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Kritische Analyse des BaFin-Zinsrisikokoeffizienten - Dr. Sievi

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Zinsbuchs erfasst wird. Ein einfaches Beispiel<br />

macht dies deutlicht (s. Tab. 3).<br />

Im Beispiel liegen der Bank nur an drei<br />

Zeitpunkten Zahlungsströme vor. Im Tagesgeld<br />

sind 172,28 Euro angelegt. Einem<br />

Aktivrückfluss von 100 Euro in 10 Jahren<br />

steht eine Passivverpflichtung von 163,55<br />

Euro in 5 Jahren gegenüber. Die gewählte<br />

sehr einfache Struktur ist durchaus realistisch.<br />

Sie entspricht etwa einem Institut, das<br />

ein ausgeprägtes Kundenpassivgeschäft<br />

mit 5-jährigen Laufzeiten (Sparbriefe, Zuwachssparen)<br />

bei gleichzeitig langen Aktivpositionen<br />

(Baufinanzierungen) besitzt. In<br />

Anbetracht der Erwartung steigender Zinsen<br />

hat das Institut seine Liquiditätsüberschüsse<br />

im Tagesgeld angelegt.<br />

Ausgehend von der Zinsstruktur am<br />

31. De­zember­2010­ergibt­sich­in­Summe­ein­<br />

Barwert­von­100 Euro.­Steigt­der­Zins­„über­<br />

Nacht“ parallel um 200 BP, beträgt der Barwert<br />

100,72 Euro.­Auch­bei­fallenden­Zinsen­um­<br />

200 BP mit Kappung auf „Null“, errechnet sich<br />

ein­Barwert­von­100,64 Euro. 5 Aus Sicht <strong>des</strong><br />

aufsichtrechtlichen Zinsschocks ist die Bank<br />

immun gegen Zinsänderungsrisiken. Dieser<br />

Schein trügt jedoch. Steigt die Zinsstruktur<br />

nicht parallel, sondern ist die Zinsänderung<br />

um so höher, je länger die Laufzeit ist, beträgt<br />

der­Barwert­96,79 Euro.­Die­Zinsstruktur­wirddadurch<br />

steiler, der Zuwachs beziffert sich bei<br />

5 Jahren auf 40 BP und bei 10 Jahren auf 90 BP.<br />

Obwohl die Zinsänderungen geringer ausfallen<br />

als der Zinsschock der <strong>BaFin</strong>, stellt sich ein<br />

Vermögensverlust­von­3,21 %­ein.<br />

Diskussion der Szenarien<br />

Die vorausgehenden <strong>Analyse</strong>n zeigen, dass<br />

die pauschale Vorgabe von 200 BP zum einen<br />

Risiken überzeichnet, zum anderen nicht alle<br />

relevanten Zinsänderungen erfasst. Generell<br />

zeigt sich, dass durch Parallelverschiebungen<br />

das Risiko nicht adäquat abgebildet<br />

werden kann. Vielmehr ist es notwendig,<br />

das Zinsänderungsrisiko mithilfe mehrerer<br />

Szenarien zu erfassen, die die tatsächlichen<br />

Zinsbewegungen der Vergangenheit einbeziehen.<br />

In der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

wurden dazu bereits 1999 pro Konfidenzniveau<br />

und Planungshorizont insgesamt<br />

14 Szenarien entwickelt. Diese Szenarien<br />

werden turnusmäßig alle zwei Jahre angepasst,<br />

um die aktuelle Zinsentwicklung mit<br />

zu berücksichtigen. Basis dieser Szenarien<br />

ist stets die Zinsentwicklung ab Januar 1988.<br />

Noch besser ist es, alle Zinsänderungen,<br />

die seit 1988 im gewünschten Planungshori-<br />

Betriebswirtschaftliche Blätter 09|2011<br />

TABELLE 4<br />

Beispiel zur barwertigen Ermittlung und Berechnung auf<br />

Planungshorizont<br />

Frist Marktzins Ist % Marktzins nach<br />

Zinsschock um 200 BP<br />

TABELLE 5<br />

zont aufgetreten sind, in einer Simulation zu<br />

verwenden. Dadurch können Institute nicht<br />

nur Extremwerte erkennen, sondern auch die<br />

gesamte Verteilung der Barwertänderungen<br />

erfassen. Dieses Verfahren der „Modernen<br />

Historischen Simulation“ wird von mehr als<br />

80 %­aller­Sparkassen­für­die­Darstellung­der­<br />

Zinsänderungsrisiken genutzt.<br />

Im Rahmen einer vergleichenden<br />

<strong>Analyse</strong> der Zinsänderungsrisiken von Kreditinstituten<br />

sollte berücksichtigt werden,<br />

dass nur eine differenzierte Betrachtung der<br />

Zinsänderungen zu ökonomisch objektiven<br />

Ergebnissen führt. Für diese <strong>Analyse</strong>n ist es<br />

dann aber auch erforderlich, einheitliche<br />

Methoden und Parameter für die Erstellung<br />

<strong>des</strong> Summenzahlungsstroms und Erfassung<br />

der Optionen vorzugeben. Dies ist aufsichtsrechtlich<br />

nicht beabsichtigt und wohl auch<br />

realistisch nicht über alle Banken und Sparkassen<br />

einheitlich durchsetzbar.<br />

Aus diesem Grund trägt die Aufsicht<br />

der differenzierten Prüfung von Instituten<br />

dadurch Rechnung, dass sie bei der Ermittlung<br />

einer möglichen risikobegrenzenden<br />

Auflage zur höheren Eigenkapitalunterlegung<br />

keinen Automatismus walten lässt.<br />

Vielmehr soll, wie die Gespräche mit der<br />

Aufsicht bestätigen, im Einzelfall über individuelle<br />

Maßnahmen entschieden werden.<br />

Herangezogen werden sollen dabei auch die<br />

institutsinternen Methoden, die treffsichere,<br />

realistische Ergebnisse erzielen, und die<br />

Gesamtrisikoanalyse.<br />

Die Frage <strong>des</strong> Planungshorizonts<br />

Eine weitere wichtige Frage, die sich in diesem<br />

Zusammenhang stellt, ist die, in welcher<br />

CONTROLLING<br />

Zahlungsstrom €<br />

1 Tag 0,80 2,80 - 100,00 1<br />

1 Jahr 1,30 3,30 + 3,20<br />

2 Jahre 1,60 3,60 + 203,20<br />

1 Der Zins für einen Tag wurde aus Vereinfachungsgründen weggelassen.<br />

Risikowerte für Benchmarks bei Anwendung verschiedener Methoden<br />

Methode<br />

Benchmark<br />

Gleitend 10 Jahre 2 × Gleitend 10 Jahre –<br />

1 × Gleitend 3 Monate<br />

200 BP barwertig overnight 8,25 16,18<br />

200 BP Planungshorizont 3 Monate 7,11 14,50<br />

Simulation alle Zinsänderungen overnight<br />

Maximalwert<br />

Simulation alle Zinsänderungen Planungshorizont<br />

3 Monate Maximalwert<br />

5,46 13,74<br />

4,45 9,06<br />

Weise ein Planungshorizont bei den Berechnungen<br />

berücksichtigt werden soll.<br />

Ein Beispiel<br />

Der Unterschied zwischen einer barwertigen<br />

und einer Berechnung auf Planungshorizont<br />

wird am folgenden Beispiel deutlich. Eine<br />

Bank mit einem Vermögen von 100 Euro hat<br />

200­Euro­zum­Marktzinssatz­von­1,6 %­fürzwei<br />

Jahre angelegt. Dabei sind 100 Euro im<br />

Tagesgeld­zu­0,80 %­refinanziert.­Tabelle 4dokumentiert<br />

die aktuelle Zinsstruktur, den<br />

Zinsschock und den Zahlungsstrom. Nach<br />

einem Zinsschock von 200 BP beträgt der<br />

Barwert­ 92,42 %.­ Der­ barwertige­Verlustbeziffert­sich­damit­auf­7,58<br />

%.­<br />

Wird nun ein Planungshorizont von<br />

1 Jahr verwandt, weil hier die Zinsänderung<br />

von 200 BP realistisch ist, ändert sich das<br />

Bild. Wird angenommen, dass die Geldaufnahme<br />

von 100 Euro weiterhin revolvierend<br />

im Tagesgeld erfolgt, kann dabei mit einem<br />

Zins­von­1,8 %­gerechnet­werden,­der­sichals­Mittelwert­aus­aktuell­0,8<br />

%­und­2,8 %nach<br />

dem Zinsschock ergibt. Am Jahresende<br />

entsteht eine Soll-Position von<br />

101,80 Euro. Wenn im schlimmsten Fall der<br />

Zins­sofort­auf­2,8 %­steigt,­ist­die­Sollposition<br />

102,8 Euro.<br />

Am Planungshorizont fließen 3,20 Euro<br />

als sicherer Wert zu. Diese Position war bei<br />

barwertiger Berechnung dem Zinsänderungsrisiko<br />

<strong>des</strong> gestiegenen Jahreszinses<br />

5 Die Berechnung erfolgt analog zur dargestellten<br />

Berechnung mit Kappung der Zinsen auf minimal<br />

0 %. Die Rechenschritte werden aus Platzgründen<br />

nicht in der Tabelle aufgeführt.<br />

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