Kritische Analyse des BaFin-Zinsrisikokoeffizienten - Dr. Sievi
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CONTROLLING<br />
Kennziffern der Aufsicht können nur Indikatoren sein<br />
<strong>Kritische</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>BaFin</strong>-<strong>Zinsrisikokoeffizienten</strong><br />
Im Rahmen <strong>des</strong> gesetzgeberischen Konsultationsverfahrens zu Zinsänderungen im<br />
Anlagebuch 1 sollen die Regelungen zur Berechnung <strong>des</strong> Zinsänderungsrisikos 2 teil-<br />
weise abgelöst und neu festgelegt werden. Gemessen werden danach künftig bei<br />
Handelsbuchinstituten Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch und bei Nicht-Handelsbuchinstituten Zinsänderungen<br />
aller zinsabhängigen Positionen. Ermittelt werden sollen dabei die Effekte einer plötzlichen und unerwarteten<br />
Zinsänderung auf die Risikosituation eines Kreditinstituts. Damit schafft die Aufsicht ein neues Regelwerk zur<br />
möglichen Eigenkapitalunterlegung von Zinsänderungsrisiken. Die Verfasser diskutieren die geplanten Regelungen<br />
aus Sicht der Sparkassen und geben Empfehlungen, wie ökonomische Aspekte der Zinsänderungsrisikosteuerung<br />
im Rahmen einer Prüfung neben dem Regelwerk berücksichtigt werden können.<br />
Der aktuelle Entwurf der Bun<strong>des</strong>anstalt<br />
für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />
(<strong>BaFin</strong>) hält an der bisher geübten Vorgehensweise<br />
fest, die Zinsänderungen<br />
anhand einer parallelen Verschiebung<br />
der Zinsstrukturkurve vorzunehmen. Statt<br />
eines zu verwendenden Anstiegs um 130<br />
Basispunke (BP) bzw. Abstiegs um 190 BP<br />
werden nun jedoch 200 BP sowohl für steigende<br />
als auch sinkende Zinsen angesetzt.<br />
Das ist eine spürbare Verschärfung, die<br />
mit einer Harmonisierung auf europäische<br />
Standards zurückzuführen ist. Das Zinsänderungsrisiko<br />
wird dabei wie bisher mit der<br />
Barwertmethode berechnet. Das bedeutet,<br />
dass der Barwert <strong>des</strong> Zinsbuchs zum einen<br />
mit der tagesgültigen Zinsstrukturkurve und<br />
zusätzlich mit einer jeweils um +200 BP bzw.<br />
-200 BP verschobenen Zinsstrukturkurve<br />
bewertet werden muss. Von den beiden Szenariowerten<br />
wird die negative ausgewählt<br />
und in Relation zu den Eigenmitteln gemäß<br />
§ 10 Absatz 2 Kreditwesengesetz (KWG) ins<br />
Verhältnis gesetzt. Die daraus resultierende<br />
Prozentzahl muss der <strong>BaFin</strong> quartalsweise<br />
gemeldet werden. Errechnet ein Institut eine<br />
Quote von mehr als 20 %, gilt es als Institut<br />
„mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko“. Die<br />
<strong>BaFin</strong> wäre dann gehalten, „Maßnahmen zu<br />
ergreifen“.<br />
Welche Zinsstrukturkurve bei der Barwertberechnung<br />
zu verwenden ist, bleibt<br />
dem Institut überlassen. Die „Positionen mit<br />
unbestimmter Kapital- oder Zinsbindung“<br />
und Zinsoptionen im Kundengeschäft müssen<br />
mit den intern verwendeten Methoden<br />
abgebildet werden. Damit herrscht bei den<br />
für Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />
wichtigen Produkten mit variabler Verzinsung<br />
bzw. mit impliziten Optionen Methodenfreiheit.<br />
Die Verfahren müssen jedoch<br />
dokumentiert werden.<br />
Historische Zinsänderungen<br />
Zur Beurteilung der Berechnungsvorgaben<br />
der Aufsicht wird in einem ersten Schritt<br />
untersucht, inwieweit eine Verschiebung der<br />
Zinsstrukturkurve von 200 BP ökonomisch<br />
vertretbar ist. Um Beurteilen zu können, ob<br />
die Vorgabe für einen unterstellten Zinsschock<br />
angemessen ist, werden zunächst<br />
Zinsbewegungen der Vergangenheit betrachtet.<br />
Grundlage ist dabei eine Zeitreihe<br />
mit bankarbeitstäglichen Werten, die am 4.<br />
Januar 1988 beginnt und am 31. Dezember<br />
2010 endet. Dieser Zeitraum von 23 Jahren<br />
umfasst starke Zinssteigerungen und -senkungen.<br />
Verwendet wurden im Geldmarktbereich<br />
Zinssätze für LIBOR (bis 1998) und EURIBOR<br />
(bis 31. Dezember 2006), danach EONIA-<br />
Swapsätze. Im Kapitalmarktbereich (1 Jahr<br />
bis 10 Jahre) liegen bis 31. Dezember 2006<br />
PEX-Subindizes 3 zugrunde. Danach wurden<br />
Swap-Sätze 4 benutzt. Swap-Sätze werden<br />
ab 2007 herangezogen, weil sie das „reine“<br />
Zinsänderungsrisiko am besten widerspiegeln.<br />
Im Zeitraum von 1988 bis Ende 2006<br />
bestehen kaum Unterschiede zwischen den<br />
Teilmärkten Swap und Pfandbrief, die sich auf<br />
die nachfolgende Untersuchung auswirken.<br />
Aus den Rohdaten wurden daraufhin die<br />
Zinsdifferenzen für die Planungshorizonte<br />
1 Tag, 3, 6, und 12 Monate ermittelt sowie<br />
AUTOREN<br />
Olaf Wegner<br />
ist Abteilungsdirektor für<br />
Marktpreisrisikomanagement<br />
und -controlling beim Deutschen<br />
Sparkassen- und Giroverband<br />
(DSGV).<br />
<strong>Dr</strong>. Christian R. <strong>Sievi</strong><br />
ist freier Wirtschaftsmathematiker<br />
aus Stephanskirchen und<br />
Partner bei der RISKBalance<br />
GmbH & Co. KG.<br />
<strong>Dr</strong>. Ralf Goebel<br />
ist Direktor der Abteilung Con-<br />
trolling <strong>des</strong> DSGV und Sprecher<br />
der Geschäftsführung der Rating<br />
und Risikosysteme GmbH.<br />
statistisch ausgewertet. Tabelle 1 zeigt die<br />
Ergebnisse.<br />
Zunächst ist festzustellen, dass für den<br />
Zeitraum („Planungshorizont“) 1 Tag und<br />
einen Monat alle Zinsänderungen weit unter<br />
+200 bzw. über - 200 Basispunkten liegen.<br />
Bei den Differenzen für 3 Monate sind nur<br />
wenige Maximal- und Minimalwerte außerhalb<br />
der gesetzten Grenzen beobachtbar<br />
(gelbe Markierung). Für kurze Laufzeiten<br />
sind diese Überschreitungen im Regelfall<br />
unbedeutend, weil die Kurseffekte von Zinsänderungen<br />
hier nur gering sind. Auch tritt<br />
der Risikofall bei Sparkassen bis auf wenige<br />
Ausnahmen bei steigenden Zinsen ein. Hier<br />
ist die Überschreitung mit 6 BP bzw. 13 BP<br />
sehr gering.<br />
Für 6 Monate befinden sich die Maximalwerte<br />
der Zinsänderungen in den Laufzeiten<br />
ab 2 Jahren tolerierbar über der Marke von<br />
+200 BP. Im 99-%-Quantil wird diese Marke<br />
durchgehend eingehalten. Bei Zinssenkungen<br />
wird der Grenzwert in den kurzen<br />
Laufzeiten teilweise auch im 1-%-Quantil<br />
deutlich überschritten. Da zum einen das<br />
Zinsbuch von Sparkassen häufig nur bei steigenden<br />
Zinsen Verluste aufweist und zum anderen<br />
die Kurseffekte in nur kurzen Laufzeiten<br />
relativ gering sind, können die Grenzen im Fall<br />
sinkender Zinsen vernachlässigt werden.<br />
1 S. Rundschreiben 10/2011 der Bun<strong>des</strong>anstalt für<br />
Finanzdienstleistungsaufsicht (<strong>BaFin</strong>).<br />
2 S. Rundschreibens 7/2007 der <strong>BaFin</strong>.<br />
3 Quelle: VDP.<br />
4 Quelle: Reuters-Datastream.<br />
486 Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011
TABELLE 1<br />
Zinsänderungen für unterschiedliche Planungshorizonte<br />
Im 12-Monatsbereich liegen die Maximalwerte<br />
in den „langen“ Laufzeiten mäßig,<br />
in den kurzen Laufzeiten deutlich über dem<br />
Grenzwert. Diese Aussage trifft auch auf das<br />
99-%- und 95-%-Quantil zu.<br />
Bei der Auswertung ist zusätzlich zu<br />
beachten, dass die Kenngrößen für jede<br />
Laufzeit isoliert berechnet wurden. Beispielsweise<br />
wurde das Maximum pro Laufzeit<br />
bestimmt. Abhängigkeiten zwischen den<br />
Laufzeiten bleiben bei dieser Betrachtung<br />
unberücksichtigt. Dadurch kommt es insgesamt<br />
zu einer Überschätzung <strong>des</strong> Zins-<br />
Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />
Differenzen 1 Tag<br />
änderungsrisikos, weil die Maxima nicht für<br />
alle Laufzeiten am selben Datum eintreten.<br />
Zu Verdeutlichung werden in Tabelle 2 die<br />
Termine dargestellt, an denen für den Planungshorizont<br />
1 Jahr jeweils min<strong>des</strong>tens ein<br />
Maximal- oder Minimalwert aufgetreten ist.<br />
Tabelle 2 zeigt, dass weder das Maximum<br />
noch das Minimum durchgehend in einer<br />
Situation erreicht werden. Je nach Struktur<br />
<strong>des</strong> Zahlungsstroms der Bank bedeutet dies,<br />
dass das Zinsänderungsrisiko bei Ansatz<br />
<strong>des</strong> jeweiligen Maximums teilweise massiv<br />
überschätzt wird.<br />
CONTROLLING<br />
Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />
Maximum 0,81 0,38 0,31 0,34 0,43 0,30 0,29 0,40 0,28 0,27 0,24 0,25<br />
99 %-Quantil 0,19 0,17 0,11 0,12 0,12 0,12 0,13 0,12 0,11 0,11 0,11 0,11<br />
95 %-Quantil 0,06 0,06 0,05 0,07 0,07 0,07 0,07 0,07 0,07 0,06 0,06 0,06<br />
5 %-Quantil -0,06 -0,06 -0,05 -0,06 -0,07 -0,07 -0,07 -0,07 -0,06 -0,06 -0,06 -0,06<br />
1 %-Quantil -0,19 -0,14 -0,09 -0,11 -0,11 -0,10 -0,11 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10<br />
Minimum -0,88 -0,56 -0,37 -0,43 -0,40 -0,30 -0,29 -0,33 -0,24 -0,20 -0,20 -0,20<br />
Differenzen 1 Monat<br />
Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />
Maximum 1,69 1,44 1,31 1,05 1,05 1,04 1,05 1,07 1,11 1,11 1,11 1,11<br />
99 %-Quantil 0,81 0,69 0,68 0,66 0,66 0,61 0,58 0,55 0,52 0,48 0,47 0,46<br />
95 %-Quantil 0,31 0,31 0,34 0,42 0,41 0,40 0,39 0,37 0,34 0,33 0,32 0,31<br />
5 %-Quantil -0,42 -0,38 -0,39 -0,42 -0,40 -0,38 -0,37 -0,36 -0,34 -0,32 -0,31 -0,30<br />
1 %-Quantil -0,75 -0,80 -0,79 -0,73 -0,68 -0,65 -0,58 -0,54 -0,50 -0,46 -0,45 -0,44<br />
Minimum -1,75 -1,50 -1,44 -1,27 -1,10 -0,92 -0,82 -0,81 -0,86 -0,91 -0,94 -0,97<br />
Differenzen 3 Monate<br />
Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />
Maximum 1,81 2,06 2,13 1,83 1,60 1,40 1,42 1,39 1,35 1,30 1,25 1,22<br />
99 %-Quantil 1,36 1,56 1,53 1,37 1,19 1,09 1,05 1,00 0,98 0,96 0,93 0,91<br />
95 %-Quantil 0,75 0,69 0,72 0,79 0,84 0,81 0,79 0,75 0,70 0,67 0,65 0,62<br />
5 %-Quantil -0,81 -0,81 -0,85 -0,88 -0,87 -0,81 -0,76 -0,71 -0,66 -0,62 -0,60 -0,58<br />
1 %-Quantil -1,75 -1,71 -1,80 -1,77 -1,56 -1,38 -1,23 -1,09 -0,97 -0,88 -0,79 -0,76<br />
Minimum -2,24 -2,58 -2,53 -2,20 -1,99 -1,80 -1,66 -1,55 -1,44 -1,35 -1,28 -1,23<br />
Differenzen 6 Monate<br />
Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />
Maximum 2,44 2,50 2,62 2,29 2,28 2,22 2,20 2,17 2,16 2,14 2,13 2,12<br />
99 %-Quantil 1,69 1,87 1,90 1,81 1,66 1,60 1,58 1,58 1,54 1,45 1,39 1,36<br />
95 %-Quantil 1,30 1,28 1,20 1,20 1,18 1,17 1,17 1,11 1,04 1,02 0,99 0,96<br />
5 %-Quantil -1,31 -1,38 -1,45 -1,54 -1,45 -1,28 -1,15 -1,07 -0,98 -0,93 -0,86 -0,82<br />
1 %-Quantil -2,94 -3,05 -3,00 -2,73 -2,40 -2,11 -1,91 -1,73 -1,58 -1,46 -1,35 -1,30<br />
Minimum -3,51 -3,62 -3,56 -3,11 -2,79 -2,50 -2,28 -2,11 -1,92 -1,76 -1,64 -1,55<br />
Differenzen 12 Monate<br />
Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />
Maximum 3,63 3,75 3,70 3,17 2,73 2,38 2,37 2,32 2,22 2,17 2,17 2,15<br />
99 %-Quantil 3,12 3,25 3,26 2,74 2,35 2,19 2,09 2,00 1,95 1,89 1,86 1,84<br />
95 %-Quantil 2,06 2,00 2,07 1,99 1,96 1,87 1,82 1,77 1,70 1,65 1,56 1,51<br />
5 %-Quantil -2,63 -2,63 -2,75 -2,64 -2,35 -2,11 -1,90 -1,71 -1,56 -1,42 -1,32 -1,27<br />
1 %-Quantil -3,86 -3,78 -3,88 -3,37 -2,90 -2,59 -2,31 -2,09 -1,89 -1,74 -1,61 -1,53<br />
Minimum -3,94 -3,93 -4,07 -3,72 -3,34 -2,99 -2,72 -2,51 -2,32 -2,13 -1,93 -1,85<br />
Angemessener Planungshorizont<br />
Für die Risikobeurteilung ist der Planungshorizont<br />
angemessen, der dem Zeitraum<br />
entspricht, den die Bank benötigt, um auf<br />
eine Zinsänderung bzw. eingetretene Verluste<br />
zu reagieren. Das bedeutet konkret, die<br />
bestehenden Risiken durch Gegenmaßnahmen<br />
abzubauen oder im Extremfall völlig zu<br />
beseitigen. Weil Gegenmaßnahmen im Kundengeschäft<br />
wie beispielsweise der Abbau<br />
von Darlehen mit langer Zinsbindung nur<br />
sehr langsam wirken und betriebswirtschaftlich<br />
bei ausreichender Marge fragwürdig<br />
487<br />
¯
¯<br />
CONTROLLING<br />
TABELLE 2<br />
Termine mit Maximal- und Minimalwerten für den Planungshorizont 1 Jahr<br />
Datum<br />
Beginn<br />
1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />
sind, werden im Regelfall Maßnahmen am<br />
Interbankenmarkt getroffen. Dazu gehören<br />
etwa der Abschluss von Swaps, der Verkauf<br />
oder Zukauf von Wertpapieren unterschiedlicher<br />
Fristen einschließlich Futures und<br />
die Aufnahme bzw. Rückzahlung von Refinanzierungen.<br />
Insbesondere in dem in der<br />
Zinsänderungsrisikosteuerung relevanten<br />
Swapmarkt kann von ausreichender Liqiudität<br />
ausgeganen werden.<br />
Ein Planungshorizont von einem Tag ist<br />
dabei auch wegen der erforderlichen Entscheidungsprozesse<br />
deutlich zu kurz, ein<br />
Horizont von drei Monaten auch in Extremfällen<br />
sicherlich ausreichend. Daher sind die<br />
Grenzwerte von 200 BP für eine ökonomische<br />
Betrachtung für alle Laufzeiten zu hoch ge-<br />
Maximalwerte<br />
03.03.1988 3,50 3,75 3,68 3,17 2,73 2,29 2,02 1,69 1,29 0,98 0,85 0,83<br />
04.03.1988 3,50 3,75 3,70 3,14 2,72 2,28 2,00 1,68 1,27 0,97 0,84 0,82<br />
25.05.1988 3,63 3,63 3,37 2,62 2,17 1,82 1,46 1,20 0,90 0,67 0,56 0,53<br />
21.02.1989 1,81 2,19 2,19 2,31 2,30 2,24 2,21 2,19 2,19 2,17 2,17 2,15<br />
11.01.1994 -1,13 -0,25 0,69 1,76 2,18 2,38 2,37 2,32 2,22 2,03 1,88 1,78<br />
Minimalwerte<br />
14.08.1992 -3,00 -3,38 -3,75 -3,51 -3,18 -2,88 -2,65 -2,48 -2,32 -2,13 -1,93 -1,85<br />
03.09.1992 -2,88 -3,38 -3,82 -3,66 -3,34 -2,99 -2,72 -2,51 -2,32 -2,13 -1,90 -1,84<br />
02.07.2008 -3,75 -3,84 -4,07 -3,72 -3,16 -2,76 -2,41 -2,13 -1,91 -1,74 -1,61 -1,51<br />
21.07.2008 -3,89 -3,93 -4,07 -3,61 -3,05 -2,69 -2,35 -2,08 -1,86 -1,68 -1,55 -1,45<br />
08.09.2008 -3,94 -3,92 -3,96 -3,08 -2,50 -2,09 -1,79 -1,56 -1,37 -1,24 -1,15 -1,07<br />
23.09.2008 -3,90 -3,81 -4,07 -3,32 -2,81 -2,41 -2,15 -1,93 -1,73 -1,61 -1,51 -1,43<br />
TABELLE 3<br />
Wirkung nicht paralleler Zinsveränderungen<br />
Jahr Cash-flow Zins %<br />
(Zerobondkurve)<br />
Barwert 1 Zins %<br />
+200 BP<br />
overnight<br />
wählt. Wenn von noch längeren Zeiträumen<br />
für Gegenmaßnahmen ausgegangen und<br />
dabei auf maximale Veränderungen abgestellt<br />
wird, ist es angebracht, nicht einheitlich<br />
von 200 BP auszugehen, sondern die<br />
Zinsänderungen pro Laufzeit differenziert<br />
anzusetzen.<br />
Der Bankenaufsicht steht es selbstverständlich<br />
frei, von beliebigen Zinsänderungen<br />
als Basis der Berechnung auszugehen,<br />
wenn das Ziel der Berechnung ein<br />
Vergleich von Instituten ist. Dann sollte aber<br />
auch bei weiteren Prämissen Vergleichbarkeit<br />
hergestellt werden. Dies ist wegen der<br />
Methodenfreiheit bei der Erstellung <strong>des</strong><br />
Summenzahlungsstroms und der Erfassung<br />
der Optionen nicht möglich. Auch der An-<br />
Barwert<br />
+200 BP<br />
overnight<br />
Zins %<br />
+200 BP /<br />
+ 100 BP<br />
overnight<br />
Barwert<br />
+200 BP /<br />
+ 100 BP<br />
overnight<br />
0 172,28 172,28 172,28 172,28<br />
1 1,33 3,33 1,33<br />
2 1,55 3,55 1,65<br />
3 1,90 3,90 2,10<br />
4 2,20 4,20 2,50<br />
5 -163,55 2,50 -144,55 4,50 -131,24 2,90 -141,77<br />
6 2,70 4,70 3,20<br />
7 2,90 4,90 3,50<br />
8 3,00 5,00 3,70<br />
9 3,20 5,20 4,00<br />
10 100,00 3,30 72,28 5,30 59,66 4,20 66,27<br />
Summe 100,00 100,71 96,79<br />
1 Die Barwertberechnung erfolgt vereinfachend in der Weise, dass die Zinsstrukturkurve als Zerobondkurve aufgefasst wird.<br />
spruch einer Charakterisierung als „Institute<br />
mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko“ kann<br />
daher nicht aufrecht erhalten werden. Bei<br />
einem Planungshorizont von 3 Monaten<br />
und länger sind außerdem die Effekte, die<br />
sich aus dem bisherigen Zinsertrag und der<br />
Verkürzung der Restlaufzeiten ergeben, zu<br />
berücksichtigen.<br />
Effektive Parallelverschiebungen?<br />
Die Verwendung von Parallelverschiebungen<br />
der Zinsstrukturkurve als Grundlage der<br />
Risikomessung fordert unabhängig von ihrer<br />
Größenordnung weitere Überlegungen<br />
heraus. Denn je nach Zahlungsstrom eines<br />
Instituts ist dadurch keinesfalls sichergestellt,<br />
dass der maximale Kursverlust <strong>des</strong><br />
488 Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011
Zinsbuchs erfasst wird. Ein einfaches Beispiel<br />
macht dies deutlicht (s. Tab. 3).<br />
Im Beispiel liegen der Bank nur an drei<br />
Zeitpunkten Zahlungsströme vor. Im Tagesgeld<br />
sind 172,28 Euro angelegt. Einem<br />
Aktivrückfluss von 100 Euro in 10 Jahren<br />
steht eine Passivverpflichtung von 163,55<br />
Euro in 5 Jahren gegenüber. Die gewählte<br />
sehr einfache Struktur ist durchaus realistisch.<br />
Sie entspricht etwa einem Institut, das<br />
ein ausgeprägtes Kundenpassivgeschäft<br />
mit 5-jährigen Laufzeiten (Sparbriefe, Zuwachssparen)<br />
bei gleichzeitig langen Aktivpositionen<br />
(Baufinanzierungen) besitzt. In<br />
Anbetracht der Erwartung steigender Zinsen<br />
hat das Institut seine Liquiditätsüberschüsse<br />
im Tagesgeld angelegt.<br />
Ausgehend von der Zinsstruktur am<br />
31. Dezember2010ergibtsichinSummeein<br />
Barwertvon100 Euro.SteigtderZins„über<br />
Nacht“ parallel um 200 BP, beträgt der Barwert<br />
100,72 Euro.AuchbeifallendenZinsenum<br />
200 BP mit Kappung auf „Null“, errechnet sich<br />
einBarwertvon100,64 Euro. 5 Aus Sicht <strong>des</strong><br />
aufsichtrechtlichen Zinsschocks ist die Bank<br />
immun gegen Zinsänderungsrisiken. Dieser<br />
Schein trügt jedoch. Steigt die Zinsstruktur<br />
nicht parallel, sondern ist die Zinsänderung<br />
um so höher, je länger die Laufzeit ist, beträgt<br />
derBarwert96,79 Euro.DieZinsstrukturwirddadurch<br />
steiler, der Zuwachs beziffert sich bei<br />
5 Jahren auf 40 BP und bei 10 Jahren auf 90 BP.<br />
Obwohl die Zinsänderungen geringer ausfallen<br />
als der Zinsschock der <strong>BaFin</strong>, stellt sich ein<br />
Vermögensverlustvon3,21 %ein.<br />
Diskussion der Szenarien<br />
Die vorausgehenden <strong>Analyse</strong>n zeigen, dass<br />
die pauschale Vorgabe von 200 BP zum einen<br />
Risiken überzeichnet, zum anderen nicht alle<br />
relevanten Zinsänderungen erfasst. Generell<br />
zeigt sich, dass durch Parallelverschiebungen<br />
das Risiko nicht adäquat abgebildet<br />
werden kann. Vielmehr ist es notwendig,<br />
das Zinsänderungsrisiko mithilfe mehrerer<br />
Szenarien zu erfassen, die die tatsächlichen<br />
Zinsbewegungen der Vergangenheit einbeziehen.<br />
In der Sparkassen-Finanzgruppe<br />
wurden dazu bereits 1999 pro Konfidenzniveau<br />
und Planungshorizont insgesamt<br />
14 Szenarien entwickelt. Diese Szenarien<br />
werden turnusmäßig alle zwei Jahre angepasst,<br />
um die aktuelle Zinsentwicklung mit<br />
zu berücksichtigen. Basis dieser Szenarien<br />
ist stets die Zinsentwicklung ab Januar 1988.<br />
Noch besser ist es, alle Zinsänderungen,<br />
die seit 1988 im gewünschten Planungshori-<br />
Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />
TABELLE 4<br />
Beispiel zur barwertigen Ermittlung und Berechnung auf<br />
Planungshorizont<br />
Frist Marktzins Ist % Marktzins nach<br />
Zinsschock um 200 BP<br />
TABELLE 5<br />
zont aufgetreten sind, in einer Simulation zu<br />
verwenden. Dadurch können Institute nicht<br />
nur Extremwerte erkennen, sondern auch die<br />
gesamte Verteilung der Barwertänderungen<br />
erfassen. Dieses Verfahren der „Modernen<br />
Historischen Simulation“ wird von mehr als<br />
80 %allerSparkassenfürdieDarstellungder<br />
Zinsänderungsrisiken genutzt.<br />
Im Rahmen einer vergleichenden<br />
<strong>Analyse</strong> der Zinsänderungsrisiken von Kreditinstituten<br />
sollte berücksichtigt werden,<br />
dass nur eine differenzierte Betrachtung der<br />
Zinsänderungen zu ökonomisch objektiven<br />
Ergebnissen führt. Für diese <strong>Analyse</strong>n ist es<br />
dann aber auch erforderlich, einheitliche<br />
Methoden und Parameter für die Erstellung<br />
<strong>des</strong> Summenzahlungsstroms und Erfassung<br />
der Optionen vorzugeben. Dies ist aufsichtsrechtlich<br />
nicht beabsichtigt und wohl auch<br />
realistisch nicht über alle Banken und Sparkassen<br />
einheitlich durchsetzbar.<br />
Aus diesem Grund trägt die Aufsicht<br />
der differenzierten Prüfung von Instituten<br />
dadurch Rechnung, dass sie bei der Ermittlung<br />
einer möglichen risikobegrenzenden<br />
Auflage zur höheren Eigenkapitalunterlegung<br />
keinen Automatismus walten lässt.<br />
Vielmehr soll, wie die Gespräche mit der<br />
Aufsicht bestätigen, im Einzelfall über individuelle<br />
Maßnahmen entschieden werden.<br />
Herangezogen werden sollen dabei auch die<br />
institutsinternen Methoden, die treffsichere,<br />
realistische Ergebnisse erzielen, und die<br />
Gesamtrisikoanalyse.<br />
Die Frage <strong>des</strong> Planungshorizonts<br />
Eine weitere wichtige Frage, die sich in diesem<br />
Zusammenhang stellt, ist die, in welcher<br />
CONTROLLING<br />
Zahlungsstrom €<br />
1 Tag 0,80 2,80 - 100,00 1<br />
1 Jahr 1,30 3,30 + 3,20<br />
2 Jahre 1,60 3,60 + 203,20<br />
1 Der Zins für einen Tag wurde aus Vereinfachungsgründen weggelassen.<br />
Risikowerte für Benchmarks bei Anwendung verschiedener Methoden<br />
Methode<br />
Benchmark<br />
Gleitend 10 Jahre 2 × Gleitend 10 Jahre –<br />
1 × Gleitend 3 Monate<br />
200 BP barwertig overnight 8,25 16,18<br />
200 BP Planungshorizont 3 Monate 7,11 14,50<br />
Simulation alle Zinsänderungen overnight<br />
Maximalwert<br />
Simulation alle Zinsänderungen Planungshorizont<br />
3 Monate Maximalwert<br />
5,46 13,74<br />
4,45 9,06<br />
Weise ein Planungshorizont bei den Berechnungen<br />
berücksichtigt werden soll.<br />
Ein Beispiel<br />
Der Unterschied zwischen einer barwertigen<br />
und einer Berechnung auf Planungshorizont<br />
wird am folgenden Beispiel deutlich. Eine<br />
Bank mit einem Vermögen von 100 Euro hat<br />
200EurozumMarktzinssatzvon1,6 %fürzwei<br />
Jahre angelegt. Dabei sind 100 Euro im<br />
Tagesgeldzu0,80 %refinanziert.Tabelle 4dokumentiert<br />
die aktuelle Zinsstruktur, den<br />
Zinsschock und den Zahlungsstrom. Nach<br />
einem Zinsschock von 200 BP beträgt der<br />
Barwert 92,42 %. Der barwertigeVerlustbeziffertsichdamitauf7,58<br />
%.<br />
Wird nun ein Planungshorizont von<br />
1 Jahr verwandt, weil hier die Zinsänderung<br />
von 200 BP realistisch ist, ändert sich das<br />
Bild. Wird angenommen, dass die Geldaufnahme<br />
von 100 Euro weiterhin revolvierend<br />
im Tagesgeld erfolgt, kann dabei mit einem<br />
Zinsvon1,8 %gerechnetwerden,dersichalsMittelwertausaktuell0,8<br />
%und2,8 %nach<br />
dem Zinsschock ergibt. Am Jahresende<br />
entsteht eine Soll-Position von<br />
101,80 Euro. Wenn im schlimmsten Fall der<br />
Zinssofortauf2,8 %steigt,istdieSollposition<br />
102,8 Euro.<br />
Am Planungshorizont fließen 3,20 Euro<br />
als sicherer Wert zu. Diese Position war bei<br />
barwertiger Berechnung dem Zinsänderungsrisiko<br />
<strong>des</strong> gestiegenen Jahreszinses<br />
5 Die Berechnung erfolgt analog zur dargestellten<br />
Berechnung mit Kappung der Zinsen auf minimal<br />
0 %. Die Rechenschritte werden aus Platzgründen<br />
nicht in der Tabelle aufgeführt.<br />
489<br />
¯
¯<br />
CONTROLLING<br />
TABELLE 6<br />
Zinsvermögen in Relation zum Eigenkapital (Stichprobe aus Sparkassen) 1<br />
Kenngröße Faktor:<br />
Zinsvermögen/Eigenmitteln<br />
nach § 10 Absatz 2 KWG<br />
Minimum 0,36<br />
5 % Quantil 0,89<br />
Mittelwert 1,44<br />
95 % Quantil 2,00<br />
Maximum 2,74<br />
1 Ermittelt aus einer Stichprobe von 332 Sparkassen zum 31.12.2010<br />
TABELLE 7<br />
Beispiel zur Eigenkapitalunterlegung<br />
Position Bilanzieller Wert<br />
(Buchwert)<br />
unterworfen. Der Cashflow in Höhe von<br />
203,20 Euro, der fällig ist zwei Jahre ab dem<br />
Ist-Zeitpunkt und ein Jahr ab Planungsho-<br />
rizont, muss mit der Rendite für die Rest-<br />
laufzeit von einem Jahr abgezinst werden.<br />
NachTabelle4liegtdafüreinZinsvon3,3 %<br />
(„Zinsschock“) vor. Der Barwert ist entsprechend196,76Euro.BeireinerBarwertanalysewäremit3,6%fürzweiJahreabgezinstworden.<br />
Insgesamt beträgt der Barwert am Planungshorizont<br />
„1 Jahr ab Beginn“ - 101,80 Euro + 3,20 Euro<br />
+ 196,76 Euro.<br />
Dies ergibt einen Endwert von 98,11 Euro.<br />
Im Fall der pessimistischen Annahme eines<br />
sofortigen Zinsanstiegs und danach gleichbleibender<br />
Zinsen ist der Endwert 97,11. Der<br />
Verslust ist somit wesentlich niedriger als bei<br />
barwertiger Berechnung.<br />
Das gezeigte Phänomen wird in der Literatur<br />
als „Ritt auf der Zinsstrukturkurve“<br />
beschrieben. Maßgeblich dabei ist, dass bei<br />
der Berechnung auf Planungshorizont die<br />
Restlaufzeit „verkürzt“ wird. In einer normalen<br />
Zinsstruktur kann die Wirkung verglichen<br />
werden mit einer Zinssenkung. Je kürzer der<br />
Planungshorizont gewählt wird, <strong>des</strong>to geringer<br />
ist dieser Effekt. Gleichzeitig muss dabei<br />
Vermögenswert<br />
(Kurswert)<br />
Aktiva: langfristige Kundenkredite 100,00 107,00<br />
Passiva: kurzfristige Kundeneinlagen 90,00 92,00<br />
Eigenkapital bzw. Vermögen 10,00 15,00<br />
Eigenkapitalanforderung gemäß SolvV<br />
(alle Kredite ungesichert)<br />
Zinsänderungsrisiko barwertig bei<br />
+ 200 BP<br />
Eigenkapital bzw. Vermögen bei Eintritt<br />
<strong>des</strong> Zinsschocks<br />
8,00<br />
Prüfgröße verletzt (8,00 + 3,00) × 0,95 =10,45<br />
Eigenkapitalanforderung bei fortbestehender<br />
Verletzung (vollständiges Zinsänderungsrisiko<br />
ist zu unterlegen)<br />
8,00 + 3,00 = 11,00<br />
aber auch berücksichtigt werden, dass der<br />
aufsichtrechtliche Zinsschock von +/- 200 BP<br />
mit einer Verkürzung <strong>des</strong> Planungshorizonts<br />
immer unrealistischer wird.<br />
Konsequenzen<br />
Für die Benchmarks „Gleitend 10 Jahre“ und<br />
„2 × Gleitend 10 Jahre – 1 × Gleitend 3 Monate“<br />
liegen bei einem Planungshorizont von<br />
3 Monaten vergleichend die in Tabelle 5 aufgelisteten<br />
Risikowerte vor. Als Zinsstruktur<br />
wird die vom 31. Dezember 2010 verwandt.<br />
Die verschiedenen Methoden weisen für<br />
den realistischen Planungshorizont von<br />
3 Monaten erhebliche Unterschiede auf. Der<br />
geplante barwertige Zinsschock von 200 BP<br />
überzeichnet das tatsächliche Risiko 6 massiv.<br />
Bezugsgrößen und Prüfkriterien<br />
Der Konsultationsentwurf der <strong>BaFin</strong> stellt<br />
darauf ab, dass bei Instituten, deren wirtschaftlicher<br />
Wert bei einer plötzlichen und<br />
unerwarteten Zinsänderung um mehr als<br />
20 %ihrer Eigenmittel absinkt („Institutemit<br />
erhöhtem Zinsänderungsrisiko“), die<br />
zuständigen nationalen Behörden gehalten<br />
sind, „Maßnahmen zu ergreifen“. Der Barwert<br />
<strong>des</strong> Zinsänderungsrisikos wird dabei auf die<br />
Eigenmittel nach § 10 Abs. 2 KWG bezogen.<br />
Neben dem Zinsrisikokoeffzienten bedient<br />
sich die Aufsicht künftig einer weiteren<br />
Bezuggröße zur Feststellung ausreichender<br />
Eigenmittel der Bank. Dazu werden die<br />
Eigenmittelanforderungen nach der Solvabilitätsverordnung<br />
(SolvV) mit der Barwertminderung<br />
durch den Zinsschock addiert. Dieser<br />
Wert soll 95 % der Eigenmittel nach § 10<br />
Abs. 2 KWG nicht überschreiten dürfen. Tut<br />
er das doch, muss das Kreditinstitut damit<br />
rechnen, dass es das Zinsgeschäft mit Eigenkapital<br />
unterlegen muss.<br />
Eigenmittel<br />
Entgegen der Auffassung der <strong>BaFin</strong> ist<br />
es zunächst angemessen, das Zinsänderungsrisiko<br />
als Prozentzahl <strong>des</strong> Barwerts zu<br />
bestimmen, aus dem das Zinsänderungsrisiko<br />
gemessen wird. Denn nur so wird eine<br />
wertmäßige Größe („wirtschaftlicher Wert“)<br />
korrekt in Relation zu einer anderen wertmäßigen<br />
Größe gesetzt. Sieht man einmal von<br />
der Wahl der Szenarien und den Planungshorizonten<br />
ab, sind die Prozentzahlen in<br />
Tabelle 5 damit bereits sinnvolle Risikomaße.<br />
Eine Bezugnahme auf weitere Größen, vor<br />
allem bilanzielle Größen wie das Eigenkapital<br />
ist nicht notwendig.<br />
An dieser Stelle erscheint es angebracht,<br />
den Unterschied zwischen Eigenkapital und<br />
Vermögen zu erläutern. Das Eigenkapital ist<br />
keine direkt bestimmbare Größe, sondern<br />
die Differenz zwischen allen Aktiva und<br />
Passiva der Bilanz. Der Gewinn bzw. Verlust<br />
ist dabei Bestandteil <strong>des</strong> Eigenkapitals. Die<br />
Positionen der Aktiv- und Passivseite werden<br />
bei der Berechnung nach den Regeln <strong>des</strong><br />
Handelsgesetzbuchs (HGB) bewertet. Dabei<br />
bestehen Bewertungsspielräume, die sich<br />
letztlich im ausgewiesenen Eigenkapital niederschlagen.<br />
Viele Bewertungsansätze <strong>des</strong><br />
HGB entsprechen nicht den Marktpreisen.<br />
Beispiele sind Darlehen und Kundeneinlagen<br />
sowie fallweise Immobilien, Beteiligungen<br />
und Aktien.<br />
Das Vermögen ist die dem Eigenkapital<br />
entsprechende Größe, wenn alle Bilanzpositionen<br />
mit ihren aktuellen Marktpreisen<br />
erfasst werden. Auch das Vermögen ergibt<br />
sich als Restgröße. Der Barwert <strong>des</strong> Zinsbuchs<br />
ist eine Vermögensposition, die sich<br />
aus der Differenz der bewerteten Zinsaktiva<br />
und -passiva einer Bank ergibt. Wird bei der<br />
6 Simulation aller Zinsänderungen mit Planungshorizont<br />
von 3 Monaten und Maximalwert.<br />
490 Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />
3,00<br />
10,00 12,00
Bewertung die Swap-Kurve verwendet, sind<br />
vom resultierenden Wert Liquiditäts-, Bonitätsprämien<br />
und Markt-Spreads abzuziehen,<br />
um die Nettoposition und damit die Marktpreise<br />
zu erhalten. Liegen bei bestimmten<br />
Positionen keine Marktpreise vor, sollen sie<br />
bestmöglich geschätzt werden. Bis auf diese<br />
Unsicherheiten liegen bei der Vermögensermittlung<br />
keine Spielräume vor.<br />
Die Differenz zwischen dem Vermögen<br />
und dem Eigenkapital sind stille Reserven<br />
bzw. Verluste, die bilanziell nicht ausgewiesen<br />
werden. Sie können aber gegebenenfalls<br />
am Markt realisiert werden. Eine Ausnahme<br />
bilden variabel verzinsliche Positionen im<br />
Kundengeschäft.<br />
Einen Vergleich <strong>des</strong> Barwerts im Zinsbuch,<br />
der mit der Swap-Kurve bewertet ist,<br />
mitdenEigenmittelnnach§10Absatz 2 KWGbietet<br />
Tabelle 6. Diese Zahlen stellen ohne<br />
Kenntnis weiterer Gegebenheiten kein Qualitätskriterium<br />
dar.<br />
> Die Sparkasse mit dem Faktor 0,36 nutzt<br />
wesentliche Vermögensanteile außerhalb<br />
<strong>des</strong> Zinsbuchs. Das Gesamtvermögen<br />
kann auch hier deutlich über dem bilanziellen<br />
Wert <strong>des</strong> Eigenkapitals liegen.<br />
> Die Sparkasse mit dem Faktor 2,74 kann<br />
möglicherweise <strong>des</strong>halb einen hohen<br />
Barwert im Zinsbuch aufweisen, weil sie<br />
in Kredite und Wertpapiere mit hoher<br />
Rendite, aber ebenso hohem Risiko investiert<br />
hat. Hier kann die Korrektur um die<br />
Bonitätsprämie und sonstige Spreads den<br />
Faktor erheblich reduzieren.<br />
Damit bleibt es bei der Aussage, dass die<br />
sinnvollste Größe zur Beurteilung <strong>des</strong> Zinsänderungsrisikos<br />
zunächst der Barwert <strong>des</strong><br />
Zinsbuchs selbst ist.<br />
Dieses Verfahren weist nur dann Verzerrungen<br />
auf, wenn das Risiko in den verschiedenen<br />
Vermögensklassen ungleich<br />
verteilt ist. So könnte beispielsweise die<br />
Sparkasse mit dem Faktor 0,36 wesentliche<br />
Vermögensanteile in Immobilien angelegt<br />
haben. Maßgeblich ist dann das Gesamtrisiko<br />
der Bank. Der Zinsrisikokoeffizient<br />
der <strong>BaFin</strong>, der sich auf das Eigenkapital<br />
bezieht, informiert hier möglicherweise<br />
falsch, weil angesichts <strong>des</strong> vergleichsweise<br />
kleinen Zinsbuchs das Zinsänderungsrisko<br />
in Relation zum Eigenkapital gering ist,<br />
nicht aber in Relation zum Vermögen.<br />
Umgekehrt kann es sein, dass eine Sparkasse<br />
mit einem hohen Faktor tatsächlich<br />
auch nach Abzug von Korrekturposten sehr<br />
hohe stille Reserven besitzt. In diesem Fall<br />
Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />
Quelle: Archiv<br />
Bei Zinsänderungen spielt nicht nur ihre<br />
Höhe eine wichtige Rolle, sondern auch ihr<br />
zeitlicher Verlauf.<br />
führt ein tolerierbares Zinsänderungsrisiko<br />
zu einem <strong>Zinsrisikokoeffizienten</strong> von mehr<br />
als 20 %. Um einer Beurteilung als „Institut<br />
mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko“ zu entgehen,<br />
muss die Sparkasse stille Reserven<br />
auflösen und als Eigenkapital ausweisen.<br />
Dies kann durch Verkauf von Positionen mit<br />
Kurswert über dem Buchwert bei gleichzeitigem<br />
Rückkauf dieser oder ähnlicher<br />
Positionen geschehen, ohne dass das Zinsänderungsrisiko<br />
verändert wird. Die Bezugnahme<br />
auf die Eigenmittel einer Bank führt<br />
damit zu keiner besseren Beurteilung ihrer<br />
Risikosituation als die auf den Barwert <strong>des</strong><br />
Zinsbuchs selbst. Das Gesamtrisiko der<br />
Bank kann nur als gemeinsames Risiko aller<br />
Vermögenspositionen gemessen werden.<br />
Erhöhte Eigenmittelanforderung<br />
Wie wirkt nun das Prüfkriterium für eine<br />
eventuelle Eigenkapitalunterlegung <strong>des</strong><br />
Zinsgeschäfts im Anlagebuch? Ein einfaches<br />
Beispiel (s. Tab. 7) gibt darauf Antwort. Dieses<br />
Kreditinstitut besitzt außer Zinspositionen<br />
keine weiteren Vermögenswerte. Auf der<br />
Aktivseite stehen 100 Euro Kundenkredite,<br />
die ursprünglich langfristig vergeben wurden,<br />
mit nun unterschiedlichen Restlaufzeiten.<br />
Wegen gesunkener Zinsen und der<br />
in den Krediten enthaltenen Marge beträgt<br />
der Kurswert 107 Euro. Auf der Passivseite<br />
stehen 90 Euro Kundeneinlagen mit kürzeren<br />
Fristen als die Aktiva. Ihr Kurswert soll<br />
92 Euro sein. Das Eigenkapital der Bankbeläuft<br />
sich auf 10 Euro, das Vermögen auf<br />
15 Euro. Dies entspricht in etwa dem Durchschnitt<br />
der Sparkassen in Tabelle 6.<br />
Wird vereinfachend davon ausgegangen,<br />
dass alle Kredite unbesichert sind,<br />
muss das Institut über ein Eigenkapital<br />
von min<strong>des</strong>tens 8 Euro verfügen. Bei einem<br />
Zinsschock von +200 BP sei das barwertige<br />
Risiko dieses Kreditinstituts 3 Euro. Damit<br />
beträgt das Risiko in Prozent <strong>des</strong> Vermögens20%undinProzent<strong>des</strong>Eigenkapitals30<br />
%.DasPrüfkriteriumistverletzt.<br />
Entsprechend muss das Institut bei viermal<br />
aufeinander folgender Verletzung 11 Euro<br />
Eigenkapital bereitstellen. In Wirklichkeit<br />
CONTROLLING<br />
wird aber das Eigenkapital bei Eintritt<br />
<strong>des</strong> Zinsschocks nicht angegriffen, weil<br />
zunächst stille Reserven verzehrt werden.<br />
Das Beispiel zeigt erneut, dass die Bezugnahme<br />
auf das Eigenkapital zu nicht<br />
trennscharfen Ergebnissen führt. Soll das<br />
Zinsänderungsrisiko limitiert werden, ist<br />
das Zinsvermögen die korrekte Basis.<br />
Besser aber wäre es, wie die <strong>Analyse</strong><br />
zeigt, das Gesamtrisiko zu betrachten.<br />
Dies ist aber nicht Gegenstand dieser<br />
Abhandlungen.<br />
Fazit<br />
Keinen Zweifel lässt die <strong>Analyse</strong> daran,<br />
dass Vermögensveränderungen nur mit<br />
Vermögenswerten und Bilanzveränderungen<br />
nur mit Bilanzwerten verglichen<br />
werden können. Zudem belegt sie, dass<br />
neben den im <strong>BaFin</strong>-Rundschreiben aufgeführten<br />
Berechnungsalgorithmen unbedingt<br />
auch ökonomische Betrachtungsweisen<br />
herangezogen werden müssen. Nur<br />
Risikomess- und -steuerungsmethoden,<br />
die die wertorientierte Messung <strong>des</strong> Risikos<br />
nicht mit bilanzorientierten Kennziffern<br />
vermischen, liefern exakte Ergebnisse<br />
der Gesamtrisikosituation eines Instituts.<br />
Die strikte Trennung zwischen der Vermögens-<br />
und der bilanziellen Betrachtung<br />
muss beibehalten werden.<br />
Die Autoren schlagen vor, dass die<br />
Aufsicht im Fall einer Prüfung ergänzend<br />
zu den Kennziffern und Prüfkriterien die<br />
institutsspezifische Risikosteuerung<br />
einbezieht. Institute, die über bessere<br />
und den Risiken angemessene Methoden<br />
verfügen sowie betriebswirtschaftliche<br />
Grundsätze bei der Bildung von Kennziffern<br />
berücksichtigen, sind von der Aufsicht<br />
differenziert zu behandeln. In bilateralen<br />
Gesprächen mit <strong>BaFin</strong> und Bun<strong>des</strong>bank<br />
müssen die angewandten Methoden vor einer<br />
Festlegung von Maßnahmen gewürdigt<br />
werden. Der von der <strong>BaFin</strong> eingeschlagene<br />
Weg, Methodenfreiheit dort zu gewähren,<br />
wo sie gegenüber Standardverfahren Vorteile<br />
für die exakte Messung und Steuerung<br />
bieten, wird durch diese Vorgehensweise<br />
fortgesetzt. Die Aufsicht hat zugesagt,<br />
dass vor Festsetzung aufsichtrechtlicher<br />
Maßnahmen etwa durch Eigenkapitalunterlegungen<br />
jeder Einzelfall auf seine Gesamtrisikosituation<br />
hin geprüft wird. Das<br />
ist auch essentiell. Für mögliche derartiger<br />
Gespräche mit der Aufsicht eignet sich<br />
dieser Beitrag als Grundlage. ¯<br />
491