07.01.2013 Aufrufe

Alex Dysli

Alex Dysli

Alex Dysli

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Dänu Riesen<br />

Redaktor<br />

TÖFF<br />

Micha Kutschke<br />

Redaktor<br />

Lausbub und Gentleman<br />

Bekanntlich verändert sich die Einstellung der Menschen<br />

im Strassenverkehr abhängig davon, mit welchem<br />

Verkehrsmittel sie unterwegs sind. Brave Fussgänger<br />

zum Beispiel mutieren zu ellbögelnden<br />

Autofahrern. Juristen, Gralshüter der Buchstaben getreuen<br />

Gesetzesauslegung, kümmern sich einen Deut<br />

um alle Vorschriften und Regeln, sobald sie auf einem<br />

Velo sitzen. Ich wiederum bin in der Regel ein ziemlich<br />

Harmloser. Auf dem Motorrad jedoch dringt schon<br />

mal meine dunkle Seite an die Oberfläche.<br />

Es gibt einfach Situationen, in denen es schwer fällt,<br />

brav zu bleiben. Kolonnen in der Stadt sind so ein Klassiker.<br />

Ich fahre sehr oft mit dem Töff zur Arbeit ins<br />

Zentrum der Stadt Bern. Dank zahlloser Baustellen<br />

gibt‘s praktisch nur noch eine gescheite Reiseroute –<br />

entsprechend kenne ich jeden Meter und jeden Rotlicht-Rhythmus<br />

auswendig. Oft mogle ich mich dann<br />

an den drei, vier vor mir stehenden Autos vorbei, denn<br />

ich weiss, dass sie es mit ihren verschlafenen Ampelstarts<br />

nirgends hinbringen, während ich zügig beschleunigend<br />

(aber nie das Tempolimit übertreffend)<br />

so etwas wie eine grüne Welle schaffe. Oder die ausgezogenen<br />

Linien. Die werden ja immer zahlreicher,<br />

und oft machen sie ja wohl auch Sinn. Doch sie haben<br />

in meinen Biker-Augen eine Schwäche: Sie sind für die<br />

Fahrdynamik eines Mittelklasseautos ausgelegt. Wo<br />

ein Auto zwingend hinten bleiben muss, kann ein Töff<br />

Nomaden auf zwei Rädern<br />

Tourenfahrer – egal mit welchem Motorrad, egal wie<br />

fern ihre Ziele auch immer waren. Töfffahrer, die in<br />

Wüsten auf Dünen sitzen oder auf den hohen Bergen<br />

der Anden, der Alpen oder sonst wo auf der Welt<br />

ihren Frieden finden – die gab´s auch schon vor Jahren.<br />

Damals, als wir noch Teenager waren, waren Motorrad-Fernreisende<br />

für viele von uns Idole. Sie erschufen<br />

unsere Träume. Träume, die es zu erfüllen galt. Oft haben<br />

solche Leute, ganze Frauen und Kerle eben, Motorrad-Epochen<br />

geprägt: Zum Beispiel Fernreisen auf<br />

der Route 66 oder ans Nordkap. Mich hat es wegen<br />

solcher Motorradnomaden 1984 mit einer Strassenmaschine<br />

erstmals in die Sahara verschlagen. Seither<br />

hat mich der Schwarze Kontinent, aber auch das<br />

Reisen mit dem Motorrad, nie wieder losgelassen.<br />

Wirtschaftskrise, Werbespots und Schweinegrippe…<br />

Presse<br />

MOTOSPORT SCHWEIZ<br />

gefahrlos vorbei brausen. Zweifellos eine illegale Tat,<br />

aber ich bin überzeugt, die Tragweite meines Tun‘s<br />

selbständig einschätzen zu können (was mir sogenannte<br />

Sicherheitsexperten natürlich umgehend ausreden<br />

würden…) Im Übrigen: Überholen ist für mich<br />

weder Machtdemonstration noch Selbstzweck, ich suche<br />

meist nur die freie Fahrt für die nächsten Kurven,<br />

in denen mir die Blechdosen sonst sowieso nur im<br />

Weg stünden.<br />

Weil ich weiss, dass ich mit solchen anarchischen Anflügen<br />

nicht nur Sympathie ernte, versuche ich, bei Gelegenheit<br />

wieder etwas gutzumachen. Ich bin ja ein<br />

netter Mensch, und im Verkehr gibt‘s genügend Gelegenheit,<br />

das zu zeigen. Wenn drei Autofahrer achtlos<br />

einen Fussgängerstreifen mit wartenden Menschen<br />

überfahren, stoppe ich grad extra, das Visier oben. Die<br />

Leute dürfen ruhig sehen, dass nicht einfach ein hirnloser<br />

Raser auf dem Bike sitzt, sondern ein Mensch mit<br />

einem Gesicht. Beim Kolonnen fahren wiederum lasse<br />

ich entgegenkommende Linksabbieger noch so gern<br />

mit einer Geste oder der Lichthupe passieren.<br />

Ein bisschen Goodwill kann uns Töfffahrern nicht schaden.<br />

Wir sind nicht allein auf der Strasse, auf die Rücksicht<br />

der anderen sind wir auch angewiesen, obwohl<br />

wir nicht damit rechnen können. Denn wenns kracht,<br />

sind immer wir die Dummen.<br />

Die Zeiten haben sich geändert, die globalisierte Welt<br />

scheint zu klein für Motorräder vom Schlage meiner<br />

alten YAMAHA Ténéré geworden zu sein. Die Reisefreiheit<br />

in der Sahara wurde klammheimlich abgeschafft.<br />

Wir träumen weiter. Und das ist gut so. Das Leben ist<br />

schön, und das Touren und Reisen mit dem Motorrad<br />

bleibt weiterhin ein entscheidendes Stück Lebensqualität.<br />

Ars Vivendi – die Kunst zu Leben ist noch immer<br />

das beste Mittel für einmal dem ganzen Nonsens eine<br />

Absage zu erteilen. Gönnen wir uns das. In diesem Sinne<br />

wünsche ich allen Mitgliedern des GTS/FJR-Clubs<br />

Suisse viele traumhafte Touren in sonniger Herbstlandschaft.<br />

PS: Unter www.toeff-magazin.ch finden Sie zahlreiche<br />

GPS-Tourentipps zum Downloaden<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!