ballettintern - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
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Zwanzig Jahre<br />
Bayerisches Staatsballett<br />
Eine Erfolgsstory<br />
Von Horst Koegler<br />
Ein großes deutsches Ballett, ein Staats-, ein Nationalballett gar!<br />
Zuerst begannen wir nach dem Krieg im Berlin der fünfziger Jahren<br />
davon zu träumen . Als die »Siegermächte« ihre repräsentativen<br />
Ballettcompagnien zu den Festwochen schickten, die Londoner<br />
ihre damals noch Sadler´s Wells Ballet genannte Truppe, die<br />
Pariser ihr Ballet de l´Opéra, die Amerikaner ihr New York City<br />
Ballet und das American Ballet Theatre – und die Sowjets im Gegenzug<br />
ihre Compagnien aus Moskau und Leningrad nach Ostberlin<br />
. Ja, das hätten wir auch gern!<br />
Dass unter den Berliner Träumenden damals auch ein Mädchen<br />
namens Konstanze träumte, das Tag <strong>für</strong> Tag in der Fasanenstrasse<br />
bei Tatjana Gsovsky an der Stange stand und seine ersten<br />
Pliés absolvierte, erscheint uns heute ziemlich unwahrscheinlich .<br />
Das träumte eher davon, einmal eine große Ballerina zu werden –<br />
wie die Fonteyn, die Chauviré, die Tallchief – oder wie die Ulanova<br />
beziehungsweise die Plissetzkaja .<br />
Einmal schienen wir schon nahe dran, als in Hamburg eine<br />
ad hoc zusammengestellte Ballett-Theater-Compagnie unter der<br />
Leitung von Helge Peters-Pawlinin debütierte – und zwar mit<br />
dem Ballett »Abraxas« von Werner Egk . Das war zwar bei seiner<br />
Münchner Uraufführung 1948 in der Choreographie von Marcel<br />
Luipart ein rauschender Erfolg, wurde auf Betreiben des damaligen<br />
bayerischen Kultusministers Alois Hundhammer indessen aus<br />
moralischen Gründen nach wenigen Vorstellungen abgesetzt .<br />
»Rache <strong>für</strong> München« stand auf den Fahnen der jungen Compagnie<br />
geschrieben – und anfangs ging auch alles gut, sogar beim<br />
Gastspiel in München, wo die Abraxianer auf ihrer rund fünfzig<br />
Vorstellungen umfassenden Tournee in der Bundesrepublik <strong>für</strong><br />
Furore sorgten (Startänzer waren damals Luipart, Natascha Trofimowa,<br />
Gisela Deege und Edel von Rothe, und als Ballettmeisterin<br />
fungierte die aus Holland nach Deutschland zurückgekehrte<br />
Yvonne Georgi) . Doch alle Zukunftshoffnungen zerrannen im<br />
Nichts, als der Dirigent des Unternehmens sich eines Abends mit<br />
der Kasse klammheimlich aus dem Staube machte und das Ensemble<br />
nicht etwa, wie das heute so schön heißt, Insolvenz anmeldete,<br />
sondern schlicht pleite ging .<br />
Tatjana Gsovsky und Konstanze Vernon, 1955<br />
(Foto: Archiv Ulrich Roehm)<br />
In den Folgejahren gab es dann immer mal wieder das Gerücht,<br />
dass die Gründung eines deutschen Nationalballetts unmittelbar<br />
bevorstünde – namentlich aus dem Umkreis des Berliner Balletts<br />
um Tatjana Gsovsky, dann in den späten 1960er Jahren, als Clive<br />
Barnes in New York das »Stuttgarter Ballettwunder« verkündet<br />
hatte und München alle Anstrengung unternahm, Stuttgart seinen<br />
John Cranko abspenstig zu machen, um so zu einer Tandem-<br />
Compagnie aus Stuttgarter und Münchner Tänzern zu kommen .<br />
Doch dem erteilten die Lokalmatadoren von Bayern und Schwaben<br />
eine entschiedene Absage . War also wieder nichts!<br />
Inzwischen wuchs die Berliner Ballettelevin Konstanze zu einer<br />
schmucken Ballerina des Münchner Staatsopernballetts namens<br />
Konstanze Vernon heran, die an der Seite ihres Traumpartners<br />
Heinz Bosl mehr und mehr internationale Aufmerksamkeit auf<br />
sich zog und auch sonst – und besonders nach dem tragisch frühen<br />
Tod von Bosl – einen künstlerischen Ehrgeiz an den Tag legte,<br />
der das Ballerinen-übliche Format bei weitem überstieg und<br />
ihr peu à peu den Ruf einer »Ikone der bayerischen Ballettszene«<br />
einbrachte . Der es gelang, wie in der offiziellen Münchner<br />
Ballettchronik zu lesen, »Dank ihrer unbeirrbaren künstlerischen<br />
Vision, auch Dank ihres politischen Spürsinns, die verantwortli-<br />
Konstanze Vernon, Heinz Bosl und John Cranko bei einer Probe<br />
(Foto: S . Toeppfer)<br />
4 Ballett Intern 4/2009