Ost und West. Bremen: Hempen Verlag.<br />

JENS PHILIPP LANWER (MÜNSTER)<br />

Gesprochener Standard <strong>des</strong> Gegenwartsdeutschen<br />

Hochdeutsch auf <strong>niederdeutsche</strong>m Substrat?<br />

In der dialektologischen Forschung wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass es<br />

aufgrund <strong>des</strong> sprachstrukturellen Abstan<strong>des</strong> zwischen <strong>niederdeutsche</strong>m Dialekt auf der<br />

einen und hochdeutschem Standard auf der anderen Seite in der Phase <strong>des</strong> diglossisch<br />

situierten Varietätenkontakts im <strong>niederdeutsche</strong>n Sprachraum zu deutlich weniger<br />

Systeminterferenzen gekommen sei als in anderen deutschen Dialektregionen (vgl. bspw.<br />

MENKE 1992:224ff.). Als besonders gering wird hier der Einfluss der Dialekte auf die<br />

überdachende Standardsprache eingeschätzt (vgl. u.a. SPIEKERMANN 2008:20f.). Letztere<br />

Einschätzung beruht jedoch sehr wahrscheinlich eher auf der synchron beobachtbaren<br />

sprachstrukturellen Nähe der regionalen Gebrauchsnormen im Norden zur kodifizierten<br />

Standardlautung; was allerdings sicher auch nicht <strong>für</strong> den gesamten norddeutsche Raum in<br />

gleicher Weise zutreffend ist (vgl. in diesem Zusammenhang bspw. LAUF 1996:216f.). In der<br />

Forschungsliteratur finden sich jedoch m.E. verschiedene sowohl soziolinguistische als auch<br />

systemlinguistische Befunde, die zusammengenommen deutliche Hinweise da<strong>für</strong> liefern,<br />

dass der gesprochene Standard <strong>des</strong> Gegenwartsdeutschen zwar grammatisch als<br />

Hochdeutsch zu bezeichnen ist, phonetisch – d.h. den Lautbestand (nicht das<br />

- 8 -


ReferentInnen<br />

Phoneminventar!) und die Akzent‐ sowie Intonationsmuster betreffend – jedoch ggf. eher<br />

auf <strong>niederdeutsche</strong> Wurzeln zurückweist.<br />

In meinem Vortrag sollen derartige Befunde zusammengetragen und zu folgender<br />

Argumentation verdichtet werden: Die artikulatorische Umsetzung der neuhochdeutschen<br />

Schriftsprache in eine gesprochene Form <strong>des</strong> Neuhochdeutschen führt seit dem 17. Jh.<br />

zunehmend zur Herausbildung von Oralisierungsnormen, die zunächst innerhalb der<br />

Grenzen großlandschaftlicher Dialektverbände Gültigkeit besitzen (vgl. hierzu u.a. SCHMIDT<br />

2005:284f.). Für „Lautbildung und Lautkombinatorik [werden] durchschnittlich die<br />

landschaftlichen Mittel, wie sie bereits im Dialekt vorliegen, eingesetzt […], wie ja auch<br />

weitgehend die landschaftliche Intonation weiterwirkt“ (WIESINGER 1997:34). So entstehen<br />

im norddeutschen Raum regionale Oralisierungsnormen, die, was die Phonetik betrifft,<br />

sicher auf <strong>niederdeutsche</strong>m Fundament stehen. Eine dieser niederdeutschgeprägten<br />

Oralisierungsnormen oder ggf. eine sprechsprachliche Koiné, die verschiedene<br />

<strong>niederdeutsche</strong> Dialektverbände überkuppelt, avanciert im Laufe <strong>des</strong> 18. bzw. 19 Jhs. zur<br />

Leitvarietät und wird schließlich seit Beginn <strong>des</strong> 20. Jhs. zunehmend institutionell normiert<br />

und vor allem durch den Sprachgebrauch in den audiovisuellen Massenmedien überregional<br />

etabliert (vgl. ähnlich auch bereits BESCH 2003:17f. bzw. KÖNIG 2005:109f.). Dieser<br />

Annahme folgend wäre also der gesprochene Standard <strong>des</strong> Gegenwartsdeutschen<br />

(zumin<strong>des</strong>t in seiner idealtypischen Ausprägung) als ‚Hochdeutsch auf <strong>niederdeutsche</strong>m<br />

Substrat‘ zu sehen und zu beschreiben, was <strong>für</strong> die Untersuchung der gegenwärtigen<br />

Dialekt/Standard‐Konstellationen in den verschiedenen Regionen <strong>des</strong> deutschsprachigen<br />

Raumes eine nicht unerhebliche Neuperspektivierung bedeuten würde.<br />

KARINA LAMMERT (PADERBORN)<br />

Interaktionale Funktionen <strong>des</strong> Varietätenwechsels im sauerländischen Raum<br />

Im Bereich der Alltagskommunikation ist das Niederdeutsche im sauerländischen Raum im<br />

Rückgang begriffen. Während die ältere Generation noch auf weitreichende<br />

Niederdeutschkompetenzen zurückgreifen kann, fristet das Niederdeutsche bei jüngeren<br />

Sprechern ein eher relikthaftes Dasein. Doch gerade vor diesem Hintergrund ist es<br />

interessant zu fragen, welcher kommunikative Mehrwert dem Niederdeutschen in<br />

Alltagsgesprächen noch zugerechnet werden kann. Welche Funktionen hat das<br />

Niederdeutsche im Gespräch, an welchen Stellen finden sich Varietätenwechsel und welcher<br />

Art sind sie? Ausgehend von stark divergierenden Niederdeutschkompetenzen in<br />

unterschiedlichen Sprechergruppen stellt sich außerdem die Frage, ob es sich beim Einsatz<br />

<strong>des</strong> Niederdeutschen an verschiedenen Stellen um stabilisierten, formelhaften Gebrauch<br />

handelt, oder ob es noch immer flexibel verwendet wird. Der Vortrag soll erste Ergebnisse<br />

einer Untersuchung zu interaktionalen Funktionen <strong>des</strong> Wechsels zwischen dem<br />

Hochdeutschen und dem Niederdeutschen präsentieren.<br />

- 9 -<br />

ReferentInnen<br />

NELE TWILFER (MÜNSTER)<br />

Sprachvariation bei Frauen und Männern – Quantitative und qualitative<br />

Untersuchungen zum geschlechtspräferierten Sprachgebrauch in<br />

Norddeutschland<br />

Im Vortrag wird ein Promotionsprojekt zum Thema geschlechtspräferierte Sprachvariation<br />

vorgestellt. Innerhalb der Soziolinguistik belegen viele Studien einen Zusammenhang<br />

zwischen Sprache und Geschlecht. Hier wurde immer wieder beobachtet, dass Frauen<br />

„korrekter“ sprechen und – vor allem auf der phonetisch‐phonologischen Ebene – mehr zur<br />

Standardvarietät neigen als Männer (vgl. u.a. Labov 1966; Trudgill 1972). Für den<br />

norddeutschen Raum liegen jedoch keine aktuellen Untersuchungen vor. Ältere Ergebnisse<br />

basieren zudem größtenteils auf subjektsprachlichen Untersuchungen (vgl. Diercks 1986;<br />

Berner 1996); objektsprachliche Auswertungen sind rar (vgl. Stellmacher 1975/1976) und auf<br />

kleinere Regionen beschränkt (vgl. Kremer 1986). Darüber hinaus sind pauschale Aussagen<br />

über stabile Geschlechterdifferenzen mit eindeutigen dichotomen Zuordnungen vor dem<br />

Hintergrund neuerer theoretischer Ansätze und empirischer Befunde der<br />

Geschlechterforschung zu hinterfragen (vgl. Braun et al. 2000).<br />

Neben einem Forschungsüberblick wird im Beitrag das Korpus und methodische Vorgehen<br />

vorgestellt: als Datengrundlage dient das umfangreiche objektsprachliche Material <strong>des</strong><br />

überregionalen DFG‐Projektes Sprachvariation in Norddeutschland (vgl. Elmentaler et al.<br />

2006). Im Rahmen der Erhebung wurden u.a. Tischgespräche aufgenommen, die einen<br />

analytischen Zugriff auf ungezwungene und alltägliche Kommunikation ermöglichen. Im<br />

Fokus stehen die Gesprächsbeiträge der mittleren Generation zwischen 40‐55 Jahren, wobei<br />

sich die quantitative und qualitative Variablenanalyse auf Merkmale der phonetisch‐<br />

phonologischen Ebene konzentrieren wird. Anhand ausgewählter Beispiele werden im<br />

Beitrag erste Auswertungen diskutiert.<br />

Literatur:<br />

Berner, Elisabeth (1996): Dialekt, Umgangssprache und Standardsprache im Sprecherurteil von Frauen und Männern. Zur<br />

Wahrnehmung <strong>des</strong> aktuellen Sprachgebrauchs im Land Brandenburg. In: Brandt, Gisela (Hrsg.): Bausteine zu einer<br />

Geschichte <strong>des</strong> weiblichen Sprachgebrauchs II. Stuttgart: Akademischer Verlag. S. 5‐28.<br />

Braun, Friederike/ Geyer, Klaus/Gottburgsen, Anja/Oelkers, Susanne (2000) (Hrsg.): Auf dem richtigen Weg? Weibliche<br />

Standardorientierung als linguistischer Mythos. In: Muttersprache 3. S. 196‐213.<br />

Diercks, Willy (1986): Geschlechtstypisches im Mundartgebrauch und ‐bewertung. In: Debus, Friedhelm/Dittmar, Ernst<br />

(Hrsg.): Sandbjerg 85. Dem Andenken von Heinrich Bach gewidmet. Neumünster (= Kieler Beiträge zur deutschen<br />

Sprachgeschichte 10). S. 127‐152.<br />

Elmentaler, Michael et al. (Hrsg.) (2006): Sprachvariation in Norddeutschland. Ein Projekt zur Analyse <strong>des</strong> sprachlichen<br />

Wandels in Norddeutschland. In: Gessinger, Joachim/Voeste, Anja. (Hgg.): Dialekt im Wandel. Perspektiven einer neuen<br />

Dialektologie. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (= OBST 71). Duisburg. S. 159‐178.<br />

Kremer, Ludger (1986): "Froulöpraot" und "Mannslöspraoke". Über Unterschiede im Sprachverhalten von Frauen und<br />

Männern in Westfalen. In: Westfälische Forschungen 36. S. 2‐12.<br />

Labov, William (1966): The social stratification of English in New York City. Washington.<br />

Trudgill, Peter (1972): Sex, Covert Prestige and Linguistic Change in the Urban British English of Norwich. Language in<br />

Society 1<strong>1.</strong> S. 179–195.<br />

Stellmacher, Dieter (1975/1976): Geschlechtsspezifische Differenzen im Sprachverhalten <strong>niederdeutsche</strong>r Sprecher. In:<br />

Niederdeutsches Jahrbuch 98/99. S. 164‐175.<br />

- 10 -


ReferentInnen<br />

ULRIKE THUMBERGER (WIEN)<br />

Rufnamen als lexikalische Einheiten im Hauptkatalog der<br />

bairischen Mundarten Österreichs – eine Bestandsaufnahme<br />

Bei der Materialsammlung <strong>für</strong> das Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich<br />

wurden auch zahlreiche Eigennamen (Rufnamen) erhoben, die sich bei genauerer<br />

Betrachtung nicht eindeutig der appellativischen oder proprialen Sprachsphäre (Šrámek<br />

2007) zuordnen lassen, sondern lexikalisierte Formen mit einem eher appelativischen<br />

Charakter sind und oftmals sogar in den Bereich der Schimpfwörter fallen. Es handelt sich<br />

dabei um (zumeist deminuierte) Formen wie Hansl, Hiasl, Urschel oder Regerl, die teilweise<br />

auch in Komposita vorkommen können (bspw. Prozesshansl).<br />

Im Rahmen der Dissertation soll der Bestand solcher Rufnamen, die die propriale Sphäre<br />

verlassen haben, anhand der Belege im Hauptkatalog der bairischen Mundarten erfasst<br />

werden und nach lexikologischen Gesichtspunkten kategorisiert werden; damit soll ein<br />

Forschungs<strong>des</strong>iderat zwischen den Teildisziplinen Namenforschung, Dialektologie und<br />

Lexikologie bearbeitet werden. Es soll versucht werden, die erwähnten Formen sowohl aus<br />

namentheoretischer Sicht zu beschreiben als auch sie in eine lexikalisch‐semantische Theorie<br />

einzubetten. Schließlich stellen sich noch Fragen <strong>für</strong> die lexikographische Praxis: welchen<br />

Bezug haben solche Formen zu den Eigennamen, von denen sie sich ursprünglich ableiten,<br />

und in welcher Form kann man am besten ein Lemma da<strong>für</strong> ansetzen?<br />

Literatur:<br />

Fritz, Gerd (2006): Historische Semantik. 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Metzler.<br />

Kalverkämper, Herwig (1978): Textlinguistik der Eigennamen. Stuttgart: Klett‐Cotta.<br />

Schippan, Thea (2002): Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. 2. Auflage. Tübingen: Niemeyer.<br />

Šrámek, Rudolf (2007): Die appellativische und die propriale Sprachspäre. In: Šrámek, Rudolf: Beiträge zur allgemeinen<br />

Namentheorie, Hrgg. v. Ernst Hansack, Wien: Präsens (Schriften zur diachronen Sprachwissenschaft 16). u. a. S. 72‐77.<br />

WBÖ = Institut <strong>für</strong> Österreichische Dialekt‐ und Namenlexika (Hrsg.): Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich<br />

(WBÖ). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1970‐lfd.<br />

CHRISTINA SCHRÖDL (WIEN)<br />

Zur soziolinguistischen Dynamik im Burgenland<br />

Das Burgenland bietet sich aufgrund der bescheidenen Forschungslage und seiner<br />

Geschichte als Arbeitsgebiet geradezu an.<br />

Aufgrund seiner Lage im äußersten Osten Österreichs, direkt am Eisernen Vorhang, konnte<br />

es sich sowohl wirtschaftlich, als auch sprachlich, nur nach Westen orientieren. Bis 1921 war<br />

Ungarisch die Dachsprache im Burgenland, da es bis dahin ein Teil <strong>des</strong> Königreichs Ungarn<br />

war. Heute werden dort Deutsch, Kroatisch, Ungarisch und Romani gesprochen. Derzeit<br />

leben etwa 284.000 Einwohner im Burgenland. Es ist relativ dünn besiedelt und besitzt nur<br />

wenige städtische Zentren. In den 1950er Jahren waren noch 61 % der Bevölkerung in der<br />

Landwirtschaft tätig, heute sind es nur noch ca. 7 %. 30 % der Bevölkerung pendelt nach<br />

Wien oder Graz aus.<br />

Die oben angeführten Gründe sprechen da<strong>für</strong>, dass die Sprache bzw. die Dialekte im<br />

Burgenland einerseits sehr konservativ, andererseits aber, besonders aufgrund <strong>des</strong><br />

- 11 -<br />

ReferentInnen<br />

Einflusses durch die Pendler, seit einigen Jahrzehnten stark von Wien bzw. Graz beeinflusst<br />

sein müssten. Außerdem muss auch die Wirkung der Medien berücksichtigt werden.<br />

In den Jahren 1952 bis 1959, 1963‐1964 und 1975 tätigten das heutige Institut <strong>für</strong><br />

Österreichische Dialekt‐ und Namenlexika und das Phonogrammarchiv der Österreichischen<br />

Akademie der Wissenschaften Aufnahmen der Sprachen und Ortsdialekte in etwa 300 Orten,<br />

was einer Aufnahme aller Ortsdialekte gleichkommt. Damit ist das Burgenland das am<br />

besten dokumentierte Bun<strong>des</strong>land Österreichs, jedoch wurden diese Aufnahmen bis heute<br />

nur unzureichend aufgearbeitet. Diese Tonaufnahmen bilden meine Vergleichsgrundlage<br />

zum heutigen Burgenländischen. Das Ziel meiner Arbeit ist die Untersuchung von<br />

Veränderungen und/oder Beständigkeit auf der lautlichen Ebene. Außerdem soll die<br />

Einstellung zur Sprache behandelt werden.<br />

Quellen:<br />

Tonaufnahmen aus dem Phonogrammarchiv der ÖAW:<br />

B 146‐B 231, B 242‐293, B 486‐589,B 845‐928, B 1301‐1375, B 1461‐1588, B 2384‐2424, B 2428‐2457, B 2461‐2474, B 3128‐<br />

3189, B 7544‐7545, B 8291‐8296, B 20001‐20034<br />

Literatur (in Auswahl):<br />

Holzer, Werner (Hrsg.) (1993): Trendwende? Sprache und Ethnizität im Burgenland. Wien: Passagen‐Verl.<br />

Muhr, Rudolf (2005): Dialekt als Teil der inneren Mehrsprachigkeit. In: Ders., Erwin Schranz und Dietmar Ulreich (Hrsg.):<br />

Sprachen und Sprachkontakte im pannonischen Raum. Das Burgenland und Westungarn als mehrsprachiges Gebiet.<br />

Frankfurt u. a.: Peter Lang (= Österreichisches Deutsch. Sprache der Gegenwart 5). S. 135 – 148.<br />

Resch, Gerhard (1974): Soziolinguistisches zur Sprache von Pendlern. Die Realisierung der hochsprachlichen Diphtonge „ei“,<br />

„au“ und „eu“ in der Umgangssprache von Gols (Burgenland) unter dem Einfluß <strong>des</strong> Wiener Dialektes. In: Wiener<br />

Linguistische Gazette 7. S. 38 – 47.<br />

Rauchbauer, Paul (1995): Die deutschen Mundarten im nördlichen Burgenlande. Wien: Dissertation 1932.<br />

Sauer, Dagmar: Bewertungen <strong>des</strong> Dialekts in der Schule. Am Beispiel der Pflichtschulen im südlichen Burgenland. Wien:<br />

Diplomarbeit..<br />

Seidelmann, Erich (1957): Lautlehre der Mundart von Mörbisch am Neusiedler See. Wien: Dissertation.<br />

SUSANNE OBERHOLZER (ZÜRICH)<br />

Kommunikative Funktionen von Code‐Switching im Deutschschweizer<br />

Gottesdienst<br />

In Gottesdiensten der Deutschschweiz wird sowohl Standarddeutsch wie auch Dialekt<br />

(Schweizerdeutsch) gesprochen; dies gilt <strong>für</strong> die römisch‐katholische und die evangelische<br />

Lan<strong>des</strong>kirche. Die Verwendung von Standarddeutsch in Gottesdiensten ist (meist) nicht<br />

adressateninduziert, sondern situationsinduziert (Einteilung nach Christen et al. 2010: 13‐<br />

14): Pfarrpersonen mit Dialekt als Erstsprache kommunizieren mit Sprechern (der<br />

Gemeinde), deren Erstsprache ebenfalls eine Deutschschweizer Mundart ist. Demzufolge<br />

gelänge die Kommunikation im Gottesdienst auch in Schweizerdeutsch. Nichts<strong>des</strong>totrotz<br />

finden sich beide Varietäten in den Kirchen, häufig werden sie innerhalb eines<br />

Gottesdienstes nebeneinander gebraucht.<br />

Dieser Beitrag zeigt auf, dass und wo Code‐Switching zwischen den beiden Sprachformen in<br />

Gottesdiensten auftritt. Er widmet sich zudem der Frage, ob sich die Verwendung der<br />

Varietäten Schweizerdeutsch und Standarddeutsch sowie die Wechsel zwischen den beiden<br />

in diesem Kommunikationsraum bestimmten Funktionen zuordnen lassen. Ein Vorschlag <strong>für</strong><br />

eine Typologisierung der kommunikativen Funktionen der Code‐Switchings (in beide<br />

Richtungen) soll diskutiert werden. Zudem soll die Frage untersucht werden, ob sich eine<br />

- 12 -


ReferentInnen<br />

funktionale Einteilung der Varietäten auch über den Einzelgottesdienst und den<br />

Einzelsprecher hinaus aufrechterhalten lässt und inwiefern sie sich auch auf andere Beispiele<br />

situationsinduzierten Standardgebrauchs ihre Gültigkeit übertragen lässt (vgl. beispielsweise<br />

Steiners (2008) funktionale Einteilung von Code‐Switching im gymnasialen<br />

Mathematikunterricht).<br />

Literatur:<br />

Christen, Helen/Guntern, Manuela/Hove, Ingrid/Petkova, Marina (2010): Hochdeutsch in aller Munde. Eine empirische<br />

Untersuchung zur gesprochenen Standardsprache in der Deutschschweiz (= Zeitschrift <strong>für</strong> Dialektologie und Linguistik.<br />

Beihefte; Heft 140). Stuttgart: Steiner.<br />

Steiner, Astrid (2008): Unterrichtskommunikation: eine linguistische Untersuchung der Gesprächsorganisation und <strong>des</strong><br />

Dialektgebrauchs in Gymnasien der Deutschschweiz. Tübingen: Narr.<br />

ALEXANDER SCHEUFENS (KÖLN)<br />

Gruppen und Gesellschaft im altsächsischen Heliand<br />

Eine systematische Darstellung und Interpretation <strong>des</strong> Verhältnisses von Person und<br />

Gemeinschaft fehlt in der bisherigen Forschung zur altsächsischen Evangelienharmonie<br />

Heliand. Fast die gesamte bisherige Forschung orientierte sich an der Vor‐Annahme <strong>des</strong><br />

Heliands als einer Missionsdichtung und stellte die Intention <strong>des</strong> unbekannten Autors in den<br />

Mittelpunkt <strong>des</strong> Forschungsinteresses, nicht die Überlieferung <strong>des</strong> Textes. Dagegen<br />

bestimmen zwei neue Leitfragen zur Textintention das Forschungsvorhaben: „Wie agieren<br />

Figuren und Gruppen mit‐und untereinander und welche Konsequenz hat dies <strong>für</strong> die<br />

Interpretation <strong>des</strong> Textes?“ und „Wie verschafft sich der Text durch seine narrative<br />

Organisation im Hinblick auf die Personen‐und Gruppendarstellungen Akzeptanz?“. Erstmals<br />

wird die Darstellung sämtlicher Gruppierungen im Text untersucht, nicht nur das Verhältnis<br />

Jesu zu seinen Jüngern. Dabei stützt sich das Dissertationsprojekt in einem zweiten Schritt<br />

auf die Ergebnisse der neueren mediävistischen Forschung zu Gruppenbindungen im<br />

Frühmittelalter. Die umfassende Analyse der textuellen Funktion personaler Beziehungen<br />

stellt die die bisherige Forschung dominierende These in Frage, die dem Verhältnis Jesu zu<br />

seinen Jüngern eine Sonderstellung zuschreibt und es als Darstellung „germanischer<br />

Gefolgschaft“ versteht, wie dies in der Heldendichtung überliefert ist. Statt<strong>des</strong>sen soll<br />

ausgelotet werden, inwiefern sich in der Beschreibung von Gruppenbindungen<br />

Sozialstrukturen einer frühfeudalen Gesellschaftsordnung widerspiegeln.<br />

ELMAR SCHILLING (MÜNSTER)<br />

„Ermenrîkes dôt“ und das <strong>niederdeutsche</strong> „Jüngere Hildebrandslied“:<br />

Frühneuzeitliche Nachklänge heldenepischer Tradition<br />

Durch die gesamte deutsche Literatur <strong>des</strong> Mittelalters zieht sich die epische<br />

Auseinandersetzung mit der Gestalt Dietrichs von Bern. Die Begegnung von Dietrichs<br />

Lehrmeister Hildebrand mit seinem Sohn und der darauf folgende Kampf stellen den Stoff<br />

<strong>für</strong> das älteste erhaltene Stück deutschsprachiger Heldendichtung. Der Konflikt zwischen<br />

- 13 -<br />

ReferentInnen<br />

Dietrich und Ermanarich bildet die Grundlage <strong>für</strong> die sogenannte Historische Dietrichepik.<br />

Bis in die altnordische Literatur reicht die Stofftradition. Zwei mittel<strong>niederdeutsche</strong> Balladen<br />

<strong>des</strong> 16. Jahrhunderts, Ermenrikes dot und das Jüngere Hildebrandslied, letztere wohl auf das<br />

hochdeutsche Gegenstück zurückgehend, greifen diese Geschichten auf und präsentieren sie<br />

in einer charakteristisch ‚zersungenen‘ Form. Dies hat allerhand Besserungsversuche auf den<br />

Plan gerufen, die aber den Blick auf die Charakteristik der Lieder zu verstellen drohen.<br />

Verwechslungen von Personennamen mit Ortsnamen oder Appellativa zeigen, wo mündlich<br />

tradierte Sage nicht mehr verstanden wurde und wie sich die Weitergebenden zu helfen<br />

wussten. Wo Forschern <strong>des</strong> 19. und 20. Jahrhunderts der Konjekturbedarf ins Auge sprang,<br />

liegen die eigentümlichen Faszinosa dieses literarischen Subgenres: Durch die<br />

eingeschränkte Länge der Balladen verschwimmen zeitliche und räumliche Dimensionen.<br />

Motive werden aufgegriffen und fallengelassen, Erwartungen an den Handlungsverlauf läuft<br />

der Text auf irritierende Weise zuwider. Das Ethos der Figuren erweist sich als wenig<br />

berechenbar: Wie viel vom Hildebrand <strong>des</strong> 9. und wie viel vom Dietrich <strong>des</strong> 13.<br />

Jahrhunderts, welche heroischen und ritterlichen Verhaltensmuster lassen sich in diesen<br />

wunderlichen Texten wiederfinden – und wie viel Neues bieten deren Figuren, die in<br />

Verbindung mit den glücklichen Ausgängen der Texte oft als ‚gemütlich‘ und ‚kleinbürgerlich‘<br />

abgetan worden sind? Es empfiehlt sich ein Blick auf die Texte, der die frühneuzeitlichen<br />

Charakteristika nicht einfach als Degeneration heldenepischen Erzählens ansieht.<br />

LUISE CZAJKOWSKI (LEIPZIG)<br />

Sprachbewegungen und Sprachausgleich im niederdeutsch‐<br />

ostmitteldeutschen Interferenzraum im Spätmittelalter und der Frühen<br />

Neuzeit<br />

Der überwiegend in der Dialektologie geprägte Begriff <strong>des</strong> niederdeutsch‐ostmittel‐<br />

deutschen Interferenzraums hat die Forschung bisher vor allem hinsichtlich <strong>des</strong> Ursprungs<br />

<strong>des</strong> neuhochdeutschen Standards interessiert. Wie dieses sich heute über weite Teile <strong>des</strong><br />

ostmitteldeutschen Raums erstreckende Übergangsgebiet zwischen den <strong>niederdeutsche</strong>n<br />

und den hochdeutschen Dialekten entstanden ist, soll nun untersucht werden. Erste<br />

Untersuchungen führen zu der Hypothese, dass der Grund <strong>für</strong> die Entstehung <strong>des</strong><br />

Interferenzraums ursprünglich in einer Verdrängung der <strong>niederdeutsche</strong>n Dialekte durch die<br />

hochdeutschen (und das schon lange vor der Reformation) liegt. Orte, in denen einstmals die<br />

<strong>niederdeutsche</strong> Schreibsprache herrschte, in denen sich aber schon während <strong>des</strong> Spätmittel‐<br />

alters die mitteldeutsche Sprache durchsetzte, liegen laut ersten Untersuchungen im<br />

besagten niederdeutsch‐ostmitteldeutschen Interferenzraum der Gegenwart.<br />

Ziel <strong>des</strong> (Dissertations‐)Projektes ist es, die Verdrängung <strong>des</strong> Niederdeutschen in diesem<br />

Gebiet nachzuzeichnen. Anhand graphematischer und flexionsmorphologischer Untersu‐<br />

chungen soll der Status quo der Schreibsprache (Zugriffe auf tatsächlich gesprochene<br />

Ortsdialekte sind nicht mehr möglich) im Untersuchungsgebiet bestimmt und die Ergebnisse<br />

der einzelnen Ortspunkte miteinander verglichen werden. Der Untersuchungszeitraum<br />

erstreckt sich dabei über zwei Jahrhunderte, von 1300 bis 1500. Das Untersuchungskorpus<br />

besteht überwiegend aus Originalquellen, sowie aus einzelnen zusätzlich herangezogenen<br />

- 14 -


ReferentInnen<br />

Editionen. Die Texte wurden (ausfindig gemacht,) ediert, kollationiert und in eine Datenbank<br />

eingespeist, sodass sie <strong>für</strong> die komplexe Auswertung zur Verfügung stehen. Erste Ergebnisse<br />

zeigen bereits die erwünschten neuen Erkenntnisse bzgl. <strong>des</strong> Schreibsprachenwechsels im<br />

mitteldeutschen Raum.<br />

SIMON KASPER (MARBURG)<br />

Dialektsyntaktische Phänomene, die <strong>niederdeutsche</strong> Sprachgrenze und das<br />

Projekt „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“<br />

Das DFG‐Projekt „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“ hat sich zum Ziel gesetzt, erstmals und<br />

flächendeckend die Dialektsyntax <strong>des</strong> Deutschen am Beispiel eines gesamten Bun<strong>des</strong>lands<br />

(Hessen) in ihren Grundzügen zu erheben, systematisch zu dokumentieren und zu<br />

analysieren. Die Regierungsgrenzen Hessens schließen dabei nicht nur westmitteldeutsche,<br />

sondern neben Übergangsgebieten zum Ostmitteldeutschen vor allem auch <strong>niederdeutsche</strong>,<br />

d.h. west‐ und ostfälische Dialektregionen mit ein (vgl. Wiesinger 1983). Zum aktuellen<br />

Zeitpunkt wurden bereits Daten aus 17 Belegorten (10% der Gesamtmenge an<br />

Erhebungsorten) mit jeweils 5‐8 Informanten erhoben. Da über Jahrzehnte hinweg eher<br />

andere linguistische Strukturebenen (Phonetik/Phonologie, Lexik) als die Syntax auf<br />

dialektale Variation hin untersucht worden sind (vgl. Glaser 2000: 258f.) und sich dieses Bild<br />

nur langsam ändert (vgl. <strong>für</strong> das deutsche Sprachgebiet etwa das syntaktische Sonderprojekt<br />

im Rahmen <strong>des</strong> Sprachatlas von Niederbayern „SNiB“ (Eroms et al. 2006) und den<br />

Syntaktischen Atlas der Deutschen Schweiz „SADS“), sollen im Vortrag daher zunächst die<br />

Anlage und Methode <strong>des</strong> Projekts vorgestellt werden, um anschließend bereits erhobene<br />

syntaktische Daten aus <strong>niederdeutsche</strong>n und westmitteldeutschen Dialektregionen anhand<br />

ausgewählter syntaktischer Phänomene zu vergleichen (z.B. Pronominaladverbien,<br />

Präteritumschwund, tun‐Periphrase). Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf der Frage<br />

liegen, ob und wenn ja, welche dieser Phänomene raumbildend sind und wie sich diese<br />

Räume zur bekannten Niederdeutsch‐Mitteldeutsch‐Grenze verhalten.<br />

Literatur:<br />

Eroms, Hans Werner/Röder, Birgit/Spannbauer‐Pollmann, Rosemarie (2006): Bayerischer Sprachatlas. Regionalteil 5:<br />

Sprachatlas von Niederbayern. Bd. 1: Einführung mit Syntaxauswertung. Heidelberg: Univ.‐Verlag Winter.<br />

Glaser, Elvira (2000): Erhebungsmethoden dialektaler Syntax. In: Stellmacher; D. (Hrsg.): Dialektologie zwischen Tradition<br />

und Neuansätzen. Beiträge der internationalen Dialektologentagung, Göttingen, 19.‐2<strong>1.</strong> Oktober 1998. Stuttgart: Steiner<br />

(ZDL Beihefte 109). S. 259‐276.<br />

Wiesinger, Peter (1983): Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Besch, W./Knoop, U./Putschke, W./Wiegand. H. E.<br />

(Hrsg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. Teilband 2. Berlin/New York: de<br />

Gryuter (HSK 1, 2). S. 807‐900.<br />

- 15 -<br />

ReferentInnen<br />

TIMO AHLERS (WIEN)<br />

Erhebung bairischer Syntaxdaten: theoretische Herausforderungen &<br />

Aufgaben<strong>des</strong>ign<br />

Die weiträumige Erhebung dialektsyntaktischer Daten, wie sie jüngst in bisher noch wenigen<br />

Projekten (etwa SynAlm oder SyHD) vorgenommen wird, bedeutet die Schaffung einer sehr<br />

wichtigen empirischen Datenbasis <strong>für</strong> die gesamte linguistic scientific community. Nicht<br />

zuletzt <strong>für</strong> explanative Theorien, welche die Syntax in ihr Zentrum stellen, ist eine<br />

quantitative und qualitative breite Datenlage unverzichtbar zur theoretischen Modellierung.<br />

Vice versa kann die empirische Datenlage nicht ohne die Fortschritte und Fragestellungen<br />

moderner Syntaxtheorien erhoben werden. Dies scheint trivial, hat sich aber längst noch<br />

nicht in allen Forschungsbereichen durchgesetzt. Das im Vortrag behandelte Beispiel<br />

eingebetteter Verbzweitsätze im Bairischen soll <strong>für</strong> eine engere Kooperation zwischen<br />

theoretischer und empirischer Forschungspraxis werben.<br />

Literatur:<br />

Antomo, M./Steinbach, M. (2008): Desintegration und Interpretation: Weil‐V2‐Sätze an der Schnittstelle zwischen Syntax,<br />

Semantik und Pragmatik. Unpubliziertes Manuskript. Universität Frankfurt und Universität Mainz.<br />

Julien, Marit (2007): Embedded V2 in Norwegian and Swedish. Working Papers in Scandinavian Syntax 80:103‐161, Lund<br />

University.<br />

Leu, Tom (2009): From Greek to Germanic: The Structure of AdjectivalModification. In: Brucart, Gavarro, Sola (Eds):<br />

Merging Features: Computation, Interpretation, and Acquisition, Oxford University Press.<br />

Weiß, Helmut (1998): Syntax <strong>des</strong> Bairischen. Tübingen: Niemeyer.<br />

Rowley, Anthony R. (1977): Eine Beschreibung der Mundart von Florutz (Fierozzo) in der Sprachinsel <strong>des</strong> Fersentals bei<br />

Trient. Ma Thesis, University of Reading.<br />

ALFRED LAMELI (MARBURG)<br />

Die Gliederung der Dialekte und das „Problem“ der sprachlichen Komplexität<br />

Übergeordnetes Ziel der Dialektgliederung ist die systematische Kategorisierung <strong>des</strong><br />

Sprachraums. Indem dabei die Komplexität der sprachräumlichen Verflechtungen reduziert<br />

wird, werden allgemeine Strukturen im Sinne übergeordneter Raumeinheiten sichtbar, die<br />

zur Erklärung sprachlicher Phänomene und Prozesse genutzt werden können. Doch wirft der<br />

kategorisierende Ansatz Probleme auf, wenn man die evolutionäre Entfaltung <strong>des</strong><br />

Sprachraums berücksichtigt, die zu einer Landschaft kontinuierlicher Übergänge geführt hat.<br />

So kann auch nicht verwundern, dass ein Blick in die vorliegenden Einteilungen der<br />

deutschen Dialekte bisweilen erstaunliche Unterschiede zeigt. Grenzen und Einheiten<br />

werden nicht selten stark abweichend angesetzt. Einen Schritt weiter gehen<br />

dialektometrische Ansätze, die mitunter explizit auf der Kontinuität <strong>des</strong> Raumes aufbauen<br />

und den unterliegenden Strukturen <strong>des</strong> Sprachraums gewidmet sind. Aus diesem Kontext<br />

heraus soll im Vortrag vorgeführt werden, dass die in den traditionellen Einteilungen<br />

reduzierte sprachliche Komplexität einen besonders interessanten Gegenstand der<br />

raumstrukturellen Analyse bildet, der neue Einsichten in die Strukturierung, aber auch in die<br />

- 16 -


ReferentInnen<br />

Dynamik <strong>des</strong> Sprachraumes zu liefern im Stande ist. Hier<strong>für</strong> wurde eine quantitative<br />

Modellierung der dialektalen Raumstruktur in Deutschland erarbeitet, die im Vortrag<br />

präsentiert wird und hinsichtlich der damit abgebildeten Hierarchien und Relationen der<br />

Einzeldialekte diskutiert wird.<br />

SANDRA WEBER (LÜTTICH)<br />

Sprachliche Identität, Spracheinstellungen und Sprachwahrnehmung in der<br />

deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens<br />

Ob in dem vorweihnachtlichen Radioquiz „Der germanistische Adventskalender: Ostbelgien<br />

lernt Deutsch“ oder in Zeitungsartikeln mit Titeln wie „Mazouttanks und andere<br />

Verfehlungen“ ‐ ein Blick auf die Medien der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (DG)<br />

verrät es: Der deutschsprachige Belgier hat offensichtlich den Eindruck, dass sich das<br />

belgische Hochdeutsch von dem auf der anderen Seite der deutsch‐belgischen Grenze<br />

unterscheidet. Immer wieder werden Besonderheiten in der Sprache der deutschsprachigen<br />

Belgier in den regionalen Medien thematisiert, und erst kürzlich ist ein<br />

populärwissenschaftliches Wörterbuch zur ostbelgischen Alltagssprache erschienen. Dieses<br />

Projekt beschäftigt sich damit, wie die ostbelgischen Sprachmerkmale in der hochdeutschen<br />

Alltagssprache von den Bewohnern der DG wahrgenommen und bewertet werden, und<br />

inwieweit diese zu ihrer sprachlichen Identität gehören. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der<br />

Frage ob und in welchem Maße die sprachliche Identität, die Sprachwahrnehmung und<br />

–einstellungen der Ostbelgier durch die politische und kulturelle Situation der DG beeinflusst<br />

werden. Die DG ist eine der drei autonomen Gemeinschaften <strong>des</strong> belgischen Föderalstaats.<br />

Die bewegte Geschichte der Region (mehrfacher Nationalitätenwechsel zwischen 1920 und<br />

1945) und die Minderheitensituation machen es den Ostbelgiern allerdings schwer, zu einer<br />

Identität zu finden. Die Bewohner der DG sprechen eine Sprache, deren « Mutterland » das<br />

Nachbarland Deutschland ist, außerdem haben sie durch den Konsum deutscher Medien<br />

einen starken Bezug zur deutschen Kultur, möchten aber nicht als Deutsche betrachtet<br />

werden. Innerhalb Belgiens sind sie eine Minderheit, fühlen sich aber durch intensiven<br />

Kontakt auch der belgischen Kultur verbunden. Auf nationaler Ebene können sich die<br />

Ostbelgier zwar über ihre Sprache definieren (siehe die offizielle Bezeichnung <strong>des</strong> Gebietes:<br />

"DeutschSPRACHIGE Gemeinschaft"), auf internationaler Ebene birgt das aber das Problem,<br />

dass man sich so nicht von den deutschen Staatsbürgern abgrenzen kann. Bei diesem Projekt<br />

geht es u. a. darum, ob dies auf sprachlicher Ebene über regionale Varianten oder Varietäten<br />

geschehen kann. Da sowohl auf Ebene der Basisdialekte bzw. der regionalen<br />

Sprachmerkmale als auch im vertikalen Varietätengebrauchsgefüge grundsätzlich große<br />

Gemeinsamkeiten zwischen den sprachlichen Verhältnissen in der DG und denen im<br />

angrenzenden deutschen Gebiet bestehen, die kulturellen und politischen Situationen aber<br />

durchaus unterschiedlich sind, verspricht eine grenzüberschreitende vergleichende<br />

Betrachtung besonders aufschlussreiche Ergebnisse. Die wichtigsten Fragen hierbei sind:<br />

Wie stark herrscht bei den Sprechern das Gefühl, das sich das regionale Alltagshochdeutsch<br />

von dem auf der anderen Seite der Lan<strong>des</strong>grenze unterscheidet? Was ist in den Augen der<br />

lokalen Bevölkerung typisch <strong>für</strong> diese Varietät und inwieweit stimmen diese Vorstellungen<br />

mit der Realität überein? Wie sind ihre Einstellungen der regionalen hochdeutschen<br />

Alltagssprache gegenüber? Welche Funktionen haben vorkommende regionale Merkmale<br />

- 17 -<br />

ReferentInnen<br />

<strong>für</strong> die Identität der Menschen auf beiden Seiten der Grenze? Des Weiteren soll untersucht<br />

werden, wie Sprache in den regionalen Medien, also besonders standardnahe Varietäten, in<br />

die dennoch auch regionaler Sprachgebrauch einfließen kann, wahrgenommen werden:<br />

Betrachten die Menschen sie als ein sprachliches Vorbild, an dem sie sich orientieren<br />

können? Das Projekt, die Untersuchungsmethoden und eventuell erste<br />

Untersuchungsergebnisse sollen im Rahmen <strong>des</strong> Vortrags vorgestellt werden.<br />

REBEKKA STUDLER (BASEL)<br />

Zur Genese von Spracheinstellungen<br />

zum Standarddeutschen in der Deutschschweiz<br />

Die Sprachsituation in der Schweiz ist <strong>für</strong> die Untersuchung von Spracheinstellungen aus<br />

min<strong>des</strong>tens zwei Gründen interessant: Erstens besteht in der Deutschschweiz eine Diglossie<br />

mit schweizerdeutschen Dialekten und der Standardvarietät ‚Hochdeutsch’. Anders als in<br />

klassischen diglossischen Situationen hat das Schweizerdeutsche (die Low‐Varietät) ein<br />

hohes Prestige und einen grossen Einfluss auf die (Sprach‐)Identität seiner SprecherInnen.<br />

Zweitens ist das Deutsche eine plurizentrische Sprache mit Standardvarietäten <strong>für</strong><br />

Deutschland, Österreich und die Schweiz. Obwohl diese Varietäten theoretisch<br />

gleichberechtigt sind, ist die Überzeugung weit verbreitet, dass das bun<strong>des</strong>deutsche<br />

Hochdeutsch das normgebende und korrekte Deutsch darstellt.<br />

Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass die Spracheinstellungen zum<br />

Standarddeutschen geteilt sind: Einerseits sind sie positiv, da nicht nur das<br />

Schweizerdeutsche, sondern auch das Hochdeutsche ein hohes Prestige geniesst und als<br />

Instanz <strong>für</strong> ‚gutes Deutsch’ gilt. Andererseits sind sie negativ, da die Umgangssprache in allen<br />

informellen und halbformellen Situationen der Dialekt ist; Hochdeutsch wird vorwiegend in<br />

der Schule erlernt und in erster Linie in offiziellen Situationen verwendet. Während Kinder<br />

im Vorschulalter und in den ersten Schuljahren noch keine charakteristischen Einstellungen<br />

entwickelt haben, kommt es im Laufe der Schulzeit zu einer Distanzierung (die Mehrheit der<br />

Bevölkerung ist der Überzeugung, dass das Hochdeutsche <strong>für</strong> DeutschschweizerInnen eine<br />

Fremdsprache darstellt) und zu negativen Einstellungen zum Hochdeutschen und seinen<br />

SprecherInnen.<br />

Um zu klären, welche konkreten Gründe bei der Entstehung von Spracheinstellungen zum<br />

Standarddeutschen (und zum Schweizerdeutschen) ausschlaggebend sind, wende ich<br />

quantitative und qualitative Methoden an, i.e. Fragebogen und Leitfadeninterviews. In<br />

meinem Vortrag werde ich die Methode meiner Untersuchung vorstellen und erste<br />

Ergebnisse der quantitativen Erhebung präsentieren: Es wird diskutiert, ob unterschiedliche<br />

Sprachsozialisierungen, wie Erstkontakt mit der Varietät ‚Standarddeutsch’, Art <strong>des</strong> Erwerbs<br />

<strong>des</strong> Standarddeutschen (gesteuert/ungesteuert), vermitteltes Prestige von<br />

Schweizerdeutsch und Standarddeutsch etc. die Spracheinstellungen beeinflussen, ob die<br />

sprachpolitischen Änderungen der letzten Jahre signifikante Änderungen bringen können<br />

und inwiefern die Spracheinstellungen mit den Einstellungen zu seinen SprecherInnen<br />

zusammenhängen.<br />

- 18 -


ReferentInnen<br />

JANA BRUNNER (POTSDAM)<br />

Einführung in die Statistik <strong>für</strong> LinguistInnen<br />

Der Workshop gibt eine sehr knappe Einführung in statistische Arbeitsweisen<br />

(Grundbegriffe, Hypothesengenerierung, Kriterien <strong>für</strong> die Auswahl eines Tests), die darauf<br />

angelegt ist, die TeilnehmerInnen zu befähigen, sich selbstständig weiter in die Materie<br />

einzuarbeiten.<br />

Die TeilnehmerInnen werden lernen, mit der Statistiksoftware R umzugehen. Wir werden<br />

Daten in das Programm einlesen und einfache statistische Tests (z.B. Chi‐Quadrat‐Test, t‐<br />

Test) durchführen.<br />

- 19 -<br />

CAMPUSPLAN<br />

Mensa<br />

Hauptgebäude Räume<br />

HG 247, HG 248, HG 242<br />

Erweiterungsbau,<br />

Campus Suite 2<br />

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

Vom Bahnhof oder Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) mit der Linie 4 in Richtung "Campus<br />

Uni" oder der Linie 5 in Richtung "Sünderup (über Campus)" bis zur Haltestelle "Campus Uni"<br />

(roter Kreis auf dem Plan) fahren.<br />

Die Busfahrpläne liegen den Tagungsunterlagen bei und sind mit der Tagungshomepage<br />

(http://www.germsem.uni‐kiel.de/ndnl/Doppelkolloquium%20Flensburg.shtml) verlinkt.<br />

Die Lokale (siehe Plan in den Tagungsunterlagen) können vom zentralen Omnisbusbahnhof<br />

(ZOB) fußläufig erreicht werden.

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