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Kritische Analyse des BaFin-Zinsrisikokoeffizienten - Dr. Sievi

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CONTROLLING<br />

Kennziffern der Aufsicht können nur Indikatoren sein<br />

<strong>Kritische</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>BaFin</strong>-<strong>Zinsrisikokoeffizienten</strong><br />

Im Rahmen <strong>des</strong> gesetzgeberischen Konsultationsverfahrens zu Zinsänderungen im<br />

Anlagebuch 1 sollen die Regelungen zur Berechnung <strong>des</strong> Zinsänderungsrisikos 2 teil-<br />

weise abgelöst und neu festgelegt werden. Gemessen werden danach künftig bei<br />

Handelsbuchinstituten Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch und bei Nicht-Handelsbuchinstituten Zinsänderungen<br />

aller zinsabhängigen Positionen. Ermittelt werden sollen dabei die Effekte einer plötzlichen und unerwarteten<br />

Zinsänderung auf die Risikosituation eines Kreditinstituts. Damit schafft die Aufsicht ein neues Regelwerk zur<br />

möglichen Eigenkapitalunterlegung von Zinsänderungsrisiken. Die Verfasser diskutieren die geplanten Regelungen<br />

aus Sicht der Sparkassen und geben Empfehlungen, wie ökonomische Aspekte der Zinsänderungsrisikosteuerung<br />

im Rahmen einer Prüfung neben dem Regelwerk berücksichtigt werden können.<br />

Der aktuelle Entwurf der Bun<strong>des</strong>anstalt<br />

für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />

(<strong>BaFin</strong>) hält an der bisher geübten Vorgehensweise<br />

fest, die Zinsänderungen<br />

anhand einer parallelen Verschiebung<br />

der Zinsstrukturkurve vorzunehmen. Statt<br />

eines zu verwendenden Anstiegs um 130<br />

Basispunke (BP) bzw. Abstiegs um 190 BP<br />

werden nun jedoch 200 BP sowohl für steigende<br />

als auch sinkende Zinsen angesetzt.<br />

Das ist eine spürbare Verschärfung, die<br />

mit einer Harmonisierung auf europäische<br />

Standards zurückzuführen ist. Das Zinsänderungsrisiko<br />

wird dabei wie bisher mit der<br />

Barwertmethode berechnet. Das bedeutet,<br />

dass der Barwert <strong>des</strong> Zinsbuchs zum einen<br />

mit der tagesgültigen Zinsstrukturkurve und<br />

zusätzlich mit einer jeweils um +200 BP bzw.<br />

-200 BP verschobenen Zinsstrukturkurve<br />

bewertet werden muss. Von den beiden Szenariowerten<br />

wird die negative ausgewählt<br />

und in Relation zu den Eigenmitteln gemäß<br />

§ 10 Absatz 2 Kreditwesengesetz (KWG) ins<br />

Verhältnis gesetzt. Die daraus resultierende<br />

Prozentzahl muss der <strong>BaFin</strong> quartalsweise<br />

gemeldet werden. Errechnet ein Institut eine<br />

Quote von mehr als 20 %, gilt es als Institut<br />

„mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko“. Die<br />

<strong>BaFin</strong> wäre dann gehalten, „Maßnahmen zu<br />

ergreifen“.<br />

Welche Zinsstrukturkurve bei der Barwertberechnung<br />

zu verwenden ist, bleibt<br />

dem Institut überlassen. Die „Positionen mit<br />

unbestimmter Kapital- oder Zinsbindung“<br />

und Zinsoptionen im Kundengeschäft müssen<br />

mit den intern verwendeten Methoden<br />

abgebildet werden. Damit herrscht bei den<br />

für Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />

wichtigen Produkten mit variabler Verzinsung<br />

bzw. mit impliziten Optionen Methodenfreiheit.<br />

Die Verfahren müssen jedoch<br />

dokumentiert werden.<br />

Historische Zinsänderungen<br />

Zur Beurteilung der Berechnungsvorgaben<br />

der Aufsicht wird in einem ersten Schritt<br />

untersucht, inwieweit eine Verschiebung der<br />

Zinsstrukturkurve von 200 BP ökonomisch<br />

vertretbar ist. Um Beurteilen zu können, ob<br />

die Vorgabe für einen unterstellten Zinsschock<br />

angemessen ist, werden zunächst<br />

Zinsbewegungen der Vergangenheit betrachtet.<br />

Grundlage ist dabei eine Zeitreihe<br />

mit bankarbeitstäglichen Werten, die am 4.<br />

Januar 1988 beginnt und am 31. Dezember<br />

2010 endet. Dieser Zeitraum von 23 Jahren<br />

umfasst starke Zinssteigerungen und -senkungen.<br />

Verwendet wurden im Geldmarktbereich<br />

Zinssätze für LIBOR (bis 1998) und EURIBOR<br />

(bis 31. Dezember 2006), danach EONIA-<br />

Swapsätze. Im Kapitalmarktbereich (1 Jahr<br />

bis 10 Jahre) liegen bis 31. Dezember 2006<br />

PEX-Subindizes 3 zugrunde. Danach wurden<br />

Swap-Sätze 4 benutzt. Swap-Sätze werden<br />

ab 2007 herangezogen, weil sie das „reine“<br />

Zinsänderungsrisiko am besten widerspiegeln.<br />

Im Zeitraum von 1988 bis Ende 2006<br />

bestehen kaum Unterschiede zwischen den<br />

Teilmärkten Swap und Pfandbrief, die sich auf<br />

die nachfolgende Untersuchung auswirken.<br />

Aus den Rohdaten wurden daraufhin die<br />

Zinsdifferenzen für die Planungshorizonte<br />

1 Tag, 3, 6, und 12 Monate ermittelt sowie<br />

AUTOREN<br />

Olaf Wegner<br />

ist Abteilungsdirektor für<br />

Marktpreisrisikomanagement<br />

und -controlling beim Deutschen<br />

Sparkassen- und Giroverband<br />

(DSGV).<br />

<strong>Dr</strong>. Christian R. <strong>Sievi</strong><br />

ist freier Wirtschaftsmathematiker<br />

aus Stephanskirchen und<br />

Partner bei der RISKBalance<br />

GmbH & Co. KG.<br />

<strong>Dr</strong>. Ralf Goebel<br />

ist Direktor der Abteilung Con-<br />

trolling <strong>des</strong> DSGV und Sprecher<br />

der Geschäftsführung der Rating<br />

und Risikosysteme GmbH.<br />

statistisch ausgewertet. Tabelle 1 zeigt die<br />

Ergebnisse.<br />

Zunächst ist festzustellen, dass für den<br />

Zeitraum („Planungshorizont“) 1 Tag und<br />

einen Monat alle Zinsänderungen weit unter<br />

+200 bzw. über - 200 Basispunkten liegen.<br />

Bei den Differenzen für 3 Monate sind nur<br />

wenige Maximal- und Minimalwerte außerhalb<br />

der gesetzten Grenzen beobachtbar<br />

(gelbe Markierung). Für kurze Laufzeiten<br />

sind diese Überschreitungen im Regelfall<br />

unbedeutend, weil die Kurseffekte von Zinsänderungen<br />

hier nur gering sind. Auch tritt<br />

der Risikofall bei Sparkassen bis auf wenige<br />

Ausnahmen bei steigenden Zinsen ein. Hier<br />

ist die Überschreitung mit 6 BP bzw. 13 BP<br />

sehr gering.<br />

Für 6 Monate befinden sich die Maximalwerte<br />

der Zinsänderungen in den Laufzeiten<br />

ab 2 Jahren tolerierbar über der Marke von<br />

+200 BP. Im 99-%-Quantil wird diese Marke<br />

durchgehend eingehalten. Bei Zinssenkungen<br />

wird der Grenzwert in den kurzen<br />

Laufzeiten teilweise auch im 1-%-Quantil<br />

deutlich überschritten. Da zum einen das<br />

Zinsbuch von Sparkassen häufig nur bei steigenden<br />

Zinsen Verluste aufweist und zum anderen<br />

die Kurseffekte in nur kurzen Laufzeiten<br />

relativ gering sind, können die Grenzen im Fall<br />

sinkender Zinsen vernachlässigt werden.<br />

1 S. Rundschreiben 10/2011 der Bun<strong>des</strong>anstalt für<br />

Finanzdienstleistungsaufsicht (<strong>BaFin</strong>).<br />

2 S. Rundschreibens 7/2007 der <strong>BaFin</strong>.<br />

3 Quelle: VDP.<br />

4 Quelle: Reuters-Datastream.<br />

486 Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011


TABELLE 1<br />

Zinsänderungen für unterschiedliche Planungshorizonte<br />

Im 12-Monatsbereich liegen die Maximalwerte<br />

in den „langen“ Laufzeiten mäßig,<br />

in den kurzen Laufzeiten deutlich über dem<br />

Grenzwert. Diese Aussage trifft auch auf das<br />

99-%- und 95-%-Quantil zu.<br />

Bei der Auswertung ist zusätzlich zu<br />

beachten, dass die Kenngrößen für jede<br />

Laufzeit isoliert berechnet wurden. Beispielsweise<br />

wurde das Maximum pro Laufzeit<br />

bestimmt. Abhängigkeiten zwischen den<br />

Laufzeiten bleiben bei dieser Betrachtung<br />

unberücksichtigt. Dadurch kommt es insgesamt<br />

zu einer Überschätzung <strong>des</strong> Zins-<br />

Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />

Differenzen 1 Tag<br />

änderungsrisikos, weil die Maxima nicht für<br />

alle Laufzeiten am selben Datum eintreten.<br />

Zu Verdeutlichung werden in Tabelle 2 die<br />

Termine dargestellt, an denen für den Planungshorizont<br />

1 Jahr jeweils min<strong>des</strong>tens ein<br />

Maximal- oder Minimalwert aufgetreten ist.<br />

Tabelle 2 zeigt, dass weder das Maximum<br />

noch das Minimum durchgehend in einer<br />

Situation erreicht werden. Je nach Struktur<br />

<strong>des</strong> Zahlungsstroms der Bank bedeutet dies,<br />

dass das Zinsänderungsrisiko bei Ansatz<br />

<strong>des</strong> jeweiligen Maximums teilweise massiv<br />

überschätzt wird.<br />

CONTROLLING<br />

Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />

Maximum 0,81 0,38 0,31 0,34 0,43 0,30 0,29 0,40 0,28 0,27 0,24 0,25<br />

99 %-Quantil 0,19 0,17 0,11 0,12 0,12 0,12 0,13 0,12 0,11 0,11 0,11 0,11<br />

95 %-Quantil 0,06 0,06 0,05 0,07 0,07 0,07 0,07 0,07 0,07 0,06 0,06 0,06<br />

5 %-Quantil -0,06 -0,06 -0,05 -0,06 -0,07 -0,07 -0,07 -0,07 -0,06 -0,06 -0,06 -0,06<br />

1 %-Quantil -0,19 -0,14 -0,09 -0,11 -0,11 -0,10 -0,11 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10<br />

Minimum -0,88 -0,56 -0,37 -0,43 -0,40 -0,30 -0,29 -0,33 -0,24 -0,20 -0,20 -0,20<br />

Differenzen 1 Monat<br />

Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />

Maximum 1,69 1,44 1,31 1,05 1,05 1,04 1,05 1,07 1,11 1,11 1,11 1,11<br />

99 %-Quantil 0,81 0,69 0,68 0,66 0,66 0,61 0,58 0,55 0,52 0,48 0,47 0,46<br />

95 %-Quantil 0,31 0,31 0,34 0,42 0,41 0,40 0,39 0,37 0,34 0,33 0,32 0,31<br />

5 %-Quantil -0,42 -0,38 -0,39 -0,42 -0,40 -0,38 -0,37 -0,36 -0,34 -0,32 -0,31 -0,30<br />

1 %-Quantil -0,75 -0,80 -0,79 -0,73 -0,68 -0,65 -0,58 -0,54 -0,50 -0,46 -0,45 -0,44<br />

Minimum -1,75 -1,50 -1,44 -1,27 -1,10 -0,92 -0,82 -0,81 -0,86 -0,91 -0,94 -0,97<br />

Differenzen 3 Monate<br />

Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />

Maximum 1,81 2,06 2,13 1,83 1,60 1,40 1,42 1,39 1,35 1,30 1,25 1,22<br />

99 %-Quantil 1,36 1,56 1,53 1,37 1,19 1,09 1,05 1,00 0,98 0,96 0,93 0,91<br />

95 %-Quantil 0,75 0,69 0,72 0,79 0,84 0,81 0,79 0,75 0,70 0,67 0,65 0,62<br />

5 %-Quantil -0,81 -0,81 -0,85 -0,88 -0,87 -0,81 -0,76 -0,71 -0,66 -0,62 -0,60 -0,58<br />

1 %-Quantil -1,75 -1,71 -1,80 -1,77 -1,56 -1,38 -1,23 -1,09 -0,97 -0,88 -0,79 -0,76<br />

Minimum -2,24 -2,58 -2,53 -2,20 -1,99 -1,80 -1,66 -1,55 -1,44 -1,35 -1,28 -1,23<br />

Differenzen 6 Monate<br />

Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />

Maximum 2,44 2,50 2,62 2,29 2,28 2,22 2,20 2,17 2,16 2,14 2,13 2,12<br />

99 %-Quantil 1,69 1,87 1,90 1,81 1,66 1,60 1,58 1,58 1,54 1,45 1,39 1,36<br />

95 %-Quantil 1,30 1,28 1,20 1,20 1,18 1,17 1,17 1,11 1,04 1,02 0,99 0,96<br />

5 %-Quantil -1,31 -1,38 -1,45 -1,54 -1,45 -1,28 -1,15 -1,07 -0,98 -0,93 -0,86 -0,82<br />

1 %-Quantil -2,94 -3,05 -3,00 -2,73 -2,40 -2,11 -1,91 -1,73 -1,58 -1,46 -1,35 -1,30<br />

Minimum -3,51 -3,62 -3,56 -3,11 -2,79 -2,50 -2,28 -2,11 -1,92 -1,76 -1,64 -1,55<br />

Differenzen 12 Monate<br />

Kenngröße 1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />

Maximum 3,63 3,75 3,70 3,17 2,73 2,38 2,37 2,32 2,22 2,17 2,17 2,15<br />

99 %-Quantil 3,12 3,25 3,26 2,74 2,35 2,19 2,09 2,00 1,95 1,89 1,86 1,84<br />

95 %-Quantil 2,06 2,00 2,07 1,99 1,96 1,87 1,82 1,77 1,70 1,65 1,56 1,51<br />

5 %-Quantil -2,63 -2,63 -2,75 -2,64 -2,35 -2,11 -1,90 -1,71 -1,56 -1,42 -1,32 -1,27<br />

1 %-Quantil -3,86 -3,78 -3,88 -3,37 -2,90 -2,59 -2,31 -2,09 -1,89 -1,74 -1,61 -1,53<br />

Minimum -3,94 -3,93 -4,07 -3,72 -3,34 -2,99 -2,72 -2,51 -2,32 -2,13 -1,93 -1,85<br />

Angemessener Planungshorizont<br />

Für die Risikobeurteilung ist der Planungshorizont<br />

angemessen, der dem Zeitraum<br />

entspricht, den die Bank benötigt, um auf<br />

eine Zinsänderung bzw. eingetretene Verluste<br />

zu reagieren. Das bedeutet konkret, die<br />

bestehenden Risiken durch Gegenmaßnahmen<br />

abzubauen oder im Extremfall völlig zu<br />

beseitigen. Weil Gegenmaßnahmen im Kundengeschäft<br />

wie beispielsweise der Abbau<br />

von Darlehen mit langer Zinsbindung nur<br />

sehr langsam wirken und betriebswirtschaftlich<br />

bei ausreichender Marge fragwürdig<br />

487<br />

¯


¯<br />

CONTROLLING<br />

TABELLE 2<br />

Termine mit Maximal- und Minimalwerten für den Planungshorizont 1 Jahr<br />

Datum<br />

Beginn<br />

1 M 6 M 1 J 2 J 3 J 4 J 5 J 6 J 7 J 8 J 9 J 10 J<br />

sind, werden im Regelfall Maßnahmen am<br />

Interbankenmarkt getroffen. Dazu gehören<br />

etwa der Abschluss von Swaps, der Verkauf<br />

oder Zukauf von Wertpapieren unterschiedlicher<br />

Fristen einschließlich Futures und<br />

die Aufnahme bzw. Rückzahlung von Refinanzierungen.<br />

Insbesondere in dem in der<br />

Zinsänderungsrisikosteuerung relevanten<br />

Swapmarkt kann von ausreichender Liqiudität<br />

ausgeganen werden.<br />

Ein Planungshorizont von einem Tag ist<br />

dabei auch wegen der erforderlichen Entscheidungsprozesse<br />

deutlich zu kurz, ein<br />

Horizont von drei Monaten auch in Extremfällen<br />

sicherlich ausreichend. Daher sind die<br />

Grenzwerte von 200 BP für eine ökonomische<br />

Betrachtung für alle Laufzeiten zu hoch ge-<br />

Maximalwerte<br />

03.03.1988 3,50 3,75 3,68 3,17 2,73 2,29 2,02 1,69 1,29 0,98 0,85 0,83<br />

04.03.1988 3,50 3,75 3,70 3,14 2,72 2,28 2,00 1,68 1,27 0,97 0,84 0,82<br />

25.05.1988 3,63 3,63 3,37 2,62 2,17 1,82 1,46 1,20 0,90 0,67 0,56 0,53<br />

21.02.1989 1,81 2,19 2,19 2,31 2,30 2,24 2,21 2,19 2,19 2,17 2,17 2,15<br />

11.01.1994 -1,13 -0,25 0,69 1,76 2,18 2,38 2,37 2,32 2,22 2,03 1,88 1,78<br />

Minimalwerte<br />

14.08.1992 -3,00 -3,38 -3,75 -3,51 -3,18 -2,88 -2,65 -2,48 -2,32 -2,13 -1,93 -1,85<br />

03.09.1992 -2,88 -3,38 -3,82 -3,66 -3,34 -2,99 -2,72 -2,51 -2,32 -2,13 -1,90 -1,84<br />

02.07.2008 -3,75 -3,84 -4,07 -3,72 -3,16 -2,76 -2,41 -2,13 -1,91 -1,74 -1,61 -1,51<br />

21.07.2008 -3,89 -3,93 -4,07 -3,61 -3,05 -2,69 -2,35 -2,08 -1,86 -1,68 -1,55 -1,45<br />

08.09.2008 -3,94 -3,92 -3,96 -3,08 -2,50 -2,09 -1,79 -1,56 -1,37 -1,24 -1,15 -1,07<br />

23.09.2008 -3,90 -3,81 -4,07 -3,32 -2,81 -2,41 -2,15 -1,93 -1,73 -1,61 -1,51 -1,43<br />

TABELLE 3<br />

Wirkung nicht paralleler Zinsveränderungen<br />

Jahr Cash-flow Zins %<br />

(Zerobondkurve)<br />

Barwert 1 Zins %<br />

+200 BP<br />

overnight<br />

wählt. Wenn von noch längeren Zeiträumen<br />

für Gegenmaßnahmen ausgegangen und<br />

dabei auf maximale Veränderungen abgestellt<br />

wird, ist es angebracht, nicht einheitlich<br />

von 200 BP auszugehen, sondern die<br />

Zinsänderungen pro Laufzeit differenziert<br />

anzusetzen.<br />

Der Bankenaufsicht steht es selbstverständlich<br />

frei, von beliebigen Zinsänderungen<br />

als Basis der Berechnung auszugehen,<br />

wenn das Ziel der Berechnung ein<br />

Vergleich von Instituten ist. Dann sollte aber<br />

auch bei weiteren Prämissen Vergleichbarkeit<br />

hergestellt werden. Dies ist wegen der<br />

Methodenfreiheit bei der Erstellung <strong>des</strong><br />

Summenzahlungsstroms und der Erfassung<br />

der Optionen nicht möglich. Auch der An-<br />

Barwert<br />

+200 BP<br />

overnight<br />

Zins %<br />

+200 BP /<br />

+ 100 BP<br />

overnight<br />

Barwert<br />

+200 BP /<br />

+ 100 BP<br />

overnight<br />

0 172,28 172,28 172,28 172,28<br />

1 1,33 3,33 1,33<br />

2 1,55 3,55 1,65<br />

3 1,90 3,90 2,10<br />

4 2,20 4,20 2,50<br />

5 -163,55 2,50 -144,55 4,50 -131,24 2,90 -141,77<br />

6 2,70 4,70 3,20<br />

7 2,90 4,90 3,50<br />

8 3,00 5,00 3,70<br />

9 3,20 5,20 4,00<br />

10 100,00 3,30 72,28 5,30 59,66 4,20 66,27<br />

Summe 100,00 100,71 96,79<br />

1 Die Barwertberechnung erfolgt vereinfachend in der Weise, dass die Zinsstrukturkurve als Zerobondkurve aufgefasst wird.<br />

spruch einer Charakterisierung als „Institute<br />

mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko“ kann<br />

daher nicht aufrecht erhalten werden. Bei<br />

einem Planungshorizont von 3 Monaten<br />

und länger sind außerdem die Effekte, die<br />

sich aus dem bisherigen Zinsertrag und der<br />

Verkürzung der Restlaufzeiten ergeben, zu<br />

berücksichtigen.<br />

Effektive Parallelverschiebungen?<br />

Die Verwendung von Parallelverschiebungen<br />

der Zinsstrukturkurve als Grundlage der<br />

Risikomessung fordert unabhängig von ihrer<br />

Größenordnung weitere Überlegungen<br />

heraus. Denn je nach Zahlungsstrom eines<br />

Instituts ist dadurch keinesfalls sichergestellt,<br />

dass der maximale Kursverlust <strong>des</strong><br />

488 Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011


Zinsbuchs erfasst wird. Ein einfaches Beispiel<br />

macht dies deutlicht (s. Tab. 3).<br />

Im Beispiel liegen der Bank nur an drei<br />

Zeitpunkten Zahlungsströme vor. Im Tagesgeld<br />

sind 172,28 Euro angelegt. Einem<br />

Aktivrückfluss von 100 Euro in 10 Jahren<br />

steht eine Passivverpflichtung von 163,55<br />

Euro in 5 Jahren gegenüber. Die gewählte<br />

sehr einfache Struktur ist durchaus realistisch.<br />

Sie entspricht etwa einem Institut, das<br />

ein ausgeprägtes Kundenpassivgeschäft<br />

mit 5-jährigen Laufzeiten (Sparbriefe, Zuwachssparen)<br />

bei gleichzeitig langen Aktivpositionen<br />

(Baufinanzierungen) besitzt. In<br />

Anbetracht der Erwartung steigender Zinsen<br />

hat das Institut seine Liquiditätsüberschüsse<br />

im Tagesgeld angelegt.<br />

Ausgehend von der Zinsstruktur am<br />

31. De­zember­2010­ergibt­sich­in­Summe­ein­<br />

Barwert­von­100 Euro.­Steigt­der­Zins­„über­<br />

Nacht“ parallel um 200 BP, beträgt der Barwert<br />

100,72 Euro.­Auch­bei­fallenden­Zinsen­um­<br />

200 BP mit Kappung auf „Null“, errechnet sich<br />

ein­Barwert­von­100,64 Euro. 5 Aus Sicht <strong>des</strong><br />

aufsichtrechtlichen Zinsschocks ist die Bank<br />

immun gegen Zinsänderungsrisiken. Dieser<br />

Schein trügt jedoch. Steigt die Zinsstruktur<br />

nicht parallel, sondern ist die Zinsänderung<br />

um so höher, je länger die Laufzeit ist, beträgt<br />

der­Barwert­96,79 Euro.­Die­Zinsstruktur­wirddadurch<br />

steiler, der Zuwachs beziffert sich bei<br />

5 Jahren auf 40 BP und bei 10 Jahren auf 90 BP.<br />

Obwohl die Zinsänderungen geringer ausfallen<br />

als der Zinsschock der <strong>BaFin</strong>, stellt sich ein<br />

Vermögensverlust­von­3,21 %­ein.<br />

Diskussion der Szenarien<br />

Die vorausgehenden <strong>Analyse</strong>n zeigen, dass<br />

die pauschale Vorgabe von 200 BP zum einen<br />

Risiken überzeichnet, zum anderen nicht alle<br />

relevanten Zinsänderungen erfasst. Generell<br />

zeigt sich, dass durch Parallelverschiebungen<br />

das Risiko nicht adäquat abgebildet<br />

werden kann. Vielmehr ist es notwendig,<br />

das Zinsänderungsrisiko mithilfe mehrerer<br />

Szenarien zu erfassen, die die tatsächlichen<br />

Zinsbewegungen der Vergangenheit einbeziehen.<br />

In der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

wurden dazu bereits 1999 pro Konfidenzniveau<br />

und Planungshorizont insgesamt<br />

14 Szenarien entwickelt. Diese Szenarien<br />

werden turnusmäßig alle zwei Jahre angepasst,<br />

um die aktuelle Zinsentwicklung mit<br />

zu berücksichtigen. Basis dieser Szenarien<br />

ist stets die Zinsentwicklung ab Januar 1988.<br />

Noch besser ist es, alle Zinsänderungen,<br />

die seit 1988 im gewünschten Planungshori-<br />

Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />

TABELLE 4<br />

Beispiel zur barwertigen Ermittlung und Berechnung auf<br />

Planungshorizont<br />

Frist Marktzins Ist % Marktzins nach<br />

Zinsschock um 200 BP<br />

TABELLE 5<br />

zont aufgetreten sind, in einer Simulation zu<br />

verwenden. Dadurch können Institute nicht<br />

nur Extremwerte erkennen, sondern auch die<br />

gesamte Verteilung der Barwertänderungen<br />

erfassen. Dieses Verfahren der „Modernen<br />

Historischen Simulation“ wird von mehr als<br />

80 %­aller­Sparkassen­für­die­Darstellung­der­<br />

Zinsänderungsrisiken genutzt.<br />

Im Rahmen einer vergleichenden<br />

<strong>Analyse</strong> der Zinsänderungsrisiken von Kreditinstituten<br />

sollte berücksichtigt werden,<br />

dass nur eine differenzierte Betrachtung der<br />

Zinsänderungen zu ökonomisch objektiven<br />

Ergebnissen führt. Für diese <strong>Analyse</strong>n ist es<br />

dann aber auch erforderlich, einheitliche<br />

Methoden und Parameter für die Erstellung<br />

<strong>des</strong> Summenzahlungsstroms und Erfassung<br />

der Optionen vorzugeben. Dies ist aufsichtsrechtlich<br />

nicht beabsichtigt und wohl auch<br />

realistisch nicht über alle Banken und Sparkassen<br />

einheitlich durchsetzbar.<br />

Aus diesem Grund trägt die Aufsicht<br />

der differenzierten Prüfung von Instituten<br />

dadurch Rechnung, dass sie bei der Ermittlung<br />

einer möglichen risikobegrenzenden<br />

Auflage zur höheren Eigenkapitalunterlegung<br />

keinen Automatismus walten lässt.<br />

Vielmehr soll, wie die Gespräche mit der<br />

Aufsicht bestätigen, im Einzelfall über individuelle<br />

Maßnahmen entschieden werden.<br />

Herangezogen werden sollen dabei auch die<br />

institutsinternen Methoden, die treffsichere,<br />

realistische Ergebnisse erzielen, und die<br />

Gesamtrisikoanalyse.<br />

Die Frage <strong>des</strong> Planungshorizonts<br />

Eine weitere wichtige Frage, die sich in diesem<br />

Zusammenhang stellt, ist die, in welcher<br />

CONTROLLING<br />

Zahlungsstrom €<br />

1 Tag 0,80 2,80 - 100,00 1<br />

1 Jahr 1,30 3,30 + 3,20<br />

2 Jahre 1,60 3,60 + 203,20<br />

1 Der Zins für einen Tag wurde aus Vereinfachungsgründen weggelassen.<br />

Risikowerte für Benchmarks bei Anwendung verschiedener Methoden<br />

Methode<br />

Benchmark<br />

Gleitend 10 Jahre 2 × Gleitend 10 Jahre –<br />

1 × Gleitend 3 Monate<br />

200 BP barwertig overnight 8,25 16,18<br />

200 BP Planungshorizont 3 Monate 7,11 14,50<br />

Simulation alle Zinsänderungen overnight<br />

Maximalwert<br />

Simulation alle Zinsänderungen Planungshorizont<br />

3 Monate Maximalwert<br />

5,46 13,74<br />

4,45 9,06<br />

Weise ein Planungshorizont bei den Berechnungen<br />

berücksichtigt werden soll.<br />

Ein Beispiel<br />

Der Unterschied zwischen einer barwertigen<br />

und einer Berechnung auf Planungshorizont<br />

wird am folgenden Beispiel deutlich. Eine<br />

Bank mit einem Vermögen von 100 Euro hat<br />

200­Euro­zum­Marktzinssatz­von­1,6 %­fürzwei<br />

Jahre angelegt. Dabei sind 100 Euro im<br />

Tagesgeld­zu­0,80 %­refinanziert.­Tabelle 4dokumentiert<br />

die aktuelle Zinsstruktur, den<br />

Zinsschock und den Zahlungsstrom. Nach<br />

einem Zinsschock von 200 BP beträgt der<br />

Barwert­ 92,42 %.­ Der­ barwertige­Verlustbeziffert­sich­damit­auf­7,58<br />

%.­<br />

Wird nun ein Planungshorizont von<br />

1 Jahr verwandt, weil hier die Zinsänderung<br />

von 200 BP realistisch ist, ändert sich das<br />

Bild. Wird angenommen, dass die Geldaufnahme<br />

von 100 Euro weiterhin revolvierend<br />

im Tagesgeld erfolgt, kann dabei mit einem<br />

Zins­von­1,8 %­gerechnet­werden,­der­sichals­Mittelwert­aus­aktuell­0,8<br />

%­und­2,8 %nach<br />

dem Zinsschock ergibt. Am Jahresende<br />

entsteht eine Soll-Position von<br />

101,80 Euro. Wenn im schlimmsten Fall der<br />

Zins­sofort­auf­2,8 %­steigt,­ist­die­Sollposition<br />

102,8 Euro.<br />

Am Planungshorizont fließen 3,20 Euro<br />

als sicherer Wert zu. Diese Position war bei<br />

barwertiger Berechnung dem Zinsänderungsrisiko<br />

<strong>des</strong> gestiegenen Jahreszinses<br />

5 Die Berechnung erfolgt analog zur dargestellten<br />

Berechnung mit Kappung der Zinsen auf minimal<br />

0 %. Die Rechenschritte werden aus Platzgründen<br />

nicht in der Tabelle aufgeführt.<br />

489<br />

¯


¯<br />

CONTROLLING<br />

TABELLE 6<br />

Zinsvermögen in Relation zum Eigenkapital (Stichprobe aus Sparkassen) 1<br />

Kenngröße Faktor:<br />

Zinsvermögen/Eigenmitteln<br />

nach § 10 Absatz 2 KWG<br />

Minimum 0,36<br />

5 % Quantil 0,89<br />

Mittelwert 1,44<br />

95 % Quantil 2,00<br />

Maximum 2,74<br />

1 Ermittelt aus einer Stichprobe von 332 Sparkassen zum 31.12.2010<br />

TABELLE 7<br />

Beispiel zur Eigenkapitalunterlegung<br />

Position Bilanzieller Wert<br />

(Buchwert)<br />

unterworfen. Der Cashflow in Höhe von<br />

203,20 Euro, der fällig ist zwei Jahre ab dem<br />

Ist-Zeitpunkt und ein Jahr ab Planungsho-<br />

rizont, muss mit der Rendite für die Rest-<br />

laufzeit von einem Jahr abgezinst werden.<br />

Nach­Tabelle­4­liegt­dafür­ein­Zins­von­3,3 %­<br />

(„Zinsschock“) vor. Der Barwert ist entsprechend­196,76Euro.­Bei­reiner­Barwertanalyse­wäre­mit­3,6%­für­zwei­Jahre­abgezinstworden.<br />

Insgesamt beträgt der Barwert am Planungshorizont<br />

„1 Jahr ab Beginn“ - 101,80 Euro + 3,20 Euro<br />

+ 196,76 Euro.<br />

Dies ergibt einen Endwert von 98,11 Euro.<br />

Im Fall der pessimistischen Annahme eines<br />

sofortigen Zinsanstiegs und danach gleichbleibender<br />

Zinsen ist der Endwert 97,11. Der<br />

Verslust ist somit wesentlich niedriger als bei<br />

barwertiger Berechnung.<br />

Das gezeigte Phänomen wird in der Literatur<br />

als „Ritt auf der Zinsstrukturkurve“<br />

beschrieben. Maßgeblich dabei ist, dass bei<br />

der Berechnung auf Planungshorizont die<br />

Restlaufzeit „verkürzt“ wird. In einer normalen<br />

Zinsstruktur kann die Wirkung verglichen<br />

werden mit einer Zinssenkung. Je kürzer der<br />

Planungshorizont gewählt wird, <strong>des</strong>to geringer<br />

ist dieser Effekt. Gleichzeitig muss dabei<br />

Vermögenswert<br />

(Kurswert)<br />

Aktiva: langfristige Kundenkredite 100,00 107,00<br />

Passiva: kurzfristige Kundeneinlagen 90,00 92,00<br />

Eigenkapital bzw. Vermögen 10,00 15,00<br />

Eigenkapitalanforderung gemäß SolvV<br />

(alle Kredite ungesichert)<br />

Zinsänderungsrisiko barwertig bei<br />

+ 200 BP<br />

Eigenkapital bzw. Vermögen bei Eintritt<br />

<strong>des</strong> Zinsschocks<br />

8,00<br />

Prüfgröße verletzt (8,00 + 3,00) × 0,95 =10,45<br />

Eigenkapitalanforderung bei fortbestehender<br />

Verletzung (vollständiges Zinsänderungsrisiko<br />

ist zu unterlegen)<br />

8,00 + 3,00 = 11,00<br />

aber auch berücksichtigt werden, dass der<br />

aufsichtrechtliche Zinsschock von +/- 200 BP<br />

mit einer Verkürzung <strong>des</strong> Planungshorizonts<br />

immer unrealistischer wird.<br />

Konsequenzen<br />

Für die Benchmarks „Gleitend 10 Jahre“ und<br />

„2 × Gleitend 10 Jahre – 1 × Gleitend 3 Monate“<br />

liegen bei einem Planungshorizont von<br />

3 Monaten vergleichend die in Tabelle 5 aufgelisteten<br />

Risikowerte vor. Als Zinsstruktur<br />

wird die vom 31. Dezember 2010 verwandt.<br />

Die verschiedenen Methoden weisen für<br />

den realistischen Planungshorizont von<br />

3 Monaten erhebliche Unterschiede auf. Der<br />

geplante barwertige Zinsschock von 200 BP<br />

überzeichnet das tatsächliche Risiko 6 massiv.<br />

Bezugsgrößen und Prüfkriterien<br />

Der Konsultationsentwurf der <strong>BaFin</strong> stellt<br />

darauf ab, dass bei Instituten, deren wirtschaftlicher<br />

Wert bei einer plötzlichen und<br />

unerwarteten Zinsänderung um mehr als<br />

20 %­ihrer­ Eigenmittel­ absinkt­ („Institutemit<br />

erhöhtem Zinsänderungsrisiko“), die<br />

zuständigen nationalen Behörden gehalten<br />

sind, „Maßnahmen zu ergreifen“. Der Barwert<br />

<strong>des</strong> Zinsänderungsrisikos wird dabei auf die<br />

Eigenmittel nach § 10 Abs. 2 KWG bezogen.<br />

Neben dem Zinsrisikokoeffzienten bedient<br />

sich die Aufsicht künftig einer weiteren<br />

Bezuggröße zur Feststellung ausreichender<br />

Eigenmittel der Bank. Dazu werden die<br />

Eigenmittelanforderungen nach der Solvabilitätsverordnung<br />

(SolvV) mit der Barwertminderung<br />

durch den Zinsschock addiert. Dieser<br />

Wert­ soll­ 95 %­ der­ Eigenmittel­ nach­ §­ 10­<br />

Abs. 2 KWG nicht überschreiten dürfen. Tut<br />

er das doch, muss das Kreditinstitut damit<br />

rechnen, dass es das Zinsgeschäft mit Eigenkapital<br />

unterlegen muss.<br />

Eigenmittel<br />

Entgegen der Auffassung der <strong>BaFin</strong> ist<br />

es zunächst angemessen, das Zinsänderungsrisiko<br />

als Prozentzahl <strong>des</strong> Barwerts zu<br />

bestimmen, aus dem das Zinsänderungsrisiko<br />

gemessen wird. Denn nur so wird eine<br />

wertmäßige Größe („wirtschaftlicher Wert“)<br />

korrekt in Relation zu einer anderen wertmäßigen<br />

Größe gesetzt. Sieht man einmal von<br />

der Wahl der Szenarien und den Planungshorizonten<br />

ab, sind die Prozentzahlen in<br />

Tabelle 5 damit bereits sinnvolle Risikomaße.<br />

Eine Bezugnahme auf weitere Größen, vor<br />

allem bilanzielle Größen wie das Eigenkapital<br />

ist nicht notwendig.<br />

An dieser Stelle erscheint es angebracht,<br />

den Unterschied zwischen Eigenkapital und<br />

Vermögen zu erläutern. Das Eigenkapital ist<br />

keine direkt bestimmbare Größe, sondern<br />

die Differenz zwischen allen Aktiva und<br />

Passiva der Bilanz. Der Gewinn bzw. Verlust<br />

ist dabei Bestandteil <strong>des</strong> Eigenkapitals. Die<br />

Positionen der Aktiv- und Passivseite werden<br />

bei der Berechnung nach den Regeln <strong>des</strong><br />

Handelsgesetzbuchs (HGB) bewertet. Dabei<br />

bestehen Bewertungsspielräume, die sich<br />

letztlich im ausgewiesenen Eigenkapital niederschlagen.<br />

Viele Bewertungsansätze <strong>des</strong><br />

HGB entsprechen nicht den Marktpreisen.<br />

Beispiele sind Darlehen und Kundeneinlagen<br />

sowie fallweise Immobilien, Beteiligungen<br />

und Aktien.<br />

Das Vermögen ist die dem Eigenkapital<br />

entsprechende Größe, wenn alle Bilanzpositionen<br />

mit ihren aktuellen Marktpreisen<br />

erfasst werden. Auch das Vermögen ergibt<br />

sich als Restgröße. Der Barwert <strong>des</strong> Zinsbuchs<br />

ist eine Vermögensposition, die sich<br />

aus der Differenz der bewerteten Zinsaktiva<br />

und -passiva einer Bank ergibt. Wird bei der<br />

6 Simulation aller Zinsänderungen mit Planungshorizont<br />

von 3 Monaten und Maximalwert.<br />

490 Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />

3,00<br />

10,00 12,00


Bewertung die Swap-Kurve verwendet, sind<br />

vom resultierenden Wert Liquiditäts-, Bonitätsprämien<br />

und Markt-Spreads abzuziehen,<br />

um die Nettoposition und damit die Marktpreise<br />

zu erhalten. Liegen bei bestimmten<br />

Positionen keine Marktpreise vor, sollen sie<br />

bestmöglich geschätzt werden. Bis auf diese<br />

Unsicherheiten liegen bei der Vermögensermittlung<br />

keine Spielräume vor.<br />

Die Differenz zwischen dem Vermögen<br />

und dem Eigenkapital sind stille Reserven<br />

bzw. Verluste, die bilanziell nicht ausgewiesen<br />

werden. Sie können aber gegebenenfalls<br />

am Markt realisiert werden. Eine Ausnahme<br />

bilden variabel verzinsliche Positionen im<br />

Kundengeschäft.<br />

Einen Vergleich <strong>des</strong> Barwerts im Zinsbuch,<br />

der mit der Swap-Kurve bewertet ist,<br />

mit­den­Eigenmitteln­nach­§­10­Absatz 2 KWGbietet<br />

Tabelle 6. Diese Zahlen stellen ohne<br />

Kenntnis weiterer Gegebenheiten kein Qualitätskriterium<br />

dar.<br />

> Die Sparkasse mit dem Faktor 0,36 nutzt<br />

wesentliche Vermögensanteile außerhalb<br />

<strong>des</strong> Zinsbuchs. Das Gesamtvermögen<br />

kann auch hier deutlich über dem bilanziellen<br />

Wert <strong>des</strong> Eigenkapitals liegen.<br />

> Die Sparkasse mit dem Faktor 2,74 kann<br />

möglicherweise <strong>des</strong>halb einen hohen<br />

Barwert im Zinsbuch aufweisen, weil sie<br />

in Kredite und Wertpapiere mit hoher<br />

Rendite, aber ebenso hohem Risiko investiert<br />

hat. Hier kann die Korrektur um die<br />

Bonitätsprämie und sonstige Spreads den<br />

Faktor erheblich reduzieren.<br />

Damit bleibt es bei der Aussage, dass die<br />

sinnvollste Größe zur Beurteilung <strong>des</strong> Zinsänderungsrisikos<br />

zunächst der Barwert <strong>des</strong><br />

Zinsbuchs selbst ist.<br />

Dieses Verfahren weist nur dann Verzerrungen<br />

auf, wenn das Risiko in den verschiedenen<br />

Vermögensklassen ungleich<br />

verteilt ist. So könnte beispielsweise die<br />

Sparkasse mit dem Faktor 0,36 wesentliche<br />

Vermögensanteile in Immobilien angelegt<br />

haben. Maßgeblich ist dann das Gesamtrisiko<br />

der Bank. Der Zinsrisikokoeffizient<br />

der <strong>BaFin</strong>, der sich auf das Eigenkapital<br />

bezieht, informiert hier möglicherweise<br />

falsch, weil angesichts <strong>des</strong> vergleichsweise<br />

kleinen Zinsbuchs das Zinsänderungsrisko<br />

in Relation zum Eigenkapital gering ist,<br />

nicht aber in Relation zum Vermögen.<br />

Umgekehrt kann es sein, dass eine Sparkasse<br />

mit einem hohen Faktor tatsächlich<br />

auch nach Abzug von Korrekturposten sehr<br />

hohe stille Reserven besitzt. In diesem Fall<br />

Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />

Quelle: Archiv<br />

Bei Zinsänderungen spielt nicht nur ihre<br />

Höhe eine wichtige Rolle, sondern auch ihr<br />

zeitlicher Verlauf.<br />

führt ein tolerierbares Zinsänderungsrisiko<br />

zu einem <strong>Zinsrisikokoeffizienten</strong> von mehr<br />

als 20 %. Um einer Beurteilung als „Institut<br />

mit erhöhtem Zinsänderungsrisiko“ zu entgehen,<br />

muss die Sparkasse stille Reserven<br />

auflösen und als Eigenkapital ausweisen.<br />

Dies kann durch Verkauf von Positionen mit<br />

Kurswert über dem Buchwert bei gleichzeitigem<br />

Rückkauf dieser oder ähnlicher<br />

Positionen geschehen, ohne dass das Zinsänderungsrisiko<br />

verändert wird. Die Bezugnahme<br />

auf die Eigenmittel einer Bank führt<br />

damit zu keiner besseren Beurteilung ihrer<br />

Risikosituation als die auf den Barwert <strong>des</strong><br />

Zinsbuchs selbst. Das Gesamtrisiko der<br />

Bank kann nur als gemeinsames Risiko aller<br />

Vermögenspositionen gemessen werden.<br />

Erhöhte Eigenmittelanforderung<br />

Wie wirkt nun das Prüfkriterium für eine<br />

eventuelle Eigenkapitalunterlegung <strong>des</strong><br />

Zinsgeschäfts im Anlagebuch? Ein einfaches<br />

Beispiel (s. Tab. 7) gibt darauf Antwort. Dieses<br />

Kreditinstitut besitzt außer Zinspositionen<br />

keine weiteren Vermögenswerte. Auf der<br />

Aktivseite stehen 100 Euro Kundenkredite,<br />

die ursprünglich langfristig vergeben wurden,<br />

mit nun unterschiedlichen Restlaufzeiten.<br />

Wegen gesunkener Zinsen und der<br />

in den Krediten enthaltenen Marge beträgt<br />

der Kurswert 107 Euro. Auf der Passivseite<br />

stehen 90 Euro Kundeneinlagen mit kürzeren<br />

Fristen als die Aktiva. Ihr Kurswert soll<br />

92 Euro­ sein.­ Das­ Eigenkapital­ der­ Bankbeläuft<br />

sich auf 10 Euro, das Vermögen auf<br />

15 Euro. Dies entspricht in etwa dem Durchschnitt<br />

der Sparkassen in Tabelle 6.<br />

Wird vereinfachend davon ausgegangen,<br />

dass alle Kredite unbesichert sind,<br />

muss das Institut über ein Eigenkapital<br />

von min<strong>des</strong>tens 8 Euro verfügen. Bei einem<br />

Zinsschock von +200 BP sei das barwertige<br />

Risiko dieses Kreditinstituts 3 Euro. Damit<br />

beträgt das Risiko in Prozent <strong>des</strong> Vermögens­20%­und­in­Prozent­<strong>des</strong>­Eigenkapitals­30<br />

%.­Das­Prüfkriterium­ist­verletzt.­<br />

Entsprechend muss das Institut bei viermal<br />

aufeinander folgender Verletzung 11 Euro<br />

Eigenkapital bereitstellen. In Wirklichkeit<br />

CONTROLLING<br />

wird aber das Eigenkapital bei Eintritt<br />

<strong>des</strong> Zinsschocks nicht angegriffen, weil<br />

zunächst stille Reserven verzehrt werden.<br />

Das Beispiel zeigt erneut, dass die Bezugnahme<br />

auf das Eigenkapital zu nicht<br />

trennscharfen Ergebnissen führt. Soll das<br />

Zinsänderungsrisiko limitiert werden, ist<br />

das Zinsvermögen die korrekte Basis.<br />

Besser aber wäre es, wie die <strong>Analyse</strong><br />

zeigt, das Gesamtrisiko zu betrachten.<br />

Dies ist aber nicht Gegenstand dieser<br />

Abhandlungen.<br />

Fazit<br />

Keinen Zweifel lässt die <strong>Analyse</strong> daran,<br />

dass Vermögensveränderungen nur mit<br />

Vermögenswerten und Bilanzveränderungen<br />

nur mit Bilanzwerten verglichen<br />

werden können. Zudem belegt sie, dass<br />

neben den im <strong>BaFin</strong>-Rundschreiben aufgeführten<br />

Berechnungsalgorithmen unbedingt<br />

auch ökonomische Betrachtungsweisen<br />

herangezogen werden müssen. Nur<br />

Risikomess- und -steuerungsmethoden,<br />

die die wertorientierte Messung <strong>des</strong> Risikos<br />

nicht mit bilanzorientierten Kennziffern<br />

vermischen, liefern exakte Ergebnisse<br />

der Gesamtrisikosituation eines Instituts.<br />

Die strikte Trennung zwischen der Vermögens-<br />

und der bilanziellen Betrachtung<br />

muss beibehalten werden.<br />

Die Autoren schlagen vor, dass die<br />

Aufsicht im Fall einer Prüfung ergänzend<br />

zu den Kennziffern und Prüfkriterien die<br />

institutsspezifische Risikosteuerung<br />

einbezieht. Institute, die über bessere<br />

und den Risiken angemessene Methoden<br />

verfügen sowie betriebswirtschaftliche<br />

Grundsätze bei der Bildung von Kennziffern<br />

berücksichtigen, sind von der Aufsicht<br />

differenziert zu behandeln. In bilateralen<br />

Gesprächen mit <strong>BaFin</strong> und Bun<strong>des</strong>bank<br />

müssen die angewandten Methoden vor einer<br />

Festlegung von Maßnahmen gewürdigt<br />

werden. Der von der <strong>BaFin</strong> eingeschlagene<br />

Weg, Methodenfreiheit dort zu gewähren,<br />

wo sie gegenüber Standardverfahren Vorteile<br />

für die exakte Messung und Steuerung<br />

bieten, wird durch diese Vorgehensweise<br />

fortgesetzt. Die Aufsicht hat zugesagt,<br />

dass vor Festsetzung aufsichtrechtlicher<br />

Maßnahmen etwa durch Eigenkapitalunterlegungen<br />

jeder Einzelfall auf seine Gesamtrisikosituation<br />

hin geprüft wird. Das<br />

ist auch essentiell. Für mögliche derartiger<br />

Gespräche mit der Aufsicht eignet sich<br />

dieser Beitrag als Grundlage. ¯<br />

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