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Wie würde Jesusheute leben - idealisten.net

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Nr. 1/2012<br />

Deine<br />

Meinung<br />

gewinnt!<br />

Magazin<br />

Weltherrscher? revolutionär? FriedensstiFter?


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Telefon: 0711 83 88 94 80<br />

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Inhalt<br />

Jesus, der Sündenbock.<br />

copyright: menschjesus.de<br />

Seite 4<br />

Mensch Jesus<br />

Er wusste besser als jeder andere Mensch, warum er lebte. Und er<br />

machte seinen Job bis zum bitteren Ende. <strong>Wie</strong> gut! Markus 10,45<br />

Seite 12<br />

Keine Lügen mehr<br />

Seite 18<br />

<strong>Wie</strong> <strong>würde</strong> Jesus heute <strong>leben</strong>?<br />

Seite 26<br />

Vom Mut, eigene<br />

Entscheidungen zu treffen<br />

Besucht uns auch auf<br />

facebook.com/<strong>idealisten</strong><br />

IMPRESSuM<br />

Herausgeber:<br />

idea e.V. · Postfach 18 20 · 35528 Wetzlar<br />

<strong>idealisten</strong>.<strong>net</strong>-Magazin erscheint als<br />

Beilage in ideaSpektrum.<br />

Presserechtlich verantwortlich:<br />

Helmut Matthies<br />

Textredaktion:<br />

Simon Jahn, Bernhard Limberg<br />

Satz & Layout:<br />

zeichensetzen wetzlar GmbH, Jens Weigel<br />

Collagen:<br />

zeichensetzen wetzlar GmbH,<br />

Anna Siebert, Rosa Pegam<br />

1/2012<br />

Lieber Jesus,<br />

Seite 7<br />

Freundebuch<br />

danke! Seite 14<br />

Brief an …<br />

Seite 20<br />

Interview Martin Dreyer<br />

Seite 30<br />

Titus Müller: Die Sehnsucht nach<br />

der göttlichen Liebe<br />

Kostenlos im App-Store erhältlich:<br />

<strong>idealisten</strong>.<strong>net</strong>-App<br />

Anzeigenverwaltung:<br />

zeichensetzen wetzlar GmbH<br />

Steinbühlstraße 3<br />

35578 Wetzlar<br />

Tel. 06441 915-142 · Fax 06441 915-148<br />

E-Mail: adam@zeichensetzen.de<br />

Agenturleitung:<br />

Astrid Jaehn<br />

Mediaberatung und Koordination:<br />

René Adam<br />

Anzeigengestaltung:<br />

Katja Reimer, Heike Scharmann<br />

Inhalt<br />

Seite 8<br />

Politisch korrekt? Christlich korrekt!<br />

3<br />

Seite 15<br />

Top 5<br />

Seite 24<br />

Warum Zeiten der Stille<br />

so wertvoll sind<br />

Seite 34<br />

Das Kreuz


4 Mensch Jesus<br />

MENSCH JESUS.<br />

Fernglas drehen, bitte!<br />

Jesus von Nazareth, dieser Mann, der vor 2.000 Jahren lebte,<br />

was hat er mit uns heute zu schaffen? Zu seiner Zeit existierten<br />

weder Fernsehen, Computer, Flugzeug noch Waschmaschine,<br />

Autobahn oder Hochhäuser. Dementsprechend<br />

gab es keine Reizüberflutung, Computerviren, Wasserrohrbrüche,<br />

Staus oder streikende Fahrstühle. Er scheint so weit<br />

weg, wie die Welt, die man durch ein falschherum gehaltenes<br />

Fernglas betrachtet.<br />

Doch ist er wirklich so weit weg? Ob man nun Stress hat<br />

mit einem Verkäufer in der Computerabteilung oder mit<br />

den Händlern auf einem arabischen Basar, ob man unter<br />

Jesus, der Sündenbock.<br />

copyright: menschjesus.de<br />

Er wusste besser als jeder andere Mensch, warum er lebte. Und er<br />

machte seinen Job bis zum bitteren Ende. <strong>Wie</strong> gut! Markus 10,45<br />

Jesus, der Kindernarr.<br />

Er knuddelte und herzte sie. Er wusste, was es heißt, Kind zu sein: Auch er buddelte<br />

in der Sandkiste, kämpfte als Teenie gegen Pickel und büchste mal aus. Lukas 2,41-52<br />

copyright: menschjesus.de<br />

römischer Besatzungsmacht leidet oder weltweite Terroranschläge<br />

fürchtet – die menschlichen Gefühle in diesen<br />

Situationen sind in jedem Zeitalter die gleichen. Was wäre,<br />

wenn wir unsere Ferngläser drehten, Jesus mal bis in<br />

unsere heutigen Situationen hineinholten und ihn uns<br />

unter unseren Umständen betrachten <strong>würde</strong>n?<br />

Ich habe 2006 einen Versuch gestartet, das Fernglas umzudrehen:<br />

Ich entwarf einen Online-Adventskalender, der<br />

jeden Tag eine andere Facette von Jesus abbilden sollte.<br />

Schließlich feiern wir am 24. 12. Jesu Geburtstag – ein<br />

guter Grund, ihn einmal etwas genauer unter die Lupe<br />

zu nehmen.<br />

Jesus, der Gefühlsmensch.<br />

Mitanzusehen, wie die Menschheit einfach keinen Fuß auf den Boden<br />

bekommt, ließ ihn nicht kalt. Er weinte bittere, echte Tränen. Lukas 19,41-44<br />

copyright: menschjesus.de<br />

Jesus, der Geduldige.<br />

Er hatte alle Zeit der Welt, um Menschen zuzuhören und zu helfen. Manche<br />

Zeitgenossen unterschätzten seine Koordinationsfähigkeit gewaltig. Lukas 8,40–55<br />

copyright: menschjesus.de<br />

1/2012


Tag für Tag veröffentlichte ich ein interessantes<br />

Detail aus seinem Leben – immer mit dem Verweis<br />

auf eine Bibelstelle zum Nachlesen. Inzwischen<br />

wurden aus den damals 24 Motiven mehr als 70.<br />

Der Alltag Jesu entpuppte sich als sehr facettenreich<br />

und vielseitig: Jesus, der Wassersportler, der<br />

Frauenversteher, Vieltelefonierer, Fahrlehrer … Jesus<br />

selbst wird in der Serie nie abgebildet. Wer weiß<br />

schon, wie er ausgesehen hat. Ich fand es vielmehr<br />

spannend, die Geschichten aus dem alten Orient per<br />

Bild und Text ins Heute zu übersetzen, um damit<br />

Menschen, die keine Vorstellung von damals haben,<br />

eine Idee von Jesu Leben zu vermitteln.<br />

Es gab in der Zwischenzeit zahllose Reaktionen<br />

auf die Serie. Viele freuen sich darüber. Einige<br />

stoßen sich daran. Mir scheint, manchen ist der<br />

weit entfernte Jesus lieber als der Jesus im Hier und<br />

Heute. Der verklärte Blick auf die Vergangenheit<br />

will nicht zulassen, dass Jesus verletzlich, ausgelassen,<br />

aufbrausend, sportlich, humorvoll, unausgeschlafen<br />

und vieles mehr war. Aber Jesus war kein<br />

Übermensch, er kam als Baby und war vollkommen<br />

abhängig. Er musste Laufen und Sprechen lernen<br />

und kennt praktisch alle Situationen, durch die ein<br />

Mensch durch muss – damals wie heute.<br />

Die Tatsache, dass Gott sich nicht zu schade war,<br />

sich dieser Welt mit Haut und Haar auszuliefern,<br />

macht den christlichen Glauben weltweit einmalig.<br />

In jeder anderen Religion versuchen sich<br />

die Menschen Gott zu nähern, um ihrer Erlösung<br />

näher zu kommen. Durch Jesus Christus begeg<strong>net</strong><br />

uns Gott, um uns nahezukommen und seine Liebe<br />

spürbar zu machen. Gott wurde Mensch, um eine<br />

Brücke zu uns zu schlagen, die wir von uns aus nicht<br />

hätten bauen können. In der Betrachtung von Jesus<br />

Christus bekommen wir die einmalige Chance, uns<br />

Gott auf eine ganz persönliche, menschliche Art zu<br />

nähern.<br />

Es wäre aber zu kurz gegriffen, wenn wir Jesus nur<br />

als Menschen betrachten. Sicherlich eine wichtige<br />

Übung. Aber er ist eben auch Gott. Gott in seiner<br />

menschlichsten Form. Die ausgestreckte Hand Gottes<br />

und der <strong>leben</strong>dige Beweis, dass Gott ein uneingeschränktes<br />

Ja zu uns hat.<br />

1/2012<br />

AutorIN<br />

Eva Jung (43) ist Geschäftsführerin<br />

der Kreativschmiede gobasil.com<br />

aus Hamburg und als Designerin,<br />

Art-Directorin und Kreativ-Beraterin<br />

tätig. Sie initiierte und gestaltet<br />

unter anderem die Webseiten<br />

godnews.de, menschjesus.de,<br />

wertvollwort.de und gottspricht.com<br />

und hat für die Neugestaltung der<br />

BasisBibel viele nationale und internationale<br />

Kreativpreise erhalten.<br />

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Im vierten <strong>idealisten</strong>-Magazin<br />

dreht sich alles um Jesus.<br />

<strong>Wie</strong> gefällt Dir das Heft?<br />

Sprechen Dich die Texte an?<br />

Würdest Du sie weiterempfehlen?<br />

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Politik: Werden die Protestanten jetzt zu stark?<br />

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Das bin ich<br />

Autor<br />

Name<br />

Spitzname<br />

Geburtsort<br />

Wohnort<br />

Lieblingsessen<br />

Lieblingsbuch<br />

Mein Motto<br />

Mein Hauptcharakterzug<br />

1/2012<br />

Mein größtes Vorbild<br />

Mein größtes Unglück<br />

Das ist für mich das<br />

vollkommene Glück<br />

Das mag ich gar nicht<br />

Mit wem ich mich mal<br />

unterhalten möchte<br />

Was mich schier verrückt<br />

macht<br />

Das hätte ich lieber nicht<br />

gemacht, wenn es möglich<br />

gewesen wäre<br />

Jesus von Nazaret, später wurde ich<br />

auch Jesus Christus genannt<br />

Fabian Backhaus (27) ist ein<br />

Jesus Freak und arbeitet als<br />

Diakon in der ev. luth.<br />

Epiphaniasgemeinde Bremen.<br />

www.fabianbackhaus.de<br />

Rabbi, Messias, Meister<br />

Betlehem, 8 km südlich von Jerusalem<br />

früher Nazaret, jetzt ewiger Himmel<br />

Ungesäuerte Brote, Passalamm<br />

Die Bibel<br />

Ich sagte nicht, dass es einfach werden<br />

<strong>würde</strong>, ich sagte nur, es <strong>würde</strong> sich lohnen<br />

Liebe<br />

Mein Vater<br />

Wenn Menschen nicht den Weg zu Gott finden<br />

Alle lieben Gott, einander und sich selbst<br />

Den Teufel, die Sünde<br />

Mit Dir<br />

Wenn ich sehe was manche Menschen tun<br />

Ans Kreuz zu gehen, ich hatte<br />

panische Angst<br />

Freundebuch<br />

Bethlehem<br />

Jerusalem<br />

See Genezareth<br />

7


8 Politisch korrekt? Christlich korrekt!<br />

Politisch KorreKt?<br />

christlich KorreKt!<br />

Kirche in der Krise? Steigende Austrittszahlen und<br />

immer weniger Gottesdienstbesucher sprechen<br />

eine deutliche Sprache. Dabei war unser Land<br />

doch nie »christlicher« als heute: Rechtlich sind alle<br />

gleichberechtigt, niemand darf diskriminiert werden.<br />

Aber ist gelebte Nächstenliebe im Sinne Jesu wirklich<br />

»Friede, Freude, Eierkuchen«? Jesus hatte keine Angst<br />

davor, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und<br />

damit zu polarisieren oder anzuecken.<br />

Man könnte Jesus aus gutem Grund als »unumstritten«<br />

bezeichnen. Auch heute noch. Nicht, weil etwa jeder an<br />

den Gottessohn glaubt, sondern weil Jesus noch immer<br />

verhältnismäßig »gut wegkommt« – selbst bei notorischen<br />

Kirchenkritikern und Atheisten. Die Kreuzzüge<br />

haben seinem ruf ebenso wenig geschadet wie die<br />

»Deutschen christen«, Dan Brown oder die jüngsten<br />

Missbrauchsfälle. Während die Kirchen sich immer<br />

geringerer Beliebtheit erfreuen und überzeugte christen<br />

zunehmend als Fundamentalisten gebrandmarkt werden,<br />

ist Jesus chic. ein Freak, ein <strong>net</strong>ter sandalenhippie mit<br />

gemütlicher Botschaft von »liebe und Frieden«. Fast<br />

schon ein Wegbereiter der 68er mit seiner lässigen langhaarfrisur.<br />

Mit den Purpurträgern im Vatikan und den<br />

aggressiven Fernsehpredigern in den UsA hat der doch<br />

nichts zu tun – die missbrauchen seinen Namen nur! Und<br />

in Wahrheit war Jesus, wie wir alle wissen, ohnehin der<br />

erste linke.<br />

1/2012<br />

Foto: istockfoto.com/aprott


1/2012<br />

soweit, so falsch: Der Versuch, Jesus christus<br />

zu einem Vordenker linker ideen umzudichten,<br />

ist so alt wie der sozialismus selbst – und doch<br />

aktuell wie nie. Kein evangelischer Kirchentag<br />

und keine Veranstaltung des Zentralkomitees<br />

deutscher Katholiken kommen mittlerweile ohne<br />

eine gehörige Portion linken Weltverbesserertums<br />

aus. Warum auch über den Kreuzestod<br />

christi philosophieren, wenn Klimawandel,<br />

Zwei-Klassen-Gesellschaft und raubtierkapitalismus<br />

viel naheliegender und bedrohlicher scheinen<br />

als das Jüngste Gericht? Das hat doch alles<br />

auch etwas mit Jesus zu tun. Und man muss die<br />

Frohe Botschaft ja in die heutige Zeit übertragen!<br />

Doch Jesus lehrt uns: »es werden viele kommen<br />

in meinem Namen und sagen: ich bin der christus,<br />

und sie werden viele verführen« (Matthäus 24,5).<br />

Nicht von dieser Welt<br />

Man kann freilich darüber streiten, wie sich<br />

die Botschaft Jesu am besten in die sphäre des<br />

Politischen übersetzen lässt – ob Jesus nun besser<br />

zum ersten linken oder zur Galionsfigur des<br />

Konservatismus taugt. Viel entscheidender aber<br />

als die müßige einordnung des christlichen ins<br />

politische links-rechts-schema ist das Problem<br />

der Verweltlichung Jesu. Auf Kirchentagen muss<br />

man sich heutzutage immer wieder selbst daran<br />

erinnern, auf einer religiösen und nicht auf einer<br />

politischen Veranstaltung zu sein. Auch in vielen<br />

Gottesdiensten hat das Weltliche mittlerweile<br />

nicht nur »Kirchenasyl« gefunden, sondern die<br />

religiöse Praxis durchsetzt – und damit auch den<br />

Glauben. Fürbitten für den Klimaschutz, Predigten<br />

über den Arabischen Frühling und »gegendertes«<br />

Politisch korrekt? Christlich korrekt!<br />

•<br />

»Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;<br />

niemand kommt zum Vater denn durch mich.«<br />

Jesus Christus, Johannes 14,6<br />

evangelium. Jesu einwand ist eindeutig: »Mein<br />

reich ist nicht von dieser Welt« (Johannes 18,36).<br />

Natürlich kommen wir nicht umhin, immer<br />

wieder aufs Neue zu versuchen, den christlichen<br />

Gedanken ins hier und Jetzt zu übertragen,<br />

wenn wir den Glauben nicht zur bloßen tradition<br />

verkommen lassen wollen. Jesus selbst sollte dabei<br />

aber nicht auf der strecke bleiben. Wir sollten<br />

die Politik mit christlichem Geist füllen – nicht<br />

den christlichen Glauben mit Politik. Und sei die<br />

Politik dahinter auch noch so bunt, tolerant und<br />

sozial. es ist die Politisierung des Glaubens, die<br />

Jesus zum bloßen charismatiker herabstuft, den<br />

Gottessohn zum gewöhnlichen Gutmenschen<br />

verweltlicht. Nun meinen es die wenigsten böse,<br />

die Jesus in einem Atemzug mit Gandhi, Mandela<br />

oder dem Dalai lama nennen. in eine reihe mit<br />

diesen Persönlichkeiten passt er trotzdem nicht.<br />

seine Botschaft beinhaltet mehr als den Kampf<br />

gegen Apartheid oder Kolonialherrschaft. Jesus<br />

ist mehr, nicht nur, weil er der sohn Gottes mit<br />

einem reich »nicht von dieser Welt« ist.<br />

Profilscharf und radikal<br />

Wer ihn als jedermanns liebling und naiven<br />

<strong>idealisten</strong> darstellt, der verkennt seinen Absolutheitsanspruch:<br />

»ich bin der Weg und die Wahrheit<br />

und das <strong>leben</strong>; niemand kommt zum Vater<br />

denn durch mich« (Johannes 14,6). Die Botschaft<br />

Jesu ist eine profilscharfe, unmissverständliche<br />

Ansage an die Welt. Mit der scheu vor Festlegung<br />

und klaren Bekenntnissen, die unserem Zeitgeist<br />

innewohnt, hat sie nichts gemein.<br />

Jesus trennt klar zwischen Gut und Böse, verliert<br />

9


10 Politisch korrekt? Christlich korrekt!<br />

sich nicht in gleichgültigem relativismus. Die teils schon<br />

bizarre Furcht davor, womöglich jemandem »auf den<br />

schlips zu treten«, gar zu »diskriminieren«, kannte Jesus<br />

nicht. »Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt<br />

mir nach, der ist meiner nicht wert«, ist in Matthäus 10,38<br />

zu lesen, nur einige sätze nach der Aufforderung, Vater und<br />

Mutter, sohn und tochter nicht mehr als ihn zu lieben.<br />

starker tobak!<br />

Vermeintlich sozialistisch, aber nicht minder scharf und<br />

provokativ ist Jesu Gleichnis vom Nadelöhr. »es ist leichter,<br />

dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein<br />

reicher ins reich Gottes komme«, sagt Jesus (Markus 10,25).<br />

<strong>Wie</strong> hat er das bloß gemeint? Ganz und gar nicht »pazifistisch«<br />

erscheint er uns in der Geschichte von der tempelreinigung.<br />

Das Johannes-evangelium berichtet: »Und er<br />

machte eine Geißel aus stricken und trieb sie alle zum<br />

tempel hinaus samt den schafen und rindern und schüttete<br />

den Wechslern das Geld aus und stieß die tische um<br />

und sprach zu denen, die die tauben verkauften: tragt das<br />

weg und macht nicht meines Vaters haus zum Kaufhaus!«<br />

(Johannes 2,15-16). huch – das ist Jesus ?!<br />

Kein Politiker auf Stimmenfang<br />

Noch »polarisierender«, um in der sprache der Politik zu<br />

bleiben, zeigt sich Jesus in der Bergpredigt. »Wer eine Frau<br />

ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die ehe<br />

gebrochen in seinem herzen« (Matthäus 5,28). Das klingt<br />

nicht gerade nach freier liebe. Auch die vielzitierte Nächstenliebe<br />

entpuppt sich als etwas grundlegend anderes als der<br />

gemütliche stuhlkreis, den man nach dem Konfirmandenunterricht<br />

vor Augen hat. sie ist eben nicht nur eine<br />

toleranzfloskel. Unsere Feinde lieben? Für unsere Verfolger<br />

beten? Und auch noch die linke Wange hinhalten, nachdem<br />

wir auf die rechte geschlagen worden sind? »Aber das tut<br />

doch weh«, hört man sich laut denken. tatsächlich verlangt<br />

Jesus hier auch dem Frömmsten einiges ab: Dessen ist er<br />

sich bewusst – und trotzdem rückt er keinen Zentimeter<br />

von seinem Absolutheitsanspruch ab.<br />

er ist eben kein Politiker auf stimmenfang und kein<br />

redner, der der Menge nach dem Mund redet, um bejubelt<br />

zu werden. trotzdem - oder gerade deswegen - folgt ihm<br />

die Menge selbst in entlegenste Winkel oder begrüßt ihn<br />

mit Palmwedeln. Jesus wird im Volk verehrt, aber nicht als<br />

bloßer Volkstribun oder Populist, nicht als einer, der bloß<br />

leere Versprechungen macht. er ist kein revoluzzer um der<br />

revolution, sondern um der göttlichen Wahrheit willen.<br />

Das nehmen ihm die Menschen ab. »Weh euch, schriftgelehrte<br />

und Pharisäer, ihr heuchler«, ruft er den religiösen<br />

eliten zu, »ihr Narren und Blinden!« (Matthäus 23,25+17). er<br />

richtet sich nicht nach momentanen opportunitäten und<br />

dem Zeitgeist, er ist unbequem und riskiert einiges – was istockfoto.com/IBushuev<br />

ihn bekanntlich bis ans Kreuz führte. Denkt man an die Foto:<br />

1/2012


Geschehnisse im Garten Getsemane, wird deutlich, dass<br />

Jesus durchaus auch Zweifel und Ängste plagten. Aber<br />

anstatt die Flucht zu ergreifen, betet er: »Mein Vater, ist‘s<br />

möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht<br />

wie ich will, sondern wie du willst! « (Matthäus 26,39).<br />

Und statt sich seiner Festnahme zu widersetzen, ermahnt<br />

er seine Begleiter, keine Gewalt anzuwenden: »Wer das<br />

schwert nimmt, der soll durchs schwert umkommen«<br />

(Matthäus 26,52).<br />

Authentisch »bis zum bitteren Ende«<br />

Jesu Authentizität durchzieht sein ganzes <strong>leben</strong> bis zu seinem<br />

tod am Kreuz. Was, wenn nicht diese Glaubwürdigkeit,<br />

ist das Geheimnis hinter zwei Jahrtausenden <strong>leben</strong>digen<br />

christentums? Würden wir heute noch zu ihm beten, hätte<br />

er damals nur bequeme Belanglosigkeiten von sich gegeben?<br />

Wohl kaum.<br />

Wollen wir, wie Jesus uns auffordert, ihm nachfolgen,<br />

dann müssen auch wir Mut zeigen und im christlichen<br />

sinne authentisch sein. Wollen wir das salz der erde sein<br />

und nicht »weggeschüttet« und »von den leuten zertreten«<br />

(Matthäus 5,13) werden, dann müssen wir wagen, Farbe<br />

zu bekennen. so gern der christenmensch auch als schäfchen<br />

und herdentier dargestellt wird: in einer zunehmend<br />

unchristlichen herde bedarf es »schwarzer schafe«, die sich<br />

ihres Glaubens nicht schämen, sondern profiliert auftreten.<br />

1/2012<br />

Politisch korrekt? Christlich korrekt!<br />

➩<br />

Jesu Authentizität durchzieht<br />

sein ganzes Leben bis zu seinem<br />

Tod am Kreuz.<br />

Gerade auch gegenüber den schriftgelehrten und Pharisäern<br />

unserer Zeit mit ihren toleranzwettbewerben. Jesus<br />

ermutigt uns eindringlich dazu, am Glauben festzuhalten:<br />

»Wer aber beharrt bis ans ende, der wird selig werden«<br />

(Matthäus 24,13). Beharren, das klingt störrisch und intolerant:<br />

ein Wahrheitsanspruch aber, der nicht beharrt,<br />

nimmt sich nicht ernst. Das müssen wir christen wieder<br />

lernen. Nicht trotz, sondern wegen unseres Bekenntnisses<br />

zur Nächstenliebe, die eben mehr ist als nur toleranz. es<br />

soll schließlich nicht beim lippenbekenntnis bleiben.<br />

AutoR<br />

Im Rheinland geboren, im<br />

Schwabenland aufgewachsen<br />

und nun zum Studieren in Bayern:<br />

Lukas Lange (19) ist ein Fall für<br />

das Navigationsgerät. Politisch<br />

ist er dagegen ein Freund klarer<br />

Fahrtrichtung - dabei hilft ihm das<br />

Studium der Staatswissenschaften<br />

sowie regelmäßige Artikel auf<br />

<strong>idealisten</strong>.<strong>net</strong>.<br />

11


12 Ab heute keine Lügen mehr<br />

Ab heute keine Lügen mehr<br />

Dass es Gott nicht gefällt, wenn wir lügen, <strong>würde</strong> wohl kein Christ bestreiten. Die Bibel zeigt uns<br />

das an vielen Stellen. Aber mal ganz ehrlich: <strong>Wie</strong> aufrichtig sind wir in unserem Alltag wirklich? <strong>Wie</strong><br />

schnell rutschen uns Unwahrheiten, Ausreden oder Beschönigungen über die Lippen? Jesus hat uns<br />

vorgelebt, dass es auch anders geht. Er hat sich sogar im Angesicht des Todes nicht herausgeredet –<br />

und er war auch ein Mensch! Dieses Jahr will auch ich versuchen, wirklich ehrlich zu sein …<br />

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Dezember<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

Ich bin kein Fan von Neujahrsvorsätzen, aber<br />

dieses Mal hab ich einen: Ich will ehrlich sein –<br />

richtig ehrlich.<br />

Ich habe beschlossen, den Personen, die mich<br />

2011 geprägt haben, eine kurze „Dankesmail“ zu<br />

schreiben. Denn die Wahrheit zu sagen, heißt ja<br />

nicht nur mit den negativen Dingen rauszurücken,<br />

sondern auch die positiven mal loszuwerden.<br />

Das ist eine ganz neue Erfahrung.<br />

Fragen wie: »Findest du, die beiden passen<br />

zusammen?«, »Steht mir das auch wirklich?«,<br />

»Würde dich meine Anwesenheit stören?«, »Aus<br />

welchem Grund hast du geweint?« fordern mich<br />

zum ersten Mal heraus, nicht zu lügen. Aber<br />

unter wahren Freunden fällt es gar nicht so<br />

schwer, ehrlich zu antworten.<br />

Der Automat in der Straßenbahn funktioniert<br />

nicht. Ich habe mein Möglichstes getan, aber<br />

keine Fahrkarte bekommen. Jetzt fahre ich<br />

schwarz, aber nicht absichtlich! Ist das trotzdem<br />

unehrlich?<br />

Ein krasser Fall von (Un)wahrheit : Eine Freun-<br />

din, die zur Zeit bei einer christlichen Hilfs-<br />

organisation im Ausland arbeitet, hat keine<br />

Visumsverlängerung bekommen. Um bei einer<br />

erneuten Beantragung erfolgreich zu sein, raten<br />

ihr Andere, die vor dem gleichen Problem standen,<br />

tatsächlich zu lügen, weil sie das Visum<br />

sonst wohl ganz knicken kann. Das finde ich<br />

ziemlich heftig! Und sie im Übrigen auch!<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

Meine Mutter erzählt mir von einem ähnlichen<br />

Wahrheits-Experiment, das mit einem nicht mehr<br />

vorhandenen Freundeskreis und einer Scheidung<br />

endete … Sehr ermutigend!<br />

Bisher ist die Aktion weniger herausfordernd als<br />

gedacht. Aber ich merke, dass mir Lügen einfacher<br />

über die Lippen rutschen als gedacht. Vor allem bin<br />

ich schnell beim Übertreiben. Ein passender Satz,<br />

den ich heute auf einer Konferenz gehört habe:<br />

»Jede Lüge ist ein Kompromiss mit dem Teufel.«<br />

Ich bin Vegetarierin, aber sonst wirklich nicht<br />

mäkelig. Doch wenn ich als vegetarisches Essen<br />

eine grünliche, schleimige Suppe vor mir habe,<br />

sie dann anstandslos esse und froh bin, wenn sie<br />

alle ist – was tue ich dann, wenn der Koch mich<br />

nachher fragt, wie es mir geschmeckt hat? Kann<br />

ich dann meinem natürlichen Reflex, meiner<br />

guten Erziehung und meinem schlechten Gewissen<br />

widerstehen und sagen wie es ist, nämlich:<br />

»Nein, es hat nicht geschmeckt!«? Ich werde es<br />

zumindest heute nicht erfahren, denn der Koch<br />

fragt nicht nach.<br />

Neue Erkenntnis: Zu sich selbst vollkommen aufrichtig<br />

zu sein, ist eigentlich noch anstrengender,<br />

als zu seinen Mitmenschen ehrlich zu sein.<br />

Zwei Wochen und immer noch ist nichts Spekta-<br />

kuläres passiert. Klar ertappe ich mich zwischen-<br />

durch beim Nicht-ganz-ehrlich-sein. Oft wird mir<br />

erst abends im Bett klar, dass ich an dem ein oder<br />

anderen Punkt nicht bei der Wahrheit geblieben<br />

1/2012


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Januar<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

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Januar<br />

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Februar<br />

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Februar<br />

1/2012<br />

bin. Beispielsweise ist mir aufgefallen, dass ich<br />

ziemlich kreativ bin im (Er)finden von Ausreden,<br />

um eine Sache nicht tun zu müssen.<br />

Habe heute in meiner 20-köpfigen Wohngemein-<br />

schaft von meiner neuen Wahrheitsliebe erzählt,<br />

in der Hoffnung, dass das Ganze irgendwie spannender<br />

oder herausfordernder wird …<br />

Auf mein »Outing« hin hatte ich ein interessan-<br />

tes Gespräch über Lügen und wurde mit einem<br />

guten Gedankengang konfrontiert: Wenn man in<br />

einer Haltung der Wertschätzung lebt, ist es auch<br />

weniger schlimm, die Wahrheit zu sagen. Auf<br />

mein Vegetarisches-Suppen-Dilemma bezogen<br />

heißt das: Wenn ich dem Koch jeden Tag erzähle,<br />

wie lecker sein Essen war (was auch der Wahrheit<br />

entspricht), ist es für mich nicht so schwer, auch<br />

mal was Negatives zu äußern und für ihn ist es<br />

dann auch kein so großes Problem, meine Kritik<br />

anzunehmen.<br />

Manche Leute nutzen das Wissen, dass ich die<br />

Wahrheit sagen muss, ganz schön aus: Unter<br />

sechs anderen Menschen, die im Raum sind, werde<br />

ich natürlich prompt ausgewählt („Frag Jule,<br />

die muss die Wahrheit sagen“), um unangenehme<br />

Wahrheiten („Ja, du störst!“) an den Mann oder die<br />

Frau zu bringen.<br />

Bei meinem letzten Besuch zu Hause wurde ich<br />

mit einer neuen Zimmerfarbe (Grün mit pinken<br />

Streifen) überrascht. Ich fand das wirklich cool<br />

und bin meinen Freunden echt dankbar für die<br />

Aktion. Selbst wenn mir die Farbe null gefallen<br />

hätte, hätte ich wahrscheinlich das Gegenteil<br />

behauptet. Und das wäre gelogen gewesen.<br />

Sobald man unter Menschen ist und Beziehungen<br />

pflegt, wird es schwieriger, weil man einfach viel<br />

redet (zumindest unter Mädels) – und weil man<br />

bei persönlichen Beziehungen leicht verletzen und<br />

damit viel kaputt machen kann. Aber die viel größere<br />

Angst ist vermutlich, sich selbst verletzlich<br />

zu machen, indem man ehrlich ist.<br />

Der Klassiker: Die Antwort »gut« auf die Frage,<br />

wie es einem geht, ist ziemlich oft unwahr. Doch<br />

manchmal habe ich einfach keine Lust, darüber<br />

zu reden, warum es mir nicht gut geht. Und mit<br />

einem „gut“ lässt sich die Unterhaltung meist<br />

schnell beenden.<br />

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Februar<br />

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Februar<br />

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Februar<br />

Ab heute keine Lügen mehr<br />

Ich habe festgestellt, dass ich anderen nicht<br />

wirklich aufrichtig begegnen kann, wenn ich von<br />

Dritten Dinge über sie weiß, ohne dass sie das<br />

wissen, dass ich das weiß … Selbst wenn es sich<br />

um nichts Dramatisches handelt, beeinflusst<br />

es irgendwie die Ehrlichkeit, die ich der Person<br />

gegenüber an den Tag legen kann.<br />

Anrufe wegzudrücken, auf die man – wegen der<br />

Gesprächsthemen – keine Lust hat, ist auch nicht<br />

unbedingt ehrlich, oder?<br />

Eine wahrhaftig eindrückliche Erfahrung: Nach<br />

einer recht banalen Unterhaltung gestern mit<br />

einem Freund kam er heute auf mich zu, um mir<br />

zu sagen, dass nicht alles der Wahrheit entsprochen<br />

hatte. Es war keine große Sache, aber sein<br />

Mut, eine Lüge einzugestehen, hat mein Bild von<br />

ihm ziemlich positiv verändert!<br />

Thema „Ehrlichkeit in Glaubenssachen“: <strong>Wie</strong><br />

schnell sage ich „Ich bete für dich!“ und mache es<br />

dann maximal zwei Mal!? Oder wie oft singe ich<br />

Lobpreislieder und meine gar nicht wirklich, was<br />

ich da singe? Ich denke noch nicht einmal drüber<br />

nach! Da mache ich dann wohl eher Gott als mir<br />

etwas vor.<br />

Mein Zwischenfazit nach zwei Monaten: Ein<br />

wahrhaftiger Lebensstil ist in erster Linie<br />

Übungs- und Wollenssache. Die Herausforderungen<br />

stecken dabei vor allem in den kleinen<br />

Dingen, die man leicht übersieht. Ich habe gelernt:<br />

Ehrlich zu sein heißt nicht, alles sagen zu<br />

müssen. »Darüber möchte ich nicht reden« ist ein<br />

ziemlich ehrlicher Satz …<br />

AUTorIN<br />

13<br />

Julia Bothe (20) hat das letzte halbe<br />

Jahr eine Bibelschule in Bad Liebenzell<br />

besucht. Dort teilte sie mit 20<br />

Leuten das Haus und hat dabei einiges<br />

über menschliches Zusammen<strong>leben</strong><br />

gelernt. Nach dieser prägenden<br />

Zeit geht es für sie im April nach<br />

Mainz, wo sie Geschichte und Politikwissenschaft<br />

studieren wird.


14 Brief an …<br />

Lieber Jesus,<br />

danke!<br />

Danke, dass Du ein Geber bist – und zwar einer vom Feinsten. Du schenkst mir Zeit,<br />

Du hörst mir zu. Wenn ich unsicher bin, hilfst Du mir, die richtige Entscheidung zu<br />

treffen. Du trägst mich sogar. Und Du machst das nur, weil Du mich liebst. Und<br />

alles, was ich dafür tun muss, ist zu Dir umzukehren!<br />

Ein bisschen kann ich nachempfinden, warum Du ein Geber bist. Das bereitet nämlich<br />

Freude. Ich war sogar überrascht, wie viel Spaß es macht, anderen etwas zu<br />

schenken. Es tut gut, die Freude in den Gesichtern zu sehen, die Dankbarkeit, die<br />

Erleichterung.<br />

Wir haben mit jungen Leuten aus unserer Gemeinde älteren Menschen geholfen – for<br />

free. So wie Du es auch machst. Gut, wir haben ihnen keine wegweisenden Entscheidungen<br />

abgenommen, sie nicht durchs Leben begleitet. Aber wir haben Holz geschnitten,<br />

die Straße gekehrt, Möbel transportiert, ihnen Zeit geschenkt und zugehört.<br />

Das mag im Vergleich zu den Dingen, die Du schenkst, kleinlich klingen, aber<br />

darauf kommt es ja gar nicht an.<br />

Ein Erlebnis hat mich besonders geprägt: Wir haben eine ältere Frau besucht und ihr<br />

einfach nur zugehört. Sie hat uns liebevoll Obst und Saft angeboten, uns eine Geschichte<br />

vorgelesen, von ihrem Leben erzählt, ihrer Kindheit und Jugend im Zweiten<br />

Weltkrieg. Es waren erschütternde und traurige Geschichten, die uns sehr bewegt<br />

haben. Und gleichzeitig konnten wir spüren, welche Freude es ihr bereitete, dass wir<br />

bei ihr waren. So ähnlich muss es Dir auch gehen.<br />

Für uns war es weder aufwendig noch anstrengend, ihr Gesellschaft zu leisten – im<br />

Gegenteil, es hat uns selbst wahnsinnig gut getan. Den restlichen Tag war ich super<br />

gelaunt und habe mich daran erfreut, mit welch einfachen Mitteln ich anderen<br />

Menschen Gutes tun kann. Ich war glücklich und habe mir vorgenommen, solche Aktionen<br />

viel öfter zu machen. Das Wissen, damit auch etwas für Dich tun zu können,<br />

hat mich in große Freude versetzt.<br />

Ich habe mir während der Aktion überlegt, wie sich das wohl für Dich anfühlen<br />

mag: Du bist 24 Stunden am Tag für jeden einzelnen Menschen da! Und es gibt<br />

wahrlich viele von uns. Es ist Dir keine Last, unendlich viel Zeit in uns zu investieren.<br />

Das ist schon beeindruckend und übersteigt meine Vorstellungskraft.<br />

Du bist ein perfektes Beispiel. In kleinen und alltäglichen Dingen kann ich von Dir<br />

lernen. Und ich muss mir noch nicht einmal Gedanken über das »wie« machen. Ich<br />

kann einfach darauf schauen, wie Du es vorgelebt hast. Viel zu oft habe ich genau<br />

diesen Aspekt vergessen. Das will ich ändern!<br />

Deine Anne<br />

AutorIN<br />

Anne Klotz (26) hat<br />

gerade ihren Magister in<br />

Fachjournalistik Geschichte<br />

an der universität Gießen<br />

gemacht. Sie gönnt sie sich<br />

hin und wieder Auszeiten<br />

am Fotoapparat, am Klavier<br />

oder beim Genießen<br />

guten Kaffees.<br />

1/2012


➊<br />

➍<br />

➎<br />

Top 5<br />

Lamm Gottes<br />

Nach alttestamentarischer Vorstellung<br />

ist im Blut das Leben. Stellvertretend<br />

für den vor Gott schuldig gewordenen<br />

Menschen konnte ein Tier geopfert<br />

werden. Das Opfer vollzog der Hohepriester<br />

für sich – und stellvertretend<br />

für das jüdische Volk. Für uns Christen<br />

ist Jesus selbst dieses makelloses<br />

Lamm und damit das Opfer, um uns<br />

endgültig mit Gott zu versöhnen.<br />

mensChensohn<br />

Eine Vision des Propheten Daniel<br />

berichtet von einem »wie eines<br />

Menschen Sohn«, der von Gott die<br />

Herrschaft über alle Völker erhält.<br />

In diesem »Menschensohn« sahen<br />

die Juden den Messias. Jesus selbst<br />

spricht mehrmals von sich als dem<br />

Menschensohn und erinnert damit<br />

an zweierlei: an seine eigene Menschlichkeit<br />

und – im Sinne von Daniels<br />

Prophezeiung – an seine Göttlichkeit.<br />

Kyrios<br />

In der jüdischen Tradition darf der<br />

Name Gottes nicht ausgesprochen<br />

werden. Deswegen benutzen die Juden<br />

im Allgemeinen die Anrede »Adonai« –<br />

»Herr«. In der griechischen Übersetzung<br />

bedeutet Herr »Kyrios«. Im Neuen<br />

Testament wird diese Bezeichnung<br />

auch für Jesus verwendet. »Kyrios«<br />

beschreibt den in die völlige göttliche<br />

Machtstellung erhöhten Jesus: Kyrios<br />

Jesus – der Weltenherr ist Jesus!<br />

1/2012<br />

Die Namen Jesu und ihre Bedeutung<br />

➋<br />

sohn Gottes<br />

Nicht nur mit »Vater« sprach Jesus Gott<br />

im Gebet an, sondern sogar mit dem<br />

vertraulichen »Abba« – Papa. Und Gott<br />

selbst bestätigt im Neuen Testament<br />

mehrmals, dass Jesus sein Sohn ist. So<br />

etwa bei Jesu Taufe, als Gott sagte: »Du<br />

bist mein geliebter Sohn, an dir habe<br />

ich Gefallen gefunden.« (Markus 1,11).<br />

➌<br />

Christus<br />

top 5<br />

15<br />

Es ist beinahe schon Jesu Nachname.<br />

Doch Christus bedeutet eigentlich<br />

ganz allgemein »der Gesalbte« – ebenso<br />

wie das hebräische »Messias« – und<br />

galt ursprünglich als Würdetitel für<br />

Könige oder Hohepriester. Jesus ist der<br />

Retter aller Menschen. Er erlöst uns<br />

von unserer Schuld und eb<strong>net</strong> uns den<br />

Weg zu Gott. Der Doppelname Jesus<br />

Christus ist das kürzeste Bekenntnis<br />

der Christenheit: Jesus von Nazareth<br />

ist in seiner Person der verheißene<br />

Christus (Messias).<br />

AutorIN<br />

Anja Reumschüssel (28)<br />

aus Alzey hat Publizistik<br />

studiert und gerade sieben<br />

Monate in Bethlehem<br />

verbracht – direkt an der<br />

Quelle des Christentums.


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18 <strong>Wie</strong> <strong>würde</strong> Jesus heute <strong>leben</strong>?<br />

Hallo, ich heiße Jesus, bin zum zweiten Mal auf diese Erde gekommen und bin<br />

ein Öko. Ich trage nur Leinenkleidung, kaufe ausschließlich fair gehandelte<br />

Bio-Produkte und baue den Großteil meines Essens selbst an. Ich bastle die<br />

meisten meiner Möbel selbst. Läden wie Ikea, McDonald’s und Aldi finde ich<br />

schrecklich. Ich kaufe beim Tante-Emma-Laden ein. Veränderung geschieht<br />

durch den Unterschied im Kleinen.<br />

Hallo, ich heiße Jesus, bin zum zweiten Mal auf diese Erde gekommen und<br />

bin ein Politiker. Ich fahre einen dicken Mercedes, trage einen Anzug und<br />

nehme Einfluss auf höchster Ebene. Jeden Tag verbringe ich 12 Stunden<br />

im Büro oder im Flugzeug und gebe mein Bestes, um die Welt zu verändern.<br />

Nur wenn ich Einfluss nehme, kann ich auch wirklich etwas<br />

bewegen.<br />

Hallo, ich heiße Jesus, bin zum zweiten Mal auf diese Erde gekommen<br />

und bin ein Lehrer. Ich stehe jeden Morgen in aller Frühe auf, bereite<br />

den Rest für meinen Unterricht vor und fahre dann in die Schule. Ich<br />

liebe meine Schüler, möchte Werte prägen, bin Vertrauenslehrer. Nur,<br />

wenn wir die kommende Generation lieben und verändern, wird sich<br />

auch unsere Gesellschaft wirklich verändern.<br />

Hallo, ich heiße Jesus, bin zum zweiten Mal auf diese Erde gekommen<br />

und bin ein Idealist. Ich halte nicht viel von Facebook oder Twitter.<br />

Reden kann man auch von Mensch zu Mensch. Ich fördere das Miteinander<br />

verschiedener Kulturen und Völker. Jeder Mensch ist wertvoll.<br />

Wirklich verändern wird sich erst dann etwas, wenn wir lernen, wieder<br />

miteinander zu reden.<br />

<strong>Wie</strong> wäre Jesus wohl? <strong>Wie</strong> <strong>würde</strong> er heute <strong>leben</strong>? <strong>Wie</strong> <strong>würde</strong> er versu-<br />

chen, Einfluss zu nehmen? Indem er sich alternativ verhält? Indem er auf<br />

höchster Ebene arbeitet? Indem er als Lehrer Vertrauen gewinnt? Oder als<br />

Idealist? Vielleicht wäre er eine Mischung aus allem: Ein idealistischer<br />

Politiker, der ein Rapsöl-Auto fährt und sich um die Kinder kümmert. Auf<br />

jeden Fall anders. Jesus wäre anders. Unkonventionell. Das war er schon<br />

immer. Schon als er vor 2000 Jahren auf dieser Welt lebte. Er war nicht<br />

angepasst. Hat die Konventionen und Regeln der Gesellschaft über den<br />

Haufen geworfen. Er wäre anders. Aber wie <strong>würde</strong> er sich unterscheiden?<br />

Vermutlich <strong>würde</strong> er tatsächlich nicht bei McDonald’s oder Ikea kaufen.<br />

Nicht in erster Linie die unterstützen, die sowieso schon alles haben, sondern<br />

in die investieren, die noch alles brauchen. Er <strong>würde</strong> darauf achten,<br />

was er kauft. Besonders darauf, dass die Dinge, die er kauft nicht auf Kosten<br />

anderer Menschen oder Geschöpfe geerntet und produziert wurden. Ein verantwortliches<br />

Leben vor der Natur, den Menschen – und besonders vor Gott.<br />

Was nicht heißt, dass er sich nicht auch wie ein Politiker auf höchster Ebene<br />

engagieren könnte oder sich wie ein Lehrer voller Liebe um die Belange von<br />

<strong>Wie</strong> <strong>würde</strong> Jesu<br />

Autorin<br />

1/2012


s heute <strong>leben</strong>?<br />

Nikita Goseberg (23) liebt es, Jesus an vielen<br />

verschiedenen orten und in vielen verschiedenen<br />

Menschen zu entdecken. Als sie den Artikel verfasst<br />

hat, lebte sie gerade mit 16 Personen gemeinsam in<br />

einem Zimmer in Südafrika. Mehr erfährst Du unter<br />

glaubenskunst.blogspot.com.<br />

1/2012<br />

Kindern und Jugendlichen kümmern <strong>würde</strong>. Im Gegenteil, er hätte genau diese<br />

Menschengruppen im Blick. Politiker und Machthaber, aber auch Kinder und<br />

die, die schnell übersehen oder vergessen werden.<br />

Er <strong>würde</strong> sich mit Sicherheit für die Themen der Politik und Wirtschaft inte-<br />

ressieren. Sich aber nicht darin verlieren, sondern engagieren. Investieren.<br />

Standpunkt beziehen. Klarheit und Wahrheit sprechen. Lügen hat er schon<br />

damals nicht stehen lassen und das <strong>würde</strong> er auch heute nicht. Er <strong>würde</strong><br />

sich einmischen, wenn es nötig ist. Riskieren, dass die Menschen ihn nicht<br />

mögen. Er nimmt lieber Widerstände in Kauf, als dass er seine Fahne in den<br />

Wind hängt oder sich gar auf Korruption einlässt.<br />

<strong>Wie</strong> <strong>würde</strong> Jesus heute <strong>leben</strong>?<br />

Überhaupt gehört es einfach zu seinem Leben, dass ihn nicht jeder mag.<br />

Ablehnung um den Preis der Wahrheit. Denn so wichtig ihm die Liebe ist<br />

– niemals lebt er Liebe und Versöhnung auf Kosten der Wahrheit. Deshalb<br />

eckt er immer wieder an. Menschen stoßen sich an ihm. Weil das, was er<br />

sagt, unbequem ist. Doch er provoziert nicht um der Provokation willen.<br />

Nur wenn es im Namen der Wahrheit oder der Liebe wirklich nötig ist.<br />

Und was die Kinder betrifft: Vermutlich <strong>würde</strong> er mit ihnen durch die<br />

Gegend springen. Sich an ihnen freuen und ihnen Freude bereiten. Fußball<br />

spielen. Leben genießen. Sich an der eigenen Schöpfung erfreuen. Den<br />

Kindern zeigen, dass sie nicht unbedeutend, sondern Vorbilder sind – in<br />

ihrer Kindlichkeit, Selbstverständlichkeit, Abhängigkeit.<br />

Anstatt abzuwarten und zu meckern, wäre er selbst aktiv. In allen Berei-<br />

chen. Statt über Prostituierte zu lächeln, sie auszunutzen oder zu verur-<br />

teilen, schätzt er sie wert. Für ihn sind sie keine Gefahr oder Verführung.<br />

Er muss als Mann keinen Bogen um sie machen. Er geht auf sie zu, hört<br />

sich ihre Nöte an und begeg<strong>net</strong> ihren Sehnsüchten. Und selbst die Zuhälter<br />

schätzt er wert. Sagt ihnen, dass sie damit aufhören müssen – aber in Liebe.<br />

Er sieht die kaputten Seelen.Jesus wäre einfach er selbst. Anders. Unkonventionell.<br />

Nicht in Worte zu fassen. In keine Schublade zu packen. Selbst<br />

wenn ich versuche mir vorzustellen, wie er wäre, bin ich sicherlich noch<br />

weit von der Realität entfernt.<br />

Er <strong>würde</strong> vermutlich alles irgendwie in sich vereinen können. Einfluss, Idealismus,<br />

Liebe, Macht, Konsequenz … Wir können es nicht und deshalb sind<br />

wir alle unterschiedlich geschaffen. Jeder von uns begeg<strong>net</strong> der Gesellschaft<br />

auf einer anderen Ebene, beeinflusst sie anders. Jesus <strong>würde</strong> alles abdecken.<br />

Oder doch nur einen einzelnen Bereich? Er <strong>würde</strong> allen Nöten begegnen. Oder<br />

doch nur einer einzigen? Tja, wie wäre er? Er wäre anders. Er ist Liebe. Er bleibt<br />

Liebe. Er ist Wahrheit. Er bleibt Wahrheit. Und beides <strong>würde</strong> er in Vollkommenheit<br />

auf dieser Erde <strong>leben</strong>. <strong>Wie</strong> gut, dass wir das Neue Testament haben, in dem<br />

wir nachlesen können, wie er ist. Und wie gut, dass wir wissen, dass er am Ende<br />

der Zeit einmal wiederkommen wird!<br />

19


20 Mr. Jesus Freak<br />

Mr. Jesus Freak<br />

Wenn sie das Stichwort »Jesus« hören, denken junge Nichtchristen oft an verstaubte<br />

Kirchenbänke, langweilige Lieder und eine Sprache, die mit ihrer Alltagswelt<br />

wenig zu tun hat. Das erkannte auch Martin Dreyer und gründete Anfang<br />

der 90er Jahre die »Jesus Freaks«. Er wollte diesen Jugendlichen zeigen, dass man<br />

den Glauben an den Messias auch schrill und unkonventionell <strong>leben</strong> kann. Simon<br />

Jahn sprach mit ihm darüber, was es bedeutet, verrückt für Jesus zu sein.<br />

Martin, wir wollen über jemanden reden, den wir noch<br />

nie gesehen haben. Wer ist dieser Jesus überhaupt?<br />

Jesus ist mein Freund: Er versteht mich, weil er selber<br />

Mensch war. Ich kann ihm nichts vormachen. Jesus ist für<br />

mich Hilfe in der Not: Er kann Wunder tun. Und Jesus ist<br />

auch Gott. Er ist jemand, den ich anbete, dem ich sage, wie<br />

cool ich ihn finde und vor dem ich manchmal staunend in<br />

meiner Küche knie, weil mir plötzlich klar wird, was für ein<br />

großer Gott er ist. Er hat den ganzen Kosmos geschaffen!<br />

Aber ist Jesus denn heute noch zeitgemäß?<br />

Jesus ist Gott und die Frage nach Gott wird immer<br />

zeitgemäß bleiben. Menschen sind fortwährend auf der<br />

Suche nach Antworten. Sie stoßen an Grenzen in ihrem<br />

persönlichen Leben – durch Krankheit, Tod, Arbeitslosigkeit,<br />

Depressionen oder kaputte Freundschaften. Und<br />

dann kommt die Frage auf: Wer kann mir helfen? Gibt<br />

es jemanden, der über den Dingen steht? Jemanden, der<br />

Wunder tun kann? Ich glaube, dass jeder Mensch mindestens<br />

einmal im Leben für sich entscheiden muss: Glaube<br />

ich an diesen Gott? Und in den Momenten, in denen man<br />

sich nicht mehr sicher ist, dass es ihn nicht gibt, tritt er<br />

in Erscheinung.<br />

<strong>Wie</strong> ist Gott bei Dir in Erscheinung getreten?<br />

Mit 18 Jahren hatte ich schon alles ausprobiert, was es zu<br />

dieser Zeit an Drogen gab. Ich suchte echtes Leben. Aber weder<br />

in Rauschmitteln, Sport, Freundschaften, Beziehungen noch<br />

auf Parties fand ich es. Es machte für mich keinen Sinn mehr,<br />

weiter zu <strong>leben</strong>. Doch dann wurden in meiner Familie alle<br />

Christen und ich dachte mir: Geh doch einfach mal mit in die<br />

St.-Petri-Kirche. Dort fand jeden Sonntagabend ein charismatischer<br />

Gottesdienst statt, zu dem bis zu 1.000 Leute kamen.<br />

Ich spürte eine Energie, eine Gottesnähe, die ich bis dahin<br />

nicht gekannt hatte. Bei meinem dritten Gottesdienstbesuch<br />

habe ich mich dann entschieden, ein Leben mit diesem Gott<br />

auszuprobieren.<br />

Warum bist Du nicht dort geblieben, sondern hast die Jesus<br />

Freaks gegründet?<br />

Ich merkte, dass viele Leute aus meiner alten Szene und viele<br />

Leute von der Straße, auch diesen Gott brauchten, aber dass<br />

sie nie mit in die Kirche gekommen wären. Nicht, weil sie<br />

nicht auf der Suche nach Gott gewesen wären, sondern aus<br />

kulturellen Gründen. Ein Freund, mit dem ich zuvor viel<br />

Drogen genommen hatte, sagte zu mir: »In die Kirche gehen<br />

doch nur Spießer. Die können mich und meine Lebenssituation<br />

1/2012


Foto: Michael Englert/michael-englert.com<br />

gar nicht verstehen!« Deshalb wollte ich einen Ort schaffen<br />

für Leute, die nicht in eine normale Kirche gehen <strong>würde</strong>n;<br />

einen Ort, an dem die räumliche Hemmschwelle sehr niedrig<br />

war und an dem Musik gespielt wurde, die wir auch sonst<br />

gerne hörten – aber mit jesusmäßigen Texten. Ich wollte, dass<br />

die Predigt in einer Sprache gehalten wird, die die Leute auf<br />

der Straße verstehen.<br />

Ist es sich nicht ein bisschen zu einfach, zu sagen: Ich bleibe<br />

so, wie ich bin und packe mir Jesus da mit rein?<br />

Ich finde es wichtig, Gottesdienstregeln und -formen dem anzupassen,<br />

wie man ist. So bewahrt man sich seine Identität.<br />

Nicht anpassen darf man sich der Welt aber in punkto Sünde.<br />

Mir war immer wichtig, dass die Jesus Freaks nicht bekannt<br />

sind als die Punks, bei denen man auch besoffen in den<br />

Gottesdienst gehen und rauchen darf und trotzdem Christ<br />

sein kann. Meine Sehnsucht war, dass wir bekannt sind als<br />

radikale Christen. Als die, die ihr Leben für Jesus auf den Kopf<br />

stellen und ein Herz für die Verlorenen haben. Gerade in den<br />

ersten Jahren haben wir echt radikal mit Jesus gelebt: Wir<br />

haben vielleicht ausgesehen wie Schläger von der Straße, aber<br />

wir haben täglich stundenlang gebetet, haben nichts anderes<br />

als die Bibel gelesen. Wir waren regelrecht verliebt in Jesus.<br />

1/2012<br />

Mr. Jesus Freak<br />

»Wir beteten<br />

das ›Vater Unser‹<br />

so laut, dass die<br />

Nachbarn mit<br />

den Besen an<br />

die Wände klopften.«<br />

<strong>Wie</strong> fing das denn eigentlich an mit den Jesus Freaks?<br />

Wir haben uns mit zwei Freunden in meiner Wohnung getroffen<br />

und begannen mit Gott so zu reden, wie wir waren –<br />

ohne religiöse Floskeln oder Formeln. Und plötzlich war die<br />

Gegenwart Gottes in diesem Raum so spürbar, dass wir gedacht<br />

haben: »Wow, das müssen wir weitermachen!« Dann<br />

hat einer seine Bekannten aus seiner Szene mitgebracht.<br />

Auch die spürten: »Hier ist Gott! Hier ist Kraft! Hier kann<br />

man wirklich mit ihm reden und er hört unsere Gebete!«<br />

Daraufhin haben sie wiederum ihre Freunde mitgebracht<br />

und so weiter. Bald waren wir 40 Leute und beteten nachts<br />

um eins das »Vater Unser« so laut, dass die Nachbarn mit<br />

den Besen an die Wände klopften. Bald machte das Gerücht<br />

in Hamburg die Runde: »Da gibt es diese Freaks und die<br />

treffen sich wegen Jesus. Das müsst ihr euch mal anschauen!«.<br />

So entstand unser Name.<br />

Ihr habt aufsehenerregende Aktionen durchgeführt.<br />

Gehört es dazu, andere zu provozieren, wenn man<br />

verrückt für Jesus sein möchte?<br />

Ich denke schon. Wenn Jesus sagt: »Geht hin in alle Welt<br />

und bringt das Evangelium allen Völkern« muss ich mir<br />

schon überlegen, zu wem Jesus mich sendet. Für uns war<br />

21<br />


22 Mr. Jesus Freak<br />

aber klar: Gott schickt uns zu den Punks, zu den Hippies,<br />

zu den Skatern – vor allem zu den jungen Szene-Leuten.<br />

Und für die braucht es eine laute, schrille Art, um das<br />

Evangelium rüberzubringen. Denn gerade die jungen<br />

Leute sind so zugeballert mit Inter<strong>net</strong>, Fernsehen, Handy<br />

und Computerspielen, dass sie nur schwer zu erreichen<br />

sind. Dazu haben sie das kritische Denken in der Schule<br />

eingeimpft bekommen. Die sagen dann: »Du siehst das<br />

vielleicht so, aber ich sehe das ganz anders.« Sie halten<br />

alles schön weit weg von sich. Und darum hatte ich den<br />

Gedanken, dass wir etwas Schrilles, etwas Provozierendes<br />

machen müssen, um diese Leute aufzurütteln. Darum<br />

sind wir mit einem Sarg über die Reeperbahn gezogen<br />

oder haben die Kreuzigung nachgespielt.<br />

Aber habt ihr damit wirklich Leute für Jesus gewonnen?<br />

Vor ein paar Wochen erst habe ich jemanden getroffen, der<br />

mir erzählt hat: »Ich war damals auf der Reeperbahn, als<br />

ihr den Jesus gekreuzigt habt. Ich wollte eigentlich in einen<br />

Pornoladen gehen. Aber dieses Bild hat mich so verfolgt,<br />

dass ich wieder umgekehrt bin. Zwei Wochen später habe<br />

ich mir einen Pastor gesucht, meine Sünden gebeichtet und<br />

bin Christ geworden.«<br />

Wenn Du Jesus so spürbar erlebt hast, wie konnte es bei<br />

Dir zu einem mehrjährigen Drogenrückfall kommen?<br />

Als die Jesus Freaks immer bekannter wurden, schwappte<br />

eine regelrechte Medienwelle über uns und immer mehr<br />

Gemeinden luden uns ein, bei ihnen Jesus Freaks-Abende<br />

zu machen. Dabei bekehrten sich viele zu Jesus und oft<br />

entstanden neue Jesus Freaks-Gruppen. Auf dem Rückweg<br />

von einem solchen Abend machte ich den Fehler, einen<br />

Jungen ans Steuer zu lassen, der noch wenig Fahrpraxis<br />

hatte. Auf der Autobahn bauten wir einen Unfall. Weil ich<br />

in Panik geschrien hatte: »Wir müssen aussteigen!«<br />

wurde ein Mädchen von einem Auto erfasst und starb vor<br />

unseren Augen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits eine<br />

60-Stunden-Woche. Doch nach dieser tragischen Erfahrung<br />

stürzte ich mich noch mehr in die Arbeit und setzte<br />

mich über mehrere Jahre 120 Stunden die Woche für das<br />

Reich Gottes ein. Das lief eine ganze Zeit gut. Es war eine<br />

fruchtbare Zeit – viele kamen zum Glauben. Aber ich ging<br />

permanent über meine Grenzen. Irgendwann konnte ich<br />

nicht mehr schlafen. Es war wie Folter: Ich lag über Wochen<br />

nachts wach, war völlig ausgebrannt. Um müde zu werden,<br />

fing ich wieder an, Bier zu trinken. Dann machte ich eine<br />

Woche Urlaub in New York und bekam auf einer Techno-<br />

Party eine Ecstasy-Pille geschenkt. Die habe ich unter<br />

einem frommem Vorwand geschluckt: »Du kannst es ja mal<br />

ausprobieren, dann verstehst Du, wie die Leute hier ticken<br />

und kannst sie besser für Gott erreichen«. Von da an ging<br />

es über vier Jahre steil bergab bis ich schließlich mit einer<br />

Überdosis im Krankenhaus landete.<br />

Wo war Jesus in dieser Zeit?<br />

Gott hat mich gebraucht und geseg<strong>net</strong>, wenn ich für ihn<br />

unterwegs war, obwohl mein Leben auf der anderen Seite<br />

abdriftete. Als ich immer mehr abrutschte, war irgendwann<br />

auch der Segen weg. Trotzdem habe ich versucht, an Jesus<br />

festzuhalten. Was viel mehr an meinem Glauben genagt hat<br />

als meine eigenen Fehler, war der Umgang anderer Christen<br />

mit mir. So verschickte beispielsweise der Leitungskreis<br />

der Jesus Freaks-Bewegung einen Brief an alle Gruppen, in<br />

dem sie vor mir warnten. Sie taten das in guter Absicht, um<br />

die Bewegung zu schützen. Mich hat es aber natürlich sehr<br />

verletzt. Und ich musste dann auch feststellen, dass ich<br />

kaum wirkliche Freunde hatte.<br />

Du hattest bei den Jesus Freaks eine große Vorbildfunk- Hünerhoff<br />

tion. Dein Absturz hat sicher viele Leute ins Zweifeln am<br />

Glauben gebracht. <strong>Wie</strong> gehst Du damit um?<br />

Christian<br />

Ich habe immer gesagt: Folgt nicht mir nach, sondern Jesus.<br />

Martin<br />

Ich bin ein Loser und baue auch Mist – genau wie jeder andere<br />

Mensch. Und ich glaube, dass die meisten Jesus Freaks das Fotos:<br />

1/2012


auch so befolgt haben – darum gibt es die Bewegung nach<br />

wie vor. Besonders die Leute im Leitungskreis sind nicht<br />

mir nachgefolgt. Als ich weggebrochen bin, waren sie in<br />

ihrem Glauben reif genug, um die Bewegung auch ohne<br />

mich zu leiten.<br />

<strong>Wie</strong> bist Du aus dem Tief wieder rausgekommen?<br />

Ich habe zwei stationäre und drei ambulante Psychotherapien<br />

gemacht, habe Psychopharmaka genommen –<br />

aber nichts hat geholfen. Irgendwann traf ich mich mit<br />

dem Pastor und Seelsorger Rudi Pinke. Er meinte zu mir:<br />

»Ich wusste, dass wir uns mal über den Weg laufen <strong>würde</strong>n.<br />

Gott hat mir das im Gebet gezeigt. Ich werde mich so lange<br />

mit Dir zum Beten treffen, bis ich sehe, dass Du wieder<br />

in Deiner Berufung lebst.« Für mich war es zu diesem<br />

Zeitpunkt undenkbar, überhaupt wieder etwas für Gott<br />

zu machen. Doch wir haben uns viele Male zusammengesetzt<br />

und haben gebetet. Ich bekannte meine Sünden<br />

vor Gott und tat Buße. Diese Treffen haben mich so positiv<br />

verändert, dass alle Leute in meinem Umfeld ins Staunen<br />

gerieten.<br />

Um begeistert von Jesus zu sein, muss ich ihn erstmal<br />

kennenlernen. <strong>Wie</strong> kann man ihn finden?<br />

Indem man ihn sucht. Das fängt an mit Worten. Gott ist<br />

ein Gegenüber und keine wabbelige Energiemasse. Deshalb<br />

kann man da, wo man ist, anfangen, mit ihm zu reden. Ob<br />

man sich gerade im Park, am Meer, im Hotelzimmer oder<br />

im Auto befindet, ist völlig unerheblich. Oder man schreibt<br />

Gott einen Brief. Aber: Sich auf die Suche zu machen, bedeutet,<br />

das nicht nur einmal zu tun, sondern regelmäßig. Man<br />

muss Zeit und Energie investieren. Warum nicht auch mal<br />

ins Kloster gehen für ein paar Tage. Oder Urlaub nehmen<br />

und dabei nicht Dan Brown, sondern in der Bibel lesen und<br />

beten. Gut ist auch, sich mit Leuten zu unterhalten, die Gott<br />

schon gefunden haben. Jesus hat gesagt: »Suchet so werdet<br />

ihr finden« – und damit meinte er nicht den Autoschlüssel<br />

oder das Handy. Er meinte sich!<br />

1/2012<br />

Autor<br />

Simon Jahn (29) war selbst 12 Jahre<br />

lang bei den Jesus Freaks aktiv. Auf<br />

dem »Freakstock«-Festival hat er<br />

seine Frau kennengelernt, mit der er<br />

inzwischen zwei wundervolle Kinder<br />

hat.<br />

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Mr. Jesus Freak<br />

23


24 Warum Zeiten der Stille so wertvoll sind<br />

Warum Zeiten der Stille so wertvoll sind<br />

Erleichtert schließe ich die Tür hinter mir. In meinem Zimmer ist es ungewohnt leise. Die letzten<br />

Tage waren von Abgabeterminen und Klausuren geprägt. Ich habe Stunden in der Unibibliothek<br />

gesessen, nachgedacht, gelesen, geschrieben. Nun ist das Semester zu Ende. Ich bin plötzlich<br />

alleine und es gibt nichts, was dringend erledigt werden muss …<br />

Während ich mich auf mein Bett fallen lasse, kommen mir<br />

all jene Dinge in den Sinn, für die ich in den letzten Tagen<br />

keine Zeit hatte: Ich sollte meine Mutter anrufen. Die Blumen<br />

könnten gegossen werden. Ich habe meiner Freundin<br />

schon vor Wochen versprochen, mit ihr ins Kino zu gehen.<br />

Ein Friseurbesuch wäre auch wieder fällig. Aber als ich zu<br />

meinem Handy greifen will, wird mir klar, dass ich etwas<br />

anderes brauche. Ich muss den Stress der letzten Tage verdauen.<br />

Anstatt meine Freunde anzurufen, schwinge ich mich auf<br />

mein Fahrrad. Mein Ziel ist der Wald ganz in der Nähe. An<br />

der frischen Luft, zwischen den Bäumen kann ich am besten<br />

Abstand zum Alltagsstress gewinnen. Und somit begreifen,<br />

dass ich Teil einer Welt bin, die Gott für uns geschaffen hat.<br />

Und als er damit fertig war, ruhte auch er sich aus.<br />

1/2012


Meine Freundin kann nicht mehr<br />

Ganz anders ist es meiner Freundin ergangen: Sie ist 20,<br />

studiert mit mir und ist eines jener Mädchen, die immer<br />

glücklich zu sein scheinen. Immer am Lächeln, niemals<br />

launisch, für jeden Spaß zu haben, zu jeder Party bereit.<br />

Und sie ist klug. In der Uni erhält sie nur Bestnoten. Nebenbei<br />

leitet sie die Theatergruppe unseres Campus und<br />

fasziniert selbst als Schauspielerin auf der Bühne ihr<br />

Publikum. Eines Tages erzählte sie mir überraschend, dass<br />

es ihr schlecht gehe. Niemand hatte es gemerkt – auch ich<br />

nicht. Sie weinte. Sie hatte keine Kraft mehr. Keinen<br />

Antrieb. Morgens kam sie nicht mehr aus dem Bett, abends<br />

konnte sie nicht einschlafen. Und das, obwohl nichts<br />

Gravierendes passiert war. Keine Probleme in der Familie,<br />

kein Liebeskummer. Ihr Lebensstil war eine Überforderung.<br />

Die Folge: Sie war ausgebrannt.<br />

Darüber nachdenken, was man tut<br />

Der Begriff Burn-out existiert seit den 70er Jahren. Er<br />

beschreibt ein Gefühl der Niedergeschlagenheit, verbunden<br />

mit Kraftlosigkeit und Antriebsschwäche. Eigentlich<br />

haben wir alle schon mal gehört, dass zu viel Hektik und<br />

Druck nicht gut für uns sind. Unsere Gesellschaft ist<br />

jedoch hochgradig leistungsorientiert. Und weil es wichtig<br />

scheint, erfolgreich zu sein, ignorieren wir oft so lange<br />

wie möglich jegliche Erschöpfungssymptome. Man kann<br />

schließlich auch mit Kopfschmerzen Hausarbeiten schreiben.<br />

Zur Not wirft man ein Mittel dagegen ein. Erst durch<br />

meine Freundin habe ich verstanden, was Alltagsstress mit<br />

uns machen kann. Wir gehen Tag für Tag fast mechanisch<br />

unseren Aufgaben nach. Wir stehen auf, wenn der Wecker<br />

klingelt, fahren zur Uni oder Arbeit, um zu erledigen, was<br />

zu erledigen ist. Sobald eine Aufgabe erledigt ist, nehmen<br />

wir die nächste in Angriff. Und das Erschreckende ist, dass<br />

wir selten dabei nachdenken.<br />

Sicherlich ist es wichtig, etwas zu tun zu haben. Es kann<br />

sehr erfüllend und befriedigend sein, wenn man endlich<br />

die Hausarbeit einreicht, wenn das Badezimmer wieder<br />

glänzt oder wenn am Ende eines Arbeitstages ein zufriedenes<br />

Lächeln auf dem Gesicht des Chefs zu sehen ist.<br />

Unabhängig davon, wonach wir streben, ist es wichtig, immer<br />

wieder auch inne zu halten. Die Kraftreserven nur im<br />

Urlaub aufzufüllen – das reicht nicht. Bei meiner Freundin<br />

kam das Burn-out nicht von einem Tag auf den anderen,<br />

sondern entwickelte sich über Monate.<br />

Wo überfordere ich mich?<br />

Wer ein Ausbrennen vermeiden will, muss sich immer wieder<br />

mit sich selbst und seinem Leben auseinandersetzen.<br />

Wo überfordere ich mich? Mute ich mir zu viel zu? Hinsetzen,<br />

nachdenken, beten, sich auf Gott konzentrieren. Ein<br />

1/2012<br />

Warum Zeiten der Stille so wertvoll sind<br />

Buch nur zur Entspannung und nicht zum Lernen lesen.<br />

Solches Innehalten geht nicht mal eben schnell nebenbei.<br />

Reflektion braucht Zeit und vor allem Stille.<br />

Stille im Kopf<br />

Stille beschreibt nicht bloß das Fehlen jeglichen Lärms.<br />

Stille bedeutet auch Stille im Kopf. Wenn das Leben nur<br />

vorbeifliegt, ist es unmöglich, die Schönheit um sich<br />

herum wahrzunehmen. Es ist nicht verwunderlich, dass<br />

man dann irgendwann morgens nicht mehr aufstehen<br />

möchte. Besser ist es, sich regelmäßig Zeit für sich selbst<br />

zu nehmen. Das kann schon eine Tasse Tee auf dem Sofa<br />

sein. Oder ein Spaziergang allein im Wald. Sich auf einer<br />

Bank niederzulassen und bewusst die Schönheit unserer<br />

Welt wahrzunehmen. Und dabei zu merken, dass es einen<br />

Schöpfer gibt, der für uns sorgt, wenn wir unsere Probleme<br />

in seine Hände legen.<br />

Tipps aus der Bibel<br />

Wer mit wachen Augen durch die Welt geht, begeg<strong>net</strong> Gott<br />

in der Natur, in menschlichen Begegnungen – und in der<br />

Bibel, die man auch als Handbuch für ein gelingendes Leben<br />

lesen kann. Dort liest man, dass auch Jesus um die Bedeutung<br />

der Stille wusste. Sein Dienst war geprägt von einem<br />

Wechsel zwischen öffentlichen Aktionen und Ruhe. Wenn<br />

Jesus es mit »der Menge« zu tun bekam, zog er sich anschließend<br />

in die Stille zurück. Warum wohl? Um Kraft zu<br />

schöpfen. Offenbar ist selbst ihm das nicht immer gelungen.<br />

Als Jesus mit den Jüngern im Boot auf dem See Genezareth<br />

war, schlief er ein vor Erschöpfung, trotz des Sturms,<br />

der rings herum tobte. Er brauchte die Ruhe der Abgeschiedenheit<br />

des Sees. Was kann uns das sagen? Immer unter<br />

Strom zu sein, das geht nicht gut. Wir brauchen die Phasen<br />

der Nicht-Hektik, des Runterkommens, des Abschaltens.<br />

Jesus hat uns vorgelebt: Stille tut uns gut.<br />

AUTorIN<br />

25<br />

Lara Rösler (21) lebt seit fast zwei<br />

Jahren in Hollands größter Unistadt<br />

Utrecht und studiert dort Philosophie<br />

und Kognitive Neurowissenschaften.<br />

Wenn sie nicht über ihren Büchern<br />

hockt, nutzt sie die freie Zeit gerne<br />

um neue rezepte auszuprobieren,<br />

Gitarre zu spielen und mit ihren<br />

Freunden Unvergessliches zu er<strong>leben</strong>.


26 Vom Mut, eigene Entscheidungen zu treffen<br />

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1/2012<br />

Vom Mut, eigene<br />

Entscheidungen zu treffen<br />

Jesu Worte waren nie kompliziert. Er redete stets einfach<br />

und verständlich. Trotzdem gibt es unter Christen ganz<br />

unterschiedliche Ansichten darüber, wie man als Christ<br />

<strong>leben</strong> sollte. Was ist die »richtige« Einstellung zu Fragen wie<br />

Klimawandel, Atomkraft oder Homosexualität? So mancher<br />

meint, da die Antworten zu kennen. Doch kann man eine<br />

eindeutige christliche Ethik wirklich aus der Bibel herauslesen?<br />

27<br />

»Der Teufel kann sich auf die Schrift<br />

berufen«, heißt es in Shakespeares Der<br />

Kaufmann von Venedig. Oft scheint<br />

es, als lasse sich alles und nichts mit<br />

der Bibel, oder konkreter: mit den<br />

Worten Jesu begründen. Mein jüngstes<br />

Erlebnis zu dieser Thematik war eine<br />

Debatte um den gesetzlichen Mindestlohn,<br />

bei dem sich beide Seiten auf das<br />

Gleichnis der Arbeiter im Weinberg beriefen.<br />

Darin zahlt der Eigentümer des<br />

Weinbergs jedem Arbeiter denselben<br />

Lohn, unabhängig davon, wie lange<br />

dieser gearbeitet hatte. Der Befürworter<br />

des Mindestlohns erklärte stolz:<br />

»Da siehst du es, Jesus verkündet eine<br />

gleiche Bezahlung für alle – unabhängig<br />

von der Leistung des Einzelnen!«<br />

Der andere reagierte verwundert: »Im<br />

Gegenteil! Das Gleichnis spricht von<br />

der Vertragsfreiheit des Unternehmers,<br />

der mit seinem Geld tun und lassen<br />

kann, was er will.«<br />

Mal abgesehen davon, dass es in<br />

diesem Gleichnis natürlich weder um<br />

das eine noch um das andere geht,<br />

stellt sich trotzdem die Frage: <strong>Wie</strong><br />

kommt es, dass sich zuweilen extrem<br />

gegensätzliche Positionen scheinbar<br />

auf Jesus berufen können? <strong>Wie</strong> kann<br />

er einmal als Motivator für Pazifismus<br />

dienen, dann wieder als Legitimation<br />

für Krieg? <strong>Wie</strong> einmal als Begründung<br />

für Sozialismus, dann wieder für die<br />

freie Marktwirtschaft?


28 Vom Mut, eigene Entscheidungen zu treffen<br />

Man kann Jesus<br />

ja viel nachsagen, aber<br />

mit Sicherheit nicht, dass er sich kompliziert<br />

ausgedrückt hätte. Manchmal denke ich, er wäre zutiefst<br />

amüsiert über die unzählige wissenschaftliche Literatur,<br />

die zur Analyse seiner Worte verfasst wurde. Hatte er diese<br />

nicht bewusst einfach gehalten, damit sie jeder verstehen<br />

kann? »Eure Rede sei ja, ja, nein, nein« – diesen Satz hat<br />

er sich auch selbst zu Herzen genommen. Jemandem, der<br />

das gesamte Alte Testament in zwei Sätze zusammenfassen<br />

konnte (»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von<br />

ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt<br />

= Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«), kann<br />

man wohl kaum den Vorwurf machen, er <strong>würde</strong> die Dinge<br />

unnötig verkomplizieren.<br />

Das »wie« entscheidet<br />

Das eigentliche Problem liegt also woanders. Bei ethischen<br />

Entscheidungen geht es selten um das ob, sondern fast<br />

immer um das wie. Vermutlich <strong>würde</strong>n mir die meisten<br />

Menschen zustimmen, wenn ich sage, dass es zur christlichen<br />

Ethik gehört, den Armen zu helfen. Wenn ich aber<br />

fragen <strong>würde</strong>, ob man Bettlern auf der Straße Geld geben<br />

soll, <strong>würde</strong>n die Meinungen womöglich auseinandergehen.<br />

Ebenso <strong>würde</strong> kaum jemand bestreiten, dass es richtig ist,<br />

sich für Frieden auf der Welt einzusetzen. Würde ich aber<br />

fragen, ob zur Sicherung des Friedens auch militärische<br />

Einsätze durchgeführt werden sollen, wäre die Antwort<br />

wohl schon weniger einheitlich. Die Liste solcher Beispiele<br />

ließe sich beliebig fortsetzen, und sie alle verdeutlichen die<br />

Feststellung: Es geht selten darum, ob man etwas tun soll,<br />

sondern wie man es am besten tut.<br />

Dieser Umstand<br />

macht es so schwierig, sich bei<br />

ethischen Entscheidungen auf Jesus zu berufen. Seine<br />

Worte zeugen von einer weltumspannenden Menschenliebe,<br />

sie sprechen uns an in ihrer tiefen und überwältigenden<br />

Schönheit. Unsere alltäglichen ethischen Probleme aber<br />

sind zumeist konkrete Einzelfallentscheidungen und hängen<br />

von unzähligen Faktoren ab, die man allesamt kennen<br />

und erwägen muss, um zu einem angemessenen Urteil zu<br />

gelangen. Kommen wir auf das Beispiel des Mindestlohns<br />

zurück. Natürlich sollen Menschen von ihren Löhnen auch<br />

ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Aber es muss<br />

auch berücksichtigt werden, ob die Einführung eines<br />

gesetzlichen Mindestlohns möglicherweise nicht eher zur<br />

Vernichtung von Arbeitsplätzen führen <strong>würde</strong>. Solche<br />

Faktoren dürfen unter keinen Umständen ausgeblendet<br />

werden, wollen wir ethisch richtige Entscheidungen treffen.<br />

Egal ob es um Mindestlöhne, Atomkraft oder Frauenquoten<br />

geht: Gut gemeint ist nicht selten das Gegenteil von gut.<br />

Ethik heißt Abwägen<br />

Habe den Mut, deine eigenen Entscheidungen zu treffen!<br />

Das ist die vielleicht entscheidende ethische Weisung<br />

Jesu, die sich zwar in dieser Form nicht in seinen Worten<br />

findet, aber aus seinen Taten spricht. Auch Jesus hatte oft<br />

zwischen verschiedenen Faktoren abzuwägen. Als er sich<br />

entschloss, am Sabbat eine Frau zu heilen, brach er bewusst<br />

das jüdische Sabbatgebot. Auch wenn uns heutzutage die<br />

Abwägung zwischen der Heilung eines Menschen und der<br />

Beachtung eines Feiertags als nicht besonders schwierig<br />

erscheinen mag, dürfen wir uns hier nicht täuschen<br />

lassen. Jesus lebte in den jüdischen Traditionen seiner Zeit,<br />

und es wäre verfehlt anzunehmen, dass er keinen Respekt<br />

vor ihnen gehabt hätte. Er war kein rebellischer Trotzkopf,<br />

der es den »Alten« mal richtig zeigen wollte. So hatte er<br />

1/2012


auch Respekt vor der Beachtung des Sabbats, aber trotzdem<br />

stellte er das Gebot der Nächstenliebe über das Sabbatgebot.<br />

Er wird diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen haben,<br />

ebenso wenig wie bei der Vertreibung der Geldwechsler aus<br />

dem Tempel, die eine völlig andere Seite Jesu zeigt. Wer<br />

darin eine ethische Inkonsequenz sehen will, verkennt, dass<br />

auch Jesus Einzelfallentscheidungen traf, bei denen er<br />

abwägen musste. In diesem konkreten Fall stellte er die<br />

Wahrung der Ehre Gottes über Sanftmut und Friedfertigkeit.<br />

Aber noch etwas anderes, vielleicht noch<br />

Wichtigeres können wir aus diesen Erzählungen<br />

ersehen. Die Ethik Jesu ist eine Ethik der<br />

Tat. Darin liegt die Ursache seines Dauerkonflikts<br />

mit den Pharisäern. Deren Ethik ist eine Ethik des<br />

»Nicht-Handelns«: keine verbotenen Speisen essen, keine<br />

unreinen Menschen berühren, keine Arbeit am Sabbat<br />

tun – kurz gesagt, es geht ihnen darum, sich selbst nicht<br />

die Hände schmutzig zu machen. Dieser Haltung setzt<br />

Jesus seine berühmten Worte entgegen: »Es gibt nichts, was<br />

von außen in den Menschen hineingeht, das ihn unrein<br />

machen könnte; sondern was aus dem Menschen herauskommt,<br />

das ist‘s, was den Menschen unrein macht.« Frei<br />

übersetzt könnte man auch sagen: Entscheidend ist, was<br />

hinten rauskommt!<br />

Eben diese Ethik der Tat zeigt Jesus in solchen Momenten<br />

wie der Heilung am Sabbat. Noch deutlicher wird diese<br />

Haltung im Gleichnis von den anvertrauten Talenten. Die<br />

ersten beiden Knechte werden gelobt, weil sie das meiste<br />

aus ihren Talenten gemacht haben, der dritte aber wird<br />

hart bestraft, weil er sich nicht getraut hatte, aktiv zu<br />

werden. Jesus wünscht sich Menschen, die nicht in Angst<br />

und Resignation verharren, sondern mutig mit den ihnen<br />

anvertrauten Gaben umgehen, um die Welt zum Besseren<br />

zu verändern.<br />

AuTor<br />

Sebastian Moll (31) arbeitet als<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />

Evangelisch-Theologischen Fakultät<br />

der universität Mainz. Sein jüngst<br />

erschienenes Buch »Jesus war kein<br />

Vegetarier«, in dem er die politisch<br />

korrekte Bibelauslegung aufs Korn<br />

nimmt, hat in theologischen Kreisen<br />

für viel Wirbel gesorgt.<br />

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Vom Mut, eigene Entscheidungen zu treffen<br />

Ron Hall / Denver Moore:<br />

Genauso anders wie ich<br />

29<br />

Zwei Männer erzählen die spektakuläre Geschichte ihrer<br />

verrückten Freundschaft – der Landstreicher, der wie ein<br />

Sklave auf den Baumwollfeldern Louisianas aufwächst<br />

und der Kunsthändler aus der „Upper Class“. Und sie erzählen<br />

von der mutigen Frau, die beide zusammenbringt,<br />

weil sie Gottes Willen erkennt.<br />

Es ist die wahre Geschichte zweier grundverschiedener<br />

Typen – packender, erschütternder, fantastischer als ein<br />

Roman. Sie beginnt in einer brennenden Slum-Hütte und<br />

in einer Villa in Hollywood und sie mündet in ein faszinierendes<br />

Projekt, das Tausenden neue Hoffnung bringt.<br />

272 S., geb., s/w-Fotos, ISBN 978-3-86827-307-6<br />

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Es ist wirklich eine unglaubliche, faszinierende, bewegend emotionale<br />

Geschichte, die zeigt, welche Wege Gott mit Menschen geht,<br />

wenn sie sich ganz unspektakulär darauf einlassen,<br />

andere „mit Liebe zu infizieren“. Bettina Steeb / IDEA<br />

· 3 Jahre lang auf der „New York Times Bestseller List“<br />

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30 Die Sehnsucht nach der göttlichen Liebe<br />

Ureus faltete seine Schwingen an den Körper. Er sah Luzifer<br />

an, stand einfach da, aufrecht und prächtig. Jeder andere<br />

Dämon muss te sich vor Luzifer verneigen. Ureus aber war<br />

zu wichtig, um ihn wegen seines Stolzes zu demütigen und<br />

mit einer Strafe seine Loyalität aufs Spiel zu setzen.<br />

Luzifer kniff die Augen zusammen. Etwas stimmte nicht.<br />

Es schien ihm, als sei ein Teil von Ureus’ Schönheit zurückgekehrt.<br />

Hatten sich die Falten geglättet in seinem Gesicht?<br />

Er sah aus, als habe er Kontakt mit dem Tröster gehabt. »Was<br />

willst du?«, herrschte er ihn an.<br />

»Ich habe sie versammelt. Die Legionen stehen bereit, Meister.«<br />

Ureus hatte seinen Platz bei offiziellen Anlässen nahe beim<br />

Thron des Schöpfers gehabt. Er war einer der stärksten Engel<br />

gewesen, betraut mit der Herrschaft über eine Gruppe<br />

fruchtbarer Pla<strong>net</strong>en, auf denen eine intelligente Spezies<br />

lebte. Dass er zur Rebellenseite wechselte, hatte damals<br />

viele Engel zum Nachdenken gebracht. Luzifer musste ihn<br />

halten. Verlor er Ureus, dann verlor er mit ihm Hunderte.<br />

»Spürst du es?«, fragte er.<br />

»Was?«<br />

»Der Schöpfer wird schwächer.« Die ganze Nacht und den darauffolgenden<br />

halben Tag hatte Luzifer sich daran erfreut, viel<br />

mehr als am Tod des Himmelsfürsten an jenem Holzkreuz.<br />

Gottes stetiger Pulsschlag im Universum wurde langsamer.<br />

Die Trauer lähmte ihn. Der Schöpfer hatte sich mit dem Tod<br />

seines Sohnes eine fürchterliche Wunde zugefügt.<br />

Die Sehnsucht nach<br />

der göttlichen Liebe<br />

<strong>Wie</strong> leicht unterläuft es uns Christen, dass wir<br />

philosophisch von Gut und Böse sprechen wie<br />

von abstrakten Größen. <strong>Wie</strong> leicht vergessen<br />

wir, dass unser Pla<strong>net</strong> Schauplatz einer unsichtbaren<br />

Schlacht ist und dass wir es bei Gott<br />

und den Engeln mit klugen, <strong>leben</strong>digen Wesen<br />

zu tun haben, genauso bei Satan und den Dämonen,<br />

wenn sie ihre Klugheit auch zu Tücke<br />

einsetzen. Weil uns eine Geschichte emotional<br />

mitunter besser erreicht als eine sachliche<br />

Argumentation, hat Jesus so viele Geschichten<br />

und Gleichnisse erzählt. Aus demselben Grund<br />

habe ich die folgende Geschichte geschrieben:<br />

in der Hoffnung, dass sie uns wieder bewusst<br />

macht, was zu Ostern geschehen ist.<br />

»Ich spüre es, Meister.«<br />

»Ist dir bewusst, was das bedeutet? Der Schöpfer hat sich den wichtigsten<br />

Teil seiner Persönlichkeit herausgerissen und ihn vernichtet. Er<br />

zerstört sich selbst. Bald wird er sämtliche Kraft verlieren.«<br />

»Sollen wir das Grab stürmen? Was ist Euer Auftrag für die<br />

Legionen?«<br />

Warum lenkte er vom Thema ab? Wollte Ureus vermeiden,<br />

über den Schöpfer zu reden? »Wir sind alte Kampfgefährten. Ich<br />

kann es spüren, dass du mich betrügst, Ureus.« Luzifer gab seiner<br />

Erscheinung ein rotes Leuchten.<br />

»Ich betrüge Euch nicht. Ich habe lediglich … ein Gespräch<br />

geführt.«<br />

»Ein Gespräch mit Gottes Geist. Spiele das nicht herunter!« Er<br />

fletschte die Zähne. Gleichzeitig spürte er, dass es nicht<br />

klug war, dem Dämon zu drohen. Er strengte sich an, seine<br />

Gesichtszüge wieder zu entspannen. »Versucht er noch immer,<br />

dich zurückzurufen?«<br />

Ureus zögerte. »Darf ich Euch etwas fragen, Luzifer?«<br />

»Ich habe dir nie Antworten verweigert.«<br />

»Vermisst Ihr manchmal die Liebe des Schöpfers?«<br />

Es traf ihn wie ein Blitzschlag. So tief war der Zweifel<br />

bereits in Ureus eingedrungen! Der Schöpfer versuchte<br />

offenbar mit aller Macht, ihm den Heerführer streitig zu<br />

machen. Warum verstärkte er seine Bemühungen gerade<br />

jetzt? Was hatte das zu bedeuten?<br />

Natürlich kannte er die Sehnsucht nach der göttlichen<br />

Liebe. Es kostete ihn fortlaufend Kraft, sie niederzukämp-<br />

1/2012


fen. Er musste die Erinnerungen vertreiben an die Zeit des<br />

Friedens und die Freudenfeste in den Himmelssphären,<br />

genauso die Erinnerungen an die Ewigen Gespräche mit<br />

dem Schöpfer. »Nein, Ureus, ich vermisse sie nicht. Und auch du<br />

wirst diese Schwäche bald los sein. Ich habe es dir schon einmal gesagt.<br />

Wenn du lange genug von ihm getrennt bist, schwindet die Sucht nach<br />

seiner Anerkennung.«<br />

»Der Tröster hat gesagt, dass Ihr mich damals angelogen<br />

habt. Ihr habt Missgunst in mich eingepflanzt, als Ihr<br />

behauptet habt, mein Bruderfreund Lihasar sei ungerecht<br />

bestraft worden vom Schöpfer. Durch Tücke habt Ihr mich<br />

für Eure Sache gewonnen.«<br />

»Siehst du, wie verzweifelt er ist? Der Schöpfer weiß, dass er zu weit<br />

gegangen ist mit seinem Versuch, die Welt zu erlösen. Weil seine Kräfte<br />

schwinden, greift er selbst zu den Mitteln, die er mir vorwirft: Er<br />

will dich mit Lügen ins Wanken bringen. Erinnere dich an die Große<br />

Schlacht, Ureus! <strong>Wie</strong> sie uns aus den Himmelssphären verbannt<br />

haben, wie sie uns gedemütigt haben, nur weil wir Beweise für Gottes<br />

Gerechtigkeit wollten! Warum sind wir aus den Weiten des Universums<br />

verstoßen worden? Warum ist uns allein die Erde geblieben als Rückzugsort?<br />

Weil der Schöpfer uns fürchtet! Weil wir im Recht sind und er<br />

uns mundtot machen will. Ich bin enttäuscht von dir, dass du das nicht<br />

durchschaust.«<br />

Er dachte ungern an die Große Schlacht zurück. Sie war<br />

zu früh gekommen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt erst ein<br />

Drittel der Engel für sich gewonnen, und so hatten sie verloren,<br />

obwohl mächtige Helden wie Ureus für ihn kämpften.<br />

Ureus litt sicher genauso wie er unter der Niederlage.<br />

Der Dämon hob seine mächtigen Hände. »Der Tröster hat<br />

gesagt, dass Jesus Christus auferstehen wird. Er sagte, dass<br />

sein Tod notwendig war, um für die Schuld der Menschheit<br />

zu bezahlen. Es war geplant und gewollt vom Schöpfer,<br />

behauptet er.«<br />

»Er lügt! Der Himmelsfürst ist tot und bleibt zerstört in alle Ewigkeit.<br />

Und es war mein Plan!« Luzifer brüllte vor Wut. Er stampfte<br />

auf. Das Gebirge, auf dem er sich niedergelassen hatte,<br />

erzitterte. »Ich habe den Schöpfer in die Enge getrieben, indem ich die<br />

Menschheit zur Rebellion gebracht habe. Verstehst du nicht? Er hatte<br />

sich in sie verliebt. Ich habe sofort gesehen, dass ihn das verletzlich<br />

macht. Nach ihren ersten Verstößen gegen das göttliche Gesetz habe<br />

ich sie verklagt und vom Schöpfer gefordert, dass er sie vernichtet. Er<br />

hat es nicht getan. Natürlich nicht. Er hatte so viel mit ihnen vor, wie<br />

sollte er das alles aufgeben? Uns aber will er vernichten. Das ist ungerecht.<br />

Ich habe endlich bewiesen, dass er ungerecht ist!«<br />

Ureus hörte schweigend zu. Die Art, wie er sein Kinn rieb,<br />

verriet, dass die Erklärungen begannen, ihn zu überzeugen.<br />

»Ich habe seine Verzweiflungstat vorhergesehen, Ureus. Ich habe ge-<br />

1/2012<br />

Die Sehnsucht nach der göttlichen Liebe<br />

•<br />

»Der Himmelsfürst ist tot und bleibt zerstört<br />

in alle Ewigkeit. Und es war mein Plan!«<br />

ahnt, dass er so etwas tun <strong>würde</strong>. Seinen eigenen Sohn, den Himmelsfürsten,<br />

in unsere Hände zu geben! Hätte ich das nicht im Vorhinein<br />

gewusst, hätte ich es dann schaffen können, dass Jesus Chris tus so<br />

wenig erreicht auf der Erde? Ich habe die Herzen hart gemacht. Ich<br />

habe Hass geschürt, bevor Gottes Sohn die Massen mobilisieren konnte.<br />

Seine Kreaturen sind nicht zu Königstreuen geworden, wie er gehofft<br />

hatte.«<br />

»Er hat nur wenige Nachfolger gewonnen, das ist wahr.«<br />

Es gelang, den Intellekt des Dämons zu bearbeiten. Darin<br />

war er schon immer gut gewesen: Das Denken anderer<br />

Wesen zu beeinflussen. »Komm mit, ich zeige dir etwas.« Er<br />

erhob sich in die Lüfte. Er verließ das Hermongebirge und<br />

flog nach Jerusalem. Hinter sich hörte er die Flügelschläge<br />

seines Heerführers.<br />

Bald zogen unter ihnen die Dächer Jerusalems dahin. Durch<br />

die Straßen liefen Menschen und Ziegen und Esel. Die<br />

Räder von Ochsenkarren wirbelten Staub auf. Buden an den<br />

Straßenrändern waren mit bunten Tüchern geschmückt.<br />

Luzifer hielt über einem Dach. »Komm!« Er stieß hindurch<br />

und flog in einen stickigen, verdunkelten Raum. Ureus folgte<br />

ihm. Männer hatten sich in diesem Raum eingesperrt.<br />

Sie rauften sich die Haare. Ein Mann namens Johannes<br />

weinte hemmungslos. Bartholomäus starrte stumpf vor<br />

sich hin. Philippus hatte sich in einer Ecke zusammengekrümmt<br />

und schlief.<br />

»Siehst du diese Schwächlinge?« fragte er. »Sie sind Gott höchstpersönlich<br />

begeg<strong>net</strong>, und nicht einmal sie glauben daran, dass er aufersteht.<br />

Sie wissen, es ist vorbei.«<br />

»Was habt Ihr vor?«<br />

Endlich kamen die richtigen Fragen. Ureus begriff, dass<br />

er, Luzifer, die Zügel in der Hand hielt. »Noch können wir den<br />

Schöpfer nicht angreifen. Wir sind zu wenige. Deshalb werde ich das<br />

Menschengeschlecht in mein Heer eingliedern.«<br />

»Ich denke, sie sind Schwächlinge?«<br />

»Wenn du wüsstest, welche Fähigkeiten diese Geschöpfe haben! Sie<br />

ahnen nichts davon. Ich drücke sie zu Boden, und sie selbst helfen mir<br />

dabei.« Er lachte. »Zuerst muss die Liebe ausgelöscht werden.«<br />

»Mag sein, dass sie Gott nicht mehr recht zu lieben wissen.<br />

Aber sie lieben einander, Meister. Ich kann es deutlich spüren.<br />

Überall auf der Welt lieben sich die Menschen.«<br />

»Bald nicht mehr. Sie werden nur noch der eigenen Lust nachgeifern. Sie<br />

werden vergessen, was Schönheit ist. Auch das Mitleid mit Schwächeren<br />

lösche ich aus. Gier wird sie voranpeitschen und jedes Mitgefühl in<br />

ihnen verbrennen.«<br />

»Dann lieben sie immer noch sich selbst.«<br />

»Zum Schluss lösche ich auch diese Form der Liebe aus. Sie werden sich<br />

hassen für das, was sie getan haben. Sie werden sich abscheulich finden.«<br />

31


32 Die Sehnsucht nach der göttlichen Liebe<br />

»Sie sind nicht abscheulich. Sie sind wunderschön, selbst<br />

wenn sie weinen.«<br />

Er stutzte. Was sagte Ureus da? »Sei auf der Hut, Ureus«, zischte<br />

er. »Gottes Geist hat dich schon vergiftet.« Er gab Philippus einen<br />

Tritt. »Sie sind nicht schön. Sie sind unterlegen und dumm.«<br />

Philippus erwachte und verzog vor Schmerzen das Gesicht.<br />

»Erst wenn sie ganz am Boden sind«, sagte er, »biete ich ihnen meine<br />

Hilfe an. Sie werden bereitwillig für mich kämpfen und mit uns in die<br />

Schlacht gegen Gott ziehen.«<br />

»Und wenn Jesus doch aufersteht?«<br />

»Rufe das Heer zusammen, Ureus. Kommt zum Grab.«<br />

Es war wieder Nacht, die zweite seit dem Tod des Gottessohns.<br />

Der Himmel war von Sternen und Galaxien übersät,<br />

zu denen er nicht mehr reisen durfte. Luzifer sog die kühle<br />

Luft ein und blies sie heiß wieder aus seinem Körper aus.<br />

Beim Grab des Himmelsfürsten wachten römische Soldaten.<br />

Um die Menschen herum standen Engel, sie füllten die<br />

ganze Hügelkuppe, Cherubim und Seraphim mit flammenden<br />

Schwertern. Er drehte sich um. Hinter ihm wallte<br />

das Heer der Dämonen in die Dunkelheit. Sie waren in der<br />

Überzahl. Die Dämonen feixten. Die Stimmung im Heer<br />

war gut. Gottes Sohn war tot, das hatte die Moral bedeutend<br />

gebessert.<br />

Neben ihm stand Ureus. Er sah schweigend auf das Engelheer.<br />

»Kannst du Gabriel besiegen?«<br />

Ureus Blick schweifte zum Anführer des Engelheers. »Gabriel<br />

ist stark.«<br />

»Lass ihn uns gemeinsam angreifen. Du und ich, Seite an Seite gegen<br />

ihn. Er wird fallen.«<br />

Luzifer breitete seine Schwingen aus und flog über das Dämonenheer.<br />

Die Dämonen verneigten sich vor ihm, sobald<br />

sie ihn erblickten. Eine Wellenbewegung ging durch das<br />

Feld von Köpfen und Flügelspitzen. Er brüllte: »Der Himmelsfürst<br />

ist tot!«<br />

Sie jubelten. Es war ein schriller Vielklang von gellenden<br />

Stimmen.<br />

»Er ist nicht auferstanden, entgegen Gottes Versprechungen. Ich kenne<br />

den Schöpfer, ich war ihm näher als jeder von euch. Wenn er die Kraft<br />

besäße, seinen Sohn wieder zum Leben zu erwecken, dann hätte er es<br />

bei Sonnenaufgang getan, voll theatralischer Majestät. Aber er kann<br />

es nicht. Spürt ihr, wie schwach er ist? Jesus liegt nun schon die zweite<br />

Nacht dort drin. Der Menschenkörper, den er angenommen hat wie ein<br />

freiwilliges Gefängnis – er verrottet!«<br />

Die Dämonen brachen in hämisches Gelächter aus.<br />

»Seid ihr bereit, den Prozess zu beschleunigen? Seid ihr bereit, diesen<br />

verhassten Körper zu verspeisen und ihn in seine Atome zu zersprengen?«<br />

Die Dämonen tobten vor Kampfeswillen.<br />

Er flog zurück zur Spitze des Heeres und rief: »Gabriel! Sieh<br />

endlich ein, dass die Liebe versagt hat. Unser Schöpfer findet den Untergang!<br />

Es ist schade um ein starkes Wesen wie dich. Schließe dich mir<br />

an, bevor wir dich zermalmen!«<br />

Gabriel breitete seine weißen Flügel aus, als wollte er damit<br />

die hinter ihm stehenden Engel schützen. Der Cherub sagte<br />

mit Donnerstimme: »Ich diene allein Gott dem Schöpfer.<br />

Ihm gilt meine ganze Liebe.«<br />

Der Himmel färbte sich allmählich blau. Ein roter Schimmer<br />

zog über die Hügel. »Dann wirst du diesen Tag nicht mehr<br />

er<strong>leben</strong>«, sagte Luzifer. Er richtete sich zu voller Größe auf,<br />

um mit einem langanhaltenden Brüllen den Befehl zum<br />

Angriff zu geben. Bevor er dazu kam, stockte er. Täuschte er<br />

sich? Beschleunigte sich der Puls des Schöpfers?<br />

Er spürte eine Kraft nahen. Steine knirschten. Rings um<br />

1/2012


ihn öff<strong>net</strong>en sich Gräber. Menschen richteten sich auf, die<br />

längst gestorben gewesen waren, und sahen neugierig<br />

um sich. Sie besaßen frische, gesunde Leiber. Der Schöpfer<br />

spendete diesem Flecken Erde Lebenskraft.<br />

Luzifer begriff sofort. Gott versuchte, seinen Sohn wiederzuerwecken!<br />

Er erschauderte. Er hatte vergessen, wie sich<br />

die Kraft anfühlte, die Pla<strong>net</strong>en und Vegetationen und Lebewesen<br />

erschuf, die Kraft, die wachsen ließ und Saft und<br />

Farben verströmte.<br />

Plötzlich war da eine Stimme. Gottes Stimme. Sie summte<br />

eine Melodie, so durchdringend, dass er sie in seinem<br />

Bauch spüren konnte. Die Töne kamen aber nicht allein<br />

vom Universum. Sie wurden erwidert und ergänzt aus dem<br />

Grab.<br />

Engel rollten den großen Stein beiseite. Die römischen Soldaten<br />

wichen angstvoll zurück. Er spürte eine unermessliche<br />

Liebe aus dem Grab wehen. Wider seinen Willen begann<br />

er zu zittern. Sanftes Licht erhellte den Höhleneingang.<br />

Der Himmelsfürst trat heraus. Das Heer der Engel kniete<br />

nieder. Lächelte Gottes Sohn? Wohin sah er? Er blickte in<br />

Luzifers Richtung, aber Luzifer fühlte sich nicht angeschaut.<br />

Wen lächelte Christus an?<br />

1/2012<br />

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Die Sehnsucht nach der göttlichen Liebe<br />

•<br />

Er spürte eine unermessliche Liebe aus dem Grab<br />

wehen. Der Himmelsfürst trat heraus.<br />

Er wendete den Kopf. Sein Dämonenheer wich mit panischen<br />

Flügelschlägen zurück. Ureus aber blieb an seinem<br />

Platz. Der Heerführer verneigte sich tief, bevor er ebenfalls<br />

auf die Knie niederging, um dem auferstandenen Himmelsfürsten<br />

die Ehre zu erweisen.<br />

AuTOr<br />

33<br />

Titus Müller (35) studierte Literatur,<br />

Mittelalterliche Geschichte, Publizistik<br />

und Kommunikationswissenschaften<br />

in Berlin. Der Bestsellerautor<br />

ist verheiratet und lebt in<br />

München. Er schreibt historische<br />

romane und Sachbücher und wurde<br />

2005 mit dem C.S. Lewis-Preis<br />

ausgezeich<strong>net</strong>. Gerade ist sein Buch<br />

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34 Das Kreuz<br />

Das Kreuz<br />

Es ist radikal und revolutionär zugleich: Das<br />

Kreuz steht für die Versöhnung zwischen<br />

Gott und den Menschen. Geistlich betrachtet<br />

bildet es den Mittelpunkt zwischen Anfang<br />

und Ende. Es ist das Bekenntnissymbol unseres<br />

christlichen Glaubens. Und: Es hat alles<br />

grundlegend verändert.<br />

»Endlich ist Schluss mit dem ganzen Theater«, dachte da- Am Kreuz hat Gott sich in Christus ganz für uns Menschen<br />

mals der Mainstream, als Jesus Christus ans Kreuz geschla- hingegeben. Weil er sich selbst erniedrigte und alle Schuld<br />

gen wurde. Nur wenige Stunden zuvor, als Pilatus die Men- auf sich nahm, können wir mit ihm wieder in Beziehung<br />

ge fragte, was er mit Jesus tun solle, wurde skandiert: »Ans kommen. Nirgendwo sonst als am Kreuz wird Gott per-<br />

Kreuz mit ihm!« (Matthäus 27,22). Damit erfüllte sich, was sönlicher und (an)greifbarer: Durch Jesu Wunden sind wir<br />

Jesus vorausgesagt hatte: Er werde verspottet, gegeißelt, ge- geheilt. In seinem Sterben am Kreuz nimmt Gott konkret<br />

kreuzigt (Matthäus 20,18-19). Das Geschehen auf Golgatha Anteil an jedem Leid der Welt und zeigt uns in seiner Hin-<br />

bedeutete vorerst ein Ende der Aufgeregtheit des jüdischen gabe, dass er nicht fern von uns ist oder nur von »oben« teil-<br />

Establishments um die Person Jesu.<br />

nahmslos zuschaut.<br />

Das Kreuz – den Ungläubigen eine Torheit<br />

Doch Jesu Sterben bedeutete nicht das Ende: Er<br />

ist auferstanden und lebt mitten unter uns! So<br />

ist er am Kreuz, als Zeichen der Hoffnung und<br />

der Versöhnung mit Gott, selbst zu einem Ärgernis<br />

geworden, an dem sich die Geister scheiden.<br />

Feinde des Kreuzes Christi versuchen, die<br />

Freiheit dieses Bekenntnisses einzuschränken,<br />

wenn z. B. Kreuze per Gesetz aus Klassenzimmern<br />

verbannt werden.<br />

Das Kreuz – der Ort der Erkenntnis<br />

Auch die engsten Vertrauten Jesu – die Jünger –<br />

ließen ihn allein und verleug<strong>net</strong>en und verrieten<br />

ihn, bevor der Hahn krähte. Wer, wenn nicht<br />

sie, hätte einen größeren Glauben an Jesus haben<br />

müssen? <strong>Wie</strong> könnten wir, ohne mit Jesus<br />

gelebt zu haben, also treuer sein? Wir können es<br />

nicht. Durch die Sünde, durch das Schlechte im<br />

Herzen trägt jeder Mensch Mitschuld am Verrat<br />

und Tod Christi. Diese Einsicht entzieht jeder<br />

Überheblichkeit und jedem Stolz den Boden.<br />

Sie führt zu einem demütigen Herzen und lädt<br />

zum Leben mit Jesus ein. Denn das Kreuz ist der<br />

einzige Ort im Universum, an dem es niemals<br />

Verurteilung oder Verdammnis gibt. Christus<br />

ruft uns, zum Kreuz zu kommen und das, was<br />

uns unfrei macht, dort abzulegen. Wir dürfen<br />

es eintauschen gegen Freiheit und Versöhnung.<br />

Das Kreuz – unser Hoffnungszeichen<br />

Das Kreuz ist der Anfang vom Ende der Macht<br />

der Sünde und des Todes. Und es ist der Ursprung,<br />

von dem aus Jesus in uns <strong>leben</strong>dig<br />

werden kann. Es befreit uns zu einem Leben<br />

in Hoffnung und gibt uns einen Vorgeschmack<br />

auf den Frieden, der bei Gott herrscht.<br />

1/2012<br />

Foto: istockfoto.com, paphia


1/2012<br />

AuTor<br />

TIPPS<br />

Das Kreuz<br />

35<br />

Tobias Pechmann (28) ist Diplom-<br />

Politologe, arbeitet als Projektleiter<br />

bei einem Verlag, engagiert sich in<br />

der Katholischen Kirche und bereist<br />

gerne Italien.<br />

� Michael Herwig: Komm zum Kreuz.<br />

� John Stott: Das Kreuz – Zentrum des<br />

christlichen Glaubens.


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